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378c3e13-de53-4b93-aebc-a617672b6579 | Erwägungen
ab Seite 283
BGE 119 V 283 S. 283
Aus den Erwägungen:
2.
a) Bei der Migros-Pensionskasse handelt es sich um eine umhüllende Vorsorgeeinrichtung, die nicht nur die gesetzlichen Minimalleistungen gemäss den Vorschriften des BVG erbringt, sondern auch die weitergehende Vorsorge sowie die freiwillige Versicherung für Arbeitnehmer durchführt (Art. 1f Stiftungsurkunde, Art. 6 Reglement). Im Bereich der weitergehenden Vorsorge sind die Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen von
Art. 49 Abs. 2 BVG
sowie der verfassungsmässigen Schranken (wie Rechtsgleichheit, Willkürverbot
BGE 119 V 283 S. 284
und Verhältnismässigkeit) in der Vertragsgestaltung grundsätzlich frei (
BGE 115 V 109
E. 4b; vgl. auch
BGE 114 V 107
E. 3). Insbesondere können sie - anders als im Bereich der obligatorischen Vorsorge (
BGE 115 V 223
E. 6) - die Aufnahme in die Vollversicherung an gewisse Anforderungen des Gesundheitszustandes knüpfen, indem sie beispielsweise einen befristeten oder unbefristeten gesundheitlichen Vorbehalt anbringen (
BGE 118 V 168
E. 5a und 243 E. 3b, 115 V 223 E. 6; ZAK 1986 S. 499; HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 5. Aufl., S. 73; MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, § 11 C.II.3).
b) Die Migros-Pensionskasse hat von dieser Vorbehaltsmöglichkeit nach dem System der Selbstdeklaration Gebrauch gemacht und im Abschnitt "Versicherungspflicht" den Beitritt und die Versicherungsdeckung wie folgt geregelt:
Art. 9 Gesundheitserklärung/ärztliche Untersuchung
1. Beim Beitritt zur Kasse hat der Mitarbeiter eine Selbstauskunft über den Gesundheitszustand abzugeben.
2. Auf Grund der Selbstauskunft kann die Kasse auf ihre Kosten eine vertrauensärztliche Untersuchung anordnen.
Art. 10 Vorbehalte
1. Vorbehalte wegen beschränkter Versicherungsfähigkeit werden auf Antrag des Vertrauensarztes vom Stiftungsrat festgelegt und dem Versicherten mitgeteilt.
2. Solche Vorbehalte sind nur auf jenen Teil der Leistungsansprüche anwendbar, der die gesetzlich obligatorisch versicherten Ansprüche übersteigt.
3. (Aufhebung oder Dahinfallen des Vorbehaltes.)
In Abschnitt "VI. Besondere Bestimmungen" hat die Pensionskasse folgendes normiert:
Art. 57 Auskünfte
1. Die Versicherten und die Bezüger von Leistungen der Kasse sind verpflichtet, den Organen oder dem Vertrauensarzt der Kasse auf Verlangen unverzüglich, vollständig und wahrheitsgetreu Auskunft zu erteilen über alle Tatsachen, die für die Leistungen der Kasse von Bedeutung sein können. Sie haben jede Änderung dieser Tatsachen unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen.
2. Die in Ziff. 1 genannten Personen haften der Kasse für jeglichen Schaden, den sie ihr durch vorenthaltene, verspätete, unrichtige oder unvollständige Auskünfte zufügen, ausser wenn sie nachweisen, dass sie kein Verschulden trifft. Zu Unrecht bezogene Leistungen haben sie der Kasse unabhängig vom Verschulden zurückzuerstatten.
BGE 119 V 283 S. 285
3. Im vorliegenden Fall ist zu Recht unbestritten, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf die obligatorischen BVG-Mindestleistungen hat. Zu prüfen ist jedoch, ob sie auch Leistungen der weitergehenden beruflichen Vorsorge gemäss Reglement beanspruchen kann.
a) Die Vorinstanz hat einen solchen Anspruch unter Hinweis auf eine Anzeigepflichtverletzung verneint. Den medizinischen Akten sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin seit vielen Jahren an Gesundheitsbeeinträchtigungen leide. Laut der behandelnden Ärztin leide sie oft an migräneartigen Kopfschmerzen und starken Schwindelanfällen; seit ungefähr zwei Jahren träten zudem psychosomatische Nacken- und Kreuzschmerzen, Schulter- und Herzschmerzen sowie psychogene Atemnot auf. Die gesamte Symptomatik habe bis Februar 1988 zugenommen und sei seither stationär geblieben. Ausserdem habe sich die Versicherte bereits im Sommer 1987 dahingehend geäussert, dass sie Arme und Rücken in ihrer Stellung als Putzfrau "kaputt gemacht habe". Eigenen Angaben der Beschwerdeführerin zufolge bestünden diese Leiden bereits seit Frühjahr 1986, einem Zeitpunkt, wo sie noch nicht im Migros-Betrieb tätig war. Bei dieser Anzahl von Beschwerden, die zwar psychosomatischer Natur seien, von der Versicherten aber als real empfunden wurden, sei die Auskunft, vollständig gesund und arbeitsfähig zu sein, nicht korrekt gewesen. Bei Nennung der Leiden hätte die Pensionskasse die Möglichkeit gehabt, eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen und gestützt darauf einen entsprechenden Vorbehalt anzubringen.
b) Frau Dr. med. A. diagnostizierte bei der Beschwerdeführerin eine chronisch verlaufende Depression (depressive Entwicklung und chronische Erschöpfungsdepression). Dieser Zustand bestehe seit vielen Jahren, habe sich jedoch ab 1985 akzentuiert. Zudem habe sie jahrelang unter der Doppelbelastung Haushalt/Erwerbstätigkeit sowie unter multiplen psychosomatischen Symptomen gelitten und sei müde und erschöpft gewesen; ferner habe sie oft migräneartige Kopf- sowie seit rund zwei Jahren (psychosomatische) Nacken-, Kreuz- und Schulterschmerzen beidseits, Herzstechen und psychogene Atemnot. Infolge betrieblicher Umstrukturierung sei ihr 1986 die Halbtagesstelle als Spetterin, welche sie während rund 16 Jahren bekleidet habe, gekündigt worden (Bericht vom 16. April 1988). Aus finanziellen Gründen habe sie im September 1986 erstmals eine Ganztagesstelle angetreten. Während sie die Doppelbelastung bei der Halbtagesarbeit noch einigermassen habe kompensieren können, sei
BGE 119 V 283 S. 286
ihr dies mit der neuen Vollzeitstelle nicht mehr möglich gewesen, weshalb die "wahrscheinlich" bereits bei Eintritt in die Pensionskasse bestehende latente Depression nunmehr zum Ausbruch gekommen sei (Bericht vom 20. Februar 1991).
c) In Würdigung dieser Berichte ist erstellt und im übrigen unbestritten, dass die Versicherte bereits im Zeitpunkt der Gesundheitserklärung (31. Oktober 1986) - nebst einer latenten Depression - an zahlreichen, z.T. kleineren (psycho)-somatischen Beschwerden gelitten hat. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass sie trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen während rund 16 Jahren der körperlich anstrengenden Arbeit einer Putzfrau nachgegangen ist, keine krankheitsbedingten Arbeitsausfälle zu verzeichnen hatte und wegen dieser Leiden auch nie in ärztlicher Behandlung gestanden hat. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die im Rahmen der seinerzeitigen Halbtagesarbeit noch erträgliche psychische Belastung durch das familiäre Umfeld (starke eheliche Zerrüttung, Doppelbelastung Hausfrau/Erzieherin und Erwerbstätige, Vollinvalidisierung von Ehemann, Schwester und Schwager innert kurzer Zeit) vorerst nicht negativ auf die Leistungsfähigkeit bei der neuen beruflichen Tätigkeit ausgewirkt hat. Ob in Anbetracht dieser subjektiven Umstände, insbesondere der persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse, der Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung erfüllt ist, braucht indes im Hinblick auf die nachstehenden Erwägungen nicht abschliessend beurteilt zu werden.
4.
Im Urteil D. vom 4. September 1990 (
BGE 116 V 218
) hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass sich die Verletzung der Anzeigepflicht und deren Folgen grundsätzlich nach den einschlägigen statutarischen bzw. reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung beurteilt. Schweigen sich Statuten oder Reglement hierüber aus, hat die Beurteilung dieses Tatbestandes nicht nach den Regeln über die Mängel beim Vertragsabschluss (
Art. 23 ff. OR
), sondern analogieweise gemäss
Art. 4 ff. VVG
zu erfolgen (S. 225 f. E. 4; vgl. auch
BGE 118 II 341
mit Hinweisen). Es steht nichts entgegen, diese auf dem Gebiet der freiwilligen Vorsorge Selbständigerwerbender (nicht nach BVG) ergangene Rechtsprechung auch im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge anzuwenden (vgl. KÜNG, Ein bemerkenswerter Entscheid des EVG, in Schweizerische Personalvorsorge 1990 S. 291). Was die Beschwerdegegnerin hiegegen vorbringt, vermag nicht zu einer anderen Betrachtungsweise zu führen. Es trifft zwar zu, dass es sich beim Vorsorgevertrag nicht um einen Versicherungsvertrag im
BGE 119 V 283 S. 287
Sinne des VVG, sondern um einen Innominatsvertrag (eigener Art) handelt (BGE
BGE 118 V 232
E. 4b mit Hinweis), auf welchen grundsätzlich das Obligationenrecht Anwendung findet (
Art. 101 VVG
). Wie das Eidg. Versicherungsgericht unter Hinweis auf eine langjährige, auf die Doktrin abgestützte bundesgerichtliche Praxis ausgeführt hat, schliesst dieser Umstand jedoch die analogieweise Heranziehung gewisser Bestimmungen des VVG, in casu der
Art. 4 ff. VVG
, nicht aus (
BGE 116 V 225
E. 4b). Vorsorgevertrag und Versicherungsvertrag sind inhaltlich verwandt (BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, § 8 N. 28 Fn. 65; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, § 4 N. 14). Sie bezwecken gleichsam, die Versicherten planmässig, durch Gewährung normierter Leistungen gegen die Folgen eines versicherten Risikos (Alter, Invalidität, Tod) zu schützen. Hiefür sind die Vorsorgeeinrichtungen genauso wie die privaten Lebensversicherer im Hinblick auf die (versicherungstechnische) Erfassung des Risikos auf Angaben über den Gesundheitszustand der zu versichernden Person angewiesen (
BGE 116 V 226
E. 4b). Diese Risikobeurteilung ist aber nicht davon abhängig, ob der Versicherer auf dem freien Markt auftritt oder ob der Beitritt zur Versicherung nur bestimmten Personen offensteht, ob die Versicherung freiwillig oder obligatorisch ist oder ob die Höhe der Versicherungsleistungen der Parteiautonomie unterliegt oder (reglementarisch) zwingend vorgegeben ist.
5.
a) Im vorliegenden Fall regeln die Statuten der Pensionskasse zwar die Anzeigepflicht und die Folgen ihrer Verletzung. Indessen ist die statutarische Ordnung insofern lückenhaft, als sie sich insbesondere ausschweigt, innert welcher Frist sich die Kasse unter Verwirkungsfolge auf die Verletzung der Anzeigepflicht berufen muss. Es versteht sich von selbst, dass eine Falschdeklaration nicht jederzeit geltend gemacht werden kann. Mangels einer entsprechenden statutarischen Regelung rechtfertigt es sich in diesem Punkt, analogieweise auf
Art. 6 VVG
Rückgriff zu nehmen. Danach ist die Berufung auf den Vertragsabschlussmangel verspätet, wenn er nicht innert vier Wochen seit Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht vom Versicherer erklärt wird. Dabei handelt es sich nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine Verwirkungsfrist, deren Lauf weder gehemmt noch unterbrochen werden kann. Sie beginnt erst, wenn der Versicherer zuverlässige Kunde von Tatsachen erhält, aus denen sich der sichere Schluss auf Verletzung der Anzeigepflicht ziehen lässt. Blosse Vermutungen, die zu grösserer oder geringerer
BGE 119 V 283 S. 288
Wahrscheinlichkeit drängen, dass die Anzeigepflicht verletzt ist, genügen nicht (
BGE 118 II 340
E. 3a und
BGE 116 V 229
E. 6a mit Hinweisen).
b) Aufgrund der Unterlagen steht fest, dass die Pensionskasse bereits am 2. Januar 1989 im Besitz der IV-Akten war. Die Kasse stützte ihren Entscheid, nur die Mindestleistungen gemäss BVG zu erbringen, auf diese, vom Vertrauensarzt geprüften Akten. Mit dem darin enthaltenen Bericht der Frau Dr. med. A. vom 16. April 1988 erhielt sie zuverlässige Kenntnis von Tatsachen, welche den sicheren Schluss auf eine allfällige Verletzung der Anzeigepflicht zuliessen und weit über blosse Vermutungen in dieser Richtung hinausgingen. Eine hinreichend gesicherte Beurteilung liess spätestens das vom Vertrauensarzt der Pensionskasse am 20. April 1989 in einer Aktennotiz verurkundete Telefongespräch vom 14. oder 15. April 1989 mit der behandelnden Ärztin zu, wonach sich die Beschwerdeführerin nicht als voll gesund und arbeitsfähig bezeichnen konnte. Daran ändert der im vorinstanzlichen Instruktionsverfahren eingeholte Arztbericht der Psychiaterin vom 20. Februar 1991 nichts. Dieser bestätigte im wesentlichen nur die im früheren Bericht gemachten Feststellungen und wurde vor allem zur besseren Erhellung eingefordert, ob angesichts aller im Zeitpunkt der Gesundheitserklärung vorliegenden Umstände die Beschwerdeführerin ihren Gesundheitszustand gemessen an ihrer eigenen Krankheitseinsicht und ihrem Bewusstsein wahrheitsgemäss beantwortet habe, was vor allem eine Rechtsfrage ist, welche nicht der Arzt zu beantworten hat. Die Pensionskasse widersetzte sich denn auch gegen diesen Beweisbeschluss mit Schreiben vom 24. Januar 1991 unter anderem mit dem Argument, dass sich schon aus der Aktennotiz des Vertrauensarztes vom 20. April 1989 klar eine falsche Deklaration des Gesundheitszustandes ergebe. Aus dem Einblick in die IV-Akten und deren Prüfung durch den Vertrauensarzt nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin hatte die Pensionskasse spätestens Mitte April 1989 genügend sichere Grundlagen, um auf eine allfällige Anzeigepflichtverletzung zu schliessen. Wenn sie sich in der Folge erst mit Schreiben vom 23. Mai 1989 dazu entschlossen hat, unter Berufung auf eine nicht wahrheitsgemässe Gesundheitsdeklaration Leistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge abzulehnen, hat sie die Monatsfrist verpasst.
c) Was die Beschwerdegegnerin hiegegen einwendet, vermag nicht durchzudringen. Insbesondere kann der Auffassung, wonach die zeitliche Begrenzung wegen des Abklärungsbedarfs bei den Invaliditätsfällen
BGE 119 V 283 S. 289
zu kurz sei und somit das Rücktrittsrecht illusorisch mache, nicht gefolgt werden. Sie übersieht, dass die Vierwochenfrist nicht bereits bei bloss vermuteter Obliegenheitsverletzung, sondern erst in demjenigen Zeitpunkt zu laufen beginnt, in welchem der Versicherer zuverlässige Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich der sichere Schluss auf Verletzung der Anzeigepflicht ziehen lässt (E. 4). Damit aber bleibt für die im Einzelfall erforderlichen medizinischen oder anderweitigen Abklärungen genügend Raum. Schliesslich hat es der Rücktrittsberechtigte selber zu verantworten, wenn er infolge Fristversäumnis die (bei Rechtzeitigkeit nicht geschuldeten) Leistungen zu erbringen hat. Dies ist keine Konsequenz des erwähnten
BGE 116 V 218
, sondern ergibt sich direkt aus der gesetzlichen (in casu
Art. 6 VVG
) oder statutarischen Ordnung, welche bei Missachtung der Frist den Untergang des Rücktrittsrechts auf der einen und das Fortbestehen des Vorsorgevertrages im vereinbarten Umfang auf der anderen Seite zur Folge hat.
d) Nach dem Gesagten hat die Beschwerdeführerin über die BVG-Leistungen hinaus Anspruch auf eine reglementarische Invalidenrente aus der weitergehenden beruflichen Vorsorge. | mixed |
89be7a13-a2ad-4aac-b530-0b534d0a5378 | 221.229.1 1 Loi fédérale sur le contrat d’assurance (Loi sur le contrat d’assurance, LCA)1 du 2 avril 1908 (Etat le 1er janvier 2022) L’Assemblée fédérale de la Confédération suisse, en exécution de l’art. 64 de la constitution2,3 vu le message du Conseil fédéral du 2 février 19044, décrète: Chapitre 1 Dispositions générales5 Section 1 Conclusion du contrat6 Art. 1 1 Celui qui fait à l’entreprise d’assurance7 une proposition de contrat d’assurance est lié pendant quatorze jours s’il n’a pas fixé un délai plus court pour l’acceptation. 2 Il est lié pendant quatre semaines si l’assurance exige un examen médical. 3 Le délai commence à courir dès la remise ou dès l’envoi de la pro- position à l’entreprise d’assurance ou à son agent. 4 Le proposant est dégagé si l’acceptation de l’entreprise d’assurance ne lui parvient pas avant l’expiration du délai. Art. 2 1 Est considérée comme acceptée la proposition de prolonger ou de modifier un contrat ou de remettre en vigueur un contrat suspendu, si RS 2 776 1 Tit. abrégé et abréviation introduits par le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 2 [RS 1 3]. À la disposition mentionnée correspond actuellement l’art. 122 de la Constitution du 18 avril 1999 (RS 101). 3 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 8 de la loi du 24 mars 2000 sur les fors, en vigueur depuis le 1er janv. 2001 (RO 2000 2355; FF 1999 2591). 4 FF 1904 I 267 5 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 6 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 7 Nouvelle expression selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. 221.229.1 Proposition d’assurance Propositions spéciales Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 2 221.229.1 l’entreprise d’assurance ne refuse pas cette proposition dans les qua- torze jours après qu’elle lui est parvenue. 2 Lorsqu’un examen médical est exigé par les conditions générales de l’assurance, la proposition est considérée comme acceptée, si l’entreprise d’assurance ne la refuse pas dans les quatre semaines après qu’elle lui est parvenue. 3 Ces règles ne s’appliquent pas à la proposition d’augmenter la somme assurée. Art. 2a8 1 Le preneur d’assurance peut révoquer sa proposition de contrat ou l’acceptation de ce dernier par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte. 2 Le délai de révocation est de quatorze jours et commence à courir dès que le preneur d’assurance a proposé ou accepté le contrat. 3 Le délai est respecté si le preneur d’assurance communique sa révo- cation à l’entreprise d’assurance ou remet son avis de révocation à la poste le dernier jour du délai. 4 Le droit de révocation est exclu pour les assurances collectives de personnes, les couvertures provisoires et les conventions d’une durée inférieure à un mois. 5 Aussi longtemps que des tiers lésés peuvent faire valoir de bonne foi des prétentions à l’encontre de l’entreprise d’assurance malgré une révocation, le preneur d’assurance demeure débiteur de la prime et l’entreprise d’assurance ne peut pas opposer aux tiers lésés la caducité du contrat. Art. 2b9 1 La révocation a pour conséquence que la proposition de contrat d’assurance ou l’acceptation par le preneur d’assurance sont considé- rées comme non avenues. Pour les assurances sur la vie liées à des participations, la valeur équivalente au moment de la révocation doit être remboursée. 2 Les parties doivent rembourser les prestations reçues. 3 Le preneur d’assurance ne doit aucun autre dédommagement à l’entreprise d’assurance. Si l’équité l’exige, le preneur d’assurance doit rembourser à l’entreprise d’assurance tout ou partie des frais découlant 8 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 9 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Droit de révocation Effets de la révocation L sur le contrat d’assurance 3 221.229.1 de clarifications particulières que cette dernière a réalisées de bonne foi en vue de la conclusion du contrat. Section 2 Obligations d’information10 Art. 311 1 L’entreprise d’assurance doit, avant la conclusion du contrat d’assu- rance, renseigner le preneur d’assurance, de manière compréhensible et par un moyen permettant d’en établir la preuve par un texte, sur son identité et sur les principaux éléments du contrat d’assurance. Elle doit le renseigner sur:13 a. les risques assurés; b.14 l’étendue de la couverture d’assurance et sa nature, c’est-à-dire la question de savoir s’il s’agit d’une assurance de sommes ou d’une assurance dommages; c. les primes dues et les autres obligations du preneur d’assu- rance; d. la durée et la fin du contrat d’assurance; e. les méthodes, les principes et les bases de calcul régissant la distribution des excédents et la participation aux excédents; f.15 les valeurs de rachat et de transformation ainsi que les sortes principales de frais liés à une assurance sur la vie susceptible de rachat en cas de rachat; g. le traitement des données personnelles, y compris le but et le genre de banque de données, ainsi que sur les destinataires et la conservation des données; h.16 le droit de révocation visé à l’art. 2a ainsi que la forme et le délai de la révocation; 10 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 11 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 12 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 13 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 14 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 15 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 16 Introduite par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Obligation d’information de l’entreprise d’assurance12 Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 4 221.229.1 i.17 le délai de remise de l’avis de sinistre au sens de l’art. 38, al. 1; j.18 la validité dans le temps de la couverture d’assurance, en parti- culier lorsque le sinistre se produit pendant la durée du contrat mais que le dommage n’intervient qu’après la fin du contrat. 2 Ces renseignements sont à fournir au preneur d’assurance de sorte qu’il puisse en avoir connaissance lorsqu’il fait la proposition de contrat d’assurance ou qu’il l’accepte. Dans tous les cas, il doit être à ce moment-là en possession des conditions générales d’assurance et de l’information au sens de l’al. 1, let. g. 3 Si un employeur conclut une assurance collective de personnes afin de protéger ses employés, il est tenu de renseigner ces derniers, par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte, sur les principaux éléments du contrat, sur ses modifications et sur sa dissolution. L’entreprise d’assurance met à la disposition de l’employeur tous les documents nécessaires à cette fin.19 Art. 3a20 1 Si l’entreprise d’assurance a contrevenu à son obligation d’infor- mation au sens de l’art. 3, le preneur d’assurance est en droit de résilier le contrat; il doit le faire par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte. La résiliation prend effet lorsqu’elle parvient à l’entreprise d’assurance. 2 Le droit de résiliation s’éteint quatre semaines après que le preneur d’assurance a eu connaissance de la contravention et des informations selon l’art. 3, mais au plus tard deux ans après la contravention. Art. 4 1 Le proposant doit déclarer à l’entreprise d’assurance, au moyen d’un questionnaire ou en réponse à toute autre question, tous les faits impor- tants pour l’appréciation du risque qu’il connaît ou qu’il doit connaître. Les questions de l’entreprise d’assurance et la communication du proposant doivent être transmises par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte.22 17 Introduite par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 18 Introduite par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 19 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 20 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2004 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 21 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 22 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Violation de l’obligation d’information Déclarations obligatoires a. Règles générales21 L sur le contrat d’assurance 5 221.229.1 2 Sont importants tous les faits de nature à influer sur la détermination de l’entreprise d’assurance de conclure le contrat ou de le conclure aux conditions convenues. 3 Sont réputés importants les faits au sujet desquels l’entreprise d’assu- rance a posé des questions précises et non équivoques.23 Art. 5 1 Devront être déclarés, si le contrat est conclu par un représentant, tous les faits importants qui sont ou doivent être connus du représenté et tous ceux qui sont ou doivent être connus du représentant. 2 En cas d’assurance d’autrui (art. 16), les faits importants qui sont ou doivent être connus du tiers assuré ou de son intermédiaire doivent aussi être déclarés, à moins que le contrat ne soit conclu à leur insu ou qu’il ne soit pas possible d’aviser le proposant en temps utile.25 Art. 626 1 Si, lorsqu’il a répondu aux questions visées à l’art. 4, al. 1, celui qui avait l’obligation de le faire a omis de déclarer ou a déclaré inexacte- ment un fait important qu’il connaissait ou qu’il devait connaître (réticence) et sur lequel il a été questionné, l’entreprise d’assurance est en droit de résilier le contrat par écrit ou par tout autre moyen permet- tant d’en établir la preuve par un texte.27 La résiliation prend effet lorsqu’elle parvient au preneur d’assurance. 2 Le droit de résiliation s’éteint quatre semaines après que l’entreprise d’assurance a eu connaissance de la réticence.28 3 Si le contrat prend fin par résiliation en vertu de l’al. 1, l’obligation de l’entreprise d’assurance d’accorder sa prestation s’éteint également pour les sinistres déjà survenus dans la mesure où le fait qui a été l’objet de la réticence a influé sur la survenance ou l’étendue du si- nistre. Dans la mesure où elle a déjà accordé une prestation pour un tel sinistre, l’entreprise d’assurance a droit à son remboursement.29 23 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 24 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 25 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 26 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 27 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 28 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 29 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). b. Contrat par représentant24 c. Assurance d’autrui Réticence, ses conséquences a. Règle générale Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 6 221.229.1 4 Si un contrat d’assurance sur la vie, rachetable selon la présente loi (art. 90, al. 2), est résilié, l’entreprise d’assurance doit accorder la prestation prévue en cas de rachat. Art. 7 Lorsque le contrat est relatif à plusieurs choses ou à plusieurs person- nes et que la réticence n’a trait qu’à quelques-unes de ces choses ou de ces personnes, l’assurance reste en vigueur pour les autres, s’il résulte des circonstances que l’entreprise d’assurance les aurait assurées seules aux mêmes conditions. Art. 8 Malgré la réticence (art. 6), l’entreprise d’assurance ne pourra pas résilier le contrat:30 1. si le fait qui a été l’objet de la réticence a cessé d’exister avant le sinistre; 2. si l’entreprise d’assurance a provoqué la réticence; 3. si l’entreprise d’assurance connaissait ou devait connaître le fait qui n’a pas été déclaré; 4. si l’entreprise d’assurance connaissait ou devait connaître exactement le fait qui a été inexactement déclaré; 5.31 si l’entreprise d’assurance a renoncé au droit de résilier le con- trat; 6. si celui qui doit faire la déclaration ne répond pas à l’une des questions posées et que, néanmoins, l’entreprise d’assurance ait conclu le contrat. Cette règle ne s’applique pas lorsque, d’après les autres communications du déclarant, la question doit être considérée comme ayant reçu une réponse dans un sens déterminé et que cette réponse apparaît comme une réti- cence sur un fait important que le déclarant connaissait ou de- vait connaître. 30 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 31 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). b. Assurance collective Maintien du contrat malgré la réticence L sur le contrat d’assurance 7 221.229.1 Section 3 Contenu et force obligatoire du contrat32 Art. 933 1 Lorsqu’une couverture provisoire a été convenue, la possibilité de déterminer les risques assurés et l’étendue de la protection d’assurance provisoire suffit à justifier l’obligation de prestation. L’obligation d’information de l’entreprise d’assurance est réduite en conséquence. 2 Une prime est due si elle a été convenue ou si elle est usuelle. 3 Si la couverture provisoire n’est pas limitée dans le temps, elle peut être résiliée en tout temps moyennant un délai de quatorze jours. Elle prend fin en tout cas lors de la conclusion d’un contrat définitif avec l’entreprise d’assurance concernée ou une autre entreprise d’assurance. 4 L’entreprise d’assurance doit confirmer par écrit les couvertures provisoires. Art. 1034 1 Les effets du contrat peuvent débuter à une date antérieure à celle de sa conclusion si un intérêt assurable existe. 2 L’assurance rétroactive est nulle si seul le preneur d’assurance ou l’assuré savait ou devait savoir qu’un sinistre était déjà survenu. Art. 1135 1 L’entreprise d’assurance remet au preneur d’assurance une police constatant les droits et les obligations des parties. 2 À la demande du preneur d’assurance, l’entreprise d’assurance doit lui remettre une copie des déclarations contenues dans la proposition d’assurance ou faites de toute autre manière par le proposant et qui ont servi de base à la conclusion du contrat. Art. 1236 32 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 33 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 34 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 35 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 36 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Couverture provisoire Assurance rétroactive Police a. Contenu b. ... Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 8 221.229.1 Art. 13 1 …37 2 Les règles du code fédéral des obligations du 14 juin 1881 relatives à l’annulation des titres au porteur38 s’appliquent par analogie à l’annu- lation des polices, avec cette modification que le délai pour produire est réduit à un an au plus. Art. 14 1 L’entreprise d’assurance n’est pas liée si le sinistre a été causé inten- tionnellement par le preneur d’assurance ou l’ayant droit. 2 Si le preneur d’assurance ou l’ayant droit a causé le sinistre par une faute grave, l’entreprise d’assurance est autorisée à réduire sa presta- tion dans la mesure répondant au degré de la faute. 3 Si le sinistre a été causé intentionnellement ou par faute grave soit par une personne qui fait ménage commun avec le preneur d’assurance ou l’ayant droit, soit par une personne des actes de laquelle le preneur ou l’ayant droit est responsable, et si le preneur ou l’ayant droit a commis une faute grave dans la surveillance de cette personne ou en engageant ses services ou en l’admettant chez lui, l’entreprise d’assurance est autorisée à réduire sa prestation dans la mesure répon- dant au degré de la faute du preneur ou de l’ayant droit. 4 Si le sinistre est dû à une faute légère du preneur d’assurance ou de l’ayant droit, ou si ces personnes se sont rendues coupables d’une faute légère dans le sens de l’alinéa précédent, ou encore si le sinistre est dû à une faute légère de l’une des autres personnes mentionnées dans ce même alinéa, la responsabilité de l’entreprise d’assurance demeure entière. Art. 15 Lorsqu’une des personnes mentionnées à l’art. 14 de la présente loi a provoqué le sinistre en accomplissant un devoir d’humanité, la respon- sabilité de l’entreprise d’assurance demeure entière. Art. 1639 1 L’objet de l’assurance est un intérêt assurable du preneur d’assurance (assurance pour son propre compte) ou d’un tiers (assurance pour compte d’autrui). L’assurance peut porter sur la personne, sur des 37 Abrogé par le ch. II 8 de l'annexe 1 au code de procédure civile du 19 déc. 2008, avec effet au 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 38 [RO 5 577, 11 449; RS 2 3 tit. fin. art. 60 al. 2 189 in fine, art. 18 disp. fin. et trans. tit. XXIV à XXXIII 776 art. 103 al. 1]. Actuellement «les règles du CO» (RS 220). 39 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). c. Annulation Sinistre causé par faute Actes de dévouement Objet de l’assurance L sur le contrat d’assurance 9 221.229.1 choses ou sur le reste du patrimoine du preneur d’assurance (assurance personnelle) ou d’un tiers (assurance d’autrui). 2 En cas de doute, le preneur d’assurance est présumé avoir contracté l’assurance pour son propre compte. 3 Dans l’assurance pour compte d’autrui, l’entreprise d’assurance peut faire valoir également à l’endroit du tiers les exceptions qu’il peut opposer au preneur d’assurance. Art. 17 et 1840 Section 4 Prime41 Art. 19 1 Sauf stipulation contraire, la prime échoit pour la première période d’assurance au moment de la conclusion du contrat. Par période d’as- surance il faut entendre le laps de temps d’après lequel est calculée l’unité de prime. En cas de doute, la période d’assurance est d’une année. 2 ... 43 3 En cas de doute, les primes ultérieures échoient au commencement d’une nouvelle période d’assurance. Art. 20 1 Si la prime n’est pas payée à l’échéance ou dans le délai de grâce accordé par le contrat, le débiteur doit être sommé par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte, à ses frais, d’en effectuer le paiement dans les quatorze jours à compter de l’envoi de la sommation, qui doit rappeler les conséquences de la demeure.45 2 Si la prime est encaissée chez le débiteur, la sommation peut être effectuée oralement.46 40 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 41 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 42 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 43 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 44 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 45 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 46 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Échéance42 Sommation obligatoire; conséquences de la demeure44 Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 10 221.229.1 3 Si la sommation reste sans effet, l’obligation de l’entreprise d’assurance est suspendue à partir de l’expiration du délai légal. 4 L’art. 93 de la présente loi demeure réservé. Art. 2147 1 Si l’entreprise d’assurance n’a pas poursuivi le paiement de la prime en souffrance dans les deux mois après l’expiration du délai fixé par l’art. 20 de la présente loi, elle est censée s’être départie du contrat et avoir renoncé au paiement de la prime arriérée. 2 Si l’entreprise d’assurance a poursuivi le paiement de la prime ou l’a accepté ultérieurement, son obligation reprend effet à partir du mo- ment où la prime arriérée a été acquittée avec les intérêts et les frais. Art. 22 et 2348 Art. 2449 1 La prime n’est due que jusqu’à la fin du contrat lorsque celui-ci est résilié ou prend fin avant son échéance. L’art. 42, al. 3, est réservé. 2 La prime pour la période d’assurance en cours est due dans son inté- gralité lorsque le contrat devient nul et non avenu à la suite de la dispa- rition du risque. Art. 25 à 2751 Section 5 Modification du contrat52 Art. 28 1 Si le preneur d’assurance provoque une aggravation essentielle du risque au cours de l’assurance, l’entreprise d’assurance cesse pour l’avenir d’être liée par le contrat. 47 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 48 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 49 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 50 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 51 Abrogés par le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, avec effet au 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 52 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Rapports de droit après la demeure Divisibilité de la prime50 Aggravation du risque par le fait du preneur d’assurance L sur le contrat d’assurance 11 221.229.1 2 L’aggravation est essentielle lorsqu’elle porte sur un fait qui est important pour l’appréciation du risque (art. 4) et dont les parties avaient déterminé l’étendue lors de la réponse aux questions visées à l’art. 4, al. 1.53 3 Le contrat peut stipuler si, dans quelle mesure et dans quels délais le preneur doit donner avis de l’aggravation du risque à l’entreprise d’assurance. Art. 28a54 1 En cas de diminution importante du risque, le preneur d’assurance est en droit de résilier le contrat par écrit ou par tout autre moyen permet- tant d’en établir la preuve par un texte avec un préavis de quatre se- maines ou d’exiger une réduction de la prime. 2 Si l’entreprise d’assurance refuse de réduire la prime ou si le preneur d’assurance n’est pas d’accord avec la réduction proposée, ce dernier est en droit, dans les quatre semaines qui suivent la date de réception de l’avis de l’entreprise d’assurance, de résilier le contrat par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte avec un préavis de quatre semaines. 3 La réduction de la prime prend effet dès que la communication visée à l’al. 1 parvient à l’entreprise d’assurance. Art. 29 1 L’art. 28 de la présente loi ne s’applique pas aux conventions par lesquelles le preneur d’assurance se charge d’obligations déterminées en vue d’atténuer le risque ou d’en empêcher l’aggravation. 2 Si le preneur contrevient à ces obligations, l’entreprise d’assurance ne peut pas se prévaloir de la clause qui la libère du contrat lorsque la contravention n’a pas exercé d’influence sur le sinistre ou sur l’étendue des prestations incombant à l’entreprise d’assurance. Art. 30 1 Si l’aggravation essentielle du risque intervient sans le fait du pre- neur d’assurance, elle n’entraîne la conséquence prévue par l’art. 28 de la présente loi que si le preneur d’assurance n’a pas déclaré cette aggravation à l’entreprise d’assurance, par écrit et dès qu’il en a eu connaissance. 2 Si le preneur n’a pas contrevenu à cette obligation et que l’entreprise d’assurance se soit réservé le droit de résilier le contrat pour cause 53 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 54 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Diminution du risque Conventions spéciales réservées Aggravation du risque sans le fait du preneur d’assurance Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 12 221.229.1 d’aggravation essentielle du risque, la responsabilité de l’entreprise d’assurance prend fin quatorze jours après qu’elle a notifié la résilia- tion au preneur. Art. 31 Lorsque le contrat comprend plusieurs choses ou plusieurs personnes et que le risque n’est aggravé que pour une partie de ces choses ou de ces personnes, l’assurance demeure en vigueur pour les autres, à la condition que le preneur paie pour celles-ci, à première réquisition, la prime plus élevée qui pourrait être due à l’entreprise d’assurance. Art. 32 L’aggravation du risque reste sans effet juridique: 1. si elle n’a exercé aucune influence sur le sinistre et sur l’éten- due des prestations incombant à l’entreprise d’assurance; 2. si elle a eu lieu pour sauvegarder les intérêts de l’entreprise d’assurance; 3. si elle était imposée par un devoir d’humanité; 4. si l’entreprise d’assurance a renoncé expressément ou tacite- ment à se départir du contrat, notamment si, après avoir reçu du preneur d’assurance l’avis écrit de l’aggravation du risque, elle ne lui a pas notifié dans les quatorze jours la résiliation du contrat. Art. 33 Sauf disposition contraire de la présente loi, l’entreprise d’assurance répond de tous les événements qui présentent le caractère du risque contre les conséquences duquel l’assurance a été conclue, à moins que le contrat n’exclue certains événements d’une manière précise, non équivoque. Art. 3455 À l’égard du preneur d’assurance, l’entreprise d’assurance répond des actes de son intermédiaire comme de ses propres actes. Art. 35 Si, pendant la durée du contrat, les conditions générales d’assurance des contrats de même genre sont modifiées, le preneur d’assurance peut exiger que le contrat soit continué aux conditions nouvelles. Mais 55 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). Aggravation du risque dans l’assurance collective Maintien du contrat malgré l’aggravation du risque Étendue du risque Responsabilité de l’entreprise d’assurance pour ses agents Revision des conditions générales L sur le contrat d’assurance 13 221.229.1 s’il est exigé des prestations plus élevées pour l’assurance aux nouvel- les conditions, le preneur doit fournir à l’entreprise d’assurance le juste équivalent. Section 6 Fin du contrat56 Art. 35a57 1 Le contrat peut être résilié par écrit ou par tout autre moyen permet- tant d’en établir la preuve par un texte pour la fin de la troisième année ou de chacune des années suivantes, même s’il a été conclu pour une durée plus longue, moyennant un préavis de trois mois. 2 Les parties peuvent convenir que le contrat peut être résilié avant la fin de la troisième année. Les délais de résiliation doivent être iden- tiques pour les deux parties. 3 L’assurance sur la vie est exclue du droit de résiliation ordinaire. 4 Dans l’assurance complémentaire à l’assurance-maladie sociale (art. 2, al. 2, de la loi du 26 septembre 2014 sur la surveillance de l’assurance-maladie58), seul le preneur d’assurance peut faire usage du droit de résiliation ordinaire ou du droit de résiliation en cas de dom- mage (art. 42, al. 1, de la présente loi). Dans l’assurance collective d’indemnités journalières, les deux parties peuvent faire usage de ces droits. Art. 35b59 1 Le contrat peut être résilié pour de justes motifs en tout temps par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte. 2 Est considéré comme juste motif: a. toute modification imprévisible des prescriptions légales qui empêche d’exécuter le contrat; b. toute circonstance dans laquelle les règles de la bonne foi ne permettent plus d’exiger la continuation du contrat de la part de la personne qui le résilie. 56 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 57 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 58 RS 832.12 59 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Résiliation ordinaire Résiliation extraordinaire Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 14 221.229.1 Art. 35c60 1 Sont nulles, les dispositions du contrat qui donnent à une entreprise d’assurance le droit de supprimer ou de limiter unilatéralement la durée ou l’étendue de ses obligations existantes de fournir des presta- tions périodiques à la suite d’une maladie ou d’un accident lorsque le contrat prend fin après la survenance du sinistre. 2 En cas de changement d’assurance, la poursuite de l’assurance par une autre entreprise d’assurance est réservée lorsqu’il s’agit des obli- gations de prestations visées à l’al. 1, concernant leur durée et leur étendue. Art. 36 1 Le preneur d’assurance est en droit de résilier le contrat en tout temps si l’entreprise d’assurance participant au contrat ne dispose pas de l’agrément requis par la loi du 17 décembre 2004 sur la surveillance des assurances (LSA)62 pour l’exercice de l’activité d’assurance ou si ledit agrément lui a été retiré.63 2 ... 64 3 S’il s’agit d’un contrat d’assurance sur la vie, il a droit à la réserve. 4 Il conserve de plus l’action en dommages-intérêts. Art. 37 1 En cas de faillite de l’entreprise d’assurance, le contrat prend fin quatre semaines après la publication de la faillite. L’art. 55 LSA65 est réservé.66 2 Le preneur d’assurance peut faire valoir la réserve visée à l’art. 36, al. 3.67 3 Si, pour la période d’assurance en cours, il a une indemnité à récla- mer à l’entreprise d’assurance, il peut faire valoir, à son choix, ou son droit à l’indemnité ou les droits sus-rappelés. 60 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 61 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 62 RS 961.01 63 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 64 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 65 RS 961.01 66 Phrase introduite par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 67 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Cas d’assurance en suspens Retrait de l’agrément: effets de droit privé61 Faillite de l’entreprise d’assurance L sur le contrat d’assurance 15 221.229.1 4 Demeurent en outre réservés ses droits à des dommages-intérêts. Section 7 Survenance du sinistre68 Art. 38 1 En cas de sinistre, l’ayant droit doit, aussitôt qu’il a eu connaissance du sinistre et du droit qui découle en sa faveur de l’assurance, en don- ner avis à l’entreprise d’assurance. Le contrat peut prévoir que cet avis sera donné par écrit. 2 Si par sa faute, l’ayant droit contrevient à cette obligation, l’entreprise d’assurance a le droit de réduire l’indemnité à la somme qu’elle comporterait si la déclaration avait été faite à temps. 3 L’entreprise d’assurance n’est pas liée par le contrat, si l’ayant droit a omis de faire immédiatement sa déclaration dans l’intention d’empêcher l’entreprise d’assurance de constater en temps utile les circonstances du sinistre. Art. 38a69 1 Lors du sinistre, l’ayant droit est obligé de faire tout ce qui est pos- sible pour limiter le dommage. S’il n’y a pas péril en la demeure, il doit requérir les instructions de l’entreprise d’assurance sur les me- sures à prendre et s’y conformer. 2 Si l’ayant droit contrevient à cette obligation d’une manière inexcu- sable, l’entreprise d’assurance peut réduire l’indemnité au montant auquel elle serait ramenée si l’obligation avait été remplie. Art. 38b70 1 Tant que le dommage n’a pas été évalué, l’ayant droit ne doit, sans le consentement de l’entreprise d’assurance, apporter aux choses en- dommagées aucun changement qui pourrait rendre plus difficile ou impossible la détermination des causes du sinistre ou la détermination du dommage, à moins que ce changement ne paraisse s’imposer pour limiter le dommage ou dans l’intérêt public. 2 Si l’ayant droit contrevient à cette obligation dans une intention frauduleuse, l’entreprise d’assurance n’est pas liée par le contrat. 68 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 69 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 70 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Déclarations obligatoires en cas de sinistre Obligation de sauvetage Interdiction de changements Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 16 221.229.1 Art. 38c71 1 Si l’ayant droit a engagé des frais pour limiter le dommage (art. 38a, al. 1) sans que cela fût manifestement inopportun, l’entreprise d’assu- rance est tenue de les lui rembourser, même si les mesures prises l’ont été sans succès, ou si ces frais, ajoutés à l’indemnité, dépassent le montant de la somme assurée. 2 Si la somme assurée n’atteint pas la valeur de remplacement, l’entreprise d’assurance supporte les frais dans la proportion qui existe entre la somme assurée et la valeur de remplacement. Art. 39 1 Sur la demande de l’entreprise d’assurance, l’ayant droit doit lui fournir tout renseignement sur les faits à sa connaissance qui peuvent servir à déterminer les circonstances dans lesquelles le sinistre s’est produit ou à fixer les conséquences du sinistre. 2 Il peut être convenu: 1. que l’ayant droit devra produire des pièces déterminées, no- tamment des certificats médicaux, à condition qu’il lui soit possible de se les procurer sans grands frais; 2. que, sous peine d’être déchu de son droit aux prestations de l’assurance, l’ayant droit devra faire les communications pré- vues à l’al. 1 et à l’al. 2, ch. 1, du présent article, dans un délai déterminé suffisant. Ce délai court du jour où l’entreprise d’assurance a mis par écrit l’ayant droit en demeure de faire ces communications, en lui rappelant les conséquences de la demeure. Art. 39a72 1 Dans la mesure où aucun intérêt privé prépondérant ne s’y oppose, des données peuvent être communiquées à l’office AI dans un but de détection précoce, conformément à l’art. 3b de la loi fédérale du 19 juin 1959 sur l’assurance-invalidité (LAI)73. 2 Seules les données nécessaires pour atteindre le but visé peuvent être communiquées. Si cette condition est remplie, l’institution d’assurance est libérée de son obligation de garder le secret. 3 Le Conseil fédéral règle les modalités. 71 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 72 Introduite par l’annexe ch. 1 de la LF du 6 oct. 2006 (5e révision AI), en vigueur depuis le 1er janv. 2008 (RO 2007 5129; FF 2005 4215). 73 RS 831.20 Frais occasion- nés par la limitation du dommage Justification des prétentions Détection précoce L sur le contrat d’assurance 17 221.229.1 Art. 39b74 1 Dans la mesure où aucun intérêt privé prépondérant ne s’y oppose, des données peuvent, dans le cadre de la collaboration interinstitution- nelle au sens de l’art. 68bis LAI75, être communiquées: a. aux offices AI: b. aux institutions d’assurance privées au sens de l’art. 68bis, al. 1, let. b, LAI; c. aux institutions de prévoyance professionnelle au sens de l’art. 68bis, al. 1, let. c, LAI. 2 Seules les données nécessaires pour atteindre le but visé peuvent être communiquées. Si cette condition est remplie, l’institution d’assurance est libérée de son obligation de garder le secret. 3 La personne concernée doit être informée de la communication des données. Art. 40 Si l’ayant droit ou son représentant, dans le but d’induire l’entreprise d’assurance en erreur, dissimule ou déclare inexactement des faits qui auraient exclu ou restreint l’obligation de l’entreprise d’assurance, ou si, dans le but d’induire l’entreprise d’assurance en erreur, il ne fait pas ou fait tardivement les communications que lui impose l’art. 39 de la présente loi, l’entreprise d’assurance n’est pas liée par le contrat envers l’ayant droit. Art. 41 1 La créance qui résulte du contrat est échue quatre semaines après le moment où l’entreprise d’assurance a reçu les renseignements de nature à lui permettre de se convaincre du bien-fondé de la prétention. 2 Est nulle la clause portant que la prétention n’est échue qu’après avoir été reconnue par l’entreprise d’assurance ou constatée par un jugement définitif. Art. 41a76 1 Si l’entreprise d’assurance conteste son obligation de prestation, l’ayant droit peut, à l’échéance du délai fixé à l’art. 41, al. 1, exiger des acomptes jusqu’à concurrence du montant non contesté. 74 Introduite par l’annexe ch. 1 de la LF du 6 oct. 2006 (5e révision AI), en vigueur depuis le 1er janv. 2008 (RO 2007 5129; FF 2005 4215). 75 RS 831.20 76 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Collaboration interinstitution- nelle Prétention frauduleuse Exigibilité de la prétention Acomptes Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 18 221.229.1 2 La règle visée à l’al. 1 s’applique par analogie lorsque la façon dont les prestations d’assurance doivent être réparties entre plusieurs ayants droit n’a pas été clarifiée. Art. 42 1 S’il n’y a qu’un dommage partiel et si, pour ce dommage, une indem- nité est réclamée, l’entreprise d’assurance et le preneur d’assurance ont le droit de se départir du contrat au plus tard lors du paiement de l’indemnité. 2 En cas de résiliation du contrat, la responsabilité de l’entreprise d’assurance cesse quatorze jours après la notification de la résiliation à l’autre partie.77 3 L’entreprise d’assurance conserve son droit à la prime pour la pé- riode d’assurance en cours si le preneur résilie le contrat durant l’année qui suit sa conclusion.78 4 Lorsque ni l’entreprise d’assurance, ni le preneur ne se départissent du contrat, l’entreprise d’assurance, sauf convention contraire, n’est plus tenue à l’avenir que pour le reste de la somme assurée. Section 8 Autres dispositions79 Art. 43 Les communications que l’entreprise d’assurance doit faire, à teneur de la présente loi, au preneur d’assurance ou à l’ayant droit, peuvent être faites valablement à la dernière adresse que connaît l’entreprise d’assurance. Art. 44 1 Pour toutes les communications qui doivent lui être faites conformé- ment au contrat ou à la présente loi, l’entreprise d’assurance est tenue d’indiquer au moins une adresse en Suisse et de la faire connaître au preneur d’assurance, ainsi qu’à tout ayant droit qui lui a notifié son droit par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte.80 77 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 78 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 79 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 80 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Dommage partiel Communications de l’entreprise d’assurance Communications du preneur d’assurance ou de l’ayant droit; adresse L sur le contrat d’assurance 19 221.229.1 2 Si l’entreprise d’assurance n’a pas satisfait à ces obligations, elle ne peut pas se prévaloir des conséquences que le contrat ou la présente loi prévoient pour le cas de défaut de déclaration ou de déclaration tar- dive. 3 Le preneur ou l’ayant droit peut faire les communications qui lui incombent, à son choix, ou bien à l’adresse indiquée, ou bien à l’entreprise d’assurance directement ou à tout agent de l’entreprise d’assurance. Les parties peuvent convenir que l’agent n’a pas qualité pour recevoir les communications à faire à l’entreprise d’assurance. Art. 45 1 Lorsqu’une sanction a été stipulée pour le cas où le preneur d’assu- rance ou l’ayant droit violerait l’une de ses obligations, cette sanction n’est pas encourue dans les cas suivants: a. il résulte des circonstances que la violation n’est pas imputable au preneur d’assurance ou à l’ayant droit; b. le preneur d’assurance apporte la preuve que la violation n’a pas eu d’incidence sur le sinistre et sur l’étendue des presta- tions dues par l’entreprise d’assurance.82 2 L’insolvabilité du débiteur de la prime n’excuse pas le retard dans le paiement de celle-ci. 3 Lorsque le contrat ou la loi fait dépendre de l’observation d’un délai un droit qui découle de l’assurance, le preneur ou l’ayant droit qui est en demeure sans faute de sa part peut, aussitôt l’empêchement disparu, accomplir l’acte retardé. Art. 46 1 Sous réserve de l’al. 3, les créances qui découlent du contrat d’assurance se prescrivent par cinq ans à compter de la survenance du fait duquel naît l’obligation.83 L’art. 41 de la loi fédérale du 25 juin 1982 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invali- dité84 est réservé.85 2 Est nulle, en ce qui a trait à la prétention contre l’entreprise d’assurance, toute stipulation d’une prescription plus courte ou d’un 81 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 82 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 83 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 84 RS 831.40 85 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 25 juin 1982 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité, en vigueur depuis le 1er janv. 1985 (RO 1983 797 827 art. 1 al. 1; FF 1976 I 117). Violation du contrat81 Prescription et déchéance Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 20 221.229.1 délai de déchéance plus bref. Demeure réservée la disposition de l’art. 39, al. 2, ch. 2, de la présente loi. 3 Les créances qui découlent du contrat d’assurance collective d’in- demnités journalières en cas de maladie se prescrivent par deux ans à compter de la survenance du fait duquel naît l’obligation.86 Art. 46a87 1 En cas de faillite du preneur d’assurance, le contrat demeure en vigueur et l’administration de la faillite est tenue de l’exécuter. L’art. 81 et les prescriptions de la présente loi qui concernent la fin du contrat sont réservées. 2 Les droits et les prestations découlant de l’assurance de biens insai- sissables (art. 92 de la loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite88) ne tombent pas dans la masse en faillite. Art. 46b89 1 Lorsque le même intérêt est assuré contre le même risque, et pour la même période, par plus d’une entreprise d’assurance, de telle manière que les sommes assurées réunies dépassent la valeur d’assurance (assurance multiple), le preneur d’assurance est tenu de le faire savoir à toutes les entreprises d’assurance, sans délai et par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte. 2 Si le preneur d’assurance n’a pas connaissance de l’assurance mul- tiple lors de la conclusion d’un contrat ultérieur, il peut résilier ce contrat par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte dans les quatre semaines suivant la découverte de l’assurance multiple. 3 Si le preneur d’assurance a omis cette notification intentionnelle- ment, ou s’il a conclu l’assurance multiple dans l’intention de se procurer un profit illicite, les entreprises d’assurance ne sont pas liées envers lui par le contrat. 4 Chaque entreprise d’assurance a droit à toute la prestation convenue. 86 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 87 Introduit par l’annexe ch. 3 de la loi du 23 juin 1978 sur la surveillance des assurances (RO 1978 1836; FF 1976 II 851). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 88 RS 281.1 89 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Faillite du preneur d’assurance Assurance multiple L sur le contrat d’assurance 21 221.229.1 Art. 46c90 1 S’il y a assurance multiple, chaque entreprise d’assurance répond du dommage dans la proportion qui existe entre la somme assurée par elle et le montant total des sommes assurées. 2 Si l’une des entreprises d’assurance est devenue insolvable, les autres entreprises d’assurance sont tenues, sous réserve des dispositions de l’art. 38c, al. 2, de la présente loi, pour la part qui incombe à l’entre- prise d’assurance insolvable, proportionnellement aux sommes assu- rées et jusqu’à concurrence de la somme assurée par chacune d’elles. La prétention de l’ayant droit contre l’entreprise d’assurance insol- vable passe aux entreprises d’assurance qui acquittent l’indemnité. 3 En cas de sinistre, l’ayant droit ne peut pas renoncer ou apporter des modifications à l’une quelconque des assurances au préjudice des autres entreprises d’assurance. Art. 47 Toute clause prévoyant le renouvellement tacite du contrat ne peut avoir d’effet que pour une année au plus. Art. 47a91 Les entreprises d’assurances privées soumises à la LSA93 ne sont habilitées à utiliser systématiquement le numéro AVS conformément à la loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l’assurance-vieillesse et survi- vants94 que pour l’accomplissement de leur tâches dans le cadre de l’assurance complémentaire à l’assurance-maladie ou à l’assurance- accident, aux conditions suivantes: a. pratiquent les assurances complémentaires à l’assurance- maladie sociale prévues à l’art. 12, al. 2, de la loi fédérale du 18 mars 1994 sur l’assurance-maladie (LAMal)95; b. sont inscrites dans le registre des entreprises d’assurances- accident, conformément à l’art. 68, al. 2, de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l’assurance-accidents (LAA)96, et proposent des assurances complémentaires à l’assurance-accidents. 90 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 91 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 23 juin 2006 (Nouveau numéro d’assuré AVS), en vigueur depuis le 1er déc. 2007 (RO 2007 5259; FF 2006 515). 92 Nouvelle expression selon l’annexe ch. 4 de la LF du 18 déc. 2020 (Utilisation systématique du numéro AVS par les autorités), en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2021 758; FF 2019 6955). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. 93 RS 961.01 94 RS 831.10 95 RS 832.10. Cet art. est actuellement abrogé. Depuis le 1er janv. 2016 voir art. 2 al. 2 de la L du 26 sept. 2014 sur la surveillance de l’assurance-maladie (RS 832.12). 96 RS 832.20 Responsabilité des entreprises d’assurance en cas d’assurance multiple Renouvellement tacite du contrat Numéro AVS92 Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 22 221.229.1 Chapitre 2 Dispositions spéciales97 Section 1 Assurance de choses98 Art. 48 et 4999 Art. 50 1 Si la valeur d’assurance subit une diminution essentielle pendant le cours de l’assurance, chacun des contractants peut exiger la réduction correspondante de la somme assurée. 2 ... 100 Art. 51 Lorsque la somme assurée dépasse la valeur d’assurance (surassu- rance), l’entreprise d’assurance n’est pas liée par le contrat envers le preneur, si celui-ci a conclu le contrat dans l’intention de se procurer un profit illicite par le moyen de la surassurance. L’entreprise d’assurance a droit à toute la prestation convenue. Art. 51a101 1 À moins que le contrat ou la présente loi (art. 38c) n’en dispose autrement, l’entreprise d’assurance ne répond du dommage que jusqu’à concurrence de la somme assurée. 2 Si la somme assurée n’atteint pas la valeur de remplacement (sous- assurance), le dommage doit être réparé, sauf convention contraire, dans la proportion qui existe entre la somme assurée et la valeur de remplacement. 97 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 98 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 99 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 100 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 101 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Diminution de la valeur d’assurance Surassurance Somme assurée; indemnité en cas de sous- assurance L sur le contrat d’assurance 23 221.229.1 Art. 52 et 53102 Art. 54103 1 Si l’objet du contrat change de propriétaire, les droits et obligations découlant du contrat passent au nouveau propriétaire. 2 Le nouveau propriétaire peut refuser le transfert du contrat par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte dans les 30 jours suivant le changement de propriétaire.104 3 L’entreprise d’assurance peut résilier le contrat par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte dans un délai de quatorze jours après qu’elle a eu connaissance de l’identité du nouveau propriétaire.105 Le contrat prend fin au plus tôt 30 jours après sa résiliation. 4 Les art. 28 à 32 s’appliquent par analogie si le changement de pro- priétaire provoque une aggravation du risque. Art. 55106 Art. 56 En cas de saisie ou de séquestre d’une chose assurée, l’entreprise d’assurance qui en a été informé en temps utile ne peut plus s’acquitter valablement qu’entre les mains de l’office des poursuites. Art. 57 1 Si une chose qui fait l’objet d’un gage est assurée, le privilège du créancier s’étend aux droits que le contrat d’assurance confère au débi- teur et aussi à la chose acquise en remploi au moyen de l’indemnité. 2 Si le droit de gage lui a été notifié, l’entreprise d’assurance ne peut payer l’indemnité à l’assuré qu’avec l’assentiment du créancier ou moyennant des garanties en faveur de ce dernier. 102 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 103 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er juillet 2009 (RO 2009 2799; FF 2008 7009 7019). 104 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 105 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 106 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Changement de propriétaire Saisie; séquestre Droit de gage sur la chose assurée Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 24 221.229.1 Art. 58107 1 L’entreprise d’assurance, de même que l’ayant droit, peuvent exiger que le dommage soit évalué sans retard par les parties. En cas de destruction partielle de produits agricoles, notamment par la grêle, l’évaluation du dommage doit être ajournée jusqu’à la récolte, si l’une des parties le demande. 2 Si l’une des parties refuse de participer à l’évaluation du dommage, ou si les parties ne peuvent pas s’entendre sur l’importance de celui-ci, l’évaluation doit, sauf convention contraire, être faite par des experts désignés par l’autorité judiciaire. 3 Le fait que l’entreprise d’assurance participe à l’évaluation du dom- mage ne lui enlève pas les exceptions qu’elle peut opposer à la préten- tion de l’ayant droit. 4 Est nulle la clause qui interdit à l’ayant droit de se faire assister dans l’évaluation du dommage. 5 Les frais de l’évaluation du dommage incombent aux parties par parts égales. Section 2 Assurance responsabilité civile108 Art. 59109 1 Lorsque le preneur d’assurance s’est assuré contre les conséquences de la responsabilité à laquelle il est soumis légalement en raison d’une exploitation industrielle, l’assurance s’étend aussi à la responsabilité des représentants du preneur d’assurance et à celle des personnes qui sont chargées de la direction ou de la surveillance de l’exploitation, ainsi qu’à celle de tous les autres travailleurs de l’exploitation. 2 L’assurance responsabilité civile couvre aussi bien les prétentions en indemnisation des lésés que les prétentions récursoires de tiers. 3 Dans le cas des assurances responsabilité civile obligatoires, les exceptions découlant d’événements assurés provoqués intentionnelle- ment ou par négligence grave, de la violation d’obligations, du non- versement des primes ou d’une franchise convenue par contrat ne peuvent être opposées à la personne lésée. 107 Ex-art. 67 108 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 109 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Évaluation du dommage Assurance responsabilité civile a. Étendue L sur le contrat d’assurance 25 221.229.1 Art. 60 1 En cas d’assurance contre les conséquences de la responsabilité légale, les tiers lésés ont, jusqu’à concurrence de l’indemnité qui leur est due, un droit de gage sur l’indemnité due au preneur d’assurance. L’entreprise d’assurance peut s’acquitter directement entre leurs mains. 1bis Le tiers lésé ou son ayant cause possède un droit d’action directe envers l’entreprise d’assurance, dans le cadre d’une couverture d’assu- rance existante et sous réserve des objections et exceptions que l’entre- prise d’assurance peut lui opposer en vertu de la loi ou du contrat.110 2 L’entreprise d’assurance est responsable de tout acte qui porterait atteinte à ce droit des tiers. 3 Dans les cas relevant d’une assurance responsabilité civile obliga- toire, le tiers lésé peut exiger de l’assuré responsable ou de l’autorité de surveillance compétente qu’ils lui désignent l’entreprise d’assu- rance. Celle-ci doit le renseigner sur le type et l’étendue de la couver- ture d’assurance.111 Art. 61 à 72112 Section 3 Assurance sur la vie113 Art. 73 1 Le droit qui découle d’un contrat d’assurance de sommes ne peut être constitué en gage ou cédé ni par endossement ni par simple remise de la police. Pour que la constitution du gage et la cession soient valables, il faut la forme écrite et la remise de la police, ainsi qu’un avis écrit à l’entreprise d’assurance.114 2 Si la police stipule que l’entreprise d’assurance a la faculté de payer au porteur, l’entreprise d’assurance de bonne foi peut considérer tout porteur de la police comme l’ayant droit. 110 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 111 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 112 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 113 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 114 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). b. Gage légal du tiers lésé Nature juridique de la police; cession et nantissement Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 26 221.229.1 Art. 74 1 L’assurance au décès d’autrui est nulle si celui sur la tête de qui l’as- surance est conclue n’a pas donné son consentement écrit avant la con- clusion du contrat; s’il s’agit d’un incapable, il faut le consentement écrit de son représentant légal. 2 En revanche, le droit qui découle de l’assurance peut être cédé sans le consentement du tiers. 3 Il peut être convenu que les dispositions des art. 6 et 28 de la pré- sente loi s’appliqueront aussi lorsque celui sur la tête de qui l’assu- rance au décès est faite a commis une réticence ou aggravé le risque. Art. 75115 Art. 76 1 Le preneur d’assurance a le droit de désigner un tiers comme béné- ficiaire sans l’assentiment de l’entreprise d’assurance.116 2 La clause bénéficiaire peut comprendre tout ou partie du droit qui découle de l’assurance. Art. 77 1 Le preneur d’assurance, même lorsqu’un tiers est désigné comme bénéficiaire, peut disposer librement, soit entre vifs soit pour cause de mort, du droit qui découle de l’assurance.117 2 Le droit de révoquer la désignation du bénéficiaire ne cesse que si le preneur a renoncé par écrit signé à la révocation dans la police même et a remis celle-ci au bénéficiaire. Art. 78 Sauf dispositions prises à teneur de l’art. 77, al. 1, de la présente loi, la clause bénéficiaire crée au profit du bénéficiaire un droit propre sur la créance que cette clause lui attribue. Art. 79 1 La désignation du bénéficiaire s’éteint en cas de saisie de l’assurance ou de faillite du preneur d’assurance. Elle reprend son effet si la saisie tombe ou si la faillite est révoquée. 115 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 116 Voir toutefois l’art. 1 de l’O du 1er mars 1966 supprimant des restrictions relatives à la liberté des conventions pour les contrats d’assurance (RS 221.229.11). 117 Voir toutefois l’art. 1 de l’O du 1er mars 1966 supprimant des restrictions relatives à la liberté des conventions pour les contrats d’assurance (RS 221.229.11). Assurance au décès d’autrui Clause bénéficiaire a. Principe; étendue b. Droit de disposition du preneur d’assurance c. Nature du droit du bénéficiaire d. Causes légales d’extinction du droit L sur le contrat d’assurance 27 221.229.1 2 Si le preneur d’assurance avait renoncé à son droit de révoquer la désignation du bénéficiaire, le droit à l’assurance qui découle de cette désignation n’est pas soumis à l’exécution forcée au profit des créan- ciers du preneur. Art. 80118 Lorsque le preneur d’assurance a désigné comme bénéficiaires son conjoint, son partenaire enregistré ou ses descendants, le droit qui découle de la désignation du bénéficiaire et celui du preneur ne sont pas soumis à l’exécution forcée au profit des créanciers du preneur, sous réserve toutefois des droits de gage existants. Art. 81 1 Dès qu’un acte de défaut de biens est délivré contre le preneur d’assurance ou dès que celui-ci est en faillite, le conjoint, le partenaire enregistré ou les descendants désignés comme bénéficiaires d’une assurance sur la vie sont substitués au preneur dans le contrat, à moins qu’ils ne récusent expressément cette substitution.120 2 Les bénéficiaires sont tenus de notifier à l’entreprise d’assurance le transfert de l’assurance en produisant une attestation de l’office des poursuites ou de l’administration de la faillite. S’il y a plusieurs béné- ficiaires, ils doivent désigner un mandataire commun pour recevoir les communications qui incombent à l’entreprise d’assurance. Art. 82 Sont réservées, en ce qui concerne les dispositions de la présente loi sur la clause bénéficiaire, les prescriptions des art. 285 ss de la loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite121. Art. 83 1 Lorsque les enfants d’une personne déterminée sont désignés comme bénéficiaires, il faut entendre par ces enfants les descendants succes- sibles. 2 Par le conjoint désigné comme bénéficiaire, il faut entendre l’époux survivant. 118 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 119 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 120 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 121 RS 281.1 e. Exclusion de l’exécution forcée par saisie ou faillite f. Droit d’intervention119 g. Réserve de l’action révocatoire h. Interprétation de la clause bénéficiaire aa. En ce qui a trait aux bénéficiaires Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 28 221.229.1 2bis Par le partenaire enregistré désigné comme bénéficiaire, il faut entendre le partenaire enregistré survivant.122 3 Par les héritiers ou ayant cause désignés comme bénéficiaires, il faut entendre d’abord les descendants successibles et le conjoint ou le partenaire enregistré survivant, puis, s’il n’y a ni descendants succes- sibles, ni conjoint ou partenaire enregistré survivant, les autres per- sonnes ayant droit à la succession.123 Art. 84 1 Si le droit qui découle de l’assurance échoit aux descendants succes- sibles et au conjoint ou au partenaire enregistré survivant comme bénéficiaires, il revient pour moitié au conjoint ou au partenaire enre- gistré survivant et pour moitié aux descendants suivant leur droit de succession.124 2 Lorsque d’autres héritiers sont désignés comme bénéficiaires, ils ont droit à l’assurance suivant leur droit de succession. 3 Lorsque des personnes non successibles ont été désignées comme bénéficiaires sans indication précise de la part qui leur revient, l’assu- rance se répartit entre elles par parts égales. 4 Lorsqu’un bénéficiaire disparaît, sa part accroît, par fractions égales, aux autres bénéficiaires. Art. 85125 Lorsque les bénéficiaires se trouvent être les descendants successibles, le conjoint ou le partenaire enregistré survivant, le père ou la mère, les grands-parents, les frères ou sœurs, l’assurance leur échoit, même s’ils répudient la succession. Art. 86126 1 Si le droit qui découle d’un contrat d’assurance sur la vie conclu par le débiteur sur sa propre tête est soumis à la réalisation par voie de saisie ou de faillite, le conjoint, le partenaire enregistré ou les descen- dants peuvent, avec le consentement du débiteur, exiger que l’assu- rance leur soit cédée contre paiement de la valeur de rachat. 122 Introduit par l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 123 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 124 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 125 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 126 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la loi du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). bb. En ce qui a trait aux parts i. Répudiation de la succession Réalisation de l’assurance par voie de saisie ou de faillite. L sur le contrat d’assurance 29 221.229.1 2 Lorsqu’un droit de ce genre a été constitué en gage et qu’il doit être réalisé par voie de saisie ou de faillite, le conjoint, le partenaire enre- gistré ou les descendants du débiteur peuvent, avec le consentement de celui-ci, exiger que l’assurance leur soit cédée contre paiement de la créance garantie ou, si celle-ci est inférieure à la valeur de rachat, contre paiement de cette valeur. 3 Le conjoint, le partenaire enregistré ou les descendants doivent présenter leur demande à l’office des poursuites ou à l’administration de la faillite avant la réalisation de la créance. Art. 87 et 88127 Art. 89128 Le preneur d’assurance peut résilier le contrat après un an par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte, quelle que soit la durée convenue. Art. 89a129 Art. 90130 1 Si l’assurance a une valeur de transformation, le preneur d’assurance peut demander qu’elle soit transformée totalement ou partiellement en une assurance libérée du paiement des primes. Le contrat peut prévoir une valeur minimum. 2 Si la valeur de transformation est inférieure à la valeur minimum prévue, l’entreprise d’assurance verse au preneur d’assurance la valeur de rachat. 3 Si une assurance pour laquelle il est certain que l’événement assuré se réalisera a une valeur de rachat à la fin totale ou partielle du contrat, le preneur d’assurance peut en exiger le paiement. Art. 91 1 L’entreprise d’assurance doit fixer les bases de la détermination de la valeur de réduction et de la valeur de rachat. 127 Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 128 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 129 Introduit par le ch.I de la LF du 18 juin 1993 (RO 1993 3175; FF 1993 I 757). Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 130 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Assurance sur la vie; résiliation anticipée Transformation et rachat a. Règle générale b. Fixation des valeurs de règlement Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 30 221.229.1 2 Les règles concernant la réduction et le rachat doivent faire partie des conditions générales d’assurance. 3 L’Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (FINMA) décide si les valeurs de règlement prévues sont équitables.131 Art. 92 1 Si l’ayant droit le demande, l’entreprise d’assurance est tenue, dans les quatre semaines, de calculer la valeur de réduction ou de rachat de l’assurance et de la lui faire connaître. Elle doit de plus, si l’ayant droit le requiert, lui fournir les données qui sont nécessaires à des experts pour calculer la valeur de réduction ou de rachat. 2 À la demande de l’ayant droit, la FINMA revise gratuitement ces calculs. 133 3 Si l’ayant droit demande le rachat, le prix de rachat est échu trois mois après que la demande est parvenue à l’entreprise d’assurance. Art. 93 1 Si le paiement des primes cesse après que l’assurance a été en vi- gueur pendant trois ans au moins, la valeur de réduction est due. L’entreprise d’assurance doit fixer, suivant les prescriptions de la présente loi, la valeur de réduction, et aussi, pour les assurances sus- ceptibles de rachat, la valeur de rachat; elle en doit donner sur de- mande communication à l’ayant droit. 2 Si l’assurance est susceptible de rachat, l’ayant droit peut, dans les six semaines après qu’il a reçu cette communication, demander le rachat au lieu de la réduction. Art. 94 Les dispositions de la présente loi concernant la réduction et le rachat des assurances sur la vie sont aussi applicables aux prestations que l’entreprise d’assurance a accordées à l’ayant droit comme participa- tion aux bénéfices de l’entreprise sous la forme d’une augmentation des prestations d’assurance. 131 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 7 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). 132 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 7 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). 133 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 7 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). c. Obligation de l’entreprise d’assurance; vérification par la FINMA; échéance du prix de rachat132 d. Non- déchéance e. Réduction et rachat de la participation aux bénéfices L sur le contrat d’assurance 31 221.229.1 Art. 94a134 Art. 95135 Si l’ayant droit a donné en gage à l’entreprise d’assurance le droit qui découle du contrat d’assurance sur la vie, l’entreprise d’assurance peut compenser sa créance avec la valeur de rachat de l’assurance, après avoir sans succès adressé au débiteur, par écrit ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte, une sommation de payer la dette dans les six mois à partir de la réception de la sommation, en le prévenant des conséquences de la demeure. Section 4136 Assurance-accidents et assurance-maladie Art. 95a L’assurance collective contre les accidents ou la maladie donne au bénéficiaire, dès qu’un accident ou une maladie est survenu, un droit propre contre l’entreprise d’assurance. Art. 95b 1 À moins que le preneur d’assurance contre les accidents n’ait expres- sément stipulé l’indemnité sous forme de rente, elle doit être versée sous forme de capital, lorsque l’accident a causé à l’assuré une diminu- tion probablement permanente de sa capacité de travail. Le capital doit être calculé et payé, d’après la somme assurée pour l’invalidité, dès que les conséquences probablement permanentes de l’accident ont été définitivement constatées. 2 Il peut être convenu que des rentes seront payées dans l’intervalle et déduites de l’indemnité. 134 Introduit par le ch.I de la LF du 18 juin 1993 (RO 1993 3175; FF 1993 I 757). Abrogé par le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, avec effet au 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 135 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 136 Introduite par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Droit de gage de l’entreprise d’assurance; réalisation Assurance collective accidents et maladie; droits du bénéficiaire Assurance contre les accidents. Indemnité d’invalidité Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 32 221.229.1 Section 5 Coordination137 Art. 95c138 1 Les prestations découlant d’un contrat d’assurance dommages ne peuvent pas être cumulées avec d’autres prestations indemnitaires. 2 Pour les postes de dommage de même nature qu’elle couvre, l’entreprise d’assurance est subrogée dans les droits de l’assuré dans la mesure et à la date de sa prestation. 3 L’al. 2 ne s’applique pas si le dommage est dû à une faute légère d’une personne entretenant un lien étroit avec l’assuré. L’auteur du dommage est notamment réputé entretenir un lien étroit avec l’assuré: a. lorsqu’il vit dans le même ménage que lui; b. lorsqu’il est lié à lui par un rapport de travail; c. lorsqu’il est autorisé à utiliser la chose assurée. Art. 96139 Dans l’assurance de sommes, les droits que l’ayant droit aurait contre des tiers en raison du sinistre ne passent pas à l’entreprise d’assurance. Chapitre 3 Dispositions impératives140 Art. 97141 Les dispositions suivantes ne peuvent pas être modifiées par conven- tion: art. 10, al. 2, 13, 24, 35b, 35c, 41, al. 2, 46a, 46b, al. 1 et 2, 46c, al. 1, 47, 51, 58, al. 4, 60, 73, 74, al. 1, et 95c, al. 1 et 2. 137 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 138 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 139 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 140 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 141 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). Recours de l’entreprise d’assurance Exclusion du recours de l’entreprise d’assurance Prescriptions qui ne peuvent pas être modifiées L sur le contrat d’assurance 33 221.229.1 Art. 98142 Les dispositions suivantes ne peuvent pas être modifiées au détriment du preneur d’assurance ou de l’ayant droit par convention: art. 1 à 3a, 6, 9, 11, 14, al. 4, 15, 20, 21, 28, 28a, 29, al. 2, 30, 32, 34, 35a, 38c, al. 2, 39, al. 2, ch. 2, 2e phrase, 41a, 42, al. 1 à 3, 44 à 46, 54, 56, 57, 59, 76, al. 1, 77, al. 1, 89, 90 à 95a, 95b, al. 1, 95c, al. 3, et 96. Art. 98a143 1 Les art. 97 et 98 ne s’appliquent pas: a. aux assurances-crédit et aux assurances de cautionnement, pour autant qu’il s’agisse d’assurances de risques profession- nels ou commerciaux, ainsi qu’aux assurances-transport; b. aux assurances conclues avec des preneurs d’assurance profes- sionnels. 2 Par preneurs d’assurance professionnels, on entend: a. les institutions de la prévoyance professionnelle et les autres institutions servant à la prévoyance professionnelle; b. les intermédiaires financiers au sens de la loi du 8 novem- bre 1934 sur les banques144 et de la loi du 23 juin 2006 sur les placements collectifs145; c. les entreprises d’assurance visées par la LSA146; d. les preneurs d’assurance étrangers soumis à une surveillance prudentielle équivalente à celle des personnes mentionnées aux let. a à c; e. les établissements, institutions et fondations de droit public disposant d’une gestion professionnelle des risques; f. les entreprises disposant d’une gestion professionnelle des risques; g. les entreprises qui dépassent deux des montants ci-après: 1. total du bilan: 20 millions de francs, 2. chiffre d’affaires net: 40 millions de francs, ou 3. capital propre: 2 millions de francs. 142 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 143 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 144 RS 952.0 145 RS 951.31 146 RS 961.01 Prescriptions qui ne peuvent pas être modifiées au détriment du preneur d’assurance ou de l’ayant droit Exceptions Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 34 221.229.1 3 Lorsque le preneur d’assurance appartient à un groupe d’assurance qui établit des comptes annuels consolidés (comptes de groupe), le cri- tère visé à l’al. 2, let. g, s’applique aux comptes de groupe. 4 L’assurance-voyage n’est pas considérée comme une assurance- transport au sens de l’al. 1. Art. 99 Le Conseil fédéral peut par ordonnance disposer que, dans la mesure où la nature même ou les conditions spéciales de certaines combinai- sons d’assurances l’exigent, les restrictions prévues à l’art. 98 de la présente loi, relatives à la liberté des conventions, ne sont pas appli- cables à ces combinaisons. Chapitre 4 Dispositions finales147 Art. 100 1 Le contrat d’assurance est régi par le droit des obligations pour tout ce qui n’est pas réglé par la présente loi. 2 Pour les preneurs d’assurance et les assurés qui, en vertu de l’art. 10 de la loi du 25 juin 1982 sur l’assurance-chômage148 sont réputés chô- meurs, les art. 71, al. 1 et 2, et 73, LAMal 149 sont en outre applicables par analogie.150 Art. 101151 1 La présente loi n’est pas applicable: 1. aux contrats de réassurance; 2.152 aux rapports de droit privé entre les entreprises d’assurance qui ne sont pas soumises à la surveillance en vertu de l’art. 2, al. 2, LSA153 et leurs assurés, à l’exception des rapports de droit pour l’exécution desquels les entreprises sont soumises à la surveillance des assurances. 147 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 148 RS 837.0 149 RS 832.10 150 Introduit par l’art. 115 de la loi du 25 juin 1982 sur l’assurance-chômage (RO 1982 2184, FF 1980 III 485). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 151 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la loi du 23 juin 1978 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 1979 (RO 1978 1836; FF 1976 II 851). 152 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2004, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5245; FF 2003 3353). 153 RS 961.01 Compétence réservée au Conseil fédéral Rapport entre la loi et le droit des obligations Rapports de droit échappant à la loi L sur le contrat d’assurance 35 221.229.1 2 Ces rapports de droit sont régis par le code des obligations154. Art. 101a à 101c155 Art. 102156 Art. 103 1 ... 157 2 Sont toutefois réservées les règles de droit cantonal qui régissent l’assurance dans les établissements d’assurance organisés par les can- tons. Art. 103a 158 Les dispositions suivantes du nouveau droit s’appliquent aux contrats qui ont été conclus avant l’entrée en vigueur de la modification du 19 juin 2020: a. les prescriptions en matière de forme; b. le droit de résiliation au sens des art. 35a et 35b. Art. 104 Le Conseil fédéral est chargé, conformément à la loi fédérale du 17 juin 1874 concernant les votations populaires sur les lois et arrêtés fédéraux159, de publier la présente loi et de fixer la date de son entrée en vigueur. Date de l’entrée en vigueur: 1er janvier 1910160 154 RS 220 155 Introduits par le ch.I de la LF du 18 juin 1993 (RO 1993 3175; FF 1993 I 757). Abrogés par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 156 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 157 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; FF 2017 4767). 158 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2020 4969; 2021 357; FF 2017 4767). 159 [RS 1 162; RO 1962 827 art. 11 al. 3. RO 1978 688 art. 89 let. b] 160 ACF du 17 juillet 1908 (RO 24 771 Abrogation Disposition transitoire relative à la modification du 19 juin 2020 Mise en vigueur de la loi Dispositions complémentaires et d’exécution du code des obligations 36 221.229.1 Chapitre 1 Dispositions générales Section 1 Conclusion du contrat Art. 1 Proposition d’assurance Art. 2 Propositions spéciales Art. 2a Droit de révocation Art. 2b Effets de la révocation Section 2 Obligations d’information Art. 3 Obligation d’information de l’entreprise d’assurance Art. 3a Violation de l’obligation d’information Art. 4 Déclarations obligatoires a. Règles générales Art. 5 b. Contrat par représentant c. Assurance d’autrui Art. 6 Réticence, ses conséquences a. Règle générale Art. 7 b. Assurance collective Art. 8 Maintien du contrat malgré la réticence Section 3 Contenu et force obligatoire du contrat Art. 9 Couverture provisoire Art. 10 Assurance rétroactive Art. 11 Police a. Contenu Art. 12 b. ... Art. 13 c. Annulation Art. 14 Sinistre causé par faute Art. 15 Actes de dévouement Art. 16 Objet de l’assurance Art. 17 et 18 Section 4 Prime Art. 19 Échéance Art. 20 Sommation obligatoire; conséquences de la demeure Art. 21 Rapports de droit après la demeure Art. 22 et 23 Art. 24 Divisibilité de la prime Art. 25 à 27 Section 5 Modification du contrat Art. 28 Aggravation du risque par le fait du preneur d’assurance Art. 28a Diminution du risque Art. 29 Conventions spéciales réservées Art. 30 Aggravation du risque sans le fait du preneur d’assurance Art. 31 Aggravation du risque dans l’assurance collective Art. 32 Maintien du contrat malgré l’aggravation du risque Art. 33 Étendue du risque Art. 34 Responsabilité de l’entreprise d’assurance pour ses agents Art. 35 Revision des conditions générales Section 6 Fin du contrat Art. 35a Résiliation ordinaire Art. 35b Résiliation extraordinaire Art. 35c Cas d’assurance en suspens Art. 36 Retrait de l’agrément: effets de droit privé Art. 37 Faillite de l’entreprise d’assurance Section 7 Survenance du sinistre Art. 38 Déclarations obligatoires en cas de sinistre Art. 38a Obligation de sauvetage Art. 38b Interdiction de changements Art. 38c Frais occasionnés par la limitation du dommage Art. 39 Justification des prétentions Art. 39a Détection précoce Art. 39b Collaboration interinstitutionnelle Art. 40 Prétention frauduleuse Art. 41 Exigibilité de la prétention Art. 41a Acomptes Art. 42 Dommage partiel Section 8 Autres dispositions Art. 43 Communications de l’entreprise d’assurance Art. 44 Communications du preneur d’assurance ou de l’ayant droit; adresse Art. 45 Violation du contrat Art. 46 Prescription et déchéance Art. 46a Faillite du preneur d’assurance Art. 46b Assurance multiple Art. 46c Responsabilité des entreprises d’assurance en cas d’assurance multiple Art. 47 Renouvellement tacite du contrat Art. 47a Numéro AVS Chapitre 2 Dispositions spéciales Section 1 Assurance de choses Art. 48 et 49 Art. 50 Diminution de la valeur d’assurance Art. 51 Surassurance Art. 51a Somme assurée; indemnité en cas de sous-assurance Art. 52 et 53 Art. 54 Changement de propriétaire Art. 55 Art. 56 Saisie; séquestre Art. 57 Droit de gage sur la chose assurée Art. 58 Évaluation du dommage Section 2 Assurance responsabilité civile Art. 59 Assurance responsabilité civile a. Étendue Art. 60 b. Gage légal du tiers lésé Art. 61 à 72 Section 3 Assurance sur la vie Art. 73 Nature juridique de la police; cession et nantissement Art. 74 Assurance au décès d’autrui Art. 75 Art. 76 Clause bénéficiaire a. Principe; étendue Art. 77 b. Droit de disposition du preneur d’assurance Art. 78 c. Nature du droit du bénéficiaire Art. 79 d. Causes légales d’extinction du droit Art. 80 e. Exclusion de l’exécution forcée par saisie ou faillite Art. 81 f. Droit d’intervention Art. 82 g. Réserve de l’action révocatoire Art. 83 h. Interprétation de la clause bénéficiaire aa. En ce qui a trait aux bénéficiaires Art. 84 bb. En ce qui a trait aux parts Art. 85 i. Répudiation de la succession Art. 86 Réalisation de l’assurance par voie de saisie ou de faillite. Art. 87 et 88 Art. 89 Assurance sur la vie; résiliation anticipée Art. 89a Art. 90 Transformation et rachat a. Règle générale Art. 91 b. Fixation des valeurs de règlement Art. 92 c. Obligation de l’entreprise d’assurance; vérification par la FINMA; échéance du prix de rachat Art. 93 d. Non-déchéance Art. 94 e. Réduction et rachat de la participation aux bénéfices Art. 94a Art. 95 Droit de gage de l’entreprise d’assurance; réalisation Section 4 Assurance-accidents et assurance-maladie Assurance collective accidents et maladie; droits du bénéficiaire Art. 95b Assurance contre les accidents. Indemnité d’invalidité Section 5 Coordination Art. 95c Recours de l’entreprise d’assurance Art. 96 Exclusion du recours de l’entreprise d’assurance Chapitre 3 Dispositions impératives Art. 97 Prescriptions qui ne peuvent pas être modifiées Art. 98 Prescriptions qui ne peuvent pas être modifiées au détriment du preneur d’assurance ou de l’ayant droit Art. 98a Exceptions Art. 99 Compétence réservée au Conseil fédéral Chapitre 4 Dispositions finales Art. 100 Rapport entre la loi et le droit des obligations Art. 101 Rapports de droit échappant à la loi Art. 101a à 101c Art. 102 Art. 103 Abrogation Art. 103a Disposition transitoire relative à la modification du 19 juin 2020 Art. 104 Mise en vigueur de la loi | mixed |
917deca4-7ec6-4dab-b618-1179c8f95c21 | Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 120 Ib 199 S. 199
X. war während Jahren als selbständigerwerbender Arzt für Wiederherstellungschirurgie an einer Klinik tätig. Er hatte mit diesem Spital einen Vertrag abgeschlossen, wonach er seine Dienste als Arzt zur Verfügung stellt, während die Klinik für die ganze Infrastruktur (Räume, Personal, Medikamente usw.) sorgt. Daran leistete er einen angemessenen Beitrag.
Am 30. Juni 1987 gründete X. die Aktiengesellschaft Y. Diese Gesellschaft trat an seiner Stelle in den Vertrag mit der Klinik ein. X. übte seither
BGE 120 Ib 199 S. 200
die gleiche Tätigkeit für das Spital über seine Aktiengesellschaft aus.
Zur Versicherung ihres Alleinaktionärs und einzigen Arbeitnehmers X. gegen die Folgen des Alters, des Todes und der Erwerbsunfähigkeit schloss die Y. AG mit der "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge am 17. Dezember 1987 einen Vertrag ab. X. wurde als einziger Vorsorgenehmer nach Vertrag und Reglement versichert. Die Versicherungsprämien wurden von der Aktiengesellschaft und X. je zur Hälfte bezahlt. In der Steuererklärung 1987/88 machte X. die von ihm erbrachten Vorsorgeprämien als persönlichen Beitrag an die berufliche Vorsorge (2. Säule) geltend.
Die Veranlagungsbehörde liess diese Beiträge nicht zum Abzug zu. Eine Einsprache wies sie ab. Demgegenüber hiess die Steuerrekurskommission von Appenzell A.Rh. die Beschwerde gut. Sie liess die vollen vom Steuerpflichtigen bezahlten Beiträge an die "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge zum Abzug zu.
Die Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer Appenzell A.Rh. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Steuerrekurskommission sei aufzuheben und der Einspracheentscheid zu bestätigen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. h des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940 (BdBSt; SR 642.11), in der Fassung vom 22. März 1985, werden bei der Ermittlung des der direkten Bundessteuer unterworfenen Einkommens in Abzug gebracht "die von Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden nach Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und anderen Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge". Gemeint sind Beiträge an die sog. 2. Säule.
Es ist unbestritten, dass es sich bei der "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge um eine Einrichtung der gebundenen beruflichen Vorsorge, d.h. der 2. Säule, handelt. Umstritten ist einzig, ob auch der von der Y. AG zugunsten des Beschwerdegegners mit der Stiftung abgeschlossene Vertrag der beruflichen Vorsorge im Sinne von
Art. 22 Abs. 1
BGE 120 Ib 199 S. 201
lit. h BdBSt
zuzurechnen ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Beschwerdegegner gestützt auf die erwähnte Bestimmung die von ihm im Jahre 1987 erbrachten Prämien in der Höhe von Fr. ... beim Einkommen abziehen.
3.
a) Gemäss
Art. 34quater Abs. 1 BV
trifft der Bund Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; diese beruht auf einer eidgenössischen Versicherung, der beruflichen Vorsorge und der Selbstvorsorge. Gemäss Abs. 5 dieser Verfassungsbestimmung können die Kantone verpflichtet werden, Einrichtungen der eidgenössischen Versicherung und der beruflichen Vorsorge von der Steuerpflicht zu befreien sowie in bezug auf Beiträge und anwartschaftliche Ansprüche den Versicherten und ihren Arbeitgebern Steuererleichterungen zu gewähren. Nach Abs. 6 fördert der Bund sodann in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Selbstvorsorge, besonders durch Massnahmen der Fiskal- und Eigentumspolitik.
Die berufliche Vorsorge (2. Säule) ist im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) vom 25. Juni 1982, das mit seinen überwiegenden Bestimmungen am 1. Januar 1985 und bereits früher, mit einzelnen steuerrechtlichen Vorschriften indessen erst auf den 1. Januar 1987 in Kraft getreten ist, geregelt sowie in den dazugehörenden Ausführungserlassen. Die in
Art. 80 - 84 BVG
enthaltenen steuerrechtlichen Vorschriften betreffen zunächst die Vorsorgeeinrichtungen (Art. 80). Diese sind, soweit sie mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind und ihre Einkünfte und Vermögenswerte ausschliesslich der beruflichen Vorsorge dienen, von den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden und von den kantonalen und kommunalen Erbschafts- und Schenkungssteuern befreit (
Art. 80 Abs. 2 BVG
). Gemäss
Art. 81 Abs. 1 und 2 BVG
können sodann die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an Vorsorgeeinrichtungen bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden abgezogen werden. Andererseits sind die Leistungen aus den Vorsorgeeinrichtungen bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden in vollem Umfang einkommenssteuerpflichtig (
Art. 83 BVG
).
Darüber hinaus können Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende auch Beiträge für weitere, ausschliesslich und unwiderruflich der beruflichen Vorsorge dienende, anerkannte Vorsorgeformen abziehen (
Art. 82 Abs. 1 BVG
). Die Gleichstellung "anderer Vorsorgeformen" in
Art. 82 BVG
stützt sich auf den erwähnten
Art. 34quater Abs. 6 BV
, wonach der Bund in Zusammenarbeit mit
BGE 120 Ib 199 S. 202
den Kantonen die Selbstvorsorge fördert (3. Säule). Gemäss
Art. 82 Abs. 2 BVG
legt der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen die anerkannten Vorsorgeformen und die Abzugsberechtigung für Beiträge fest. Dieser Verpflichtung ist der Bundesrat in der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3) nachgekommen.
b) Der Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer wurde durch die Gesetzesnovelle vom 22. März 1985 (AS 1985 1222) an die steuerrechtlichen Vorschriften des BVG angepasst, wobei beide Gesetze an sich gleichrangig sind, denn das Anpassungsgesetz stützt sich - wie das BVG - auf Art. 34quater und zudem auf
Art. 41ter BV
. Als lex specialis und lex posterior geht es jedoch - was die direkte Bundessteuer anbetrifft - dem BVG vor. Beim erwähnten
Art. 22 Abs. 1 lit. h BdBSt
in der Fassung vom 22. März 1985, wonach bei der Ermittlung des Einkommens "die von Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden nach Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und anderen Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge" abzuziehen sind, handelt es sich um eine solche Bestimmung.
c) Die berufliche Vorsorge gemäss dem BVG umfasst in erster Linie die wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer bei Alter, Tod und Invalidität. Die mit der beruflichen Vorsorge verfolgten Ziele können nur auf die gesetzlich vorgesehene Weise erreicht werden. Sowohl die Finanzierung als auch die Durchführung der Vorsorge müssen in Statuten und Reglementen im voraus nach schematischen und objektiven Kriterien festgelegt werden. Die massgebenden Grundsätze, die der beruflichen Vorsorge zugrundeliegen, sind von der Vorinstanz zutreffend dargelegt worden: Kollektivität (Solidarität), Planmässigkeit und Angemessenheit der Vorsorge sowie Gleichbehandlung der Vorsorgenehmer.
Diesen tragenden Grundsätzen der beruflichen Vorsorge wurde bereits vor dem Inkrafttreten des BVG im Rahmen des Steuerrechts Rechnung getragen. So gestatteten Art. 22 Abs. 1 lit. f und 49 Abs. 2 BdBSt (früher WStB) in der bis Ende 1986 geltenden Fassung den Abzug vom Einkommen bzw. Reingewinn einer Unternehmung von "Zuwendungen für Zwecke der Wohlfahrt des eigenen Personals". Und Art. 16 Ziff. 4 und 4bis WStB/BdBSt befreite die in Form von Versicherungskassen bzw. Stiftungen gekleideten Personalwohlfahrtseinrichtungen von der direkten Bundessteuer (Wehrsteuer).
BGE 120 Ib 199 S. 203
Auch die am Gesellschaftskapital beteiligten Arbeitnehmer, sog. Aktionärsdirektoren, wurden hinsichtlich der Personalfürsorge als Arbeitnehmer behandelt. Nach dem Prinzip der Kollektivität musste aber die Personalwohlfahrt im Gegensatz zur privaten Vorsorge stets sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens umfassen. Das schloss individuelle, auf einzelne Personen - zum Beispiel den Geschäftsinhaber oder den Aktionärsdirektor - zugeschnittene Sonderlösungen im Sinne von "à la carte-Versicherungen" aus.
In diesem Sinne sah bereits das Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 11. April 1958 vor, dass Zuwendungen an eine als Versicherungskasse im Sinne von
Art. 16 Ziff. 4 BdBSt
/WStB (in der bis 31. Dezember 1986 geltenden Fassung) ausgestaltete Personalwohlfahrtseinrichtung auch dann abgezogen werden können, wenn die vorgesehenen Versicherungsleistungen Personen zugesichert oder ausgerichtet werden, die am Gesellschaftskapital massgeblich beteiligt sind. Diesen Personen durften indessen keine höheren Versicherungsleistungen zugebilligt werden als den in gleicher oder ähnlicher Stellung im Betrieb tätigen, am Kapital nicht beteiligten Arbeitnehmern (zitiertes Kreisschreiben in ASA 26 S. 434; s. auch KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982, N. 26 zu Art. 16 Ziff. 4bis und N. 198 zu Art. 49 Abs. 2). In dieser Regelung kommt das Bestreben zum Ausdruck, das ganze Personal, das im Interesse des Unternehmens tätig ist, grundsätzlich gleich zu behandeln und auch die von der Personalfürsorgeeinrichtung ausgerichteten Leistungen entsprechend dem Grundsatz der Angemessenheit festzusetzen.
Das Bundesgericht hat im Urteil vom 10. April 1987 (
BGE 113 Ib 13
) den gleichen Grundsätzen Rechnung getragen und einer Personalfürsorgestiftung, welcher der die Stifterfirma beherrschende einzige Arbeitnehmer angeschlossen war, die Steuerbefreiung gestützt auf
Art. 16 Ziff. 4 und 4bis BdBSt
in der bis 31. Dezember 1986 geltenden Fassung wegen mangelnder Kollektivität (Solidarität) nicht gewährt. Es führte dazu aus, von einer sozialen Verpflichtung und von einem "Zweck der Wohlfahrt von Angestellten und Arbeitern", wie er von
Art. 16 Ziff. 4bis BdBSt
als Voraussetzung für die Steuerbefreiung verlangt werde, könne nicht gesprochen werden, wenn eine Stiftung von einer Kapitalgesellschaft zugunsten eines einzigen Angestellten und seiner Angehörigen sowie allfälligen Hinterbliebenen errichtet werde, der die Unternehmung gleichzeitig als Alleinaktionär, als massgebender Aktionär einer Familienaktiengesellschaft, als dominierender
BGE 120 Ib 199 S. 204
Gesellschafter der Muttergesellschaft oder in ähnlicher Form beherrsche. Zwar stehe auch ein solcher Angestellter in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft, und es sei nicht ausgeschlossen, dass eine Personalfürsorgestiftung auch - aber nicht nur - zugunsten des an der Stifterfirma beteiligten Arbeitnehmers (Aktionärdirektors) Wohlfahrtszwecke wie die Altersvorsorge verfolgen könne, ohne dadurch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach
Art. 16 Ziff. 4bis BdBSt
zu verlieren. Eine Personalwohlfahrtsstiftung im Sinne dieser Bestimmung liege aber nicht vor, wenn sich die Vorsorge auf den oder die Aktionärdirektoren beschränke, und noch viel weniger, wenn der einzige Arbeitnehmer der Stifterfirma, für den und dessen Angehörigen die Stiftung ihre Zwecke verfolge, die Stifterfirma beherrsche; das bis 31. Dezember 1986 geltende Recht der direkten Bundessteuer lasse eine derartige steuerliche Begünstigung der Individualvorsorge, auf die eine solche Konstruktion wirtschaftlich hinauslaufe, nicht zu (S. 17 E. 4d).
d) Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 und die Gesetzesnovelle vom 22. März 1985, mit der die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses über die direkte Bundessteuer angepasst wurden, haben an diesen Prinzipien nichts Grundlegendes geändert. Nach wie vor sind die Beiträge, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zwecks Sicherung vor den Folgen von Alter, Tod und Invalidität gemeinsam erbracht werden, steuerlich absetzbar, wobei die Grundsätze der Kollektivität, Solidarität, Planmässigkeit, Angemessenheit und Gleichbehandlung verwirklicht sein müssen (vgl. MARTIN STEINER, Überobligatorische berufliche Vorsorge und Steuerrecht, StR 44/1989 S. 363 ff.; RAMSEIER/FURRER, Erheblicher steuerlicher Gestaltungsspielraum für Vorsorge-Beiträge, Der Schweizer Treuhänder, 1991 S. 229 ff.). Besonders können bei einer Vorsorgeeinrichtung auch mitarbeitende Aktionäre versichert sein, aber nur, wenn zugunsten des übrigen Personals analoge Vorsorgemassnahmen getroffen werden (Botschaft des Bundesrates vom 1. Mai 1984 über die Anpassung der direkten Bundessteuer an das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge, BBl 1984 II S. 730 Ziff. 131). Insofern haben die früheren steuerrechtlichen Vorschriften des Bundes (und der Kantone) über die Personalvorsorge die Entwicklung vorweggenommen, die mit den steuerrechtlichen Vorschriften des BVG schliesslich sanktioniert wurde.
Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen (a.M. MARTIN STEINER, Unzulänglichkeiten im
BGE 120 Ib 199 S. 205
Bereich der steuerrechtlichen Bestimmungen des BVG, in Festschrift Ferdinand Zuppinger, Das schweizerische Steuerrecht, Bern 1989, S. 284/85). Namentlich sind kollektivgebundene und individuelle Vorsorge auseinanderzuhalten. Beiträge, welche die an der Unternehmung oder am Gesellschaftskapital massgeblich beteiligten Arbeitnehmer wie Aktionärdirektoren, Firmeninhaber usw. an eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge zum Zweck der individuellen Vorsorge leisten, können deshalb auch nach dem geltenden
Art. 22 Abs. 1 lit. h BdBSt
nicht vom Einkommen abgezogen werden.
4.
a) Der Beschwerdegegner ist alleiniger Arbeitnehmer und Aktionär der von ihm gegründeten Y. AG. Wenn es auch nicht üblich ist, dass ein freierwerbender Arzt eine Aktiengesellschaft gründet, um fortan als einziger Arbeitnehmer dieser Gesellschaft seine Dienste einem Privatspital zur Verfügung zu stellen, so ist doch davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner zivil- und steuerrechtlich und auch im Sinne des BVG als Arbeitnehmer zu betrachten ist. Er untersteht daher dem Obligatorium (
Art. 7 BVG
). Das ist von keiner Seite bestritten.
b) Der Beschwerdegegner ist der Meinung, er habe seine obligatorische Vorsorge dadurch sichergestellt, dass er sich der "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge angeschlossen hat. Zu Unrecht. Der Anschluss des Beschwerdegegners an die von der "Winterthur" Lebensversicherungs-Gesellschaft errichtete Sammelstiftung mag den Grundsätzen der Planmässigkeit und Angemessenheit genügen. Auf diese Weise sichert er sich vor den Risiken des Alters, des Todes und der Invalidität. Er erfüllt durch seinen Einzelanschluss diese Vorsorge aber auf individuelle Weise. Das Prinzip der Kollektivität ist dadurch verletzt. Daran ändert nichts, dass das Reglement vorsieht, dass weitere Personen aufgenommen werden können. Der Beschwerdegegner war von Anfang an einziger Arbeitnehmer, und es wird nirgends behauptet, dass sich dieser Zustand geändert habe. Der "Zusammenarbeitsvertrag" mit der Klinik, in den die Y. AG eingetreten ist, bietet dem Beschwerdegegner zwar die Möglichkeit, Mitarbeiter, die er für seine Praxis benötigt, beizuziehen. Diese werden jedoch durch die Klinik angestellt und administrativ betreut (Art. 4 des Vertrages) und sind deshalb der Vorsorgestiftung nicht angeschlossen. Das zeigt, dass von allem Anfang an keine Kollektivität und Solidarität beabsichtigt war. Die Beiträge des Beschwerdegegners dienen somit nicht der beruflichen Vorsorge, sondern der (individuellen) Selbstvorsorge. Diese ist
BGE 120 Ib 199 S. 206
nicht ausgeschlossen. Nur kann sie nicht über eine Einrichtung der 2. Säule erfolgen.
c) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid nicht übersehen, dass der Einzelanschluss des Beschwerdegegners an die Sammelstiftung der "Winterthur" Lebensversicherungs-Gesellschaft das Prinzip der Kollektivität verletzt. Sie begründet ihren Entscheid jedoch damit, dass mit der Einführung des Obligatoriums bei der beruflichen Vorsorge auch jede Einmann-Aktiengesellschaft verpflichtet sei, ihren als Arbeitnehmer geltenden Alleinaktionär bei einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge zu versichern. Da das Gesetz keine bestimmte Vorsorgeeinrichtung vorschreibe, sei der Beschwerdegegner nicht verpflichtet gewesen, sich bei der Vorsorgeeinrichtung seines Berufsverbandes oder bei der Auffangeinrichtung (
Art. 60 BVG
) zu versichern.
Diese Begründung verkennt, dass das Vorsorgeverhältnis den Anforderungen des BVG genügen muss, auch wenn das Gesetz keine bestimmte Vorsorgeeinrichtung vorschreibt. Der Beschwerdegegner war daher bei der Wahl der Vorsorgeeinrichtung nicht völlig frei. Das Obligatorium kann nicht zur Folge haben, dass grundlegende Prinzipien der beruflichen Vorsorge, wie das Prinzip der Kollektivität oder der Solidarität, missachtet werden (s. auch HEINZ WEIDMANN, Berufliche Vorsorge und gebundene Selbstvorsorge - ungelöste Steuerprobleme, StR 42/1987 S. 99). Der Beschwerdegegner hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, an einer systemgerechten obligatorischen Vorsorge teilzunehmen. Nur hätte sie über eine Vorsorgeeinrichtung seines Berufes oder subsidiär über die Auffangeinrichtung erfolgen müssen.
5.
Nach dem Gesagten sind die Prämien und Einlagen, die der Beschwerdegegner an die "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge geleistet hatte, der Selbstvorsorge (Säule 3) zuzurechnen. Solche Beiträge sind nur unter einschränkenden Bedingungen abziehbar (vgl.
Art. 22 Abs. 1 lit. i BdBSt
, Fassung vom 22. März 1985, in Verbindung mit
Art. 82 BVG
und
Art. 7 BVV 3
). Dass diese Voraussetzungen erfüllt seien, wird nicht behauptet. Besonders wird nicht geltend gemacht, dass es sich bei der "Winterthur"-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge um eine Einrichtung der dritten Säule, d.h. um eine der Versicherungsaufsicht unterstellte Versicherungseinrichtung (Art. 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit
Art. 7 Abs. 1 BVV 3
), handle. | mixed |
689b73e2-1a1f-40e7-94fb-ba992f4e3045 | 221.229.1 1 Legge federale sul contratto d’assicurazione (Legge sul contratto d’assicurazione, LCA)1 del 2 aprile 1908 (Stato 1° gennaio 2022) L’Assemblea federale della Confederazione Svizzera, in esecuzione dell’articolo 64 della Costituzione federale2;3 visto il messaggio 2 febbraio 1904 del Consiglio federale, decreta: Capitolo 1: Disposizioni generali4 Sezione 1: Conclusione del contratto5 Art. 1 1 Chi ha fatto all’assicuratore la proposta d’un contratto di assicura- zione rimane vincolato per quattordici giorni, quando non abbia fissato un termine più breve per l’accettazione. 2 Rimane vincolato per quattro settimane se l’assicurazione richiede una visita medica. 3 Il termine comincia a decorrere dalla consegna o dall’invio della pro- posta all’assicuratore od al suo agente. 4 Il proponente è liberato quando l’accettazione dell’assicuratore non gli sia giunta prima della scadenza del termine. Art. 2 1 Si ritiene accettata la proposta di prolungare o di modificare un con- tratto o di rimettere in vigore un contratto sospeso, quando l’assicura- tore non l’abbia respinta entro quattordici giorni dal ricevimento. CS 2 770 1 Tit. abbreviato e abbreviazione introdotti dal n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 2 [CS 1 3]. Questa disposizione corrisponde all’art. 122 della Cost. federale del 18 apr. 1999 (RS 101). 3 Nuovo testo giusta l’all. n. 8 della L del 24 mar. 2000 sul foro, in vigore dal 1° gen. 2001 (RU 2000 2355; FF 1999 2427). 4 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 5 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 221.229.1 Proposta di assicurazione Proposte speciali Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 2 221.229.1 2 Ove una visita medica sia richiesta dalle condizioni generali d’assi- curazione, la proposta si ritiene accettata se l’assicuratore non l’ha respinta entro quattro settimane dal ricevimento. 3 Queste disposizioni non si applicano alla proposta di aumentare la somma assicurata. Art. 2a6 1 Lo stipulante può revocare la proposta di conclusione del contratto o la dichiarazione di accettazione dello stesso per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo. 2 Il termine di revoca è di quattordici giorni e decorre dal momento in cui lo stipulante ha proposto o accettato il contratto. 3 Il termine è osservato se lo stipulante comunica la revoca all’as- sicuratore, o consegna la dichiarazione di revoca alla posta, entro l’ul- timo giorno del termine. 4 Il diritto di revoca è escluso per le assicurazioni collettive di persone, le coperture provvisorie e le convenzioni di durata inferiore a un mese. 5 Fintantoché, nonostante la revoca, il terzo leso può fare valere in buona fede pretese nei confronti dell’assicuratore, lo stipulante deve il premio e l’assicuratore non può opporre al terzo leso l’inefficacia del contratto. Art. 2b7 1 La revoca rende inefficace sin dall’inizio la proposta di conclusione del contratto o la dichiarazione di accettazione dello stipulante. Nel caso di assicurazioni sulla vita vincolate a partecipazioni, dev’essere restituito il valore al momento della revoca. 2 Le parti devono restituire le prestazioni già ricevute. 3 Lo stipulante non deve all’assicuratore nessun’altra indennità. Ove l’equità lo richieda, lo stipulante deve rifondere in tutto o in parte al- l’assicuratore le spese per gli accertamenti particolari da questo svolti in buona fede in vista della conclusione del contratto. 6 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 7 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Diritto di revoca Effetti della revoca Legge sul contratto d’assicurazione 3 221.229.1 Sezione 2: Obblighi d’informare8 Art. 39 1 Prima della conclusione del contratto d’assicurazione, l’assicuratore deve informare lo stipulante, in maniera comprensibile e in una forma che consenta la prova per testo, sulla propria identità e sul contenuto essenziale del contratto d’assicurazione. Esso lo informa sui seguenti elementi:10 a. rischi assicurati; b.11 l’estensione della copertura assicurativa e il tipo di assicura- zione, ovvero se si tratta di un’assicurazione di somma fissa o di un’assicurazione contro i danni; c. premi dovuti e altri obblighi dello stipulante; d. durata e estinzione del contratto d’assicurazione; e. basi di calcolo e principi e metodi per la determinazione delle eccedenze e la partecipazione alle stesse; f.12 i valori di riscatto e di trasformazione, nonché le principali ti- pologie di costi legate al riscatto di un’assicurazione sulla vita suscettibile di riscatto; g. trattamento dei dati personali, compresi lo scopo e il genere della collezione di dati, nonché destinatari e conservazione dei dati; h.13 il diritto di revoca secondo l’articolo 2a nonché la forma e il termine della revoca; i.14 il termine di presentazione dell’avviso di sinistro di cui all’arti- colo 38 capoverso 1; 8 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 9 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 10 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 11 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 12 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 13 Introdotta dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 14 Introdotta dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Obbligo d’informare dell’assicuratore Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 4 221.229.1 j.15 la validità temporale della protezione assicurativa, in particola- re nei casi in cui il sinistro accada nel corso della durata del contratto ma il danno che ne deriva si verifichi soltanto dopo l’estinzione del contratto. 2 Tali informazioni sono fornite allo stipulante in modo tale ch’egli possa esserne a conoscenza quando propone o accetta il contratto d’assicurazione. In ogni caso, a quel momento deve essere in possesso delle condizioni generali d’assicurazione e dell’informazione di cui al capoverso 1 lettera g. 3 Il datore di lavoro che conclude un’assicurazione collettiva di perso- ne per proteggere i propri lavoratori è tenuto a informarli, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, sul contenuto essen- ziale, sulle modifiche e sullo scioglimento del contratto. L’assicuratore mette a disposizione del datore di lavoro la documentazione necessaria a tal fine.16 Art. 3a17 1 Se l’assicuratore ha violato l’obbligo d’informare di cui all’arti- colo 3, lo stipulante ha il diritto di recedere dal contratto per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo. Il recesso ha effetto dal momento in cui perviene all’assicuratore. 2 Il diritto di recesso si estingue quattro settimane dopo che lo stipulan- te è venuto a conoscenza della violazione dell’obbligo e delle informa- zioni di cui all’articolo 3, ma al più tardi due anni dopo la violazione dell’obbligo. Art. 4 1 Il proponente deve dichiarare all’assicuratore, sulla scorta di un que- stionario o in risposta a domande poste in altra forma, tutti i fatti rilevanti per l’apprezzamento del rischio, in quanto e come gli sono o gli devono essere noti. Le domande e la dichiarazione devono essere fatte per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo.19 15 Introdotta dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 16 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 17 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2004 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 18 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 19 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Violazione dell’obbligo d’informare Dichiarazioni obbligatorie a. In genere18 Legge sul contratto d’assicurazione 5 221.229.1 2 Sono rilevanti i fatti che possono influire sulla determinazione dell’assicuratore a conchiudere il contratto od a conchiuderlo alle con- dizioni convenute. 3 Si presumono rilevanti i fatti in merito ai quali l’assicuratore abbia formulato domande precise, non equivoche.20 Art. 5 1 Quando il contratto sia conchiuso a mezzo di un rappresentante, si dichiareranno e i fatti rilevanti che sono o devono essere noti al rap- presentato e quelli che sono o devono essere noti al rappresentante. 2 Nel caso dell’assicurazione di terzi (art. 16) si dichiareranno anche i fatti rilevanti che sono o devono essere noti al terzo assicurato o al suo intermediario, a meno che il contratto non venga concluso a loro insaputa o non sia possibile avvisare in tempo utile il proponente.23 Art. 624 1 Se nel rispondere alle domande di cui all’articolo 4 capoverso 1 chi era tenuto a fare la dichiarazione ha dichiarato inesattamente o taciuto un fatto rilevante che conosceva o doveva conoscere e a proposito del quale era stato interpellato, l’assicuratore ha il diritto di recedere dal contratto per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo.25 Il recesso ha effetto dal momento in cui perviene allo stipu- lante. 2 Il diritto di recesso si estingue quattro settimane dopo che l’assicu- ratore è venuto a conoscenza della reticenza. 3 Quando il contratto è sciolto per recesso in virtù del capoverso 1, l’obbligo dell’assicuratore di fornire la prestazione si estingue anche per i danni già intervenuti, nella misura in cui il fatto che è stato ogget- to della reticenza abbia influito sull’insorgere o sulla portata del dan- no. Se ha già fornito prestazioni per un siffatto sinistro, l’assicuratore ha diritto a restituzione.26 20 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 21 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 22 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 23 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 24 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 25 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 26 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). b. In caso di rappresentanza21 c. Nell’assicura- zione di terzi22 Reticenze e loro conseguenze a. In genere Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 6 221.229.1 4 In caso di recesso da un contratto d’assicurazione sulla vita, riscatta- bile secondo la presente legge (art. 90 cpv. 2), l’assicuratore fornisce la prestazione prevista in caso di riscatto. Art. 7 Quando il contratto comprenda più cose o più persone e la reticenza si riferisca solamente ad alcune di queste cose o di queste persone, l’assicurazione rimane in vigore per le altre ove risulti dalle circo- stanze che l’assicuratore le avrebbe assicurate anche sole alle mede- sime condizioni. Art. 8 Nonostante la reticenza (art. 6) l’assicuratore non può recedere dal contratto: 1. se il fatto taciuto o inesattamente dichiarato ha cessato d’esistere prima che sia accaduto il sinistro; 2. se la reticenza fu provocata dall’assicuratore; 3. se l’assicuratore conosceva o doveva conoscere il fatto taciuto; 4. se l’assicuratore conosceva o doveva conoscere esattamente il fatto inesattamente dichiarato; 5. se l’assicuratore ha rinunciato al diritto di recedere dal con- tratto; 6. se chi è tenuto a fare la dichiarazione non risponde ad una que- stione a lui posta e l’assicuratore ha conchiuso ciò nondimeno il contratto. Questa disposizione non si applica al caso in cui, giusta le altre comunicazioni dell’obbligato alla dichiarazione, la questione debba essere considerata come se avesse ricevuto una risposta in un determinato senso e tale risposta apparisca come una reticenza sopra un fatto rilevante che l’obbligato alla dichiarazione conosceva o doveva conoscere. Sezione 3: Contenuto e obbligatorietà del contratto27 Art. 928 1 Perché un assicuratore sia tenuto a fornire la prestazione in caso di copertura provvisoria, è sufficiente che i rischi assicurati e l’estensione 27 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 28 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). b. Nel contratto di assicurazione collettiva Validità del contratto nonostante la reticenza Copertura provvisoria Legge sul contratto d’assicurazione 7 221.229.1 della copertura assicurativa provvisoria siano determinabili. L’obbligo d’informare dell’assicuratore si riduce di conseguenza. 2 Un premio è dovuto per quanto sia convenuto o usuale. 3 Se non è limitata nel tempo, la copertura provvisoria può essere disdetta in ogni tempo con un preavviso di quattordici giorni. Essa cessa comunque al momento della conclusione del contratto definitivo con l’assicuratore in questione o con un altro assicuratore. 4 L’assicuratore deve confermare per scritto la copertura provvisoria. Art. 1029 1 Il contratto può esplicare effetti a una data anteriore alla sua conclu- sione se sussiste un interesse assicurabile. 2 L’assicurazione con effetto retroattivo è nulla se soltanto lo stipulan- te o l’assicurato sapeva o avrebbe dovuto sapere che il sinistro si era già verificato. Art. 1130 1 L’assicuratore rilascia allo stipulante una polizza che stabilisce i diritti e gli obblighi delle parti. 2 L’assicuratore deve rilasciare allo stipulante che ne faccia richiesta una copia delle dichiarazioni contenute nella proposta di assicurazione o altrimenti fatte dal proponente e sulla cui base l’assicurazione è stata conclusa. Art. 1231 Art. 13 1 ...32 2 All’ammortizzazione delle polizze si applicano per analogia le dispo- sizioni del Codice federale delle obbligazioni del 14 giugno 188133 sull’ammortizzazione dei titoli al portatore, con la variante che il ter- mine di produzione dev’essere di un anno al più. 29 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 30 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 31 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 32 Abrogato dall’all. 1 n. II 8 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, con effetto dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 33 [RU 5 577, 11 490; CS 2 3 tit. fin. art. 60 cpv. 2, 193 in fine art. 18 disp. fin. e trans. tit. XXIV a XXXIII, 770 art. 103 cpv. 1]. Ora: le disposizioni del CO (RS 220). Assicurazione con effetto retroattivo Polizza a. Contenuto b. ... c. Ammortizza- zione Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 8 221.229.1 Art. 14 1 L’assicuratore non è responsabile quando il sinistro sia stato cagio- nato intenzionalmente dallo stipulante o dall’avente diritto. 2 Se il sinistro fu cagionato da colpa grave dello stipulante o dall’avente diritto, l’assicuratore può ridurre la sua prestazione pro- porzionatamente al grado della colpa. 3 Se il sinistro fu cagionato intenzionalmente o per colpa grave da per- sona che convive con lo stipulante o l’avente diritto, o da persona de cui atti essi sono responsabili e se lo stipulante o l’avente diritto ha commesso una negligenza grave nella sorveglianza di tale persona, sia col prenderla al proprio servizio sia coll’ammetterla presso di sè, l’as- sicuratore può ridurre la sua prestazione proporzionatamente al grado della colpa dello stipulante o dell’avente diritto. 4 Se il sinistro è dovuto a colpa lieve dello stipulante o dell’avente diritto, se questi si sono resi colpevoli di negligenza lieve a’ sensi del lemma precedente o se il sinistro fu cagionato per colpa lieve di una delle altre persone quivi indicate, l’assicuratore risponde per intero. Art. 15 Quando una delle persone indicate nell’articolo 14 della presente legge abbia cagionato il sinistro adempiendo un dovere d’umanità, l’assi- curatore risponde per intero. Art. 1634 1 L’assicurazione ha per oggetto un interesse assicurabile dello stipu- lante (assicurazione per conto proprio) o di un terzo (assicurazione per conto di terzi). L’assicurazione può riferirsi alla persona, a cose o al rimanente patrimonio dello stipulante (assicurazione propria) o di un terzo (assicurazione di terzi). 2 Nel dubbio si presume che lo stipulante abbia concluso l’assicu- razione per conto proprio. 3 Nel caso dell’assicurazione per conto di terzi, l’assicuratore può opporre loro tutte le eccezioni opponibili allo stipulante. Art. 17 e 1835 34 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 35 Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Sinistro cagionato da colpa Dovere di umanità Oggetto dell’assicura- zione Legge sul contratto d’assicurazione 9 221.229.1 Sezione 4: Premio36 Art. 19 1 Salvo stipulazione contraria il premio per il primo periodo di assicu- razione scade al momento della conclusione del contratto. Per periodo di assicurazione s’intende lo spazio di tempo secondo il quale vien cal- colata l’unità di premio. Nel dubbio il periodo di assicurazione è di un anno. 2 ...38 3 I premi successivi scadono, nel dubbio, al principio d’ogni nuovo periodo di assicurazione. Art. 20 1 Se il premio non è pagato alla scadenza o entro il termine di rispetto concesso dal contratto, il debitore dev’essere diffidato per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, a sue spese e sotto comminatoria delle conseguenze della mora, ad effettuarne il paga- mento entro quattordici giorni dall’invio della diffida.40 2 Se il premio è incassato presso il debitore, la diffida può essere comunicata oralmente.41 3 Se la diffida rimane senza effetto l’obbligazione dell’assicuratore è sospesa a datare dalla scadenza del termine di diffida. 4 È riservata la disposizione dell’articolo 93 della presente legge. Art. 21 1 Quando l’assicuratore non abbia richiesto nelle vie legali il premio arretrato entro due mesi dalla scadenza del termine fissato all’articolo 20 della presente legge si ritiene che sia receduto dal contratto e abbia rinunciato al pagamento del premio. 36 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 37 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 38 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 39 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 40 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 41 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 42 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Scadenza37 Obbligo della diffida. Conseguenze della mora39 Rapporto contrattuale dopo la mora42 Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 10 221.229.1 2 Se l’assicuratore ha richiesto il premio o l’ha accettato più tardi, la sua responsabilità rinasce dal momento in cui il premio arretrato venga pagato con interessi e spese. Art. 22 e 2343 Art. 2444 1 Se il contratto d’assicurazione è sciolto o si estingue prima della scadenza, il premio è dovuto soltanto sino al momento dello sciogli- mento del contratto. È fatto salvo l’articolo 42 capoverso 3. 2 Il premio relativo al periodo assicurativo in corso è dovuto intera- mente se l’assicuratore ha fornito la prestazione assicurativa in seguito al venir meno del rischio. Art. 25 a 2746 Sezione 5: Modifica del contratto47 Art. 28 1 Se nel corso dell’assicurazione lo stipulante ha cagionato un aggra- vamento essenziale del rischio, l’assicuratore non è vincolato per l’av- venire al contratto. 2 L’aggravamento del rischio è essenziale quando derivi dalla modifi- cazione di un fatto rilevante per l’apprezzamento del rischio (art. 4) e del quale le parti abbiano determinato l’estensione basandosi sulle risposte alle domande di cui all’articolo 4 capoverso 1.48 3 Il contratto può disporre se, in che misura ed entro quali termini lo stipulante debba dare avviso di tali aggravamenti del rischio all’assi- curatore. 43 Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 44 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 45 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 46 Abrogati dal n. I della LF del 17 dic. 2004, con effetto dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 47 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 48 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Divisibilità del premio45 Aggravamento del rischio ad opera dello stipulante Legge sul contratto d’assicurazione 11 221.229.1 Art. 28a49 1 In caso di diminuzione essenziale del rischio, lo stipulante può rece- dere dal contratto con un preavviso di quattro settimane, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, o esigere una ridu- zione del premio. 2 Se l’assicuratore respinge la domanda di riduzione del premio o lo stipulante non è d’accordo con la riduzione offerta, quest’ultimo può recedere dal contratto con un preavviso di quattro settimane, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, entro quattro settimane dal momento in cui gli è pervenuta la risposta dell’as- sicuratore. 3 La riduzione del premio ha effetto a decorrere dal momento in cui l’assicuratore riceve la comunicazione di cui al capoverso 1. Art. 29 1 Le disposizioni dell’articolo 28 della presente legge non modificano i patti coi quali lo stipulante assume determinati obblighi al fine di sce- mare il rischio o d’impedirne l’aggravamento. 2 L’assicuratore non può invocare la clausola che lo libera dal contratto qualora lo stipulante manchi a questi obblighi se tale mancanza non ha esercitato alcuna influenza sull’avverarsi del sinistro e sull’estensione delle prestazioni incombenti all’assicuratore. Art. 30 1 Se l’aggravamento essenziale del rischio avviene senza il concorso dello stipulante, le conseguenze previste nell’articolo 28 della presente legge si avverano solo quando lo stipulante abbia omesso di dichiarare indilatamente per iscritto all’assicuratore l’aggravamento del rischio venuto a sua conoscenza. 2 Se lo stipulante non ha mancato a quest’obbligo e l’assicuratore si è riservato il diritto di risolvere il contratto per causa d’aggravamento essenziale del rischio, la responsabilità dell’assicuratore si estingue quattordici giorni dopo ch’egli abbia notificato allo stipulante il suo recesso dal contratto. Art. 31 Quando il contratto comprenda più cose o più persone e l’aggrava- mento del rischio concerna solamente alcune di queste cose o di queste persone, l’assicurazione rimane in vigore per le altre a quanto lo stipu- 49 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Diminuzione del rischio Riserva di patti speciali Aggravamento del rischio senza concorso dello stipulante Aggravamento del rischio nel contratto di assicurazione collettiva Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 12 221.229.1 lante paghi, a prima richiesta dell’assicuratore, il maggior premio che fosse dovuto per esse. Art. 32 L’aggravamento del rischio non produce effetto giuridico: 1. quando non abbia esercitato alcuna influenza sull’avverarsi del sinistro e sull’estensione delle prestazioni incombenti all’assi- curatore; 2. quando abbia avuto luogo nell’intenzione di tutelare gli inte- ressi dell’assicuratore; 3. quando sia stato imposto da un dovere d’umanità; 4. quando l’assicuratore abbia espressamente o tacitamente rinun- ciato a recedere dal contratto, specie quando dopo aver rice- vuto dallo stipulante l’avviso scritto dell’aggravamento del ri- schio egli non gli abbia notificato entro quattordici giorni il suo recesso dal contratto. Art. 33 Salvo disposizione contraria della presente legge, l’assicuratore ri- sponde di tutti gli avvenimenti che presentino i caratteri del rischio contro le conseguenze del quale l’assicurazione fu conchiusa, eccetto- chè il contratto non escluda dall’assicurazione singoli avvenimenti in modo preciso, non equivoco. Art. 3450 Nei confronti dello stipulante, l’assicuratore risponde anche degli atti del proprio intermediario. Art. 35 Se nel corso dell’assicurazione le condizioni generali di assicurazione della medesima specie vengono modificate, lo stipulante può chiedere che il contratto sia continuato alle nuove condizioni. Tuttavia se per l’assicurazione alle nuove condizioni occorre una prestazione mag- giore, egli deve corrispondere il congruo equivalente. 50 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). Aggravamento senza conse- guenze Estensione del rischio Responsabilità dell’assicuratore per i suoi intermediari Revisione delle condizioni generali d’assicurazione Legge sul contratto d’assicurazione 13 221.229.1 Sezione 6: Estinzione del contratto51 Art. 35a52 1 Anche se il contratto è stato concluso per una durata più lunga, vi si può recedere per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo alla fine del terzo anno e di ogni anno successivo con un preavvi- so di tre mesi. 2 Le parti possono convenire la possibilità di recedere dal contratto prima della fine del terzo anno. I termini per il recesso devono essere identici per entrambe le parti. 3 L’assicurazione sulla vita è esclusa dal diritto di recesso ordinario. 4 Nell’assicurazione complementare all’assicurazione sociale malattie (art. 2 cpv. 2 della legge del 26 settembre 201453 sulla vigilanza sull’assicurazione malattie), il diritto di recesso ordinario e quello in caso di sinistro possono essere esercitati unicamente dallo stipulante (art. 42 cpv. 1 della presente legge). Nell’assicurazione collettiva d’in- dennità giornaliera tali diritti possono essere esercitati da entrambe le parti. Art. 35b54 1 Per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, si può recedere in ogni tempo dal contratto per gravi motivi. 2 Si considera grave motivo segnatamente: a. una modifica imprevedibile delle disposizioni legali che rende impossibile l’adempimento del contratto; b. ogni circostanza che non consenta, per ragioni di buona fe- de, di esigere la continuazione del contratto da parte del rece- dente. Art. 35c55 1 Sono nulle le disposizioni contrattuali che permettono all’as- sicuratore di limitare o sopprimere unilateralmente, quanto alla loro durata o alla loro entità, gli obblighi di prestazione periodici esistenti a 51 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 52 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 53 RS 832.12 54 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 55 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Recesso ordinario Recesso straordinario Casi d’assicurazione pendenti Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 14 221.229.1 seguito di malattia o infortunio, se il contratto è sciolto in seguito al verificarsi del sinistro. 2 In caso di cambiamento di assicurazione, è fatta salva la prosecuzio- ne dell’assicurazione da parte di un altro assicuratore, che assuma gli obblighi di prestazione di cui al capoverso 1 quanto alla loro durata o alla loro entità. Art. 36 1 Lo stipulante ha diritto di recedere in ogni tempo dal contratto se l’assicuratore che è parte al contratto non dispone dell’autorizzazione a esercitare l’attività assicurativa prescritta dalla legge del 17 dicembre 200457 sulla sorveglianza degli assicuratori (LSA) o tale autorizzazio- ne gli è stata revocata.58 2 ... 59 3 Se recede da un contratto di assicurazione sulla vita, ha diritto alla riserva. 4 Egli conserva inoltre l’azione di risarcimento. Art. 37 1 Nel caso di fallimento dell’assicuratore il contratto si estingue quat- tro settimane dopo la pubblicazione della dichiarazione di fallimento. È fatto salvo l’articolo 55 LSA60.61 2 Lo stipulante può far valere il diritto di cui all’articolo 36 capo- verso 3.62 3 Se per il periodo di assicurazione in corso lo stipulante ha verso l’as- sicuratore un diritto a indennità, egli può far valere a sua scelta, questo diritto o le pretese suindicate. 4 Gli rimangono inoltre riservati i diritti di risarcimento. 56 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 57 RS 961.01 58 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 59 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 60 RS 961.01 61 Per. introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 62 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Revoca dell’autorizzazio ne; conseguenze di diritto privato56 Fallimento dell’assicuratore Legge sul contratto d’assicurazione 15 221.229.1 Sezione 7: Verificarsi del sinistro63 Art. 38 1 Accaduto il sinistro, l’avente diritto, tosto che sia venuto a cono- scenza del medesimo e del diritto derivante per lui dall’assicurazione, deve darne avviso all’assicuratore. Il contratto può disporre che tale avviso sarà dato per iscritto. 2 Quando l’avente diritto manchi per sua colpa a quest’obbligo, l’assi- curatore può ridurre l’indennità dell’importo di cui si troverebbe dimi- nuita se l’avviso fosse stato dato in tempo. 3 L’assicuratore non è vincolato al contratto se l’avente diritto, nell’in- tenzione d’impedire che l’assicuratore possa accertare in tempo utile le circostanze nelle quali il sinistro è accaduto, ha omesso di dare indila- tamente l’avviso. Art. 38a64 1 In caso di sinistro, l’avente diritto è tenuto a fare quanto possa per scemare il danno. Quando non vi sia pericolo in mora, egli dovrà chiedere istruzioni all’assicuratore circa i provvedimenti da prendere e conformarsi alle medesime. 2 Se l’avente diritto ha mancato a quest’obbligo in modo inescusabile, l’assicuratore può limitare l’indennità all’importo cui si troverebbe ridotta qualora l’obbligo fosse stato adempiuto. Art. 38b65 1 Prima che il danno sia valutato, l’avente diritto non deve senza il consenso dell’assicuratore arrecare agli oggetti danneggiati alcun cam- biamento che possa rendere più difficile o impossibile di accertare la causa del danno o il danno stesso, sempre che il cambiamento non risulti imposto dallo scopo di scemare il danno o dall’interesse pubbli- co. 2 Se l’avente diritto contravviene a quest’obbligo con intenzione fraudolenta, l’assicuratore non è vincolato al contratto. 63 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 64 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 65 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Obbligo di dare avviso del sinistro Obbligo di salvataggio Divieto di cambiamento Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 16 221.229.1 Art. 38c66 1 L’assicuratore è tenuto a rimborsare all’avente diritto le spese delle misure non manifestamente inopportune che questi ha prese per sce- mare il danno (art. 38a cpv. 1), anche quando tali misure siano rimaste senza effetto, o quando le spese aggiunte all’indennità eccedano l’importo della somma assicurata. 2 Se la somma assicurata non raggiunge il valore di risarcimento l’assicuratore sopporta le spese nella proporzione esistente fra la somma assicurata ed il valore di risarcimento. Art. 39 1 A richiesta dell’assicuratore, l’avente diritto deve fornirgli ogni informazione sui fatti a lui noti che possano servire ad accertare le cir- costanze nelle quali il sinistro è accaduto o a determinare le conse- guenze di questo. 2 Il contratto può disporre: 1. che l’avente diritto debba produrre determinati atti, segnata- mente dei certificati medici, che egli possa procurarsi senza spese rilevanti; 2. che le comunicazioni previste nei capoversi 1 e 2 numero 1 di questo articolo debbano essere fatte, sotto pena della perdita del diritto derivante dall’assicurazione, entro un termine certo e adeguato. Questo termine decorre dal giorno in cui l’assi- curatore abbia, sotto comminatoria delle conseguenze della mora, diffidato per iscritto l’avente diritto a fare tali comuni- cazioni. Art. 39a67 1 Sempre che nessun interesse privato preponderante vi si opponga, all’ufficio AI competente possono essere comunicati dati per il rileva- mento tempestivo degli assicurati incapaci al lavoro secondo l’articolo 3b della legge federale del 19 giugno 195968 sull’assicurazione per l’invalidità (LAI). 2 Possono essere comunicati soltanto i dati necessari allo scopo in que- stione. A tale condizione, l’istituto d’assicurazione è liberato dall’ob- bligo di serbare il segreto. 3 Il Consiglio federale disciplina i particolari. 66 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 67 Introdotto dall’all. n. 1 della LF del 6 ott. 2006 (5a revisione dell’AI), in vigore dal 1° gen. 2008 (RU 2007 5129; FF 2005 3989). 68 RS 831.20 Spese per scemare il danno Giustificazioni incombenti all’avente diritto Rilevamento tempestivo Legge sul contratto d’assicurazione 17 221.229.1 Art. 39b69 1 Sempre che nessun interesse privato preponderante vi si opponga, nell’ambito della collaborazione interistituzionale secondo l’articolo 68bis LAI70 possono essere comunicati dati: a. agli uffici AI; b. agli istituti d’assicurazione privati secondo l’articolo 68bis ca- poverso 1 lettera b LAI; c. agli istituti della previdenza professionale secondo l’arti- colo 68bis capoverso 1 lettera c LAI. 2 Possono essere comunicati soltanto i dati necessari allo scopo in que- stione. A tale condizione, l’istituto d’assicurazione è liberato dall’ob- bligo di serbare il segreto. 3 L’interessato dev’essere informato circa la comunicazione dei dati. Art. 40 L’assicuratore non è vincolato al contratto di fronte all’avente diritto, se questi od il suo rappresentante, nell’intento d’indurlo in errore, ha dichiarato inesattamente o taciuto dei fatti che escluderebbero o limi- terebbero l’obbligo dell’assicuratore, o se, nel medesimo intento, egli non ha fatto o ha fatto tardivamente le comunicazioni che per l’articolo 39 della presente legge gl’incombono. Art. 41 1 Il credito derivante dal contratto di assicurazione scade quattro set- timane dopo che l’assicuratore abbia ricevuto le informazioni dalle quali possa convincersi del fondamento della pretesa. 2 È nulla la clausola per cui il credito diventerà esigibile solo dopo che sia stato riconosciuto dall’assicuratore o ammesso da sentenza defini- tiva. Art. 41a71 1 Se l’assicuratore contesta il suo obbligo di prestazione, scaduto il termine di cui all’articolo 41 capoverso 1 l’avente diritto può esigere il versamento di acconti sino a concorrenza dell’importo non contestato. 2 La stessa regola si applica se non è chiaro come la prestazione assi- curativa debba essere ripartita tra più aventi diritto. 69 Introdotto dall’all. n. 1 della LF del 6 ott. 2006 (5a revisione dell’AI), in vigore dal 1° gen. 2008 (RU 2007 5129; FF 2005 3989). 70 RS 831.20 71 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Collaborazione interistituzionale Frodi nelle giustificazioni Scadenza del credito d’assicurazione Versamento di acconti Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 18 221.229.1 Art. 42 1 Quando siavi stato soltanto un danno parziale e si pretenda per esso una indennità, l’assicuratore e lo stipulante hanno entrambi il diritto di recedere dal contratto al più tardi al pagamento della indennità. 2 Se il contratto è sciolto per recesso, la responsabilità dell’assicuratore si estingue 14 giorni dopo che il recesso è stato comunicato all’altra parte.72 3 L’assicuratore conserva il diritto al premio per il periodo di assicura- zione in corso se lo stipulante recede dal contratto durante l’anno successivo alla sua conclusione.73 4 Quando né l’assicuratore né lo stipulante recedano dal contratto, l’as- sicuratore, salvo stipulazione contraria, risponde pel futuro solo col residuo della somma assicurata. Sezione 8: Altre disposizioni74 Art. 43 Le comunicazioni che l’assicuratore deve fare a norma della presente legge allo stipulante o all’avente diritto possono essere fatte valida- mente all’ultimo indirizzo a lui noto. Art. 44 1 Per tutte le comunicazioni che gli devono essere fatte a norma del contratto o della presente legge, l’assicuratore è tenuto ad indicare almeno un indirizzo in Svizzera e a portarlo a conoscenza dello stipu- lante e dell’avente diritto che gli abbia notificato le sue ragioni per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo.75 2 Quando l’assicuratore non adempia questi obblighi non può invocare le conseguenze previste nel contratto o nella presente legge per il caso in cui una comunicazione non venga fatta o venga fatta tardivamente. 3 Lo stipulante o l’avente diritto può fare le comunicazioni che gl’in- combono, a sua scelta, all’indirizzo indicato, all’assicuratore diretta- mente od a qualunque agente di quest’ultimo. Le parti possono con- venire che l’agente non è autorizzato a ricevere comunicazioni per l’assicuratore. 72 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 73 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 74 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 75 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Danno parziale Comunicazioni dell’assicuratore Comunicazione dello stipulante o dell’avente diritto: indirizzi Legge sul contratto d’assicurazione 19 221.229.1 Art. 45 1 Se è stata convenuta una sanzione per il caso in cui lo stipulante o l’avente diritto violi un obbligo, egli non incorre nella sanzione quan- do: a. risulti dalle circostanze che la violazione non è imputabile a colpa; o b. lo stipulante dimostri che la violazione non ha esercitato alcu- na influenza sul verificarsi del sinistro e sull’estensione delle prestazioni dovute dall’assicuratore.77 2 L’insolvibilità del debitore non scusa il ritardo nel pagamento del premio. 3 Quando il contratto o la presente legge vincoli l’esistenza di un diritto derivante dall’assicurazione all’osservanza di un termine lo stipulante o l’avente diritto può compiere l’atto omesso senza colpa non appena l’impedimento sia tolto. Art. 46 1 Fatto salvo il capoverso 3, i crediti derivanti dal contratto di assicura- zione si prescrivono in cinque anni dal fatto su cui è fondato l’obbligo di fornire la prestazione.78 L’articolo 41 della legge federale del 25 gi- ugno 198279 sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i supersti- ti e l’invalidità è riservato.80 2 Sono nulli i patti che assoggettano il credito verso l’assicuratore ad una prescrizione o ad un termine più breve. Rimane ferma la disposi- zione dell’articolo 39 capoverso 2 numero 2 della presente legge. 3 I crediti derivanti dal contratto di assicurazione collettiva d’indennità giornaliera in caso di malattia si prescrivono in due anni dal fatto su cui è fondato l’obbligo di fornire la prestazione.81 76 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 77 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 78 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 79 RS 831.40 80 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 25 giu. 1982 sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i superstiti e l’invalidità, in vigore dal 1° gen. 1985 (RU 1983 797 827 art. 1 cpv. 1; FF 1976 I 113). 81 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Violazione del contratto76 Prescrizione e termine Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 20 221.229.1 Art. 46a82 1 In caso di fallimento dello stipulante il contratto sussiste e l’ammi- nistrazione del fallimento è responsabile del suo adempimento. Sono fatti salvi l’articolo 81 e le disposizioni della presente legge relative all’estinzione del contratto. 2 Le pretese e le prestazioni derivanti dall’assicurazione di beni impi- gnorabili secondo l’articolo 92 della legge federale dell’11 aprile 188983 sulla esecuzione e sul fallimento non rientrano nella massa fallimentare. Art. 46b84 1 Quando lo stesso interesse sia assicurato contro lo stesso rischio e per lo stesso tempo presso più di un assicuratore, di guisa che le somme assicurate insieme riunite eccedano il valore di assicurazione (cumulo di assicurazioni), lo stipulante è tenuto a darne senza indugio cono- scenza, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, a ogni assicuratore. 2 Se al momento della conclusione di un ulteriore contratto non è a conoscenza dell’esistenza di un cumulo di assicurazioni, lo stipulante può recedere da questo contratto per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo entro quattro settimane dalla scoperta del cumulo di assicurazioni. 3 Se lo stipulante ha omesso intenzionalmente questa notificazione o ha concluso più assicurazioni nell’intento di procurarsi con esse un utile illecito, gli assicuratori non sono vincolati in suo confronto al contratto. 4 Ogni assicuratore ha diritto a tutta la prestazione convenuta. Art. 46c85 1 In caso di cumulo di assicurazioni, ogni assicuratore risponde del danno nella proporzione esistente fra la somma da esso assicurata e l’importo totale delle somme assicurate. 2 Se uno degli assicuratori è divenuto insolvibile gli altri assicuratori rispondono, fatto salvo l’articolo 38c capoverso 2, per la quota che incombe all’assicuratore insolvibile nella proporzione esistente fra le somme da loro assicurate e fino a concorrenza di quella assicurata da 82 Introdotto dall’all. n. 3 della L del 23 giu. 1978 sulla sorveglianza degli assicuratori (RU 1978 1836; FF 1976 II 859). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 83 RS 281.1 84 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 85 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Fallimento dello stipulante Cumulo di assicurazioni Responsabilità in caso di cumulo di assicurazioni Legge sul contratto d’assicurazione 21 221.229.1 ciascuno di essi. Il credito spettante all’avente diritto contro l’assicura- tore insolvibile passa agli assicuratori che hanno pagato l’indennità. 3 Accaduto il sinistro, l’avente diritto non può risolvere o modificare nessuna assicurazione a detrimento degli altri assicuratori. Art. 47 Il patto di tacita rinnovazione del contratto ha effetto solo in quanto limiti la rinnovazione ad un anno per volta. Art. 47a86 Le imprese di assicurazione private soggette alla LSA88 sono autoriz- zate a utilizzare sistematicamente il numero AVS conformemente alle disposizioni della legge federale del 20 dicembre 194689 sull’assicurazione per la vecchiaia e per i superstiti, ai fini dell’esercizio delle assicurazioni complementari private nel quadro dell’assicurazione malattie o dell’assicurazione contro gli infortuni, soltanto se: a. esercitano le assicurazioni complementari all’assicurazione so- ciale malattie previste nell’articolo 12 capoverso 2 della legge federale del 18 marzo 199490 sull’assicurazione malattie; b. sono iscritte nel registro degli assicuratori LAINF di cui all’articolo 68 capoverso 2 della legge federale del 20 marzo 198191 sull’assicurazione contro gli infortuni e offrono le assi- curazioni complementari alla LAINF. 86 Introdotto dall’all. n. 2 della LF del 23 giu. 2006 (Nuovo numero d’assicurato dell’AVS), in vigore dal 1° dic. 2007 (RU 2007 5259; FF 2006 471). 87 Nuova espr. giusta l’all. n. 4 della LF del 18 dic. 2020 (Utilizzazione sistematica del numero AVS da parte delle autorità), in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2021 758; FF 2019 6043). Di detta mod. é tenuto conto unicamente nelle disp. menzionate nella RU. 88 RS 961.01 89 RS 831.10 90 RS 832.10. Questo art. è ora abrogato. Dal 1° gen. 2016 vedi art. 2 cpv. 2 della L del 26 set. 2014 sulla vigilanza sull’assicurazione malattie (RS 832.12). 91 RS 832.20 Tacita rinnovazione Numero AVS87 Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 22 221.229.1 Capitolo 2: Disposizioni speciali92 Sezione 1: Assicurazione di cose93 Art. 48 e 4994 Art. 50 1 Se nel corso dell’assicurazione il valore di assicurazione ha subito una diminuzione essenziale, l’assicuratore e lo stipulante possono chiedere entrambi una proporzionata riduzione della somma assicurata. 2 ...95 Art. 51 Se la somma assicurata eccede il valore di assicurazione (soprassicu- razione), l’assicuratore non è vincolato al contratto verso lo stipulante, quando questi abbia stipulato il contratto nell’intento di procurarsi con la soprassicurazione un utile illecito. L’assicuratore ha diritto a tutta la prestazione convenuta. Art. 51a96 1 Salvo disposizione contraria del contratto o della presente legge (art. 38c), l’assicuratore risponde del danno solo fino a concorrenza della somma assicurata. 2 Se la somma assicurata non raggiunge il valore di risarcimento (sot- tassicurazione), il danno, salvo patto contrario, deve essere risarcito nella proporzione esistente fra la somma assicurata ed il valore di risarcimento. 92 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 93 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 94 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 95 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 96 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Diminuzione del valore di assicurazione Soprassicura- zione Somma assicu- rata; obbligo di risarcimento nella sottoassi- curazione Legge sul contratto d’assicurazione 23 221.229.1 Art. 52 e 5397 Art. 5498 1 Se l’oggetto del contratto d’assicurazione cambia proprietario, i diritti e gli obblighi derivanti dal contratto d’assicurazione passano al nuovo proprietario. 2 Entro 30 giorni dal trapasso di proprietà il nuovo proprietario può rifiutare il trasferimento del contratto per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo.99 3 L’assicuratore può recedere dal contratto, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo, entro 14 giorni dal momento in cui è venuto a conoscenza dell’identità del nuovo proprietario.100 Il contratto si estingue al più presto 30 giorni dopo la disdetta. 4 Gli articoli 28–32 si applicano per analogia se il cambiamento di proprietario provoca un aggravamento del rischio. Art. 55101 Art. 56 Se fu pignorata in via d’esecuzione o sequestrata una cosa assicurata, l’assicuratore che ne sia avvertito in tempo non può più pagare vali- damente l’indennità se non all’ufficio d’esecuzione. Art. 57 1 Se fu assicurata una cosa costituita in pegno, il pegno del creditore si estende tanto al diritto che il contratto di assicurazione conferisce al debitore quanto ai beni acquistati coll’indennità in sostituzione della cosa assicurata. 2 Se il pegno fu notificato all’assicuratore, questi non può pagare l’in- dennità all’assicurato se non col consenso del creditore pignoratizio o verso prestazione di garanzie a favore del medesimo. 97 Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 98 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° lug. 2009 (RU 2009 2799; FF 2008 6745 6755). 99 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 100 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 101 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Cambiamento di proprietario Pignoramento e sequestro Pegno sulla cosa assicurata Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 24 221.229.1 Art. 58102 1 Tanto l’assicuratore quanto l’avente diritto possono chiedere che il danno venga valutato senza indugio dalle parti. Nel caso di distruzione parziale di prodotti agricoli, segnatamente per effetto della grandine, la valutazione del danno dev’essere, a richiesta dell’una o dell’altra delle parti, rimandata fino al raccolto. 2 Quando una delle parti rifiuti di cooperare alla valutazione del danno o quando le due parti non possano intendersi circa l’importanza del danno avvenuto, questo, salvo patti speciali, dovrà essere valutato da periti designati dall’autorità giudiziaria. 3 Il fatto di avere cooperato alla valutazione del danno non priva l’as- sicuratore delle eccezioni che gli spettano contro la pretesa d’indennità dell’avente diritto. 4 È nullo il patto che vieti all’avente diritto di farsi assistere nelle trat- tative per la valutazione del danno. 5 Le spese di valutazione del danno incombono alle parti in eguale misura. Sezione 2: Assicurazione per la responsabilità civile103 Art. 59104 1 Quando lo stipulante si sia assicurato contro le conseguenze della responsabilità inerente per legge ad un esercizio industriale, l’as- sicurazione si estende anche alla responsabilità dei suoi rappresentanti ed a quella delle persone incaricate di dirigere o sorvegliare l’esercizio nonché agli altri lavoratori. 2 L’assicurazione copre sia le pretese di risarcimento dei danneggiati sia i diritti di regresso di terzi. 3 Nell’assicurazione per la responsabilità civile obbligatoria non è possibile opporre al danneggiato le eccezioni derivanti da eventi assicurati provocati intenzionalmente o per negligenza grave, dalla violazione di obblighi, dal mancato pagamento dei premi o da una franchigia convenuta contrattualmente. Art. 60 1 Nel caso di assicurazione contro le conseguenze della responsabilità civile il terzo danneggiato ha, fino a concorrenza del risarcimento a lui 102 Originario art. 67. 103 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 104 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Valutazione del danno Assicurazione per la respon- sabilità civile a. Estensione b. Pegno legale del terzo danneggiato Legge sul contratto d’assicurazione 25 221.229.1 spettante, un diritto di pegno sulla indennità dovuta allo stipulante. L’assicuratore può pagare l’indennità direttamente al terzo danneg- giato. 1bis Il terzo danneggiato o il suo avente causa vanta un diritto di credito diretto nei confronti dell’assicuratore, nei limiti di un’eventuale coper- tura assicurativa e fatte salve le obiezioni e le eccezioni che l’assicu- ratore può opporgli in virtù della legge o del contratto.105 2 L’assicuratore è responsabile di ogni atto con cui pregiudichi il terzo nel suo diritto. 3 Nei casi in cui è stipulata un’assicurazione obbligatoria per la re- sponsabilità civile, il terzo danneggiato può esigere dall’assicurato civilmente responsabile o dalla competente autorità di vigilanza l’in- dicazione dell’assicuratore. Quest’ultimo deve fornire informazioni sul tipo e sull’estensione della copertura assicurativa.106 Art. 61 a 72107 Sezione 3: Assicurazione sulla vita108 Art. 73 1 Il diritto derivante da un contratto d’assicurazione di somma fissa non può essere ceduto o costituito in pegno né mediante girata né mediante semplice consegna della polizza. Per la validità della cessio- ne e della costituzione in pegno occorrono la forma scritta e la conse- gna della polizza nonché la notifica per scritto all’assicuratore.109 2 Se la polizza dispone che l’assicuratore può pagare al portatore, l’as- sicuratore di buona fede può considerare come avente diritto ogni portatore. Art. 74 1 L’assicurazione sulla vita altrui è nulla quando la persona per il cui decesso è stipulata non vi abbia dato il suo consenso per iscritto prima della conclusione del contratto. Se l’assicurazione è stipulata per il 105 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 106 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 107 Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 108 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 109 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Natura giuridica della polizza, cessione e costituzione in pegno Assicurazione sulla vita altrui Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 26 221.229.1 decesso di una persona incapace occorre il consenso scritto del rappre- sentante legale. 2 Il diritto derivante dall’assicurazione può invece essere ceduto senza il consenso del terzo. 3 Il contratto può disporre che le norme degli articoli 6 e 28 della pre- sente legge si applicheranno anche quando la persona per il cui deces- so l’assicurazione fu stipulata abbia commesso una reticenza o cagio- nato l’aggravamento del rischio. Art. 75110 Art. 76 1 Lo stipulante ha diritto di designare un terzo come beneficiario senza il consenso dell’assicuratore.111 2 Il beneficio può comprendere tutto il diritto derivante dall’assicuraz- ione o solo una parte di esso. Art. 77 1 Anche quando un terzo sia stato designato come beneficiario, lo sti- pulante può disporre liberamente, tra vivi e per causa di morte, del diritto derivante dall’assicurazione.112 2 Il diritto di revoca del beneficio cessa solo quando lo stipulante abbia rinunciato a tale revoca con la propria firma nella polizza e consegnata quest’ultima al beneficiario. Art. 78 Salvo le disposizioni che fossero state prese a norma dell’articolo 77 capoverso 1 della presente legge, il beneficio crea a favore del benefi- ciario un diritto suo proprio sul credito derivante dall’assicurazione assegnatagli. Art. 79 1 Il beneficio si estingue col pignoramento del credito derivante dall’assicurazione e con la dichiarazione di fallimento dello stipulante. Esso rinasce quando cessi il pignoramento o sia revocato il fallimento. 110 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 111 Vedi nondimeno l’art. 1 dell’O del 1° mar. 1966 che abroga le restrizioni alla libertà contrattuale per i contratti d’assicurazione (RS 221.229.11). 112 Vedi nondimeno l’art. 1 dell’O del 1° mar. 1966 che abroga le restrizioni alla libertà contrattuale per i contratti d’assicurazione (RS 221.229.11). Assicurazione a beneficio di terzi a. Principio; estensione b. Diritto di disposizione dello stipulante c. Natura del diritto del beneficiario d. Cause legali d’estinzione Legge sul contratto d’assicurazione 27 221.229.1 2 Se lo stipulante ha rinunciato alla revoca del beneficio, il diritto creato dall’assicurazione a favore del beneficiario non soggiace all’esecuzione a vantaggio dei creditori dello stipulante. Art. 80113 Se i beneficiari sono il coniuge, il partner registrato o i discendenti dello stipulante, il diritto d’assicurazione del beneficiario e quello dello stipulante non soggiacciono, salvo gli eventuali diritti di pegno, all’esecuzione a vantaggio dei creditori dello stipulante. Art. 81 1 Se i beneficiari d’un contratto di assicurazione sulla vita sono il coniuge, il partner registrato o i discendenti dello stipulante, essi gli subentrano nei diritti e negli obblighi derivanti dal contratto di assicu- razione non appena venga rilasciato nei suoi confronti un attestato di carenza di beni o egli sia dichiarato in fallimento, eccettochè non rifiutino espressamente un tal subingresso.115 2 I beneficiari sono tenuti a notificare all’assicuratore il trapasso dell’assicurazione producendo un certificato dell’ufficio d’esecuzione o dell’amministrazione del fallimento. Se vi sono più beneficiari, essi devono designare un rappresentante che riceva le comunicazioni incombenti all’assicuratore. Art. 82 Rimangono ferme, di fronte alle disposizioni della presente legge circa l’assicurazione a beneficio di terzi, le prescrizioni degli articoli 285 e seguenti della legge federale dell’11 aprile 1889116 sulla esecuzione e sul fallimento. Art. 83 1 Se furono designati come beneficiari i figli di una persona determi- nata, s’intendono per tali i discendenti che hanno diritto alla succes- sione. 2 Per coniuge s’intende il coniuge superstite. 2bis Per partner registrato s’intende il partner registrato superstite.117 113 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 114 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 115 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 116 RS 281.1 117 Introdotto dall’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). e. Esclusione del pigno- ramento e del fallimento f. Subingresso114 g. Riserva della azione rivocatoria h. Interpreta- zione dei patti relativi al beneficio aa. I beneficiari Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 28 221.229.1 3 Per superstiti, eredi o aventi causa designati come beneficiari s’in- tendono i discendenti che hanno diritto alla successione ed il coniuge superstite o il partner registrato superstite, e quando non vi siano né discendenti che hanno diritto alla successione né coniuge superstite o partner registrato superstite, le altre persone successibili118 Art. 84 1 Se l’assicurazione è devoluta ai discendenti che hanno diritto alla successione ed al coniuge superstite o al partner registrato superstite in qualità di beneficiari, la somma assicurata spetta per una metà al coniuge o partner e per l’altra metà ai discendenti secondo il loro diritto successorio.119 2 Se furono designati quali beneficiari altri eredi, l’assicurazione è loro devoluta secondo il rispettivo diritto successorio. 3 Se più persone non successibili sono designate come beneficiari senza precisa indicazione delle quote rispettive, l’assicurazione è loro devoluta in parti uguali. 4 Scomparendo uno dei beneficiari, la sua quota si aggiunge in parti uguali a quelle degli altri. Art. 85120 Se i beneficiari sono i discendenti che hanno diritto alla successione, il coniuge o il partner registrato, i genitori, i nonni, i fratelli o le sorelle, l’assicurazione è loro devoluta anche quando ripudino la successione. Art. 86121 1 Se il diritto derivante da un contratto d’assicurazione sulla vita, conchiuso dal debitore sulla propria vita, soggiace alla realizzazione in via d’esecuzione o di fallimento, il coniuge, il partner registrato o i discendenti del debitore possono chiedere col suo consenso che esso venga loro ceduto verso pagamento del prezzo di riscatto. 2 Se tale diritto fu costituito in pegno e deve essere realizzato in via d’esecuzione o di fallimento, il coniuge, il partner registrato o i di- scendenti del debitore possono chiedere col suo consenso che esso venga loro ceduto verso pagamento del credito garantito dal pegno o, 118 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 119 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 120 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 121 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). bb. Le quote i. Ripudio della successione Realizzazione in via di esecuzione e di fallimento Legge sul contratto d’assicurazione 29 221.229.1 quando il credito stesso sia inferiore al prezzo di riscatto, verso paga- mento di questo prezzo. 3 Il coniuge, il partner registrato o i discendenti devono presentare la loro domanda all’ufficio d’esecuzione o all’amministrazione del fallimento prima della realizzazione del credito. Art. 87 e 88122 Art. 89123 Qualunque sia la durata convenuta, lo stipulante può recedere dal contratto dopo un anno per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo. Art. 89a124 Art. 90125 1 Se l’assicurazione ha un valore di trasformazione, lo stipulante può esigere che essa sia interamente o parzialmente trasformata in un’assi- curazione liberata dal pagamento dei premi. Il contratto può prevedere in merito un valore minimo. 2 Se il valore di trasformazione è inferiore al valore minimo previsto, l’assicuratore versa il valore di riscatto allo stipulante. 3 Se il contratto copre un sinistro il cui verificarsi è certo e se in caso di estinzione totale o parziale del contratto l’assicurazione ha un valore di riscatto, lo stipulante ne può esigere il pagamento. Art. 91 1 L’assicuratore deve fissare le basi per la determinazione del valore di trasformazione e del valore di riscatto. 2 Le disposizioni relative alla trasformazione ed al riscatto devono essere inserte nelle condizioni generali di assicurazione. 122 Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 123 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 124 Introdotto dal n. I della LF del 18 giu. 1993 (RU 1993 3175; FF 1993 I 609). Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 125 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Assicurazione sulla vita; estinzione anticipata Trasformazione e riscatto a. In genere b. Determina- zione dei valori Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 30 221.229.1 3 L’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari (FINMA) decide se i valori di trasformazione e di riscatto previsti siano ade- guati.126 Art. 92 1 Su domanda dell’avente diritto, l’assicuratore è tenuto a calcolare entro quattro settimane il valore di trasformazione od il valore di riscatto dell’assicurazione ed a farglielo conoscere. A richiesta dell’avente diritto l’assicuratore deve inoltre fornirgli i dati necessari per calcolare a mezzo di periti il valore di trasformazione o di riscatto. 2 Ad istanza dell’avente diritto, la FINMA verifica gratuitamente l’esattezza dei valori calcolati dall’assicuratore.128 3 Se l’avente diritto domanda il riscatto, il prezzo di riscatto scade tre mesi dopo che la domanda sia giunta all’assicuratore. Art. 93 1 Se il pagamento dei premi cessa dopo che l’assicurazione sia stata in vigore per tre anni almeno, è dovuto il valore di trasformazione della stessa. L’assicuratore deve fissare a norma della presente legge il valo- re di trasformazione e, per le assicurazioni suscettibili di riscatto, il valore di riscatto, dandone comunicazione all’avente diritto che ne fac- cia richiesta. 2 Se l’assicurazione è suscettibile di riscatto, l’avente diritto può chie- dere entro sei settimane da quando ricevette questa comunicazione, invece della trasformazione, il valore di riscatto dell’assicurazione. Art. 94 Le disposizioni della presente legge, relative alla trasformazione ed al riscatto dell’assicurazione sulla vita, si applicano anche alle prestazioni che l’assicuratore ha concesso all’avente diritto come partecipazioni agli utili dell’impresa sotto forma d’aumento delle prestazioni di assi- curazione. 126 Nuovo testo giusta l’all. n. 7 della LF del 22 giu. 2007 concernente l’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 127 Nuovo testo giusta l’all. n. 7 della LF del 22 giu. 2007 concernente l’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 128 Nuovo testo giusta l’all. n. 7 della LF del 22 giu. 2007 concernente l’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). c. Obblighi dell’assicuratore; ulteriore verifica da parte della FINMA; scadenza del prezzo di riscatto127 d. Non caducità e. Trasforma- zione e riscatto delle partecipa- zioni agli utili Legge sul contratto d’assicurazione 31 221.229.1 Art. 94a129 Art. 95130 Se l’avente diritto ha costituito in pegno a favore dell’assicuratore il diritto derivante da un contratto di assicurazione sulla vita, l’as- sicuratore può compensare il proprio credito col valore di riscatto dell’assicurazione, dopo aver diffidato inutilmente il debitore, per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo e sotto com- minatoria delle conseguenze della mora, a pagare il debito entro sei mesi dal giorno della ricevuta diffida. Sezione 4:131 Assicurazione contro gli infortuni e le malattie Art. 95a L’assicurazione collettiva contro gli infortuni e le malattie conferisce al beneficiario, tosto che l’infortunio sia accaduto o la malattia soprag- giunta, un diritto proprio verso l’assicuratore. Art. 95b 1 Se l’infortunio ha cagionato all’assicurato una diminuzione della capacità di lavoro prevedibilmente duratura, l’indennità deve essere pagata sotto forma di capitale sulla base della somma assicurata per il caso d’invalidità, non appena le conseguenze prevedibilmente durature dell’infortunio siano accertate. Questa disposizione non si applica quando lo stipulante abbia espressamente proposto l’indennità sotto forma di rendita. 2 Il contratto può disporre che nell’intervallo si pagheranno delle ren- dite e che queste dovranno diffalcarsi dall’indennità. 129 Introdotto dal n. I della LF del 18 giu. 1993 (RU 1993 3175; FF 1993 I 609). Abrogato dal n. I della LF del 17 dic. 2004, con effetto dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 130 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 131 Introdotta dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Diritto di pegno dell’assicuratore; liquidazione Assicurazione collettiva contro gli infortuni e le malattie; diritto del beneficiario Assicurazione contro gl’infortuni; invalidità Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 32 221.229.1 Sezione 5: Coordinamento132 Art. 95c133 1 Le prestazioni derivanti da assicurazioni contro i danni non sono cumulabili con altre prestazioni di indennizzo dei danni. 2 L’assicuratore subentra nei diritti dell’assicurato per i danni simili da esso coperti, nella misura della sua prestazione e nel momento in cui questa viene fornita. 3 Il capoverso 2 non si applica al caso in cui il danno sia dovuto a colpa lieve di una persona che ha una stretta relazione con l’assicurato. Hanno una stretta relazione con l’assicurato segnatamente le persone che: a. convivono con lui; b. hanno con lui un rapporto di lavoro; c. sono autorizzate ad utilizzare la cosa assicurata. c. sono autorizzate ad utilizzare la cosa assicurata. Art. 96134 Nell’assicurazione di somma fissa i diritti verso terzi spettanti per effetto del sinistro all’avente diritto non passano all’assicuratore. Capitolo 3: Disposizioni imperative135 Art. 97136 Le seguenti disposizioni della presente legge non possono essere mo- dificate mediante convenzione: articoli 10 capoverso 2, 13, 24, 35b, 35c, 41 capoverso 2, 46a, 46b capoversi 1 e 2, 46c capoverso 1, 47, 51, 58 capoverso 4, 60, 73, 74 capoverso 1 e 95c capoversi 1 e 2. 132 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 133 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 134 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 135 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 136 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). Diritto di regresso dell’assicuratore Esclusione del diritto di regresso dell’assicuratore Disposizioni inderogabili Legge sul contratto d’assicurazione 33 221.229.1 Art. 98137 Le seguenti disposizioni della presente legge non possono essere mo- dificate mediante convenzione a danno dello stipulante o dell’avente diritto: articoli 1–3a, 6, 9, 11, 14 capoverso 4, 15, 20, 21, 28, 28a, 29 capoverso 2, 30, 32, 34, 35a, 38c capoverso 2, 39 capoverso 2 numero 2 secondo periodo, 41a, 42 capoversi 1–3, 44–46, 54, 56, 57, 59, 76 capoverso 1, 77 capoverso 1, 89, 90–95a, 95b capoverso 1, 95c capoverso 3 e 96. Art. 98a138 1 Gli articoli 97 e 98 non si applicano: a. alle assicurazioni credito e alle assicurazioni cauzionali, se si tratta di assicurazioni concernenti rischi professionali o com- merciali, e alle assicurazioni trasporti; b. alle assicurazioni con stipulanti professionisti. 2 Sono considerati stipulanti professionisti: a. gli istituti di previdenza e gli istituti dediti alla previdenza pro- fessionale; b. gli intermediari finanziari secondo la legge dell’8 novembre 1934139 sulle banche e la legge del 23 giugno 2006140 sugli in- vestimenti collettivi; c. le imprese di assicurazione secondo la LSA141; d. gli stipulanti esteri sottoposti a una vigilanza prudenziale equi- valente a quella delle persone di cui alle lettere a–c; e. gli enti, istituti e fondazioni di diritto pubblico che prevedono una gestione professionale dei rischi; f. le imprese che prevedono una gestione professionale dei rischi; g. le imprese che superano almeno due dei tre valori seguenti: 1. somma di bilancio di 20 milioni di franchi, 2. importo netto del volume d’affari di 40 milioni di franchi, 3. capitale proprio di 2 milioni di franchi. 3 Se lo stipulante fa parte di un gruppo di imprese per il quale è allesti- to un conto annuale consolidato (conto di gruppo), i valori di cui al capoverso 2 lettera g sono applicati al conto di gruppo. 137 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 138 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 139 RS 952.0 140 RS 951.31 141 RS 961.01 Disposizioni che non possono essere modificate a danno dello stipulante o dell’avente diritto Eccezioni Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 34 221.229.1 4 L’assicurazione viaggi non è considerata un’assicurazione trasporti ai sensi del capoverso 1. Art. 99 Il Consiglio federale può decretare, mediante ordinanze, che le restri- zioni alla libertà contrattuale previste nell’articolo 98 della presente legge non si applicheranno a singole specie di assicurazioni in quanto ciò sia richiesto dalla natura o dalle condizioni particolari di queste specie di assicurazioni. Capitolo 4: Disposizioni finali142 Art. 100 1 Per tutto quanto non sia previsto nella presente legge il contratto d’assicurazione è retto dalle disposizioni del diritto delle obbligazioni. 2 Per gli stipulanti e gli assicurati considerati disoccupati ai sensi dell’articolo 10 della legge del 25 giugno 1982143 sull’assicurazione contro la disoccupazione sono inoltre applicabili per analogia gli articoli 71 capoversi 1 e 2 e 73 della legge federale del 18 marzo 1994144 sull’assicurazione malattie.145 Art. 101146 1 La presente legge non è applicabile: 1. ai contratti di riassicurazione; 2.147 ai rapporti di diritto privato tra le imprese di assicurazione non sottoposte alla sorveglianza (art. 2 cpv. 2 LSA148) e i loro assi- curati, ad eccezione dei rapporti di diritto per il cui esercizio tali imprese di assicurazione sono sottoposte alla sorveglianza. 2 Questi rapporti di diritto sono retti dal Codice delle obbligazioni149. 142 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 143 RS 837.0 144 RS 832.10 145 Introdotto dall’art. 115 della L del 25 giu. 1982 sull’assicurazione contro la disoccupazione (RU 1982 2184; FF 1980 III 469). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 146 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della L del 23 giu. 1978 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 1979 (RU 1978 1836; FF 1976 II 859). 147 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2004, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5245; FF 2003 3233). 148 RS 961.01 149 RS 220 Ordinanze del Consiglio federale Rapporto col diritto delle obbligazioni Rapporti di di- ritto non soggetti alla presente legge Legge sul contratto d’assicurazione 35 221.229.1 Art. 101a a 101c150 Art. 102151 Art. 103 1 ... 152 2 Tuttavia, la presente legge non modifica le disposizioni delle leggi e ordinanze cantonali che reggono gli istituti di assicurazione organizzati dai Cantoni. Art. 103a153 Ai contratti conclusi prima dell’entrata in vigore della modifica del 19 giugno 2020 si applicano le seguenti disposizioni del nuovo diritto: a. le prescrizioni di forma; b. il diritto di recesso secondo gli articoli 35a e 35b. Art. 104 Il Consiglio federale è incaricato, conformemente alle disposizioni della legge federale del 17 giugno 1874154 concernente le votazioni popolari su leggi e risoluzioni federali, di pubblicare la presente legge e di fissare la data della sua entrata in vigore. Data dell’entrata in vigore:155 1° gennaio 1910 150 Introdotti dal n. I della LF del 18 giu. 1993 (RU 1993 3175; FF 1993 I 609). Abrogati dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 151 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 152 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969; FF 2017 4401). 153 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2020 4969, 2021 357; FF 2017 4401). 154 [CS 1 168; RU 1962 848 art. 11 cpv. 3. RU 1978 688 art. 89 lett. b] 155 DCF del 17 lug. 1908 (RU 24 751). Abrogazione di disposizioni esistenti Disposizione transitoria della modifica del 19 giugno 2020 Entrata in vigore della legge Disposizioni di complemento e d’applicazione del CO 36 221.229.1 Capitolo 1: Disposizioni generali Sezione 1: Conclusione del contratto Art. 1 Proposta di assicurazione Art. 2 Proposte speciali Art. 2a Diritto di revoca Art. 2b Effetti della revoca Sezione 2: Obblighi d’informare Art. 3 Obbligo d’informare dell’assicuratore Art. 3a Violazione dell’obbligo d’informare Art. 4 Dichiarazioni obbligatorie a. In genere Art. 5 b. In caso di rappresentanza c. Nell’assicurazione di terzi Art. 6 Reticenze e loro conseguenze a. In genere Art. 7 b. Nel contratto di assicurazione collettiva Art. 8 Validità del contratto nonostante la reticenza Sezione 3: Contenuto e obbligatorietà del contratto Art. 9 Copertura provvisoria Art. 10 Assicurazione con effetto retroattivo Art. 11 Polizza a. Contenuto Art. 12 b. ... Art. 13 c. Ammortizzazione Art. 14 Sinistro cagionato da colpa Art. 15 Dovere di umanità Art. 16 Oggetto dell’assicurazione Art. 17 e 18 Sezione 4: Premio Art. 19 Scadenza Art. 20 Obbligo della diffida. Conseguenze della mora Art. 21 Rapporto contrattuale dopo la mora Art. 22 e 23 Art. 24 Divisibilità del premio Art. 25 a 27 Sezione 5: Modifica del contratto Art. 28 Aggravamento del rischio ad opera dello stipulante Art. 28a Diminuzione del rischio Art. 29 Riserva di patti speciali Art. 30 Aggravamento del rischio senza concorso dello stipulante Art. 31 Aggravamento del rischio nel contratto di assicurazione collettiva Art. 32 Aggravamento senza conseguenze Art. 33 Estensione del rischio Art. 34 Responsabilità dell’assicuratore per i suoi intermediari Art. 35 Revisione delle condizioni generali d’assicurazione Sezione 6: Estinzione del contratto Art. 35a Recesso ordinario Art. 35b Recesso straordinario Art. 35c Casi d’assicurazione pendenti Art. 36 Revoca dell’autorizzazione; conseguenze di diritto privato Art. 37 Fallimento dell’assicuratore Sezione 7: Verificarsi del sinistro Art. 38 Obbligo di dare avviso del sinistro Art. 38a Obbligo di salvataggio Art. 38b Divieto di cambiamento Art. 38c Spese per scemare il danno Art. 39 Giustificazioni incombenti all’avente diritto Art. 39a Rilevamento tempestivo Art. 39b Collaborazione interistituzionale Art. 40 Frodi nelle giustificazioni Art. 41 Scadenza del credito d’assicurazione Art. 41a Versamento di acconti Art. 42 Danno parziale Sezione 8: Altre disposizioni Art. 43 Comunicazioni dell’assicuratore Art. 44 Comunicazione dello stipulante o dell’avente diritto: indirizzi Art. 45 Violazione del contratto Art. 46 Prescrizione e termine Art. 46a Fallimento dello stipulante Art. 46b Cumulo di assicurazioni Art. 46c Responsabilità in caso di cumulo di assicurazioni Art. 47 Tacita rinnovazione Art. 47a Numero AVS Capitolo 2: Disposizioni speciali Sezione 1: Assicurazione di cose Art. 48 e 49 Art. 50 Diminuzione del valore di assicurazione Art. 51 Soprassicurazione Art. 51a Somma assicurata; obbligo di risarcimento nella sottoassicurazione Art. 52 e 53 Art. 54 Cambiamento di proprietario Art. 55 Art. 56 Pignoramento e sequestro Art. 57 Pegno sulla cosa assicurata Art. 58 Valutazione del danno Sezione 2: Assicurazione per la responsabilità civile Art. 59 Assicurazione per la responsabilità civile a. Estensione Art. 60 b. Pegno legale del terzo danneggiato Art. 61 a 72 Sezione 3: Assicurazione sulla vita Art. 73 Natura giuridica della polizza, cessione e costituzione in pegno Art. 74 Assicurazione sulla vita altrui Art. 75 Art. 76 Assicurazione a beneficio di terzi a. Principio; estensione Art. 77 b. Diritto di disposizione dello stipulante Art. 78 c. Natura del diritto del beneficiario Art. 79 d. Cause legali d’estinzione Art. 80 e. Esclusione del pignoramento e del fallimento Art. 81 f. Subingresso Art. 82 g. Riserva della azione rivocatoria Art. 83 h. Interpretazione dei patti relativi al beneficio aa. I beneficiari Art. 84 bb. Le quote Art. 85 i. Ripudio della successione Art. 86 Realizzazione in via di esecuzione e di fallimento Art. 87 e 88 Art. 89 Assicurazione sulla vita; estinzione anticipata Art. 89a Art. 90 Trasformazione e riscatto a. In genere Art. 91 b. Determinazione dei valori Art. 92 c. Obblighi dell’assicuratore; ulteriore verifica da parte della FINMA; scadenza del prezzo di riscatto Art. 93 d. Non caducità Art. 94 e. Trasformazione e riscatto delle partecipazioni agli utili Art. 94a Art. 95 Diritto di pegno dell’assicuratore; liquidazione Sezione 4: Assicurazione contro gli infortuni e le malattie Assicurazione collettiva contro gli infortuni e le malattie; diritto del beneficiario Art. 95b Assicurazione contro gl’infortuni; invalidità Sezione 5: Coordinamento Art. 95c Diritto di regresso dell’assicuratore Art. 96 Esclusione del diritto di regresso dell’assicuratore Capitolo 3: Disposizioni imperative Art. 97 Disposizioni inderogabili Art. 98 Disposizioni che non possono essere modificate a danno dello stipulante o dell’avente diritto Art. 98a Eccezioni Art. 99 Ordinanze del Consiglio federale Capitolo 4: Disposizioni finali Art. 100 Rapporto col diritto delle obbligazioni Art. 101 Rapporti di diritto non soggetti alla presente legge Art. 101a a 101c Art. 102 Art. 103 Abrogazione di disposizioni esistenti Art. 103a Disposizione transitoria della modifica del 19 giugno 2020 Art. 104 Entrata in vigore della legge | mixed |
367f63f6-a997-4b26-afbe-1bfffd5824fb | 221.229.1 1 Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG)1 vom 2. April 1908 (Stand am 1. Januar 2022) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Vollziehung des Artikels 64 der Bundesverfassung2,3 nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. Februar 19044, beschliesst: 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen5 1. Abschnitt: Abschluss des Vertrags6 Art. 1 1 Wer dem Versicherungsunternehmen7 den Antrag zum Abschlusse eines Versicherungsvertrages gestellt und für die Annahme keine kürzere Frist gesetzt hat, bleibt 14 Tage gebunden. 2 Erfordert die Versicherung eine ärztliche Untersuchung, so bleibt der Antragsteller vier Wochen gebunden. 3 Die Frist beginnt mit der Übergabe oder Absendung des Antrags an das Versicherungsunternehmen oder dessen Agenten zu laufen. 4 Der Antragsteller wird frei, wenn die Annahmeerklärung des Versi- cherungsunternehmens nicht vor Ablauf der Frist bei ihm eingetroffen ist. Art. 2 1 Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu BS 2 784 1 Kurztit. und Abkürzung eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 2 [BS 1 3]. Der genannten Bestimmung entspricht heute Art. 122 der BV vom 18. April 1999 (SR 101). 3 Fassung gemäss Anhang Ziff. 8 des Gerichtsstandsgesetzes vom 24. März 2000, in Kraft seit 1. Jan. 2001 (AS 2000 2355; BBl 1999 2829). 4 BBl 1904 I 241 5 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 6 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 7 Ausdruck gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. 221.229.1 Versicherungs- antrag Besondere Antrags- verhältnisse Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 2 221.229.1 setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. 2 Ist nach Massgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich, so gilt der Antrag als angenom- men, wenn er vom Versicherungsunternehmen nicht binnen vier Wochen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt wird. 3 Der Antrag, die Versicherungssumme zu erhöhen, fällt nicht unter diese Bestimmungen. Art. 2a8 1 Der Versicherungsnehmer kann seinen Antrag zum Abschluss des Vertrags oder die Erklärung zu dessen Annahme schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, wider- rufen. 2 Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt, sobald der Versiche- rungsnehmer den Vertrag beantragt oder angenommen hat. 3 Die Frist ist eingehalten, wenn der Versicherungsnehmer am letzten Tag der Widerrufsfrist seinen Widerruf dem Versicherungsunterneh- men mitteilt oder seine Widerrufserklärung der Post übergibt. 4 Ausgeschlossen ist das Widerrufsrecht bei kollektiven Personenver- sicherungen, vorläufigen Deckungszusagen und Vereinbarungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat. 5 Solange geschädigte Dritte trotz eines Widerrufs gutgläubig Ansprü- che gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen können, schuldet der Versicherungsnehmer die Prämie und kann das Versicherungsunternehmen den geschädigten Dritten die Unwirksam- keit des Vertrags nicht entgegenhalten. Art. 2b9 1 Der Widerruf bewirkt, dass der Antrag zum Vertragsabschluss oder die Annahmeerklärung des Versicherungsnehmers von Anfang an unwirksam ist. Bei anteilgebundenen Lebensversicherungen muss der zum Zeitpunkt des Widerrufs geltende Wert zurückerstattet werden. 2 Die Parteien müssen bereits empfangene Leistungen zurückerstatten. 3 Der Versicherungsnehmer schuldet dem Versicherungsunternehmen keine weitere Entschädigung. Wo es der Billigkeit entspricht, hat der Versicherungsnehmer dem Versicherungsunternehmen die Kosten für besondere Abklärungen, die dieses in guten Treuen im Hinblick auf 8 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 9 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Widerrufsrecht Wirkung des Widerrufs Versicherungsvertragsgesetz 3 221.229.1 den Vertragsabschluss vorgenommen hat, teilweise oder ganz zu erstatten. 2. Abschnitt: Aufklärungspflichten10 Art. 311 1 Das Versicherungsunternehmen muss den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags verständlich und in einer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, über seine Identität und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Es muss informieren über:12 a. die versicherten Risiken; b.13 den Umfang des Versicherungsschutzes und darüber, ob es sich um eine Summen- oder um eine Schadenversicherung handelt; c. die geschuldeten Prämien und weitere Pflichten des Versiche- rungsnehmers; d. Laufzeit und Beendigung des Versicherungsvertrages; e. die für die Überschussermittlung und die Überschussbeteili- gung geltenden Berechnungsgrundlagen und Verteilungs- grundsätze und -methoden; f.14 die Rückkaufs- und Umwandlungswerte sowie die mit einer rückkaufsfähigen Lebensversicherung im Falle des Rückkaufs verbundenen wesentlichen Kostenarten; g. die Bearbeitung der Personendaten einschliesslich Zweck und Art der Datensammlung sowie Empfänger und Aufbewahrung der Daten; h.15 das Widerrufsrecht nach Artikel 2a sowie über Form und Frist des Widerrufs; 10 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 11 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 12 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 13 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 14 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 15 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Informations- pflicht des Versicherungs- unternehmens Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 4 221.229.1 i.16 eine Frist für das Einreichen der Schadenanzeige nach Arti- kel 38 Absatz 1; j.17 die zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes insbesondere in den Fällen, in denen das befürchtete Ereignis während der Laufzeit des Vertrags, der daraus entstehende Schaden aber erst nach Beendigung des Vertrags eintritt. 2 Diese Angaben sind dem Versicherungsnehmer so zu übergeben, dass er sie kennen kann, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt oder annimmt. In jedem Fall muss er zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Information nach Absatz 1 Buchstabe g sein. 3 Schliesst ein Arbeitgeber zum Schutz seiner Arbeitnehmer eine kollektive Personenversicherung ab, so ist er verpflichtet, die Arbeit- nehmer über den wesentlichen Inhalt des Vertrags sowie dessen Änderungen und Auflösung schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu informieren. Das Versiche- rungsunternehmen stellt dem Arbeitgeber die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.18 Art. 3a19 1 Hat das Versicherungsunternehmen die Informationspflicht nach Artikel 3 verletzt, so ist der Versicherungsnehmer berechtigt, den Versicherungsvertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen. Die Kündigung wird mit Zugang beim Versicherungsunternehmen wirksam. 2 Das Kündigungsrecht erlischt vier Wochen, nachdem der Versiche- rungsnehmer von der Pflichtverletzung und den Informationen nach Artikel 3 Kenntnis erhalten hat, jedenfalls spätestens zwei Jahre nach der Pflichtverletzung. Art. 4 1 Der Antragsteller hat dem Versicherungsunternehmen anhand eines Fragebogens oder auf sonstiges Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm bekannt sind 16 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 17 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 18 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 19 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 20 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Verletzung der Informations- pflicht Anzeigepflicht a. Im Allgemeinen20 Versicherungsvertragsgesetz 5 221.229.1 oder bekannt sein müssen, mitzuteilen. Sowohl das Befragen als auch die Mitteilung haben schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu erfolgen.21 2 Erheblich sind diejenigen Gefahrstatsachen, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherungsunternehmens, den Vertrag über- haupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschliessen, einen Einfluss auszuüben. 3 Die Gefahrstatsachen, auf welche die Fragen des Versicherungsun- ternehmens in bestimmter, unzweideutiger Fassung gerichtet sind, werden als erheblich vermutet.22 Art. 5 1 Wird der Vertrag durch einen Stellvertreter abgeschlossen, so sind sowohl die erheblichen Gefahrstatsachen anzuzeigen, die dem Vertre- tenen, als auch diejenigen, die dem Vertreter bekannt sind oder be- kannt sein müssen. 2 Bei Fremdversicherungen (Art. 16) sind auch diejenigen erheblichen Gefahrstatsachen anzuzeigen, die dem versicherten Dritten selbst oder seinem Zwischenbeauftragten bekannt sind oder bekannt sein müssen, es sei denn, der Vertrag wird ohne Wissen dieser Personen abge- schlossen oder die rechtzeitige Benachrichtigung des Antragstellers ist nicht möglich.24 Art. 625 1 Hat der Anzeigepflichtige bei der Beantwortung der Fragen gemäss Artikel 4 Absatz 1 eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, den Vertrag schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen.26 Die Kündigung wird mit Zu- gang beim Versicherungsnehmer wirksam. 21 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 22 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 23 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 24 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 25 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 26 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). b. Bei Stell- vertretung23 c. Bei der Fremd- versicherung Folgen der verletzten Anzeigepflicht a. Im Allgemeinen Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 6 221.229.1 2 Das Kündigungsrecht erlischt vier Wochen, nachdem das Versiche- rungsunternehmen von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat.27 3 Wird der Vertrag durch Kündigung nach Absatz 1 aufgelöst, so erlischt auch die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens für bereits eingetretene Schäden, soweit deren Eintritt oder Umfang durch die nicht oder unrichtig angezeigte erhebliche Gefahrstatsache beein- flusst worden ist. Soweit die Leistungspflicht schon erfüllt wurde, hat das Versicherungsunternehmen Anspruch auf Rückerstattung.28 4 Wird ein Lebensversicherungsvertrag, der nach Massgabe dieses Gesetzes rückkauffähig ist (Art. 90 Abs. 2) aufgelöst, so hat das Versicherungsunternehmen die für den Rückkauf festgestellte Leis- tung zu gewähren. Art. 7 Umfasst der Vertrag mehrere Gegenstände oder Personen und ist die Anzeigepflicht nur bezüglich eines Teiles dieser Gegenstände oder Personen verletzt, so bleibt die Versicherung für den übrigen Teil wirksam, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass das Versiche- rungsunternehmen diesen Teil allein zu den nämlichen Bedingungen versichert hätte. Art. 8 Trotz der Anzeigepflichtverletzung (Art. 6) kann das Versicherungs- unternehmen den Vertrag nicht kündigen:29 1. wenn die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache vor Eintritt des befürchteten Ereignisses weggefallen ist; 2. wenn das Versicherungsunternehmen die Verschweigung oder unrichtige Angabe veranlasst hat; 3. wenn das Versicherungsunternehmen die verschwiegene Tat- sache gekannt hat oder gekannt haben muss; 4. wenn das Versicherungsunternehmen die unrichtig angezeigte Tatsache richtig gekannt hat oder gekannt haben muss; 5.30 wenn das Versicherungsunternehmen auf das Kündigungs- recht verzichtet hat; 27 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 28 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 29 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 30 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). b. Beim Kollektiv- versicherungs- vertrage Nichteintritt der Folgen der verletzten Anzeigepflicht Versicherungsvertragsgesetz 7 221.229.1 6. wenn der Anzeigepflichtige auf eine ihm vorgelegte Frage ei- ne Antwort nicht erteilt, und das Versicherungsunternehmen den Vertrag gleichwohl abgeschlossen hat. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Frage, auf Grund der übri- gen Mitteilungen des Anzeigepflichtigen, als in einem be- stimmten Sinne beantwortet angesehen werden muss und wenn diese Antwort sich als Verschweigen oder unrichtige Mitteilung einer erheblichen Gefahrstatsache darstellt, die der Anzeigepflichtige kannte oder kennen musste. 3. Abschnitt: Inhalt und Verbindlichkeit des Vertrags31 Art. 932 1 Für die Begründung der Leistungspflicht des Versicherungsunter- nehmens bei einer vorläufigen Deckungszusage genügt es, wenn die versicherten Risiken und der Umfang des vorläufigen Versicherungs- schutzes bestimmbar sind. Entsprechend reduziert sich die Informati- onspflicht des Versicherungsunternehmens. 2 Eine Prämie ist zu leisten, soweit sie verabredet oder üblich ist. 3 Ist die vorläufige Deckungszusage unbefristet, so kann sie jederzeit unter Wahrung einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden. Sie endet auf jeden Fall mit Abschluss eines definitiven Vertrags mit dem betreffenden oder einem anderen Versicherungsunternehmen. 4 Vorläufige Deckungszusagen sind vom Versicherungsunternehmen schriftlich zu bestätigen. Art. 1033 1 Die Wirkungen des Vertrags können auf einen Zeitpunkt vor dessen Abschluss zurückbezogen werden, sofern ein versicherbares Interesse besteht. 2 Eine Rückwärtsversicherung ist nichtig, wenn lediglich der Versi- cherungsnehmer oder der Versicherte wusste oder wissen musste, dass ein befürchtetes Ereignis bereits eingetreten ist. 31 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 32 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 33 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Vorläufige Deckungszusage Rückwärts- versicherung Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 8 221.229.1 Art. 1134 1 Das Versicherungsunternehmen stellt dem Versicherungsnehmer eine Police aus, welche die Rechte und Pflichten der Parteien festhält. 2 Es muss dem Versicherungsnehmer auf Verlangen eine Kopie der im Antrag enthaltenen oder anderweitig abgegebenen Erklärungen des Antragstellers, auf deren Grundlage die Versicherung abgeschlossen wurde, ausstellen. Art. 1235 Art. 13 1 ...36 2 Für die Kraftloserklärung von Policen kommen die für die Kraft- loserklärung von Inhaberpapieren geltenden Bestimmungen des Bun- desgesetzes vom 14. Juni 188137 über das Obligationenrecht sinn- gemäss zur Anwendung, mit der Abänderung, dass die Anmeldungs- frist höchstens ein Jahr beträgt. Art. 14 1 Das Versicherungsunternehmen haftet nicht, wenn der Versiche- rungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat. 2 Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist das Versicherungsunter- nehmen berechtigt, seine Leistung in einem dem Grade des Verschul- dens entsprechenden Verhältnisse zu kürzen. 3 Ist das Ereignis absichtlich oder grobfahrlässig von einer Person herbeigeführt worden, die mit dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder für deren Handlungen der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte einstehen muss, und hat er sich in der Beaufsichtigung, durch die Anstellung oder durch die Aufnahme jener Person einer groben Fahr- lässigkeit schuldig gemacht, so kann das Versicherungsunternehmen seine Leistung in einem Verhältnisse kürzen, das dem Grade des 34 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 35 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 36 Aufgehoben durch Anhang 1 Ziff. II 8 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 37 [AS 5 635, 11 490; BS 2 3. SchlT Art. 60 Abs. 2 199 am Schluss, Art. 18 Schl- und UeB zu den Tit. XXIV–XXXIII 784 Art. 103 Abs. 1]. Heute: die Bestimmungen des OR (SR 220). Police a. Inhalt b. ... c. Kraftlos- erklärung Schuldhafte Herbeiführung des befürchteten Ereignisses Versicherungsvertragsgesetz 9 221.229.1 Verschuldens des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsbe- rechtigten entspricht. 4 Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt oder sich einer leichten Fahr- lässigkeit im Sinne des vorhergehenden Absatzes schuldig gemacht, oder hat eine der übrigen dort aufgeführten Personen das Ereignis leichtfahrlässig herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunterneh- men in vollem Umfange. Art. 15 Hat eine der in Artikel 14 dieses Gesetzes genannten Personen gemäss einem Gebote der Menschlichkeit gehandelt und dadurch das befürch- tete Ereignis herbeigeführt, so haftet das Versicherungsunternehmen in vollem Umfange. Art. 1638 1 Gegenstand der Versicherung ist ein versicherbares Interesse des Versicherungsnehmers (Versicherung für eigene Rechnung) oder eines Dritten (Versicherung für fremde Rechnung). Sie kann sich auf die Person, auf Sachen oder auf das übrige Vermögen des Versiche- rungsnehmers (Eigenversicherung) oder eines Dritten (Fremdversiche- rung) beziehen. 2 Im Zweifel wird angenommen, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag für eigene Rechnung abgeschlossen hat. 3 Bei der Versicherung für fremde Rechnung kann das Versicherungs- unternehmen Einreden, die ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehen, auch gegenüber dem Dritten erheben. Art. 17 und 1839 4. Abschnitt: Prämie40 Art. 19 1 Wenn der Vertrag nicht anders bestimmt, ist die Prämie für die erste Versicherungsperiode mit dem Abschlusse der Versicherung fällig. 38 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 39 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 40 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 41 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Gebote der Menschlichkeit Gegenstand der Versicherung Fälligkeit41 Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 10 221.229.1 Unter Versicherungsperiode wird der Zeitabschnitt, nach dem die Prämieneinheit berechnet wird, verstanden. Die Versicherungsperiode umfasst im Zweifel den Zeitraum eines Jahres. 2 ...42 3 Die folgenden Prämien sind im Zweifel jeweilen mit Beginn einer neuen Versicherungsperiode fällig. Art. 20 1 Wird die Prämie zur Verfallzeit oder während der im Vertrag einge- räumten Nachfrist nicht entrichtet, so ist der Schuldner unter Andro- hung der Säumnisfolgen auf seine Kosten schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, aufzufordern, binnen 14 Tagen, von der Absendung der Mahnung an gerechnet, Zahlung zu leisten.44 2 Wird die Prämie beim Schuldner abgeholt, so kann die Mahnung mündlich erfolgen.45 3 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg, so ruht die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens vom Ablaufe der Mahnfrist an. 4 Die Vorschrift des Artikels 93 dieses Gesetzes wird vorbehalten. Art. 2146 1 Wird die rückständige Prämie nicht binnen zwei Monaten nach Ablauf der in Artikel 20 dieses Gesetzes festgesetzten Frist rechtlich eingefordert, so wird angenommen, dass das Versicherungsunterneh- men, unter Verzicht auf die Bezahlung der rückständigen Prämie, vom Vertrage zurücktritt. 2 Wird die Prämie vom Versicherungsunternehmen eingefordert oder nachträglich angenommen, so lebt seine Haftung mit dem Zeitpunkte, in dem die rückständige Prämie samt Zinsen und Kosten bezahlt wird, wieder auf. 42 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 43 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 44 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 45 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 46 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Mahnpflicht des Versicherung sunternehmens; Verzugsfolgen43 Vertragsver- hältnis nach eingetretenem Verzuge Versicherungsvertragsgesetz 11 221.229.1 Art. 22 und 2347 Art. 2448 1 Bei vorzeitiger Auflösung oder Beendigung des Versicherungsver- trages ist die Prämie nur für die Zeit bis zur Vertragsauflösung ge- schuldet. Artikel 42 Absatz 3 bleibt vorbehalten. 2 Die auf die laufende Versicherungsperiode entfallene Prämie ist ganz geschuldet, wenn das Versicherungsunternehmen zufolge des Wegfalls des Risikos die Versicherungsleistung erbracht hat.50 Art. 25–2751 5. Abschnitt: Änderung des Vertrags52 Art. 28 1 Wenn der Versicherungsnehmer im Laufe der Versicherung eine wesentliche Gefahrserhöhung herbeigeführt hat, so ist das Versiche- rungsunternehmen für die Folgezeit an den Vertrag nicht gebunden. 2 Die Gefahrserhöhung ist wesentlich, wenn sie auf der Änderung einer für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsache (Art. 4) beruht, deren Umfang die Parteien bei der Beantwortung der Fragen nach Artikel 4 Absatz 1 festgestellt haben.53 3 Der Vertrag kann bestimmen, ob, in welchem Umfange und in wel- chen Fristen der Versicherungsnehmer dem Versicherungsunterneh- men von solchen Gefahrserhöhungen Mitteilung zu machen hat. 47 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 48 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 49 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 50 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 51 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, mit Wirkung seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 52 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 53 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Teilbarkeit49 Gefahrserhöhung mit Zutun des Versicherungs- nehmers Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 12 221.229.1 Art. 28a54 1 Bei einer wesentlichen Gefahrsminderung ist der Versicherungs- nehmer berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von vier Wochen schriftlich, oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen oder eine Prämienreduktion zu verlangen. 2 Lehnt das Versicherungsunternehmen eine Prämienreduktion ab oder ist der Versicherungsnehmer mit der angebotenen Reduktion nicht einverstanden, so ist dieser berechtigt, den Vertrag innert vier Wochen seit Zugang der Stellungnahme des Versicherungsunternehmens mit einer Frist von vier Wochen schriftlich, oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu kündigen. 3 Die Prämienreduktion wird mit dem Zugang der Mitteilung nach Absatz 1 beim Versicherungsunternehmen wirksam. Art. 29 1 Vertragsabreden, wonach der Versicherungsnehmer bestimmte Obliegenheiten übernimmt, um die Gefahr zu vermindern oder eine Gefahrserhöhung zu verhüten, werden durch die Bestimmungen des Artikels 28 dieses Gesetzes nicht berührt. 2 Auf die Vertragsbestimmung, dass das Versicherungsunternehmen, wenn eine solche Obliegenheit verletzt wird, an den Vertrag nicht gebunden ist, kann sich das Versicherungsunternehmen nicht berufen, sofern die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Leistung gehabt hat. Art. 30 1 Ist die wesentliche Gefahrserhöhung ohne Zutun des Versicherungs- nehmers herbeigeführt worden, so treten die in Artikel 28 dieses Gesetzes festgestellten Folgen nur dann ein, wenn der Versicherungs- nehmer es unterlassen hat, die ihm bekannt gewordene Gefahrs- erhöhung ohne Verzug dem Versicherungsunternehmen schriftlich mitzuteilen. 2 Ist diese Anzeigepflicht nicht verletzt und hat sich das Versiche- rungsunternehmen das Recht vorbehalten, wegen wesentlicher Ge- fahrserhöhung den Vertrag aufzuheben, so erlischt die Haftung des Versicherungsunternehmens mit dem Ablaufe von 14 Tagen, nachdem es dem Versicherungsnehmer den Rücktritt vom Vertrage mitgeteilt hat. 54 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Gefahrs- minderung Vorbehalt besonderer Vereinbarungen Gefahrserhöhung ohne Zutun des Versicherungs- nehmers Versicherungsvertragsgesetz 13 221.229.1 Art. 31 Umfasst der Vertrag mehrere Gegenstände oder Personen, und trifft die Gefahrserhöhung nur einen Teil dieser Gegenstände oder Perso- nen, so bleibt die Versicherung für den übrigen Teil wirksam, sofern der Versicherungsnehmer die auf diesen Teil etwa entfallende höhere Prämie auf erstes Begehren des Versicherungsunternehmens bezahlt. Art. 32 Die an die Gefahrserhöhung geknüpften Rechtsfolgen treten nicht ein: 1. wenn die Gefahrserhöhung auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem Versicherungsunter- nehmen obliegenden Leistung keinen Einfluss ausgeübt hat; 2. wenn die Gefahrserhöhung in der Absicht, das Interesse des Versicherungsunternehmens zu wahren, vorgenommen wor- den ist; 3. wenn die Gefahrserhöhung durch ein Gebot der Menschlich- keit veranlasst worden ist. 4. wenn das Versicherungsunternehmen ausdrücklich oder still- schweigend auf den Rücktritt verzichtet hat, insbesondere wenn es, nachdem ihm die Gefahrserhöhung durch schriftliche Anzeige des Versicherungsnehmers zur Kenntnis gebracht worden ist, nicht binnen 14 Tagen dem Versicherungsnehmer den Rücktritt vom Vertrage angezeigt hat. Art. 33 Soweit dieses Gesetz nicht anders bestimmt, haftet das Versiche- rungsunternehmen für alle Ereignisse, welche die Merkmale der Gefahr, gegen deren Folgen Versicherung genommen wurde, an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in bestimm- ter, unzweideutiger Fassung von der Versicherung ausschliesst. Art. 3455 Gegenüber dem Versicherungsnehmer hat das Versicherungsunter- nehmen für das Verhalten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen. Art. 35 Werden im Laufe der Versicherung die allgemeinen Versicherungs- bedingungen derselben Versicherungsart abgeändert, so kann der 55 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). Gefahrserhöhung beim Kollektiv- versicherungs- vertrage Nichteintritt der Folgen der Gefahrserhöhung Umfang der Gefahr Verantwortlich- keit des Versi- cherungsunter- nehmens für seine Vermittler Revision der allgemeinen Versicherungs- bedingungen Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 14 221.229.1 Versicherungsnehmer verlangen, dass der Vertrag zu den neuen Bedingungen fortgesetzt werde. Er muss jedoch, wenn für die Ver- sicherung zu den neuen Bedingungen eine höhere Gegenleistung erforderlich ist, das entsprechende Entgelt gewähren. 6. Abschnitt: Beendigung des Vertrags56 Art. 35a57 1 Der Vertrag kann, auch wenn er für eine längere Dauer vereinbart wurde, auf das Ende des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, gekündigt werden. 2 Die Parteien können vereinbaren, dass der Vertrag schon vor Ablauf des dritten Jahres kündbar ist. Die Kündigungsfristen müssen für beide Parteien gleich sein. 3 Die Lebensversicherung ist vom ordentlichen Kündigungsrecht ausgenommen. 4 In der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung (Art. 2 Abs. 2 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. Septem- ber 201458) stehen das ordentliche Kündigungsrecht und das Kündi- gungsrecht im Schadenfall (Art. 42 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes) nur dem Versicherungsnehmer zu. In der kollektiven Taggeldversiche- rung stehen diese Rechte beiden Parteien zu. Art. 35b59 1 Aus wichtigem Grund kann der Vertrag jederzeit schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, gekün- digt werden. 2 Als wichtiger Grund gilt namentlich: a. eine nicht voraussehbare Änderung der rechtlichen Vorgaben, welche die Erfüllung des Vertrags verunmöglicht; b. jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Person nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zumutbar ist. 56 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 57 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 58 SR 832.12 59 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Ordentliche Kündigung Ausserordent- liche Kündigung Versicherungsvertragsgesetz 15 221.229.1 Art. 35c60 1 Vertragsbestimmungen, welche ein Versicherungsunternehmen berechtigen, bei Beendigung des Vertrags nach Eintritt des befürchte- ten Ereignisses bestehende periodische Leistungsverpflichtungen als Folge von Krankheit oder Unfall bezüglich Dauer oder Umfang ein- seitig zu beschränken oder aufzuheben, sind nichtig. 2 Vorbehalten bleibt die Weiterversicherung der Leistungsverpflich- tungen gemäss Absatz 1 bezüglich Dauer oder Umfang durch ein anderes Versicherungsunternehmen bei einem Versicherungswechsel. Art. 36 1 Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, den Vertrag jederzeit zu kündigen, wenn das am Vertrag beteiligte Versicherungsunternehmen nicht über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. De- zember 200462 (VAG) notwendige Bewilligung zur Versicherungstä- tigkeit verfügt oder ihm diese entzogen worden ist.63 2 ...64 3 Tritt der Versicherungsnehmer von einem Lebensversicherungsver- trage zurück, so kann er das Deckungskapital zurückfordern. 4 Dem Versicherungsnehmer bleibt überdies der Anspruch auf Scha- denersatz gewahrt. Art. 37 1 Wird über das Versicherungsunternehmen der Konkurs eröffnet, so erlischt der Vertrag mit dem Ablaufe von vier Wochen, von dem Tage an gerechnet, da die Konkurseröffnung bekannt gemacht worden ist. Artikel 55 VAG65 bleibt vorbehalten.66 2 Der Versicherungsnehmer kann die Forderung nach Artikel 36 Absatz 3 geltend machen.67 3 Steht ihm aus der laufenden Versicherungsperiode ein Ersatzan- spruch gegen das Versicherungsunternehmen zu, so kann er nach 60 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 61 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 62 SR 961.01 63 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 64 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 65 SR 961.01 66 Zweiter Satz eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 67 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Hängige Versicherungs- fälle Entzug der Bewilligung zum Geschäfts- betrieb; privat- rechtliche Folgen61 Konkurs des Versicherungs- unternehmens Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 16 221.229.1 seiner Wahl entweder diesen Ersatzanspruch oder jene Forderung geltend machen. 4 Überdies bleiben ihm Schadenersatzansprüche vorbehalten. 7. Abschnitt: Eintritt des befürchteten Ereignisses68 Art. 38 1 Ist das befürchtete Ereignis eingetreten, so muss der Anspruchs- berechtigte, sobald er von diesem Ereignisse und seinem Anspruche aus der Versicherung Kenntnis erlangt, das Versicherungsunterneh- men benachrichtigen. Der Vertrag kann verfügen, dass die Anzeige schriftlich erstattet werden muss. 2 Hat der Anspruchsberechtigte die Anzeigepflicht schuldhafterweise verletzt, so ist das Versicherungsunternehmen befugt, die Entschädi- gung um den Betrag zu kürzen, um den sie sich bei rechtzeitiger Anzeige gemindert haben würde. 3 Das Versicherungsunternehmen ist an den Vertrag nicht gebunden, wenn der Anspruchsberechtigte die unverzügliche Anzeige in der Absicht unterlassen hat, das Versicherungsunternehmen an der recht- zeitigen Feststellung der Umstände, unter denen das befürchtete Er- eignis eingetreten ist, zu hindern. Art. 38a69 1 Der Anspruchsberechtigte ist verpflichtet, nach Eintritt des befürch- teten Ereignisses tunlichst für Minderung des Schadens zu sorgen. Er muss, wenn nicht Gefahr im Verzug liegt, über die zu ergreifenden Massnahmen die Weisung des Versicherungsunternehmens einholen und befolgen. 2 Hat der Anspruchsberechtigte diese Pflichten in nicht zu entschuldi- gender Weise verletzt, so ist das Versicherungsunternehmen berech- tigt, die Entschädigung um den Betrag zu kürzen, um den sie sich bei Erfüllung jener Obliegenheiten vermindert hätte. Art. 38b70 1 Bevor der Schaden ermittelt ist, darf der Anspruchsberechtigte ohne Zustimmung des Versicherungsunternehmens an den beschädigten 68 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 69 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 70 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Anzeigepflicht nach Eintritt des befürchteten Ereignisses Rettungspflicht Veränderungs- verbot Versicherungsvertragsgesetz 17 221.229.1 Gegenständen keine Veränderung vornehmen, welche die Feststellung der Schadensursache oder des Schadens erschweren oder vereiteln könnte, es sei denn die Veränderung erscheint zum Zweck der Scha- densminderung oder im öffentlichen Interesse als geboten. 2 Handelt der Anspruchsberechtigte dieser Pflicht in betrügerischer Absicht zuwider, so ist das Versicherungsunternehmen an den Vertrag nicht gebunden. Art. 38c71 1 Das Versicherungsunternehmen ist gehalten, dem Anspruchsberech- tigten die zum Zwecke der Schadensminderung (Art. 38a Abs. 1) nicht offenbar unzweckmässig aufgewendeten Kosten auch dann zu vergüten, wenn die getroffenen Massnahmen ohne Erfolg geblieben sind, oder wenn diese Kosten und der Schadenersatz zusammen den Betrag der Versicherungssumme übersteigen. 2 Erreicht die Versicherungssumme den Ersatzwert nicht, so trägt das Versicherungsunternehmen die Kosten in dem Verhältnisse, in dem die Versicherungssumme zum Ersatzwerte steht. Art. 39 1 Der Anspruchsberechtigte muss auf Begehren des Versicherungsun- ternehmens jede Auskunft über solche ihm bekannte Tatsachen ertei- len, die zur Ermittlung der Umstände, unter denen das befürchtete Ereignis eingetreten ist, oder zur Feststellung der Folgen des Ereignis- ses dienlich sind. 2 Der Vertrag kann verfügen: 1. dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Be- schaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, insbeson- dere auch ärztliche Bescheinigungen, beizubringen hat; 2. dass die in Absatz 1 und Absatz 2 Ziffer 1 dieses Artikels vor- gesehenen Mitteilungen, bei Verlust des Versicherungsanspru- ches, binnen bestimmter, angemessener Frist gemacht werden müssen. Die Frist läuft von dem Tage an, an dem das Versi- cherungsunternehmen den Anspruchsberechtigten, unter An- drohung der Säumnisfolgen, schriftlich aufgefordert hat, diese Mitteilungen zu machen. 71 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Schadenminde- rungskosten Begründung des Versicherungs- anspruches Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 18 221.229.1 Art. 39a72 1 Sofern kein überwiegendes Privatinteresse entgegensteht, dürfen zur Früherfassung Daten an die zuständige IV-Stelle bekannt gegeben werden nach Artikel 3b des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195973 über die Invalidenversicherung (IVG). 2 Es dürfen nur die Daten bekannt gegeben werden, welche für den in Frage stehenden Zweck erforderlich sind. Unter dieser Voraussetzung ist die Versicherungseinrichtung von ihrer Schweigepflicht entbunden. 3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten. Art. 39b74 1 Sofern kein überwiegendes Privatinteresse entgegensteht, dürfen im Rahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit nach Artikel 68bis IVG75 Daten bekannt gegeben werden an: a. die IV-Stellen; b. die privaten Versicherungseinrichtungen nach Artikel 68bis Absatz 1 Buchstabe b IVG; c. die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nach Artikel 68bis Absatz 1 Buchstabe c IVG. 2 Es dürfen nur die Daten bekannt gegeben werden, welche für den in Frage stehenden Zweck erforderlich sind. Unter dieser Voraussetzung ist die Versicherungseinrichtung von ihrer Schweigepflicht entbunden. 3 Die betroffene Person ist über die Datenbekanntgabe zu informieren. Art. 40 Hat der Anspruchsberechtigte oder sein Vertreter Tatsachen, welche die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens ausschliessen oder mindern würden, zum Zwecke der Täuschung unrichtig mitge- teilt oder verschwiegen oder hat er die ihm nach Massgabe des Arti- kels 39 dieses Gesetzes obliegenden Mitteilungen zum Zwecke der Täuschung zu spät oder gar nicht gemacht, so ist das Versicherungs- unternehmen gegenüber dem Anspruchsberechtigten an den Vertrag nicht gebunden. 72 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Revision), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459). 73 SR 831.20 74 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 6. Okt. 2006 (5. IV-Revision), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459). 75 SR 831.20 Früherfassung Inter- institutionelle Zusammenarbeit Betrügerische Begründung des Versiche- rungsanspruches Versicherungsvertragsgesetz 19 221.229.1 Art. 41 1 Die Forderung aus dem Versicherungsvertrage wird mit dem Ablau- fe von vier Wochen, von dem Zeitpunkte an gerechnet, fällig, in dem das Versicherungsunternehmen Angaben erhalten hat, aus denen es sich von der Richtigkeit des Anspruches überzeugen kann. 2 Die Vertragsabrede, dass der Versicherungsanspruch erst nach Aner- kennung durch das Versicherungsunternehmen oder nach rechtskräfti- ger Verurteilung des Versicherungsunternehmens fällig werde, ist ungültig. Art. 41a76 1 Bestreitet das Versicherungsunternehmen seine Leistungspflicht, so kann die anspruchsberechtigte Person nach Ablauf der in Artikel 41 Absatz 1 genannten Frist Abschlagszahlungen bis zur Höhe des unbe- strittenen Betrags verlangen. 2 Gleiches gilt, wenn nicht geklärt ist, wie die Versicherungsleistung auf mehrere Anspruchsberechtigte aufgeteilt werden soll. Art. 42 1 Ist nur ein Teilschaden eingetreten und wird dafür Ersatz bean- sprucht, so ist das Versicherungsunternehmen wie der Versicherungs- nehmer berechtigt, spätestens bei der Auszahlung der Entschädigung vom Vertrage zurückzutreten. 2 Wird der Vertrag gekündigt, so erlischt die Haftung des Versiche- rungsunternehmens 14 Tage, nachdem der anderen Partei die Kündi- gung mitgeteilt wurde.77 3 Dem Versicherungsunternehmen bleibt der Anspruch auf die Prämie für die laufende Versicherungsperiode gewahrt, falls der Versiche- rungsnehmer den Vertrag während des auf den Vertragsabschluss folgenden Jahres kündigt.78 4 Tritt weder das Versicherungsunternehmen noch der Versicherungs- nehmer vom Vertrage zurück, so haftet das Versicherungsunterneh- men für die Folgezeit, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit dem Restbetrage der Versicherungssumme. 76 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 77 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 78 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). Fälligkeit des Versicherungs- anspruches Abschlagszah- lungen Teilschaden Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 20 221.229.1 8. Abschnitt: Weitere Bestimmungen79 Art. 43 Die Mitteilungen, die das Versicherungsunternehmen nach Massgabe dieses Gesetzes dem Versicherungsnehmer oder dem Anspruchs- berechtigten zu machen hat, erfolgen gültig an die dem Versiche- rungsunternehmen bekannte letzte Adresse. Art. 44 1 Das Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, für alle Mitteilun- gen, die ihm nach Massgabe des Vertrags oder dieses Gesetzes ge- macht werden müssen, mindestens eine inländische Meldestelle zu bezeichnen und dem Versicherungsnehmer sowie dem Anspruchsbe- rechtigten, der seine Rechte beim Versicherungsunternehmen schrift- lich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermög- licht, angemeldet hat, zur Kenntnis zu bringen.80 2 Kommt das Versicherungsunternehmen diesen Verpflichtungen nicht nach, so treten die Folgen nicht ein, die nach Massgabe des Vertrages oder dieses Gesetzes für den Fall vorgesehen sind, dass eine Mitteilung gar nicht oder verspätet erstattet wird. 3 Der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte kann die ihm obliegenden Mitteilungen, nach seiner Wahl, entweder der be- zeichneten Meldestelle oder dem Versicherungsunternehmen direkt oder jedem Agenten des Versicherungsunternehmens erstatten. Durch Vereinbarung der Parteien kann die Befugnis des Agenten, für das Versicherungsunternehmen Mitteilungen entgegenzunehmen, ausge- schlossen werden. Art. 45 1 Ist vereinbart worden, dass der Versicherungsnehmer oder der An- spruchsberechtigte wegen Verletzung einer Obliegenheit von einem Rechtsnachteil betroffen wird, so tritt dieser Nachteil nicht ein, wenn: a. die Verletzung den Umständen nach als eine unverschuldete anzusehen ist; oder b. der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung kei- nen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und 79 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 80 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 81 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Mitteilungen des Versicherungs- unternehmens Mitteilungen des Versiche- rungsnehmers oder Anspruchs- berechtigten; Meldestellen Vertragsver- letzung81 Versicherungsvertragsgesetz 21 221.229.1 auf den Umfang der vom Versicherungsunternehmen geschul- deten Leistungen gehabt hat.82 2 Die wegen Zahlungsunfähigkeit des Prämienschuldners versäumte Prämienzahlung gilt nicht als unverschuldet. 3 Wo der Vertrag oder dieses Gesetz den Bestand eines Rechtes aus der Versicherung an die Beobachtung einer Frist knüpft, ist der Ver- sicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte befugt, die ohne Verschulden versäumte Handlung sofort nach Beseitigung des Hinder- nisses nachzuholen. Art. 46 1 Die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag verjähren unter Vorbehalt von Absatz 3 fünf Jahre nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet.83 Artikel 41 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198284 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Inva- lidenvorsorge bleibt vorbehalten.85 2 Vertragsabreden, die den Anspruch gegen das Versicherungsunter- nehmen einer kürzern Verjährung oder einer zeitlich kürzern Be- schränkung unterwerfen, sind ungültig. Vorbehalten bleibt die Be- stimmung des Artikels 39 Absatz 2 Ziffer 2 dieses Gesetzes. 3 Die Forderungen aus dem Vertrag der kollektiven Krankentaggeld- Versicherung verjähren in zwei Jahren nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet.86 Art. 46a87 1 Wird über den Versicherungsnehmer der Konkurs eröffnet, so bleibt der Vertrag bestehen und die Konkursverwaltung ist zu dessen Erfül- lung verpflichtet. Artikel 81 und die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beendigung des Vertrags bleiben vorbehalten. 2 Ansprüche und Leistungen aus der Versicherung von unpfändbaren Vermögenswerten nach Artikel 92 des Bundesgesetzes vom 11. April 82 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 83 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 84 SR 831.40 85 Fassung gemäss Ziff. 3 des Anhangs zum BG vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, in Kraft seit 1. Jan. 1985 (AS 1983 797 827 Art. 1 Abs. 1; BBl 1976 I 149). 86 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 87 Eingefügt durch Ziff. 3 des Anhangs zum Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 (AS 1978 1836; BBl 1976 II 873). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Verjährung und Befristung Konkurs des Versicherungs- nehmers Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 22 221.229.1 188988 über Schuldbetreibung und Konkurs fallen nicht in die Kon- kursmasse. Art. 46b89 1 Wird dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr und für dieselbe Zeit bei mehr als einem Versicherungsunternehmen dergestalt versichert, dass die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert übersteigen (Mehrfachversicherung), so ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dies allen Versicherungsunternehmen ohne Verzug schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zur Kenntnis zu bringen. 2 Hat der Versicherungsnehmer beim Abschluss des später abge- schlossenen Vertrags keine Kenntnis vom Entstehen einer Mehrfach- versicherung, so kann er diesen Vertrag innert vier Wochen seit der Entdeckung der Mehrfachversicherung schriftlich oder in einer ande- ren Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, kündigen. 3 Hat der Versicherungsnehmer diese Anzeige absichtlich unterlassen oder die Mehrfachversicherung in der Absicht abgeschlossen, sich daraus einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so sind die Versicherungsunternehmen gegenüber dem Versicherungsnehmer an den Vertrag nicht gebunden. 4 Jedes Versicherungsunternehmen hat auf die ganze vereinbarte Gegenleistung Anspruch. Art. 46c90 1 Bei Mehrfachversicherung haftet jedes Versicherungsunternehmen für den Schaden in dem Verhältnis, in dem seine Versicherungssum- me zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen steht. 2 Ist eines der Versicherungsunternehmen zahlungsunfähig geworden, so haften, unter Vorbehalt der Bestimmung des Artikels 38c Absatz 2 dieses Gesetzes, die übrigen Versicherungsunternehmen in dem Ver- hältnis, in dem die von ihnen versicherten Summen zueinander stehen, bis auf die Höhe ihrer Versicherungssumme für den Anteil des zah- lungsunfähigen Versicherungsunternehmens. Die Forderung, die dem Anspruchsberechtigten gegen dieses Versicherungsunternehmen zusteht, geht auf die Versicherungsunternehmen, die Ersatz geleistet haben, über. 88 SR 281.1 89 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 90 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Mehrfachversi- cherung Ersatzpflicht bei Mehrfach- versicherung Versicherungsvertragsgesetz 23 221.229.1 3 Ist das befürchtete Ereignis eingetreten, so darf der Anspruchsbe- rechtigte keine Versicherung zuungunsten der übrigen Versicherungs- unternehmen aufheben oder abändern. Art. 47 Die Abrede, dass der Versicherungsvertrag mangels Kündigung als erneuert gelten soll, ist insoweit nichtig, als die Erneuerung für mehr als je ein Jahr ausbedungen wird. Art. 47a91 Dem VAG93 unterstehende private Versicherungsunternehmen sind nur berechtigt, die AHV-Nummer nach den Bestimmungen des Bun- desgesetzes vom 20. Dezember 194694 über die Alters- und Hinterlas- senenversicherung für die Durchführung der privaten Zusatzversiche- rungen im Rahmen der Krankenversicherung oder der Unfallver- sicherung systematisch zu verwenden, wenn sie: a. die in Artikel 12 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 18. März 199495 über die Krankenversicherung (KVG) vorgesehenen Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung an- bieten; b. nach Artikel 68 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 20. März 198196 über die Unfallversicherung (UVG) im Register der UVG-Versicherer eingetragen sind und die Zusatzversicherun- gen zum UVG anbieten. 91 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 23. Juni 2006 (Neue AHV-Versicherten- nummer), in Kraft seit 1. Dez. 2007 (AS 2007 5259; BBl 2006 501). 92 Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 18. Dez. 2020 (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 758; BBl 2019 7359). Diese Änd. wurde in den in der AS genannten Bestimmungen vorgenommen. 93 SR 961.01 94 SR 831.10 95 SR 832.10. Dieser Art. ist heute aufgehoben. Siehe seit dem 1. Jan. 2016: Art. 2 Abs. 2 des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. Sept. 2014 (SR 832.12). 96 SR 832.20 Stillschweigende Vertrags- erneuerung AHV-Nummer92 Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 24 221.229.1 2. Kapitel: Besondere Bestimmungen97 1. Abschnitt: Sachversicherung98 Art. 48 und 4999 Art. 50 1 Hat sich im Laufe der Versicherung der Versicherungswert wesent- lich vermindert, so kann sowohl das Versicherungsunternehmen wie der Versicherungsnehmer die verhältnismässige Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen. 2 ...100 Art. 51 Übersteigt die Versicherungssumme den Versicherungswert (Überver- sicherung), so ist das Versicherungsunternehmen gegenüber dem Versicherungsnehmer an den Vertrag nicht gebunden, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht abgeschlossen hat, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Das Versicherungsunternehmen hat auf die ganze vereinbarte Gegenleistung Anspruch. Art. 51a101 1 Soweit der Vertrag oder dieses Gesetz (Art. 38c) nichts anderes bestimmt, haftet das Versicherungsunternehmen für den Schaden nur bis auf die Höhe der Versicherungssumme. 2 Erreicht die Versicherungssumme den Ersatzwert nicht (Unterver- sicherung), so ist der Schaden, wenn nichts anderes vereinbart ist, in dem Verhältnisse zu ersetzen, in dem die Versicherungssumme zum Ersatzwerte steht. Art. 52 und 53102 97 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 98 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 99 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 100 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 101 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 102 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Verminderung des Versiche- rungswertes Über- versicherung Versicherungs- summe; Ersatz- pflicht bei Unter- versicherung Versicherungsvertragsgesetz 25 221.229.1 Art. 54103 1 Wechselt der Gegenstand des Vertrages den Eigentümer, so gehen die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag auf den neuen Eigentümer über. 2 Der neue Eigentümer kann den Übergang des Vertrags durch eine Erklärung schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, bis spätestens 30 Tage nach der Handänderung ablehnen.104 3 Das Versicherungsunternehmen kann den Vertrag innert 14 Tagen nach Kenntnis des neuen Eigentümers schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, kündigen.105 Der Vertrag endet frühstens 30 Tage nach der Kündigung. 4 Ist mit der Handänderung eine Gefahrserhöhung verbunden, so gelten die Artikel 28–32 sinngemäss. Art. 55106 Art. 56 Ist eine versicherte Sache auf dem Wege der Schuldbetreibung ge- pfändet oder mit Arrest belegt worden, so kann das Versicherungsun- ternehmen, wenn es hiervon rechtzeitig benachrichtigt wird, die Er- satzleistung gültig nur an das Betreibungsamt ausrichten. Art. 57 1 Ist eine verpfändete Sache versichert, so erstreckt sich das Pfand- recht des Gläubigers sowohl auf den Versicherungsanspruch des Ver- pfänders als auch auf die aus der Entschädigung angeschafften Ersatz- stücke. 2 Ist das Pfandrecht beim Versicherungsunternehmen angemeldet worden, so darf das Versicherungsunternehmen die Entschädigung nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers oder gegen Sicherstellung desselben an den Versicherten ausrichten. 103 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Juli 2009 (AS 2009 2799; BBl 2008 7693 7703). 104 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 105 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 106 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Handänderung Pfändung und Arrest Pfandrecht an der versicherten Sache Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 26 221.229.1 Art. 58107 1 Das Versicherungsunternehmen sowohl als der Anspruchsberechtig- te kann verlangen, dass der Schaden von den Parteien ohne Verzug festgestellt werde. Sind landwirtschaftliche Erzeugnisse nur teilweise vernichtet worden, insbesondere durch Hagelschlag, so ist auf Begeh- ren der einen oder andern Partei die Abschätzung des Schadens bis zur Ernte aufzuschieben. 2 Weigert sich eine Partei, bei der Feststellung des Schadens mitzuwir- ken, oder können sich die Parteien über die Grösse des entstandenen Schadens nicht einigen, so ist, vorbehältlich besonderer Vereinbarun- gen, der Schaden durch gerichtlich bestellte Sachverständige zu ermit- teln. 3 Das Versicherungsunternehmen geht dadurch, dass es bei der Fest- stellung des Schadens mitwirkt, der Einreden, die ihm gegen die Entschädigungsforderung des Anspruchsberechtigten zustehen, nicht verlustig. 4 Die Vereinbarung, dass der Anspruchsberechtigte bei den Verhand- lungen zur Feststellung des Schadens sich nicht verbeiständen lassen darf, ist ungültig. 5 Die Kosten der Schadensermittlung tragen die Parteien zu gleichen Teilen. 2. Abschnitt: Haftpflichtversicherung108 Art. 59109 1 Hat sich der Versicherungsnehmer gegen die Folgen der mit einem gewerblichen Betrieb verbundenen gesetzlichen Haftpflicht versichert, so erstreckt sich die Versicherung auch auf die Haftpflicht der Vertre- ter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht der mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes betrauten Personen sowie aller weiteren Arbeitnehmenden des Betriebes. 2 Die Versicherung deckt sowohl die Ersatzansprüche der Geschädig- ten als auch die Rückgriffsansprüche Dritter. 3 Bei obligatorischen Haftpflichtversicherungen können geschädigten Personen gegenüber Einreden aus grobfahrlässiger oder vorsätzlicher Verursachung des versicherten Ereignisses, Verletzung von Obliegen- 107 Ursprünglich: Art. 67 108 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 109 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Schadens- ermittlung Haftpflicht- versicherung a. Umfang Versicherungsvertragsgesetz 27 221.229.1 heiten, unterbliebener Prämienzahlung oder einem vertraglich verein- barten Selbstbehalt nicht entgegengehalten werden. Art. 60 1 An dem Ersatzanspruche, der dem Versicherungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht zusteht, be- sitzt der geschädigte Dritte im Umfange seiner Schadenersatzforde- rung Pfandrecht. Der Versicherer ist berechtigt, die Ersatzleistung di- rekt an den geschädigten Dritten auszurichten. 1bis Dem geschädigten Dritten oder dessen Rechtsnachfolger steht im Rahmen einer allfällig bestehenden Versicherungsdeckung und unter Vorbehalt der Einwendungen und Einreden, die ihm das Versiche- rungsunternehmen aufgrund des Gesetzes oder des Vertrags entge- genhalten kann, ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versi- cherungsunternehmen zu.110 2 Das Versicherungsunternehmen ist für jede Handlung, durch die es den Dritten in seinem Rechte verkürzt, verantwortlich. 3 Der geschädigte Dritte kann in Fällen, in denen eine obligatorische Haftpflichtversicherung besteht, vom haftpflichtigen Versicherten oder von der zuständigen Aufsichtsbehörde die Nennung des Versi- cherungsunternehmens verlangen. Dieses hat Auskunft zu geben über Art und Umfang des Versicherungsschutzes.111 Art. 61–72112 3. Abschnitt: Lebensversicherung113 Art. 73 1 Der Anspruch aus einem Summenversicherungsvertrag kann weder durch Indossierung noch durch einfache Übergabe der Police abgetre- ten oder verpfändet werden. Abtretung und Verpfändung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form und der Übergabe der Police sowie der schriftlichen Anzeige an das Versicherungsunternehmen.114 110 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 111 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 112 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 113 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 114 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). b. Gesetzliches Pfandrecht des geschädigten Dritten Rechtliche Natur der Police; Abtretung und Verpfändung Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 28 221.229.1 2 Bestimmt die Police, dass das Versicherungsunternehmen an den Inhaber leisten darf, so ist das gutgläubige Versicherungsunternehmen befugt, jeden Inhaber als anspruchsberechtigt zu betrachten. Art. 74 1 Die Versicherung auf fremdes Leben ist ungültig, wenn nicht der- jenige, auf dessen Tod die Versicherung gestellt ist, vor Abschluss des Vertrages schriftlich seine Zustimmung erteilt hat. Ist die Versiche- rung auf den Tod einer handlungsunfähigen Person gestellt, so ist die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. 2 Der Versicherungsanspruch kann dagegen ohne Zustimmung des Dritten abgetreten werden. 3 Der Vertrag kann verfügen, dass die Bestimmungen der Artikel 6 und 28 dieses Gesetzes auch dann zur Anwendung kommen, wenn derjenige, auf dessen Tod die Versicherung gestellt ist, die Anzeige- pflicht verletzt oder die Gefahrserhöhung herbeigeführt hat. Art. 75115 Art. 76 1 Der Versicherungsnehmer ist befugt, ohne Zustimmung des Versi- cherungsunternehmens einen Dritten als Begünstigten zu bezeich- nen.116 2 Die Begünstigung kann sich auf den gesamten Versicherungsan- spruch oder nur auf einen Teil desselben beziehen. Art. 77 1 Der Versicherungsnehmer kann auch dann, wenn ein Dritter als Begünstigter bezeichnet ist, über den Anspruch aus der Versicherung unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen.117 2 Das Recht, die Begünstigung zu widerrufen, fällt nur dann dahin, wenn der Versicherungsnehmer in der Police auf den Widerruf unter- schriftlich verzichtet und die Police dem Begünstigten übergeben hat. 115 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 116 Siehe jedoch Art. 1 der V vom 1. März 1966 über die Aufhebung von Beschränkungen der Vertragsfreiheit in Versicherungsverträgen (SR 221.229.11). 117 Siehe jedoch Art. 1 der V vom 1. März 1966 über die Aufhebung von Beschränkungen der Vertragsfreiheit in Versicherungsverträgen (SR 221.229.11). Versicherung auf fremdes Leben Versicherung zu- gunsten Dritter a. Grundlage. Umfang der Begünstigung b. Verfügungs- befugnis des Versicherungs- nehmers Versicherungsvertragsgesetz 29 221.229.1 Art. 78 Die Begünstigung begründet, unter Vorbehalt von Verfügungen nach Artikel 77 Absatz 1 dieses Gesetzes, für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch. Art. 79 1 Die Begünstigung erlischt mit der Pfändung des Versicherungs- anspruches und mit der Konkurseröffnung, über den Versicherungs- nehmer. Sie lebt wieder auf, wenn die Pfändung dahinfällt oder der Konkurs widerrufen wird. 2 Hat der Versicherungsnehmer auf das Recht, die Begünstigung zu widerrufen, verzichtet, so unterliegt der durch die Begünstigung begründete Versicherungsanspruch nicht der Zwangsvollstreckung zugunsten der Gläubiger des Versicherungsnehmers. Art. 80118 Sind der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Part- ner oder Nachkommen des Versicherungsnehmers Begünstigte, so unterliegt, vorbehältlich allfälliger Pfandrechte, weder der Versiche- rungsanspruch des Begünstigten noch derjenige des Versicherungs- nehmers der Zwangsvollstreckung zugunsten der Gläubiger des Versi- cherungsnehmers. Art. 81 1 Sind der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner oder Nachkommen des Versicherungsnehmers Begünstigte aus einem Lebensversicherungsvertrag, so treten sie, sofern sie es nicht ausdrücklich ablehnen, im Zeitpunkt, in dem gegen den Versi- cherungsnehmer ein Verlustschein vorliegt oder über ihn der Konkurs eröffnet wird, an seiner Stelle in die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag ein.120 2 Die Begünstigten sind verpflichtet, den Übergang der Versicherung durch Vorlage einer Bescheinigung des Betreibungsamtes oder der Konkursverwaltung dem Versicherungsunternehmen anzuzeigen. Sind mehrere Begünstigte vorhanden, so müssen sie einen Vertreter be- zeichnen, der die dem Versicherungsunternehmen obliegenden Mittei- lungen entgegenzunehmen hat. 118 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 119 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 120 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). c. Natur des dem Begünstig- ten zustehenden Rechtes d. Gesetzliche Erlöschungs- gründe e. Ausschluss der betreibungs- und konkurs- rechtlichen Verwertung des Versicherungs- anspruchs f. Eintritts- recht119 Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 30 221.229.1 Art. 82 Gegenüber den Bestimmungen dieses Gesetzes über die Versicherung zugunsten Dritter werden die Vorschriften der Artikel 285 ff. des Bun- desgesetzes vom 11. April 1889121 über Schuldbetreibung und Kon- kurs vorbehalten. Art. 83 1 Sind als Begünstigte die Kinder einer bestimmten Person bezeichnet, so werden darunter die erbberechtigten Nachkommen derselben ver- standen. 2 Unter dem Ehegatten ist der überlebende Ehegatte zu verstehen. 2bis Unter der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner ist die überlebende eingetragene Partnerin oder der überlebende ein- getragene Partner zu verstehen.122 3 Unter den Hinterlassenen, Erben oder Rechtsnachfolgern sind die erbberechtigten Nachkommen und der überlebende Ehegatte oder die überlebende eingetragene Partnerin beziehungsweise der überlebende eingetragene Partner zu verstehen; sind keine dieser Personen vorhan- den, so sind darunter die anderen Personen zu verstehen, denen ein Erbrecht am Nachlass zusteht.123 Art. 84 1 Fällt der Versicherungsanspruch den erbberechtigten Nachkommen und dem überlebenden Ehegatten oder der überlebenden eingetrage- nen Partnerin oder dem überlebenden eingetragenen Partner als Be- günstigten zu, so erhalten der Ehegatte, die Partnerin oder der Partner die Hälfte der Versicherungssumme und die Nachkommen nach Massgabe ihrer Erbberechtigung die andere Hälfte.124 2 Sind andere Erben als Begünstigte bezeichnet, so fällt ihnen der Ver- sicherungsanspruch nach Massgabe ihrer Erbberechtigung zu. 3 Sind mehrere nicht erbberechtigte Personen ohne nähere Bestim- mung ihrer Teile als Begünstige bezeichnet, so fällt ihnen der Ver- sicherungsanspruch zu gleichen Teilen zu. 4 Fällt ein Begünstigter weg, so wächst sein Anteil den übrigen Be- günstigten zu gleichen Teilen an. 121 SR 281.1 122 Eingefügt durch Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 123 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 124 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). g. Vorbehalt der Anfechtungs- klage h. Auslegung der Begünsti- gungsklauseln aa. Hinsichtlich der begünstigten Personen bb. Hinsichtlich der Anteile Versicherungsvertragsgesetz 31 221.229.1 Art. 85125 Sind erbberechtigte Nachkommen, ein Ehegatte, eine eingetragene Partnerin, ein eingetragener Partner, Eltern, Grosseltern oder Ge- schwister die Begünstigten, so fällt ihnen der Versicherungsanspruch zu, auch wenn sie die Erbschaft nicht antreten. Art. 86126 1 Unterliegt der Anspruch aus einem Lebensversicherungsvertrag, den der Schuldner auf sein eigenes Leben abgeschlossen hat, der betrei- bungs- oder konkursrechtlichen Verwertung, so können der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner oder die Nach- kommen des Schuldners mit dessen Zustimmung verlangen, dass der Versicherungsanspruch ihnen gegen Erstattung des Rückkaufspreises übertragen wird. 2 Ist ein solcher Versicherungsanspruch verpfändet und soll er betrei- bungs- oder konkursrechtlich verwertet werden, so können der Ehe- gatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner oder die Nachkommen des Schuldners mit dessen Zustimmung verlangen, dass der Versicherungsanspruch ihnen gegen Bezahlung der pfandversi- cherten Forderung oder, wenn diese kleiner ist als der Rückkaufspreis, gegen Bezahlung dieses Preises übertragen wird. 3 Der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner oder die Nachkommen müssen ihr Begehren vor der Verwertung der Forderung bei dem Betreibungsamt oder der Konkursverwaltung geltend machen. Art. 87 und 88127 Art. 89128 Der Versicherungsnehmer kann den Vertrag unabhängig von der vereinbarten Dauer nach Ablauf eines Jahres schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, kündigen. Art. 89a129 125 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 126 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 127 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 128 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 129 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. Juni 1993 (AS 1993 3175; BBl 1993 I 805). Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). i. Ausschlagung der Erbschaft Betreibungs- und konkurs- rechtliche Verwertung des Versicherungs- anspruchs Lebensversiche- rung; Vorzeitige Beendigung Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 32 221.229.1 Art. 90130 1 Hat die Versicherung einen Umwandlungswert, so kann der Versi- cherungsnehmer verlangen, dass sie ganz oder teilweise in eine prä- mienfreie Versicherung umgewandelt wird. Der Vertrag kann dafür einen Mindestwert vorsehen. 2 Unterschreitet der Umwandlungswert den vorgesehenen Mindest- wert, so richtet das Versicherungsunternehmen dem Versicherungs- nehmer den Rückkaufswert aus. 3 Ist bei einer Versicherung der Eintritt des befürchteten Ereignisses gewiss und hat die Versicherung bei ganzer oder teilweiser Beendi- gung des Vertrags einen Rückkaufswert, so kann der Versicherungs- nehmer dessen Auszahlung verlangen. Art. 91 1 Das Versicherungsunternehmen hat die Grundlagen zur Ermittlung des Umwandlungswertes und des Rückkaufswertes der Versicherung festzustellen. 2 Die Bestimmungen über Umwandlung und Rückkauf sind in die all- gemeinen Versicherungsbedingungen aufzunehmen. 3 Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) entscheidet, ob die vorgesehenen Abfindungswerte angemessen sind.131 Art. 92 1 Das Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, auf Anfrage des Anspruchsberechtigten binnen vier Wochen den Umwandlungswert oder den Rückkaufswert der Versicherung zu berechnen und dem Anspruchsberechtigten mitzuteilen. Das Versicherungsunternehmen muss, wenn der Anspruchsberechtigte es verlangt, überdies diejenigen Angaben machen, die zur Ermittlung des Umwandlungswertes oder des Rückkaufswertes für Sachverständige erforderlich sind. 2 Die FINMA hat auf Ersuchen des Anspruchsberechtigten die vom Versicherungsunternehmen festgestellten Werte unentgeltlich auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen.133 130 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 131 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 132 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 133 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). Umwandlung und Rückkauf a. Im Allgemei- nen b. Feststellung der Abfindungswerte c. Obliegenheiten des Versiche- rungsunterneh- mens; Nachprü- fung durch die FINMA; Fälligkeit der Rückkaufs- forderung132 Versicherungsvertragsgesetz 33 221.229.1 3 Stellt der Anspruchsberechtigte das Rückkaufsbegehren, so wird die Rückkaufsforderung nach drei Monaten, vom Eintreffen des Begeh- rens an gerechnet, fällig. Art. 93 1 Unterbleibt die Prämienzahlung, nachdem die Versicherung mindes- tens drei Jahre in Kraft bestanden hat, so wird der Umwandlungswert der Versicherung geschuldet. Das Versicherungsunternehmen hat den Umwandlungswert und, wenn die Versicherung rückkaufsfähig ist, auch den Rückkaufswert nach Massgabe dieses Gesetzes festzustellen und dem Anspruchsberechtigten auf dessen Begehren mitzuteilen. 2 Ist die Versicherung rückkaufsfähig, so kann der Anspruchsberech- tigte binnen sechs Wochen, vom Empfange dieser Mitteilung an gerechnet, an Stelle der Umwandlung den Rückkaufswert der Ver- sicherung verlangen. Art. 94 Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Umwandlung und den Rückkauf der Lebensversicherung gelten auch für solche Leistungen, die das Versicherungsunternehmen aus angefallenen Anteilen am Geschäftsergebnis dem Anspruchsberechtigten in Form der Erhöhung der Versicherungsleistungen gewährt hat. Art. 94a134 Art. 95135 Hat der Anspruchsberechtigte den Anspruch aus dem Lebensversiche- rungsvertrag dem Versicherungsunternehmen verpfändet, so ist das Versicherungsunternehmen berechtigt, seine Forderung mit dem Rückkaufswert der Versicherung zu verrechnen, nachdem es unter Androhung der Säumnisfolgen den Schuldner ohne Erfolg schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, aufgefordert hat, binnen sechs Monaten, vom Empfang der Aufforde- rung an gerechnet, die Schuld zu bezahlen. 134 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. Juni 1993 (AS 1993 3175; BBl 1993 I 805). Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, mit Wirkung seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 135 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). d. Unverfallbarkeit e. Umwandlung und Rückkauf von Anteilen am Geschäfts- ergebnis Pfandrecht des Versicherungs- unternehmens; Liquidation Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 34 221.229.1 4. Abschnitt:136 Unfall- und Krankenversicherung Art. 95a Aus der kollektiven Unfall- oder Krankenversicherung steht demjeni- gen, zu dessen Gunsten die Versicherung abgeschlossen worden ist, mit dem Eintritt des Unfalls oder der Krankheit ein selbständiges For- derungsrecht gegen das Versicherungsunternehmen zu. Art. 95b 1 Wird infolge eines Unfalles die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich bleibend beeinträchtigt, so ist die Entschädigung, sobald die voraussichtlich dauernden Unfallfolgen feststehen, auf Grundlage der für den Fall der Invalidität versicherten Summe in Form der Kapitalabfindung auszurichten. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigung ausdrücklich in Form der Rentenabfindung beantragt hat. 2 Der Vertrag kann bestimmen, dass Zwischenrenten gewährt und von der Entschädigung in Abzug gebracht werden. 5. Abschnitt: Koordination137 Art. 95c138 1 Leistungen aus Schadenversicherungen sind nicht mit anderen schadenausgleichenden Leistungen kumulierbar. 2 Im Umfang und zum Zeitpunkt seiner Leistung tritt das Versiche- rungsunternehmen für die von ihm gedeckten gleichartigen Schadens- posten in die Rechte des Versicherten ein. 3 Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn der Schaden durch eine Person, die in einer engen Beziehung zum Versicherten steht, leicht- fahrlässig herbeigeführt worden ist. In einer engen Beziehung stehen namentlich Personen, die: a. in einer häuslichen Gemeinschaft leben; b. in einem Arbeitsverhältnis mit dem Versicherten stehen; c. ermächtigt sind, die versicherte Sache zu nutzen. 136 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 137 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 138 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Kollektive Unfall- und Kranken- versicherung; Forderungsrecht des Begünstigten Unfallversiche- rung; Invalidi- tätsentschä- digung Regressrecht des Versicherungs- unternehmens Versicherungsvertragsgesetz 35 221.229.1 Art. 96139 In der Summenversicherung gehen die Ansprüche, die dem An- spruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereignisses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf das Versicherungsunternehmen über. 3. Kapitel: Zwingende Bestimmungen140 Art. 97141 Folgende Vorschriften dieses Gesetzes dürfen durch Vertragsabrede nicht geändert werden: die Artikel 10 Absatz 2, 13, 24, 35b, 35c, 41 Absatz 2, 46a, 46b Absätze 1 und 2, 46c Absatz 1, 47, 51, 58 Absatz 4, 60, 73, 74 Absatz 1 sowie 95c Absätze 1 und 2. Art. 98142 Die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes dürfen durch Vertragsab- rede nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers oder des An- spruchsberechtigten geändert werden: die Artikel 13a, 6, 9, 11, 14 Absatz 4, 15, 20, 21, 28, 28a, 29 Absatz 2, 30, 32, 34, 35a, 38c Absatz 2, 39 Absatz 2 Ziffer 2 zweiter Satz, 41a, 42 Absätze 13, 4446, 54, 56, 57, 59, 76 Absatz 1, 77 Absatz 1, 89, 9095a, 95b Absatz 1, 95c Absatz 3 und 96. Art. 98a143 1 Die Artikel 97 und 98 gelten nicht bei: a. Kredit- oder Kautionsversicherungen, soweit es sich um Ver- sicherungen von beruflichen oder gewerblichen Risiken han- delt, und bei Transportversicherungen; b. Versicherungen mit professionellen Versicherungsnehmern. 2 Als professionelle Versicherungsnehmer gelten: a. Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen, die der beruflichen Vorsorge dienen; 139 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 140 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 141 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 142 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 143 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Ausschluss des Regressrechtes des Versiche- rungsunterneh- mens Vorschriften, die nicht abgeändert werden dürfen Vorschriften, die nicht zuun- gunsten des Versicherungs- nehmers oder des Anspruchs- berechtigten abgeändert werden dürfen Ausnahmen Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 36 221.229.1 b. Finanzintermediäre nach dem Bankengesetz vom 8. November 1934144 und dem Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 2006145; c. Versicherungsunternehmen nach dem VAG146; d. ausländische Versicherungsnehmer, die einer gleichwertigen prudenziellen Aufsicht unterstehen wie die Personen nach den Buchstaben a–c; e. öffentlich-rechtliche Körperschaften, öffentlich-rechtliche An- stalten und öffentlich-rechtliche Stiftungen mit professionel- lem Risikomanagement; f. Unternehmen mit professionellem Risikomanagement; g. Unternehmen, die zwei der drei folgenden Grössen überschrei- ten: 1. Bilanzsumme: 20 Millionen Franken, 2. Nettoumsatz: 40 Millionen Franken, 3. Eigenkapital: 2 Millionen Franken. 3 Gehört der Versicherungsnehmer zu einer Unternehmensgruppe, für die eine konsolidierte Jahresrechnung (Konzernrechnung) erstellt wird, so werden die Grössen nach Absatz 2 Buchstabe g auf die Kon- zernrechnung angewandt. 4 Die Reiseversicherung gilt nicht als Transportversicherung im Sinne von Absatz 1. Art. 99 Der Bundesrat kann durch Verordnung verfügen, dass die in Artikel 98 dieses Gesetzes festgestellten Beschränkungen der Vertragsfreiheit bei einzelnen Versicherungsarten soweit ausser Kraft treten, als die Eigenart oder die besondern Verhältnisse einer Versicherungsart es erfordern. 4. Kapitel: Schlussbestimmungen147 Art. 100 1 Soweit dieses Gesetz keine Vorschriften enthält, finden auf den Ver- sicherungsvertrag die Bestimmungen des Obligationenrechtes Anwen- dung. 144 SR 952.0 145 SR 951.31 146 SR 961.01 147 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Verordnungs- recht des Bundesrates Verhältnis zum Obligationen- rechte Versicherungsvertragsgesetz 37 221.229.1 2 Für Versicherungsnehmer und Versicherte, die nach Artikel 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982148 als arbeitslos gelten, sind überdies die Artikel 71 Absätze 1 und 2 und 73 KVG149 sinngemäss anwendbar.150 Art. 101151 1 Dieses Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf Rückversicherungsverträge; 2.152 auf die privaten Rechtsverhältnisse zwischen den der Ver- sicherungsaufsicht nicht unterstellten Versicherungsunterneh- men (Art. 2 Abs. 2 VAG153) und ihren Versicherten, mit Aus- nahme der Rechtsverhältnisse, für deren Durchführung diese Versicherungsunternehmen der Versicherungsaufsicht unter- stellt sind. 2 Für diese Rechtsverhältnisse gilt das Obligationenrecht154. Art. 101a–101c155 Art. 102156 Art. 103 1 ...157 2 Indessen werden durch dieses Gesetz die kantonalen Vorschriften über Versicherungsverhältnisse, die bei den von den Kantonen organi- sierten Versicherungsanstalten entstehen, nicht berührt. 148 SR 837.0 149 SR 832.10 150 Eingefügt durch Art. 115 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AS 1982 2184, 1983 1204; BBl 1980 III 489). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 151 Fassung gemäss Ziff. 3 des Anhangs zum Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978, in Kraft seit 1. Jan. 1979 (AS 1978 1836; BBl 1976 II 873). 152 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5245; BBl 2003 3789). 153 SR 961.01 154 SR 220 155 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. Juni 1993 (AS 1993 3175; BBl 1993 I 805). Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 156 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). 157 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; BBl 2017 5089). Nicht unter das Gesetz fallende Rechtsverhält- nisse Aufhebung bestehender Vorschriften Ergänzungs- und Ausführungserlasse zum OR 38 221.229.1 Art. 103a158 Für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlossen worden sind, gelten folgende Bestimmungen des neuen Rechts: a. die Formvorschriften; b. das Kündigungsrecht nach den Artikeln 35a und 35b. Art. 104 Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874159 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, dieses Gesetz bekannt zu machen und den Beginn seiner Wirksamkeit festzusetzen. Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1910160 158 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 4969; 2021 357; BBl 2017 5089). 159 [BS 1 173; AS 1962 789 Art. 11 Abs. 3. AS 1978 688 Art. 89 Bst. b] 160 BRB vom 17. Juli 1908 (AS 24 756). Übergangs- bestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2020 Inkrafttreten des Gesetzes 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen 1. Abschnitt: Abschluss des Vertrags Art. 1 Versicherungsantrag Art. 2 Besondere Antragsverhältnisse Art. 2a Widerrufsrecht Art. 2b Wirkung des Widerrufs 2. Abschnitt: Aufklärungspflichten Art. 3 Informations- pflicht des Versicherungsunternehmens Art. 3a Verletzung der Informationspflicht Art. 4 Anzeigepflicht a. Im Allgemeinen Art. 5 b. Bei Stellvertretung c. Bei der Fremdversicherung Art. 6 Folgen der verletzten Anzeigepflicht a. Im Allgemeinen Art. 7 b. Beim Kollektivversicherungsvertrage Art. 8 Nichteintritt der Folgen der verletzten Anzeigepflicht 3. Abschnitt: Inhalt und Verbindlichkeit des Vertrags Art. 9 Vorläufige Deckungszusage Art. 10 Rückwärtsversicherung Art. 11 Police a. Inhalt Art. 12 b. ... Art. 13 c. Kraftloserklärung Art. 14 Schuldhafte Herbeiführung des befürchteten Ereignisses Art. 15 Gebote der Menschlichkeit Art. 16 Gegenstand der Versicherung Art. 17 und 18 4. Abschnitt: Prämie Art. 19 Fälligkeit Art. 20 Mahnpflicht des Versicherungsunternehmens; Verzugsfolgen Art. 21 Vertragsverhältnis nach eingetretenem Verzuge Art. 22 und 23 Art. 24 Teilbarkeit Art. 25–27 5. Abschnitt: Änderung des Vertrags Art. 28 Gefahrserhöhung mit Zutun des Versicherungsnehmers Art. 28a Gefahrsminderung Art. 29 Vorbehalt besonderer Vereinbarungen Art. 30 Gefahrserhöhung ohne Zutun des Versicherungsnehmers Art. 31 Gefahrserhöhung beim Kollektivversicherungsvertrage Art. 32 Nichteintritt der Folgen der Gefahrserhöhung Art. 33 Umfang der Gefahr Art. 34 Verantwortlichkeit des Versicherungsunternehmens für seine Vermittler Art. 35 Revision der allgemeinen Versicherungsbedingungen 6. Abschnitt: Beendigung des Vertrags Art. 35a Ordentliche Kündigung Art. 35b Ausserordentliche Kündigung Art. 35c Hängige Versicherungsfälle Art. 36 Entzug der Bewilligung zum Geschäftsbetrieb; privatrechtliche Folgen Art. 37 Konkurs des Versicherungsunternehmens 7. Abschnitt: Eintritt des befürchteten Ereignisses Art. 38 Anzeigepflicht nach Eintritt des befürchteten Ereignisses Art. 38a Rettungspflicht Art. 38b Veränderungsverbot Art. 38c Schadenminderungskosten Art. 39 Begründung des Versicherungsanspruches Art. 39a Früherfassung Art. 39b Inter- institutionelle Zusammenarbeit Art. 40 Betrügerische Begründung des Versicherungsanspruches Art. 41 Fälligkeit des Versicherungsanspruches Art. 41a Abschlagszahlungen Art. 42 Teilschaden 8. Abschnitt: Weitere Bestimmungen Art. 43 Mitteilungen des Versicherungsunternehmens Art. 44 Mitteilungen des Versicherungsnehmers oder Anspruchsberechtigten; Meldestellen Art. 45 Vertragsverletzung Art. 46 Verjährung und Befristung Art. 46a Konkurs des Versicherungsnehmers Art. 46b Mehrfachversicherung Art. 46c Ersatzpflicht bei Mehrfachversicherung Art. 47 Stillschweigende Vertragserneuerung Art. 47a AHV-Nummer 2. Kapitel: Besondere Bestimmungen 1. Abschnitt: Sachversicherung Art. 48 und 49 Art. 50 Verminderung des Versicherungswertes Art. 51 Überversicherung Art. 51a Versicherungssumme; Ersatzpflicht bei Unterversicherung Art. 52 und 53 Art. 54 Handänderung Art. 55 Art. 56 Pfändung und Arrest Art. 57 Pfandrecht an der versicherten Sache Art. 58 Schadensermittlung 2. Abschnitt: Haftpflichtversicherung Art. 59 Haftpflichtversicherung a. Umfang Art. 60 b. Gesetzliches Pfandrecht des geschädigten Dritten Art. 61–72 3. Abschnitt: Lebensversicherung Art. 73 Rechtliche Natur der Police; Abtretung und Verpfändung Art. 74 Versicherung auf fremdes Leben Art. 75 Art. 76 Versicherung zugunsten Dritter a. Grundlage. Umfang der Begünstigung Art. 77 b. Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers Art. 78 c. Natur des dem Begünstigten zustehenden Rechtes Art. 79 d. Gesetzliche Erlöschungsgründe Art. 80 e. Ausschluss der betreibungs- und konkursrechtlichen Verwertung des Versicherungsanspruchs Art. 81 f. Eintrittsrecht Art. 82 g. Vorbehalt der Anfechtungsklage Art. 83 h. Auslegung der Begünstigungsklauseln aa. Hinsichtlich der begünstigten Personen Art. 84 bb. Hinsichtlich der Anteile Art. 85 i. Ausschlagung der Erbschaft Art. 86 Betreibungs- und konkursrechtliche Verwertung des Versicherungsanspruchs Art. 87 und 88 Art. 89 Lebensversicherung; Vorzeitige Beendigung Art. 89a Art. 90 Umwandlung und Rückkauf a. Im Allgemeinen Art. 91 b. Feststellung der Abfindungswerte Art. 92 c. Obliegenheiten des Versicherungsunternehmens; Nachprüfung durch die FINMA; Fälligkeit der Rückkaufsforderung Art. 93 d. Unverfallbarkeit Art. 94 e. Umwandlung und Rückkauf von Anteilen am Geschäftsergebnis Art. 94a Art. 95 Pfandrecht des Versicherungsunternehmens; Liquidation 4. Abschnitt: Unfall- und Krankenversicherung Art. 95a Kollektive Unfall- und Krankenversicherung; Forderungsrecht des Begünstigten Art. 95b Unfallversicherung; Invaliditätsentschädigung 5. Abschnitt: Koordination Art. 95c Regressrecht des Versicherungsunternehmens Art. 96 Ausschluss des Regressrechtes des Versicherungsunternehmens 3. Kapitel: Zwingende Bestimmungen Art. 97 Vorschriften, die nicht abgeändert werden dürfen Art. 98 Vorschriften, die nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers oder des Anspruchsberechtigten abgeändert werden dürfen Art. 98a Ausnahmen Art. 99 Verordnungsrecht des Bundesrates 4. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 100 Verhältnis zum Obligationenrechte Art. 101 Nicht unter das Gesetz fallende Rechtsverhältnisse Art. 101a–101c Art. 102 Art. 103 Aufhebung bestehender Vorschriften Art. 103a Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2020 Art. 104 Inkrafttreten des Gesetzes | mixed |
62283849-d56b-4b01-83e4-c9d044467f94 | Sachverhalt
ab Seite 298
BGE 106 Ib 297 S. 298
Le ressortissant libanais Mohsen Jaroudi, soupçonné d'avoir participé à l'assassinat, à Cannes, d'un ressortissant syrien chef de la section militaire de l'Organisation de libération de la Palestine (OLP) et de la Saïka, mouvement affilié à l'OLP, a été arrêté à Genève à la requête des autorités françaises, qui ont demandé son extradition. Jaroudi s'est opposé à l'extradition en contestant les faits et en alléguant que l'infraction avait un caractère politique. Il a également fait état de ses craintes d'être réextradé par la France à un autre Etat. Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les conditions de l'extradition sont fixées dans la Convention franco-suisse du 9 juillet 1869 (RS 0.353.934.9) et par la loi fédérale sur l'extradition aux Etats étrangers, du 22 janvier 1892 (LExtr) dans la mesure où cela n'est point contraire à la Convention (
ATF 100 Ia 410
,
ATF 91 I 130
).
L'homicide volontaire, réprimé tant en droit français (art. 295 ss. CP) qu'en droit suisse (art. 111 ss. CP), est une infraction pour laquelle la Convention prévoit l'extradition (art. 1 ch. 1 et 5).
En vertu de la Convention, les parties contractantes s'obligent à accorder l'extradition aux conditions qui y sont prévues.
BGE 106 Ib 297 S. 299
Selon la jurisprudence, les ressortissants d'Etats tiers peuvent également demander le respect de la Convention (
ATF 105 Ib 213
,
ATF 98 Ia 230
).
2.
En vertu d'une jurisprudence constante, la Suisse s'en tient aux faits mentionnés dans la requête d'extradition et elle ne peut pas refuser l'extradition au motif que les faits ne seraient pas prouvés; en effet, il appartient à l'Etat requérant de se prononcer sur la réalité des faits et la culpabilité du prévenu (
ATF 103 Ia 629
,
ATF 101 Ia 424
consid. 5, 611). Une exception à ce principe ne peut être admise que si les faits invoqués sont manifestement inexistants ou lorsqu'il y a des lacunes ou des contradictions dans la requête.
En l'espèce, l'opposant connaît ces principes; il ne peut donc prétendre que leur application devrait conduire au rejet de la requête. En effet, en l'état de la procédure, on ne saurait en tout cas tenir pour indubitable l'alibi invoqué par certains témoins quant à la présence de Jaroudi à Juan-les-Pins à l'heure du crime.
3.
Selon son art. 2 al. 1, les crimes et délits politiques sont exceptés de la Convention. Comme celle-ci ne définit pas le délit politique, le juge suisse applique à l'
art. 2 al. 1 la
notion de délit politique telle qu'elle découle du droit suisse (
ATF 90 I 299
).
a) Il résulte du texte de la Convention que celle-ci n'interdit pas l'extradition en cas de délit politique, mais simplement qu'elle n'oblige pas, en pareille hypothèse, à extrader selon l'art. 1.
A supposer qu'il y ait délit politique, une extradition éventuelle relève donc du droit interne, en l'occurrence de l'
art. 10 LExtr
.
b) Le refus d'extrader pour des délits politiques purs ou relatifs se fonde sur la considération que, dans les relations entre Etats et spécialement entre Etats n'ayant pas les mêmes régimes politiques, ceux qui se battent pour leurs idées politiques, fût-ce par la commission d'infractions, méritent d'être protégés du régime de leurs adversaires politiques victorieux, compte tenu des mobiles compréhensibles des auteurs.
Valable dans les rapports entre l'Etat de refuge (ou de séjour) et l'Etat dont les institutions ont été attaquées par le délit politique, cette considération n'a plus le même poids lorsque le délit politique a été commis sur le territoire d'un Etat tiers, qui requiert l'extradition, comme c'est le cas en l'espèce.
BGE 106 Ib 297 S. 300
On peut donc se demander si ou dans quelle mesure, en vertu du droit conventionnel ou du droit interne, la nature politique d'une infraction exclut également l'extradition dans cette hypothèse.
Selon l'arrêt non publié Bodenan du 13 août 1973, citant aussi l'
ATF 54 I 213
/214, la circonstance que l'Etat requérant est un Etat tiers n'exclut pas l'application de l'
art. 10 LExtr
, mais elle a une importance pour décider si, in casu, il y a délit politique relatif (arrêt cité par FELCHLIN, Das politische Delikt, thèse Zurich 1979, p. 327). Le Tribunal fédéral y déclare: "Refuser l'extradition aurait pour conséquence de permettre aux factions politiques rivales de poursuivre impunément leurs menées à l'étranger, à la seule condition que les auteurs se réfugient dans un Etat tiers. La Suisse, qui ne tolère pas que l'on transporte sur son territoire la lutte qui se livre par des moyens illégaux, ne saurait prêter la main à de tels actes accomplis dans d'autres pays tiers, en donnant asile à leurs auteurs (...). (...) l'extradition devrait néanmoins être refusée, dans des circonstances semblables, si l'Etat requérant et celui dont le régime est en cause étaient très proches l'un de l'autre, ou au contraire violemment opposés l'un à l'autre du point de vue politique. Le risque de voir le procès faussé pour des motifs d'ordre politique serait alors tel qu'il justifierait le refus de l'extradition, par l'application analogique de l'art. 3 al. 2 de la Convention européenne d'extradition."
Il n'y a pas lieu en principe de s'écarter de cette jurisprudence.
Dès lors, le fait que l'infraction a été commise sur le territoire d'un Etat tiers qui requiert lui-même l'extradition n'exclut pas en soi l'application de l'
art. 10 LExtr
.
c) Dans l'interprétation de l'
art. 10 LExtr
relatif au délit politique, il faut, selon la jurisprudence, prendre en considération l'
art. 3 CEExtr
(
ATF 99 Ia 555
, à propos de l'
art. 3 al. 2 CEExtr
).
L'
art. 3 al. 3 CEExtr
, inspiré par la législation belge et dont l'insertion dans la Convention européenne a été jugée inopportune par certains auteurs (SCHULTZ, Principes du droit d'extradition traditionnel, dans Aspects juridiques de l'extradition entre Etats européens, Conseil de l'Europe, Strasbourg 1970, p. 16; DUK, Principes fondamentaux de la Convention européenne d'extradition, même publication, p. 40; FELCHLIN, op. cit., p. 193 ss., 248),
BGE 106 Ib 297 S. 301
dispose que, "pour l'application de la présente Convention, l'attentat à la vie d'un chef d'Etat ou d'un membre de sa famille ne sera pas considéré comme infraction politique". On peut dès lors se demander si à fortiori, au sens de la Convention, l'attentat à la vie contre une personne ayant un rang social moins élevé ne doit pas aussi être considéré comme un délit non politique.
La Suisse s'est toutefois réservé, à propos de cette disposition, "le droit de refuser aussi l'extradition en se fondant sur l'art. 3 par. 1, lorsque celle-ci est demandée pour attentat à la vie d'un chef d'Etat ou d'un membre de sa famille". Il résulte formellement de cette réserve que si, en général, l'extradition est refusée en cas de délit politique (
art. 3 par. 1 CEExtr
), le refus n'est plus qu'une faculté pour la Suisse en cas d'attentat à la vie d'un chef d'Etat ou d'un membre de sa famille.
Cette question n'a cependant pas besoin d'être tranchée dans la présente espèce, comme on va le voir.
4.
Selon la jurisprudence, il y a délit politique relatif si, en raison des circonstances, notamment des mobiles et des buts de l'auteur, les actes commis présentent un caractère politique prépondérant (
ATF 101 Ia 64
, 425, 605). Ont ce caractère les actes qui s'inscrivent dans le cadre d'une lutte pour ou contre le pouvoir, ou tendent à soustraire des personnes à un pouvoir excluant toute opposition; ces actes doivent être en rapport étroit et direct, clair et net avec le but politique visé. Il faut également que le mal causé soit proportionné au résultat recherché, que les intérêts en cause soient suffisamment importants, sinon pour justifier, du moins pour excuser légalement l'atteinte que l'auteur a portée à certains biens juridiques (
ATF 90 I 299
/300). La proportionnalité n'existe, s'agissant de l'homicide, que si celui-ci est le seul moyen de sauvegarder les intérêts supérieurs en jeu et d'atteindre le but politique recherché (
ATF 90 I 300
,
ATF 87 I 137
); si les homicides intervenus dans le cadre d'une guerre civile ou d'un conflit armé ouvert ont été reconnus comme délits politiques (
ATF 50 I 299
,
ATF 49 I 260
), il n'en a pas été de même d'assassinats opérés à l'étranger contre une personne subalterne en dehors d'un conflit armé ouvert (
ATF 54 I 207
); "il faut que l'auteur du crime... ait pu espérer raisonnablement que son acte aurait pour conséquence, au-delà du résultat immédiat, une modification de l'organisation politique ou sociale de l'Etat... L'assassinat peut ainsi
BGE 106 Ib 297 S. 302
apparaître comme la dernière ressource lorsque la personne visée incarne pratiquement le système politique de l'Etat, en sorte qu'on puisse penser que sa disparition entraînera une modification de ce système" (
ATF 90 I 301
; cf. à ce sujet FELCHLIN, op. cit., p. 318-321, 337, 343).
Le Tribunal fédéral examine librement le caractère politique de l'infraction et, notamment, si les circonstances invoquées à l'appui de l'opposition peuvent être considérées comme établies (
ATF 90 I 299
).
a) On ne saurait dénier à celui qui conteste avoir commis les faits le droit de soutenir que, s'il devait néanmoins être retenu comme étant l'auteur de ces faits, le caractère politique de l'infraction devrait alors exclure l'octroi de l'extradition. Une argumentation subsidiaire de cet ordre n'est pas contraire en soi au droit de l'extradition. Du reste, lorsqu'il doit statuer sur une opposition, le Tribunal fédéral examine d'office si les conditions de l'extradition sont remplies, notamment s'il y a délit politique.
Suivant les cas, il peut cependant être difficile de déterminer les mobiles et les buts de l'auteur supposé, lorsque celui-ci nie toute participation à l'acte. On ne saurait retenir qu'ils sont politiques, s'ils ne peuvent être établis ou à tout le moins rendus vraisemblables.
b) Vu le rôle politique important joué par la victime en Syrie, au Liban, à la tête de la Saïka et de la section militaire de l'OLP, il apparaît hautement vraisemblable que son assassinat s'explique par le désir d'exterminer un adversaire politique ou d'affaiblir le mouvement à la tête duquel il se trouvait. Il semble donc s'inscrire dans le cadre d'une lutte pour ou contre le pouvoir.
c) Il faut cependant rechercher si l'acte a un caractère politique prépondérant, notamment quant à sa proportionnalité avec le but recherché.
A cet égard, vu les dénégations de l'opposant et la complexité des intérêts en cause, le juge de l'extradition en est réduit à des conjectures, sur la base des hypothèses évoquées par l'opposant.
aa) Si l'attentat a été inspiré par un Etat étranger (Israël, Egypte) dont l'auteur a épousé les conceptions, en dehors d'un conflit militaire ouvert, l'assassinat d'un homme politique d'un Etat étranger - qui n'est au demeurant pas un chef d'Etat -
BGE 106 Ib 297 S. 303
n'apparaît pas comme un moyen idoine de mettre fin à un mouvement politique adverse; en ce cas, le caractère de délit du droit commun apparaît prépondérant.
bb) Si l'attentat a été provoqué par une faction politique rivale, au sein du même mouvement politique général, l'appréciation devrait être la même. En effet, malgré leurs rivalités, ces factions n'étaient pas en lutte armée ouverte (selon l'opposant, elles n'osaient pas "s'affronter directement sur le terrain", on s'était efforcé "de donner l'apparence d'être réconciliés"); éliminer dans ces conditions un adversaire apparaît un moyen particulièrement cruel, cynique et abject; en outre, il n'était nullement suffisant pour mettre fin à la faction adverse comme telle (dans cette hypothèse, il n'y a pas de raisons de penser que l'assassinat de Mouhsen était propre à supprimer aussi le parti "syrien" au sein de l'OLP, mais il pouvait tout au plus l'affaiblir).
cc) Sur la base des indications fournies par l'opposant, et en particulier des journaux libanais produits par lui, on comprendrait moins bien le mobile d'un attentat commis par un nationaliste libanais contre le chef de la Saïka et porte-parole du mouvement pro-syrien au Liban. Il semble en effet que ces derniers étaient favorables au maintien du Liban ancien, contrairement au Fath de Yasser Arafat, qui se serait prononcé en faveur d'une partition du pays entre arabes et chrétiens.
Dans cette hypothèse, le juge de l'extradition ne serait pas en mesure, faute d'explications suffisantes, de saisir le mobile de l'auteur et d'apprécier le rapport existant entre le but poursuivi et le moyen choisi. Il ne saurait donc pas non plus retenir qu'un tel assassinat présente un caractère politique prépondérant.
d) Il résulte de la jurisprudence citée ci-dessus (consid. 3 lettre b) que, parmi toutes les circonstances à prendre en considération pour juger du caractère prépondérant de l'infraction politique ou du délit de droit commun, le juge doit aussi attribuer un certain poids au fait que l'extradition est requise par un Etat tiers qui n'est ni particulièrement proche de l'Etat touché, ni particulièrement opposé à cet Etat. Or, même si la France a joué un rôle important en Syrie et au Liban, pendant la période dite coloniale, on ne saurait raisonnablement retenir en l'état actuel qu'elle ait un régime politique particulièrement proche des pays du Moyen-Orient, ni particulièrement opposé à ces pays.
BGE 106 Ib 297 S. 304
Aussi, en l'occurrence, le fait que l'extradition est requise par la France est-il propre à diminuer l'importance relative de la composante politique de l'infraction, lorsqu'il s'agit de décider si le caractère politique de l'infraction est prépondérant au point de justifier un refus de l'extradition.
Vu l'ensemble des circonstances, on ne saurait donc retenir en l'espèce que l'infraction reprochée présente un caractère politique prépondérant.
5.
Il résulte des explications de l'opposant qu'il craint, quoique innocent, d'être la victime en France d'une condamnation dictée par la raison d'Etat, en raison de la politique de rapprochement entre la France et les Etats arabes, pratiquée par le président de la République et le Gouvernement français.
Il y a lieu d'examiner si l'argument est recevable et, en cas d'affirmative, s'il est fondé.
a) Selon l'
art. 3 ch. 1 CEExtr
, l'extradition n'est pas accordée lorsqu'elle est considérée par la partie requise comme une infraction politique ou comme un fait connexe à une telle infraction. Selon l'
art. 3 ch. 2 CEExtr
, la même règle s'appliquera si la partie requise a des raisons sérieuses de croire que la demande d'extradition motivée par une infraction de droit commun a été présentée aux fins de poursuivre ou de punir un individu pour des considérations de race, de religion, de nationalité ou d'opinions politiques ou que la situation de cet individu risque d'être aggravée pour l'une ou l'autre de ces raisons.
La France n'étant pas partie à la Convention européenne, ces dispositions ne sont pas directement applicables dans les relations entre la Suisse et la France. En effet, selon un principe général, appliqué par le Tribunal fédéral, le droit conventionnel résultant du traité régissant ces deux pays prime le droit interne.
Cependant, ledit droit conventionnel ne définit pas le délit politique; la Convention s'en remet, à ce sujet, à la définition qu'en donne le droit national (cf. ci-dessus consid. 3).
En droit interne suisse de l'extradition, la notion de délit politique résulte de l'
art. 10 LExtr
. Mais la portée de cette disposition a été étendue par la jurisprudence depuis l'arrêt Losembe (
ATF 99 Ia 554
, 556). Selon cet arrêt, la règle de l'
art. 3 ch. 2 CEExtr
"est conforme à l'ordre juridique national et doit être respectée dans l'administration de la justice"; une opposition reposant sur un tel motif "est donc fondée au
BGE 106 Ib 297 S. 305
regard de l'
art. 10 LExtr
, tel qu'il doit être interprété depuis l'approbation de la Convention européenne d'extradition".
Il y a donc lieu, logiquement, de retenir la même règle, en application du Traité franco-suisse d'extradition, et de considérer qu'au regard du droit interne suisse - déterminant - l'infraction politique comprend également l'hypothèse prévue par l'
art. 3 ch. 2 CEExtr
. Cette nouvelle interprétation de l'
art. 10 LExtr
ne viole pas la Convention d'extradition franco-suisse, puisque celle-ci s'en remet au droit national du soin de définir le délit politique, que les différents droits nationaux ont des règles assez différentes à ce sujet et que, sur le plan européen, la notion d'"infractions politiques" (cf. titre de l'
art. 3 CEExtr
) a été étendue à l'hypothèse de l'
art. 3 ch. 2 CEExtr
(cf. FELCHLIN, op. cit., p. 248).
b) Sur le fond, en revanche, le juge suisse de l'extradition ne saurait, sur la base des preuves fournies par l'opposant, admettre que la Suisse ait de sérieuses raisons de croire que la situation de l'opposant soit aggravée devant les juridictions françaises du fait de sa race, de sa religion, de sa nationalité ou des ses opinions politiques.
Le seul rapprochement politique de la France à l'égard des pays arabes et de l'OLP ne permet raisonnablement pas de supposer que les autorités judiciaires françaises n'appliqueraient pas la loi à un prévenu et condamneraient un innocent uniquement à des fins politiques. La conclusion de traités d'extradition repose sur la confiance réciproque que se témoignent les parties contractantes; la présomption qui en résulte ne saurait être renversée sans des raisons sérieuses, inexistantes en l'occurrence. En effet, les conjectures de l'opposant quant à une collusion de la France avec certains Etats du Moyen-Orient et l'OLP ayant pour objet d'influencer la justice française dans sa recherche de la vérité et dans l'application de la loi, ne reposent pas sur des indices suffisants.
6.
L'opposant fait aussi état, notamment dans la lettre de son mandataire au Tribunal fédéral du 10 juillet 1980, de ses craintes d'être réextradé par la France à un Etat tiers; il souligne que la Syrie a pris part à l'enquête et a eu accès au dossier, en Suisse et surtout en France, et qu'elle a usé de pression.
a) La Convention franco-suisse de 1869, tout en consacrant le principe de spécialité (art. 8), ne contient pas de disposition sur la réextradition, par l'Etat requérant à un Etat tiers, de
BGE 106 Ib 297 S. 306
l'individu livré par l'Etat requis. Mais il est admis, tant en droit suisse (
art. 8 LExtr
) qu'en droit français (art. 27 de la loi de 1927 sur l'extradition), que la réextradition à un Etat tiers est exclue sans l'assentiment de l'Etat requis et que ce principe s'applique même dans les cas régis par une convention qui ne contient pas de clause expresse sur ce point (cf. pour le droit suisse: ATF 3 p. 110; SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, p. 375, citant la pratique du Conseil fédéral: FF 1914 I 406 No 8; BURCKHARDT/BOVET, Le droit fédéral suisse, vol. IV N 1804 IV p. 253 s.; pour le droit français: JURIS-CLASSEUR, Procédure pénale, App. Art. 689-96, 5e cahier Nos 76 ss.). La Convention européenne d'extradition subordonne aussi la réextradition à l'assentiment de la partie requise (art. 15).
Ainsi, rien ne s'oppose en principe à ce qu'une réserve soit faite dans ce sens à propos d'un cas de réextradition soumis à la Convention franco-suisse de 1869.
b) On a déjà vu ci-dessus que la notion de délit politique, non définie par ladite convention, doit être interprétée selon le droit du pays requis et que la notion suisse du délit politique a été élargie depuis la ratification par la Suisse de la Convention européenne d'extradition.
En l'espèce, on peut craindre que si Jaroudi était livré à un Etat tiers ou à une organisation politique, sa situation pourrait être aggravée pour des motifs d'ordre politique. Aussi une réserve dans le sens proposé par l'opposant paraît-elle également justifiée à ce titre. | mixed |
f1d3ec33-8d64-4466-838f-638f85817690 | Sachverhalt
ab Seite 338
BGE 130 II 337 S. 338
Die Strafjustiz von Serbien und Montenegro ermittelt gegen X. und Mitangeschuldigte wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation und weiteren Straftaten. Auf Verhaftsersuchen von Interpol Belgrad hin und gestützt auf eine provisorische Haftanordnung des Bundesamtes für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung (BJ), wurde X. am 14. Januar 2004 an seinem Wohnort im Kanton Glarus verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. Anlässlich seiner gleichentags erfolgten Befragung widersetzte sich der Verfolgte einer vereinfachten Auslieferung an Serbien und Montenegro. Am 23. Januar 2004 ersuchte die Botschaft von Serbien und Montenegro in Bern um Auslieferung des Verfolgten. Das Ersuchen wurde mit Eingaben vom 9. Februar und 22. März 2004 ergänzt.
Mit Entscheid vom 7. April 2004 bewilligte das BJ die Auslieferung des Verfolgten an Serbien und Montenegro. Der Auslieferungsentscheid erging "unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts".
BGE 130 II 337 S. 339
Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Mai 2004 an das Bundesgericht (Verfahren 1A.116/2004).
Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des Verfolgten, wonach er politisch verfolgt werde, sei abzulehnen (Verfahren 1A.80/2004).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, tritt auf den Antrag, es sei die Einrede des politischen Deliktes abzuweisen, nicht ein und weist die Streitsache zur Neubeurteilung bzw. neuen Antragstellung zurück an das BJ. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen des Staatenverbundes von Serbien und Montenegro richtet sich nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sowie den beiden Zusatzprotokollen zum EAUe vom 15. Oktober 1975 bzw. 17. März 1978 (SR 0.353.11-12), denen beide Staaten beigetreten sind. Soweit dem Verfolgten die Beteiligung an einer terroristischen Gruppierung vorgeworfen wird, ist sodann das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (EÜBT; SR 0.353.3) zu berücksichtigen, welches von beiden Staaten ebenfalls ratifiziert wurde (vgl.
BGE 128 II 355
E. 1 S. 357;
BGE 125 II 569
E. 9a S. 577). Das EÜBT ist für Serbien und Montenegro seit dem 16. August 2003 in Kraft. Soweit die genannten Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, ist das schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11; vgl.
Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG
;
BGE 128 II 355
E. 1 S. 357).
1.1
Der Verfolgte hat im Auslieferungsverfahren geltend gemacht, er werde aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt.
1.1.1
Über ausländische Auslieferungsersuchen entscheidet das BJ (
Art. 55 Abs. 1 IRSG
). Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat, so entscheidet das Bundesgericht darüber auf Antrag des Bundesamtes und nach Einholung einer Stellungnahme des Verfolgten (
Art. 55 Abs. 2 IRSG
; vgl.
BGE 128 II 355
E. 1.1.1 S. 357 f.). Das Verfahren
BGE 130 II 337 S. 340
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 25 IRSG
bzw.
Art. 97 ff. OG
) ist dabei sinngemäss anwendbar (
Art. 55 Abs. 3 IRSG
).
1.1.2
In
BGE 128 II 355
hat das Bundesgericht die Zuständigkeiten für Auslieferungsfälle im Rahmen der Bundesrechtspflege präzisiert. Danach entscheidet das Bundesgericht (nur) über die Einrede des politischen Deliktes als erste und einzige Instanz. Zu den übrigen Auslieferungsvoraussetzungen hat das BJ einen erstinstanzlichen Auslieferungsentscheid zu fällen. Dieser erfolgt unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheides über die Einsprache des politischen Deliktes und ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar (
BGE 128 II 355
E. 1.1.3-1.1.4 S. 358 f.). Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat das BJ die notwendigen Sachabklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen (
BGE 128 II 355
E. 1.1.2 S. 358).
1.1.3
Im vorliegenden Fall erliess das BJ am 7. April 2004 einen Auslieferungsentscheid. Dieser erfolgte "unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts". Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ hat der Verfolgte am 5. Mai 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des politischen Deliktes sei abzulehnen; zur Begründung verweist das BJ auf die Erwägungen des Auslieferungsentscheides. Es erfolgte in beiden Verfahren ein doppelter Schriftenwechsel.
1.1.4
Da im Beschwerdeverfahren und im Verfahren betreffend Einrede des politischen Deliktes inhaltlich konnexe auslieferungsrechtliche Fragen zu behandeln sind, rechtfertigt sich eine gemeinsame Behandlung im Rahmen des vorliegenden Urteils. Die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind in beiden Verfahren (sinngemäss) anwendbar (
Art. 55 Abs. 3 IRSG
).
1.2
Der Auslieferungsentscheid des BJ kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 55 Abs. 3 i.V.m.
Art. 25 Abs. 1 IRSG
). Die Sachurteilsvoraussetzungen von
Art. 97-114 OG
sind erfüllt.
1.3
Zulässige Beschwerdegründe sind sowohl die Verletzung von Bundesrecht, inklusive Staatsvertragsrecht (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens), als auch die Rüge der
BGE 130 II 337 S. 341
unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts; der Vorbehalt von
Art. 105 Abs. 2 OG
trifft hier nicht zu (
Art. 104 lit. a-b OG
; vgl.
BGE 117 Ib 64
E. 2b/bb S. 72). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (bzw. der EMRK und des UNO-Paktes II) mitgerügt werden (
BGE 124 II 132
E. 2a S. 137;
BGE 123 II 153
E. 2c S. 158 f.;
BGE 122 II 373
E. 1b S. 375).
1.4
Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden (
Art. 25 Abs. 6 IRSG
). Es prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befasst es sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand des Verfahrens bilden (vgl.
BGE 123 II 134
E. 1d S. 136 f.;
BGE 122 II 367
E. 2d S. 372, je mit Hinweisen).
2.
Der Verfolgte erhebt die Einrede, er werde aus politischen Gründen verfolgt. Es handle sich um einen "propagandistischen Schuldvorwurf in einem politisch motivierten Prozess". Ziel des serbischen Ersuchens sei es, die kosovo-albanischen Bürgerkriegsgegner (namentlich die Nachfolgeorganisationen der UCK) sowie die durch die UNO und die OSZE eingesetzten "multiethnischen" Polizeikräfte im Kosovo (MEP) als "Terroristen" zu diskreditieren. Auch die Auslieferungsvoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit sei nicht erfüllt. "Abgesehen von einem diffusen, politisch motivierten und schwammig gehaltenen Terrorismusvorwurf" werde aus dem Ersuchen sowie dessen Ergänzungen und Beilagen "nicht einmal ansatzweise klar, was dem Beschwerdeführer eigentlich zur Last gelegt wird". Zwar werde diesem vorgeworfen, er sei (in den Jahren 1999-2000 sowie 2002-2003) in Südserbien an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen und anschliessend in die Schweiz geflüchtet. Diesbezüglich habe der Verfolgte jedoch Alibis nachgewiesen. Die Lage in Südserbien sei nach wie vor bürgerkriegsähnlich und sehr angespannt. Dem Beschwerdeführer als Repräsentanten der verhassten und von der serbischen Regierung bekämpften albanischen Minderheit drohe in Serbien eine menschenrechtswidrige Behandlung. Die vom BJ verfügte Auslieferung verstosse gegen verschiedene Bestimmungen der EMRK und des UNO-Paktes II.
3.
Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine
BGE 130 II 337 S. 342
politische oder eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird (
Art. 3 Ziff. 1 EAUe
; vgl. auch
Art. 3 Abs. 1 IRSG
).
3.1
Gemäss
Art. 2 Ziff. 1 EÜBT
kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammen hängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin unter
Art. 1 EÜBT
fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen, oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (
Art. 2 Ziff. 3 EÜBT
). Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen (
Art. 1 lit. c EÜBT
). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden (
Art. 1 lit. d-e EÜBT
). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (
Art. 1 lit. f EÜBT
).
3.2
In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannt "absolut" politischen und "relativ" politischen Delikten unterschieden. "Absolut" politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat (
BGE 128 II 355
E. 4.2 S. 364;
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578;
BGE 115 Ib 68
E. 5a S. 85, je mit Hinweisen). Ein "relativ" politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen
BGE 130 II 337 S. 343
(
BGE 128 II 355
E. 4.2 S. 365;
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578;
BGE 124 II 184
E. 4b S. 186 ff.;
BGE 117 Ib 64
E. 5c S. 89;
BGE 115 Ib 68
E. 5 S. 84 ff., je mit Hinweisen; vgl. CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, ZStrR 103/1986 S. 24 ff.; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 385). Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich erscheinen zu lassen (
BGE 128 II 355
E. 4.2 S. 365;
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578).
3.3
Zu denken ist hier insbesondere an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in der Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines "Tyrannenmordes") das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde (
BGE 128 II 355
E. 4.2 S. 365;
BGE 109 Ib 64
E. 6a S. 71 f.; vgl. ROUILLER, a.a.O., S. 31; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 385 S. 431). Diese Praxis des Bundesgerichtes gilt auch bei der Prüfung der Frage, ob es sich beim Verfolgten um einen mutmasslichen Terroristen oder einen bewaffneten politischen Widerstandskämpfer handelt (vgl.
BGE 128 II 355
E. 4 S. 363 f., E. 4.2 S. 365 mit Hinweisen; MARC Forster, Die Strafbarkeit der Unterstützung [insbesondere Finanzierung] des Terrorismus, ZStrR 121/2003 S. 423 ff., 430 f., 438 f.).
Der heiklen Unterscheidung zwischen "legitimen" Widerstandskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und Terroristen hat der Eidgenössische Gesetzgeber auch beim Erlass des neuen
Art. 260
quinquies
StGB
(Terrorismusfinanzierung, in Kraft seit 1. Oktober 2003) Rechnung getragen. So sehen die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung
Strafbarkeitsausschlüsse
vor bei Personen, welche namentlich (das humanitäre Kriegsvölkerrecht respektierende) Bürgerkriegsparteien finanziell unterstützen oder auch Freiheitskämpfer gegen Unterdrückung und Besatzung bzw. politische Aktivisten, die zur Durchsetzung ihrer ideellen und politischen Anliegen angemessene Mittel des gewalttätigen Widerstands einsetzen (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 2002 S. 5439; Kommissionspräsident
BGE 130 II 337 S. 344
Ständerat Epiney, AB 2002 S S. 1080; URSULA CASSANI, Le train de mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire?, SZW 2003 S. 293 ff., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 444 f.). Auch die Anwendung von
Art. 260ter Ziff. 1 StGB
(Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation) verlangt eine analoge Abgrenzung zwischen Terroristen und politischen Widerstandskämpfern (vgl. Forster, a.a.O., S. 438 f., 445). Die vom Gesetzgeber - bewusst - an die Gerichte delegierte Aufgabe, zu bestimmen, was im Einzelfall eine straflose "politisch legitime" Gewaltanwendung darstelle und was nicht, muss allerdings als sehr delikat bezeichnet werden (vgl. CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 445; s. auch Botschaft, BBl 2002 S. 5439; Ständerat Pfisterer, AB 2002 S S. 1081).
3.4
Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition (
BGE 128 II 355
E. 4.3 S. 365;
BGE 125 II 569
E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen (
Art. 260
ter
StGB
), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen (
Art. 275
ter
StGB
) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (
BGE 128 II 355
E. 4.3 S. 365 f.;
BGE 125 II 569
E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). (...)
6.
Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Sachdarstellung des Ersuchens und die eher knappen Sachabklärungen des BJ es dem Bundesgericht ermöglichen, die Einrede des politischen Deliktes und die übrigen (beschwerdeweise erhobenen) Auslieferungshindernisse ausreichend zu prüfen. Die Abgrenzung zwischen "legitimen" Freiheitskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und mutmasslichen Terroristen gehört zu den schwierigsten Fragen des internationalen Strafrechts ("one man's terrorist is
BGE 130 II 337 S. 345
ano ther man's freedom fighter"; vgl. dazu CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 430 f., 433 f., 438 f.; LAURENT MOREILLON/ FRÉDÉRIQUE DE COURTEN, La lutte contre le terrorisme et les droits du suspect, ZStrR 121/2003 S. 117 ff., 118 f.; YVES SANDOZ, Lutte contre le terrorisme et droit international: risques et opportunités, RSDIE 2002 S. 319 ff., 353; TOBIAS SCHRADER, Terrorismus und das Problem seiner Definition, Kriminalistik 56/2002 S. 570 ff., 570-572). Dies gilt besonders im vorliegenden Fall bzw. vor dem Hintergrund des serbisch-kosovarischen Bürgerkrieges. Die Zulässigkeit einer allfälligen Auslieferung eines angeblichen "Terroristen" an Serbien-Montenegro, dem vorgeworfen wird, er habe der kosovo-albanischen Widerstandsbewegung UCK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen nahe gestanden und sich dabei an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt, kann nur auf der Basis von eingehenden Sachabklärungen beurteilt werden.
6.1
Im vorliegenden Fall sind höhere Anforderungen an die Verlässlichkeit und Genauigkeit des Ersuchens zu stellen als in den üblichen Fällen der Auslieferung wegen gemeinrechtlichen Straftaten (wie z.B. Drogen- oder Vermögensdelikten) ohne starke politische Konnotation und an Staaten, die keine (nur wenige Jahre zurückliegende) Bürgerkriegsgeschichte zu bewältigen haben. Zwar weist das BJ darauf hin, dass das Bundesgericht bereits im Jahre 2003 eine Auslieferung an Serbien und Montenegro bewilligt habe. Beim zitierten Entscheid handelte es sich allerdings um die Auslieferung eines rechtskräftig verurteilten mehrfachen Vergewaltigers (Urteil 1A.159/2003 vom 15. September 2003). Im Rahmen der Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit muss die Sachdarstellung des Ersuchens namentlich die Prüfung ermöglichen, ob sich die Ermittlungen wegen angeblich "terroristischer" Umtriebe gegen eine terroristische Organisation im Sinne von
Art. 260
ter
Ziff. 1 StGB
richten (vgl.
BGE 128 II 355
E. 2.2-2.6 S. 360-363). Der vorliegende Fall verlangt aber auch die Ausleuchtung des politischen und völkerrechtlich-humanitären Kontextes. Weder darf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zu politischen Zwecken missbraucht werden, noch dürfen Hinweise auf den angeblich politischen Charakter einer Strafverfolgung dazu führen, dass Schwerkriminelle oder Terroristen von Strafverfolgung verschont bleiben.
6.2
Im angefochtenen Entscheid wird die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens wie folgt zusammengefasst: In den Jahren 1999-2000 bzw. ab 2002 habe der Verfolgte den "terroristischen
BGE 130 II 337 S. 346
Organisationen" OVPMB bzw. ANA ("Albanian National Army"/"Armée nationale albanaise") angehört. Mit den Mitgliedern dieser Organisationen habe er "einen ständigen Telefonkontakt aufrecht erhalten" und "vor allem eine beratende Rolle gespielt". Ausserdem habe er "seine Gesprächspartner zur Ausführung konkreter terroristischer Aktionen gegen Angehörige des Sicherheitsdienstes in Südserbien angestiftet und diese Aktionen vorbereitet bzw. koordiniert". Auch sei der Verfolgte "für die Bereitstellung von Geldmitteln zur Beschaffung von Ausrüstung sowie Waffen und Munition zuständig gewesen". Am 3. Februar 2003 habe die Organisation ANA "in Serbien einen Sicherheitsbeamten getötet". Die Täter hätten sich "danach im Haus des Verfolgten versteckt". Mitglieder der ANA hätten ausserdem am 2. März und 23. September 2003 "in Serbien Sprengkörper an verschiedenen Orten angebracht, welche in der Folge nicht explodiert" seien. Dem Verfolgten werde allerdings "keine direkte Tatbeteiligung" an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen.
(...)
7.
Es fragt sich, ob ausreichend abgeklärt ist, in welchem speziellen Kontext die Tatvorwürfe gegen den Verfolgten stehen.
7.1
Bei den Opfern der als "terroristisch" eingestuften "Untergrundaktionen" und Anschläge der ANA handelt es sich (nach Darstellung des Ersuchens) in erster Linie um Angehörige der serbischen Polizei- und Militärstreitkräfte in Südserbien. Angeschuldigt werden von serbischer Seite primär kosovo-albanische Sicherheitskräfte Südserbiens bzw. der "autonomen Provinz" Kosovo, nämlich Angehörige der von UNO/UNMIK, OSZE/OMIK und NATO/KFOR ab Mai 2001 eingesetzten und überwachten "multiethnischen" Polizei (MEP/"UNMIK Police"), die überwiegend aus ethnischen Albanern und teilweise auch aus Serben zusammengesetzt ist. Unbestrittenermassen sind vier der Mitbeschuldigten Angehörige der "multiethnischen" Polizeikräfte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die ehemaligen Bürgerkriegsparteien (kosovo-albanischer Widerstand und kosovarische Polizei sowie serbische Sicherheitskräfte) und deren Nachfolgeorganisationen sich gegenseitig gewaltsamer bzw. "terroristischer" Aktivitäten im südserbischen Krisengebiet bezichtigen.
Aber auch bei der Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit bleiben wesentliche Fragen offen. So ist nicht ausreichend abgeklärt, ob die
BGE 130 II 337 S. 347
Organisationen, die der Verfolgte angeblich unterstützte bzw. denen er angehört haben soll (1999-2000 OVPMB bzw. UCPMB, ab 2002 ANA) aufgrund von verlässlichen Informationen überhaupt als "terroristisch" eingestuft werden können. Trotz entsprechenden Nachfragen des BJ haben die serbischen Behörden keine Informationen zum Aufbau und zur Struktur der Organisationen OVPMB und ANA vorgelegt. Nach Angaben des Bundesamtes für Polizei (Dienst für Analyse und Prävention) hat die ANA "keine einheitliche militärisch-operative Führung". Über die Strukturen der OVPMB "liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor". Die ursprüngliche UCK kann kaum als "terroristisch" bezeichnet werden, zumal es sich dabei unbestrittenermassen um eine völkerrechtlich anerkannte Bürgerkriegspartei handelte. Namentlich war die Führung der UCK (zusammen mit anderen Repräsentanten der kosovo-albanischen Bevölkerung) als offizielle Verhandlungspartei an den (fehlgeschlagenen) Friedensgesprächen von Rambouillet im Februar 1999 beteiligt. Auch die Gleichstellung der Nachfolgegruppierungen OVPMB und ANA mit terroristischen Organisationen wie den italienischen "Brigate Rosse" oder der baskischen ETA erscheint problematisch. Zwar verweist das BJ auf einen Bericht des Bundesamtes für Polizei, wonach Politiker der US-Regierung und ein ehemaliger Leiter der UNO-Verwaltung im Kosovo die Nachfolgeorganisation ANA angeblich als "terroristisch" bezeichnet hätten. Es sind zu diesen Fragen jedoch keine Berichte der zuständigen internationalen Gremien (UNO, OSZE, ICTY) bzw. von deren Terrorismusexperten beigezogen worden, welche z.B. über die zuständigen Dienste des EDA eingeholt werden könnten. Verlässliche Informationen zur Struktur und zum Aufbau von OVPMB und ANA liegen wie erwähnt nicht vor.
7.2
Näher zu prüfen ist, ob die Vorwürfe gegen den Verfolgten politisch motiviert sein könnten und ob sie die Beurteilung der beidseitigen Strafbarkeit erlauben.
Die im Ersuchen dargelegten Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den fraglichen albanischen Gruppierungen um terroristische Organisationen im Sinne des schweizerischen und internationalen Strafrechts handelt, müssen als vage bezeichnet werden. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Hauptbetroffenen der als "terroristisch" eingestuften Untergrundaktionen und Anschläge der ANA nach Darstellung des Ersuchens um serbische Sicherheitskräfte. Angeschuldigt werden von serbischer Seite vorwiegend
BGE 130 II 337 S. 348
kosovo-albanische Sicherheitskräfte, nämlich Angehörige der ab 2001 von UNMIK und OSZE eingesetzten "multiethnischen" Polizei (MEP). Vier der Mitbeschuldigten (bzw. die Hauptangeschuldigten) sind unbestrittenermassen Angehörige dieser multiethnischen Polizeikräfte. Gemäss dem bei den Akten liegenden Kosovo-Bericht des U.S. State Department vom 25. Februar 2004 sei es vor allem der Einsetzung der "multiethnischen" Polizei zu verdanken, dass es ab 2002 zu einer starken Abnahme von Übergriffen der (ehemals serbischen) Polizei gegen ethnische Albaner in Südserbien gekommen ist. Bei der vorliegenden Strafuntersuchung stehen sich somit faktisch die ehemaligen Bürgerkriegsparteien gegenüber.
7.3
Dem Verfolgten wird sodann keine direkte Tatbeteiligung an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen (vgl. auch angefochtener Entscheid, S. 7 in fine). Vielmehr habe ein
Mitbeschuldigter
die Polizistenattentäter am 3. Februar 2003 für einen Tag im Haus des Verfolgten "untergebracht". Unklar erscheint auch, ob das betreffende Haus sich in Bujanovac oder in Veliki Trnovac befindet. Dem Verfolgten wird zwar die logistische Unterstützung der albanischen Organisationen OVPMB und ANA vorgeworfen. Nähere Informationen dazu sind jedoch gemäss den Angaben der serbischen Behörden nicht vorhanden. Dies gilt namentlich für die Art und Weise, die Umstände oder die Zeitpunkte der mutmasslichen Beschaffung von Geldmitteln und Waffen. Die vagen und teilweise widersprüchlichen Angaben im Ersuchen und dessen Ergänzungen kontrastieren mit den Medienmitteilungen der serbischen Regierung, wonach es sich beim (mit vollem Namen genannten) Verfolgten um den "main financier" und "mastermind of terrorism in Southern Serbia" handle. Sachdienliche Angaben dazu oder zum persönlichen, beruflichen und politischen Umfeld des Verfolgten bzw. zu seinem Werdegang und Verhalten in seiner Heimat und in der Schweiz enthält auch der angefochtene Entscheid nicht. Ebenso wenig wurden Informationen (etwa bei der UNMIK/OMIK) über die Hauptangeschuldigten eingeholt, bei denen es sich unbestrittenermassen um Angehörige der MEP handle.
7.4
Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe
bestimmt, dass Zeit, Ort und Umstände der Begehung der fraglichen Delikte "so genau wie möglich" anzugeben seien. Im vorliegenden Fall weisen die dem Verfolgten vorgeworfenen Delikte zweifelsohne einen politischen Konnex auf. Es sind daher erhöhte Anforderungen an die Ausführlichkeit, Widerspruchsfreiheit und Verlässlichkeit des Ersuchens
BGE 130 II 337 S. 349
zu verlangen. Zum einen erscheint dies erforderlich, damit die Einrede des politischen Deliktes sachgerecht beurteilt werden kann (vgl. oben, E. 3). Zum andern sind nähere verlässliche Angaben notwendig, um - im Falle einer Auslieferung - gegenüber dem ersuchenden Staat genau festlegen zu können, für welche Straftaten die Auslieferung erfolgt (vgl.
BGE 128 II 355
E. 2.2-2.6 S. 360-363).
Das vorliegende Ersuchen und seine (sich teilweise widersprechenden) Ergänzungen genügen diesen Anforderungen nicht. Dieser Mangel kann nicht dadurch wettgemacht werden, dass die Auslieferung mit dem Hinweis versehen wird, die serbischen Behörden dürften den Verfolgten wegen allfälliger politischer Hintergründe nicht verfolgen oder bestrafen. Ohne ausreichende Abklärungen zum Sachverhalt ist es im vorliegenden kontroversen Fall nicht möglich, die Einrede des politischen Deliktes zu beurteilen (vgl.
BGE 128 II 355
E. 4.2 S. 365, E. 4.3 S. 365 f.). Ebenso wenig kann geprüft werden, inwieweit hier das Rechtshilfeerfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Dies gilt namentlich für die Tatbestandsmerkmale von
Art. 260
ter
Ziff. 1 StGB
(vgl.
BGE 128 II 355
E. 2.2-2.6 S. 360-363) oder
Art. 260
quinquies
StGB
(vgl. dazu FORSTER, a.a.O., S. 443 ff.).
7.5
Im vorliegenden Fall bedürfte auch die Frage des Alibis weiterer Abklärungen. Im Ersuchen wird dem Verfolgten die Beteiligung an "terroristischen" Aktivitäten in Südserbien im Zeitraum von 3. Februar bis 9. März 2003 bzw. 23. September 2003 vorgeworfen. Wie im angefochtenen Entscheid eingeräumt wird, hat der Verfolgte diesbezüglich Alibis geltend gemacht und dokumentiert. Insbesondere will er sich an den fraglichen Daten nicht in Serbien, sondern nachweisbar an seinem Wohn- und Arbeitsort in der Schweiz aufgehalten haben. Das BJ verweist darauf, dass die serbischen Behörden über die Alibihinweise "informiert" worden seien; "ein Rückzug des Auslieferungsersuchens" sei jedoch nicht erfolgt. Das BJ vertritt die Auffassung, selbst wenn sie zuträfen, änderten die Alibis nichts an der Zulässigkeit der Auslieferung, da sie sich nicht auf sämtliche Anklagepunkte bezögen.
Diese Argumentation greift zu kurz. Alibis für die Tatvorwürfe im Jahre 2003 könnten zumindest zu einer Begrenzung der Rechtshilfe (auf die allfälligen verbleibenden Anklagepunkte) führen. Im Übrigen ist aufgrund der vorliegenden Akten darauf hinzuweisen, dass
BGE 130 II 337 S. 350
bei einem Wegfall der Tatvorwürfe betreffend das Jahr 2003 nur noch sehr vage und strafrechtlich kaum qualifizierbare Vorwürfe gegen den Verfolgten übrig blieben. Nähere Angaben zur angeblichen logistischen Unterstützung (Art und Weise - insbesondere Zeitpunkte und Bezugskanäle - der Beschaffung von Geld und Waffen) werden im Ersuchen und dessen Ergänzungen nicht gemacht. Die ersuchende Behörde hat demgegenüber das Protokoll der untersuchungsrichterlichen Einvernahme eines Mitangeschuldigten vom 1. Oktober 2003 eingereicht. Danach habe es sich beim Verfolgten "sicher nicht" um ein Mitglied der ANA gehandelt.
7.6
Schliesslich ist auch auf alarmierende Berichte des UNHCR, der OSZE und von diversen Menschenrechtsorganisationen aus den Jahren 2003 und 2004 hinzuweisen über verschiedene Fälle von menschenrechtswidriger erniedrigender Behandlung durch serbische Polizeikräfte, namentlich gegen inhaftierte mutmassliche kosovo-albanische Nationalisten und Extremisten. Aus dem Rechtshilfedossier ergeben sich sodann ernsthafte Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass im vorliegenden Fall Mitbeschuldigte des Verfolgten im serbischen Polizeigewahrsam massiv misshandelt wurden. Daher ist die Menschenrechtslage in Serbien und Montenegro - im Hinblick auf die politische Relevanz der erhobenen Tatvorwürfe - näher abzuklären.
7.7
Nach dem Gesagten können aufgrund des Ersuchens und der vorliegenden Akten weder die Einrede der politischen Verfolgung noch die übrigen geltend gemachten Auslieferungshindernisse ausreichend geprüft werden. Dies gilt namentlich für die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit. Was die Einrede des politischen Deliktes betrifft, so hat zwar das Bundesgericht erstinstanzlich darüber zu entscheiden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesgerichtes, in Auslieferungsfällen die notwendigen Sachabklärungen selber zu treffen. Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat daher das zuständige BJ tatsächliche Abklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen (vgl.
BGE 128 II 355
E. 1.1.2 S. 358). Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, drängen sich im vorliegenden Fall weitere Sachabklärungen auf.
Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Auf den Antrag des BJ, es sei die Einrede des
BGE 130 II 337 S. 351
politischen Deliktes abzuweisen, kann zurzeit nicht eingetreten werden. Das Rechtshilfedossier ist zu ergänzenden Sachverhaltsabklärungen, zur Neubeurteilung (betreffend Auslieferungsvoraussetzungen) und zur neuen Antragstellung (betreffend die Einrede des politischen Delikts) an das BJ zurückzuweisen. | mixed |
cef21647-1263-44e1-b8f6-33ab3e4a4632 | Sachverhalt
ab Seite 356
BGE 128 II 355 S. 356
A.-
Gestützt auf ein italienisches Verhaftsersuchen vom 6. Oktober 1998 wurde Nicola Bortone am 10. März 2002 in Zürich festgenommen. Anlässlich seiner Einvernahme vom 11. März 2002 widersetzte sich Nicola Bortone einer vereinfachten Auslieferung im Sinne von
Art. 54 IRSG
. Gleichentags erliess das Bundesamt für Justiz (BJ) einen Auslieferungshaftbefehl. Am 22. März 2002 übermittelte die italienische Botschaft in Bern dem BJ das Ersuchen um Auslieferung von Nicola Bortone sowie Sachauslieferung beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte. Das Ersuchen stützt sich auf einen Haftbefehl des Tribunale di Roma vom 12. September 1989, mit welchem der Verfolgte wegen Förderung, Gründung und Organisation der terroristischen Gruppierung "Brigate Rosse" gesucht wird, und auf das Urteil der Corte di Assise di Roma vom 18. September 2001, welche den Verfolgten wegen Beteiligung an einer subversiven Vereinigung gegen die Verfassungsordnung und Beteiligung an einer bewaffneten Bande zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilte.
BGE 128 II 355 S. 357
B.-
Am 10. Juli 2002 stellte Nicola Bortone beim BJ ein Gesuch um Haftentlassung. Am 23. Juli 2002 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, "die Auslieferung für die dem Verfolgten im Urteil des Schwurgerichtes (Corte di Assise) in Rom vom 18. September 2001 vorgeworfenen Straftaten sei zu bewilligen, eventuell in einem vom Bundesgericht festzulegenden Umfang". Hinsichtlich des hängigen Haftentlassungsbegehrens führte es aus, nach
Art. 50 Abs. 3 und 4 IRSG
sei zwar das BJ für die Behandlung des Gesuches um Entlassung aus der Auslieferungshaft zuständig. Indessen gehe die Zuständigkeit aufgrund der "devolutiven Wirkung" im Rahmen des gestellten Antrages gemäss
Art. 55 Abs. 2 IRSG
auf das Bundesgericht über. Mit Teilentscheid vom 29. Juli 2002 wies das Bundesgericht das Haftentlassungsgesuch ab.
C.-
Der Verfolge beantragte die Verweigerung der Auslieferung. Die Auslieferung wird vom Bundesgericht bewilligt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen der Republik Italien richtet sich zunächst nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sowie dem Zweiten Zusatzprotokoll zum EAUe vom 17. März 1978 (SR 0.353.12), welchen beide Staaten beigetreten sind. Soweit dem Verfolgten die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, ist sodann das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (EÜBT; SR 0.353.3) zu berücksichtigen, welches von Italien und der Schweiz ebenfalls ratifiziert wurde (vgl.
BGE 125 II 569
E. 9a S. 577). Soweit die genannten Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, kommt das schweizerische Landesrecht zur Anwendung, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11; vgl.
Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG
).
1.1
Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Verfolgte ausdrücklich geltend gemacht, dass sich im vorliegenden Fall die Frage einer Strafverfolgung wegen eines "politischen Deliktes" stelle.
1.1.1
Über ausländische Auslieferungsersuchen entscheidet das BJ (
Art. 55 Abs. 1 IRSG
). Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat,
BGE 128 II 355 S. 358
so entscheidet das Bundesgericht (darüber) auf Antrag des Bundesamtes und nach Einholung einer Stellungnahme des Verfolgten (
Art. 55 Abs. 2 IRSG
). Das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 25 IRSG
bzw.
Art. 97 ff. OG
) ist sinngemäss anwendbar (
Art. 55 Abs. 3 IRSG
).
1.1.2
Aus dem Wortlaut von
Art. 55 Abs. 2 IRSG
geht nicht ohne weiteres hervor, ob das Bundesgericht in Fällen, in denen sich die Frage eines politischen Delikts stellt, über sämtliche Voraussetzungen der Auslieferung als erste und einzige Instanz zu entscheiden hat oder ob diese Zuständigkeit auf die Frage des politischen Delikts beschränkt ist. Die bisherige Rechtsprechung gibt hierüber keine klare und eindeutige Antwort. In gewissen Fällen prüfte das Bundesgericht auf Einrede des politischen Deliktes hin sämtliche Aspekte des Auslieferungsfalles als erste und einzige Instanz, in anderen beschränkte es sich auf die Prüfung des politischen Charakters der Straftat (vgl.
BGE 125 II 569
E. 9 S. 577;
BGE 122 II 373
E. 1d S. 376;
BGE 111 Ib 138
E. 1 S. 140 f.;
BGE 110 Ib 280
f.). Zum Teil wurde das Bundesgericht als Rechtsmittelinstanz mit der Frage des politischen Delikts konfrontiert; es fasste in diesen Fällen den angefochtenen Entscheid, soweit dieser das Vorliegen eines politischen Delikts verneinte, als Antrag des Bundesamtes auf (vgl.
BGE 122 II 373
E. 1d S. 376).
Es kann grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, in Auslieferungs- und Sachauslieferungsentscheiden die notwendigen Sachabklärungen selber zu treffen. Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat das Bundesamt die Sachabklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen. Deswegen wäre es naheliegend, die erst- und einziginstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichts auf die Frage des politischen Delikts zu beschränken und im Übrigen die Entscheidungsbefugnis beim Bundesamt zu belassen. Dafür würden auch Rechtsschutzgründe bzw. die dem IRSG zugrunde liegende Aufgabenteilung zwischen dem Bundesamt als verfügender Fachbehörde und dem Bundesgericht als Rechtspflegeinstanz sprechen (vgl.
Art. 17 Abs. 2,
Art. 25 und
Art. 55 Abs. 1 IRSG
).
1.1.3
Im Bundesgerichtsurteil A.164/1987 vom 10. Juli 1987 (E. 1b) wurde entschieden, dass das Bundesgericht nur über die Einsprache des politischen Deliktes als erste und einzige Instanz entscheidet. In solchen Fällen habe das Bundesamt einen Entscheid über die übrigen Voraussetzungen der Auslieferung zu erlassen. Dieser Entscheid könne mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde (nach
Art. 25
BGE 128 II 355 S. 359
IRSG
) beim Bundesgericht angefochten werden. Der Auslieferungsentscheid des Bundesamtes erfolge in solchen Fällen unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheides über die Einsprache des politischen Deliktes (vgl. auch
BGE 110 Ib 280
f. sowie Urteil A.189/1986 vom 1. Oktober 1986, E. 1a).
1.1.4
Namentlich funktionelle Gesichtspunkte legen es nahe, die Zuständigkeitsregelung von
Art. 55 IRSG
im Sinn des soeben zitierten Präjudizes auszulegen. Einerseits kann dem Rechtsschutz besser Rechnung getragen werden, und andererseits lässt sich eine aufgabengerechte Abgrenzung der Zuständigkeiten vornehmen, welche auch in verfahrensmässiger Hinsicht zu befriedigen vermag. Es ist in allen Fällen, in denen sich die Frage des politischen Delikts stellt, auf die im zitierten Entscheid A.164/1987 beschriebene Weise vorzugehen. Demnach müsste die vorliegende Angelegenheit an das Bundesamt zurückgewiesen werden, damit dieses zuerst über das Auslieferungsersuchen - unter dem Vorbehalt der Frage des politischen Delikts - entscheiden würde. Ausnahmsweise ist davon abzusehen. Die bisherige Rechtsprechung war - wie gezeigt - nicht eindeutig. Es rechtfertigt sich deshalb, im Interesse der Prozessökonomie und angesichts des Beschleunigungsgebots in Auslieferungssachen eine Ausnahme zu machen und das streitige Auslieferungsersuchen direkt und abschliessend durch das Bundesgericht zu beurteilen. Es wird jedoch inskünftig auf die dargelegte Weise vorzugehen sein.
1.2
Das Bundesgericht hat mit Teilentscheid vom 29. Juli 2002 (aus Beschleunigungsgründen) über das Haftentlassungsgesuch entschieden, welches vom Verfolgten am 10. Juli 2002 beim BJ gestellt worden war. Zur Zuständigkeit in Haftprüfungssachen ist hier Folgendes festzuhalten:
Der in Auslieferungshaft Versetzte kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen und ablehnende Verfügungen des BJ an die Anklagekammer des Bundesgerichtes weiterziehen (Art. 50 Abs. 3 Satz 2 i.V.m.
Art. 48 Abs. 2 IRSG
). Während eines vor Bundesgericht hängigen Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahrens betreffend Auslieferung bzw. nach Einreichung eines Antrages im Sinne von
Art. 55 Abs. 2 IRSG
durch das BJ ist die I. öffentlichrechtliche Abteilung für die Behandlung von Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen zuständig (
BGE 117 IV 359
E. 1a S. 360 f.).
Im vorliegenden Fall hat der Verfolgte das Haftentlassungsgesuch am 10. Juli 2002 beim BJ eingereicht. Damals lag die Verfahrensherrschaft und damit auch die Zuständigkeit zur Beurteilung des Haftentlassungsgesuches beim BJ. Dieses war gehalten, so rasch wie
BGE 128 II 355 S. 360
möglich darüber zu entscheiden (vgl.
Art. 31 Abs. 4 BV
,
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
[SR 0.101]). Den Antrag gemäss
Art. 55 Abs. 2 IRSG
stellte das BJ erst am 23. Juli 2002. Es ging daher nicht an, das Haftentlassungsgesuch solange unbehandelt zu lassen und es zusammen mit dem Auslieferungsantrag dem Bundesgericht zu überweisen.
2.
Im Auslieferungsantrag vertritt das Bundesamt für Justiz den Standpunkt, dass die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt sei. Das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten falle nach schweizerischem Recht unter die Tatbestände von
Art. 260ter und
Art. 275ter StGB
.
2.1
Nach Massgabe des EAUe sind die Vertragsparteien grundsätzlich verpflichtet, einander Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden (
Art. 1 EAUe
). Auszuliefern ist wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe (oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme) im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen (
Art. 2 Ziff. 1 EAUe
; vgl. auch
Art. 35 Abs. 1 IRSG
).
2.2
Gemäss
Art. 260ter Ziff. 1 StGB
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt.
Art. 260ter Ziff. 1 StGB
ist grundsätzlich auch auf terroristische Vereinigungen anwendbar (
BGE 125 II 569
E. 5c S. 574; s. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers], BBl 1993 III 277ff., 296; vgl. GUNTHER ARZT, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998,
Art. 260ter StGB
N. 17 f.; MARC FORSTER, Kollektive Kriminalität, Das Strafrecht vor der Herausforderung durch das organisierte Verbrechen, Bibliothek zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Beiheft 27,
BGE 128 II 355 S. 361
Basel 1998, S. 9; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 4. Aufl., Bern 1995, § 40 N. 21). Nach der Praxis des Bundesgerichtes stellen namentlich die "Brigate Rosse" eine terroristische verbrecherische Organisation im Sinne von
Art. 260ter Ziff. 1 StGB
dar (vgl.
BGE 125 II 569
E. 5c-d S. 574 f.).
2.3
Dem Verfolgten wird vorgeworfen, er sei von 1985 bis September 1989 als Gründer, Mitglied und Förderer der "Brigate Rosse" in Rom, Florenz, Mailand, Forlì und Neapel tätig gewesen. Er sei in Italien bei mehreren Treffen von Führungsmitgliedern der "Brigate Rosse" anwesend gewesen und habe sich auch heimlich nach Frankreich begeben, um von der Leitung der terroristischen Organisation Instruktionen entgegenzunehmen. Für die Finanzierung der Reise und des Aufenthaltes habe der Verfolgte von der Organisation LIT 3 Mio. erhalten bzw. mitgeführt. In der von ihm benutzten Wohnung an der Pariser rue de Faubourg Saint-Antoine seien (neben internen Dokumentationen der "Brigate Rosse") drei kugelsichere Westen sowie Munition gefunden worden. Zwar erscheine er nicht als einer der führenden "Drahtzieher" und Organisatoren der "Brigate Rosse". Er sei jedoch deren Mitglied gewesen, habe ihnen unterstützend zur Verfügung gestanden und sich bei seiner Verhaftung als militanter Revolutionär ausdrücklich zur Organisation bekannt.
2.4
Als Beteiligte im Sinne von
Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB
sind alle Personen anzusehen, welche funktionell in die kriminelle Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren verbrecherische Zweckverfolgung Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten brauchen (für sich allein) nicht notwendigerweise illegal bzw. konkrete Straftaten zu sein. Es genügen namentlich auch logistische Vorkehren, die dem Organisationszweck unmittelbar dienen (wie z.B. Auskundschaften, Planen oder Bereitstellen der operativen Mittel, insbesondere Beschaffen von Fahrzeugen, Kommunikationsmitteln oder Finanzdienstleistungen usw.). Die Beteiligung setzt auch keine massgebliche Funktion innerhalb der Organisation voraus. Sie kann informeller Natur sein oder auch geheim gehalten werden (vgl. BBl 1993 III 301; FORSTER, a.a.O., S. 11).
Bei Personen, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind, kommt nur die Tatvariante der Unterstützung in Frage. Diese verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. Im Gegensatz zur Gehilfenschaft zu spezifischen Straftaten (
Art. 25 StGB
) ist für die Unterstützung nach
Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB
der Nachweis von kausalen Tatbeiträgen
BGE 128 II 355 S. 362
im Hinblick auf ein konkretes Delikt nicht erforderlich (vgl. FORSTER, a.a.O., S. 11, 24; STRATENWERTH, a.a.O., § 40 N. 26). So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Organisationstatbestand von
Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB
fallen. Dementsprechend besteht zwischen der Beihilfe zu konkreten Straftaten und dem Organisationstatbestand auch grundsätzlich echte Konkurrenz (vgl. BBl 1993 III 304; FORSTER, a.a.O., S. 13). Der subjektive Tatbestand von
Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB
verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Was das Verwalten von Vermögenswerten betrifft, setzt der Organisationstatbestand (im Gegensatz zum Geldwäschereitatbestand,
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
) allerdings nicht voraus, dass der Unterstützende weiss oder annehmen muss, dass die Vermögenswerte aus einem konkreten Verbrechen herrühren. Blosse Sympathisanten oder "Bewunderer" von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber nicht unter den Organisationstatbestand (vgl. BBl 1993 III 302; ARZT, a.a.O.,
Art. 260ter StGB
N. 163 f.; FORSTER, a.a.O., S. 11).
2.5
Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die gegen den Verfolgten erhobenen Vorwürfe nach schweizerischem Recht unter die Tatvariante der Beteiligung an oder unter diejenige der Unterstützung einer kriminellen Organisation fielen. Gemäss der Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens wird dem Verfolgten nicht bloss das Sympathisieren mit den "Brigate Rosse" vorgeworfen. Zwar sei er nicht als einer der führenden Organisatoren der terroristischen Vereinigung anzusehen. Er habe sich jedoch ausdrücklich als deren militantes Mitglied bekannt und sei ihr auch als Gründer und Unterstützer aktiv zur Verfügung gestanden. Als Indizien dafür werden u.a. seine Anwesenheit bei verschiedenen Treffen von führenden Leitungsorganen der terroristischen Vereinigung im In- und Ausland genannt sowie das Entgegennehmen eines namhaften Geldbetrages der Organisation bzw. von logistischen Instruktionen. Ausserdem seien in einer vom Verfolgten (als letztem) benutzten Pariser Wohnung diverses Material der "Brigate Rosse" (interne Berichte, Protokolle von konspirativen Treffen, psychologische Tests usw.), drei kugelsichere Westen sowie umfangreiche Munition (darunter 230 Schuss des Kalibers 9 mm "Parabellum") gefunden worden. Als Verbrechen, die den "Brigate Rosse" zuzurechnen
BGE 128 II 355 S. 363
seien, werden namentlich mehrere Mordanschläge gegen Politiker und Personen des öffentlichen Lebens genannt.
2.6
Bei dieser Sachlage fielen die gegen den Verfolgten erhobenen Vorwürfe grundsätzlich unter den Tatbestand von
Art. 260ter Ziff. 1 StGB
. Wie bereits dargelegt, setzt dieser nicht den Nachweis voraus, dass sich der Verfolgte selbst an illegalen Aktionen bzw. an Straftaten der "Brigate Rosse" beteiligt hätte. Ebenso wenig braucht der Verfolgte in führender Position für die Zweckverfolgung der Organisation aktiv gewesen zu sein. Nach Einschätzung der Corte di Assise di Roma handelt es sich beim Verfolgten um einen Beteiligten, der in der Struktur der Organisation integriert war ("si trattava comunque di soggetti sicuramente interni alle BR"; "pieno inserimento nell'organizzazione criminosa"). Als eigentlicher Organisator sei er jedoch nicht anzusehen ("esclusa per quest'ultimo la qualità di organizzatore"). Das Vorbringen des Verfolgten, wonach er weder der Organisation angehört, noch sie unterstützt, sondern sich lediglich "dazu entschlossen" habe, ihre "politische Linie zu studieren und sich mit ihr auseinanderzusetzen", widerspricht der Sachdarstellung des Ersuchens bzw. den Erwägungen im Urteil der Corte di Assise.
Nach dem Gesagten kann offen bleiben, ob der inkriminierte Sachverhalt nach schweizerischem Recht zusätzlich unter den Tatbestand von
Art. 275ter StGB
(staatsgefährdende rechtswidrige Vereinigung) fiele.
2.7
Der dem Verfolgten vorgeworfene Sachverhalt ist gemäss den Beilagen zum Ersuchen (Urteil der Corte di Assise di Roma vom 18. September 2001) auch nach italienischem Recht strafbar (nämlich als "partecipazione ad associazione eversiva dell'ordine costituzionale" bzw. als "partecipazione a banda armata", Art. 270bis bzw. Art. 306 des italienischen Codice penale; vgl. dazu auch
BGE 125 II 569
E. 5a, b S. 571 f.). Der Verfolgte wurde zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Damit ist das Auslieferungserfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt (vgl.
Art. 2 Ziff. 1 EAUe
). Dieses verlangt nicht, dass die verfolgten Delikte nach dem Recht beider Staaten unter gleich lautende Straftatbestände fallen müssten (vgl.
BGE 117 Ib 337
E. 4a S. 342).
4.
Der Verfolgte macht sodann geltend, die "Brigate Rosse" hätten zwar "ihren Kampf für eine sozialistische Revolution bewaffnet geführt" und "politische Gewalt als Mittel des Kampfes" eingesetzt. Dennoch seien die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe grundsätzlich
BGE 128 II 355 S. 364
als politisches Delikt zu qualifizieren. Das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da dem Verfolgten keine konkreten Delikte im Sinne dieses Übereinkommens vorgeworfen würden.
4.1
Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine politische oder eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird (
Art. 3 Ziff. 1 EAUe
; vgl. auch
Art. 3 Abs. 1 IRSG
).
Gemäss
Art. 2 Ziff. 1 EÜBT
, dem Italien und die Schweiz beigetreten sind, kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammenhängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin unter
Art. 1 EÜBT
fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen, oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (
Art. 2 Ziff. 3 EÜBT
).
Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen (
Art. 1 lit. c EÜBT
). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden (
Art. 1 lit. d und e EÜBT
). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe (
Art. 1 lit. f EÜBT
).
4.2
In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannten "absolut" politischen und "relativ" politischen Delikten unterschieden. "Absolut" politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat (
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578;
BGE 115 Ib 68
E. 5a S. 85;
BGE 113 Ib 175
E. 6a S. 179, je mit Hinweisen). Ein "relativ" politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. Der
BGE 128 II 355 S. 365
vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen (
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578;
BGE 124 II 184
E. 4b S. 186 ff.;
BGE 117 Ib 64
E. 5c S. 89;
BGE 115 Ib 68
E. 5 S. 84 ff.;
BGE 113 Ib 175
E. 6b S. 180, je mit Hinweisen; vgl. CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, in: ZStrR 103/1986 S. 23 ff.; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Bern 1999, N. 385 S. 300 f.). Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich erscheinen zu lassen (
BGE 125 II 569
E. 9b S. 578;
BGE 110 Ib 280
E. 6d S. 285). Zu denken ist hier namentlich an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in aller Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines "Tyrannenmordes") das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde (vgl.
BGE 109 Ib 64
E. 6a S. 71 f.; ROUILLER, a.a.O., S. 31; ZIMMERMANN, a.a.O., N. 385 S. 301).
4.3
Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition (
BGE 125 II 569
E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen (
Art. 260ter StGB
), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen (
Art. 275ter StGB
) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten (vgl. dazu FORSTER, a.a.O., S. 8 ff., 15 ff.). Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen (wie in E. 2.2 erwähnt) neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien,
BGE 128 II 355 S. 366
oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (vgl. BBl 1993 III 296; FORSTER, a.a.O., S. 9 f.; STEFAN TRECHSEL, StGB-Kommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 2 zu
Art. 260ter StGB
; s. rechtsvergleichend auch KAY HAILBRONNER/VOLKER OLBRICH, Internationaler Terrorismus und Auslieferungsrecht, in: Archiv des Völkerrechts 24/1986 S. 434 ff., 437 f., 445 f.). Die "Brigate Rosse" gehören nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu den kriminellen terroristischen Organisationen (vgl.
BGE 125 II 569
E. 5c-d S. 574 f.) und nicht zu den Gruppierungen, die sich mit angemessenen (oder zumindest noch vertretbaren) Mitteln am Kampf um die politische Macht in ihrer Heimat beteiligen. Nach dem Gesagten ist die Beteiligung an (bzw. die Unterstützung) dieser Organisation grundsätzlich nicht als "politisches" Delikt im Sinne von
Art. 3 Ziff. 1 EAUe
anzusehen.
Im vorliegenden Fall wird dem Verfolgten nicht nur eine Beteiligung an Staatsschutzdelikten bzw. an "staatsgefährdenden Umtrieben" vorgeworfen. Italien ersucht vielmehr um Auslieferung des Verfolgten wegen dessen Beteiligung an einer für schwere Gewaltverbrechen verantwortlichen terroristischen Organisation.
4.4
Nach dem Gesagten braucht nicht geprüft zu werden, ob darüber hinaus eine Auslieferung gestützt auf Art. 1 bzw.
Art. 2 EÜBT
zulässig erschiene (vgl.
BGE 125 II 569
E. 9c, d S. 578 ff.). Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass
Art. 1 lit. f und
Art. 2 Ziff. 3 EÜBT
auch die "Beteiligung" an terroristischen Gewalttaten "als Mittäter oder Gehilfe" als Ausschlussgrund für ein politisches Delikt nennen und dass die Beteiligung an bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach schweizerischem Recht (
Art. 260ter StGB
) eine teilnahmerechtliche "lex specialis" darstellt (vgl. BBl 1993 III 304; FORSTER, a.a.O., S. 24).
5.
Im Antrag des Bundesamtes für Justiz wird dargelegt, dass zwar bereits ein französisches Strafurteil (der 10e Chambre correctionelle du Tribunal de Grande Instance de Paris) vom 23. April 1992 vorliege, gemäss dem der Verfolgte zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die dem Urteil zugrunde liegenden inkriminierten Sachverhalte seien jedoch mit denjenigen des italienischen Auslieferungsersuchens nicht identisch.
5.1
Der Verfolgte wendet dagegen ein, die Vorwürfe der italienischen Behörden (gestützt auf das Urteil der Corte di Assise di Roma)
BGE 128 II 355 S. 367
würden sich "exakt" mit dem Sachverhalt decken, der dem Verfolgten "schon in Paris eine mehrjährige (und vollstreckte) Strafe" eingebracht habe. In jedem Fall sei ihm der Strafvollzug in Frankreich (im Rahmen einer "Gesamtstrafe") anzurechnen.
5.2
Gemäss dem in
Art. 9 EAUe
verankerten Grundsatz "ne bis in idem" wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn der Verfolgte wegen Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, von den zuständigen Behörden des ersuchten Staates rechtskräftig abgeurteilt worden ist. Die Auslieferung kann auch abgelehnt werden, wenn die zuständigen Behörden des ersuchten Staates entschieden haben, wegen derselben Handlungen kein Strafverfahren einzuleiten oder ein bereits eingeleitetes Strafverfahren einzustellen.
Art. 4 des Protokolles Nr. 7 zur EMRK vom 22. November 1984 (SR 0.101.07; für die Schweiz in Kraft seit 1. November 1988) bestimmt, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf (Abs. 1). Der Grundsatz "ne bis in idem" ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2). Er gilt nach der Praxis des Bundesgerichtes ausserdem als Grundsatz des Bundesstrafrechts und lässt sich direkt aus der Bundesverfassung ableiten (vgl.
BGE 120 IV 10
E. 2b S. 12). Gemäss IRSG wird einem Rechtshilfeersuchen nicht entsprochen, wenn der Richter den Verfolgten in der Schweiz oder im Tatortstaat freigesprochen oder wenn er das Verfahren aus materiellrechtlichen Gründen eingestellt hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 IRSG).
5.3
Wie den Rechtshilfeakten zu entnehmen ist, wurde dem Verfolgten von den französischen Behörden vorgeworfen, er habe von Juni 1989 bis 2. September 1989 (Verhaftung in Paris) auf französischem Boden bzw. in Paris als Angehöriger einer Bande konkrete Delikte gegen Personen und Vermögensgegenstände vorbereitet ("d'avoir ensemble et de concert à Paris et sur le territoire français, participé à une association formée ou à une entente établie en vue de la préparation concrétisée par un ou plusieurs faits matériels d'un ou plusieurs crimes contre les personnes et les biens"). Ausserdem wurde er beschuldigt, er habe im gleichen Zeitraum in Paris ein illegales Munitionslager unterhalten ("détenu un dépôt de munitions des première et quatrième catégories; en l'espèce: deux cent trente cartouches de calibre 9 mm Parabellum, cent cartouches de marque
BGE 128 II 355 S. 368
Frocchi, cinquante cartouches de calibre 357 Magnum et soixante-dix cartouches de calibre 45 HP"). Dafür wurde der Verfolgte von der 10e Chambre correctionelle du Tribunal de Grande Instance de Paris am 23. April 1992 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Im Gegensatz zum französischen Urteil werden dem Verfolgten im Strafurteil der Corte di Assise di Roma vom 18. September 2001 keine konkreten illegalen Handlungen auf französischem Boden vorgeworfen. Vielmehr wurde er verurteilt, weil er von 1985 bis 1989 in Rom, Florenz, Mailand, Forlì und Neapel als Gründer, Mitglied und Förderer der terroristischen Vereinigung "Brigate Rosse" tätig gewesen sei. Im Strafurteil der Corte di Assise di Roma wird dem französischen Strafurteil vom 23. April 1992 im Übrigen ausdrücklich Rechnung getragen. Nach dem Gesagten steht das französische Urteil einer Auslieferung nach Italien (wo die "Brigate Rosse" ihre Hauptstützpunkte hatten und auch ihre primären verbrecherischen Aktivitäten ausübten) nicht im Wege. Inwieweit der Grundsatz "ne bis in idem" allenfalls eine Anrechnung von bereits vollzogener Untersuchungshaft oder Strafe gebieten würde, ist nicht vom Rechtshilferichter, sondern von den Behörden des ersuchenden Staates zu prüfen. | mixed |
00a8dcc3-ad18-4e46-af1f-c90a76f30d8a | Erwägungen
ab Seite 606
BGE 112 Ib 606 S. 606
Aus den Erwägungen:
b)
Art. 321 StGB
stellt u.a. die Verletzung des Berufsgeheimnisses durch Rechtsanwälte unter Strafe. Diese Bestimmung wurde erlassen, um die Ausübung der darin aufgezählten Berufe im öffentlichen Interesse zu erleichtern, und findet ihre Rechtfertigung in der Überlegung, dass diese Berufe nur dann richtig und einwandfrei ausgeübt werden können, wenn das Publikum auf Grund einer unbedingten Garantie der Verschwiegenheit das unentbehrliche Vertrauen zum Inhaber des Berufes hat (
BGE 87 IV 108
E. 2b). Bei der Beziehung zwischen Anwalt und Klient muss vorausgesetzt werden dürfen, dass der Klient voll auf die Verschwiegenheit des Anwalts vertrauen darf. Wenn der Klient sich ihm nicht rückhaltslos
BGE 112 Ib 606 S. 607
anvertraut und ihm nicht Einblick in alle erheblichen Verhältnisse gewährt, so ist es für den Anwalt schwer, ja unmöglich, den Klienten richtig zu beraten und ihn im Prozess wirksam zu vertreten. Soll der Anwalt auf das für ihn notwendige Vertrauen zählen können, setzt dies daher voraus, dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht in bezug auf diejenigen Tatsachen zusteht, die ihm infolge seines Berufes anvertraut worden sind oder die er in dessen Ausübung wahrgenommen hat. Andernfalls müsste der Klient damit rechnen, dass der von ihm beigezogene Anwalt eines Tages möglicherweise zur Preisgabe der ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauten Tatsachen gezwungen würde, obwohl dem Klient selber möglicherweise in bezug auf diese Tatsachen ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen könnte (vgl. dazu
BGE 91 I 205
/206 E. 3 mit Hinweisen). Dass mit diesem Zeugnisverweigerungsrecht die Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung möglicherweise erhöht werden, muss in einem Rechtsstaat in Kauf genommen werden.
Im Hinblick auf diese Konsequenzen und die für den Geheimnisträger bestehende Verpflichtung zur Geheimniswahrung erstreckt sich das Berufsgeheimnis, wie der Wortlaut von
Art. 321 StGB
deutlich zeigt, nur auf Tatsachen, die der Klient seinem Anwalt anvertraut, um ihm die Ausübung des Mandates zu ermöglichen, oder die der Anwalt in Ausübung seines Berufes wahrnimmt. Insoweit dürfen die Geheimnisse weder durch mündliche oder schriftliche Mitteilung noch indirekt durch Aushändigung von Schriftstücken oder andern Sachen, die das Geheimnis betreffen, verraten werden. Es handelt sich hiebei um eine strikte Verpflichtung, die auch nach der Aufhebung der vertraglichen Beziehungen zwischen Anwalt und Klient weiterbesteht; dabei ist bedeutungslos, ob diese Beziehungen infolge von Erfüllung, Kündigung oder Widerruf des Mandats, Tod des Mandanten oder andern Umständen enden (vgl.
BGE 87 IV 107
E. 2 mit Hinweisen; RStrS 1973 S. 25/26 Nr. 455). Auf der andern Seite ist der Anwalt nicht zur Verschwiegenheit bezüglich solcher Tatsachen gehalten, die er als Privatperson wahrgenommen hat oder die allgemein bekannt sind, so dass der Klient zum vornherein kein Interesse haben kann, sie gegenüber irgendwem geheimzuhalten (vgl.
BGE 101 Ia 11
/12 E. 5c mit Hinweisen;
BGE 75 IV 73
/74 E. 1). In gleicher Weise ist beim Anwaltsgeheimnis und dem damit korrespondierenden Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts zwischen Anwalts- und Geschäftstätigkeit zu unterscheiden. Diese Unterscheidung
BGE 112 Ib 606 S. 608
drängt sich namentlich in Fällen auf, in denen der Anwalt ein Verwaltungsratsmandat bekleidet. Überwiegt in diesen Fällen das kaufmännische Element derart, dass die Tätigkeit des Anwalts nicht mehr als eine anwaltliche betrachtet werden kann, kann sich das Berufsgeheimnis auf diese Tätigkeit jedenfalls nicht in einem umfassenden Sinn erstrecken (vgl. hiezu den nicht veröffentlichten BGE vom 2. Juni 1986 i.S. M.; PETER BÖCKLI, Anwaltsgeheimnis und Fiskus im Rechtsstaat, in: Mitteilungen des Schweizerischen Anwaltsverbandes 1979, Nr. 64, S. 12 und 14; ALBERT-LOUIS DUPONT-WILLEMIN, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, in derselben Zeitschrift, 1986, Nr. 101, S. 22 ff.). Im Bereiche des ärztlichen Berufsgeheimnisses hat das Bundesgericht eine Verletzung desselben durch einen Arzt verneint, der, von der zuständigen IV-Kommission mit einer medizinischen Abklärung des Beschwerdeführers betraut, dessen schriftlich angebrachte Zweifel an der Zweckmässigkeit der Untersuchung der Kommission zur Kenntnis brachte. Das Bundesgericht erwog, die vom Beschwerdeführer geäusserten Zweifel seien nicht im Rahmen der zwischen Arzt und Patient bestehenden besonderen Beziehungen erfolgt (
BGE 106 IV 132
E. 2).
c) Diese Beispiele zeigen, dass die Entscheidung darüber, welche Tatsachen vom Berufsgeheimnis umfasst werden, nicht schematisch, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles getroffen werden kann. Dabei ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Tätigkeit des Anwalts im Zeitpunkt, in dem ihm die strittigen Tatsachen anvertraut wurden, tatsächlich eine anwaltliche war. Hat der Anwalt vertrauliche Tatsachen im Zusammenhang mit einer privaten, politischen, sozialen oder einer andern, nicht berufsspezifischen Tätigkeit erfahren, steht insoweit das Berufsgeheimnis und das damit korrespondierende Zeugnisverweigerungsrecht einer Auskunftserteilung nicht entgegen. Dabei sind zu den nicht berufsspezifischen Tätigkeiten namentlich auch Vermögensverwaltungen oder die Anlage von Geldern zu zählen, dies jedenfalls dann, wenn sie nicht mit einem zur normalen Anwaltstätigkeit gehörenden Mandat - so z.B. mit einer Güterausscheidung oder einer Erbteilung - verbunden sind. Von diesen Ausnahmen abgesehen stellen die erwähnten Tätigkeiten Aktivitäten dar, die normalerweise von Vermögensverwaltern, Treuhandbüros oder Banken wahrgenommen werden und nicht unter dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses stehen. Wollte man die Dinge anders betrachten, so hätte es ein Beschuldigter in der Hand, durch
BGE 112 Ib 606 S. 609
Einschaltung eines Anwalts als Mittelsmann einen Erlös aus einer Straftat unter Umständen dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen.
d) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der eigenen Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde, dass sich Y. einzig an ihn gewandt hatte, um die streitigen Gelder - allenfalls mittels Errichtung einer Familienstiftung nach Liechtensteiner Recht - anzulegen. Diese Geldanlage stellt eine Tätigkeit dar, bei der das kaufmännische Element überwiegt und die auch regelmässig von Banken und Treuhandbüros wahrgenommen wird. Nach dem Gesagten geniesst sie deshalb nicht den Schutz des Anwaltsgeheimnisses bzw. des entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechts. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob eine Bank, die von einem Anwalt Geld eines Klienten erhält, als dessen Hilfsperson im Sinne von
Art. 321 StGB
gelten kann. Ebenso stösst die Rüge des Beschwerdeführers, es werde ihm entgegen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine Verletzung der Standesregeln zugemutet, ins Leere. | mixed |
e649b166-8cd1-4632-ad0f-652f6b83e6f2 | 952.0 1 / 48 Loi fédérale sur les banques et les caisses d’épargne (Loi sur les banques, LB)1 du 8 novembre 1934 (État le 1er janvier 2023) L’Assemblée fédérale de la Confédération suisse, vu les art. 34ter, 64 et 64bis de la constitution2, vu le message du Conseil fédéral du 2 février 19343, arrête: Chapitre I Champ d’application de la loi Art. 14 1 La présente loi régit les banques, les banquiers privés (raisons individuelles5, socié- tés en nom collectif et sociétés en commandite) et les caisses d’épargne. Toutes ces entreprises sont désignées ci-après sous le nom de banques. 2 Les personnes physiques ou morales qui ne sont pas assujetties à la présente loi ne peuvent accepter des dépôts du public à titre professionnel. Le Conseil fédéral peut prévoir des exceptions si la protection des déposants est garantie. L’émission d’em- prunts n’est pas considérée comme acceptation de dépôts du public à titre profession- nel.6 3 La présente loi ne s’applique notamment pas: a. aux agents de change et aux maisons de bourse qui se bornent à négocier les valeurs mobilières et à effectuer les opérations qui s’y rapportent directement, sans exercer d’activité bancaire; b. aux gérants de fortune, aux notaires et aux agents d’affaires qui se bornent à administrer les fonds de leurs clients sans exercer d’activité bancaire. 4 Seuls les établissements qui ont reçu une autorisation de l’Autorité fédérale de sur- veillance des marchés financiers (FINMA) en tant que banques peuvent faire figurer le terme de «banque» ou de «banquier» dans leur raison sociale ou dans la désignation RO 51 121 et RS 10 325 1 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 22 avr. 1999, en vigueur depuis le 1er oct. 1999 (RO 1999 2405; FF 1998 3349). 2 [RS 1 3; RO 1976 2001] 3 FF 1934 I 172 4 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 5 Actuellement: entreprises individuelles. 6 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Voir aussi les disp. fin. de cette mod. à la fin du texte. 952.0 Banques et caisses d’épargne 2 / 48 952.0 de leur but social ou encore s’en servir à des fins de publicité. L’art. 2, al. 3, est ré- servé.7 5 La Banque nationale suisse et les centrales d’émission de lettres de gage ne sont soumises à la présente loi qu’en tant que celle-ci le prescrit expressément. Art. 1bis 8 Art. 1a9 Banques Est réputé banque quiconque est principalement actif dans le secteur financier et: a. accepte à titre professionnel des dépôts du public supérieurs à 100 millions de francs ou fait appel au public pour les obtenir; b.10 accepte à titre professionnel des dépôts du public jusqu’à concurrence de 100 millions de francs ou des cryptoactifs désignés par le Conseil fédéral, ou fait appel au public pour les obtenir et investit ou rémunère ces dépôts ou ces actifs, ou c. se refinance dans une mesure importante auprès de plusieurs banques ne par- ticipant pas de manière notable à son capital dans le but de financer pour son propre compte, de quelque manière que ce soit, un nombre indéterminé de personnes ou d’entreprises avec lesquelles il ne forme pas une entité écono- mique. Art. 1b11 Promotion de l’innovation 1 Les dispositions de la présente loi s’appliquent par analogie aux personnes qui sont principalement actives dans le secteur financier et qui: a. acceptent à titre professionnel des dépôts du public jusqu’à concurrence de 100 millions de francs ou des cryptoactifs désignés par le Conseil fédéral, ou font appel au public pour les obtenir, et b. n’investissent ni ne rémunèrent ces dépôts ou actifs.12 7 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 8 Introduit par l’annexe ch. II 5 de la LF du 3 oct. 2003 sur la Banque nationale (RO 2004 1985; FF 2002 5645). Abrogé par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 9 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 5247; FF 2015 8101). 10 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 11 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 5247; FF 2015 8101). 12 Nouvelle teneur selon le ch I. 6 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur le 1er août 2021 (RO 2021 33,399; FF 2020 223). L sur les banques 3 / 48 952.0 2 Le Conseil fédéral peut adapter le montant fixé à l’al. 1. Ce faisant, il tient compte de la compétitivité et de la capacité d’innovation de la place financière suisse. 3 Les personnes visées à l’al. 1 doivent notamment: a. définir exactement leur champ d’activité et prévoir une organisation corres- pondant à cette activité; b. disposer d’une gestion des risques aménagée de manière adéquate et d’un con- trôle interne efficace, qui garantit notamment le respect des prescriptions lé- gales et internes à l’entreprise (compliance); c. disposer de ressources financières adéquates; d. garantir que les personnes chargées de l’administration et de la gestion jouis- sent d’une bonne réputation et présentent toutes les garanties d’une activité irréprochable. 4 Les dispositions suivantes sont réservées: a. les comptes des personnes visées à l’al. 1 sont établis exclusivement selon les prescriptions du code des obligations (CO)13; b. les personnes visées à l’al. 1 doivent faire contrôler leurs comptes annuels et, le cas échéant, leurs comptes consolidés conformément aux prescriptions du CO; l’art. 727a, al. 2 à 5 CO ne s’applique pas; c. les personnes visées à l’al. 1 chargent une société d’audit agréée par l’Autorité fédérale de surveillance en matière de révision selon l’art. 9a, al. 1 ou 4bis, de la loi du 16 décembre 2005 sur la surveillance de la révision14 de procéder à un audit conformément à l’art. 24 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers (LFINMA)15; d.16 les dispositions sur les dépôts privilégiés (art. 37a) et le remboursement im- médiat (art. 37b) ne s’appliquent ni aux dépôts du public ni aux cryptoactifs désignés par le Conseil fédéral détenus auprès des personnes visées à l’al. 1; les déposants doivent être informés de cette restriction avant d’effectuer le dépôt. 5 Dans des cas particuliers, la FINMA peut déclarer les al. 1 à 4 applicables aux per- sonnes qui acceptent à titre professionnel des dépôts du public supérieurs à 100 mil- lions de francs ou font appel au public pour les obtenir, n’investissent ni ne rémunèrent ces dépôts et garantissent la protection des clients par des mesures particulières. 6 Quiconque dépasse le seuil de 100 millions de francs doit l’annoncer dans les dix jours à la FINMA et lui présenter une demande d’autorisation au sens de l’art. 1a dans les 90 jours. L’al. 5 est réservé. 13 RS 220 14 RS 221.302 15 RS 956.1 16 Nouvelle teneur selon le ch I. 6 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur le 1er août 2021 (RO 2021 33,399; FF 2020 223). Banques et caisses d’épargne 4 / 48 952.0 Art. 217 1 Les dispositions de la présente loi s’appliquent par analogie: a. aux succursales de banques étrangères en Suisse; b. aux représentants de banques étrangères qui exercent leur activité en Suisse.18 2 La FINMA19 édicte les dispositions de détail. Elle peut en particulier exiger que les comptoirs disposent d’un capital de dotation suffisant et demander des sûretés. 3 Le Conseil fédéral est autorisé à conclure des traités internationaux basés sur le prin- cipe de la reconnaissance mutuelle de réglementations équivalentes des activités ban- caires et de mesures équivalentes prises dans le domaine de la surveillance des banques, qui prévoient que les banques des États parties au traité peuvent, sans requé- rir l’autorisation de la FINMA, ouvrir une succursale ou une représentation en Suisse.20 Art. 2bis 21 1 Sont soumises aux chapitres XI, XII et XIIa de la présente loi, pour autant qu’elles ne soient pas assujetties à la compétence de la FINMA en matière de faillite dans le cadre de la surveillance individuelle de l’établissement:22 a. les sociétés mères d’un groupe financier ou d’un conglomérat financier domi- ciliées en Suisse; b. les sociétés du groupe ayant leur siège en Suisse qui remplissent des fonctions importantes pour les activités soumises à autorisation (sociétés du groupe si- gnificatives). 2 Le Conseil fédéral fixe les critères permettant d’évaluer le caractère significatif. 3 La FINMA désigne les sociétés du groupe significatives et tient un répertoire de ces sociétés. Celui-ci est accessible au public. 17 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 18 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 19 Nouvelle expression selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. 20 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 21 Introduit par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 22 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 5 / 48 952.0 Chapitre II Autorisation pour la banque d’exercer son activité23 Art. 324 1 La banque ne peut commencer son activité qu’après en avoir obtenu l’autorisation de la FINMA; elle ne peut s’inscrire au registre du commerce avant d’avoir reçu cette autorisation. 2 L’autorisation est accordée lorsque les conditions suivantes sont réunies: a.25 les statuts, les contrats de société et les règlements de la banque en définissent exactement le champ d’activité et prévoient l’organisation correspondant à cette activité; lorsque son but social ou l’importance de ses affaires l’exige, la banque doit instituer d’une part des organes de gestion et, d’autre part, des organes chargés de la haute direction, de la surveillance et du contrôle, en délimitant les attributions de chacun d’entre eux de façon à garantir une sur- veillance appropriée de la gestion; b.26 la banque fournit la preuve que le capital minimum fixé par le Conseil fédéral est entièrement libéré; c. les personnes chargées d’administrer et de gérer la banque jouissent d’une bonne réputation et présentent toutes garanties d’une activité irréprochable; cbis.27 les personnes physiques ou morales qui détiennent dans une banque, direc- tement ou indirectement, au moins 10 pour cent du capital ou des droits de vote, ou qui de toute autre manière peuvent exercer une influence notable sur la gestion de la banque (participation qualifiée), donnent la garantie que leur influence n’est pas susceptible d’être exercée au détriment d’une gestion pru- dente et saine de la banque; d.28 les personnes chargées de la gestion de la banque ont leur domicile en un lieu qui leur permet d’exercer la gestion effective des affaires et d’en assumer la responsabilité. 3 La banque remettra à la FINMA ses statuts, ses contrats de société et ses règlements, et l’informera de toutes les modifications qui y seront apportées ultérieurement, en tant qu’elles ont trait au but social, à l’activité de l’établissement, au capital social ou à l’organisation interne. Les modifications ne pourront être inscrites au registre du commerce qu’après avoir été approuvées par la FINMA. 23 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 24 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 25 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 26 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 27 Introduite par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Voir aussi les disp. fin. de cette mod. à la fin du texte. 28 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Banques et caisses d’épargne 6 / 48 952.0 4 …29 5 Toute personne physique ou morale qui envisage de détenir, ou de cesser de détenir, directement ou indirectement, une participation qualifiée au sens de l’al. 2, let. cbis, dans une banque organisée selon le droit suisse, est tenue d’en informer préalablement la FINMA. Ce devoir d’information vaut également lorsqu’elle envisage d’augmenter ou de diminuer une telle participation et que ladite participation atteint ou dépasse les seuils de 20, 33 ou 50 pour cent du capital ou des droits de vote, ou descend en dessous de ceux-ci.30 6 La banque annonce les personnes qui remplissent les conditions de l’al. 5 dès qu’elle en a connaissance, mais au moins une fois par année.31 7 Les banques organisées selon le droit suisse qui envisagent d’être actives à l’étranger par l’intermédiaire d’une filiale, d’une succursale, d’une agence ou d’une représenta- tion en informent au préalable la FINMA.32 Art. 3a33 Est réputée banque cantonale toute banque créée en vertu d’un acte législatif cantonal et revêtant la forme d’un établissement ou d’une société anonyme. Le canton doit dé- tenir dans cette banque une participation de plus d’un tiers du capital et des droits de vote. Il peut garantir l’intégralité ou une partie des engagements de la banque. Art. 3b34 Lorsqu’une banque fait partie d’un groupe financier ou d’un conglomérat financier, la FINMA peut subordonner l’octroi d’une autorisation à l’existence d’une surveillance consolidée adéquate par une autorité de surveillance des marchés financiers. Art. 3c35 1 Deux ou plusieurs entreprises constituent un groupe financier si les conditions sui- vantes sont remplies: 29 Abrogé par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, avec effet au 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 30 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 31 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Voir aussi les disp. fin. de cette mod. à la fin du texte. 32 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 33 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 22 avril 1999, en vigueur depuis le 1er oct. 1999 (RO 1999 2405; FF 1998 3349). Voir aussi les disp. fin. de cette mod. à la fin du texte. 34 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). 35 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). L sur les banques 7 / 48 952.0 a. au moins une banque ou une maison de titres36 sont actives dans le groupe; b. les entreprises sont principalement actives dans le domaine financier; c. elles forment une unité économique ou lorsqu’il y a lieu de supposer, en raison d’autres circonstances, qu’une ou plusieurs entreprises sous surveillance indi- viduelle sont de fait ou juridiquement tenues de prêter assistance à une société du groupe. 2 Lorsqu’un groupe financier, au sens de l’al. 1, est principalement actif dans le secteur bancaire ou celui des valeurs mobilières et comprend au moins une société d’assu- rance d’une importance économique considérable, il forme un conglomérat financier dominé par le secteur bancaire ou celui du négoce en valeurs mobilières. Art. 3d37 1 La FINMA peut soumettre un groupe financier ou un conglomérat financier dominé par le secteur bancaire ou celui du négoce en valeurs mobilières à la surveillance des groupes ou des conglomérats lorsqu’il: a. détient en Suisse une banque ou une maison de titres organisées selon le droit suisse ou b. est en fait dirigé depuis la Suisse. 2 Lorsque d’autres autorités étrangères revendiquent elles aussi la surveillance par- tielle ou totale du groupe financier ou du conglomérat financier, la FINMA détermine avec celles-ci, sous réserve de ses attributions, les compétences, les modalités ainsi que l’objet de la surveillance dudit groupe ou conglomérat. Avant de se prononcer, la FINMA consulte les entreprises incorporées en Suisse du groupe financier ou du con- glomérat financier en question.38 Art. 3e39 1 La FINMA exerce sa surveillance de groupe en complément à la surveillance indi- viduelle d’une banque. 2 La FINMA exerce sa surveillance du conglomérat financier en complément à la sur- veillance individuelle d’une banque ou d’une entreprise d’assurance ainsi qu’à celle d’un groupe financier ou d’assurance par l’autorité compétente. 36 Nouvelle expression selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Il n’a été tenu compte de cette mod. que dans les disp. mentionnées au RO. 37 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). 38 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 39 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). Banques et caisses d’épargne 8 / 48 952.0 Art. 3f40 1 Les personnes chargées de la gestion, d’une part, et celles responsables de la haute direction, de la surveillance et du contrôle du groupe financier ou du conglomérat financier, d’autre part, doivent jouir d’une bonne réputation et présenter toutes garan- ties d’une activité irréprochable. 2 Le groupe financier ou le conglomérat financier doit être organisé de manière à pou- voir, en particulier, déterminer, limiter et contrôler les risques principaux. Art. 3g41 1 La FINMA est autorisée à édicter des dispositions sur les fonds propres, les liquidi- tés, la répartition des risques, les positions de risques intra-groupe et l’établissement des comptes pour les groupes financiers. 2 En ce qui concerne les conglomérats financiers dominés par le secteur bancaire ou celui du négoce en valeurs mobilières, la FINMA est autorisée à édicter ou à fixer cas par cas des dispositions sur les fonds propres, les liquidités, la répartition des risques, les positions de risques intra-groupe et l’établissement des comptes. Elle tient compte en matière de fonds propres des règles existant dans le domaine financier et des assu- rances ainsi que de l’importance relative des deux secteurs dans le conglomérat finan- cier et des risques inhérents. 3 Le Conseil fédéral peut édicter des dispositions concernant la dotation financière et l’organisation des sociétés du groupe significatives visées à l’art. 2bis, al. 1, let. b, qui remplissent des fonctions importantes pour les banques d’importance systémique.42 4 Les exigences en matière de dotation financière et d’organisation sont fixées en fonc- tion de l’étendue et du type des prestations de services importantes que les sociétés du groupe significatives doivent fournir en cas d’assainissement ou de faillite du groupe.43 Art. 3h44 Art. 3bis 45 1 La FINMA peut de surcroît lier l’octroi de l’autorisation à s’établir en Suisse à la réalisation des conditions ci-après, lorsqu’il s’agit d’une banque organisée selon le 40 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). 41 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). 42 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 43 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 44 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances (RS 961.01). Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 45 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). L sur les banques 9 / 48 952.0 droit suisse mais qui est en mains étrangères, d’une succursale ou du représentant per- manent d’une banque étrangère:46 a.47 la réciprocité est garantie par les États où les étrangers détenant des participa- tions qualifiées ont leur domicile civil ou leur siège; les dispositions divergen- tes d’engagements internationaux sont réservées; b. la raison sociale de la banque ne doit pas permettre de conclure au caractère suisse de l’établissement ni laisser présumer un tel caractère; c.48 … 1bis Lorsqu’une banque fait partie d’un groupe financier ou d’un conglomérat finan- cier, la FINMA peut subordonner l’octroi de son autorisation à l’accord des autorités étrangères compétentes.49 2 La banque est tenue de renseigner la Banque nationale sur les affaires qu’elle traite ainsi que sur ses relations avec l’étranger. 3 Les dispositions de l’al. 1 s’appliquent à la banque organisée selon le droit suisse et dans laquelle les participations qualifiées étrangères directes ou indirectes s’élèvent à plus de la moitié des voix ou qui est dominée d’autre manière par des étrangers.50 Sont réputées étrangères: a. les personnes physiques qui n’ont pas la nationalité suisse ni ne sont au béné- fice du permis d’établissement; b. les personnes morales et les sociétés de personnes qui ont leur siège à l’étran- ger ou qui, si elles ont leur siège en Suisse, sont dans les mains de personnes étrangères au sens défini sous let. a. Art 3ter 51 1 Les banques qui ont passé en mains étrangères doivent solliciter l’autorisation com- plémentaire prévue à l’art. 3bis. 2 Une nouvelle autorisation complémentaire doit être demandée en cas de changement dans les détenteurs étrangers des participations qualifiées.52 46 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 47 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er juil. 1995 (RO 1995 2109; FF 1994 IV 995) 48 Abrogée par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, avec effet au 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 49 Introduit par le ch. I de la LF du 16 déc. 1994 (RO 1995 2109; FF 1994 IV 995). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 6 de la LF du 17 déc. 2004 sur la surveillance des assurances, en vigueur depuis le 1er janv. 2006 (RO 2005 5269; FF 2003 3353). 50 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 51 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 52 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er juil. 1995 (RO 1995 2109; FF 1994 IV 995) Banques et caisses d’épargne 10 / 48 952.0 3 Les membres de l’administration et de l’organe de gestion de la banque sont tenus de communiquer à la FINMA tout fait permettant de conclure à une domination étran- gère de l’établissement ou à une modification dans l’état des personnes détenant des participations qualifiées.53 Art. 3quater 54 1 Le Conseil fédéral peut prévoir, dans des traités internationaux, que les conditions particulières d’autorisation conformément à l’art. 3bis et l’art. 3ter ne sont pas appli- cables, dans leur intégralité ou en partie, si des personnes physiques ressortissantes d’un État partie au traité ou des personnes morales ayant leur siège dans l’un de ces États fondent une banque organisée selon le droit suisse, en reprennent une ou acquiè- rent une participation qualifiée dans l’une d’elles. Il peut, sauf disposition internatio- nale contraire, subordonner cette décision à l’octroi par l’État partie de la réciprocité. 2 Si la personne morale est elle-même dominée directement ou indirectement par des ressortissants d’un État tiers ou par des personnes morales ayant leur siège dans un État tiers, les dispositions mentionnées sont applicables. Chapitre III Fonds propres, liquidité et autres règles de gestion55 Art. 456 1 Les banques sont tenues de disposer, à titre individuel et sur une base consolidée, d’un volume adéquat de fonds propres et de liquidités.57 2 Le Conseil fédéral définit les éléments constituant les fonds propres et les liquidités. Il fixe les exigences minimales en fonction du genre d’activité et des risques. La FINMA peut édicter des dispositions d’exécution. 3 Dans des cas particuliers, la FINMA peut décider d’assouplir ou au contraire de ren- forcer les exigences minimales. 4 Une banque ne peut détenir une participation qualifiée dépassant 15 % de ses fonds propres dans une entreprise dont l’activité se situe hors du secteur financier ou des assurances. Le total de ces participations ne peut excéder 60 % des fonds propres. Le Conseil fédéral règle les exceptions. 53 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 54 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 55 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 56 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 5 de la LF du 3 oct. 2003 sur la Banque nationale, en vigueur depuis le 1er janv. 2005 (RO 2004 1985; FF 2002 5645). 57 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le secteur financier), en vigueur depuis le 1er mars 2012 (RO 2012 811; FF 2011 4365). L sur les banques 11 / 48 952.0 Art. 4bis 58 1 Les prêts et avances qu’une banque accorde à un client de même que les participa- tions qu’elle prend dans une entreprise doivent être proportionnés à l’ampleur de ses fonds propres. 2 Le règlement d’exécution fixera la relation entre les prêts, avances et participations, d’une part, et les fonds propres, d’autre part, selon qu’il s’agit ou non de collectivités de droit public et d’après la valeur des sûretés. 3 …59 Art. 4ter 60 1 La banque ne peut accorder des crédits aux membres de ses organes, aux principaux actionnaires ainsi qu’aux personnes et sociétés qui leur sont proches qu’en vertu des principes généralement reconnus dans la branche. 2 …61 Art. 4quater 62 Tant dans le pays qu’à l’étranger, les banques s’abstiendront de toute publicité trom- peuse et ne se prévaudront pas non plus de leur siège en Suisse ou d’institutions suisses pour faire une publicité intempestive. Art. 4quinquies 63 1 Les banques sont autorisées à communiquer à leurs sociétés mères, qui sont elles- mêmes surveillées par une autorité de surveillance des banques ou des marchés finan- ciers, les informations et documents non accessibles au public qui sont nécessaires à la surveillance consolidée, aux conditions suivantes: a. ces informations sont utilisées exclusivement à des fins de contrôle interne ou de surveillance directe des banques ou d’autres intermédiaires financiers sou- mis à autorisation; b. la société mère et l’autorité compétente pour la surveillance consolidée sont liées par le secret professionnel ou le secret de fonction; 58 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). Voir aussi les disp. fin. de la mod. du 18 mars 1994 à la fin du texte. 59 Abrogé par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, avec effet au 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 60 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). Voir aussi les disp. fin. de la mod. du 18 mars 1994 à la fin du texte. 61 Abrogé par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, avec effet au 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 62 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, en vigueur depuis le 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 63 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Banques et caisses d’épargne 12 / 48 952.0 c. ces informations ne peuvent être transmises à des tiers qu’avec l’autorisation préalable de la banque ou une autorisation générale contenue dans un traité international. 2 Si la communication d’informations au sens de l’al. 1 soulève des doutes, les ban- ques peuvent requérir de la FINMA une décision autorisant ou interdisant leur trans- mission. Art. 4sexies64 Pour les cryptoactifs que la banque détient en tant que valeurs déposées pour des clients déposants, la FINMA peut dans certains cas particuliers fixer un montant maxi- mal si elle le juge nécessaire au vu des risques liés aux activités concernées. Elle tient en particulier compte de la fonction des cryptoactifs, des technologies sous-jacentes ainsi que des facteurs de réduction des risques. Art. 565 Chapitre IV66 Comptes annuels et bilans Art. 6 Établissement des comptes 1 Les banques établissent pour chaque exercice un rapport de gestion qui se compose des éléments suivants: a. comptes annuels; b. rapport annuel; c. comptes consolidés. 2 Les banques établissent des comptes intermédiaires au moins semestriellement. 3 Le rapport de gestion et les comptes intermédiaires sont établis conformément au titre trente-deuxième du code des obligations67, à la présente loi et à leurs dispositions d’exécution. 4 Le Conseil fédéral peut prévoir des dérogations à l’al. 3 pour les cas exceptionnels. Art. 6a Publicité 1 Le rapport de gestion est accessible au public. 64 Introduit par le ch I. 6 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux dé- veloppements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur le 1er août 2021 (RO 2021 33,399; FF 2020 223). 65 Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 66 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 7 de la LF du 23 déc. 2011 (Droit comptable), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2013 (RO 2012 6679; FF 2008 1407). 67 RS 220 L sur les banques 13 / 48 952.0 2 Les comptes intermédiaires sont accessibles au public dans la mesure où les dispo- sitions d’exécution de la présente loi le prévoient. 3 Les al. 1 et 2 ne s’appliquent pas aux banquiers privés qui ne font pas appel au public pour obtenir des dépôts de fonds. L’art. 958e, al. 2, du code des obligations68 est ré- servé. Art. 6b Dispositions d’exécution 1 Le Conseil fédéral édicte des dispositions d’exécution concernant la forme, le con- tenu et la publicité des rapports de gestion et des comptes intermédiaires. 2 Il peut déroger aux dispositions du code des obligations69 relatives à la comptabilité et à la présentation des comptes si les particularités de l’activité bancaire ou la protec- tion des créanciers le justifient et que la situation économique est présentée d’une manière équivalente. 3 Le Conseil fédéral peut autoriser la FINMA à édicter des dispositions d’exécution dans les domaines de moindre portée, notamment dans les domaines techniques. 4 Lorsque les conditions visées à l’al. 2 sont remplies, la FINMA peut limiter l’appli- cation au secteur bancaire des normes comptables reconnues par le Conseil fédéral. Chapitre V70 Banques d’importance systémique Art. 7 Définition et but 1 On entend par banques d’importance systémique les banques, groupes financiers et conglomérats financiers à dominante bancaire dont la défaillance porterait gravement atteinte à l’économie et au système financier suisses. 2 Les dispositions du présent chapitre, associées aux dispositions du droit bancaire généralement applicables, ont pour but de réduire davantage les risques que font peser les banques d’importance systémique sur la stabilité du système financier suisse, d’as- surer le maintien des fonctions économiques importantes et d’éviter le recours à une aide de l’État. Art. 8 Critères et détermination de l’importance systémique 1 Les fonctions économiques visées à l’art. 7, al. 2, ont une importance systémique lorsqu’elles sont indispensables pour l’économie nationale et qu’elles ne peuvent être substituées à court terme. Constituent notamment des fonctions économiques d’im- portance systémique les opérations de dépôt, de crédit et de paiement. 68 SR 220 69 RS 220 70 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le secteur financier), en vigueur depuis le 1er mars 2012 (RO 2012 811; FF 2011 4365). Banques et caisses d’épargne 14 / 48 952.0 2 L’importance systémique d’une banque est appréciée en fonction de sa taille, de son imbrication dans le système financier et dans l’économie, ainsi que du caractère subs- tituable à court terme de ses prestations de services. Cette appréciation se base notam- ment sur les critères suivants: a. la part de marché dans les fonctions ayant une importance systémique selon l’al. 1; b. le montant à hauteur duquel les dépôts garantis au sens de l’art. 37h, al. 1, dépassent la limite maximale prévue à l’art. 37h, al. 3, let. b; c. le rapport entre le total du bilan de la banque et le produit intérieur brut annuel de la Suisse; d. le profil de risque de la banque, qui résulte du modèle d’affaires, de la struc- ture du bilan, de la qualité des actifs, des liquidités et du taux d’endettement. 3 La Banque nationale suisse (Banque nationale), après avoir entendu la FINMA, dé- termine par voie de décision quelles sont les banques d’importance systémique et quelles sont les fonctions de ces banques qui ont une importance systémique. Art. 9 Exigences particulières 1 Les banques d’importance systémique sont soumises à des exigences particulières. L’étendue et le contenu de celles-ci dépendent du degré d’importance systémique de la banque concernée. Les exigences doivent être proportionnées, prendre en considé- ration leurs incidences sur la banque concernée et sur la concurrence, et tenir compte des normes reconnues sur le plan international. 2 Les banques d’importance systémique doivent notamment satisfaire aux exigences suivantes: a. disposer de fonds propres qui, en particulier: 1. garantissent, compte tenu des exigences légales, une meilleure capacité à supporter les pertes plus importante que les banques qui n’ont pas d’im- portance systémique, 2. en cas de menace d’insolvabilité, contribuent pour une part essentielle à maintenir les fonctions d’importance systémique, 3. incitent les banques à limiter leur degré d’importance systémique et amé- liorent leur capacité à être assainies ou liquidées tant en Suisse qu’à l’étranger, 4. sont mesurés suivant, d’une part, les actifs pondérés en fonction des risques et, d’autre part, les actifs non pondérés en fonction des risques, qui peuvent également comprendre des opérations hors bilan; b. disposer de liquidités qui garantissent une meilleure capacité d’absorption des chocs de liquidités que les banques qui n’ont pas d’importance systémique, afin qu’elles soient en mesure de respecter leurs obligations de paiement même si elles se trouvent dans une situation exceptionnellement difficile; c. répartir les risques de manière à limiter les risques de contrepartie et les gros risques; L sur les banques 15 / 48 952.0 d. prévoir un plan d’urgence au niveau de la structure, de l’infrastructure, de la conduite et du contrôle ainsi que des flux internes de liquidités et de capitaux de telle sorte que le plan puisse être mis en œuvre immédiatement et que, en présence d’une menace d’insolvabilité, le maintien de leurs fonctions écono- miques d’importance systémique soit garanti. Art. 10 Application à la banque concernée 1 La FINMA, après avoir entendu la Banque nationale, définit par voie de décision les exigences fixées à l’art. 9, al. 2, let. a à c, que la banque d’importance systémique doit remplir. Elle informe le public sur les grandes lignes de sa décision et sur la manière dont celle-ci est respectée. 2 La banque d’importance systémique doit prouver qu’elle remplit les exigences fixées à l’art. 9, al. 2, let. d, et que le maintien des fonctions d’importance systémique est garanti en cas de menace d’insolvabilité. Si la banque ne fournit pas cette preuve, la FINMA ordonne les mesures nécessaires. 3 Lors de la définition des exigences relatives aux fonds propres visés à l’art. 9, al. 2, let. a, la FINMA accorde des allégements si la banque améliore sa capacité à être as- sainie ou liquidée tant en Suisse qu’à l’étranger au-delà des exigences mentionnées à l’art. 9, al. 2, let. d. 4 Le Conseil fédéral, après avoir entendu la Banque nationale et la FINMA, règle: a. les exigences visées à l’art. 9, al. 2; b. les critères permettant d’évaluer la preuve selon l’al. 2; c. les mesures que la FINMA peut ordonner si la banque ne peut fournir la preuve au sens de l’al. 2.71 Art. 10a Mesures en matière de rémunération 1 Si, malgré la mise en œuvre des exigences particulières, une banque d’importance systémique ou sa société mère se voit accorder une aide financière directe ou indirecte puisée dans les moyens de la Confédération, le Conseil fédéral ordonne en même temps des mesures en matière de rémunération pour toute la période durant laquelle le soutien est accordé. 2 Il peut notamment, en tenant compte de la situation économique de la banque et du soutien accordé: a. interdire totalement ou partiellement le versement de rémunérations variables; b. ordonner des adaptations du système de rémunération. 3 Les banques d’importance systémique et leurs sociétés mères sont tenues de formu- ler une réserve contraignante dans leurs systèmes de rémunération aux termes de la- quelle, en cas de soutien étatique au sens du présent article, la prétention légale à une rémunération variable peut être limitée. 71 Voir aussi la disp. trans. de la mod. du 30 sept. 2011 à la fin du texte. Banques et caisses d’épargne 16 / 48 952.0 Chapitre VI72 Capital complémentaire Art. 11 Principes 1 Les banques et les sociétés mères de groupes financiers ou de conglomérats finan- ciers à dominante bancaire dont la forme juridique autorise la création d’actions ou d’un capital-action peuvent, dans leurs statuts: a. autoriser le conseil d’administration à augmenter le capital-actions ou le capi- tal-participation (capital de réserve); b. prévoir une augmentation du capital-actions ou du capital-participation qui, en cas de survenance d’un événement déterminé, est obtenue par le biais de la conversion d’emprunts à conversion obligatoire (capital convertible). 2 Les banques et les sociétés mères de groupes financiers ou de conglomérats finan- ciers à dominante bancaire peuvent, indépendamment de leur forme juridique, prévoir dans les conditions d’émission des emprunts que les créanciers doivent abandonner leurs créances en cas de survenance d’un événement déterminé (emprunts assortis d’un abandon de créances). 2bis Les banques coopératives peuvent prévoir dans leurs statuts la levée d’un capital de participation sociale.73 3 Le capital complémentaire mentionné aux al. 1 à 2bis ne peut être créé que pour ren- forcer les fonds propres et pour prévenir ou maîtriser une situation critique de la banque.74 4 Le capital obtenu par l’émission d’emprunts à conversion obligatoire ou d’emprunts assortis d’un abandon de créances selon le présent chapitre peut être pris en compte comme fonds propres, pour autant que la présente loi et ses dispositions d’exécution l’autorisent. Les conditions d’émission doivent avoir été approuvées par la FINMA. Art. 12 Capital de réserve 1 L’assemblée générale peut autoriser le conseil d’administration à augmenter le ca- pital-actions ou le capital-participation par une modification des statuts. Ceux-ci men- tionnent la valeur nominale de l’augmentation que peut effectuer le conseil d’admi- nistration. 2 Le conseil d’administration peut, pour de justes motifs, supprimer le droit de sous- cription des actionnaires ou des participants, notamment si cela permet de placer les actions ou les bons de participation de manière simple et rapide. Dans ce cas, les nou- velles actions ou les nouveaux bons de participation sont émis aux conditions du mar- ché. Une décote est autorisée à condition qu’elle soit effectuée dans l’intérêt de la 72 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le secteur financier), en vigueur depuis le 1er mars 2012 (RO 2012 811; FF 2011 4365). 73 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 8101). 74 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 8101). L sur les banques 17 / 48 952.0 société ainsi que dans la perspective d’un placement rapide et complet des actions ou des bons de participation. 3 Au surplus, les dispositions du CO75 sur l’augmentation autorisée du capital sont applicables, à l’exception des dispositions suivantes: a. art. 651, al. 1 et 2 (limitations concernant le montant et le délai de l’augmen- tation autorisée du capital); b. art. 652b, al. 2 (justes motifs pour la suppression du droit de souscription); c. art. 652d (augmentation au moyen de fonds propres); d. art. 656b, al. 1 et 4 (limitation concernant le montant de l’augmentation auto- risée du capital-participation). Art. 13 Capital convertible 1 L’assemblée générale peut décider une augmentation conditionnelle du capital-ac- tions ou du capital-participation en établissant dans les statuts que les droits de créance découlant d’emprunts à conversion obligatoire sont convertis en actions ou en bons de participation en cas de survenance de l’événement déclencheur. 2 Elle peut limiter dans les statuts la valeur nominale de l’augmentation conditionnelle du capital. Elle y règle les points suivants: a. le nombre, le type et la valeur nominale des actions et des bons de participa- tion; b. les bases du calcul du prix d’émission; c. la suppression du droit de souscription des actionnaires et des participants; d. la restriction de la transmissibilité des nouvelles actions et des nouveaux bons de participation émis au nom de leur détenteur. 3 Le conseil d’administration est habilité à émettre des emprunts à conversion obliga- toire dans le cadre des dispositions statutaires. À moins que les statuts n’en disposent autrement, il règle les points suivants: a. une éventuelle répartition en plusieurs emprunts et en diverses tranches; b. l’événement déclencheur ou, en cas de répartition en tranches, les événements déclencheurs; c. le prix d’émission ou les règles servant à le déterminer; d. le rapport de conversion ou les règles servant à le déterminer. 4 Les emprunts à conversion obligatoire doivent être offerts en souscription aux ac- tionnaires et aux participants proportionnellement à leur participation. Si les emprunts à conversion obligatoire sont émis aux conditions du marché ou moyennant une décote nécessaire pour garantir leur placement rapide et complet, l’assemblée générale peut exclure le droit de souscription préférentiel des actionnaires et des participants. 75 RS 220 Banques et caisses d’épargne 18 / 48 952.0 5 Si l’événement déclenchant la conversion survient, le conseil d’administration doit en constater immédiatement la survenance par acte authentique. Celui-ci doit men- tionner le nombre, la valeur nominale et le type des actions et des bons de participation émis, le nouvel état du capital-actions et du capital-participation ainsi que les adapta- tions nécessaires des statuts. 6 La décision du conseil d’administration doit être communiquée immédiatement au registre du commerce. Le blocage du registre est exclu. 7 Le capital-actions et le capital-participation sont augmentés de plein droit moyen- nant une décision du conseil d’administration. En même temps, les droits de créance découlant des emprunts à conversion obligatoire s’éteignent. 8 Les dispositions du CO76 concernant l’augmentation conditionnelle du capital ne sont pas applicables, à l’exception des dispositions suivantes: a. art. 653a, al. 2 (apport minimal); b. art. 653d, al. 2 (protection des titulaires d’un droit de conversion ou d’option); c. art. 653i (épuration). Art. 1477 Capital de participation sociale des banques coopératives 1 Le capital de participation sociale (art. 11, al. 2bis) doit être divisé en parts (bons de participation sociale). Les bons de participation sociale doivent être désignés comme tels. Ils sont émis contre un apport, ont une valeur nominale et ne confèrent pas la qualité d’associé. 2 La convocation à l’assemblée générale, les objets portés à l’ordre du jour et les pro- positions, les décisions de celle-ci de même que le rapport de gestion et le rapport de révision doivent être communiqués aux détenteurs de bons de participation sociale de la même manière qu’ils sont communiqués aux associés. 3 Les modifications des statuts et autres décisions de l’assemblée générale qui aggra- vent leur situation ne sont autorisées que si elles affectent dans la même mesure les détenteurs de parts sociales. 4 Les détenteurs de bons de participation sociale sont mis au moins sur le même pied que les membres de la coopérative lors de la répartition du bénéfice résultant du bilan et du produit de liquidation. 5 Ils peuvent attaquer les décisions de l’assemblée générale comme un associé. 6 Ils peuvent soumettre une proposition de contrôle spécial à l’assemblée générale lorsque cela s’avère nécessaire pour l’exercice de leurs droits. Lorsque l’assemblée générale refuse la proposition, ils peuvent demander au tribunal, dans un délai de trois mois, d’instituer un contrôle spécial s’ils représentent ensemble 10 % du capital de 76 RS 220 77 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 8101). L sur les banques 19 / 48 952.0 participation sociale au moins ou un capital de participation sociale d’une valeur no- minale de deux millions de francs. La procédure est régie par les art. 697a à 697g CO78, qui s’appliquent par analogie. Art. 14a79 Réserves, dividendes et acquisition par la banque coopérative de ses propres bons de participation sociale 1 La banque coopérative affecte 5 % du bénéfice de l’exercice à la réserve générale jusqu’à ce que celle-ci atteigne 20 % des fonds propres. Elle affecte à la réserve gé- nérale, indépendamment de son montant: a. après paiement des frais d’émission, le produit de l’émission des bons de par- ticipation sociale qui dépasse la valeur nominale, dans la mesure où il n’est pas affecté à des amortissements ou à des buts de prévoyance; b. la différence entre les versements opérés sur des bons de participation sociale annulés et une éventuelle moins-value sur les bons de participation sociale émis en leur lieu et place; c. 10 % des montants répartis comme part de bénéfice après le paiement d’un dividende de 5 % sur le capital de participation sociale. 2 Elle emploie la réserve générale, tant qu’elle ne dépasse pas la moitié des fonds propres, pour couvrir des pertes ou prendre des mesures permettant de poursuivre l’ac- tivité de la banque en cas de mauvaise marche des affaires, d’éviter la suppression de postes ou d’en atténuer les conséquences. 3 Elle ne prélève d’éventuels dividendes sur les bons de participation sociale que sur le bénéfice résultant du bilan et sur les réserves constituées à cet effet. 4 La banque coopérative peut acquérir ses propres bons de participation sociale si elle respecte les conditions suivantes: a. elle dispose d’un bénéfice résultant du bilan librement utilisable équivalant au montant de la dépense nécessaire et la valeur nominale de l’ensemble des bons de participation sociale qu’elle entend acquérir ne dépasse pas 10 % du capital de participation sociale; b. les droits liés à l’acquisition de bons de participation sociale doivent être sus- pendus. 5 Le pourcentage fixé à l’al. 4, let. a, peut être porté à une hauteur maximale de 20 %, pour autant que les bons de participation sociale propres qui ont été acquis au-delà de la limite de 10 % soient cédés ou annulés par une réduction de capital dans les deux ans; 78 RS 220 79 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 8101). Banques et caisses d’épargne 20 / 48 952.0 Art. 14b80 Obligation d’annoncer et liste pour les banques coopératives 1 Les obligations d’annoncer, de prouver et d’identifier liées à l’acquisition de bons de participation sociale non cotés qui doivent être remplies envers la banque coopéra- tive sont soumises aux dispositions régissant l’acquisition d’actions au porteur non cotées, qui s’appliquent par analogie (art. 697i à 697k et 697m CO81). 2 La banque coopérative enregistre les détenteurs de bons de participation sociale et les ayants droit économiques annoncés dans la liste des associés. 3 La liste est régie, en sus des dispositions relatives à la liste des associés, par les dispositions du droit de la société anonyme sur le registre des actionnaires et des ayants droit économiques à annoncer à la société, qui s’appliquent par analogie (art. 697l CO). Chapitre VII Dépôts d’épargne et valeurs déposées82 Art. 15 1 Seules les banques qui publient des comptes annuels peuvent accepter des dépôts portant, sous quelque forme que ce soit, la dénomination d’«épargne». Les autres en- treprises ne sont pas autorisées à accepter de tels dépôts et il leur est interdit, à propos des fonds déposés chez elles, de faire figurer le mot d’«épargne» dans leur raison sociale ou dans la désignation de leur but social, ou encore de s’en servir à des fins de publicité.83 2 et 3 …84 Art. 1685 Sont réputées valeurs déposées selon l’art. 37d:86 1. les choses mobilières et les titres déposés par les clients; 1bis87. les cryptoactifs, si la banque s’est engagée à les tenir en tout temps à la dis- position du client déposant et que ceux-ci: 80 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 8101). 81 RS 220 82 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 17 de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 83 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 1994, en vigueur depuis le 1er fév. 1995 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). 84 Abrogés par l’annexe ch. 17 de la LF du 16 déc. 1994, avec effet au 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 85 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 17 de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 86 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 3 oct. 2003, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). 87 Introduit par le ch I. 6 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux dé- veloppements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur le 1er août 2021 (RO 2021 33,399; FF 2020 223). L sur les banques 21 / 48 952.0 a. sont attribués individuellement au client déposant, ou b. sont attribués à une communauté et que la part qui revient au client dé- posant est clairement déterminée; 2. les choses mobilières, les titres et les créances que la banque détient à titre fiduciaire pour le compte des clients déposants; 3. les prétentions disponibles de la banque à des livraisons à l’encontre de tiers, résultant d’opérations au comptant, d’opérations à terme échues, d’opérations de couverture ou d’émissions pour le compte des clients déposants. Chapitre VIII … Art. 1788 Chapitre IX Contrôle et audit89 Art. 1890 1 Les banques, les groupes financiers et les conglomérats financiers chargent une so- ciété d’audit agréée par l’Autorité fédérale de surveillance en matière de révision selon l’art. 9a, al. 1, de la loi du 16 décembre 2005 sur la surveillance de la révision91 de procéder à un audit conformément à l’art. 24 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveil- lance des marchés financiers92. 2 Les banques, les groupes bancaires et les conglomérats financiers doivent faire révi- ser leurs comptes annuels et, le cas échéant, leurs comptes de groupe par une entre- prise de révision soumise à la surveillance de l’État selon les principes du contrôle ordinaire du code des obligations93. Art. 19 à 2294 88 Abrogé par l’annexe ch. 5 de la LF du 3 oct. 2008 sur les titres intermédiés, avec effet au 1er janv. 2010 (RO 2009 3577; FF 2006 8817). 89 Nouvelle expression selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 90 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 20 juin 2014 (Concentration de la sur- veillance des entreprises de révision et des sociétés d’audit), en vigueur depuis le 1er janv. 2015 (RO 2014 4073; FF 2013 6147). 91 RS 221.302 92 RS 956.1 93 RS 220 94 Abrogés par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). Banques et caisses d’épargne 22 / 48 952.0 Chapitre X Surveillance95 Art. 2396 La FINMA peut procéder elle-même à des contrôles directs auprès de banques, de groupes bancaires et de conglomérats financiers, lorsque de tels contrôles s’avèrent nécessaires en raison de leur importance économique, de la complexité des faits ou du contrôle de modèles internes. Art. 23bis 97 1 Lorsqu’une banque sous-traite des fonctions importantes à d’autres personnes phy- siques ou morales, l’obligation de renseigner et d’annoncer prévues à l’art. 29 de la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers98 s’applique aussi à ces personnes. 2 La FINMA peut à tout moment effectuer des contrôles auprès de ces personnes. Art. 23ter 99 Afin d’assurer l’application de l’art. 3, al. 2, let. cbis, et 5, de la présente loi, la FINMA peut en particulier suspendre l’exercice des droits de vote attachés aux actions ou parts détenues par des actionnaires ou des associés ayant une participation qualifiée. Art. 23quater 100 Art. 23quinquies 101 1 En cas de retrait de leur autorisation d’exercer par la FINMA, les personnes morales, les sociétés en nom collectif et les sociétés en commandite sont dissoutes et les raisons 95 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 96 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 97 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971 (RO 1971 808; FF 1970 I 1157). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 98 RS 956.1 99 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971 (RO 1971 808; FF 1970 I 1157). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 100 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971 (RO 1971 808; FF 1970 I 1157). Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 101 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971 (RO 1971 808; FF 1970 I 1157). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). L sur les banques 23 / 48 952.0 individuelles102, radiées du registre du commerce. La FINMA désigne le liquidateur et surveille son activité. 2 Les mesures désignées au chapitre XI sont réservées. Art. 23sexies 103 Art. 23septies 104 Art. 23octies 105 Art. 24106 Chapitre XI107 Mesures en cas de risque d’insolvabilité Art. 25 Conditions 1 S’il existe des raisons sérieuses de craindre qu’une banque ne soit surendettée ou qu’elle ne souffre de problèmes de liquidité importants, ou si la banque n’a pas rétabli une situation conforme aux prescriptions en matière de fonds propres dans le délai imparti par la FINMA, cette dernière peut ordonner: a. des mesures protectrices selon l’art. 26; b. une procédure d’assainissement selon les art. 28 à 32; c. la faillite108 de la banque (faillite bancaire) selon les art. 33 à 37g. 2 Les mesures protectrices peuvent être ordonnées isolément ou conjointement à une procédure d’assainissement ou de faillite. 3 Les dispositions relatives à la procédure concordataire (art. 293 à 336 de la loi fédé- rale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite [LP]109), sur la menace 102 Actuellement: entreprises individuelles. 103 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 1994 (RO 1995 246; FF 1993 I 757). Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 104 Introduit par le ch. I de la LF du 22 avril 1999 (RO 1999 2405; FF 1998 3349). Abrogé par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 105 Introduit par le ch. I de la LF du 3 oct. 2003 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 106 Abrogé par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), avec effet au 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 107 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 3 oct. 2003, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). 108 Nouvelle expression selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. 109 RS 281.1 Banques et caisses d’épargne 24 / 48 952.0 d’insolvabilité (art. 725 CO110), sur la perte de capital (art. 725a CO), sur le surendet- tement (art. 725b CO) et sur la réévaluation des immeubles et des participations (art. 725c CO) ainsi que sur l’obligation d’aviser le tribunal (art. 716a, al. 1, ch. 7, et 728c al. 3, CO) ne sont pas applicables aux banques.111 4 Les ordres de la FINMA concernent l’ensemble du patrimoine de la banque avec les actifs et les passifs ainsi que les contrats, qu’ils se trouvent en Suisse ou à l’étranger.112 Art. 26 Mesures protectrices 1 La FINMA peut ordonner des mesures protectrices; elle peut notamment:113 a. donner des instructions aux organes de la banque; b.114 nommer un chargé d’enquête; c. retirer aux organes leur pouvoir de représentation ou les démettre de leurs fonctions; d. révoquer la société d’audit au sens de la présente loi ou l’organe de révision institué par le CO115; e. limiter l’activité de la banque; f. interdire à la banque d’opérer des paiements, d’accepter des versements ou d’effectuer des transactions sur titres; g. fermer la banque; h. accorder un sursis ou proroger les échéances, sauf pour les créances gagées des centrales d’émission de lettres de gage. 2 Elle fait publier ces mesures de manière appropriée lorsque la publication est néces- saire à l’exécution des mesures ou à la protection de tiers. Elle peut y renoncer au cas où la publication compromettrait l’objectif des mesures ordonnées.116 3 Le sursis déploie les effets prévus à l’art. 297 LP117, dans la mesure où la FINMA n’en décide pas autrement pour ce qui est du cours des intérêts. 110 RS 220 111 Nouvelle teneur selon le ch. IV 1 de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 112 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 113 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 114 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 115 RS 220 116 Phrase introduite par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 117 RS 281.1 L sur les banques 25 / 48 952.0 Art. 27118 Primauté des accords de compensation, de réalisation et de transfert 1 Sont exclus des dispositions des chapitres XI et XII de la présente loi les accords conclus préalablement sur: a. la compensation de créances, y compris la méthode convenue et la détermina- tion de la valeur; b.119 la réalisation de gré à gré de garanties sous la forme de valeurs mobilières ou d’autres instruments financiers, garanties en espèces (sans argent liquide) comprises, dont la valeur peut être déterminée de façon objective; c.120 le transfert de créances et d’engagements ainsi que de garanties sous la forme de valeurs mobilières ou d’autres instruments financiers, garanties en espèces (sans argent liquide) comprises, dont la valeur peut être déterminée de façon objective. 2 L’art. 30a est réservé. Art. 28121 Procédure d’assainissement 1 Lorsqu’il paraît vraisemblable qu’un assainissement aboutira ou que certains ser- vices bancaires pourront être maintenus, la FINMA peut ordonner une procédure d’as- sainissement. 2 Elle rend les décisions nécessaires à la mise en œuvre de la procédure d’assainisse- ment.122 3 Elle peut confier l’élaboration d’un plan d’assainissement à un délégué à l’assainis- sement. 4 Elle peut préciser les modalités de la procédure.123 Art. 28a124 Assainissement des banques cantonales 1 Lors de la procédure d’assainissement, la FINMA tient compte du statut particulier, des rapports de propriété et, le cas échéant, de la forme juridique des banques canto- nales. 118 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des mar- chés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 119 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 120 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 121 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 122 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 123 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 124 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Banques et caisses d’épargne 26 / 48 952.0 2 Lorsqu’une banque cantonale est menacée d’insolvabilité, la FINMA en informe im- médiatement le canton et consulte ce dernier lors de l’élaboration du plan d’assainis- sement. Le canton désigne l’autorité compétente. 3 La FINMA peut prévoir des dérogations aux dispositions sur la procédure d’assai- nissement pour les banques cantonales, notamment en ce qui concerne la réduction entière du capital social ainsi que la conversion et la réduction de créances. Elle tient notamment compte des mesures prises par le canton pour assainir la banque. Art. 29125 Assainissement de la banque En cas d’assainissement de la banque, le plan d’assainissement doit garantir qu’à l’avenir, la banque respectera les conditions requises pour l’obtention d’une autorisa- tion ainsi que les autres prescriptions légales. Art. 30126 Maintien de services bancaires 1 Le plan d’assainissement peut prévoir le maintien de certains services bancaires in- dépendamment de la pérennité de la banque. 2 Il peut notamment prévoir: a. le transfert de tout ou partie du patrimoine de la banque, avec les actifs, les passifs et les contrats, à d’autres sujets de droit ou à une banque relais; b. la réunion de la banque et d’une autre société en un nouveau sujet de droit; c. la reprise de la banque par un autre sujet de droit; d. la modification de la forme juridique de la banque.127 3 Les sujets de droit et la banque relais visés à l’al. 2 remplacent la banque dès l’ho- mologation du plan d’assainissement à hauteur du patrimoine transféré. La loi du 3 oc- tobre 2003 sur la fusion128 n’est pas applicable.129 Art. 30a130 Ajournement de la résiliation de contrats 1 Lorsque la FINMA ordonne ou autorise des mesures au sens du présent chapitre, elle peut ajourner: a. la résiliation de contrats et l’exercice de droits de résiliation de ces contrats; 125 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 126 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 127 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 128 RS 221.301 129 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 130 Introduit par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés fi- nanciers, en vigueur depuis le 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). L sur les banques 27 / 48 952.0 b. l’exercice des droits de compensation, de réalisation et de transfert énumérés à l’art. 27. 2 L’ajournement ne peut être ordonné que si les mesures justifient la résiliation ou l’exercice des droits visés à l’al. 1. 3 Il peut être ordonné pour deux jours ouvrables au plus. La FINMA fixe le début et la fin de l’ajournement. 4 L’ajournement est exclu ou caduc si la résiliation ou l’exercice d’un droit visé à l’al. 1: a. n’ont pas de rapport avec les mesures, et b. sont dus au comportement de la banque faisant l’objet de la procédure d’in- solvabilité ou du sujet de droit qui reprend tout ou partie des contrats. 5 Si les conditions d’autorisation et les autres dispositions légales sont respectées après l’échéance de l’ajournement, le contrat subsiste et les droits visés à l’al. 1 qui sont liés aux mesures ne peuvent plus être exercés. Art. 30b131 Mesures de capitalisation 1 Le plan d’assainissement peut prévoir la réduction des fonds propres existants et la création de nouveaux fonds propres, la conversion de fonds de tiers en fonds propres ainsi que la réduction de créances. 2 Les anciens propriétaires n’ont aucun droit de souscription. 3 Sont exclues de la conversion et de la réduction de créances: a. les créances privilégiées de première et de deuxième classe selon l’art. 219, al. 4, LP132, dans la limite des privilèges accordés; b. les créances couvertes, dans la limite de leur couverture; c. les créances compensables, dans la limite des conditions nécessaires à leur compensation, et d. les créances nées d’engagements que la banque était habilitée à contracter, avec l’approbation de la FINMA ou celle du chargé d’enquête ou du délégué à l’assainissement nommés par la FINMA, pendant la durée des mesures pré- vues à l’art. 26, al. 1, let. e à h, ou pendant une procédure d’assainissement. 4 La FINMA peut exclure des créances nées de livraisons de marchandises et de pres- tations de services, dans la mesure où le maintien des activités de la banque l’exige. 5 La conversion de fonds de tiers en fonds propres et la réduction de créances sont uniquement possibles lorsque, au préalable: a. le capital convertible au sens de l’art. 11, al. 1, let. b, est entièrement converti en fonds propres et que les emprunts assortis d’un abandon de créances au sens de l’art. 11, al. 2, sont entièrement réduits, et que 131 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 132 RS 281.1 Banques et caisses d’épargne 28 / 48 952.0 b. le capital social est entièrement réduit. 6 Le Conseil fédéral peut désigner les instruments de dette qui, en dérogation à l’al. 5, let. b, sont réduits avant que le capital social soit entièrement réduit, pour autant que ces instruments soient émis par une banque cantonale et qu’ils prévoient une compen- sation ultérieure appropriée des créanciers. 7 La conversion de fonds de tiers en fonds propres et la réduction de créances doivent s’effectuer dans l’ordre suivant: a. créances subordonnées; b. créances fondées sur des instruments de dette destinés à absorber les pertes en présence de mesures d’insolvabilité (bail-in bonds); l’al. 8 est réservé; c. autres créances, à l’exception des dépôts; d. dépôts. 8 Les bail-in bonds émis en faveur d’autres créanciers par des sociétés mères visées à l’art. 2bis, al. 1, let. a, sont admis au rang visé à l’al. 7, let. c, pour autant que le montant des autres créances de même rang ne dépasse pas 5 % de la valeur nominale totale des bail-in bonds pouvant être pris en compte. Dans ce cas, les autres créances sont ex- clues de la conversion et de la réduction de créances. 9 La FINMA peut provisoirement suspendre la totalité des droits sociaux des nou- veaux propriétaires. Art. 30c133 Plan d’assainissement 1 Le plan d’assainissement doit satisfaire aux conditions suivantes: a. être fondé sur une évaluation prudente des actifs et des passifs de la banque ainsi que sur une estimation prudente de l’assainissement requis; b. ne pas être, selon toute vraisemblance, économiquement moins favorable aux créanciers que l’ouverture immédiate de la faillite bancaire; c. tenir compte de manière appropriée de la priorité des intérêts des créanciers sur ceux des propriétaires ainsi que de l’ordre des créanciers; d. tenir compte de manière appropriée des liens juridiques ou économiques entre les actifs, les passifs et les contrats. 2 Il énumère et commente les grandes lignes de l’assainissement et fournit notamment des précisions concernant: a. le respect des conditions énoncées à l’al. 1; b. la manière dont la banque respecte les conditions d’autorisation et les autres prescriptions légales après l’assainissement; c. la future structure du capital et le modèle commercial de la banque; d. les actifs et les passifs de la banque; 133 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 29 / 48 952.0 e. l’organisation et la direction futures de la banque ainsi que la nomination et la révocation de ses organes; f. les conditions de départ applicables aux organes sortants; g. la future organisation du groupe ou du conglomérat; h. le cas échéant, la manière dont les droits des propriétaires et des créanciers sont atteints et dans quelle mesure; i. une éventuelle exclusion du droit de révocation de la banque visé à l’art. 32, al. 1, et des prétentions en matière de responsabilité visées à l’art. 39; j. les opérations qui exigent une inscription au registre du commerce ou au re- gistre foncier. Art. 31134 Homologation du plan d’assainissement 1 La FINMA homologue le plan d’assainissement si celui-ci remplit les conditions énoncées à l’art. 30c. 2 L’approbation des propriétaires n’est pas nécessaire. 3 La FINMA peut, en dérogation à l’art. 30c, al. 1, let. b, homologuer un plan d’assai- nissement des banques d’importance systémique économiquement moins favorable aux créanciers, dans la mesure où ceux-ci sont indemnisés de manière appropriée. 4 Elle publie les grandes lignes du plan d’assainissement. Elle indique en même temps comment les créanciers et les propriétaires concernés peuvent consulter ce plan. Art. 31a135 Refus du plan d’assainissement 1 Si le plan d’assainissement porte atteinte aux droits des créanciers, la FINMA fixe, au plus tard lors de son homologation, un délai dans lequel les créanciers peuvent le refuser. 2 Si des créanciers représentant selon les livres de la banque plus de la moitié des créances colloquées en troisième classe selon l’art. 219, al. 4, LP136 refusent le plan d’assainissement, la FINMA ordonne la faillite en vertu des art. 33 à 37g. 3 Les al. 1 et 2 ne sont pas applicables à l’assainissement de banques d’importance systémique ni à celui de sociétés de groupes ou conglomérats financiers d’importance systémique.137 134 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 135 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 136 RS 281.1 137 Introduit par le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le sec- teur financier) (RO 2012 811; FF 2011 4365). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Banques et caisses d’épargne 30 / 48 952.0 Art. 31b138 Contrepartie en cas de transfert 1 Si une partie seulement des actifs, des passifs ou des contrats est transférée à un autre sujet de droit ou à une banque relais, la FINMA peut fixer une contrepartie adéquate. 2 Elle peut ordonner une évaluation indépendante à cette fin. Art. 31c139 Compensation en cas de mesures de capitalisation 1 S’il comprend une mesure de capitalisation mentionnée à l’art. 30b, le plan d’assai- nissement peut prévoir une compensation adéquate pour les propriétaires si l’évalua- tion visée à l’art. 30c, al. 1, let. a, montre que la valeur des fonds propres attribués aux créanciers dépasse la valeur nominale de leurs créances converties ou réduites selon l’art. 30b. 2 La compensation peut revêtir la forme d’une attribution d’actions, d’autres droits de participation, d’options ou de bons de récupération. Art. 31d140 Effets juridiques du plan d’assainissement 1 Les mesures du plan d’assainissement prennent effet comme suit: a. pour les banques d’importance systémique et les sociétés de groupes ou con- glomérats financiers d’importance systémique: dès l’homologation du plan d’assainissement; b. dans tous les autres cas: à l’expiration du délai visé à l’art. 31a, al. 1, à condi- tion que celui-ci n’ait pas été utilisé. 2 Le plan d’assainissement produit ses effets immédiatement pour, notamment: a. la réduction des fonds propres existants et la création de nouveaux fonds propres; b. la conversion de fonds de tiers en fonds propres; c. la réduction de créances; d. le transfert d’immeubles; e. la constitution ou le transfert de droits réels sur des immeubles ou les modifi- cations du capital social. 3 Les inscriptions au registre foncier, au registre du commerce ou à d’autres registres n’ont qu’une portée déclaratoire. Elles doivent être effectuées le plus rapidement pos- sible. 138 Introduit par le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le sec- teur financier) (RO 2012 811; FF 2011 4365). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 139 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 140 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 31 / 48 952.0 Art. 32 Prétentions 1 Une fois que la FINMA a homologué le plan d’assainissement, la banque est autori- sée à demander la révocation d’actes juridiques conformément aux art. 285 à 292 LP141. 2 Si le plan d’assainissement exclut pour la banque le droit de demander la révocation d’actes juridiques prévue à l’al. 1, chaque créancier est habilité à demander une telle révocation dans les limites où le plan d’assainissement porte atteinte à ses droits. 2bis La révocation selon les art. 285 à 292 LP des actes juridiques d’un plan d’assai- nissement homologué par la FINMA est exclue.142 3 Le moment déterminant pour le calcul des délais prévus aux art. 286 à 288 LP est celui de l’homologation du plan d’assainissement, en lieu et place de celui de l’ouver- ture de la faillite. Si la FINMA a ordonné au préalable une mesure protectrice prévue à l’art. 26, al. 1, let. e à h, le moment déterminant pour le calcul est celui où la mesure a été ordonnée.143 3bis Le droit de révocation se prescrit par trois ans à compter du jour de l’homologation du plan d’assainissement.144 4 Les al. 1 à 2bis s’appliquent par analogie aux prétentions en matière de responsabilité au sens de l’art. 39.145 Chapitre XII146 Faillite de banques insolvables (faillite bancaire) Art. 33 Ordre de faillite et nomination des liquidateurs de la faillite147 1 À défaut de perspectives d’assainissement ou si l’assainissement a échoué, la FINMA retire l’autorisation de la banque, en ordonne la faillite et publie sa décision. 2 La FINMA nomme un ou plusieurs liquidateurs de la faillite. Ceux-ci sont soumis à sa surveillance et lui font rapport à sa demande. 3 Les liquidateurs de la faillite informent les créanciers au moins une fois par an de l’état de la procédure. 141 RS 281.1 142 Introduit par le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le sec- teur financier), en vigueur depuis le 1er mars 2012 (RO 2012 811; FF 2011 4365). 143 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 144 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), (RO 2011 3919; FF 2010 3645). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 145 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 146 Anciennement avant art. 29. Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 3 oct. 2003, en vi- gueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). 147 Nouvelle expression selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. Banques et caisses d’épargne 32 / 48 952.0 Art. 34 Effets et procédure 1 La décision de faillite déploie les effets de l’ouverture de la faillite au sens des art. 197 à 220 LP148. 2 La faillite est effectuée selon les règles prescrites aux art. 221 à 270 LP. La FINMA peut prendre des décisions dérogeant à ces règles; sont réservés les art. 35 à 37m de la présente loi.149 3 La FINMA peut préciser les modalités de la procédure.150 Art. 35151 Assemblée des créanciers et commission de surveillance 1 Le liquidateur de la faillite peut proposer à la FINMA d’adopter les mesures sui- vantes: a. constituer une assemblée de créanciers et définir ses compétences ainsi que le quorum en nombre de membres présents et en nombre de voix; b. mettre en place une commission de surveillance et définir sa composition et ses compétences. 2 La FINMA n’est pas liée par les propositions du liquidateur de la faillite. Art. 36 Traitement des créances; état de collocation 1 Lors de l’établissement de l’état de collocation, les créances inscrites dans les livres de la banque sont réputées avoir été produites. 2 Les créanciers ne peuvent consulter l’état de collocation que dans la mesure néces- saire à la sauvegarde de leurs droits de créanciers; le secret professionnel au sens de l’art. 47 est préservé autant que possible. Art. 37152 Engagements contractés lors de mesures protectrices ou pendant la procédure d’assainissement En cas de faillite, les engagements que la banque était habilitée à contracter, avec l’approbation de la FINMA ou celle du chargé d’enquête ou du délégué à l’assainis- sement nommés par la FINMA, pendant la durée des mesures prévues à l’art. 26, al. 1, let. e à h, ou pendant la procédure d’assainissement sont honorées avant toutes les autres créances. 148 RS 281.1 149 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 150 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 151 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 152 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 33 / 48 952.0 Art. 37a153 Dépôts privilégiés 1 Les dépôts libellés au nom du déposant, y compris les obligations de caisse déposées auprès de la banque au nom du déposant, sont attribués, jusqu’à un montant maximal de 100 000 francs par créancier, à la deuxième classe au sens de l’art. 219, al. 4, LP154. 2 …155 3 Les dépôts auprès d’entreprises qui exercent des activités de banque sans avoir reçu d’autorisation de la part de la FINMA ne jouissent d’aucun privilège. 4 Une créance n’est privilégiée qu’une fois, même si elle a plusieurs titulaires. 5 Les créances des fondations bancaires reconnues comme institutions de prévoyance au sens de l’art. 82 de la loi fédérale du 25 juin 1982 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité156 ainsi que les créances des fondations de libre pas- sage reconnues comme institutions de libre passage au sens de la loi du 17 décembre 1993 sur le libre passage157 sont considérées comme étant celles de chacun des pre- neurs de prévoyance ou assurés. Elles sont privilégiées, indépendamment des autres dépôts de chacun des preneurs de prévoyance ou assurés, à concurrence du montant maximal fixé à l’al. 1. 6 Les banques doivent disposer en permanence de créances couvertes en Suisse, ou d’autres actifs situés en Suisse, à hauteur de 125 % de leurs dépôts privilégiés. La FINMA peut relever ce taux; si les circonstances le justifient, elle peut accorder des exceptions en particulier aux établissements qui disposent, de par la structure de leurs activités, d’une couverture équivalente. 7 Le Conseil fédéral définit plus précisément les dépôts et les déposants visés à l’al. 1. Il peut adapter le montant maximal fixé à l’al. 1 à la dévaluation de la monnaie.158 Art. 37b159 Remboursement à partir des actifs liquides disponibles 1 Les dépôts privilégiés visés à l’art. 37a, al. 1, sont remboursés à partir des actifs liquides disponibles, en dehors de la collocation et sans aucune compensation: a. immédiatement: lorsqu’ils sont comptabilisés auprès de comptoirs suisses; b. dès qu’un remboursement est possible en fait et en droit: lorsqu’ils sont comp- tabilisés auprès de comptoirs étrangers. 153 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 154 RS 281.1 155 Abrogé par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), avec effet au 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 156 RS 831.40 157 RS 831.42 158 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 159 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Banques et caisses d’épargne 34 / 48 952.0 2 La FINMA fixe dans chaque cas le montant maximal des dépôts remboursables au sens de l’al. 1. Elle tient compte de l’ordre des autres créanciers conformément à l’art. 219 LP160. Art. 37c161 Art. 37d162 Distraction de valeurs déposées Les valeurs déposées au sens de l’art. 16 de la présente loi sont distraites conformé- ment aux art. 17 et 18 de la loi fédérale du 3 octobre 2008 sur les titres intermédiés163. En cas de découvert, l’art. 19 de la loi sur les titres intermédiés est applicable aux valeurs en dépôt collectif. Art. 37e Distribution et fin de la procédure 1 Lorsque tous les actifs sont réalisés et que tous les procès ayant trait à la fixation de l’actif et du passif de la masse sont achevés, les liquidateurs de la faillite établissent le tableau de distribution définitif et le compte final, puis les soumettent à la FINMA pour approbation. Les procès découlant d’une cession de droits selon l’art. 260 LP164 ne sont pas concernés.165 2 Avant leur approbation, le tableau de distribution et le compte final sont déposés pour consultation pendant dix jours. Le dépôt et l’approbation sont publiés dans la Feuille officielle suisse du commerce et sur le site Internet de la FINMA.166 3 La FINMA prend les décisions nécessaires pour clore la procédure. Elle publie la clôture. Art. 37f Coordination avec des procédures à l’étranger 1 Si la banque fait l’objet d’une procédure d’exécution forcée à l’étranger, la FINMA coordonne autant que possible la faillite bancaire avec les organes étrangers compé- tents. 2 Lorsqu’un créancier a déjà été partiellement désintéressé dans une procédure étran- gère liée à la faillite de la banque, le montant qu’il a obtenu sera imputé, après déduc- tion des frais encourus, sur le dividende qui lui revient dans la procédure suisse. 160 RS 281.1 161 Abrogé par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), avec effet au 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 162 Nouvelle teneur selon le ch I. 6 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur le 1er août 2021 (RO 2021 33,399; FF 2020 223). 163 RS 957.1 164 RS 281.1 165 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 166 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 35 / 48 952.0 Art. 37g167 1 La FINMA décide de la reconnaissance des décisions de faillite et des mesures ap- plicables en cas d’insolvabilité prononcées à l’étranger. 2 La FINMA peut remettre le patrimoine situé en Suisse à la masse en faillite étrangère sans procédure suisse si la procédure d’insolvabilité étrangère remplit les conditions suivantes: a. elle traite de manière équivalente les créances garanties par gage et les créances privilégiées en vertu de l’art. 219 LP168 des créanciers domiciliés en Suisse; b. elle prend dûment en compte les autres créances des créanciers domiciliés en Suisse. 3 La FINMA peut aussi reconnaître les décisions de faillite et les mesures prononcées dans l’État où la banque a son siège effectif. 4 Si une procédure suisse est ouverte pour le patrimoine sis en Suisse, les créanciers colloqués en troisième classe selon l’art. 219, al. 4 LP, ainsi que les créanciers ayant leur domicile à l’étranger peuvent également être inclus dans l’état de collocation. 4bis Si la banque a une succursale en Suisse, la procédure prévue à l’art. 50, al. 1, LP, est admissible jusqu’au moment où l’état de collocation au sens de l’art. 172 de la loi fédérale du 18 décembre 1987 sur le droit international privé (LDIP)169 est définitif.170 5 Au surplus, les art. 166 à 175 LDIP sont applicables.171 Chapitre XIIa172 Recours dans les procédures visées aux chap. XI et XII Art. 37gbis Recours contre l’homologation du plan d’assainissement 1 Lorsqu’il admet un recours formé contre l’homologation du plan d’assainissement, le tribunal ne peut accorder qu’une indemnité. 2 L’indemnité prend en règle générale la forme d’une attribution d’actions, d’autres droits de participation, d’options ou de bons de récupération. 167 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 168 RS 281.1 169 RS 291 170 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 171 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 172 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Banques et caisses d’épargne 36 / 48 952.0 Art. 37gter Recours des créanciers et des propriétaires 1 Dans les procédures visées aux chap. XI et XII, les créanciers et les propriétaires d’une banque, d’une société mère ou d’une société du groupe significative au sens de l’art. 2bis, al. 1, peuvent recourir uniquement contre: a. l’homologation du plan d’assainissement; b. les opérations de réalisation; c. l’approbation du tableau de distribution et du compte final. 2 Les opérations de réalisation du liquidateur de la faillite sont considérées comme des actes matériels. Toute personne qui a un intérêt digne de protection peut exiger que la FINMA rende une décision conformément à l’art. 25a de la loi fédérale du 20 dé- cembre 1968 sur la procédure administrative (PA)173. 3 La plainte prévue à l’art. 17 LP174 est exclue dans ces procédures. Art. 37gquater Délais 1 Le délai de recours contre l’homologation du plan d’assainissement et contre les opérations de réalisation est de dix jours. L’art. 22a PA175 n’est pas applicable. 2 Le délai de recours contre l’homologation du plan d’assainissement commence à courir le jour suivant la publication des grandes lignes du plan d’assainissement. Le délai de recours contre l’approbation du tableau de distribution et du compte final commence à courir le jour suivant la publication de l’approbation. Art. 37gquinquies Effet suspensif Les recours formés dans les procédures visées aux chap. XI et XII n’ont pas d’effet suspensif. Le juge instructeur peut accorder l’effet suspensif à la requête d’une partie. L’octroi de l’effet suspensif est exclu pour les recours contre: a. le prononcé de mesures protectrices; b. le prononcé d’une procédure d’assainissement; c. l’homologation du plan d’assainissement, et d. l’ordre de faillite. 173 RS 172.021 174 RS 281.1 175 RS 172.021 L sur les banques 37 / 48 952.0 Chapitre XIII176 Garantie des dépôts Art. 37h177 Principe 1 Les banques veillent à garantir les dépôts privilégiés au sens de l’art. 37a, al. 1, pla- cés auprès de leurs comptoirs suisses. Avant d’accepter de tels dépôts, elles sont te- nues d’adhérer au système d’autorégulation des banques. 2 Le système d’autorégulation est soumis à l’approbation de la FINMA. 3 Il est approuvé: a. s’il assure que l’organisme de garantie rembourse les dépôts garantis au chargé d’enquête, au délégué à l’assainissement ou au liquidateur de la faillite nommés par la FINMA au plus tard le septième jour ouvrable qui suit la date à laquelle il a reçu la communication de la FINMA annonçant l’ordre de fail- lite ou une mesure protectrice au sens de l’art. 26, al. 1, let. e à h; b. s’il exige des banques des contributions dont le montant total équivaut à 1,6 % de la somme des dépôts garantis, mais à au moins 6 milliards de francs; c. s’il assure que chaque banque, en permanence: 1. dépose, auprès d’un sous-dépositaire sûr, des titres de haute qualité aisé- ment réalisables ou des espèces en francs suisses d’un montant corres- pondant à la moitié des contributions auxquelles elle est tenue, ou 2. accorde à l’organisme de garantie un prêt en espèces d’un montant cor- respondant à la moitié des contributions auxquelles elle est tenue; d. s’il exige de chaque banque qu’elle effectue, dans le cadre de son activité or- dinaire les préparatifs nécessaires pour permettre au chargé d’enquête, au dé- légué à l’assainissement ou au liquidateur de la faillite d’établir un plan de remboursement, de prendre contact avec les déposants et de procéder au rem- boursement conformément à l’art. 37j. 4 Les préparatifs visés à l’al. 3, let. d, comprennent notamment la mise en place: a. d’une infrastructure adéquate; b. de processus standardisés; c. d’une liste des déposants dont les dépôts sont garantis selon l’al. 1 et des dé- pôts concernés; d. d’un aperçu sommaire des autres dépôts privilégiés au sens de l’art. 37a, al. 1. 5 Le Conseil fédéral peut adapter les exigences prévues à l’al. 3, let. b, si des circons- tances particulières l’exigent. 176 Anciennement avant art. 36. Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 3 oct. 2003, en vi- gueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). 177 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). Voir aussi les disp. trans. à la fin de ce texte. Banques et caisses d’épargne 38 / 48 952.0 6 Si le système d’autorégulation ne satisfait pas aux exigences prévues aux al. 1 à 4, le Conseil fédéral règle la garantie des dépôts par voie d’ordonnance. Il désigne no- tamment l’organisme de garantie et fixe le montant des contributions des banques. 7 Les effets des formes de financement visées à l’al. 3, let. c, sur les exigences en matière de liquidités et de fonds propres doivent être neutralisés par un traitement si possible équivalent de ces formes de financement. Le Conseil fédéral élabore les dis- positions d’exécution techniques. Art. 37i178 Mise en œuvre de la garantie des dépôts 1 Si la FINMA a ordonné une des mesures protectrices visées à l’art. 26, al. 1, let. e à h, ou la faillite au sens de l’art. 33, elle en fait part à l’organisme de garantie et l’in- forme des prestations qui sont nécessaires au remboursement des dépôts garantis. 2 Dans les sept jours ouvrables qui suivent la réception de cette communication, l’or- ganisme de garantie met le montant correspondant à la disposition du chargé d’en- quête, du délégué à l’assainissement ou du liquidateur de la faillite nommés par la FINMA.179 3 La FINMA peut reporter sa communication dans les cas suivants: a. il y a des raisons de penser que la mesure protectrice ordonnée sera levée à bref délai; b. les dépôts garantis ne sont pas affectés par la mesure protectrice. 4 …180 Art. 37j181 Remboursement 1 Le chargé d’enquête, le délégué à l’assainissement ou le liquidateur de la faillite nommés par la FINMA établit un plan de remboursement sur la base de la liste des déposants mentionnée à l’art. 37h, al. 4, let. c. 2 Il invite immédiatement les déposants mentionnés dans le plan de remboursement à lui transmettre leurs instructions de paiement en vue du remboursement des dépôts garantis. 3 Il veille à ce que les dépôts garantis soient remboursés aux déposants immédiate- ment, mais au plus tard le septième jour ouvrable qui suit la réception des instructions de paiement. 178 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 179 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 180 Abrogé par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), avec effet au 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 181 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts) (RO 2011 3919; FF 2010 3645). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). L sur les banques 39 / 48 952.0 4 Si le montant mis à disposition par l’organisme de garantie n’est pas suffisant pour honorer les créances inscrites dans le plan de remboursement, le remboursement im- médiat est exécuté au prorata. 5 Le délai indiqué à l’al. 3 est prolongé ou suspendu pour les dépôts: a. qui font l’objet de prétentions peu claires ou complexes; b. pour lesquels un remboursement rapide n’est objectivement pas nécessaire, ou c. qui font l’objet d’instructions de paiement imprécises ou peu claires. 6 Les dépôts visés à l’al. 5 sont définis plus précisément dans le cadre du système d’autorégulation qui doit être approuvé par la FINMA. Art. 37jbis 182 Compensation, prétentions et cession légale 1 Les dépôts garantis sont remboursés sans aucune compensation. 2 Les déposants ne peuvent faire valoir aucune prétention directe envers l’organisme de garantie. 3 Les droits des déposants passent à l’organisme de garantie à hauteur des rembourse- ments effectués. Art. 37k183 Échange d’informations 1 La FINMA fournit à l’organisme de garantie les informations nécessaires à l’accom- plissement de ses tâches. 2 L’organisme de garantie communique tous renseignements utiles à la FINMA ainsi qu’au chargé d’enquête, au délégué à l’assainissement ou au liquidateur de la faillite nommé par la FINMA et leur transmet les documents dont ils ont besoin pour mettre en œuvre la garantie. Chapitre XIIIa184 Avoirs en déshérence Art. 37l Transfert185 1 Une banque peut transférer des avoirs en déshérence à une autre banque sans l’ap- probation des créanciers. 2 Le transfert requiert un contrat écrit entre la banque transférante et la banque repre- nante. 182 Introduit par le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dépôts), en vi- gueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 183 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 184 Introduit par le ch. I de la LF du 18 mars 2011 (Garantie des dépôts), en vigueur depuis le 1er sept. 2011 (RO 2011 3919; FF 2010 3645). 185 Introduit par le ch. I de la LF du 22 mars 2014 (Avoirs en deshérence), en vigueur depuis le 1er janv. 2015 (RO 2014 1267; FF 2010 6853). Banques et caisses d’épargne 40 / 48 952.0 3 En cas de faillite bancaire, les liquidateurs de la faillite représentent auprès de tiers les intérêts des ayants droit à des avoirs en déshérence. 4 Le Conseil fédéral détermine les conditions dans lesquelles des avoirs sont réputés être en déshérence. Art. 37m186 Liquidation 1 Les banques liquident les avoirs en déshérence après 50 ans, lorsque l’ayant droit ne s’est pas manifesté malgré une publication préalable. Les avoirs en déshérence à con- currence de 500 francs peuvent être liquidés sans publication préalable. 2 La prétention de l’ayant-droit s’éteint avec la liquidation. 3 Le produit de la liquidation revient à la Confédération. 4 Le Conseil fédéral règle la publication et la liquidation des avoirs en déshérence. Chapitre XIV Responsabilité et dispositions pénales Art. 38187 1 La responsabilité civile des banquiers privés est régie par le CO188. 2 Pour les autres banques, l’art. 39 est applicable. Art. 39189 La responsabilité des fondateurs d’une banque, celle des organes chargés de la gestion, de la direction générale, de la surveillance et du contrôle de la banque et celle des liquidateurs nommés par la banque est régis par les dispositions du droit de la société anonyme (art. 752 à 760 du code des obligations190). 186 Introduit par le ch. I de la LF du 22 mars 2014 (Avoirs en deshérence), en vigueur depuis le 1er janv. 2015 (RO 2014 1267; FF 2010 6853). 187 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 188 RS 220 189 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 20 juin 2014 (Concentration de la sur- veillance des entreprises de révision et des sociétés d’audit), en vigueur depuis le 1er janv. 2015 (RO 2014 4073; FF 2013 6147). 190 RS 220 L sur les banques 41 / 48 952.0 Art. 40 à 45191 Art. 46192 1 Est puni d’une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d’une peine pécu- niaire celui qui, intentionnellement: a. accepte indûment des dépôts du public ou des dépôts d’épargne; b. ne tient pas dûment les livres ni ne conserve les livres, les pièces justificatives et les documents conformément aux prescriptions; c. n’établit pas ou ne publie pas les comptes annuels et les bilans intermédiaires conformément à l’art. 6. 2 Si l’auteur agit par négligence, il est puni d’une amende de 250 000 francs au plus. 3 …193 Art. 47194 1 Est puni d’une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d’une peine pécu- niaire celui qui, intentionnellement: a.195 révèle un secret à lui confié ou dont il a eu connaissance en sa qualité d’organe, d’employé, de mandataire ou de liquidateur d’une banque ou d’une personne au sens de l’art. 1b, ou encore d’organe ou d’employé d’une société d’audit; b.196 tente d’inciter autrui à commettre une telle violation du secret professionnel; c.197 révèle un secret qui lui a été confié au sens de la let. a ou exploite ce secret à son profit ou au profit d’un tiers. 1bis Est puni d’une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d’une peine pécu- niaire celui qui obtient pour lui-même ou pour un tiers un avantage pécuniaire en agis- sant selon l’al. 1, let. a ou c.198 191 Abrogés par le ch. I de la LF du 3 oct. 2003, avec effet au 1er juil. 2004 (RO 2004 2767; FF 2002 7476). 192 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 193 Abrogé par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés finan- ciers, avec effet au 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 194 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 195 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 5247; FF 2015 8101). 196 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 17 déc. 2021 (Insolvabilité et garantie des dé- pôts), en vigueur depuis le 1er janv. 2023 (RO 2022 732; FF 2020 6151). 197 Introduite selon le ch. I 2 de la LF du 12 déc. 2014 sur l’extension de la punissabilité en matière de violation du secret professionnel, en vigueur depuis le 1er juil. 2015 (RO 2015 1535; FF 2014 5997 6007). 198 Introduit selon le ch. I 2 de la LF du 12 déc. 2014 sur l’extension de la punissabilité en matière de violation du secret professionnel, en vigueur depuis le 1er juil. 2015 (RO 2015 1535; FF 2014 5997 6007). Banques et caisses d’épargne 42 / 48 952.0 2 Si l’auteur agit par négligence, il est puni d’une amende de 250 000 francs au plus. 3 …199 4 La violation du secret professionnel demeure punissable alors même que la charge, l’emploi ou l’exercice de la profession a pris fin. 5 Les dispositions de la législation fédérale et cantonale sur l’obligation de renseigner l’autorité et de témoigner en justice sont réservées. 6 La poursuite et le jugement des infractions réprimées par la présente disposition in- combent aux cantons. Les dispositions générales du code pénal200 sont applicables. Art. 48201 Art. 49202 1 Est puni d’une amende de 500 000 francs au plus celui qui, intentionnellement: a. utilise indûment dans sa raison sociale, dans la désignation de son but social ou dans sa publicité, le terme de «banque», de «banquier» ou d’«épargne»; b. omet de fournir à la FINMA les informations qu’il était tenu de lui communi- quer; c. fait de la publicité pour l’acceptation de dépôts d’épargne ou de dépôts du public sans bénéficier de l’autorisation imposée par la loi. 2 Si l’auteur agit par négligence, il est puni d’une amende de 150 000 francs au plus. 3 …203 Art. 50204 Art. 50bis 205 199 Abrogé par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés finan- ciers, avec effet au 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 200 RS 311.0 201 Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 202 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 203 Abrogé par l’annexe ch. 10 de la L du 19 juin 2015 sur l’infrastructure des marchés finan- ciers, avec effet au 1er janv. 2016 (RO 2015 5339; FF 2014 7235). 204 Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 205 Introduit par l’annexe ch. 22 du DPA (RO 1974 1857; FF 1971 I 1017). Abrogé par l’an- nexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). L sur les banques 43 / 48 952.0 Art. 51206 Art. 51bis 207 Chapitre XV Dispositions transitoires et finales Art. 52208 Au plus tard trois ans après l’entrée en vigueur de la modification du 30 septembre 2011 des chapitres V et VI, et par la suite tous les deux ans, le Conseil fédéral examine les dispositions concernées en comparant leur mise en œuvre avec celle des normes internationales correspondantes à l’étranger. Il en fait rapport à l’Assemblée fédérale et détermine les dispositions de lois et d’ordonnances qui doivent être modifiées. Art. 52a209 Au plus tard trois ans après l’entrée en vigueur de la modification du 15 juin 2018, le Conseil fédéral examine les dispositions concernées en les comparant avec les buts de la surveillance des marchés financiers au sens de la LFINMA210. Il en fait rapport à l’Assemblée fédérale et détermine les dispositions de lois et d’ordonnances qui doi- vent être modifiées. Art. 53 1 À l’entrée en vigueur de la présente loi sont abrogés: a.211 les dispositions cantonales sur les banques, à l’exception toutefois de celles qui visent les banques cantonales, de celles qui régissent le commerce, à titre professionnel, des papiers-valeurs et de celles qui règlent la surveillance de l’application des prescriptions de droit cantonal contre les abus en matière d’intérêts; b. l’art. 57 du tit. fin. du code civil suisse212. 2 Les dispositions cantonales sur le privilège légal en faveur des dépôts d’épargne ces- sent leur effet si elles n’ont pas été remplacées, dans les trois ans à partir de l’entrée 206 Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés fi- nanciers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 207 Introduit par le ch. I de la LF du 11 mars 1971 (RO 1971 808; FF 1970 I 1157). Abrogé par l’annexe ch. 15 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 5207 5205; FF 2006 2741). 208 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 30 sept. 2011 (Renforcement de la stabilité dans le secteur financier), en vigueur depuis le 1er mars 2012 (RO 2012 811; FF 2011 4365). 209 Introduit par l’annexe ch. II 14 de la LF du 15 juin 2018 sur les établissements financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 5247; FF 2015 8101). 210 RS 956.1 211 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 17 de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 212 RS 210 Banques et caisses d’épargne 44 / 48 952.0 en vigueur de la présente loi, par de nouvelles dispositions conformes aux art. 15 et 16. Art. 54213 Art. 55214 Art. 56 Le Conseil fédéral fixera la date de l’entrée en vigueur de la présente loi et édictera les prescriptions nécessaires à son exécution. Date de l’entrée en vigueur: 1er mars 1935215 213 Abrogé par l’annexe ch. 17 de la LF du 16 déc. 1994, avec effet au 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 214 Abrogé par le ch. I de la LF du 11 mars 1971, avec effet au 1er juil. 1971 (RO 1971 808 825 art. 1; FF 1970 I 1157). 215 ACF du 26 fév. 1935 L sur les banques 45 / 48 952.0 Dispositions finales de la modification du 11 mars 1971216 1 Les banques et les sociétés financières fondées avant l’entrée en vigueur de la pré- sente loi217 ne sont pas tenues de solliciter une nouvelle autorisation pour poursuivre leur activité. 2 Les sociétés financières qui sont désormais soumises à la présente loi s’annonceront à la Commission des banques dans les trois mois qui suivent son entrée en vigueur. 3 Les banques et les sociétés financières sont tenues de s’adapter, dans les deux ans qui suivent l’entrée en vigueur de la présente loi, aux prescriptions de l’art. 3, al. 2, let. a, c et d, ainsi qu’à celles de l’art. 3bis, al. 1, let. c218. À défaut, l’autorisation peut leur être retirée. 4 À l’effet de tenir compte du caractère propre aux sociétés financières et aux caisses de crédit à terme différé, le Conseil fédéral est autorisé à édicter des prescriptions particulières. Dispositions finales de la modification du 18 mars 1994219 1 Les personnes physiques ou morales qui, au moment de l’entrée en vigueur de la modification du 18 mars 1994220 de la présente loi, détiennent des dépôts du public de façon non conforme à l’art. 1, al. 2, doivent les rembourser dans le délai de deux ans dès l’entrée en vigueur de la présente modification. La Commission des banques peut, le cas échéant, prolonger ou raccourcir ce délai lorsque des circonstances parti- culières le justifient. 2 Les sociétés financières à caractère bancaire qui, avant l’entrée en vigueur de la pré- sente modification, ont fait appel au public pour recevoir des fonds en dépôt avec l’autorisation de la Commission des banques, sont dispensées de requérir une nouvelle autorisation pour exercer une activité bancaire. Elles doivent se conformer aux pres- criptions des art. 4bis et 4ter dans un délai d’une année à compter de l’entrée en vigueur de la présente modification. 3 Dans un délai d’une année à compter de l’entrée en vigueur de la présente modifica- tion, les banques sont tenues de se conformer aux dispositions de l’art. 3, al. 2, let. cbis et d, et de l’art. 4, al. 2bis. 4 Dans un délai de trois ans à compter de l’entrée en vigueur de la présente modifica- tion, les cantons doivent assurer le respect des dispositions de l’art. 3a221, al. 1, et de l’art. 18, al. 1. Lorsque la surveillance au sens de l’art. 3a, al. 2, est transférée à la Commission des banques avant l’expiration de ce délai, la condition requise à l’art. 18, al. 1 doit être remplie au moment du transfert. 216 RO 1971 808; FF 1970 I 1157 217 Cette loi est entrée en vigueur le 1er juil. 1971 (art. 1 de l’ACF du 24 juin 1971; RO 1971 825). 218 Cette disp. est abrogée. 219 RO 1995 246; FF 1993 I 757 220 RO 1995 246 221 Cet art. a actuellement une nouvelle teneur. Banques et caisses d’épargne 46 / 48 952.0 5 Toute personne physique ou morale qui détient dans une banque une participation qualifiée au sens de l’art. 3, al. 2, let. cbis, doit communiquer celle-ci à la Commission des banques dans un délai d’une année qui suit l’entrée en vigueur de la présente mo- dification. 6 Les banques sont tenues de procéder à la communication annuelle conformément à l’art. 3, al. 6, la première fois une année au plus tard après l’entrée en vigueur de la présente modification. 7 Les banques organisées selon le droit suisse doivent, dans un délai de trois mois à compter de l’entrée en vigueur de la présente modification, communiquer à la Com- mission des banques toutes les filiales, succursales, agences et représentations qu’elles ont créées à l’étranger. Dispositions finales de la modification du 22 avril 1999222 1 Les banques cantonales qui étaient entièrement soumises à la surveillance de la Commission des banques au moment de l’entrée en vigueur de la présente loi sont considérées comme ayant obtenu l’autorisation conformément à l’art. 3. 2 En ce qui concerne la banque cantonale de Zoug, le canton n’est pas soumis à l’obli- gation de détenir plus d’un tiers des voix prévue à l’art. 3a, pour autant que le canton ne modifie ni la garantie de l’État ni l’exercice du droit de vote et que les décisions importantes ne puissent en aucun cas être prises sans l’accord du canton. 3 Pour la Banque cantonale de Genève, la participation des communes au capital est assimilée à la participation du canton au sens de l’art. 3a, pour autant que la partici- pation existante du canton ne soit pas réduite. Dispositions finales de la modification du 3 octobre 2003223 1 Le système d’autorégulation est soumis à l’approbation de la Commission des banques dans l’année qui suit l’entrée en vigueur de la présente modification. 2 Si la Commission des banques décide la faillite d’une banque avant l’entrée en vi- gueur de cette modification, la faillite, le sursis bancaire ou le sursis concordataire sont régis par l’ancien droit. Dispositions finales de la modification du 17 décembre 2004224 1 Quiconque dirige de fait depuis la Suisse, sans détenir une banque en Suisse, un groupe financier ou un conglomérat financier, doit s’annoncer auprès de la Commis- sion des banques dans les trois mois à compter de l’entrée en vigueur de la présente modification. 222 RO 1999 2405; FF 1998 3349 223 RO 2004 2767; FF 2002 7476 224 RO 2005 5269; FF 2003 3353 L sur les banques 47 / 48 952.0 2 Les groupes financiers et les conglomérats financiers existants sont tenus de s’adap- ter aux nouvelles dispositions dans le délai de deux ans à compter de l’entrée en vi- gueur de la présente modification. 3 Sur requête motivée, déposée avant l’échéance du délai, la Commission des banques peut prolonger celui-ci. Dispositions transitoires de la modification du 30 septembre 2011225 La première adoption des dispositions visées à l’art. 10, al. 4, est soumise à l’appro- bation de l’Assemblée fédérale. Disposition transitoire de la modification du 22 mars 2013226 Pour les avoirs en déshérence qui n’ont pas été réclamés depuis plus de 50 ans, à l’entrée en vigueur de la modification du 22 mars 2013 de la présente loi, le délai de publication est de cinq ans. Disposition transitoire relative à la modification du 17 décembre 2021227 Les exigences auxquelles le système d’autorégulation doit satisfaire en vertu de l’art. 37h, al. 3, let. d, doivent être remplies dans les cinq ans qui suivent l’entrée en vigueur de la modification du 17 décembre 2021. 225 RO 2012 811; FF 2011 4365 226 RO 2014 1267; FF 2010 6853 227 RO 2022 732; FF 2020 6151 Banques et caisses d’épargne 48 / 48 952.0 Chapitre I Champ d’application de la loi Art. 1 Art. 1bis Art. 1a Banques Art. 1b Promotion de l’innovation Art. 2 Art. 2bis Chapitre II Autorisation pour la banque d’exercer son activité Art. 3 Art. 3a Art. 3b Art. 3c Art. 3d Art. 3e Art. 3f Art. 3g Art. 3h Art. 3bis Art 3ter Art. 3quater Chapitre III Fonds propres, liquidité et autres règles de gestion Art. 4 Art. 4bis Art. 4ter Art. 4quater Art. 4quinquies Art. 4sexies Art. 5 Chapitre IV Comptes annuels et bilans Art. 6 Établissement des comptes Art. 6a Publicité Art. 6b Dispositions d’exécution Chapitre V Banques d’importance systémique Art. 7 Définition et but Art. 8 Critères et détermination de l’importance systémique Art. 9 Exigences particulières Art. 10 Application à la banque concernée Art. 10a Mesures en matière de rémunération Chapitre VI Capital complémentaire Art. 11 Principes Art. 12 Capital de réserve Art. 13 Capital convertible Art. 14 Capital de participation sociale des banques coopératives Art. 14a Réserves, dividendes et acquisition par la banque coopérative de ses propres bons de participation sociale Art. 14b Obligation d’annoncer et liste pour les banques coopératives Chapitre VII Dépôts d’épargne et valeurs déposées Art. 15 Art. 16 Chapitre VIII … Art. 17 Chapitre IX Contrôle et audit Art. 18 Art. 19 à 22 Chapitre X Surveillance Art. 23 Art. 23bis Art. 23ter Art. 23quater Art. 23quinquies Art. 23sexies Art. 23septies Art. 23octies Art. 24 Chapitre XI Mesures en cas de risque d’insolvabilité Art. 25 Conditions Art. 26 Mesures protectrices Art. 27 Primauté des accords de compensation, de réalisation et de transfert Art. 28 Procédure d’assainissement Art. 28a Assainissement des banques cantonales Art. 29 Assainissement de la banque Art. 30 Maintien de services bancaires Art. 30a Ajournement de la résiliation de contrats Art. 30b Mesures de capitalisation Art. 30c Plan d’assainissement Art. 31 Homologation du plan d’assainissement Art. 31a Refus du plan d’assainissement Art. 31b Contrepartie en cas de transfert Art. 31c Compensation en cas de mesures de capitalisation Art. 31d Effets juridiques du plan d’assainissement Art. 32 Prétentions Chapitre XII Faillite de banques insolvables (faillite bancaire) Art. 33 Ordre de faillite et nomination des liquidateurs de la faillite Art. 34 Effets et procédure Art. 35 Assemblée des créanciers et commission de surveillance Art. 36 Traitement des créances; état de collocation Art. 37 Engagements contractés lors de mesures protectrices ou pendant la procédure d’assainissement Art. 37a Dépôts privilégiés Art. 37b Remboursement à partir des actifs liquides disponibles Art. 37c Art. 37d Distraction de valeurs déposées Art. 37e Distribution et fin de la procédure Art. 37f Coordination avec des procédures à l’étranger Art. 37g Chapitre XIIa Recours dans les procédures visées aux chap. XI et XII Art. 37gbis Recours contre l’homologation du plan d’assainissement Art. 37gter Recours des créanciers et des propriétaires Art. 37gquater Délais Art. 37gquinquies Effet suspensif Chapitre XIII Garantie des dépôts Art. 37h Principe Art. 37i Mise en œuvre de la garantie des dépôts Art. 37j Remboursement Art. 37jbis Compensation, prétentions et cession légale Art. 37k Échange d’informations Chapitre XIIIa Avoirs en déshérence Art. 37l Transfert Art. 37m Liquidation Chapitre XIV Responsabilité et dispositions pénales Art. 38 Art. 39 Art. 40 à 45 Art. 46 Art. 47 Art. 48 Art. 49 Art. 50 Art. 50bis Art. 51 Art. 51bis Chapitre XV Dispositions transitoires et finales Art. 52 Art. 52a Art. 53 Art. 54 Art. 55 Art. 56 Dispositions finales de la modification du 11 mars 1971 Dispositions finales de la modification du 18 mars 1994 Dispositions finales de la modification du 22 avril 1999 Dispositions finales de la modification du 3 octobre 2003 Dispositions finales de la modification du 17 décembre 2004 Dispositions transitoires de la modification du 30 septembre 2011 Disposition transitoire de la modification du 22 mars 2013 Disposition transitoire relative à la modification du 17 décembre 2021 | mixed |
250b8317-67a7-4d37-beef-1e292ca10757 | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 134 IV 216 S. 216
A.
Am 4. November 2002 führte die (damalige) Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) einen nationalen Streiktag der Bauarbeiter durch. Dabei ging es um die Durchsetzung des flexiblen Altersrücktritts im Bauhauptgewerbe ab dem 60. Altersjahr. Zum Abschluss des Streiktages fanden an verschiedenen Orten, unter anderem in Genf, Bern und Buchs/SG, Schlusskundgebungen statt. Eine Schlussdemonstration wurde unter der Organisation der GBI auch auf der Autobahn A1 durchgeführt. Dabei wurden mit insgesamt zirka 30 Autobussen und zahlreichen Personenwagen von rund 2000 Demonstranten in der Zeit von 14.50 bis 16.10 Uhr die beiden Tunnelröhren des Bareggtunnels beidseitig, am Ost- und am Westportal, blockiert. Als Folge dieser nicht im Voraus angekündigten Blockadeaktion kam der Verkehr vollständig zum Erliegen. Es bildeten sich auf der Autobahn A1 am Baregg-Ostportal auf der Fahrbahn Richtung Bern und am Baregg-Westportal auf der Fahrbahn Richtung Zürich sowie auf der A3 Richtung Zürich Staus, die um zirka 16.45 Uhr Längen von rund 10, 9 respektive 3 Kilometern erreichten und sich erst um 19.15 Uhr respektive um 17.47 Uhr beziehungsweise um 17.43 Uhr auflösten. Die Ausweichrouten auf den Kantonsstrassen waren überlastet, und die Rettungsachsen für Sanität, Feuerwehr und Polizei waren abgeriegelt.
BGE 134 IV 216 S. 217
B.
B.a
Der Präsident 3 des Bezirksgerichts Baden verurteilte A., B., C. und D. am 22. August 2006 wegen Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB
zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von 14 Tagen und zu Bussen von 500 Franken. Die Verurteilten waren als Mitglieder der Geschäftsleitung der GBI massgeblich an der Planung und Vorbereitung der Aktion am Bareggtunnel beteiligt und, mit Ausnahme von C., auch an der Aktion selbst vor Ort anwesend.
Vom Vorwurf der Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 StGB
) wurden die vier Angeklagten freigesprochen. Das Verfahren wegen Verletzung von Verkehrsregeln durch Behinderung und Gefährdung des Verkehrs durch Abstellenlassen von Fahrzeugen auf der Fahrbahn einer Autobahn sowie durch das Betreten der Autobahn als Fussgänger wurde eingestellt. Der Freispruch vom Vorwurf der Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 StGB
) wurde von der ersten Instanz damit begründet, dass zwar der objektive, nicht aber der subjektive Tatbestand erfüllt sei. Die Angeklagten hätten glaubhaft versichert, dass das Organisationskomitee im Rahmen seiner Möglichkeiten alles unternommen habe, um Unfälle zu verhindern. Damit fehle es an dem gemäss
Art. 237 Ziff. 1 StGB
("...wissentlich...") erforderlichen direkten Vorsatz der konkreten Gefährdung mindestens eines Menschen. Ob allenfalls fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 Ziff. 2 StGB
) vorliege, hat die erste Instanz - möglicherweise mangels einer entsprechenden Anklage - nicht geprüft. Das Verfahren gegen die vier Angeklagten wegen Verletzung von Verkehrsregeln wurde von der ersten Instanz mit der Begründung eingestellt, es liege keine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
vor, da die Angeklagten alles ihnen mögliche unternommen hätten, um Unfälle zu verhindern. Somit liege lediglich eine einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
vor, die aber als Übertretung verjährt sei.
B.b
Die Verurteilten erhoben Berufung und beantragten darin ihre Freisprechung vom Vorwurf der Nötigung.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies mit Urteilen vom 25. Mai 2007 die Berufungen ab. Es änderte von Amtes wegen den erstinstanzlichen Entscheid im Strafpunkt, indem es die vier Angeklagten in Anwendung des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen neuen, milderen Rechts zu bedingten Geldstrafen von
BGE 134 IV 216 S. 218
14 Tagessätzen und zu Bussen von 500 Franken verurteilte, wobei die Tagessätze auf 200, 125, 190 respektive 250 Franken festgesetzt wurden.
C.
Die Verurteilten führen Beschwerden an das Bundesgericht mit den Anträgen, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und sie seien von Schuld und Strafe freizusprechen.
D.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Gemäss
Art. 181 StGB
wird wegen Nötigung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.
4.1
Die in der Rechtsprechung als "gefährlich weit" bezeichnete Tatbestandsvariante der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" in
Art. 181 StGB
ist aus rechtsstaatlichen Gründen restriktiv auszulegen (
BGE 119 IV 301
E. 2a;
BGE 107 IV 113
E. 3b). Das Zwangsmittel der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die im Gesetz ausdrücklich genannten Zwangsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt (
BGE 129 IV 6
E. 2.1;
BGE 119 IV 301
E. 2a mit Hinweisen).
Die weite Umschreibung des Nötigungstatbestands von
Art. 181 StGB
hat zur Folge, dass nicht jedes tatbestandsmässige Verhalten bei Fehlen von Rechtfertigungsgründen auch rechtswidrig ist. Vielmehr bedarf die Rechtswidrigkeit bei
Art. 181 StGB
einer zusätzlichen, besonderen Begründung. Eine Nötigung ist unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (
BGE 129 IV 6
E. 3.4;
BGE 119 IV 301
E. 2b;
BGE 108 IV 165
E. 3, je mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist den verfassungsmässigen Rechten der Beteiligten Rechnung zu tragen (
BGE 129 IV 6
E. 3.4 mit Hinweisen).
BGE 134 IV 216 S. 219
4.2
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich schon verschiedentlich mit Blockadeaktionen unter dem Gesichtspunkt der Nötigung befassen müssen.
BGE 108 IV 165
betraf den Fall der Bildung eines sog. "Menschenteppichs" durch 24 Demonstranten vor dem Zugang zu einer militärischen Ausstellung, wodurch während ca. 15 Minuten die Wegfahrt eines Motorfahrzeugs verhindert worden war. In
BGE 119 IV 301
ging es um drei Personen, welche an einem Bahnübergang ein Transparent gegen den Golfkrieg aufgestellt und zur Unterstützung der Aktion die geschlossenen Bahnschranken manipuliert hatten, so dass diese bis zum Einschreiten der Polizei nicht geöffnet werden konnten, wodurch der Strassenverkehr während zehn Minuten aufgehalten worden war. Das Urteil 6S.671/1998 vom 11. Dezember 1998 betraf den Fall von Aktivisten, welche aus Protest gegen die Planung eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle während etwa anderthalb Stunden, bis zum Eintreffen der Polizei, den Haupteingang zum Verwaltungsgebäude einer Kraftwerkgesellschaft blockiert hatten. In
BGE 129 IV 6
ging es um Aktivisten, die an mehreren Tagen die Zufahrten beziehungsweise die Werksgeleise zu verschiedenen Kernkraftwerken blockiert hatten, um gegen den Transport von nuklearen Brennelementen zum Zwecke der Wiederaufbereitung zu protestieren. In allen diesen Fällen hat das Bundesgericht Nötigung bejaht und damit die letztinstanzlichen kantonalen Schuldsprüche bestätigt.
Aktionen und Bummelfahrten auf Autobahnen wurden vom Bundesgericht (in Bestätigung der letztinstanzlichen kantonalen Entscheide) auch schon als grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
(
BGE 111 IV 167
;
BGE 120 Ib 285
) beziehungsweise als (fahrlässige) Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss
Art. 237 StGB
(Urteil 6S.312/2003 vom 1. Oktober 2003) qualifiziert, wobei aus prozessualen Gründen nicht zu prüfen war, ob allenfalls (auch) Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB
hätte vorliegen können.
4.3
Die Rechtsprechung zur Nötigung durch Blockadeaktionen findet in der Lehre teilweise, zumindest im Ergebnis, Zustimmung und stösst teilweise auf Ablehnung (siehe etwa betreffend
BGE 108 IV 165
zustimmend HANS SCHULTZ, ZBJV 120/1984 S. 13; ablehnend NICCOLÒ RASELLI, Menschenteppich: Grundrecht oder Nötigung?, Plädoyer 1990 6 S. 44 ff.; betreffend
BGE 119 IV 301
grundsätzlich zustimmend MARCEL A. NIGGLI, AJP 1994 S. 518 ff.; ablehnend MARC SPESCHA, Nötigung gemäss
Art. 181 StGB
-
BGE 134 IV 216 S. 220
Maulkorb für Politisches?, Plädoyer 1994 6 S. 30 ff.; betreffend
BGE 129 IV 6
teilweise zustimmend GUIDO JENNY, ZBJV 141/2005 S. 369 f.). Die kritischen Stimmen beanstanden, dass sich das Bundesgericht zwar verbal zur restriktiven sowie zur verfassungskonformen Auslegung von
Art. 181 StGB
bekennt, in Wahrheit aber den Tatbestand nicht einschränkend auslegt und die in Betracht fallenden Grundrechte der Beteiligten nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt (statt vieler JONAS PETER WEBER/RENÉ WIEDERKEHR, AJP 2003 S. 432 ff., 433, 435). Es wird unter anderem die Auffassung vertreten,
Art. 181 StGB
schütze bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht jede (erlaubte) Handlung, welche ein Mensch nach seinem freien Willen vornehmen will, sondern nur grundrechtlich geschützte Handlungen (WEBER/WIEDERKEHR, a.a.O., S. 434). Es wird darauf hingewiesen, dass unter den Kommunikationsbedingungen in der heutigen informationsgesättigten Gesellschaft das Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit vielfach auf verstärkende Begleitumstände angewiesen sei, um sich im öffentlichen Raum überhaupt noch wirksam entfalten zu können (MARC SPESCHA, a.a.O., S. 33).
4.4
4.4.1
Beim Tatbestand der Nötigung gemäss
Art. 181 StGB
sind die Gewalt, die Androhung ernstlicher Nachteile und die andere Beschränkung der Handlungsfreiheit die Nötigungsmittel. Das Verhalten, zu dem der Betroffene durch den Einsatz eines solchen Mittels genötigt wird, d.h. etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, ist im strafrechtlichen Sinne der Nötigungszweck. Von diesem Nötigungszweck ist das Fernziel der Nötigung zu unterscheiden. Insbesondere Verkehrsblockaden werden in der Regel, aber nicht notwendigerweise, im Hinblick auf ein Fernziel veranstaltet. Die Blockade wird durchgeführt, um auf dieses Fernziel hinzuweisen und ihm allenfalls näher zu kommen; darin liegt das Motiv der Täter für die Aktion. Das Fernziel und das Motiv sind im Unterschied zum Nötigungsmittel und zum Nötigungszweck keine Elemente des Tatbestands der Nötigung.
4.4.2
Im vorliegenden Fall wurden im Rahmen der von den Beschwerdeführern geplanten, vorbereiteten und organisierten Aktion zirka 30 Busse und zahlreiche weitere Motorfahrzeuge auf der Fahrbahn der Autobahn abgestellt und auf diese Weise ein Hindernis errichtet. Dies ist das Nötigungsmittel. Durch die Errichtung des Hindernisses wurden die übrigen Verkehrsteilnehmer genötigt,
BGE 134 IV 216 S. 221
etwas zu tun, zu dulden und zu unterlassen, nämlich anzuhalten, zu warten und nicht weiterzufahren. Dies ist im strafrechtlichen Sinne der Nötigungszweck. Die Blockadeaktion wurde im Hinblick auf die Forderung nach der Einführung eines flexiblen Altersrücktritts ab dem 60. Altersjahr durchgeführt. Dies ist nicht der Nötigungszweck im strafrechtlichen Sinne. Die betroffenen Verkehrsteilnehmer wurden nicht zur Einführung des flexiblen Altersrücktritts, sondern zum Anhalten und Warten genötigt. Die geforderte Einführung des flexiblen Altersrücktritts ist im vorliegenden Fall das Fernziel der Nötigung. Die Blockadeaktion wurde von den Beschwerdeführern organisiert, um auf dieses Fernziel aufmerksam zu machen und ihm allenfalls etwas näher zu kommen. Darin liegt das Tatmotiv der Beschwerdeführer.
4.4.3
Geschütztes Rechtsgut von
Art. 181 StGB
ist nach der Rechtsprechung die Handlungsfreiheit beziehungsweise die Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung des Einzelnen (
BGE 129 IV 6
E. 2.1 mit Hinweisen). Diese Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung ist strafrechtlich unabhängig von der Art der (legalen) Tätigkeit geschützt, welche der Betroffene nach seinem frei gebildeten Willen verrichten will. Geschützt ist damit auch die Freiheit des Einzelnen, den Willen der automobilen Fortbewegung zu betätigen. Durch die inkriminierte Aktion wurden indessen die Verkehrsteilnehmer für die Dauer von anderthalb Stunden und mehr nicht allein an dieser Fortbewegung, sondern vielmehr auch daran gehindert, ihren vielfältigen Verpflichtungen namentlich auch beruflicher Art nachzugehen.
4.4.4
Allerdings kommt es auf den schweizerischen Strassen täglich aus verschiedenen Gründen zu Verkehrsbehinderungen und Staus. Solche können zum einen etwa wegen Verkehrsüberlastung, Baustellen, Unfällen und besonders hohem Verkehrsaufkommen bei Grossveranstaltungen entstehen. Zum andern kommt es in jüngerer Zeit vermehrt nach Sportveranstaltungen, namentlich nach wichtigen Fussballspielen, zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, weil die Anhänger der siegreichen Mannschaft spontan gleichzeitig in grosser Zahl mit ihren Fahrzeugen etwa in den Innenstädten umherfahren und dabei gelegentlich auch anhalten, um mit den Insassen von anderen Fahrzeugen ihre Freude auszutauschen. Im erstgenannten Fall ist der Tatbestand der Nötigung offensichtlich schon deshalb nicht erfüllt, weil es keinen Täter gibt. Im zweitgenannten Fall handeln die feiernden Anhänger der siegreichen Mannschaft
BGE 134 IV 216 S. 222
zwar mit Wissen und Willen, aber nicht zum Zweck, die andern Verkehrsteilnehmer zu behindern. Das Verhalten der feiernden Anhänger lässt sich nicht als ein bewusst eingesetztes Mittel zum Zwecke der Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer verstehen. Davon unterscheidet sich der inkriminierte Fall wesentlich. Die Beschwerdeführer verfolgten mit der von ihnen geplanten, vorbereiteten und organisierten Aktion den Zweck, einen Verkehrsstau zu provozieren. Damit sollte nach den Vorstellungen der Beschwerdeführer unter anderem dargestellt werden, wie wichtig die Autobahntunnels und damit die Bauarbeiter sind, deren Tätigkeit im Tunnelbau besonders anstrengend ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass einzig gegen die für die Planung, Vorbereitung und Organisation der Blockadeaktion verantwortlichen Gewerkschaftsfunktionäre Strafverfahren eröffnet wurden. Gegen die zahlreichen Bauarbeiter und anderen Personen, die in den von der Gewerkschaft gemieteten Bussen sowie in ihren privaten Fahrzeugen an der Aktion teilnahmen, wurden keine Strafverfahren eingeleitet.
4.4.5
Die Beschwerdeführer haben somit durch die von ihnen verantwortete Aktion den Tatbestand der Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB
erfüllt.
4.5
Die Blockadeaktion dauerte von 14.50 bis 16.10 Uhr. Sie war nicht im Voraus angekündigt worden. Infolge der Aktion kam der Verkehr auf den im fraglichen Abschnitt ohnehin stark verkehrsbelasteten Autobahnen A1 und A3 vollständig zum Erliegen. Es bildeten sich Staus von maximal zehn Kilometern Länge, die sich teilweise erst nach 19.00 Uhr auflösten. Die Verkehrsteilnehmer hatten auf der Autobahn keine Möglichkeit, auszuweichen oder zu wenden. Die von der Aktion betroffenen Menschen waren für die von den Beschwerdeführern beklagten Missstände weder verantwortlich noch konnten sie etwas zu deren Beseitigung beitragen. Es ging nicht darum, die Bevölkerung aufzurütteln, um etwa auf ein erhebliches Fehlverhalten staatlicher Organe hinzuweisen. Die Aktion war nicht ein Akt des zivilen Ungehorsams. Es ging einzig um die von einer Gewerkschaft definierten Interessen einer bestimmten Berufsgruppe. In Anbetracht dieser Umstände sind das Nötigungsmittel und der Nötigungszweck unrechtmässig.
Daran ändert die gebotene Berücksichtigung der hier in Betracht zu ziehenden verfassungsmässigen Rechte der Beteiligten, nämlich des Streikrechts, der Versammlungsfreiheit und der Meinungsäusserungsfreiheit, aus nachstehenden Gründen (siehe E. 5) nichts.
BGE 134 IV 216 S. 223
5.
5.1
Gemäss
Art. 28 Abs. 3 BV
sind Streik und Aussperrung zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen und wenn keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen. Nach
Art. 8 Abs. 1 lit. d UNO-Pakt I
(SR 0.103.1) verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Gewährleistung des Streikrechts, soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird.
5.1.1
Streik ist die kollektive Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung zum Zwecke der Durchsetzung von Forderungen nach bestimmten Arbeitsbedingungen gegenüber einem oder mehreren Arbeitgebern (
BGE 125 III 277
E. 3a). Ein Streik ist rechtmässig, wenn er von einer tariffähigen Organisation getragen ist, durch Gesamtarbeitsvertrag regelbare Ziele verfolgt, nicht gegen die Friedenspflicht verstösst und verhältnismässig ist (
BGE 125 III 277
E. 3b;
BGE 132 III 122
E. 4.4; Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl
BGE 1997 I 1
ff., S. 179 f.). Ein Streik wirkt sich nicht nur auf die Arbeitgeber, gegen die er sich richtet, sondern in mehr oder weniger ausgeprägtem Umfang auch auf Dritte aus. Das Ausmass dieser Auswirkungen hängt unter anderem davon ab, welcher Branche die Streikenden angehören. Ein Streik von Lokomotivführern beispielsweise wirkt sich sofort und in erheblichem Ausmass auch auf beliebige Dritte aus. Demgegenüber hat ein Streik von Bauarbeitern für Dritte weniger unmittelbar einschneidende Auswirkungen.
Im Rahmen von Streiks werden in der Regel, aber nicht notwendigerweise auch Kundgebungen und Demonstrationen durchgeführt, die meist auf öffentlichem Grund stattfinden. Diese haben unter anderem den Zweck, eine breitere Öffentlichkeit über die Gründe und Ziele des Streiks zu informieren und auf diesem Wege auch Verständnis und gar Sympathie für die Anliegen der Streikenden zu gewinnen, wodurch zusätzlicher Druck auf den Arbeitskampfgegner, d.h. die Arbeitgeber, ausgeübt werden kann.
Durch Demonstrationen im öffentlichen Raum werden Dritte, insbesondere Verkehrsteilnehmer, in mehr oder weniger ausgeprägtem Umfang behindert, wobei das Ausmass der Behinderung unter anderem vom Ort der Demonstration abhängt. Es ist naheliegend, dass Kundgebungen im Rahmen von Streiks an Orten durchgeführt werden, zu denen die Streikenden einen bestimmten Bezug
BGE 134 IV 216 S. 224
haben. Es ist daher nachvollziehbar, dass Demonstrationen von streikenden Bauarbeitern gerade in Baustellenbereichen oder in deren Nähe stattfinden, weil hier der Zusammenhang mit dem Streikzweck auch für unbeteiligte Dritte sinnfällig zum Ausdruck kommt. Die daraus für Dritte resultierenden Behinderungen sind grundsätzlich hinzunehmen und in der Regel nicht als Nötigung strafbar.
5.1.2
Es kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführer keine Rede davon sein, dass "die Aktionen", welche eine Gewerkschaft im Rahmen eines rechtmässigen Streiks "autonom" beschliesst und durchführt, "verfassungsmässig garantiert" und somit rechtmässig sind. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob eine bei Gelegenheit eines rechtmässigen Streiks ergriffene Massnahme überhaupt ein Mittel des Arbeitskampfes und gegebenenfalls verhältnismässig und rechtmässig ist. So ist es etwa im Rahmen eines rechtmässigen Streiks den Streikposten erlaubt, arbeitswillige Arbeitnehmer auf friedliche Weise davon zu überzeugen zu versuchen, nicht zur Arbeit zu gehen (sog. "peaceful picketing"). Es ist den Streikposten aber auch im Rahmen eines rechtmässigen Streiks nicht gestattet, arbeitswilligen Arbeitnehmern, die sich nicht überzeugen lassen, den Zutritt zur Arbeit zu versperren (siehe
BGE 132 III 122
E. 4.5.4 mit Hinweisen). Somit sind selbst die im Rahmen eines rechtmässigen Streiks gegen den Arbeitskampfgegner gerichteten Massnahmen nur rechtmässig, wenn sie verhältnismässig sind. Die Blockadeaktion am Bareggtunnel war nicht gegen den Arbeitskampfgegner, sondern gegen unbeteiligte Dritte gerichtet, die im Übrigen nichts zur Erfüllung der Forderung nach einem flexiblen Altersrücktritt beitragen konnten. Die Blockadeaktion stellt daher keine Arbeitskampfmassnahme dar, die unter der gebotenen Berücksichtigung des verfassungsmässigen Streikrechts rechtmässig sein könnte.
5.2
Gemäss
Art. 22 BV
ist die Versammlungsfreiheit gewährleistet. Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben. Die Versammlungsfreiheit wird auch in
§ 17 Abs. 1 KV/AG
gewährleistet.
5.2.1
Die von den Beschwerdeführern zu verantwortende Aktion am Bareggtunnel fand nicht auf dem Areal der Baustelle der dritten Röhre statt. Vielmehr wurde zielgerichtet der Verkehr auf den Fahrbahnen am Ost- und am Westportal der beiden bestehenden
BGE 134 IV 216 S. 225
Tunnelröhren unter Einsatz von rund 30 eigens zu diesem Zweck gemieteten Bussen und durch weitere Motorfahrzeuge von insgesamt etwa 2000 Personen blockiert. Was sich am Ort des Geschehens im Einzelnen abspielte, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Aus dem angefochtenen Entscheid geht aber hervor, dass keine Kundgebung in dem Sinne stattfand, dass vor den Teilnehmenden Ansprachen gehalten wurden. Nach den Aussagen eines Beschwerdeführers im kantonalen Verfahren sollte die Aktion gemäss Plan lediglich 30 Minuten dauern. Leider habe sie dann länger gedauert. Die Organisatoren hätten ihre Kräfte darauf konzentriert, dass sich keine Unfälle ereigneten. Sie hätten aber zu wenig überlegt, was am Baregg mit den Bauarbeitern geschehe. Unter den Bauarbeitern habe eine grosse Freude geherrscht. Sie hätten sich treffen wollen, was dann halt spontan im Tunnel passiert sei. Damit hätten die Organisatoren nicht gerechnet; dies sei nicht geplant gewesen. Daher habe das Ganze länger gedauert.
5.2.2
Das Zusammentreffen der Bauarbeiter am und im Bareggtunnel kann allenfalls auch unter derartigen Umständen als eine Versammlung im weiten verfassungsrechtlichen Sinne qualifiziert werden. Daraus folgt aber nicht, dass die Aktion rechtmässig war. Die Behinderung der Verkehrsteilnehmer war nicht eine von den Beschwerdeführern bloss in Kauf genommene, mehr oder weniger unvermeidliche Folge einer Versammlung von Bauarbeitern im öffentlichen Raum. Sie war nach dem Plan der Beschwerdeführer vielmehr die angestrebte Folge einer gezielten Blockadeaktion, indem durch das Abstellen der zirka 30 gemieteten Busse und der weiteren Fahrzeuge auf der Autobahn medienwirksam ein unüberwindliches Hindernis errichtet und dadurch auf dem stark befahrenen Autobahnabschnitt kilometerlange Staus provoziert wurden. Damit tritt die allfällige Versammlung der Bauarbeiter im Rahmen der gesamten von den Beschwerdeführern geplanten und organisierten Aktion in den Hintergrund. Die Blockade ist daher auch unter der gebotenen Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit unrechtmässig.
5.3
Gemäss
Art. 16 BV
ist die Meinungsfreiheit gewährleistet. Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.
5.3.1
Die Beschwerdeführer berufen sich nicht ausdrücklich auf dieses Grundrecht. Sie machen aber geltend, am Baregg sei den
BGE 134 IV 216 S. 226
Verkehrsteilnehmern und dem Publikum demonstriert worden, dass ohne die harte Schichtarbeit von Bauarbeitern und Mineuren keine Autobahntunnels gebohrt werden. Es sei darum gegangen, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, welche für sie wichtigen Tätigkeiten die Bauarbeiter verrichten. Der Kontext von Tunnelbau, Bauarbeitern und vorzeitiger Pensionierung habe am 4. November 2002 am dafür symbolischen Baregg auf der Hand gelegen. Mit diesen Ausführungen machen die Beschwerdeführer unter anderem geltend, dass durch die Aktion den Verkehrsteilnehmern und dem Publikum respektive der Öffentlichkeit eine Botschaft vermittelt werden sollte. Sie berufen sich damit implizit auch auf die Meinungsäusserungsfreiheit.
5.3.2
Die meisten im Stau festsitzenden Verkehrsteilnehmer konnten aufgrund ihrer Entfernung vom Ort des eigentlichen Geschehens weder allfällige Parolen wahrnehmen noch überhaupt den Grund für den Stau erkennen. Die Blockadeaktion am Bareggtunnel war - im Unterschied zu anderen am Streiktag durchgeführten Aktionen - gar nicht geeignet und konnte daher auch nicht bezwecken, Dritte im öffentlichen Raum über die Anliegen der Streikenden zu informieren. Die in den Staus festsitzenden Verkehrsteilnehmer waren in ihrer überwiegenden Mehrheit bloss Statisten für die von den Beschwerdeführern organisierte spektakuläre Aktion, die im Wesentlichen eine erhöhte Medienaufmerksamkeit für das Anliegen der Streikenden bezweckte, worauf jedoch kein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht.
6.
Die weiteren Einwände der Beschwerdeführer sind ebenfalls unbegründet.
6.1
Der aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angerufen werden, wenn die Tat ein notwendiges und angemessenes Mittel ist, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen, die Tat also insoweit den einzigen möglichen Weg darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, die der Täter zu wahren sucht (
BGE 127 IV 122
E. 5c,
BGE 127 IV 166
E. 2b;
BGE 126 IV 236
E. 4b mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Blockadeaktion war nicht ein notwendiges Mittel und der einzige Weg, um den flexiblen Altersrücktritt ab 60 Jahren im Bauhauptgewerbe möglichst rasch durchzusetzen.
6.2
Dass andere Schlussdemonstrationen am nationalen Streiktag nicht zu Verurteilungen geführt haben, weil überhaupt keine
BGE 134 IV 216 S. 227
Straf verfahren eingeleitet oder eröffnete Strafverfahren eingestellt beziehungsweise aufgehoben wurden, ist unerheblich. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig die Aktion am Bareggtunnel. Diese unterscheidet sich im Übrigen von der in Buchs/SG durchgeführten Schlussdemonstration unter anderem darin, dass dort tatsächlich eine Kundgebung stattfand, an welcher Ansprachen vor etwa 500 (zu Fuss) versammelten Teilnehmern gehalten wurden. Dieser Unterschied ist entgegen einem Einwand in der Beschwerde keine von der Vorinstanz "fabrizierte Differenz", die "gestelzt" wirkt. Allerdings fand die Kundgebung in Buchs/SG an einer Baustelle an einem Verkehrskreisel in der Nähe eines Autobahnzubringers statt, weshalb es zu einer Blockierung beziehungsweise Behinderung des Verkehrs während zirka 45 Minuten kam. Ob die Strafuntersuchung von der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen zu Recht aufgehoben wurde, ist hier nicht zu prüfen.
6.3
Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Juni 2003 (Rechtssache C-112/00,
Schmidberger gegen Österreich
, Slg. 2003, I-5659) können die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten ableiten. Gegenstand jenes Urteils war eine 30-stündige Blockade der Brenner-Autobahn durch Umweltschützer und unter anderem die Frage des Verhältnisses zwischen dem Grundsatz des freien Warenverkehrs und den Grundrechten der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. Jener Fall unterscheidet sich vom vorliegenden in tatsächlicher Hinsicht wesentlich unter anderem darin, dass die Blockade der Brenner-Autobahn bereits rund einen Monat vorher angekündigt worden war. Demgegenüber wurde die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Blockade nicht im Voraus angekündigt und lag ihr Zweck gerade auch darin, möglichst grosse und damit spektakuläre Verkehrsstaus zu provozieren.
6.4
Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass keine Zivilklagen eingereicht worden seien. Auch dies mache deutlich, dass der durch die Aktion bewirkte Stau von den betroffenen Verkehrsteilnehmern toleriert worden sei. Der Einwand ist unbehelflich. Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB
setzt keinen Schaden voraus. Im Übrigen kann aus mehreren, ganz unterschiedlichen Gründen von Zivilklagen abgesehen worden sein.
6.5
Die Beschwerdeführer machen sinngemäss geltend, die Durchführung des nationalen Streiktages am 4. November 2002 sei eine
BGE 134 IV 216 S. 228
"ultima ratio" und daher zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig und verhältnismässig gewesen. Ob der nationale Streiktag als "ultima ratio" bezeichnet werden kann, ist in Anbetracht der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz betreffend den Verlauf der Verhandlungen vor dem 4. November 2002 zweifelhaft. Wie es sich damit verhält, kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind weder der Streik als solcher noch die mehreren am Streiktag an verschiedenen Orten durchgeführten Kundgebungen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die von den Beschwerdeführern geplante, vorbereitete und organisierte Blockadeaktion am Bareggtunnel. Diese Aktion kann indessen schon deshalb nicht als eine "ultima ratio" dargestellt werden, weil sie am nationalen Streiktag selbst und somit an dem Tag durchgeführt wurde, an welchem zur Erreichung des angestrebten Ziels erstmals landesweit gestreikt worden ist.
6.6
Die Beschwerdeführer behaupten, gerade auch wegen der Aktion am Bareggtunnel habe wenige Tage später der Arbeitgeberverband eingelenkt. Daraus ziehen sie den Schluss, dass die Aktion notwendig und verhältnismässig gewesen sei. Der behauptete Kausalzusammenhang ist gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid mehr als zweifelhaft und nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz jedenfalls rechtlich unerheblich. Eine Straftat, auch eine Nötigung, wird nicht dadurch rechtmässig, dass die Täter das damit angestrebte und grundsätzlich nachvollziehbare Fernziel erreichen. | mixed |
7cf6ef27-5f96-4095-ac0b-483619717e84 | 952.0 1 / 48 Legge federale sulle banche e le casse di risparmio (Legge sulle banche, LBCR)1 dell’8 novembre 1934 (Stato 1° gennaio 2023) L’Assemblea federale della Confederazione Svizzera, visti gli articoli 34ter, 64 e 64bis della Costituzione federale2; visto il messaggio del Consiglio federale del 2 febbraio 1934, decreta: Capo primo: Sfera d’applicazione Art. 13 1 La presente legge si applica alle banche, ai banchieri privati (ditte individuali, società in nome collettivo e società in accomandita) e alle casse di risparmio, qui di seguito designate tutte col nome di banche. 2 Le persone fisiche e giuridiche che non sottostanno alla presente legge non sono legittimate ad accettare depositi del pubblico a titolo professionale. Il Consiglio fede- rale può prevedere eccezioni, purché la protezione dei depositanti sia garantita. L’emissione di prestiti non è considerata accettazione di depositi del pubblico a titolo professionale.4 3 Non soggiacciono alla legge, segnatamente: a. gli agenti e le ditte di borsa che esercitano soltanto negozio di cartevalori e operazioni direttamente connesse, ma non attività bancaria; b. gli amministratori di beni, i notai e gli agenti d’affari che si limitano ad am- ministrare i capitali dei loro clienti, senza esercitare un’attività bancaria. 4 Le espressioni «banca» o «banchiere», isolate o in una parola composta, possono essere utilizzate nella ditta, nella designazione dello scopo sociale e nella pubblicità d’affari soltanto dagli istituti che hanno ricevuto un’autorizzazione come banche dall’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari (FINMA). È fatto salvo l’ar- ticolo 2 capoverso 3.5 RU 51 129 e CS 10 331 1 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 22 apr. 1999, in vigore dal 1° ott. 1999 (RU 1999 2405; FF 1998 3007). 2 [CS 1 3; RU 1976 2001] 3 Nuovo testo giusta il n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 4 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Vedi anche le disp. fin. della mod. del 18 mar. 1994 (RU 1995 246) alla fine del presente testo. 5 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 952.0 Banche e casse di risparmio 2 / 48 952.0 5 La Banca nazionale svizzera e le centrali d’emissione di obbligazioni fondiarie sog- giacciono alla presente legge soltanto in quanto quest’ultima lo disponga esplicita- mente. Art. 1bis 6 Art. 1a7 Banche È considerato banca chiunque opera soprattutto nel settore finanziario e: a. accetta a titolo professionale depositi del pubblico per un importo superiore a 100 milioni di franchi o si presta pubblicamente a tale scopo; b.8 accetta a titolo professionale depositi del pubblico per un importo inferiore o pari a 100 milioni di franchi o beni crittografici definiti tali dal Consiglio fe- derale, oppure si presta pubblicamente a tale scopo, e investe tali depositi o beni o corrisponde interessi sugli stessi; o c. si rifinanzia in misura rilevante presso più banche non partecipanti in modo determinante al suo capitale, al fine di finanziare, per conto proprio e in un modo qualsiasi, un numero indeterminato di persone o imprese con le quali non costituisce un’unità economica. Art. 1b9 Promovimento dell’innovazione 1 Le disposizioni della presente legge si applicano per analogia alle persone che ope- rano soprattutto nel settore finanziario e: a. accettano a titolo professionale depositi del pubblico per un importo inferiore o pari a 100 milioni di franchi o beni crittografici definiti tali dal Consiglio federale oppure si prestano pubblicamente a tale scopo; e b. non investono tali depositi o beni né corrispondono interessi sugli stessi.10 2 Il Consiglio federale può adeguare l’importo di cui al capoverso 1 tenendo conto della competitività e del potenziale di innovazione della piazza finanziaria svizzera. 3 Le persone di cui al capoverso 1 devono in particolare: a. delimitare esattamente la sfera degli affari e prevedere una organizzazione proporzionata all’importanza degli stessi; 6 Introdotto dall’all. n. II 5 della L del 3 ott. 2003 sulla Banca nazionale (RU 2004 1985; FF 2002 5413). Abrogato dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finan- ziaria, con effetto dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 7 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 5247; FF 2015 7293). 8 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 9 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 5247; FF 2015 7293). 10 Nuovo testo giusta il n. I 6 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° ago. 2021 (RU 2021 33, 399; FF 2020 221). Legge sulle banche 3 / 48 952.0 b. disporre di una gestione dei rischi adeguata e di un controllo interno efficace, tali da garantire in particolare il rispetto delle prescrizioni legali e delle diret- tive interne dell’impresa (conformità alle norme); c. disporre di risorse finanziarie adeguate; d.11 assicurare che le persone incaricate dell’amministrazione e gestione godano di buona reputazione e offrano la garanzia di un’attività irreprensibile; 4 Sono fatte salve le seguenti disposizioni: a.12 la presentazione dei conti delle persone di cui al capoverso 1 è retta esclusi- vamente dalle disposizioni del Codice delle obbligazioni (CO)13; b. le persone di cui al capoverso 1 fanno verificare il loro conto annuale ed even- tualmente il loro conto di gruppo secondo le disposizioni del CO14, di cui tut- tavia non è applicabile l’articolo 727a capoversi 2–5; c. le persone di cui al capoverso 1 incaricano una società di audit abilitata dall’Autorità federale di sorveglianza dei revisori conformemente all’artico- lo 9a capoverso 1 o 4bis della legge del 16 dicembre 200515 sui revisori di effettuare una verifica conformemente all’articolo 24 della legge del 22 giu- gno 200716 sulla vigilanza dei mercati finanziari; d.17 ai depositi del pubblico e ai beni crittografici definiti tali dal Consiglio fede- rale detenuti dalle persone di cui al capoverso 1 non si applicano le disposi- zioni sui depositi privilegiati (art. 37a) e sul pagamento immediato (art. 37b); i depositanti ne vanno informati prima di effettuare il deposito. 5 In casi particolari la FINMA può dichiarare applicabili i capoversi 1–4 anche alle persone che accettano a titolo professionale depositi del pubblico per un importo su- periore a 100 milioni di franchi, o si prestano pubblicamente per tale scopo, e non investono tali depositi né corrispondono interessi sugli stessi, sempre che la protezione dei clienti sia garantita mediante misure particolari. 6 Se il valore soglia di 100 milioni di franchi è superato, ciò va notificato alla FINMA entro 10 giorni; entro 90 giorni va presentata una domanda di autorizzazione secondo l’articolo 1a. È fatto salvo il capoverso 5. 11 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 12 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 13 RS 220 14 Nuova espr. giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Di detta mod. é tenuto conto uni- camente nelle disp. menzionate nella RU. 15 RS 221.302 16 RS 956.1 17 Nuovo testo giusta il n. I 6 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° ago. 2021 (RU 2021 33, 399; FF 2020 221). Banche e casse di risparmio 4 / 48 952.0 Art. 218 1 Le disposizioni della presente legge si applicano per analogia: a. alle succursali istituite in Svizzera da banche estere; b. ai rappresentanti designati in Svizzera da tali banche.19 2 La FINMA20 emana le opportune disposizioni. Essa può, segnatamente, esigere che i suddetti uffici siano sufficientemente dotati di capitali e chiedere che siano prestate garanzie. 3 Il Consiglio federale è autorizzato a concludere trattati internazionali fondati sul principio del mutuo riconoscimento di normative equivalenti delle attività bancarie e di misure equivalenti nel settore della vigilanza sulle banche, i quali prevedano che le banche degli Stati contraenti possono aprire una succursale o una rappresentanza senza l’autorizzazione della FINMA.21 Art. 2bis 22 1 Sottostanno ai capi undicesimo, dodicesimo e dodicesimo a della presente legge, sempre che nel quadro della vigilanza sul singolo istituto non soggiacciano alla com- petenza della FINMA in materia di fallimento:23 a. le società madri di un gruppo finanziario o di un conglomerato finanziario aventi sede in Svizzera; b. le società del gruppo con sede in Svizzera che svolgono funzioni importanti per le attività soggette ad autorizzazione (società del gruppo importanti). 2 Il Consiglio federale disciplina i criteri di valutazione dell’importanza. 3 La FINMA designa le società del gruppo importanti e ne stila un elenco. Quest’ul- timo è accessibile al pubblico. 18 Nuovo testo giusta il n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 19 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 20 Nuova espressione giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). Di detta mod. è tenuto conto in tutto il presente testo. 21 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 22 Introdotto dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, in vigore dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 23 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Legge sulle banche 5 / 48 952.0 Capo secondo: Autorizzazione a esercitare l’attività24 Art. 325 1 La banca, per iniziare la propria attività, deve aver ottenuto l’autorizzazione della FINMA; essa non può essere iscritta nel registro di commercio prima d’averla otte- nuta. 2 L’autorizzazione è concessa se: a.26 la banca delimita esattamente, in statuti, contratti di società e regolamenti, la sfera degli affari e prevede una organizzazione proporzionata all’importanza degli affari; essa deve, quando lo scopo aziendale o l’importanza degli affari lo esiga, istituire organi per la gestione, da una parte, e organi per l’alta dire- zione, la vigilanza e il controllo, dall’altra, come anche determinare le singole attribuzioni in modo da garantire un’efficace vigilanza sulla gestione; b.27 la banca fornisce la prova che il capitale minimo stabilito dal Consiglio fede- rale è interamente liberato; c.28 le persone incaricate dell’amministrazione e gestione della banca godono di buona reputazione e garantiscono un’attività irreprensibile; c.bis 29 le persone fisiche e giuridiche che partecipano direttamente o indirettamente alla banca con almeno il 10 per cento del capitale o dei diritti di voto o possono influenzare notevolmente in altro modo la gestione della banca (partecipa- zione qualificata), devono fornire la garanzia che tale influsso non viene eser- citato a danno di una gestione sana e prudente; d.30 le persone incaricate della gestione della banca sono domiciliate in un luogo dal quale possono esercitare effettivamente la gestione e assumerne le respon- sabilità. 3 La banca sottopone alla FINMA lo statuto, i contratti di società e i regolamenti e l’informa di tutte le modificazioni ulteriori in quanto concernono lo scopo aziendale, l’attività dell’istituto, il capitale sociale o l’organizzazione interna. Le modificazioni possono essere iscritte nel registro di commercio soltanto dopo l’approvazione della FINMA. 24 Nuovo testo giusta il n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 25 Nuovo testo giusta il n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 26 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 27 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 28 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 29 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Vedi anche le disp. fin. della mod. del 18 mar. 1994 (RU 1995 246) alla fine del presente testo. 30 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Banche e casse di risparmio 6 / 48 952.0 4 ...31 5 Prima di acquistare o di alienare direttamente o indirettamente una partecipazione qualificata ai sensi del capoverso 2 lettera cbis in una banca organizzata secondo il diritto svizzero, tutte le persone fisiche e giuridiche devono informarne la FINMA. L’obbligo di informazione è dato anche se una simile partecipazione qualificata viene aumentata o ridotta, nel senso che essa supera o scende al disotto della soglia del 20, 33 o 50 per cento del capitale.32 6 La banca annuncia appena ne ha conoscenza, ma almeno una volta all’anno, le per- sone che adempiono le esigenze del capoverso 5.33 7 Le banche organizzate secondo il diritto svizzero informano la FINMA prima di aprire all’estero una filiale, una succursale, un’agenzia o una rappresentanza.34 Art. 3a35 È considerata banca cantonale ogni banca costituita in forma di istituto o di società anonima mediante un atto legislativo cantonale. Il Cantone deve detenere una parte- cipazione superiore a un terzo del capitale e disporre di più di un terzo dei diritti di voto. Può garantire integralmente o in parte gli impegni della banca. Art. 3b36 Se una banca fa parte di un gruppo finanziario o di un conglomerato finanziario, la FINMA può subordinare il rilascio dell’autorizzazione all’esistenza di una sorve- glianza consolidata adeguata da parte di un’autorità di sorveglianza dei mercati finan- ziari. Art. 3c37 1 Due o più imprese sono considerate gruppo finanziario se: a. almeno una è attiva come banca o società di intermediazione mobiliare38; 31 Abrogato dal n. I della LF del 18 mar. 1994, con effetto dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 32 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 33 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Vedi anche le disp. fin. della mod. del 18 mar. 1994 (RU 1995 246) alla fine del presente testo. 34 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 35 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 22 apr. 1999, in vigore dal 1° ott. 1999 (RU 1999 2405; FF 1998 3007 ). Vedi anche le disp. fin. di detta mod. alla fine del presente testo. 36 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 37 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 38 Nuova espr. giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Di detta mod. é tenuto conto uni- camente nelle disp. menzionate nella RU. Legge sulle banche 7 / 48 952.0 b. operano prevalentemente nel settore finanziario; e c. formano un’unità economica o a causa di altre circostanze si può presumere che una o più imprese sottoposte alla sorveglianza individuale sono giuridica- mente obbligate o di fatto costrette a sostenere altre società del gruppo. 2 È considerato conglomerato finanziario dominato dal settore bancario o da quello del commercio di valori mobiliari un gruppo finanziario ai sensi del capoverso 1 che opera prevalentemente nel settore bancario o in quello del commercio dei valori mo- biliari e comprende almeno un’impresa di assicurazione di notevole importanza eco- nomica. Art. 3d39 1 La FINMA può assoggettare alla sorveglianza di gruppi o di conglomerati un gruppo finanziario o un conglomerato finanziario dominato dal settore bancario o da quello del commercio di valori mobiliari se esso: a. gestisce in Svizzera una banca organizzata secondo il diritto svizzero o una società di intermediazione mobiliare; oppure b. è effettivamente diretto a partire dalla Svizzera. 2 Se altre autorità estere rivendicano contemporaneamente la sorveglianza integrale o parziale del gruppo finanziario o del conglomerato finanziario, la FINMA, salvaguar- dando le sue competenze, si accorda con tali autorità sulle competenze, le modalità e l’oggetto della sorveglianza di gruppi o di conglomerati. Prima di pronunciarsi, con- sulta le imprese del gruppo finanziario o del conglomerato finanziario incorporate in Svizzera.40 Art. 3e41 1 La sorveglianza di gruppi da parte della FINMA è esercitata a titolo complementare rispetto alla sorveglianza individuale di una banca. 2 La sorveglianza di conglomerati da parte della FINMA è esercitata a titolo comple- mentare rispetto alla sorveglianza individuale di una banca o di un’impresa di assicu- razione e rispetto alla sorveglianza di gruppi finanziari o assicurativi da parte delle autorità di sorveglianza competenti nel caso specifico. 39 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 40 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 41 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). Banche e casse di risparmio 8 / 48 952.0 Art. 3f42 1 Le persone incaricate della gestione, da un lato, e quelle responsabili dell’alta dire- zione, della vigilanza e del controllo del gruppo finanziario o del conglomerato finan- ziario, dall’altra, devono godere di buona reputazione e offrire la garanzia di un’atti- vità irreprensibile.43 2 Il gruppo finanziario o il conglomerato finanziario dev’essere organizzato in modo da essere in grado, in particolare, di individuare, limitare e controllare tutti i rischi essenziali. Art. 3g44 1 La FINMA è autorizzata a emanare, per i gruppi finanziari, prescrizioni concernenti i fondi propri, la liquidità, la ripartizione dei rischi, le poste rischio interne al gruppo e la contabilità. 2 La FINMA è autorizzata a emanare, per i conglomerati finanziari dominati dal set- tore bancario o da quello del commercio di valori mobiliari, prescrizioni concernenti i fondi propri, la liquidità, la ripartizione dei rischi, le poste rischio interne al gruppo e la contabilità oppure a stabilirle nel singolo caso. Per quanto concerne i fondi propri necessari, essa considera le regole vigenti nel settore finanziario e assicurativo nonché l’importanza relativa dei due settori all’interno del conglomerato finanziario e i rischi connessi. 3 Il Consiglio federale può emanare prescrizioni concernenti la dotazione finanziaria e l’organizzazione di società del gruppo importanti di cui all’articolo 2bis capoverso 1 lettera b che svolgono funzioni importanti per le banche di rilevanza sistemica.45 4 Le esigenze relative alla dotazione finanziaria e all’organizzazione dipendono dall’entità e dal tipo dei servizi importanti che le società del gruppo importanti devono fornire al gruppo in caso di risanamento o fallimento.46 Art. 3h47 42 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 43 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 44 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 45 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 46 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 47 Introdotto dall’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori (RU 2005 5269; FF 2003 3233). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). Legge sulle banche 9 / 48 952.0 Art. 3bis 48 1 La FINMA può inoltre fare dipendere dalle seguenti condizioni l’istituzione di una banca che, organizzata secondo il diritto svizzero, è nondimeno dominata da stranieri, come anche l’autorizzazione per l’istituzione di una succursale e per la designazione di un rappresentante permanente di una banca straniera:49 a.50 garanzia della reciprocità da parte degli Stati nei quali hanno domicilio o sede gli stranieri che detengono partecipazioni qualificate, sempre che non vi si oppongano obblighi internazionali di diverso tenore; b. impiego di una ditta che non faccia riferimento al carattere svizzero della banca né lo lasci presumere; c.51 ... 1bis Se una banca fa parte di un gruppo finanziario o di un conglomerato finanziario, la FINMA può subordinare il rilascio dell’autorizzazione al consenso delle competenti autorità di sorveglianza estere.52 2 La banca deve dare informazioni alla Banca nazionale svizzera, quanto alla sfera d’affari e ai rapporti con l’estero. 3 Le disposizioni del capoverso 1 si applicano alla banca organizzata secondo il diritto svizzero le cui partecipazioni qualificate straniere, dirette o indirette, ammontano a più della metà dei diritti di voto53 oppure a quella dominata in altro modo da stra- nieri.54 Si considerano straniere: a. le persone fisiche che non hanno né la cittadinanza svizzera né il permesso di residenza in Svizzera; b. le persone giuridiche o le società di persone che hanno sede all’estero o che, se hanno sede in Svizzera, dominate dagli stranieri di cui alla lettera a. Art. 3ter 55 1 Le banche passate in dominio straniero devono sollecitare una autorizzazione sup- pletiva, conformemente all’articolo 3bis. 48 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 49 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 50 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° lug. 1995 (RU 1995 2109; FF 1994 IV 923). 51 Abrogata dal n. I della LF del 18 mar. 1994, con effetto dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 52 Introdotto dal n. I della LF del 16 dic. 1994 (RU 1995 2109; FF 1994 IV 923). Nuovo te- sto giusta l’all. n. II 6 della LF del 17 dic. 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori, in vigore dal 1° gen. 2006 (RU 2005 5269; FF 2003 3233). 53 Testo rettificato dalla CdR dell’AF (art. 33 LRC; RU 1974 1051). 54 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 55 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). Banche e casse di risparmio 10 / 48 952.0 2 È necessaria una nuova autorizzazione completiva qualora, in una banca sotto domi- nio straniero, vi siano modificazioni nella composizione degli stranieri con partecipa- zioni qualificate.56 3 I membri dell’amministrazione e dell’organo di gestione della banca devono infor- mare la FINMA di tutti i fatti che inducono a presumere un dominio straniero nella banca o una modificazione nella composizione degli stranieri con partecipazioni qua- lificate.57 Art. 3quater 58 1 Il Consiglio federale può dichiarare nei trattati internazionali che le esigenze parti- colari di autorizzazione conformemente agli articoli 3bis e 3ter non sono in parte appli- cabili se cittadini di uno Stato contraente o persone giuridiche con sede in uno Stato contraente creano una banca organizzata secondo il diritto svizzero, la rilevano o vi acquistano una partecipazione qualificata. Fatte salve le norme internazionali contra- rie, esso può subordinare la sua decisione alla concessione della reciprocità da parte dell’altro Stato contraente. 2 Le disposizioni menzionate sono applicabili se la persona giuridica è a sua volta dominata direttamente o indirettamente da cittadini di uno Stato terzo e da persone giuridiche con sede in uno Stato terzo. Capo terzo: Fondi propri, liquidità e altre prescrizioni sulla gestione59 Art. 460 1 Le banche devono disporre, su base individuale e consolidata, di fondi propri e li- quidità adeguati. 2 Il Consiglio federale definisce gli elementi dei fondi propri e delle liquidità. Stabili- sce le esigenze minime tenendo conto del genere di attività e dei rischi. La FINMA è autorizzata a emanare prescrizioni di esecuzione. 3 In casi particolari la FINMA può alleviare o inasprire le esigenze minime. 4 La partecipazione qualificata di una banca in un’impresa estranea al suo settore fi- nanziario o assicurativo non deve superare il 15 per cento dei suoi fondi propri. L’im- porto totale di queste partecipazioni non deve superare il 60 per cento dei fondi propri. Il Consiglio federale disciplina le eccezioni. 56 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° lug. 1995 (RU 1995 2109; FF 1994 IV 923). 57 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 58 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 59 Nuovo testo giusta il n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 60 Nuovo testo giusta l’all. n. II 5 della L del 3 ott. 2003 sulla Banca nazionale, in vigore dal 1° gen. 2005 (RU 2004 1985; FF 2002 5413). Legge sulle banche 11 / 48 952.0 Art. 4bis 61 1 I prestiti e le anticipazioni concessi da una banca a singoli clienti come anche le partecipazioni a singole imprese devono essere proporzionati ai fondi propri. 2 Il regolamento d’esecuzione stabilisce tale proporzione, tenuto conto dei prestiti e delle anticipazioni a corporazioni di diritto pubblico e del tipo di copertura. 3 ...62 Art. 4ter 63 64 1 I crediti ai membri degli organi della banca, agli azionisti determinanti come anche alle persone e società a loro vicine possono essere concessi soltanto secondo i criteri generalmente riconosciuti dal ramo bancario. 2 ...65 Art. 4quater 66 Le banche devono astenersi, in Svizzera o all’estero, dal fare una pubblicità fallace o insistente, ostentando la loro sede in Svizzera o le istituzioni svizzere. Art. 4quinquies 67 1 Le banche sono autorizzate a comunicare alle loro società madri, a loro volta sotto- poste alla vigilanza da parte di un’autorità di sorveglianza sulle banche o sui mercati finanziari, le informazioni e i documenti non accessibili al pubblico e necessari alla vigilanza su base consolidata, alle seguenti condizioni: a. le informazioni sono utilizzate unicamente a scopi di controllo interno o di vigilanza diretta sulle banche o su altri mediatori finanziari sottoposti al re- gime d’autorizzazione68; b. la società madre e l’autorità competente in materia di vigilanza su base con- solidata sono vincolate dal segreto professionale o dal segreto d’ufficio; 61 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). Vedi anche le disp. fin. della mod. del 18 mar. 1994 (RU 1995 246) alla fine del presente testo. 62 Abrogato dal n. I della LF del 18 mar. 1994, con effetto dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 63 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 64 Vedi anche le disp. fin. della mod. del 18 mar. 1994 (RU 1995 246) alla fine del presente testo. 65 Abrogato dal n. I della LF del 18 mar. 1994, con effetto dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 66 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, in vigore dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 67 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 68 Testo rettificato dalla CdR dell’AF (art. 33 LRC; RU 1974 1051). Banche e casse di risparmio 12 / 48 952.0 c. le informazioni possono essere trasmesse a terzi soltanto previa autorizzazione della banca o in virtù di un’autorizzazione generale sancita da un trattato in- ternazionale. 2 Se la comunicazione di informazioni ai sensi del capoverso 1 è posta in forse, le banche possono richiedere dalla FINMA una decisione che autorizzi o vieti detta co- municazione. Art. 4sexies 69 Per i beni crittografici che la banca detiene come valori depositati per i clienti depo- nenti la FINMA può nei singoli casi fissare un importo massimo, se questo appare giustificato a causa dei rischi connessi all’attività. La FINMA considera in particolare la funzione dei beni crittografici, le tecnologie su cui si basano nonché i fattori di riduzione dei rischi. Art. 570 Capo quarto:71 Presentazione dei conti Art. 6 Allestimento delle chiusure contabili 1 Le banche devono allestire per ogni esercizio un rapporto di gestione; questo si com- pone di: a. il conto annuale; b. la relazione annuale; c. il conto di gruppo. 2 Le banche devono allestire almeno semestralmente una chiusura intermedia. 3 Il rapporto di gestione e la chiusura intermedia devono essere allestiti conforme- mente alle disposizioni del titolo trentesimosecondo del CO72, alla presente legge e alle rispettive disposizioni di esecuzione. 4 In situazioni straordinarie, il Consiglio federale può prevedere deroghe al capoverso 3. Art. 6a Pubblicità 1 Il rapporto di gestione dev’essere reso accessibile al pubblico. 69 Introdotto dal n. I 6 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° ago. 2021 (RU 2021 33, 399; FF 2020 221). 70 Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 71 Nuovo testo giusta l’all. n. 7 della LF del 23 dic. 2011 (Diritto contabile), in vigore dal 1° gen. 2013 (RU 2012 6679; FF 2008 1321). 72 RS 220 Legge sulle banche 13 / 48 952.0 2 Le chiusure intermedie devono essere rese accessibili al pubblico in quanto lo pre- vedano le disposizioni di esecuzione della presente legge. 3 I capoversi 1 e 2 non si applicano ai banchieri privati che non si rivolgono al pubblico per raccogliere depositi di capitali. È fatto salvo l’articolo 958e capoverso 2 CO73. Art. 6b Disposizioni di esecuzione 1 Il Consiglio federale emana disposizioni di esecuzione concernenti la forma, il con- tenuto e la pubblicazione dei rapporti di gestione e delle chiusure intermedie. 2 Il Consiglio federale può derogare alle disposizioni del CO74 concernenti la conta- bilità commerciale e la presentazione dei conti se le particolarità dell’attività bancaria o la protezione dei creditori lo giustificano e la situazione economica è esposta in modo equivalente. 3 Il Consiglio federale può autorizzare la FINMA a emanare disposizioni di esecu- zione negli ambiti di portata ridotta, segnatamente negli ambiti prevalente-mente tec- nici. 4 Alle condizioni di cui al capoverso 2, la FINMA può limitare l’utilizzazione in am- bito bancario delle norme contabili riconosciute dal Consiglio federale. Capo quinto:75 Banche di rilevanza sistemica Art. 7 Definizione e scopo 1 Per banche di rilevanza sistemica s’intendono banche, gruppi finanziari e conglome- rati finanziari dominati dal settore bancario il cui dissesto danneggerebbe notevol- mente l’economia svizzera e il sistema finanziario svizzero. 2 Congiuntamente alle disposizioni di diritto bancario generalmente applicabili, le di- sposizioni del presente capo perseguono lo scopo di ridurre ulteriormente i rischi che le banche di rilevanza sistemica costituiscono per la stabilità del sistema finanziario svizzero, di assicurare il mantenimento delle funzioni importanti dal punto di vista economico e di evitare l’erogazione di aiuti statali. Art. 8 Criteri e determinazione della rilevanza sistemica 1 Si considera abbiano rilevanza sistemica le funzioni irrinunciabili per l’economia svizzera e non sostituibili a breve termine. Sono segnatamente funzioni di rilevanza sistemica le operazioni di deposito e di credito a livello nazionale nonché il traffico dei pagamenti. 73 RS 220 74 RS 220 75 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel set- tore finanziario), in vigore dal 1° mar. 2012 (RU 2012 811; FF 2011 4211). Banche e casse di risparmio 14 / 48 952.0 2 La rilevanza sistemica di una banca è stabilita in funzione delle sue dimensioni, della sua interdipendenza con il sistema finanziario e con l’economia, nonché della sosti- tuibilità a breve termine dei servizi da essa forniti. Sono determinanti in particolare i seguenti criteri: a. la quota di mercato detenuta nell’ambito delle funzioni di rilevanza sistemica ai sensi del capoverso 1; b. l’importo dei depositi garantiti secondo l’articolo 37h capoverso 1 eccedente l’importo massimo di cui all’articolo 37h capoverso 3 lettera b; c. il rapporto tra il totale di bilancio della banca e il prodotto interno lordo annuo della Svizzera; d. il profilo di rischio della banca, determinato dal modello aziendale, dalla strut- tura del bilancio, dalla qualità degli attivi, dalla liquidità e dal grado d’indebi- tamento. 3 Dopo aver consultato la FINMA, la Banca nazionale svizzera (Banca nazionale) de- signa mediante decisione le banche di rilevanza sistemica e le loro funzioni di rile- vanza sistemica. Art. 9 Esigenze particolari 1 Le banche di rilevanza sistemica devono soddisfare esigenze particolari. L’esten- sione e il contenuto di dette esigenze dipendono dal grado di rilevanza sistemica della banca interessata. Queste esigenze devono essere proporzionate, devono prendere in considerazione le loro ripercussioni sulla banca interessata e sulla concorrenza e de- vono tenere conto degli standard riconosciuti a livello internazionale. 2 Le banche di rilevanza sistemica devono in particolare: a. disporre di fondi propri che, segnatamente: 1. garantiscano, tenuto conto delle esigenze legali, una maggiore capacità di assorbire perdite rispetto alle banche che non hanno rilevanza siste- mica, 2. contribuiscano in misura sostanziale, in caso di rischio d’insolvenza, a mantenere le funzioni di rilevanza sistemica, 3. le incitino a limitare il loro grado di rilevanza sistemica e a migliorare le loro possibilità di risanamento e liquidazione in Svizzera e all’estero, 4. siano commisurati agli attivi ponderati in funzione del rischio, da un lato, e agli attivi non ponderati in funzione del rischio, che possono compren- dere anche operazioni fuori bilancio, dall’altro; b. disporre di liquidità che garantiscano loro una migliore capacità di assorbire forti oscillazioni di liquidità rispetto alle banche che non hanno rilevanza si- stemica, in modo da riuscire a rispettare i propri obblighi di pagamento anche in una situazione eccezionalmente difficile; c. ripartire i rischi in modo tale da limitare i rischi di controparte e la concentra- zione di rischi; Legge sulle banche 15 / 48 952.0 d. prevedere una pianificazione d’emergenza a livello di struttura, infrastruttura, conduzione, controllo e flussi di capitale e di liquidità interni al gruppo che possa essere attuata immediatamente e che garantisca, in caso di rischio d’in- solvenza, il mantenimento delle sue funzioni di rilevanza sistemica. Art. 10 Applicazione alla singola banca 1 Dopo aver consultato la Banca nazionale, la FINMA stabilisce mediante decisione le esigenze particolari di cui all’articolo 9 capoverso 2 lettere a–c che la banca di rile- vanza sistemica deve soddisfare. Essa informa il pubblico sulle grandi linee della de- cisione e sull’osservanza di quanto ivi disposto. 2 La banca di rilevanza sistemica deve provare di soddisfare le esigenze particolari di cui all’articolo 9 capoverso 2 lettera d e di essere in grado di mantenere le funzioni di rilevanza sistemica in caso di rischio d’insolvenza. Se la banca non produce tale prova, la FINMA ordina le misure necessarie. 3 Nello stabilire le esigenze relative ai fondi propri di cui all’articolo 9 capoverso 2 lettera a, la FINMA concede agevolazioni in quanto la banca migliori le sue possibilità di risanamento e liquidazione in Svizzera e all’estero in misura superiore alle esigenze di cui all’articolo 9 capoverso 2 lettera d. 4 Dopo aver consultato la Banca nazionale e la FINMA, il Consiglio federale disci- plina: a. le esigenze particolari di cui all’articolo 9 capoverso 2; b. i criteri di valutazione della prova di cui al capoverso 2; c. le misure che può ordinare la FINMA nel caso in cui non venga prodotta la prova di cui al capoverso 2.76 Art. 10a Misure concernenti le retribuzioni 1 Se, malgrado l’attuazione delle esigenze particolari, a una banca di rilevanza siste- mica oppure alla sua società madre è accordato un aiuto statale diretto o indiretto con fondi della Confederazione, il Consiglio federale ordina contestualmente, per la durata di tale sostegno, misure concernenti le retribuzioni. 2 Tenuto conto della situazione economica della banca e del sostegno accordato, il Consiglio federale può in particolare: a. vietare del tutto o in parte il versamento di retribuzioni variabili; b. ordinare adeguamenti del sistema di retribuzione. 3 Le banche di rilevanza sistemica e le loro società madri hanno l’obbligo di prevedere nei loro sistemi di retribuzione una riserva vincolante che consente di limitare il diritto alla retribuzione variabile qualora sia accordato un sostegno statale ai sensi del pre- sente articolo. 76 Vedi anche la disp. trans. della mod. del 30 set. 2011 alla fine del presente testo. Banche e casse di risparmio 16 / 48 952.0 Capo sesto:77 Capitale supplementare Art. 11 Principi 1 Nei loro statuti le banche e le società madri di gruppi finanziari e di conglomerati finanziari dominati dal settore bancario la cui forma giuridica consente l’emissione di azioni o di capitale di partecipazione possono: a. autorizzare il consiglio d’amministrazione ad aumentare il capitale azionario o il capitale di partecipazione (capitale di riserva); b. prevedere, per il caso in cui si verifichi un evento determinante, un aumento del capitale azionario o del capitale di partecipazione mediante conversione di prestiti obbligatoriamente convertibili (capitale convertibile). 2 A prescindere dalla loro forma giuridica, le banche e le società madri di gruppi fi- nanziari e di conglomerati finanziari dominati dal settore bancario possono prevedere nelle condizioni di emissione di prestiti che i creditori rinuncino ai crediti nel caso in cui si verifichi un evento determinante (prestiti con rinuncia al credito). 2bis Le banche cooperative possono prevedere nei loro statuti la raccolta di capitale di partecipazione.78 3 Il capitale supplementare ai sensi dei capoversi 1–2bis può essere costituito soltanto per rafforzare la base di capitale proprio e per prevenire o superare una crisi della banca.79 4 Il capitale raccolto conformemente alle disposizioni del presente capo mediante l’emissione di prestiti obbligatoriamente convertibili o di prestiti con rinuncia al cre- dito può essere computato nei fondi propri richiesti, nella misura in cui lo consentano la presente legge e le relative disposizioni d’esecuzione. Il computo presuppone l’ap- provazione delle condizioni di emissione da parte della FINMA. Art. 12 Capitale di riserva 1 Mediante modifica dello statuto, l’assemblea generale può autorizzare il consiglio d’amministrazione ad aumentare il capitale azionario o di partecipazione. Lo statuto indica l’ammontare nominale dell’aumento di capitale a cui può procedere il consiglio d’amministrazione. 2 Per gravi motivi, il consiglio d’amministrazione può sopprimere il diritto di opzione degli azionisti o dei partecipanti, segnatamente se questo consente il collocamento rapido e semplice delle azioni o dei buoni di partecipazione. In tal caso le nuove azioni o i nuovi buoni di partecipazione sono emessi alle condizioni di mercato. I disaggi sono ammessi per quanto rientrino nell’interesse della società nella prospettiva di un collocamento rapido e completo delle azioni o dei buoni di partecipazione. 77 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel set- tore finanziario), in vigore dal 1° mar. 2012 (RU 2012 811; FF 2011 4211). 78 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 7293). 79 Nuovo testo giusta l’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 7293). Legge sulle banche 17 / 48 952.0 3 Per il resto, si applicano le disposizioni del CO80 sull’aumento autorizzato del capi- tale, eccezion fatta per le seguenti: a. articolo 651 capoversi 1 e 2 (limitazioni temporali e inerenti all’ammontare dell’aumento autorizzato del capitale); b. articolo 652b capoverso 2 (gravi motivi che giustificano la soppressione del diritto d’opzione); c. articolo 652d (aumento mediante capitale proprio); d. articolo 656b capoversi 1 e 4 (limitazioni inerenti all’ammontare dell’aumento autorizzato del capitale di partecipazione). Art. 13 Capitale convertibile 1 L’assemblea generale può deliberare un aumento condizionale del capitale azionario o del capitale di partecipazione stabilendo nello statuto che i crediti derivanti da pre- stiti obbligatoriamente convertibili sono convertiti in azioni o in buoni di partecipa- zione nel caso in cui si verifichi un evento determinante. 2 L’assemblea generale può limitare nello statuto l’ammontare nominale dell’aumento condizionale del capitale. Essa stabilisce nello statuto: a. il numero, il tipo e il valore nominale delle azioni e dei buoni di partecipa- zione; b. i criteri secondo i quali va calcolato il prezzo d’emissione; c. la soppressione del diritto d’opzione degli azionisti e dei partecipanti; d. la limitazione della trasferibilità delle nuove azioni nominative e dei nuovi buoni di partecipazione nominativi. 3 Il consiglio d’amministrazione è abilitato, nel limiti stabiliti dalle disposizioni statu- tarie, a emettere prestiti obbligatoriamente convertibili. Sempre che lo statuto non pre- veda altrimenti, il consiglio d’amministrazione stabilisce: a. l’eventuale suddivisione in più prestiti o in diverse parti; b. l’evento determinante o, in caso di suddivisione in parti, gli eventi determi- nanti; c. il prezzo di emissione o le regole per definirlo; d. il rapporto di conversione o le regole per definirlo. 4 I prestiti obbligatoriamente convertibili sono offerti in sottoscrizione agli azionisti e ai partecipanti proporzionalmente alla loro partecipazione. Se i prestiti obbligatoria- mente convertibili sono emessi alle condizioni di mercato o con un disaggio necessa- rio a garantire un collocamento rapido e completo, l’assemblea generale può escludere il diritto preferenziale di sottoscrizione degli azionisti e dei partecipanti. 80 RS 220 Banche e casse di risparmio 18 / 48 952.0 5 Se si verifica l’evento determinante per la conversione, il consiglio d’amministra- zione lo attesta immediatamente con atto pubblico. Questo menziona il numero, l’am- montare nominale e il tipo di azioni e buoni di partecipazioni emessi, il nuovo stato del capitale azionario e di partecipazione nonché i necessari adeguamenti dello statuto. 6 La deliberazione del consiglio di amministrazione va notificata senza indugio al re- gistro di commercio. Il blocco del registro è escluso. 7 Il capitale azionario e il capitale di partecipazione aumentano all’atto della delibera- zione del consiglio d’amministrazione. Nel contempo si estinguono i crediti derivanti dai prestiti obbligatoriamente convertibili. 8 Le disposizioni del CO81 sull’aumento condizionale del capitale non si applicano, eccezion fatta per le seguenti: a. articolo 653a capoverso 2 (conferimento minimo); b. articolo 653d capoverso 2 (tutela dei titolari di un diritto di conversione o d’opzione); c. articolo 653i (abrogazione). Art. 1482 Capitale di partecipazione di banche cooperative 1 Il capitale di partecipazione della banca cooperativa (art. 11 cpv. 2bis) è suddiviso in quote (buoni di partecipazione). I buoni di partecipazione sono designati come tali. Sono emessi contro un conferimento, hanno un valore nominale e non attribuiscono la qualità di socio. 2 Ai titolari di buoni di partecipazione sono comunicate nello stesso modo in cui sono comunicate ai soci la convocazione all’assemblea generale con l’indicazione degli og- getti all’ordine del giorno e le proposte, le sue deliberazioni nonché la relazione sulla gestione e la relazione dei revisori. 3 Le modificazioni statutarie e le altre deliberazioni dell’assemblea generale possono peggiorare la situazione dei titolari di buoni di partecipazione soltanto se peggiorano in misura corrispondente la situazione dei titolari delle quote sociali. 4 Nella ripartizione dell’utile risultante dal bilancio e dell’avanzo della liquidazione i titolari di buoni di partecipazione sono assimilati almeno ai soci. 5 I titolari di buoni di partecipazione possono contestare le deliberazioni dell’assem- blea generale al pari di un socio. 6 Ogni titolare di buoni di partecipazione può proporre all’assemblea generale che sia eseguita una verifica speciale, in quanto ciò sia necessario per l’esercizio dei suoi di- ritti. Se l’assemblea generale non accede alla proposta, la designazione giudiziale di un controllore speciale può essere chiesta, entro il termine di tre mesi, da titolari di buoni di partecipazione che detengano insieme almeno il 10 per cento del capitale di 81 RS 220 82 Nuovo testo giusta l’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 7293). Legge sulle banche 19 / 48 952.0 partecipazione o un capitale di partecipazione per un valore nominale di 2 milioni di franchi. Alla procedura si applicano per analogia gli articoli 697a–697g CO83. Art. 14a84 Riserva, dividendi e acquisto di buoni di partecipazione propri di banche cooperative 1 La banca cooperativa assegna il 5 per cento dell’utile dell’esercizio alla riserva ge- nerale sino a che questa abbia raggiunto il 20 per cento del capitale proprio. Assegna alla riserva generale, a prescindere dall’ammontare di quest’ultima: a. il ricavo proveniente dall’emissione di buoni di partecipazione ed eccedente il loro valore nominale, dopo copertura delle spese d’emissione, nella misura in cui non sia utilizzato per ammortamenti o a scopi di previdenza; b. il saldo dei versamenti effettuati su buoni di partecipazione annullati, dimi- nuito della perdita che fosse stata subita con i buoni di partecipazione emessi in loro sostituzione; c. il 10 per cento degli importi distribuiti a titolo di partecipazione all’utile dopo il versamento di un dividendo del 5 per cento sul capitale di partecipazione. 2 La banca cooperativa adopera la riserva generale, in quanto non superi la metà del capitale proprio, per sopperire a perdite o per prendere misure che le permettano di continuare l’attività in tempo di cattivo andamento degli affari, di evitare la soppres- sione di posti di lavoro o di attenuarne le conseguenze. 3 La banca cooperativa preleva eventuali dividendi sui buoni di partecipazione sol- tanto sull’utile risultante dal bilancio e sulle riserve costituite a tal fine. 4 La banca cooperativa può acquistare buoni di partecipazione propri soltanto se: a. possiede un utile di bilancio liberamente disponibile equivalente all’ammon- tare dei mezzi necessari per l’acquisto e il valore nominale complessivo dei buoni di partecipazione da acquistare non eccede il 10 per cento del capitale di partecipazione; b. i diritti connessi all’acquisto di buoni di partecipazione sono sospesi. 5 La percentuale di cui al capoverso 4 lettera a può essere aumentata a un massimo del 20 per cento se nel termine di due anni i buoni di partecipazione propri acquistati ec- cedenti il valore soglia del 10 per cento sono alienati oppure annullati mediante una riduzione del capitale. 83 RS 220 84 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 7293). Banche e casse di risparmio 20 / 48 952.0 Art. 14b85 Obbligo di annunciare ed elenco per le banche cooperative 1 Per l’acquisto di buoni di partecipazione non quotati, nei confronti della banca coo- perativa si applicano per analogia l’obbligo di annunciare, l’onere della prova e l’ob- bligo di identificazione come per l’acquisto di azioni al portatore non quotate nei con- fronti della società anonima (art. 697i–697k e 697m CO86). 2 La banca cooperativa iscrive nell’elenco dei soci i titolari di buoni di partecipazione e gli aventi economicamente diritto annunciati alla banca cooperativa. 3 Oltre alle disposizioni relative all’elenco dei soci della cooperativa, a tale elenco si applicano anche le disposizioni del diritto della società anonima sull’elenco dei titolari di azioni al portatore e degli aventi economicamente diritto annunciati alla società (art. 697l CO). Capo settimo: Depositi a risparmio e valori depositati87 Art. 15 1 I depositi designati con l’espressione «risparmio»88 in qualunque combinazione di parole possono essere accettati soltanto dalle banche che pubblicano i loro conti. Tutte le altre imprese non sono legittimate ad accettare depositi a risparmio e non hanno il diritto di utilizzare l’espressione «risparmio» nella ragione sociale, nella designazione dello scopo sociale e nella pubblicità d’affari in relazione con i depositi effettuati presso di loro.89 2 e 3 ... 90 Art. 1691 Per valori depositati ai sensi dell’articolo 37d della legge si intendono:92 1. le cose mobili e i titoli depositati dai clienti; 85 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2018 5247, 2019 4631; FF 2015 7293). 86 RS 220 87 Nuovo testo giusta l’all. n. 14 della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 88 Testo rettificato dalla Commissione di redazione dell’AF (art. 33 LRC; RU 1974 1051). 89 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 1994, in vigore dal 1° feb. 1995 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). 90 Abrogati dall’all. n. 14 della LF del 16 dic. 1994, con effetto dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 91 Nuovo testo giusta l’all. n. 14 della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 92 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 3 ott. 2003, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). Legge sulle banche 21 / 48 952.0 1bis.93 i beni crittografici che la banca si è impegnata a mettere in ogni momento a disposizione del cliente deponente e che sono attribuiti: a. individualmente al cliente deponente, o b. a una comunione e la parte che spetta al cliente deponente è chiaramente determinata; 2. le cose mobili, i titoli e i crediti che la banca detiene a titolo fiduciario per conto dei clienti deponenti; 3. le pretese tendenti a forniture da parte di terzi, di cui la banca può disporre liberamente, derivanti da operazioni in contanti, da operazioni a termine sca- dute, da operazioni di copertura o da operazioni per conto dei clienti depo- nenti. Capo ottavo: ... Art. 1794 Capo nono: Vigilanza e verifica95 Art. 1896 1 Le banche, i gruppi finanziari e i conglomerati finanziari incaricano una società di audit abilitata dall’Autorità federale di sorveglianza dei revisori conformemente all’articolo 9a capoverso 1 della legge del 16 dicembre 200597 sui revisori di effet- tuare una verifica conformemente all’articolo 24 della legge del 22 giugno 200798 sulla vigilanza dei mercati finanziari. 2 Le banche, i gruppi finanziari e i conglomerati finanziari devono sottoporre il loro conto annuale ed eventualmente il loro conto di gruppo alla verifica di un’impresa di revisione sotto sorveglianza statale secondo i principi della revisione ordinaria del CO99. 93 Introdotto dal n. I 6 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° ago. 2021 (RU 2021 33, 399; FF 2020 221). 94 Abrogato dall’all. n. 5 della L del 3 ott. 2008 sui titoli contabili, con effetto dal 1° gen. 2010 (RU 2009 3577; FF 2006 8533). 95 Nuova espressione giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). Di detta mod. è tenuto conto in tutto il presente testo. 96 Nuovo testo giusta l’all. n. 5 della L del 20 giu. 2014 (Concentrazione della sorveglianza sulle imprese di revisione e sulle società di audit), in vigore dal 1° gen. 2015 (RU 2014 4073; FF 2013 5901). 97 RS 221.302 98 RS 956.1 99 RS 220 Banche e casse di risparmio 22 / 48 952.0 Art. 19 a 22100 Capo decimo: Vigilanza101 Art. 23102 La FINMA può effettuare verifiche dirette presso banche, gruppi bancari e conglome- rati finanziari se ciò è necessario in considerazione della loro importanza economica, della complessità della fattispecie da chiarire o per il collaudo di modelli interni. Art. 23bis 103 1 Se una banca delega funzioni importanti ad altre persone fisiche o giuridiche, tali persone sono sottoposte all’obbligo d’informazione e di notifica di cui all’articolo 29 della legge del 22 giugno 2007104 sulla vigilanza dei mercati finanziari. 2 La FINMA può effettuare in ogni momento verifiche su queste persone. Art. 23ter 105 Ai fini dell’esecuzione dell’articolo 3 capoversi 2 lettera cbis e 5 della presente legge, la FINMA può in particolare sospendere il diritto di voto vincolato alle azioni o alle quote di un azionista o di un socio avente una partecipazione qualificata. Art. 23quater 106 Art. 23quinquies 107 1 La revoca, da parte della FINMA, dell’autorizzazione d’esercizio a una banca deter- mina lo scioglimento delle persone giuridiche e delle società in nome collettivo e in 100 Abrogati dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 101 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 102 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 103 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971 (RU 1971 809; FF 1970 I 885). Nuovo testo giusta l’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, in vigore dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 104 RS 956.1 105 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971 (RU 1971 809; FF 1970 I 885). Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 106 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971 (RU 1971 809; FF 1970 I 885). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 107 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971 (RU 1971 809; FF 1970 I 885). Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). Legge sulle banche 23 / 48 952.0 accomandita e la radiazione dal registro di commercio delle ditte individuali. La FINMA designa il liquidatore e ne sorveglia l’attività. 2 Sono fatte salve le misure di cui al capo undicesimo. Art. 23sexies 108 Art. 23septies 109 Art. 23octies 110 Art. 24111 Capo undicesimo:112 Misure in caso di rischio d’insolvenza Art. 25 Condizioni 1 Se vi sono fondati timori che una banca presenti un’eccedenza di debiti o seri pro- blemi di liquidità o se essa non adempie le prescrizioni relative ai fondi propri alla scadenza del termine fissato dalla FINMA, quest’ultima può ordinare: a. misure di protezione conformemente all’articolo 26; b. una procedura di risanamento conformemente agli articoli 28–32; c. il fallimento113 della banca (fallimento della banca) conformemente agli arti- coli 33–37g. 2 Le misure di protezione possono essere ordinate indipendentemente o in relazione a un risanamento o a un fallimento. 108 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 1994 (RU 1995 246; FF 1993 I 609). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 109 Introdotto dal n. I della LF del 22 apr. 1999 (RU 1999 2405; FF 1998 3007). Abrogato dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, con effetto dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 110 Introdotto dal n. I della LF del 3 ott. 2003 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 111 Abrogato dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), con ef- fetto dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 112 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 3 ott. 2003, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). 113 Nuovo espr. giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Di detta mod. é tenuto conto in tutto il presente testo. Banche e casse di risparmio 24 / 48 952.0 3 Le disposizioni concernenti la procedura concordataria (art. 293–336 della legge fe- derale dell’11 aprile 1889114 sulla esecuzione e sul fallimento [LEF]), il rischio d’in- solvenza (art. 725 CO115), la perdita di capitale (art. 725a CO), l’eccedenza di debiti (art. 725b CO) e la rivalutazione di fondi e partecipazioni (art. 725c CO), nonché l’av- viso al giudice (art. 716a cpv. 1 n. 7 e 728c cpv. 3 CO) non sono applicabili alle banche.116 4 Gli ordini della FINMA riguardano l’intero patrimonio della banca, con attivi e pas- sivi, e le relazioni contrattuali, si trovino essi in Svizzera o all’estero.117 Art. 26 Misure di protezione 1 La FINMA può decidere misure di protezione; in particolare può:118 a. impartire istruzioni agli organi della banca; b.119 designare un incaricato dell’inchiesta; c. privare gli organi della facoltà di rappresentanza o revocarli; d. revocare la società di audit secondo la presente legge o l’ufficio di revisione secondo il CO; e. limitare l’attività operativa della banca; f. vietare alla banca di effettuare versamenti, di accettare pagamenti o di effet- tuare transazioni di valori mobiliari; g. chiudere la banca; h. concedere una moratoria e una proroga delle scadenze, tranne che per i crediti coperti da pegno delle centrali di emissione di obbligazioni fondiarie. 2 La FINMA provvede a una pubblicazione adeguata delle misure se è necessario per attuarle o per proteggere terzi. Può rinunciare alla loro pubblicazione se questa pre- giudicherebbe lo scopo delle misure ordinate.120 3 Se la FINMA non decide altrimenti circa il corso degli interessi, una moratoria ha gli effetti previsti nell’articolo 297 LEF121. 114 RS 281.1 115 RS 220 116 Nuovo testo giusta il n. IV n. 1 della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depo- siti), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 117 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 118 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 119 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 120 Per. introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 121 RS 281.1 Legge sulle banche 25 / 48 952.0 Art. 27122 Prevalenza degli accordi di compensazione, di valorizzazione e di trasferimento 1 Rimangono impregiudicati da tutti gli ordini di cui ai capi undicesimo e dodicesimo della presente legge gli accordi conclusi in precedenza e riguardanti: a. la compensazione di crediti, compresi il metodo concordato e la determina- zione del valore; b.123 la realizzazione mediante trattative private di garanzie sotto forma di valori mobiliari o di altri strumenti finanziari, comprese garanzie in contanti (ad ec- cezione del denaro contante), il cui valore è oggettivamente determinabile; c.124 il trasferimento di crediti e obbligazioni, nonché di garanzie sotto forma di valori mobiliari o di altri strumenti finanziari, comprese garanzie in contanti (ad eccezione del denaro contante), il cui valore è oggettivamente determina- bile. 2 È fatto salvo l’articolo 30a. Art. 28125 Procedura di risanamento 1 Se vi sono buone prospettive di risanamento della banca o di continuazione di singoli servizi bancari, la FINMA può avviare una procedura di risanamento. 2 Essa emana le decisioni necessarie all’esecuzione della procedura di risanamento.126 3 Può incaricare una persona (incaricato del risanamento) di elaborare un piano di ri- sanamento. 4 Può disciplinare i dettagli della procedura.127 Art. 28a128 Risanamento di banche cantonali 1 Nell’ambito della procedura di risanamento, la FINMA tiene conto dello statuto par- ticolare, dei rapporti di proprietà ed eventualmente della forma giuridica delle banche cantonali. 2 Qualora una banca cantonale rischi l’insolvenza, la FINMA ne informa senza indu- gio il Cantone e lo consulta ai fini dell’elaborazione del piano di risanamento. Il Can- tone designa l’autorità competente. 122 Nuovo testo giusta l’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, in vigore dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 123 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 124 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 125 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 126 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 127 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 128 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Banche e casse di risparmio 26 / 48 952.0 3 Per le banche cantonali la FINMA può prevedere deroghe alle disposizioni sulla procedura di risanamento, in particolare per quanto riguarda la riduzione integrale del capitale sociale, nonché la conversione e riduzione dei crediti. Tiene conto in partico- lare delle misure adottate dal Cantone per risanare la banca. Art. 29129 Risanamento della banca In caso di risanamento della banca il piano di risanamento deve garantire che, eseguito il risanamento, la banca adempia le condizioni di autorizzazione e le altre disposizioni legali. Art. 30130 Continuazione di servizi bancari 1 Il piano di risanamento può prevedere la continuazione di singoli servizi bancari a prescindere dalla sopravvivenza della banca interessata. 2 Esso può in particolare prevedere che: a. il patrimonio della banca o parte di esso, con attivi, passivi e relazioni contrat- tuali, sia trasferito ad altri soggetti di diritto o a una banca transitoria; b. la banca sia accorpata con un’altra società in un nuovo soggetto di diritto; c. un altro soggetto di diritto rilevi la banca; d. la forma giuridica della banca venga modificata.131 3 Con l’omologazione del piano di risanamento, i soggetti di diritto e la banca transi- toria di cui al capoverso 2 subentrano al posto della banca nella misura del patrimonio trasferito. La legge del 3 ottobre 2003132 sulla fusione non è applicabile.133 Art. 30a134 Differimento della disdetta di contratti 1 Con la disposizione o l’approvazione di misure conformemente al presente capo la FINMA può differire: a. la disdetta di contratti e l’esercizio dei diritti di disdetta; b. l’esercizio di diritti di compensazione, valorizzazione e trasferimento secondo l’articolo 27. 2 Il differimento può essere disposto soltanto se la disdetta o l’esercizio dei diritti di cui al capoverso 1 sono motivati dalle misure. 129 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 130 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 131 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 132 RS 221.301 133 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 134 Introdotto dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, in vigore dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). Legge sulle banche 27 / 48 952.0 3 Il differimento può essere disposto al massimo per due giorni lavorativi. La FINMA stabilisce l’inizio e la fine del differimento. 4 Il differimento è escluso o decade se la disdetta o l’esercizio di un diritto di cui al capoverso 1: a. non sono legati alle misure; e b. sono riconducibili al comportamento della banca in procedura di insolvenza o del soggetto di diritto che riprende integralmente o parzialmente i contratti. 5 Se alla fine del differimento le condizioni di autorizzazione e le altre disposizioni legali sono rispettate, il contratto rimane in vigore e i diritti di cui al capoverso 1 legati alle misure non possono più essere esercitati. Art. 30b135 Misure di capitalizzazione 1 Il piano di risanamento può prevedere la riduzione del capitale proprio esistente e la costituzione di nuovo capitale proprio, la conversione di capitale di terzi in capitale proprio nonché la riduzione dei crediti. 2 I proprietari esistenti non beneficiano di alcun diritto di opzione. 3 Sono esclusi dalla conversione e dalla riduzione dei crediti: a. i crediti privilegiati di prima e seconda classe ai sensi dell’articolo 219 capo- verso 4 LEF136, nella misura del privilegio accordato; b. i crediti garantiti, nei limiti della garanzia prevista; c. i crediti compensabili, nei limiti della loro compensabilità; e d. i crediti derivanti da impegni che la banca ha legittimamente assunto, con l’ap- provazione della FINMA o di un incaricato dell’inchiesta o del risanamento da essa designato, per la durata delle misure di cui all’articolo 26 capoverso 1 lettere e–h o durante una procedura di risanamento. 4 Se necessario per la continuazione dell’attività della banca, la FINMA può escludere i crediti derivanti dalla fornitura di beni e servizi. 5 La conversione di capitale di terzi in capitale proprio e la riduzione dei crediti sono ammesse solo se previamente: a. il capitale convertibile di cui all’articolo 11 capoverso 1 lettera b è convertito integralmente in capitale proprio e i prestiti emessi con rinuncia al credito di cui all’articolo 11 capoverso 2 sono ridotti integralmente; e b. il capitale sociale è ridotto integralmente. 6 Il Consiglio federale può designare gli strumenti di debito che, in deroga al capo- verso 5 lettera b, sono ridotti prima di una riduzione integrale del capitale sociale, a condizione che siano emessi da una banca cantonale e prevedano un’adeguata com- pensazione a posteriori dei creditori. 135 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 136 RS 281.1 Banche e casse di risparmio 28 / 48 952.0 7 La conversione di capitale di terzi in capitale proprio e la riduzione dei crediti de- vono avvenire nell’ordine seguente: a. crediti postergati; b. crediti che si fondano su strumenti di debito a copertura delle perdite nell’ap- plicazione di misure in caso di insolvenza (obbligazioni soggette a bail-in); è fatto salvo il capoverso 8; c. altri crediti, ad eccezione dei depositi; d. depositi. 8 Le obbligazioni soggette a bail-in emesse a favore di terzi creditori da società madri di cui all’articolo 2bis capoverso 1 lettera a rientrano nel rango di cui al capoverso 7 lettera c se gli altri crediti, aventi lo stesso rango, non superano il 5 per cento del valore nominale di tutte le obbligazioni soggette a bail-in computabili. Gli altri crediti sono in questo caso esclusi dalla conversione così come dalla riduzione dei crediti. 9 La FINMA può, in via provvisoria, sospendere completamente i diritti sociali dei nuovi proprietari. Art. 30c137 Piano di risanamento 1 Il piano di risanamento deve adempiere le seguenti esigenze: a. si fonda su una valutazione prudente degli attivi e dei passivi della banca non- ché su una stima prudente della necessità di risanamento; b. presumibilmente, non pone i creditori in una posizione economica peggiore rispetto alla dichiarazione immediata del fallimento della banca; c. tiene adeguatamente conto della priorità degli interessi dei creditori rispetto a quelli dei proprietari, nonché del grado dei creditori; d. tiene adeguatamente conto dei legami giuridici o economici tra gli attivi, i passivi e le relazioni contrattuali. 2 Il piano di risanamento indica e chiarisce i principi fondamentali del risanamento e contiene in particolare precisazioni circa: a. l’adempimento delle esigenze di cui al capoverso 1; b. il modo in cui la banca, eseguito il risanamento, adempie le condizioni di au- torizzazione e le altre disposizioni legali; c. la futura struttura del capitale e il modello di attività della banca; d. gli attivi e i passivi della banca; e. la futura organizzazione e conduzione della banca nonché la nomina e la re- voca dei suoi organi; f. la normativa applicabile agli organi uscenti; g. la futura organizzazione del gruppo o del conglomerato; 137 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Legge sulle banche 29 / 48 952.0 h. il genere e la portata di eventuali ingerenze nei diritti dei proprietari e dei cre- ditori; i. un’eventuale esclusione del diritto della banca di domandare la revocazione ai sensi dell’articolo 32 capoverso 1 e delle pretese fondate sulla responsabilità ai sensi dell’articolo 39; j. le operazioni che necessitano di un’iscrizione nel registro di commercio o nel registro fondiario. Art. 31138 Omologazione del piano di risanamento 1 La FINMA omologa il piano di risanamento se esso adempie le esigenze di cui all’ar- ticolo 30c. 2 L’accordo dei proprietari non è necessario. 3 In deroga all’articolo 30c capoverso 1 lettera b, la FINMA può omologare il piano di risanamento delle banche di rilevanza sistemica anche se pone i creditori in una posizione economica peggiore, a condizione che vengano indennizzati adeguata- mente. 4 Essa rende pubblicamente noti i principi del piano di risanamento. Allo stesso tempo fornisce informazioni sulle modalità con cui i creditori e i proprietari interessati pos- sono consultare il piano. Art. 31a139 Rifiuto del piano di risanamento 1 Se il piano di risanamento prevede un’ingerenza nei diritti dei creditori, la FINMA impartisce ai creditori, al più tardi all’atto della sua omologazione, un termine entro il quale essi possono rifiutarlo. 2 Se i creditori che rappresentano più della metà dell’ammontare complessivo dei cre- diti allibrati rientranti nella terza classe secondo l’articolo 219 capoverso 4 LEF140 rifiutano il piano di risanamento, la FINMA ordina il fallimento conformemente agli articoli 33–37g. 3 I capoversi 1 e 2 non si applicano al risanamento delle banche di rilevanza sistemica e delle società di gruppi o conglomerati finanziari di rilevanza sistemica.141 138 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 139 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 140 RS 281.1 141 Introdotto dal n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel settore fi- nanziario) (RU 2012 811; FF 2011 4211). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Banche e casse di risparmio 30 / 48 952.0 Art. 31b142 Controprestazione in caso di trasferimento 1 Se gli attivi, i passivi o le relazioni contrattuali sono trasferiti soltanto in parte a un altro soggetto di diritto o a una banca transitoria, la FINMA può stabilire un’adeguata controprestazione. 2 Per stabilire la controprestazione la FINMA può disporre una valutazione indipen- dente. Art. 31c143 Compensazione in caso di misure di capitalizzazione 1 Se contempla una misura di capitalizzazione di cui all’articolo 30b, il piano di risa- namento può prevedere un’adeguata compensazione per i proprietari qualora dalla va- lutazione di cui all’articolo 30c capoverso 1 lettera a risulti che il valore del capitale proprio attribuito ai creditori supera il valore nominale dei loro crediti convertiti o ridotti secondo l’articolo 30b. 2 La compensazione può essere effettuata segnatamente attribuendo azioni, altri diritti di partecipazione, opzioni o buoni di recupero. Art. 31d144 Efficacia giuridica del piano di risanamento 1 Le disposizioni del piano di risanamento hanno effetto: a. per le banche di rilevanza sistemica e le società di gruppi o conglomerati fi- nanziari di rilevanza sistemica, a decorrere dall’omologazione del piano di risanamento; b. in tutti gli altri casi, allo scadere infruttuoso del termine di cui all’articolo 31a capoverso 1. 2 Il piano di risanamento produce effetti immediati, segnatamente per quanto con- cerne: a. la riduzione del capitale proprio esistente e la costituzione di nuovo capitale proprio; b. la conversione di capitale di terzi in capitale proprio; c. la riduzione dei crediti; d. il trasferimento di fondi; e. la costituzione o il trasferimento di diritti reali su fondi o le modifiche del capitale sociale. 142 Introdotto dal n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel settore fi- nanziario) (RU 2012 811; FF 2011 4211). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 143 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 144 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Legge sulle banche 31 / 48 952.0 3 Le iscrizioni nel registro fondiario, nel registro di commercio o in altri registri hanno soltanto una funzione dichiarativa. Devono essere effettuate il più presto possibile. Art. 32 Esercizio di pretese 1 Non appena la FINMA ha omologato il piano di risanamento, la banca ha il diritto di domandare la revocazione di negozi giuridici conformemente agli articoli 285–292 LEF145. 2 Se il piano di risanamento esclude per la banca il diritto di domandare la revocazione di negozi giuridici conformemente al capoverso 1, tale revocazione può essere chiesta da ogni creditore nella misura in cui il piano di risanamento attenti ai suoi diritti. 2bis La revocazione secondo gli articoli 285–292 LEF è esclusa nei confronti di atti giuridici effettuati in esecuzione di un piano di risanamento omologato dalla FINMA.146 3 Per il calcolo dei termini conformemente agli articoli 286–288 LEF è determinante il momento dell’omologazione del piano di risanamento, anziché la dichiarazione di fallimento. Se la FINMA ha precedentemente deciso una misura di protezione confor- memente all’articolo 26 capoverso 1 lettere e–h, è determinante il momento dell’ema- nazione di questa decisione.147 3bis Il diritto di domandare la revocazione si prescrive in tre anni dall’omologazione del piano di risanamento.148 4 All’esercizio di pretese fondate sulla responsabilità conformemente all’articolo 39, i capoversi 1–2bis si applicano per analogia.149 145 RS 281.1 146 Introdotto dal n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel settore fi- nanziario), in vigore dal 1° mar. 2012 (RU 2012 811; FF 2011 4211). 147 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 148 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi) (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 149 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Banche e casse di risparmio 32 / 48 952.0 Capo dodicesimo:150 Fallimento di banche insolventi (fallimento di banche) Art. 33 Ordine di fallimento e nomina dei liquidatori del fallimento151 1 Se non vi è alcuna prospettiva di risanamento o se il risanamento è fallito, la FINMA revoca alla banca l’autorizzazione a esercitare, ordina il fallimento e lo rende pubbli- camente noto. 2 La FINMA nomina uno o più liquidatori del fallimento. Essi sottostanno alla sua vigilanza e su richiesta le fanno rapporto. 3 I liquidatori del fallimento informano i creditori almeno una volta l’anno sullo stato della procedura. Art. 34 Effetti e svolgimento 1 L’ordine di fallimento ha gli effetti di una dichiarazione di fallimento secondo gli articoli 197–220 LEF152. 2 Il fallimento deve essere effettuato conformemente agli articoli 221–270 LEF. La FINMA può, fatti salvi gli articoli 35–37m della presente legge, prendere decisioni derogatorie.153 3 La FINMA può disciplinare i dettagli della procedura.154 Art. 35155 Assemblea dei creditori e comitato dei creditori 1 Il liquidatore del fallimento può proporre alla FINMA: a. di indire un’assemblea dei creditori, definirne le competenze e fissare i quo- rum delle presenze e dei voti necessari per le deliberazioni; b. di istituire un comitato dei creditori e definirne la composizione e le compe- tenze. 2 La FINMA non è vincolata alle proposte del liquidatore del fallimento. Art. 36 Trattamento dei crediti; graduatoria 1 Nella formazione della graduatoria, i crediti allibrati sono considerati insinuati. 150 Originario avanti art. 29. Nuovo testo giusta il n. I della LF del 3 ott. 2003, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). 151 Nuovo espr. giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Di detta mod. é tenuto conto in tutto il pre- sente testo. 152 RS 281.1 153 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 154 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 155 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Legge sulle banche 33 / 48 952.0 2 Per quanto sia necessario per tutelare i loro diritti, i creditori possono prendere vi- sione della graduatoria; al riguardo deve essere salvaguardato nella misura del possi- bile il segreto professionale secondo l’articolo 47. Art. 37156 Impegni assunti con le misure di protezione o nella procedura di risanamento Gli impegni che la banca ha legittimamente assunto, con l’approvazione della FINMA o di un incaricato dell’inchiesta o del risanamento da essa designato, per la durata delle misure di cui all’articolo 26 capoverso 1 lettere e–h o durante una procedura di risanamento sono soddisfatti, in caso di fallimento, prima di tutti gli altri. Art. 37a157 Depositi privilegiati 1 I depositi a nome del depositante, incluse le obbligazioni di cassa depositate presso una banca a nome del depositante, sono collocati, sino all’importo massimo di 100 000 franchi per creditore, nella seconda classe secondo l’articolo 219 capoverso 4 LEF158. 2 ...159 3 I depositi presso imprese che operano in qualità di banche senza autorizzazione da parte della FINMA non sono privilegiati. 4 Qualora più persone siano titolari di un credito, il privilegio può essere esercitato una sola volta. 5 I crediti delle fondazioni bancarie riconosciute come istituti di previdenza secondo l’articolo 82 della legge federale del 25 giugno 1982160 sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i superstiti e l’invalidità, e i crediti delle fondazioni di libero passag- gio riconosciute come istituti di libero passaggio secondo la legge del 17 dicembre 1993161 sul libero passaggio sono considerati depositi dei singoli intestatari della pre- videnza e dei singoli assicurati. Essi sono privilegiati sino all’importo massimo fissato nel capoverso 1, indipendentemente dagli altri depositi dei singoli intestatari della pre- videnza e dei singoli assicurati. 6 Le banche devono detenere costantemente crediti coperti in Svizzera o altri attivi situati in Svizzera in ragione del 125 per cento dei loro depositi privilegiati. La FINMA può aumentare questa quota; in casi giustificati può concedere deroghe, in particolare agli istituti che, a causa della struttura delle loro attività, dispongono di una copertura equivalente. 156 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 157 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 158 RS 281.1 159 Abrogato dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), con ef- fetto dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 160 RS 831.40 161 RS 831.42 Banche e casse di risparmio 34 / 48 952.0 7 Il Consiglio federale definisce più precisamente i depositi e i depositanti di cui al capoverso 1. Può adeguare l’importo massimo di cui al capoverso 1 alla svalutazione monetaria.162 Art. 37b163 Pagamento con gli attivi liquidi disponibili 1 I depositi privilegiati ai sensi dell’articolo 37a capoverso 1 sono pagati, fuori dalla graduatoria ed escludendo qualsiasi compensazione, con gli attivi liquidi disponibili: a. immediatamente, se sono allibrati presso uffici svizzeri; b. non appena materialmente e giuridicamente possibile, se sono allibrati presso uffici esteri. 2 La FINMA fissa nei singoli casi l’importo massimo dei depositi pagabili secondo il capoverso 1. Essa tiene conto dell’ordine degli altri creditori secondo l’articolo 219 LEF164. Art. 37c165 Art. 37d166 Separazione di valori depositati I valori depositati ai sensi dell’articolo 16 della presente legge sono separati dalla massa conformemente agli articoli 17 e 18 della legge del 3 ottobre 2008167 sui titoli contabili. In caso di sottodotazione, ai valori depositati custoditi collettivamente si applica l’articolo 19 della legge sui titoli contabili. Art. 37e Ripartizione e chiusura della procedura 1 Se tutti gli attivi sono stati realizzati e tutti i processi inerenti alla determinazione dell’attivo e del passivo della massa sono stati liquidati, i liquidatori del fallimento compilano lo stato di ripartizione definitivo e il conto finale e li sottopongono per approvazione alla FINMA. I processi derivanti dalla cessione delle pretese ai sensi dell’articolo 260 LEF168 non sono considerati.169 2 Prima della loro approvazione, lo stato di ripartizione e il conto finale sono depositati per dieci giorni per consultazione. L’avviso del deposito e dell’approvazione sono 162 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 163 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 164 RS 281.1 165 Abrogato da n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), con effetto dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 166 Nuovo testo giusta il n. I 6 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° ago. 2021 (RU 2021 33, 399; FF 2020 221). 167 RS 957.1 168 RS 281.1 169 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Legge sulle banche 35 / 48 952.0 pubblicati nel Foglio ufficiale svizzero di commercio e nel sito Internet della FINMA.170 3 La FINMA prende le disposizioni necessarie per chiudere la procedura. Rende pub- blicamente nota la chiusura. Art. 37f Coordinamento con le procedure estere 1 Se la banca è oggetto di una procedura di esecuzione forzata anche all’estero, la FINMA coordina il fallimento della banca per quanto possibile con i competenti or- gani esteri. 2 Se un creditore è già stato parzialmente tacitato in una procedura estera connessa al fallimento della banca, tale parte, dedotte le spese, è imputata al dividendo che gli spetta nella procedura svizzera. Art. 37g171 Riconoscimento di decreti di fallimento e di misure esteri 1 La FINMA decide in merito al riconoscimento di decreti di fallimento e di misure di insolvenza pronunciati all’estero nei confronti di banche. 2 La FINMA può, senza che sia eseguita una procedura in Svizzera, mettere a dispo- sizione della massa di insolvenza estera il patrimonio situato in Svizzera, se nella pro- cedura estera di insolvenza: a. i crediti garantiti da pegno e i crediti privilegiati, ai sensi dell’articolo 219 LEF172, di creditori domiciliati in Svizzera sono trattati in maniera equiva- lente; e b. gli altri crediti di creditori domiciliati in Svizzera sono presi adeguatamente in considerazione. 3 Essa può riconoscere anche decreti di fallimento e misure pronunciati nello Stato in cui la banca ha la sua sede effettiva. 4 Se per il patrimonio situato in Svizzera viene eseguita una procedura in Svizzera, nella graduatoria possono essere menzionati anche creditori della terza classe secondo l’articolo 219 capoverso 4 LEF e creditori domiciliati all’estero. 4bis Se la banca ha una succursale in Svizzera, la procedura secondo l’articolo 50 ca- poverso 1 LEF è ammissibile finché la graduatoria secondo l’articolo 172 della legge federale del 18 dicembre 1987173 sul diritto internazionale privato (LDIP) non è defi- nitiva.174 170 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 171 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 172 RS 281.1 173 RS 291 174 Introdotto dall’all. n. 2 della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). Banche e casse di risparmio 36 / 48 952.0 5 Per il rimanente si applicano gli articoli 166–175 LDIP.175 Capo dodicesimo a:176 Ricorsi interposti nelle procedure previste nei capi undicesimo e dodicesimo Art. 37gbis Ricorsi contro l’omologazione del piano di risanamento 1 In caso di accoglimento del ricorso contro l’omologazione del piano di risanamento, il giudice può unicamente accordare un’indennità. 2 L’indennità è generalmente accordata sotto forma di azioni, altri diritti di partecipa- zione, opzioni o buoni di recupero. Art. 37gter Ricorsi di creditori e proprietari 1 Nelle procedure previste nei capi undicesimo e dodicesimo, i creditori e i proprietari di una banca, di una società madre o di una società del gruppo importante di cui all’ar- ticolo 2bis capoverso 1 possono interporre ricorso solo contro: a. l’omologazione del piano di risanamento; b. atti di realizzazione; c. l’approvazione dello stato di ripartizione e del conto finale. 2 Gli atti di realizzazione del liquidatore del fallimento sono considerati atti materiali. Chiunque ha un interesse degno di protezione può esigere che la FINMA pronunci su tali atti una decisione ai sensi dell’articolo 25a della legge federale del 20 dicembre 1968177 sulla procedura amministrativa (PA). 3°In queste procedure è escluso il ricorso secondo l’articolo 17 LEF178. Art. 37gquater Termini 1 Il termine per interporre ricorso contro l’omologazione del piano di risanamento e contro un atto di realizzazione è di dieci giorni. L’articolo 22a PA179 non è applica- bile. 2 Il termine per interporre ricorso contro l’omologazione del piano di risanamento de- corre dal giorno successivo a quello in cui sono resi noti pubblicamente i principi del piano di risanamento. Il termine per interporre ricorso contro l’approvazione dello stato di ripartizione e del conto finale decorre dal giorno successivo a quello in cui è stata resa pubblicamente nota l’approvazione. 175 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 176 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 177 RS 172.021 178 RS 281.1 179 RS 172.021 Legge sulle banche 37 / 48 952.0 Art. 37gquinquies Effetto sospensivo I ricorsi interposti nelle procedure previste nei capi undicesimo e dodicesimo non hanno effetto sospensivo. Il giudice dell’istruzione può, su domanda, accordare l’ef- fetto sospensivo. La concessione dell’effetto sospensivo è esclusa per ricorsi interposti contro: a. l’ordine di misure di protezione; b. l’ordine di una procedura di risanamento; c. l’omologazione del piano di risanamento; e d. l’ordine di fallimento. Capo tredicesimo:180 Garanzia dei depositi Art. 37h181 Principio 1 Le banche si impegnano a garantire i depositi privilegiati di cui all’articolo 37a ca- poverso 1 presso gli uffici svizzeri. A tal fine, prima dell’accettazione di questi depo- siti le banche devono aderire all’autodisciplina delle banche. 2 L’autodisciplina necessita dell’approvazione della FINMA. 3 L’autodisciplina è approvata se: a. assicura che il responsabile della garanzia dei depositi paghi i depositi garan- titi all’incaricato dell’inchiesta, all’incaricato del risanamento o al liquidatore del fallimento designato dalla FINMA entro sette giorni lavorativi dal ricevi- mento della comunicazione della FINMA concernente l’ordine di fallimento o di una misura di protezione ai sensi dell’articolo 26 capoverso 1 lettere eh; b. prevede che le banche siano tenute a versare contributi complessivamente pari all’1,6 per cento della somma totale dei depositi garantiti, ma almeno a 6 mi- liardi di franchi; c. assicura che ogni banca, per la metà dei suoi impegni contributivi: 1. depositi durevolmente titoli facilmente realizzabili di elevata qualità o franchi svizzeri in contanti presso un ente di subcustodia sicuro, o 2. conceda durevolmente prestiti in contanti al responsabile della garanzia dei depositi; d. obbliga ogni banca a compiere, nel quadro della sua ordinaria attività, i pre- parativi necessari all’incaricato dell’inchiesta, all’incaricato del risanamento o al liquidatore del fallimento per allestire un piano di pagamento, contattare i depositanti e procedere al pagamento secondo l’articolo 37j. 180 Originario avanti art. 36. Nuovo testo giusta il n. I della LF del 3 ott. 2003, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). 181 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Vedi anche la disp. fin. della mod. del 17 dic. 2021 alla fine del presente testo. Banche e casse di risparmio 38 / 48 952.0 4 I preparativi di cui al capoverso 3 lettera d comprendono in particolare la predispo- sizione di: a. un’infrastruttura adeguata; b. processi standardizzati; c. un elenco dei depositanti i cui depositi sono garantiti secondo il capoverso 1 e dei loro depositi; d. un elenco riepilogativo degli altri depositi privilegiati di cui all’articolo 37a capoverso 1. 5 Il Consiglio federale può adeguare le condizioni di cui al capoverso 3 lettera b se particolari circostanze lo esigono. 6 Se l’autodisciplina non adempie le condizioni di cui ai capoversi 1–4, il Consiglio federale disciplina la garanzia dei depositi in un’ordinanza. Stabilisce in particolare il responsabile della garanzia dei depositi e fissa i contributi delle banche. 7 Le ripercussioni delle forme di finanziamento di cui al capoverso 3 lettera c sulle esigenze in materia di liquidità e di fondi propri vanno neutralizzate in modo che, nella misura del possibile, le diverse forme di finanziamento siano trattate in modo equiva- lente. Il Consiglio federale emana le disposizioni tecniche di esecuzione. Art. 37i182 Attivazione della garanzia dei depositi 1 Se ha ordinato una misura di protezione ai sensi dell’articolo 26 capoverso 1 let- tere e–h o il fallimento ai sensi dell’articolo 33, la FINMA ne dà comunicazione al responsabile della garanzia dei depositi e lo informa sul fabbisogno di prestazioni per il pagamento dei depositi garantiti. 2 Entro sette giorni lavorativi dal ricevimento della comunicazione, il responsabile della garanzia dei depositi mette l’importo corrispondente a disposizione dell’incari- cato dell’inchiesta, dell’incaricato del risanamento o del liquidatore del fallimento de- signato dalla FINMA.183 3 In caso di misura di protezione, la FINMA può differire la comunicazione finché: a. vi sono buone prospettive che la misura di protezione sia abrogata entro breve termine; oppure b. i depositi garantiti non sono interessati dalla misura di protezione. 4 ...184 182 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). 183 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 184 Abrogato dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), con ef- fetto dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). Legge sulle banche 39 / 48 952.0 Art. 37j185 Pagamento 1 L’incaricato dell’inchiesta, l’incaricato del risanamento o il liquidatore del falli- mento designato dalla FINMA allestisce un piano di pagamento in base all’elenco dei depositanti di cui all’articolo 37h capoverso 4 lettera c. 2 Invita immediatamente i depositanti indicati nel piano di pagamento a fornirgli le istruzioni per il pagamento dei depositi garantiti. 3 L’incaricato dell’inchiesta, l’incaricato del risanamento o il liquidatore del falli- mento provvede affinché i depositi garantiti siano pagati immediatamente ai deposi- tanti, ma al più tardi il settimo giorno lavorativo successivo al ricevimento delle istru- zioni. 4 Se l’importo messo a disposizione dal responsabile della garanzia dei depositi non è sufficiente per pagare i crediti iscritti nel piano di pagamento, il pagamento immediato è effettuato proporzionalmente. 5 Il termine di cui al capoverso 3 è prolungato o sospeso per i depositi: a. che sono oggetto di pretese complesse o poco chiare; b. che oggettivamente non esigono un pagamento rapido; o c. per i quali sono state fornite istruzioni di pagamento imprecise o poco chiare. 6 I depositi di cui al capoverso 5 sono definiti più precisamente nel quadro dell’auto- disciplina che la FINMA deve approvare. Art. 37jbis186 Compensazione, pretesa e cessione legale 1 Il pagamento dei depositi garantiti è effettuato con l’esclusione di qualsiasi compen- sazione. 2 I depositanti non possono far valere alcuna pretesa diretta nei confronti del respon- sabile della garanzia dei depositi. 3°Il responsabile della garanzia dei depositi subentra nei diritti dei depositanti in mi- sura corrispondente ai pagamenti. Art. 37k187 Scambio di dati 1 La FINMA mette a disposizione del responsabile della garanzia dei depositi i dati necessari alla tutela dei suoi compiti. 2 Il responsabile della garanzia dei depositi fornisce tutte le informazioni alla FINMA, nonché all’incaricato dell’inchiesta, all’incaricato del risanamento o al liquidatore del 185 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi) (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 186 Introdotto dal n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 187 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Banche e casse di risparmio 40 / 48 952.0 fallimento e trasmette loro tutti i documenti necessari all’attuazione della garanzia dei depositi. Capo tredicesimo a:188 Averi non rivendicati Art. 37l Trasferimento189 1 Una banca può trasferire averi non rivendicati a un’altra banca senza il consenso dei creditori. 2 Il trasferimento necessita di un contratto scritto tra la banca trasferente e la banca assuntrice. 3 Nell’ambito del fallimento di una banca i liquidatori del fallimento rappresentano nei confronti dei terzi gli interessi dei creditori degli averi non rivendicati. 4 Il Consiglio federale stabilisce in quale momento gli averi sono considerati non ri- vendicati. Art. 37m190 Liquidazione 1 Le banche liquidano gli averi non rivendicati dopo 50 anni, se gli aventi diritto non si manifestano nonostante previa pubblicazione. La liquidazione di averi non rivendi- cati non superiori a 500 franchi può avvenire senza previa pubblicazione. 2 Le pretese degli aventi diritto si estinguono con la liquidazione. 3 Il ricavato della liquidazione è devoluto alla Confederazione. 4 Il Consiglio federale disciplina i dettagli della pubblicazione e della liquidazione degli averi non rivendicati. Capo quattordicesimo: Responsabilità e disposizioni penali191 Art. 38192 1 Per i banchieri privati la responsabilità civile è retta dal CO193. 188 Introdotto dal n. I della LF del 18 mar. 2011 (Garanzia dei depositi), in vigore dal 1° set. 2011 (RU 2011 3919; FF 2010 3513). Vedi anche le disp. fin. della mod. del 22 mar. 2013 alla fine del presente testo. 189 Introdotto dal n. I della LF del 22 mar. 2013 (Averi non rivendicati), in vigore dal 1° gen. 2015 (RU 2014 1267; FF 2010 6629). 190 Introdotto dal n. I della LF del 22 mar. 2013 (Averi non rivendicati), in vigore dal 1° gen. 2015 (RU 2014 1267; FF 2010 6629). 191 A partire dal 1° gen. 2007 le pene e i termini di prescrizione devono essere adattati giusta la chiave di conversione dell’art. 333 cpv. 2–6 del Codice penale (RS 311.0), nel testo della LF del 13. dic. 2002 (RU 2006 3459: FF 1999 1669). 192 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 193 RS 220 Legge sulle banche 41 / 48 952.0 2 Alle altre banche è applicabile l’articolo 39. Art. 39194 La responsabilità dei fondatori di una banca, degli organi di gestione, alta direzione, vigilanza e controllo come pure dei liquidatori nominati dalla banca è retta dalle di- sposizioni del diritto della società anonima (art. 752–760 CO195). Art. 40 a 45196 Art. 46197 1 È punito con una pena detentiva sino a tre anni o con una pena pecuniaria chiunque, intenzionalmente: a. accetta indebitamente depositi del pubblico o depositi a risparmio; b. non tiene regolarmente i libri o non conserva conformemente alle prescrizioni i libri e i documenti giustificativi; c. non allestisce e non pubblica il conto annuale o il bilancio intermedio confor- memente all’articolo 6. 2 Chi ha agito per negligenza è punito con la multa sino a 250 000 franchi. 3 ...198 Art. 47199 1 È punito con una pena detentiva sino a tre anni o con una pena pecuniaria chiunque, intenzionalmente: a.200 rivela un segreto che gli è confidato o di cui ha notizia nella sua qualità di membro di un organo, impiegato, mandatario o liquidatore di una banca o di una persona di cui all’articolo 1b, o di membro di un organo o impiegato di una società di audit; b. ovvero tenta di indurre a siffatta violazione del segreto professionale; 194 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 17 dic. 2021 (Insolvenza e garanzia dei depositi), in vigore dal 1° gen. 2023 (RU 2022 732; FF 2020 5647). 195 RS 220 196 Abrogati dal n. I della LF del 3 ott. 2003, con effetto dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2767; FF 2002 7175). 197 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 198 Abrogato dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, con effetto dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 199 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 200 Nuovo testo giusta l’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 5247; FF 2015 7293). Banche e casse di risparmio 42 / 48 952.0 c.201 divulga un segreto che gli è stato rivelato ai sensi della lettera a, oppure lo sfrutta per sé o per altri. 1bis È punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria chiunque, commettendo un atto di cui al capoverso 1 lettera a o c, ottiene per sé o per altri un vantaggio patrimoniale.202 2 Chi ha agito per negligenza è punito con la multa sino a 250 000 franchi. 3 ...203 4 La rivelazione del segreto è punibile anche dopo la cessazione della carica, della funzione o dell’esercizio della professione. 5 Sono fatte salve le disposizioni delle legislazioni federali e cantonali sull’obbligo di dare informazioni all’autorità e di testimoniare in giudizio. 6 Il perseguimento e il giudizio delle azioni punibili in conformità di queste disposi- zioni competono ai Cantoni. Sono applicabili le disposizioni generali del Codice pe- nale204. Art. 48205 Art. 49206 1 È punito con la multa sino a 500 000 franchi chiunque, intenzionalmente: a. usa indebitamente nella ditta, nella designazione dello scopo dell’azienda o nella pubblicità l’espressione «banca», «banchiere» o «risparmio»; b. omette di fornire alla FINMA le comunicazioni prescritte; c. pubblicizza l’accettazione di depositi del pubblico e di depositi a risparmio senza disporre dell’autorizzazione legale necessaria. 2 Chi ha agito per negligenza è punito con la multa sino a 150 000 franchi. 3 ...207 201 Introdotta dal n. I 2 della LF del 12 dic. 2014 sull’estensione della punibilità della viola- zione del segreto professionale, in vigore dal 1° lug. 2015 (RU 2015 1535; FF 2014 5347 5357). 202 Introdotto dal n. I 2 della LF del 12 dic. 2014 sull’estensione della punibilità della viola- zione del segreto professionale, in vigore dal 1° lug. 2015 (RU 2015 1535; FF 2014 5347 5357). 203 Abrogato dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, con effetto dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). 204 RS 311.0 205 Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 206 Nuovo testo giusta l’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 207 Abrogato dall’all. n. 10 della L del 19 giu. 2015 sull’infrastruttura finanziaria, con effetto dal 1° gen. 2016 (RU 2015 5339; FF 2014 6445). Legge sulle banche 43 / 48 952.0 Art. 50208 Art. 50bis 209 Art. 51210 Art. 51bis 211 Capo quindicesimo: Disposizioni transitorie e finali Art. 52212 Al più tardi tre anni dopo l’entrata in vigore dei capi quinto e sesto della modifica del 30 settembre 2011, e in seguito ogni due anni, il Consiglio federale esamina le dispo- sizioni interessate paragonando la loro attuazione con quella delle norme internazio- nali corrispondenti all’estero. Esso ne riferisce all’Assemblea federale e presenta gli eventuali bisogni di modifica di leggi e di ordinanze. Art. 52a213 Al più tardi tre anni dopo l’entrata in vigore della modifica del 15 giugno 2018 il Consiglio federale esamina le disposizioni interessate paragonandole con gli obiettivi in materia di vigilanza dei mercati finanziari secondo la legge del 22 giugno 2007214 sulla vigilanza dei mercati finanziari. Ne riferisce all’Assemblea federale e presenta gli interventi legislativi necessari. Art. 53 1 Con l’entrata in vigore della presente legge sono abrogati: 208 Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 209 Introdotto dall’all. n. 22 del DPA (RU 1974 1857; FF 1971 I 727). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 210 Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 ((RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 211 Introdotto dal n. I della LF dell’11 mar. 1971 (RU 1971 809; FF 1970 I 885). Abrogato dall’all. n. 15 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207 5205; FF 2006 2625). 212 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 30 set. 2011 (Rafforzamento della stabilità nel set- tore finanziario), in vigore dal 1° mar. 2012 (RU 2012 811; FF 2011 4211). 213 Introdotto dall’all. n. II 14 della L del 15 giu. 2018 sugli istituti finanziari, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 5247; FF 2015 7293). 214 RS 956.1 Banche e casse di risparmio 44 / 48 952.0 a.215 le disposizioni cantonali sulle banche, ad eccezione di quelle che si riferiscono alle banche cantonali, le disposizioni che disciplinano il commercio, a titolo professionale, delle cartevalori, come anche le disposizioni concernenti la vi- gilanza sul rispetto delle norme di diritto cantonale contro gli abusi in materia d’interesse; b. l’articolo 57 del titolo finale del Codice civile svizzero216. 2 Le disposizioni cantonali sul privilegio legale in favore dei depositi a risparmio ces- sano di essere valide se, entro tre anni a contare dall’entrata in vigore della presente legge, non sono state sostituite da nuove disposizioni che siano conformi agli articoli 15 e 16. Art. 54217 Art. 55218 Art. 56 Il Consiglio federale fissa il giorno in cui la presente legge entra in vigore ed emana le disposizioni necessarie per la sua esecuzione. Data dell’entrata in vigore: 1° marzo 1935219 Disposizioni finali della modifica del 21 marzo 1971220 1 Le banche e le società finanziarie fondate prima dell’entrata in vigore della presente legge221 non devono sollecitare una nuova autorizzazione per continuare l’attività. 2 Le società finanziarie che d’ora in poi soggiacciono alla presente legge devono no- tificarsi alla Commissione delle banche entro tre mesi a contare dall’entrata in vigore della legge. 3 Le banche e le società finanziarie devono adeguarsi, nel biennio successivo all’en- trata in vigore della presente legge, alle prescrizioni dell’articolo 3 capoverso 2 lettere a, c e d e a quelle dell’articolo 3bis capoverso 1 lettera c222, altrimenti l’autorizzazione può essere revocata. 215 Nuovo testo giusta l’all. n. 14 della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 216 RS 210 217 Abrogato dall’all. n. 14 della LF del 16 dic. 1994, con effetto dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 218 Abrogato dal n. I della LF dell’11 mar. 1971, con effetto dal 1° lug. 1971 (RU 1971 809 825 art. 1; FF 1970 I 885). 219 DCF del 26 feb. 1935 (RU 51 151). 220 RU 1971 809; FF 1970 I 885 221 Questa L è entrata in vigore il 1° lug. 1971 (art. 1 del DCF del 24 giu. 1971 – RU 1971 825). 222 Questa disp. è abrogata. Legge sulle banche 45 / 48 952.0 4 Per tener conto del carattere particolare delle società finanziarie e delle casse di cre- dito a termine differito, il Consiglio federale è autorizzato a emanare prescrizioni spe- ciali. Disposizioni finali della modifica del 18 marzo 1994223 1 Le persone fisiche o giuridiche che, al momento dell’entrata in vigore della modifi- cazione del 18 marzo 1994 della presente legge, detengono depositi del pubblico ille- gittimi ai sensi dell’articolo 1 capoverso 2, devono rimborsarli entro due anni dall’en- trata in vigore della modificazione. La Commissione delle banche può, se sussistono circostanze particolari, prolungare o abbreviare il termine nei singoli casi. 2 Le società finanziarie di carattere bancario che, prima dell’entrata in vigore della presente modificazione e con l’autorizzazione della Commissione delle banche, si sono rivolte al pubblico per raccogliere depositi di capitali, sono dispensate dal richie- dere una nuova autorizzazione per l’esercizio di un’attività bancaria. Esse devono sod- disfare le disposizioni di cui agli articoli 4bis e 4ter entro un anno dall’entrata in vigore della legge. 3 Entro un anno dall’entrata in vigore della presente modificazione, le banche devono soddisfare le disposizioni dell’articolo 3 capoverso 2 lettere cbis e d e dell’articolo 4 capoverso 2bis. 4 Entro tre anni dall’entrata in vigore della presente modificazione, i Cantoni devono garantire l’osservanza delle disposizioni dell’articolo 3a224 capoverso 1 e dell’articolo 18 capoverso 1. Ove la vigilanza ai sensi dell’articolo 3a capoverso 2 fosse trasferita alla Commissione delle banche prima dello spirare di questo termine, la condizione posta dall’articolo 18 capoverso 1 deve essere soddisfatta al momento del trasferi- mento. 5 Le persone fisiche o giuridiche che detengono, direttamente o indirettamente, una partecipazione qualificata ai sensi dell’articolo 3 capoverso 2 lettera cbis, devono an- nunciarla alla Commissione delle banche entro un anno dall’entrata in vigore della presente modificazione. 6 Le banche sono tenute a procedere al primo annuncio annuale ai sensi dell’articolo 3 capoverso 6 al più tardi entro un anno dall’entrata in vigore della presente modifi- cazione. 7 Entro tre mesi dall’entrata in vigore della presente modificazione, le banche orga- nizzate secondo il diritto svizzero devono annunciare alla Commissione delle banche tutte le filiali, succursali, agenzie ed uffici di rappresentanza che hanno istituito all’estero. 223 RU 1995 246; FF 1993 I 609 224 Oggi, questo art. ha un nuovo testo. Banche e casse di risparmio 46 / 48 952.0 Disposizioni finali della modifica del 22 aprile 1999225 1 Le banche cantonali già sottoposte integralmente alla vigilanza della Commissione delle banche al momento dell’entrata in vigore della presente legge sono considerate in possesso dell’autorizzazione di cui al capoverso 3. 2 Per la Banca cantonale di Zugo non è richiesta una partecipazione del Cantone su- periore a un terzo dei diritti di voto, ai sensi dell’articolo 3a, sempreché non siano modificati la garanzia dello Stato e l’esercizio del diritto di voto da parte del Cantone e sia garantito che le decisioni importanti non possano essere prese senza l’assenso del Cantone. 3 Per la Banca cantonale di Ginevra, la partecipazione dei Comuni al capitale è assi- milata alla partecipazione del Cantone secondo l’articolo 3a purché questi non riduca la sua partecipazione. Disposizioni finali della modifica del 3 ottobre 2003226 1 Entro un anno dall’entrata in vigore della presente modifica, l’autodisciplina deve essere presentata alla Commissione delle banche per approvazione. 2 Se la Commissione delle banche decide la liquidazione di una banca prima dell’en- trata in vigore della presente modifica, per la liquidazione così come per la moratoria per le banche o la moratoria concordataria è determinante il diritto anteriore. Disposizioni finali della modifica del 17 dicembre 2004227 1 Chiunque gestisce effettivamente a partire dalla Svizzera un gruppo finanziario o un conglomerato finanziario senza gestire una banca in Svizzera deve annunciarsi alla Commissione delle banche entro tre mesi dall’entrata in vigore della presente modi- fica. 2 I gruppi finanziari e i conglomerati finanziari esistenti devono conformarsi alle nuove prescrizioni entro due anni dall’entrata in vigore della presente modifica. 3 La Commissione delle banche può prorogare tali termini su domanda tempestiva e motivata. Disposizione transitoria della modifica del 30 settembre 2011228 La prima adozione delle norme di cui all’articolo 10 capoverso 4 dev’essere sottoposta per approvazione all’Assemblea federale. 225 RU 1999 2405; FF 1998 3007 226 RU 2004 2767; FF 2002 7175 227 RU 2005 5269; FF 2003 3233 228 RU 2012 811; FF 2011 4211 Legge sulle banche 47 / 48 952.0 Disposizione transitoria della modifica del 22 marzo 2013229 Per gli averi che al momento dell’entrata in vigore della modifica del 22 marzo 2013 non sono rivendicati da oltre 50 anni, il termine per la pubblicazione è di cinque anni. Disposizione transitoria della modifica del 17 dicembre 2021230 Le condizioni di cui all’articolo 37h capoverso 3 lettera d relative all’autodisciplina devono essere adempiute al più tardi entro cinque anni dall’entrata in vigore della modifica del 17 dicembre 2021. 229 RU 2014 1267; FF 2010 6629 230 RU 2022 732; FF 2020 5647 Banche e casse di risparmio 48 / 48 952.0 Capo primo: Sfera d’applicazione Art. 1 Art. 1bis Art. 1a Banche Art. 1b Promovimento dell’innovazione Art. 2 Art. 2bis Capo secondo: Autorizzazione a esercitare l’attività Art. 3 Art. 3a Art. 3b Art. 3c Art. 3d Art. 3e Art. 3f Art. 3g Art. 3h Art. 3bis Art. 3ter Art. 3quater Capo terzo: Fondi propri, liquidità e altre prescrizioni sulla gestione Art. 4 Art. 4bis Art. 4ter Art. 4quater Art. 4quinquies Art. 4sexies Art. 5 Capo quarto: Presentazione dei conti Art. 6 Allestimento delle chiusure contabili Art. 6a Pubblicità Art. 6b Disposizioni di esecuzione Capo quinto: Banche di rilevanza sistemica Art. 7 Definizione e scopo Art. 8 Criteri e determinazione della rilevanza sistemica Art. 9 Esigenze particolari Art. 10 Applicazione alla singola banca Art. 10a Misure concernenti le retribuzioni Capo sesto: Capitale supplementare Art. 11 Principi Art. 12 Capitale di riserva Art. 13 Capitale convertibile Art. 14 Capitale di partecipazione di banche cooperative Art. 14a Riserva, dividendi e acquisto di buoni di partecipazione propri di banche cooperative Art. 14b Obbligo di annunciare ed elenco per le banche cooperative Capo settimo: Depositi a risparmio e valori depositati Art. 15 Art. 16 Capo ottavo: ... Art. 17 Capo nono: Vigilanza e verifica Art. 18 Art. 19 a 22 Capo decimo: Vigilanza Art. 23 Art. 23bis Art. 23ter Art. 23quater Art. 23quinquies Art. 23sexies Art. 23septies Art. 23octies Art. 24 Capo undicesimo: Misure in caso di rischio d’insolvenza Art. 25 Condizioni Art. 26 Misure di protezione Art. 27 Prevalenza degli accordi di compensazione, di valorizzazione e di trasferimento Art. 28 Procedura di risanamento Art. 28a Risanamento di banche cantonali Art. 29 Risanamento della banca Art. 30 Continuazione di servizi bancari Art. 30a Differimento della disdetta di contratti Art. 30b Misure di capitalizzazione Art. 30c Piano di risanamento Art. 31 Omologazione del piano di risanamento Art. 31a Rifiuto del piano di risanamento Art. 31b Controprestazione in caso di trasferimento Art. 31c Compensazione in caso di misure di capitalizzazione Art. 31d Efficacia giuridica del piano di risanamento Art. 32 Esercizio di pretese Capo dodicesimo: Fallimento di banche insolventi (fallimento di banche) Art. 33 Ordine di fallimento e nomina dei liquidatori del fallimento Art. 34 Effetti e svolgimento Art. 35 Assemblea dei creditori e comitato dei creditori Art. 36 Trattamento dei crediti; graduatoria Art. 37 Impegni assunti con le misure di protezione o nella procedura di risanamento Art. 37a Depositi privilegiati Art. 37b Pagamento con gli attivi liquidi disponibili Art. 37c Art. 37d Separazione di valori depositati Art. 37e Ripartizione e chiusura della procedura Art. 37f Coordinamento con le procedure estere Art. 37g Riconoscimento di decreti di fallimento e di misure esteri Capo dodicesimo a: Ricorsi interposti nelle procedure previste nei capi undicesimo e dodicesimo Art. 37gbis Ricorsi contro l’omologazione del piano di risanamento Art. 37gter Ricorsi di creditori e proprietari Art. 37gquater Termini Art. 37gquinquies Effetto sospensivo Capo tredicesimo: Garanzia dei depositi Art. 37h Principio Art. 37i Attivazione della garanzia dei depositi Art. 37j Pagamento Art. 37jbis Compensazione, pretesa e cessione legale Art. 37k Scambio di dati Capo tredicesimo a: Averi non rivendicati Art. 37l Trasferimento Art. 37m Liquidazione Capo quattordicesimo: Responsabilità e disposizioni penali Art. 38 Art. 39 Art. 40 a 45 Art. 46 Art. 47 Art. 48 Art. 49 Art. 50 Art. 50bis Art. 51 Art. 51bis Capo quindicesimo: Disposizioni transitorie e finali Art. 52 Art. 52a Art. 53 Art. 54 Art. 55 Art. 56 Disposizioni finali della modifica del 21 marzo 1971 Disposizioni finali della modifica del 18 marzo 1994 Disposizioni finali della modifica del 22 aprile 1999 Disposizioni finali della modifica del 3 ottobre 2003 Disposizioni finali della modifica del 17 dicembre 2004 Disposizione transitoria della modifica del 30 settembre 2011 Disposizione transitoria della modifica del 22 marzo 2013 Disposizione transitoria della modifica del 17 dicembre 2021 | mixed |
1bd029d9-2665-4706-a5c6-47f7d2b132dd | 952.0 1 / 48 Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG)1 vom 8. November 1934 (Stand am 1. Januar 2023) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 34ter, 64 und 64bis der Bundesverfassung2, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. Februar 19343, beschliesst: Erster Abschnitt: Geltungsbereich des Gesetzes Art. 14 1 Diesem Gesetz unterstehen die Banken, Privatbankiers (Einzelfirmen5, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften) und Sparkassen, nachstehend Banken genannt. 2 Natürliche und juristische Personen, die nicht diesem Gesetz unterstehen, dürfen keine Publikumseinlagen gewerbsmässig entgegennehmen. Der Bundesrat kann Aus- nahmen vorsehen, sofern der Schutz der Einleger gewährleistet ist. Die Auflage von Anleihen gilt nicht als gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen.6 3 Dem Gesetz unterstehen insbesondere nicht: a. Börsenagenten und Börsenfirmen, die nur den Handel mit Wertpapieren und die damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Geschäfte betreiben, je- doch keinen Bankbetrieb führen; b. Vermögensverwalter, Notare und Geschäftsagenten, die lediglich die Gelder ihrer Kunden verwalten und keinen Bankbetrieb führen. 4 Der Ausdruck «Bank» oder «Bankier», allein oder in Wortverbindungen, darf in der Firma, in der Bezeichnung des Geschäftszweckes und in der Geschäftsreklame nur AS 51 117 und BS 10 337 1 Fassung des Titels gemäss Ziff. I des BG vom 22. April 1999, in Kraft seit 1. Okt. 1999 (AS 1999 2405; BBl 1998 3847). 2 [BS 1 3; AS 1976 2001] 3 BBl 1934 I 171 4 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 5 Heute: Einzelunternehmen. 6 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende die- ses BG. 952.0 Banken und Sparkassen 2 / 48 952.0 für Institute verwendet werden, die eine Bewilligung der Eidgenössischen Finanz- marktaufsicht (FINMA) als Bank erhalten haben. Vorbehalten bleibt Artikel 2 Absatz 3.7 5 Die Schweizerische Nationalbank und die Pfandbriefzentralen fallen nur soweit un- ter das Gesetz, als dies ausdrücklich gesagt ist. Art. 1a8 Banken Als Bank gilt, wer hauptsächlich im Finanzbereich tätig ist und: a. gewerbsmässig Publikumseinlagen von mehr als 100 Millionen Franken ent- gegennimmt oder sich öffentlich dafür empfiehlt; b.9 gewerbsmässig Publikumseinlagen bis zu 100 Millionen Franken oder vom Bundesrat bezeichnete kryptobasierte Vermögenswerte entgegennimmt oder sich öffentlich dafür empfiehlt und diese Publikumseinlagen oder Vermö- genswerte anlegt oder verzinst; oder c. sich in erheblichem Umfang bei mehreren nicht massgebend an ihm beteilig- ten Banken refinanziert, um damit auf eigene Rechnung eine unbestimmte Zahl von Personen oder Unternehmen, mit denen er keine wirtschaftliche Ein- heit bildet, auf irgendeine Art zu finanzieren. Art. 1b10 Innovationsförderung 1 Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden sinngemäss Anwendung auf Personen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind und: a. gewerbsmässig Publikumseinlagen von bis zu 100 Millionen Franken oder vom Bundesrat bezeichnete kryptobasierte Vermögenswerte entgegennehmen oder sich öffentlich dafür empfehlen; und b. diese Publikumseinlagen oder Vermögenswerte weder anlegen noch verzin- sen.11 2 Der Bundesrat kann den Betrag nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der Wettbe- werbs- und Innovationsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz anpassen. 3 Personen nach Absatz 1 müssen insbesondere: a. ihren Geschäftskreis genau umschreiben und eine ihrer Geschäftstätigkeit ent- sprechende Verwaltungsorganisation vorsehen; 7 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 8 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5247; BBl 2015 8901). 9 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 10 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5247; BBl 2015 8901). 11 Fassung gemäss Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Aug. 2021 (AS 2021 33, 399; BBl 2020 233). Bankengesetz 3 / 48 952.0 b. über ein angemessen ausgestattetes Risikomanagement und eine wirksame in- terne Kontrolle verfügen, die unter anderem die Einhaltung der rechtlichen und unternehmensinternen Vorschriften gewährleistet (Compliance); c. über angemessene finanzielle Mittel verfügen; d. sicherstellen, dass die mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Ge- schäftstätigkeit bieten. 4 Vorbehalten bleiben die folgenden Bestimmungen: a. Die Rechnungslegung für Personen nach Absatz 1 richtet sich ausschliesslich nach den Vorschriften des Obligationenrechts (OR)12. b. Personen nach Absatz 1 müssen ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrechnung nach den Vorschriften des OR prüfen lassen; Artikel 727a Absätze 2–5 OR ist nicht anwendbar. c. Personen nach Absatz 1 beauftragen eine von der Eidgenössischen Revisions- aufsichtsbehörde nach Artikel 9a Absatz 1 oder Absatz 4bis des Revisionsauf- sichtsgesetzes vom 16. Dezember 200513 zugelassene Prüfgesellschaft mit ei- ner Prüfung nach Artikel 24 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200714 (FINMAG). d.15 Auf Publikumseinlagen oder vom Bundesrat bezeichnete kryptobasierte Ver- mögenswerte bei Personen nach Absatz 1 finden die Bestimmungen über pri- vilegierte Einlagen (Art. 37a) und über die sofortige Auszahlung (Art. 37b) keine Anwendung; die Einleger sind über diesen Umstand zu informieren, be- vor sie die Einlage tätigen. 5 Die FINMA kann in besonderen Fällen die Absätze 1–4 auch für Personen anwend- bar erklären, die gewerbsmässig Publikumseinlagen von mehr als 100 Millionen Fran- ken entgegennehmen oder sich öffentlich dafür empfehlen, diese weder anlegen noch verzinsen und den Schutz der Kunden durch besondere Vorkehrungen gewährleisten. 6 Wird der Schwellenwert von 100 Millionen Franken überschritten, so muss dies in- nerhalb von 10 Tagen der FINMA gemeldet und ihr innerhalb von 90 Tagen ein Be- willigungsgesuch nach Artikel 1a eingereicht werden. Vorbehalten bleibt Absatz 5. Art. 1bis 16 12 SR 220 13 SR 221.302 14 SR 956.1 15 Fassung gemäss Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Aug. 2021 (AS 2021 33, 399; BBl 2020 233). 16 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 5 des Nationalbankgesetzes vom 3. Okt. 2003 (AS 2004 1985; BBl 2002 6097). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinf- rastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). Banken und Sparkassen 4 / 48 952.0 Art. 217 1 Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden sinngemäss Anwendung auf die von aus- ländischen Banken in der Schweiz: a. errichteten Zweigniederlassungen; b. bestellten Vertreter.18 2 Die FINMA19 erlässt die nötigen Weisungen. Sie kann insbesondere die Ausstattung der Geschäftsstellen mit einem angemessenen Dotationskapital und die Leistung von Sicherheiten verlangen. 3 Der Bundesrat ist befugt, auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung von gleich- wertigen Regelungen der Banktätigkeiten und von gleichwertigen Massnahmen im Bereich der Bankenaufsicht Staatsverträge abzuschliessen, welche vorsehen, dass Banken aus den Vertragsstaaten ohne Bewilligung der FINMA eine Zweigniederlas- sung oder eine Vertretung eröffnen können.20 Art. 2bis 21 1 Dem elften, zwölften und zwölften a. Abschnitt dieses Gesetzes unterstehen, soweit sie nicht im Rahmen der Aufsicht über das Einzelinstitut der Konkurszuständigkeit der FINMA unterstehen:22 a. in der Schweiz domizilierte Konzernobergesellschaften einer Finanzgruppe oder eines Finanzkonglomerates; b. diejenigen Gruppengesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die für die bewil- ligungspflichtigen Tätigkeiten wesentliche Funktionen erfüllen (wesentliche Gruppengesellschaften). 2 Der Bundesrat regelt die Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit. 3 Die FINMA bezeichnet die wesentlichen Gruppengesellschaften und führt darüber ein Verzeichnis. Dieses ist öffentlich zugänglich. 17 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 18 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 19 Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 20 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Fas- sung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 21 Eingefügt durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 22 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 5 / 48 952.0 Zweiter Abschnitt: Bewilligung zum Geschäftsbetrieb23 Art. 324 1 Die Bank bedarf zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit einer Bewilligung der FINMA; sie darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden, bevor diese Bewilli- gung erteilt ist. 2 Die Bewilligung wird erteilt, wenn: a. die Bank in ihren Statuten, Gesellschaftsverträgen und Reglementen den Ge- schäftskreis genau umschreibt und die ihrer Geschäftstätigkeit entsprechende Verwaltungsorganisation vorsieht; wo der Geschäftszweck oder der Ge- schäftsumfang es erfordert, sind besondere Organe für die Geschäftsführung einerseits und für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle anderseits auszu- scheiden und die Befugnisse zwischen diesen Organen so abzugrenzen, dass eine sachgemässe Überwachung der Geschäftsführung gewährleistet ist; b.25 die Bank das vom Bundesrat festgelegte voll einbezahlte Mindestkapital aus- weist; c. die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätig- keit bieten; c.bis 26 die natürlichen und juristischen Personen, welche direkt oder indirekt mit mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmen an der Bank beteiligt sind oder deren Geschäftstätigkeit auf andere Weise massgebend beeinflussen können (qualifizierte Beteiligung), gewährleisten, dass sich ihr Einfluss nicht zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftstätigkeit auswirkt; d.27 die mit der Geschäftsführung der Bank betrauten Personen an einem Ort Wohnsitz haben, wo sie die Geschäftsführung tatsächlich und verantwortlich ausüben können. 3 Die Bank hat der FINMA ihre Statuten, Gesellschaftsverträge und Reglemente ein- zureichen sowie alle späteren Änderungen daran anzuzeigen, soweit diese den Ge- schäftszweck, den Geschäftsbereich, das Grundkapital oder die innere Organisation betreffen. Solche Änderungen dürfen nicht ins Handelsregister eingetragen werden, bevor die FINMA sie genehmigt hat. 23 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 24 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). Siehe auch die SchlB Änd. 22. 4. 1999 am Ende dieses Textes. 25 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 26 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende die- ses BG. 27 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende die- ses BG. Banken und Sparkassen 6 / 48 952.0 4 …28 5 Jede natürliche oder juristische Person hat der FINMA Meldung zu erstatten, bevor sie direkt oder indirekt eine qualifizierte Beteiligung nach Absatz 2 Buchstabe cbis an einer nach schweizerischem Recht organisierten Bank erwirbt oder veräussert. Diese Meldepflicht besteht auch, wenn eine qualifizierte Beteiligung in solcher Weise ver- grössert oder verkleinert wird, dass die Schwellen von 20, 33 oder 50 Prozent des Kapitals oder der Stimmen erreicht oder über- beziehungsweise unterschritten wer- den.29 6 Die Bank meldet die Personen, welche die Voraussetzungen nach Absatz 5 erfüllen, sobald sie davon Kenntnis erhält, mindestens jedoch einmal jährlich.30 7 Nach schweizerischem Recht organisierte Banken erstatten der FINMA Meldung, bevor sie im Ausland eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung, eine Agen- tur oder eine Vertretung errichten.31 Art. 3a32 Als Kantonalbank gilt eine Bank, die aufgrund eines kantonalen gesetzlichen Erlasses als Anstalt oder Aktiengesellschaft errichtet wird. Der Kanton muss an der Bank eine Beteiligung von mehr als einem Drittel des Kapitals halten und über mehr als einen Drittel der Stimmen verfügen. Er kann für deren Verbindlichkeiten die vollumfängli- che oder teilweise Haftung übernehmen. Art. 3b33 Ist eine Bank Teil einer Finanzgruppe oder eines Finanzkonglomerats, so kann die FINMA ihre Bewilligung vom Bestehen einer angemessenen konsolidierten Aufsicht durch eine Finanzmarktaufsichtsbehörde abhängig machen. Art. 3c34 1 Als Finanzgruppe gelten zwei oder mehrere Unternehmen, wenn: 28 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, mit Wirkung seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 29 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 30 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende die- ses BG. 31 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 32 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 22. April 1999, in Kraft seit 1. Okt. 1999 (AS 1999 2405; BBl 1998 3847). Siehe auch die SchlB dieser Änd. am Ende dieses Textes. 33 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). 34 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). Bankengesetz 7 / 48 952.0 a. mindestens eines als Bank oder Wertpapierhaus35 tätig ist; b. sie hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind; und c. sie eine wirtschaftliche Einheit bilden oder aufgrund anderer Umstände anzu- nehmen ist, dass ein oder mehrere der Einzelaufsicht unterstehende Unterneh- men rechtlich verpflichtet oder faktisch gezwungen sind, Gruppengesellschaf- ten beizustehen. 2 Als bank- oder effektenhandelsdominiertes Finanzkonglomerat gilt eine Finanz- gruppe gemäss Absatz 1, die hauptsächlich im Bank- oder Effektenhandelsbereich tätig ist und zu der mindestens ein Versicherungsunternehmen von erheblicher wirt- schaftlicher Bedeutung gehört. Art. 3d36 1 Die FINMA kann eine Finanzgruppe oder ein bank- oder effektenhandelsdominier- tes Finanzkonglomerat der Gruppen- oder Konglomeratsaufsicht unterstellen, wenn diese oder dieses: a. in der Schweiz eine nach schweizerischem Recht organisierte Bank oder ein Wertpapierhaus führt; oder b. tatsächlich von der Schweiz aus geleitet wird. 2 Beanspruchen gleichzeitig andere ausländische Behörden die vollständige oder teil- weise Aufsicht über die Finanzgruppe oder das Finanzkonglomerat, so verständigt sich die FINMA, unter Wahrung ihrer Kompetenzen, mit diesen über Zuständigkeiten, Modalitäten und Gegenstand der Gruppen- oder Konglomeratsaufsicht. Sie konsul- tiert vor ihrem Entscheid die in der Schweiz inkorporierten Unternehmungen der Fi- nanzgruppe oder des Finanzkonglomerats.37 Art. 3e38 1 Die Gruppenaufsicht durch die FINMA erfolgt in Ergänzung zur Einzelinstitutsauf- sicht über eine Bank. 2 Die Konglomeratsaufsicht durch die FINMA erfolgt in Ergänzung zur Einzelinsti- tutsaufsicht über eine Bank oder ein Versicherungsunternehmen und zur Aufsicht über eine Finanz- oder Versicherungsgruppe durch die jeweils zuständigen Aufsichts- behörden. 35 Ausdruck gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Diese Änd. wurde in den in der AS genannten Bestimmungen vorgenommen. 36 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). 37 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 38 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). Banken und Sparkassen 8 / 48 952.0 Art. 3f39 1 Die mit der Geschäftsführung einerseits und der Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle anderseits betrauten Personen der Finanzgruppe oder des Finanzkonglomerats müssen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bie- ten. 2 Die Finanzgruppe oder das Finanzkonglomerat muss so organisiert sein, dass sie oder es insbesondere alle wesentlichen Risiken erfassen, begrenzen und überwachen kann. Art. 3g40 1 Die FINMA ist ermächtigt, Vorschriften über Eigenmittel, Liquidität, Risikovertei- lung, gruppeninterne Risikopositionen und Rechnungslegung für Finanzgruppen zu erlassen. 2 Die FINMA ist ermächtigt, für bank- oder effektenhandelsdominierte Finanzkon- glomerate Vorschriften über Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung, gruppenin- terne Risikopositionen und Rechnungslegung zu erlassen oder einzelfallweise festzu- legen. Betreffend die erforderlichen Eigenmittel berücksichtigt sie dabei die bestehenden Regeln des Finanz- und Versicherungsbereichs sowie die relative Bedeu- tung beider Bereiche im Finanzkonglomerat und die damit verbundenen Risiken. 3 Der Bundesrat kann Vorschriften erlassen über die finanzielle Ausstattung und die Organisation wesentlicher Gruppengesellschaften nach Artikel 2bis Absatz 1 Buch- stabe b, die wesentliche Funktionen für systemrelevante Banken erfüllen.41 4 Die Anforderungen an die finanzielle Ausstattung und die Organisation richten sich nach Umfang und Art der wesentlichen Dienstleistungen, die von den wesentlichen Gruppengesellschaften im Fall einer Sanierung oder Konkursliquidation der Gruppe zu erbringen sind.42 Art. 3h43 39 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). 40 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). 41 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 42 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 43 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Bankengesetz 9 / 48 952.0 Art. 3bis 44 1 Die FINMA kann die Bewilligung zur Errichtung einer Bank, die nach schweizeri- schem Recht organisiert werden soll, auf die jedoch ein beherrschender ausländischer Einfluss besteht, wie auch die Bewilligung zur Errichtung einer Zweigniederlassung sowie zur Bestellung eines ständigen Vertreters einer ausländischen Bank zusätzlich von folgenden Voraussetzungen abhängig machen:45 a.46 von der Gewährleistung des Gegenrechts durch die Staaten, in denen die Aus- länder mit qualifizierten Beteiligungen ihren Wohnsitz oder Sitz haben, sofern keine anderslautenden internationalen Verpflichtungen entgegenstehen; b. von der Verwendung einer Firma, die nicht auf einen schweizerischen Cha- rakter der Bank hinweist oder darauf schliessen lässt; c.47 … 1bis Ist eine Bank Teil einer Finanzgruppe oder eines Finanzkonglomerates, so kann die FINMA die Bewilligung von der Zustimmung der massgeblichen ausländischen Aufsichtsbehörden abhängig machen.48 2 Die Bank hat der Schweizerischen Nationalbank über ihren Geschäftskreis und ihre Beziehungen zum Ausland Auskunft zu erteilen. 3 Eine nach schweizerischem Recht organisierte Bank fällt unter Absatz 1, wenn Aus- länder mit qualifizierten Beteiligungen direkt oder indirekt mit mehr als der Hälfte der Stimmen an ihr beteiligt sind oder auf sie in anderer Weise einen beherrschenden Ein- fluss ausüben.49 Als Ausländer gelten: a. natürliche Personen, die weder das Schweizer Bürgerrecht noch eine Nieder- lassungsbewilligung in der Schweiz besitzen; b. juristische Personen und Personengesellschaften, die ihren Sitz im Ausland haben oder, wenn sie ihren Sitz im Inland haben, von Personen gemäss Buch- stabe a beherrscht sind. 44 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 45 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 46 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Juli 1995 (AS 1995 2109; BBl 1994 IV 950). 47 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, mit Wirkung seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 48 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. Dez. 1994 (AS 1995 2109; BBl 1994 IV 950). Fassung gemäss Anhang Ziff. II 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dez. 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2006 (AS 2005 5269; BBl 2003 3789). 49 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Banken und Sparkassen 10 / 48 952.0 Art. 3ter 50 1 Banken, die nach ihrer Gründung ausländisch beherrscht werden, bedürfen einer zu- sätzlichen Bewilligung gemäss Artikel 3bis. 2 Eine neue Zusatzbewilligung ist nötig, wenn bei einer ausländisch beherrschten Bank Ausländer mit qualifizierten Beteiligungen wechseln.51 3 Die Mitglieder der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank haben der FINMA alle Tatsachen zu melden, die auf eine ausländische Beherrschung der Bank oder auf einen Wechsel von Ausländern mit qualifizierten Beteiligungen schliessen lassen.52 Art. 3quater 53 1 Der Bundesrat ist befugt, in Staatsverträgen die besonderen Bewilligungsvorausset- zungen nach den Artikeln 3bis und 3ter ganz oder teilweise nicht anwendbar zu erklä- ren, wenn Staatsangehörige aus einem Vertragsstaat sowie juristische Personen mit Sitz in einem Vertragsstaat eine Bank nach schweizerischem Recht errichten, über- nehmen oder eine qualifizierte Beteiligung daran erwerben. Soweit keine anderslau- tenden internationalen Verpflichtungen entgegenstehen, kann er dies davon abhängig machen, dass der Vertragsstaat Gegenrecht gewährt. 2 Wird die juristische Person ihrerseits direkt oder indirekt von Staatsangehörigen aus einem Drittstaat oder von juristischen Personen mit Sitz in einem Drittstaat be- herrscht, so sind die erwähnten Bestimmungen anwendbar. Dritter Abschnitt: Eigene Mittel, Liquidität und andere Vorschriften über die Geschäftstätigkeit54 Art. 455 1 Die Banken müssen einzeln und auf konsolidierter Basis über angemessene Eigen- mittel und Liquidität verfügen. 2 Der Bundesrat bestimmt die Elemente der Eigenmittel und der Liquidität. Er legt die Mindestanforderungen nach Massgabe der Geschäftstätigkeit und der Risiken fest. Die FINMA ist ermächtigt, Ausführungsvorschriften zu erlassen. 50 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 51 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Juli 1995 (AS 1995 2109; BBl 1994 IV 950). 52 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Juli 1995 (AS 1995 2109; BBl 1994 IV 950). 53 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 54 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 55 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des Nationalbankgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2005 (AS 2004 1985; BBl 2002 6097). Bankengesetz 11 / 48 952.0 3 Die FINMA kann in besonderen Fällen Erleichterungen von den Mindestanforde- rungen zulassen oder Verschärfungen anordnen. 4 Die qualifizierte Beteiligung einer Bank an einem Unternehmen ausserhalb des Fi- nanz- und Versicherungsbereichs darf 15 Prozent ihrer eigenen Mittel nicht über- schreiten. Solche Beteiligungen dürfen insgesamt nicht mehr als 60 Prozent der eige- nen Mittel betragen. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen. Art. 4bis 56 1 Die Ausleihungen einer Bank an einen einzelnen Kunden sowie die Beteiligungen an einem einzelnen Unternehmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln stehen. 2 Die Vollziehungsverordnung setzt dieses Verhältnis fest unter besonderer Berück- sichtigung der Ausleihungen an öffentlich-rechtliche Körperschaften und der Art der Deckung. 3 …57 Art. 4ter 58 1 Kredite an Mitglieder der Bankorgane und an massgebende Aktionäre sowie die ihnen nahe stehenden Personen und Gesellschaften dürfen nur nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des Bankgewerbes gewährt werden. 2 …59 Art. 4quater 60 Die Banken haben im In- und Ausland jede irreführende sowie jede aufdringliche Werbung mit ihrem schweizerischen Sitz oder mit schweizerischen Einrichtungen zu unterlassen. 56 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende dieses BG. 57 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, mit Wirkung seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 58 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). Siehe auch die SchlB Änd. 18. März 1994 am Ende dieses BG. 59 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, mit Wirkung seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 60 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, in Kraft seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). Banken und Sparkassen 12 / 48 952.0 Art. 4quinquies 61 1 Banken dürfen ihren Muttergesellschaften, welche ihrerseits von einer Bank- oder Finanzmarktaufsichtsbehörde beaufsichtigt werden, die zur konsolidierten Beaufsich- tigung notwendigen nicht öffentlich zugänglichen Auskünfte und Unterlagen über- mitteln, sofern: a. solche Informationen ausschliesslich zur internen Kontrolle oder direkten Be- aufsichtigung von Banken oder anderen bewilligungspflichtigen Finanzinter- mediären verwendet werden; b. die Muttergesellschaft und die für die konsolidierte Beaufsichtigung zustän- dige Aufsichtsbehörde an das Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden sind; c. diese Informationen nicht ohne die vorgängige Zustimmung der Bank oder aufgrund einer generellen Ermächtigung in einem Staatsvertrag an Dritte wei- tergeleitet werden. 2 Erscheinen die Voraussetzungen der Übermittlung nach Absatz 1 zweifelhaft, so können die Banken eine Verfügung der FINMA verlangen, welche die Übermittlung der Informationen erlaubt oder untersagt. Art. 4sexies 62 Für kryptobasierte Vermögenswerte, die die Bank als Depotwerte für Depotkunden hält, kann die FINMA im Einzelfall einen Höchstbetrag festlegen, wenn dies aufgrund der mit dem Geschäft verbundenen Risiken als geboten erscheint. Sie berücksichtigt insbesondere die Funktion der kryptobasierten Vermögenswerte, die ihnen zugrunde liegenden Technologien sowie risikomindernde Faktoren. Art. 563 Vierter Abschnitt:64 Rechnungslegung Art. 6 Erstellen von Abschlüssen 1 Die Bank erstellt für jedes Geschäftsjahr einen Geschäftsbericht; dieser besteht aus: a. der Jahresrechnung; b. dem Lagebericht; c. der Konzernrechnung. 61 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 62 Eingefügt durch Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Aug. 2021 (AS 2021 33, 399; BBl 2020 233). 63 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 64 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des BG vom 23. Dez. 2011 (Rechnungslegungsrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2012 6679; BBl 2008 1589). Bankengesetz 13 / 48 952.0 2 Die Bank erstellt mindestens halbjährlich einen Zwischenabschluss. 3 Der Geschäftsbericht und der Zwischenabschluss sind nach den Vorschriften des 32. Titels des Obligationenrechts65 und dieses Gesetzes sowie nach den jeweiligen Ausführungsbestimmungen zu erstellen. 4 In ausserordentlichen Lagen kann der Bundesrat Abweichungen von Absatz 3 be- schliessen. Art. 6a Veröffentlichung 1 Der Geschäftsbericht ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2 Zwischenabschlüsse sind der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn die Aus- führungsbestimmungen zu diesem Gesetz dies vorsehen. 3 Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf Privatbankiers, die sich nicht öf- fentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen. Artikel 958e Absatz 2 des Obliga- tionenrechts66 bleibt vorbehalten. Art. 6b Ausführungsbestimmungen 1 Der Bundesrat erlässt Ausführungsbestimmungen über die Form, den Inhalt und die Veröffentlichung von Geschäftsberichten und Zwischenabschlüssen. 2 Er kann von den Bestimmungen des Obligationenrechts67 über die Buchführung und Rechnungslegung abweichen, wenn die Besonderheiten des Bankgeschäfts oder der Schutz der Gläubiger dies rechtfertigen und die wirtschaftliche Lage gleichwertig dargestellt wird. 3 Er kann die FINMA ermächtigen, in Belangen von beschränkter Tragweite, nament- lich in vorwiegend technischen Angelegenheiten, Ausführungsbestimmungen zu er- lassen. 4 Die FINMA kann unter den Voraussetzungen von Absatz 2 die Anwendung der vom Bundesrat anerkannten Standards zur Rechnungslegung im Bereich der Banken ein- schränken. Fünfter Abschnitt:68 Systemrelevante Banken Art. 7 Begriff und Zweckbestimmung 1 Systemrelevante Banken sind Banken, Finanzgruppen und bankdominierte Finanz- konglomerate, deren Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. 65 SR 220 66 SR 220 67 SR 220 68 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor), in Kraft seit 1. März 2012 (AS 2012 811; BBl 2011 4717). Banken und Sparkassen 14 / 48 952.0 2 Die Bestimmungen dieses Abschnitts bezwecken, im Zusammenwirken mit den all- gemein anwendbaren bankenrechtlichen Vorschriften die von systemrelevanten Ban- ken ausgehenden Risiken für die Stabilität des schweizerischen Finanzsystems zusätz- lich zu vermindern, die Fortführung volkswirtschaftlich wichtiger Funktionen zu gewährleisten und staatliche Beihilfen zu vermeiden. Art. 8 Kriterien und Feststellung der Systemrelevanz 1 Funktionen sind systemrelevant, wenn sie für die schweizerische Volkswirtschaft unverzichtbar und nicht kurzfristig substituierbar sind. Systemrelevante Funktionen sind namentlich das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungs- verkehr. 2 Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich nach deren Grösse, deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie der kurzfristigen Substituier- barkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen. Massgeblich sind dabei insbe- sondere die folgenden Kriterien: a. der Marktanteil an den systemrelevanten Funktionen nach Absatz 1; b. der Betrag der gesicherten Einlagen nach Artikel 37h Absatz 1, welcher den Maximalbetrag nach Artikel 37h Absatz 3 Buchstabe b überschreitet; c. das Verhältnis zwischen der Bilanzsumme der Bank und dem jährlichen Brut- toinlandprodukt der Schweiz; d. das Risikoprofil der Bank, welches sich anhand des Geschäftsmodells, der Bi- lanzstruktur, der Qualität der Aktiven, der Liquidität und des Verschuldungs- grades bestimmt. 3 Die Schweizerische Nationalbank (Nationalbank) bezeichnet nach Anhörung der FINMA durch Verfügung die systemrelevanten Banken und deren systemrelevante Funktionen. Art. 9 Besondere Anforderungen 1 Systemrelevante Banken müssen besondere Anforderungen erfüllen. Diese richten sich in Umfang und Ausgestaltung nach dem Grad der Systemrelevanz der betreffen- den Bank. Die Anforderungen müssen verhältnismässig sein und die Auswirkungen auf die betroffenen Banken und den Wettbewerb berücksichtigen sowie international anerkannten Standards Rechnung tragen. 2 Systemrelevante Banken müssen insbesondere: a. über Eigenmittel verfügen, die namentlich: 1. gemessen an den gesetzlichen Anforderungen eine höhere Verlusttragfä- higkeit gewährleisten als bei nicht systemrelevanten Banken, 2. im Fall drohender Insolvenz wesentlich zur Weiterführung der system- relevanten Funktionen beitragen, 3. ihnen Anreize setzen, den Grad ihrer Systemrelevanz zu begrenzen sowie ihre Sanier- und Liquidierbarkeit im In- und Ausland zu verbessern, Bankengesetz 15 / 48 952.0 4. an den risikogewichteten Aktiven einerseits und den nicht risikogewich- teten Aktiven, die auch Ausserbilanzgeschäfte enthalten können, ande- rerseits bemessen werden; b. über Liquidität verfügen, die gewährleistet, dass sie Liquiditätsschocks besser absorbieren als nicht systemrelevante Banken und dadurch ihre Zahlungsver- pflichtungen auch in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation erfüllen können; c. die Risiken so verteilen, dass Gegenpartei- und Klumpenrisiken limitiert wer- den; d. eine Notfallplanung hinsichtlich Struktur, Infrastruktur, Führung und Kon- trolle sowie konzerninterner Liquiditäts- und Kapitalflüsse so vorsehen, dass diese umgehend umgesetzt werden kann und im Fall drohender Insolvenz die Weiterführung ihrer systemrelevanten Funktionen gewährleistet ist. Art. 10 Anwendung auf die einzelne Bank 1 Die FINMA legt nach Anhörung der Nationalbank durch Verfügung die besonderen Anforderungen nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a–c fest, welche die systemrele- vante Bank erfüllen muss. Sie orientiert die Öffentlichkeit über die Grundzüge des Inhalts und die Einhaltung der Verfügung. 2 Die systemrelevante Bank muss nachweisen, dass sie die besonderen Anforderungen nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d erfüllt und im Fall drohender Insolvenz die sys- temrelevanten Funktionen weiterführen kann. Erbringt die Bank diesen Nachweis nicht, so ordnet die FINMA die notwendigen Massnahmen an. 3 Bei der Festlegung der Anforderungen an die Eigenmittel nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a gewährt die FINMA Erleichterungen, soweit die Bank ihre Sanier- und Liquidierbarkeit im In- und Ausland über die Anforderungen von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d hinaus verbessert. 4 Der Bundesrat regelt nach Anhörung der Nationalbank und der FINMA: a. die besonderen Anforderungen nach Artikel 9 Absatz 2; b. die Kriterien zur Beurteilung des Nachweises nach Absatz 2; c. die Massnahmen, welche die FINMA anordnen kann, wenn der Nachweis nach Absatz 2 nicht erbracht wird.69 Art. 10a Massnahmen im Bereich der Vergütungen 1 Wird einer systemrelevanten Bank oder ihrer Konzernobergesellschaft trotz Umset- zung der besonderen Anforderungen direkt oder indirekt staatliche Beihilfe aus Bun- desmitteln gewährt, so ordnet der Bundesrat für die Dauer der beanspruchten Unter- stützung gleichzeitig Massnahmen im Bereich der Vergütungen an. 69 Siehe auch die UeB Änd. 30.09.2011 am Schluss dieses Textes. Banken und Sparkassen 16 / 48 952.0 2 Er kann insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Bank und der beanspruchten Unterstützung: a. die Auszahlung variabler Vergütungen ganz oder teilweise verbieten; b. Anpassungen des Vergütungssystems anordnen. 3 Systemrelevante Banken und ihre Konzernobergesellschaften sind verpflichtet, in ihren Vergütungssystemen verbindlich einen Vorbehalt anzubringen, wonach im Fall staatlicher Unterstützung nach diesem Artikel der Rechtsanspruch auf variable Ver- gütung beschränkt werden kann. Sechster Abschnitt:70 Zusätzliches Kapital Art. 11 Grundsätze 1 Banken und die Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen und bankdominier- ten Finanzkonglomeraten, deren Rechtsform die Schaffung von Aktien oder Partizi- pationskapital zulässt, können in den Statuten: a den Verwaltungsrat zur Erhöhung des Aktien- oder des Partizipationskapitals ermächtigen (Vorratskapital); b. eine Erhöhung des Aktien- oder des Partizipationskapitals vorsehen, die bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses durch die Wandlung von Pflichtwandel- anleihen durchgeführt wird (Wandlungskapital). 2 Banken und die Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen und bankdominier- ten Finanzkonglomeraten können, ungeachtet ihrer Rechtsform, in den Ausgabebe- dingungen von Anleihen vorsehen, dass die Gläubiger bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses auf Forderungen verzichten (Anleihen mit Forderungsverzicht). 2bis Genossenschaftsbanken können in ihren Statuten die Aufnahme von Beteiligungs- kapital vorsehen.71 3 Das zusätzliche Kapital nach den Absätzen 1–2bis darf nur zur Stärkung der Eigen- kapitalbasis und zur Verhinderung oder Bewältigung einer Krise der Bank geschaffen werden.72 4 Das Kapital, das durch Ausgabe der Pflichtwandelanleihen oder der Anleihen mit Forderungsverzicht nach den Vorschriften dieses Abschnitts aufgenommen wird, kann auf die erforderlichen Eigenmittel angerechnet werden, soweit dies nach diesem Gesetz und seinen Ausführungsbestimmungen zulässig ist. Die Anrechnung setzt die Genehmigung der jeweiligen Ausgabebedingungen durch die FINMA voraus. 70 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor), in Kraft seit 1. März 2012 (AS 2012 811; BBl 2011 4717). 71 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). 72 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). Bankengesetz 17 / 48 952.0 Art. 12 Vorratskapital 1 Die Generalversammlung kann den Verwaltungsrat durch Statutenänderung er- mächtigen, das Aktien- oder das Partizipationskapital zu erhöhen. Die Statuten geben den Nennbetrag an, um den der Verwaltungsrat das Kapital erhöhen kann. 2 Der Verwaltungsrat kann das Bezugsrecht der Aktionäre oder Partizipanten aus wichtigen Gründen aufheben, insbesondere wenn dies der raschen und reibungslosen Platzierung der Aktien oder Partizipationsscheine dient. Die neuen Aktien oder Parti- zipationsscheine sind in diesem Fall zu Marktbedingungen auszugeben. Ein Abschlag ist zulässig, soweit dies im Hinblick auf die rasche und vollständige Platzierung der Aktien oder Partizipationsscheine im Interesse der Gesellschaft liegt. 3 Im Übrigen gelten die Vorschriften des Obligationenrechts73 über die genehmigte Kapitalerhöhung mit Ausnahme der folgenden Bestimmungen: a. Artikel 651 Absätze 1 und 2 (zeitliche und betragsmässige Beschränkungen der genehmigten Kapitalerhöhung); b. Artikel 652b Absatz 2 (wichtige Gründe für den Bezugsrechtsausschluss); c. Artikel 652d (Erhöhung aus Eigenkapital); d. Artikel 656b Absätze 1 und 4 (betragsmässige Beschränkung der genehmigten Erhöhung des Partizipationskapitals). Art. 13 Wandlungskapital 1 Die Generalversammlung kann eine bedingte Erhöhung des Aktien- oder des Parti- zipationskapitals beschliessen, indem sie in den Statuten festlegt, dass sich die Forde- rungsrechte aus Pflichtwandelanleihen beim Eintritt des auslösenden Ereignisses in Aktien oder Partizipationsscheine wandeln. 2 Sie kann in den Statuten den Nennbetrag der bedingten Kapitalerhöhung beschrän- ken. Sie setzt in den Statuten fest: a. die Anzahl, die Art und den Nennwert der Aktien und Partizipationsscheine; b. die Grundlagen, nach denen der Ausgabebetrag zu berechnen ist; c. die Aufhebung des Bezugsrechtes der Aktionäre und Partizipanten; d. die Beschränkung der Übertragbarkeit neuer auf den Namen lautender Aktien und Partizipationsscheine. 3 Der Verwaltungsrat ist ermächtigt, im Rahmen der statutarischen Bestimmungen Pflichtwandelanleihen auszugeben. Soweit die Statuten nichts anderes festlegen, be- stimmt er: a. eine allfällige Aufteilung in mehrere Anleihen oder in verschiedene Tranchen; b. das auslösende Ereignis oder, bei Aufteilung in Tranchen, die auslösenden Ereignisse; c. den Ausgabebetrag oder die Regeln, nach denen er bestimmt wird; 73 SR 220 Banken und Sparkassen 18 / 48 952.0 d. das Wandlungsverhältnis oder die Regeln, nach denen es bestimmt wird. 4 Die Pflichtwandelanleihen sind den Aktionären und Partizipanten entsprechend ih- rer Beteiligung zur Zeichnung anzubieten. Werden die Pflichtwandelanleihen zu Marktbedingungen oder mit einem Abschlag ausgegeben, der erforderlich ist, um eine rasche und vollständige Platzierung zu gewährleisten, so kann die Generalversamm- lung das Vorwegzeichnungsrecht der Aktionäre und Partizipanten ausschliessen. 5 Tritt das die Wandlung auslösende Ereignis ein, so hat dies der Verwaltungsrat um- gehend mit öffentlicher Urkunde festzustellen. Diese enthält Anzahl, Nennwert und Art der ausgegebenen Aktien und Partizipationsscheine, den neuen Stand des Aktien- und des Partizipationskapitals sowie die nötigen Statutenanpassungen. 6 Der Beschluss des Verwaltungsrates ist unverzüglich beim Handelsregister anzu- melden. Die Registersperre ist ausgeschlossen. 7 Das Aktien- und das Partizipationskapital erhöht sich ohne Weiteres mit Beschluss des Verwaltungsrates. Gleichzeitig erlöschen die Forderungsrechte aus den Pflicht- wandelanleihen. 8 Die Vorschriften des Obligationenrechts74 zur bedingten Kapitalerhöhung finden keine Anwendung mit Ausnahme der folgenden Bestimmungen: a. Artikel 653a Absatz 2 (Mindesteinlage); b. Artikel 653d Absatz 2 (Schutz der Wandel- und Optionsberechtigten); c. Artikel 653i (Streichung). Art. 1475 Beteiligungskapital von Genossenschaftsbanken 1 Das Beteiligungskapital (Art. 11 Abs. 2bis) ist in Teilsummen (Beteiligungsscheine) zu zerlegen. Die Beteiligungsscheine sind als solche zu bezeichnen. Sie werden gegen Einlage ausgegeben, haben einen Nennwert und begründen keine Mitgliedschaft. 2 Den Inhabern von Beteiligungsscheinen sind die Einberufung der Generalversamm- lung mit den Verhandlungsgegenständen und den Anträgen, deren Beschlüsse sowie der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht auf gleiche Weise bekannt zu machen wie den Genossenschaftern. 3 Statutenänderungen und andere Generalversammlungsbeschlüsse, welche ihre Stel- lung verschlechtern sind nur zulässig, wenn sie auch die Stellung der Inhaber von Anteilsscheinen in gleichem Masse beeinträchtigen. 4 Die Inhaber von Beteiligungsscheinen sind bei der Verteilung des Bilanzgewinnes und des Liquidationsergebnisses den Mitgliedern der Genossenschaft mindestens gleichzustellen. 5 Sie können Beschlüsse der Generalversammlung wie ein Genossenschafter anfech- ten. 74 SR 220 75 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). Bankengesetz 19 / 48 952.0 6 Sie können der Generalversammlung, wenn dies zur Ausübung ihrer Rechte erfor- derlich ist, einen Antrag um Sonderprüfung stellen. Lehnt die Generalversammlung den Antrag ab, so können sie, wenn sie zusammen mindestens 10 Prozent des Betei- ligungskapitals oder Beteiligungskapital im Nennwert von 2 Millionen Franken hal- ten, innert dreier Monate das Gericht ersuchen, einen Sonderprüfer einzusetzen. Für das Verfahren sind die Artikel 697a–697g OR76 sinngemäss anwendbar. Art. 14a77 Reserve, Dividenden und Erwerb eigener Beteiligungsscheine von Genossenschaftsbanken 1 Die Genossenschaftsbank weist 5 Prozent des Jahresgewinns der allgemeinen Re- serve zu, bis diese 20 Prozent des Eigenkapitals erreicht. Sie weist der allgemeinen Reserve unbesehen von deren Höhe zu: a. einen bei der Ausgabe von Beteiligungsscheinen nach Deckung der Ausgabe- kosten über den Nennwert hinaus erzielten Mehrerlös, soweit er nicht zu Ab- schreibungen oder zu Wohlfahrtszwecken verwendet wird; b. die Differenz aus den Einzahlungen auf ausgefallenen Beteiligungsscheinen und einem allfälligen Mindererlös aus den dafür ausgegebenen Beteiligungs- scheinen; c. 10 Prozent der Beträge, die nach Bezahlung einer Dividende von 5 Prozent auf dem Beteiligungskapital als Gewinnanteil ausgerichtet werden. 2 Sie verwendet die allgemeine Reserve, soweit sie die Hälfte des Eigenkapitals nicht übersteigt, zur Deckung von Verlusten oder für Massnahmen, die geeignet sind, in Zeiten schlechten Geschäftsganges die Fortführung der Bank zu ermöglichen, Stel- lenabbau zu vermeiden oder dessen Folgen zu mildern. 3 Sie richtet allfällige Dividenden auf Beteiligungsscheinen nur aus dem Bilanzge- winn und aus dafür gebildeten Reserven aus. 4 Die Genossenschaftsbank kann unter folgenden Voraussetzungen eigene Beteili- gungsscheine erwerben: a. Sie verfügt über einen frei verwendbaren Bilanzgewinn in der Höhe der dafür nötigen Mittel und der gesamte Nennwert der zu erwerbenden Beteiligungs- scheine übersteigt nicht 10 Prozent des Beteiligungskapitals. b. Die mit dem Erwerb von Beteiligungsscheinen verbundenen Rechte müssen ruhen. 5 Der Prozentsatz nach Absatz 4 Buchstabe a kann bis zur Höchstgrenze von 20 Pro- zent überschritten werden, sofern die eigenen Beteiligungsscheine, die über die Grenze von 10 Prozent hinaus erworben wurden, innert zweier Jahre veräussert oder durch Kapitalherabsetzung vernichtet werden. 76 SR 220 77 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). Banken und Sparkassen 20 / 48 952.0 Art. 14b78 Meldepflicht und Verzeichnis bei Genossenschaftsbanken 1 Für den Erwerb von nicht kotierten Beteiligungsscheinen gelten die Melde-, Nach- weis- und Identifizierungspflichten gegenüber der Genossenschaftsbank sinngemäss wie beim Erwerb von nicht kotierten Inhaberaktien gegenüber der Aktiengesellschaft (Art. 697i–697k und 697m OR79). 2 Die Genossenschaftsbank trägt die Inhaber von Beteiligungsscheinen sowie die der Genossenschaftsbank gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen ins Genossen- schafterverzeichnis ein. 3 Für das Verzeichnis gilt neben den Bestimmungen für das Genossenschafterver- zeichnis die aktienrechtliche Bestimmung über das Verzeichnis der Inhaberaktionäre sowie der wirtschaftlich berechtigten Personen, die der Gesellschaft gemeldet sind, sinngemäss (Art. 697l OR). Siebenter Abschnitt: Spareinlagen und Depotwerte80 Art. 15 1 Einlagen, die in irgendeiner Wortverbindung durch den Ausdruck «Sparen» gekenn- zeichnet sind, dürfen nur von Banken entgegengenommen werden, die öffentlich Rechnung ablegen. Alle andern Unternehmen sind zur Entgegennahme von Sparein- lagen nicht berechtigt und dürfen weder in der Firma noch in der Bezeichnung des Geschäftszweckes noch in Geschäftsreklamen den Ausdruck «Sparen» mit Bezug auf die bei ihnen gemachten Geldeinlagen verwenden.81 2–3 …82 Art. 1683 Als Depotwerte im Sinne von Artikel 37d des Gesetzes gelten:84 1. bewegliche Sachen und Effekten der Depotkunden; 78 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901). 79 SR 220 80 Fassung gemäss Anhang Ziff. 17 des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 81 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Febr. 1995 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). 82 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 17 des BG vom 16. Dez. 1994, mit Wirkung seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 83 Fassung gemäss Anhang Ziff. 17 des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 84 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). Bankengesetz 21 / 48 952.0 1bis.85 kryptobasierte Vermögenswerte, wenn sich die Bank verpflichtet hat, diese für den Depotkunden jederzeit bereitzuhalten, und diese: a. dem Depotkunden individuell zugeordnet sind, oder b. einer Gemeinschaft zugeordnet sind und ersichtlich ist, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen dem Depotkunden zusteht; 2. bewegliche Sachen, Effekten und Forderungen, welche die Bank für Rech- nung der Depotkunden fiduziarisch innehat; 3. frei verfügbare Lieferansprüche der Bank gegenüber Dritten aus Kassage- schäften, abgelaufenen Termingeschäften, Deckungsgeschäften oder Emissi- onen für Rechnung der Depotkunden. Achter Abschnitt: … Art. 1786 Neunter Abschnitt: Überwachung und Prüfung87 Art. 1888 1 Die Banken, Finanzgruppen und Finanzkonglomerate haben eine von der Eidgenös- sischen Revisionsaufsichtsbehörde nach Artikel 9a Absatz 1 des Revisionsaufsichts- gesetzes vom 16. Dezember 200589 zugelassene Prüfgesellschaft mit einer Prüfung nach Artikel 24 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200790 zu beauftra- gen. 2 Die Banken, Finanzgruppen und Finanzkonglomerate müssen ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrechnung von einem staatlich beaufsichtigten Revi- sionsunternehmen nach den Grundsätzen der ordentlichen Revision des Obligationen- rechts91 prüfen lassen. 85 Eingefügt durch Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Aug. 2021 (AS 2021 33, 399; BBl 2020 233). 86 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 5 des Bucheffektengesetzes vom 3. Okt. 2008, mit Wir- kung seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 3577; BBl 2006 9315). 87 Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Diese Änderung wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. 88 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 20. Juni 2014 (Bündelung der Aufsicht über Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften), in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 4073; BBl 2013 6857). 89 SR 221.302 90 SR 956.1 91 SR 220 Banken und Sparkassen 22 / 48 952.0 Art. 19–2292 Zehnter Abschnitt: Aufsicht93 Art. 2394 Die FINMA kann selbst direkte Prüfungen bei Banken, Bankgruppen und Finanzkon- glomeraten durchführen, wenn dies angesichts von deren wirtschaftlichen Bedeutung, der Komplexität des abzuklärenden Sachverhalts oder zur Abnahme interner Modelle notwendig ist. Art. 23bis 95 1 Gliedert eine Bank wesentliche Funktionen auf andere natürliche oder juristische Personen aus, so unterstehen diese der Auskunfts- und Meldepflicht nach Artikel 29 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200796. 2 Die FINMA kann bei diesen Personen jederzeit Prüfungen vornehmen. Art. 23ter 97 Zur Durchsetzung von Artikel 3 Absätze 2 Buchstabe cbis und 5 dieses Gesetzes kann die FINMA insbesondere das Stimmrecht suspendieren, das an Aktien oder Anteile gebunden ist, die von Aktionären oder Gesellschaftern mit einer qualifizierten Betei- ligung gehalten werden. Art. 23quater 98 92 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 93 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 94 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 95 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971 (AS 1971 808; BBl 1970 I 1144). Fas- sung gemäss Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 96 SR 956.1 97 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971 (AS 1971 808; BBl 1970 I 1144). Fas- sung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 98 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971 (AS 1971 808; BBl 1970 I 1144). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Bankengesetz 23 / 48 952.0 Art. 23quinquies 99 1 Entzieht die FINMA einer Bank die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit, so bewirkt dies bei juristischen Personen und Kollektiv- und Kommanditgesellschaften die Auf- lösung und bei Einzelfirmen100 die Löschung im Handelsregister. Die FINMA be- zeichnet den Liquidator und überwacht seine Tätigkeit. 2 Vorbehalten bleiben Massnahmen nach dem elften Abschnitt. Art. 23sexies 101 Art. 23septies 102 Art. 23octies 103 Art. 24104 Elfter Abschnitt:105 Massnahmen bei Insolvenzgefahr Art. 25 Voraussetzungen 1 Besteht begründete Besorgnis, dass eine Bank überschuldet ist oder ernsthafte Li- quiditätsprobleme hat, oder erfüllt diese die Eigenmittelvorschriften nach Ablauf ei- ner von der FINMA festgesetzten Frist nicht, so kann die FINMA anordnen: a. Schutzmassnahmen nach Artikel 26; b. ein Sanierungsverfahren nach den Artikeln 28–32; c. die Konkursliquidation106 der Bank (Bankenkonkurs) nach den Artikeln 33– 37g. 99 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971 (AS 1971 808; BBl 1970 I 1144). Fas- sung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 100 Heute: Einzelunternehmen. 101 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994 (AS 1995 246; BBl 1993 I 805). Auf- gehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 102 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. April 1999 (AS 1999 2405; BBl 1998 3847). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 103 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). Auf- gehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 104 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 105 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). 106 Ausdruck gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. Banken und Sparkassen 24 / 48 952.0 2 Die Schutzmassnahmen können selbständig oder in Verbindung mit einer Sanierung oder Konkursliquidation angeordnet werden. 3 Die Bestimmungen über das Nachlassverfahren (Art. 293–336 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889107 über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]), über die dro- hende Zahlungsunfähigkeit (Art. 725 OR108), über den Kapitalverlust (Art. 725a OR), über die Überschuldung (Art. 725b OR) und über die Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen (Art. 725c OR) sowie über die Benachrichtigung des Gerichts (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 7 und 728c Abs. 3 OR) sind auf Banken nicht anwendbar.109 4 Die Anordnungen der FINMA umfassen sämtliches Vermögen der Bank mit Akti- ven und Passiven und Vertragsverhältnisse, ob sie sich nun im In- oder im Ausland befinden.110 Art. 26 Schutzmassnahmen 1 Die FINMA kann Schutzmassnahmen verfügen; namentlich kann sie:111 a. den Organen der Bank Weisungen erteilen; b.112 einen Untersuchungsbeauftragten einsetzen; c. den Organen die Vertretungsbefugnis entziehen oder sie abberufen; d. die bankengesetzliche Prüfgesellschaft oder obligationenrechtliche Revisi- onsstelle abberufen; e. die Geschäftstätigkeit der Bank einschränken; f. der Bank verbieten, Auszahlungen zu leisten, Zahlungen entgegenzunehmen oder Effektentransaktionen zu tätigen; g. die Bank schliessen; h. Stundung und Fälligkeitsaufschub, ausgenommen für pfandgedeckte Forde- rungen der Pfandbriefzentralen, anordnen. 2 Sie sorgt für eine angemessene Publikation der Massnahmen, wenn dies zu deren Durchsetzung oder zum Schutz Dritter erforderlich ist. Sie kann auf die Publikation der Massnahmen verzichten, wenn durch die Publikation der Zweck der angeordneten Massnahmen vereitelt würde.113 107 SR 281.1 108 SR 220 109 Fassung gemäss Ziff. IV 1 des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensiche- rung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 110 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 111 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 112 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 113 Zweiter Satz eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagen- sicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 25 / 48 952.0 3 Soweit die FINMA in Bezug auf den Zinsenlauf nichts anderes verfügt, hat eine Stundung die Wirkungen nach Artikel 297 SchKG114. Art. 27115 Vorrang von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsvereinbarungen 1 Von Anordnungen nach dem elften und zwölften Abschnitt unberührt bleiben im Voraus geschlossene Vereinbarungen über die: a. Aufrechnung von Forderungen, einschliesslich der vereinbarten Methode und der Wertbestimmung; b.116 freihändige Verwertung von Sicherheiten in Form von Effekten oder anderen Finanzinstrumenten, einschliesslich Barsicherheiten (ohne Bargeld), deren Wert objektiv bestimmbar ist; c.117 Übertragung von Forderungen und Verpflichtungen sowie von Sicherheiten in Form von Effekten oder anderen Finanzinstrumenten, einschliesslich Bar- sicherheiten (ohne Bargeld), deren Wert objektiv bestimmbar ist. 2 Vorbehalten bleibt Artikel 30a. Art. 28118 Sanierungsverfahren 1 Bei begründeter Aussicht auf Sanierung der Bank oder auf Weiterführung einzelner Bankdienstleistungen kann die FINMA ein Sanierungsverfahren einleiten. 2 Sie erlässt die für die Durchführung des Sanierungsverfahrens notwendigen Verfü- gungen.119 3 Sie kann eine Person mit der Ausarbeitung eines Sanierungsplans beauftragen (Sa- nierungsbeauftragter). 4 Sie kann das Verfahren näher regeln.120 Art. 28a121 Sanierung von Kantonalbanken 1 Die FINMA trägt im Sanierungsverfahren der besonderen Stellung, Eignerstruktur und gegebenenfalls Rechtsform der Kantonalbanken Rechnung. 114 SR 281.1 115 Fassung gemäss Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 116 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 117 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 118 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 119 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 120 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 121 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Banken und Sparkassen 26 / 48 952.0 2 Besteht die Gefahr der Insolvenz einer Kantonalbank, so informiert die FINMA den Kanton ohne Verzug und konsultiert diesen bei der Ausarbeitung des Sanierungs- plans. Der Kanton bezeichnet die zuständige Stelle. 3 Die FINMA kann für Kantonalbanken Abweichungen von den Bestimmungen über das Sanierungsverfahren vorsehen, namentlich betreffend die vollständige Herabset- zung des Gesellschaftskapitals sowie Wandlung und Reduktion von Forderungen. Sie berücksichtigt dabei insbesondere Massnahmen, die der Kanton zur Sanierung der Bank trifft. Art. 29122 Sanierung der Bank Bei einer Sanierung der Bank muss der Sanierungsplan sicherstellen, dass die Bank nach Durchführung der Sanierung die Bewilligungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften einhält. Art. 30123 Weiterführung von Bankdienstleistungen 1 Der Sanierungsplan kann unabhängig vom Fortbestand der betroffenen Bank die Weiterführung einzelner Bankdienstleistungen vorsehen. 2 Er kann insbesondere vorsehen, dass: a. das Vermögen der Bank oder Teile davon mit Aktiven, Passiven und Ver- tragsverhältnissen auf andere Rechtsträger oder auf eine Übergangsbank über- tragen werden; b. sich die Bank mit einer anderen Gesellschaft zu einem neuen Rechtsträger zusammenschliesst; c. ein anderer Rechtsträger die Bank übernimmt; d. die Rechtsform der Bank geändert wird.124 3 Die Rechtsträger und die Übergangsbank nach Absatz 2 treten mit Genehmigung des Sanierungsplans im Umfang der erfolgten Übertragung des Vermögens an die Stelle der Bank. Das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003125 ist nicht anwendbar.126 Art. 30a127 Aufschub der Beendigung von Verträgen 1 Mit der Anordnung oder Genehmigung von Massnahmen nach diesem Abschnitt können von der FINMA aufgeschoben werden: 122 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 123 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 124 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 125 SR 221.301 126 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 127 Eingefügt durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). Bankengesetz 27 / 48 952.0 a. die Beendigung von Verträgen und die Ausübung von Rechten zu deren Be- endigung; b. die Ausübung von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsrechten nach Artikel 27. 2 Der Aufschub kann nur angeordnet werden, wenn die Beendigung oder die Aus- übung der Rechte nach Absatz 1 durch die Massnahmen begründet ist. 3 Er kann für längstens zwei Arbeitstage angeordnet werden. Die FINMA bezeichnet den Beginn und das Ende des Aufschubs. 4 Der Aufschub ist ausgeschlossen oder wird hinfällig, wenn die Beendigung oder die Ausübung eines Rechts nach Absatz 1: a. nicht mit den Massnahmen zusammenhängt; und b. zurückzuführen ist auf das Verhalten der Bank, die sich in einem Insolvenz- verfahren befindet, oder des Rechtsträgers, der die Verträge ganz oder teil- weise übernimmt. 5 Werden nach Ablauf des Aufschubs die Bewilligungsvoraussetzungen und die übri- gen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, so besteht der Vertrag fort und die mit den Massnahmen zusammenhängenden Rechte nach Absatz 1 können nicht mehr ausge- übt werden. Art. 30b128 Kapitalmassnahmen 1 Der Sanierungsplan kann die Reduktion des bisherigen Eigenkapitals und die Schaf- fung von neuem Eigenkapital, die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital sowie die Reduktion von Forderungen vorsehen. 2 Den bisherigen Eignerinnen und Eignern steht kein Bezugsrecht zu. 3 Von der Wandlung sowie der Forderungsreduktion ausgenommen sind: a. privilegierte Forderungen der ersten und zweiten Klasse nach Artikel 219 Ab- satz 4 SchKG129: im Umfang ihrer Privilegierung; b. besicherte Forderungen: im Umfang ihrer Sicherstellung; c. verrechenbare Forderungen: im Umfang ihrer Verrechenbarkeit; und d. Forderungen aus Verbindlichkeiten, die die Bank während der Dauer der Mas- snahmen nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben e–h oder während eines Sanie- rungsverfahrens mit Genehmigung der FINMA oder eines von dieser einge- setzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte. 4 Die FINMA kann Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen ausneh- men, soweit dies für die Weiterführung der Bank erforderlich ist. 5 Die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und die Reduktion von Forderungen sind nur möglich, wenn vorher: 128 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 129 SR 281.1 Banken und Sparkassen 28 / 48 952.0 a. das Wandlungskapital nach Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b vollständig in Eigenkapital gewandelt und die nach Artikel 11 Absatz 2 ausgegebenen An- leihen mit Forderungsverzicht vollständig reduziert werden; und b. das Gesellschaftskapital vollständig herabgesetzt wird. 6 Der Bundesrat kann Schuldinstrumente bezeichnen, die entgegen Absatz 5 Buch- stabe b vor einer vollständigen Herabsetzung des Gesellschaftskapitals reduziert wer- den, soweit diese von einer Kantonalbank herausgegeben werden und eine angemes- sene nachträgliche Kompensation der Gläubiger vorsehen. 7 Die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und die Reduktion von Forderungen sind in folgender Reihenfolge vorzunehmen: a. nachrangige Forderungen; b. Forderungen, die auf Schuldinstrumenten zur Verlusttragung bei Insolvenz- massnahmen (Bail-in-Bonds) basieren; Absatz 8 bleibt vorbehalten; c. übrige Forderungen, mit Ausnahme der Einlagen; d. Einlagen. 8 An Drittgläubiger ausgegebene Bail-in-Bonds von Konzernobergesellschaften nach Artikel 2bis Absatz 1 Buchstabe a fallen in den Rang gemäss Absatz 7 Buchstabe c, soweit die übrigen Forderungen, die in denselben Rang fallen, 5 Prozent des Nomi- nalwerts der gesamthaft anrechenbaren Bail-in-Bonds nicht übersteigen. Die übrigen Forderungen sind in diesem Fall von der Wandlung sowie der Forderungsreduktion ausgenommen. 9 Die FINMA kann vorübergehend die Mitwirkungsrechte der neuen Eigner vollstän- dig suspendieren. Art. 30c130 Sanierungsplan 1 Der Sanierungsplan muss folgende Anforderungen erfüllen: a. Er beruht auf einer vorsichtigen Bewertung der Aktiven und Passiven der Bank und einer vorsichtigen Schätzung des Sanierungsbedarfs. b. Er stellt Gläubiger voraussichtlich wirtschaftlich nicht schlechter als die so- fortige Eröffnung des Bankenkonkurses. c. Er berücksichtigt den Vorrang der Interessen der Gläubiger vor denjenigen der Eigner und die Rangfolge der Gläubiger angemessen. d. Er berücksichtigt die rechtliche oder wirtschaftliche Verbundenheit unter Ak- tiven, Passiven und Vertragsverhältnissen angemessen. 2 Er nennt und erläutert die wesentlichen Grundzüge der Sanierung und enthält insbe- sondere Ausführungen zu: a. der Erfüllung der Anforderungen nach Absatz 1; 130 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 29 / 48 952.0 b. Art und Weise, wie die Bank nach Durchführung der Sanierung die Bewilli- gungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften einhält; c. der künftigen Kapitalstruktur und zum Geschäftsmodell der Bank; d. den Aktiven und Passiven der Bank; e. der künftigen Organisation und Führung der Bank sowie zur Ernennung und Abberufung ihrer Organe; f. der Abgangsregelung für ausscheidende Organe; g. der künftigen Gruppen- oder Konglomeratsorganisation; h. Art und Umfang allfälliger Eingriffe in die Rechte der Eigner und der Gläu- biger; i. einem allfälligen Ausschluss des Anfechtungsrechts der Bank nach Artikel 32 Absatz 1 und der Verantwortlichkeitsansprüche nach Artikel 39; j. den Geschäften, die einer Eintragung in das Handelsregister oder das Grund- buch bedürfen. Art. 31131 Genehmigung des Sanierungsplans 1 Die FINMA genehmigt den Sanierungsplan, wenn er die Anforderungen nach Arti- kel 30c erfüllt. 2 Die Zustimmung der Eigner ist nicht notwendig. 3 Die FINMA kann den Sanierungsplan systemrelevanter Banken auch genehmigen, wenn er die Gläubiger in Abweichung von Artikel 30c Absatz 1 Buchstabe b wirt- schaftlich schlechter stellt, sofern diese angemessen entschädigt werden. 4 Sie macht die Grundzüge des Sanierungsplans öffentlich bekannt. Sie orientiert da- bei gleichzeitig darüber, wie die betroffenen Gläubiger und Eigner Einsicht nehmen können. Art. 31a132 Ablehnung des Sanierungsplans 1 Sieht der Sanierungsplan einen Eingriff in die Rechte der Gläubiger vor, so setzt die FINMA den Gläubigern spätestens mit dessen Genehmigung eine Frist, innert der sie den Sanierungsplan ablehnen können. 2 Lehnen Gläubiger, die betragsmässig mehr als die Hälfte der aus den Büchern her- vorgehenden Forderungen der dritten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG133 vertreten, den Sanierungsplan ab, so ordnet die FINMA den Konkurs nach den Arti- keln 33–37g an. 131 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 132 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 133 SR 281.1 Banken und Sparkassen 30 / 48 952.0 3 Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die Sanierung von systemrelevan- ten Banken und Gruppengesellschaften von systemrelevanten Finanzgruppen oder - konglomeraten.134 Art. 31b135 Gegenleistung bei Übertragung 1 Werden Aktiven, Passiven oder Vertragsverhältnisse nur teilweise auf einen anderen Rechtsträger oder eine Übergangsbank übertragen, so kann die FINMA eine ange- messene Gegenleistung festlegen. 2 Die FINMA kann zu deren Festlegung eine unabhängige Bewertung anordnen. Art. 31c136 Wertausgleich bei Kapitalmassnahmen 1 Sieht der Sanierungsplan eine Kapitalmassnahme nach Artikel 30b vor, so kann er einen angemessenen Wertausgleich für die Eigner vorsehen, falls die Bewertung nach Artikel 30c Absatz 1 Buchstabe a zeigt, dass der Wert des den Gläubigern zugeteilten Eigenkapitals den Nominalwert ihrer nach Artikel 30b gewandelten oder reduzierten Forderungen übersteigt. 2 Der Wertausgleich kann namentlich durch Zuteilung von Aktien, anderen Beteili- gungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen erfolgen. Art. 31d137 Rechtswirkung des Sanierungsplans 1 Die Anordnungen des Sanierungsplans werden wie folgt wirksam: a. bei systemrelevanten Banken und Gruppengesellschaften von systemrelevan- ten Finanzgruppen oder -konglomeraten: mit Genehmigung des Sanierungs- plans; b. in allen anderen Fällen: mit unbenutztem Ablauf der Frist nach Artikel 31a Absatz 1. 2 Die Wirksamkeit tritt direkt ein namentlich für: a. die Herabsetzung von bestehendem und die Schaffung von neuem Eigenkapi- tal; b. die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital; c. die Reduktion von Forderungen; 134 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor) (AS 2012 811; BBl 2011 4717). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 135 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor) (AS 2012 811; BBl 2011 4717). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 136 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 137 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 31 / 48 952.0 d. die Übertragung von Grundstücken; e. die Begründung oder Übertragung von dinglichen Rechten an Grundstücken oder Änderungen des Gesellschaftskapitals. 3 Eintragungen in das Grundbuch, das Handelsregister oder in andere Register haben lediglich deklaratorische Wirkung. Sie sind so rasch wie möglich vorzunehmen. Art. 32 Geltendmachung von Ansprüchen 1 Sobald die FINMA den Sanierungsplan genehmigt hat, ist die Bank zur Anfechtung von Rechtsgeschäften nach den Artikeln 285–292 SchKG138 befugt. 2 Schliesst der Sanierungsplan für die Bank die Anfechtung von Rechtsgeschäften nach Absatz 1 aus, so ist dazu jeder Gläubiger in dem Umfang berechtigt, in dem der Sanierungsplan in seine Rechte eingreift. 2bis Die Anfechtung nach den Artikeln 285–292 SchKG ist ausgeschlossen gegen Rechtshandlungen in Ausführung eines von der FINMA genehmigten Sanierungs- plans.139 3 Massgebend für die Berechnung der Fristen nach den Artikeln 286–288 SchKG ist anstelle der Konkurseröffnung der Zeitpunkt der Genehmigung des Sanierungsplans. Hat die FINMA vorher eine Schutzmassnahme nach Artikel 26 Absatz 1 Buchsta- ben e–h verfügt, so ist der Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung massgebend.140 3bis Das Anfechtungsrecht verjährt drei Jahre nach der Genehmigung des Sanierungs- plans.141 4 Für die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen nach Artikel 39 gelten die Absätze 1–2bis sinngemäss.142 138 SR 281.1 139 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor), in Kraft seit 1. März 2012 (AS 2012 811; BBl 2011 4717). 140 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 141 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen) (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (In- solvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 142 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Banken und Sparkassen 32 / 48 952.0 Zwölfter Abschnitt:143 Konkursliquidation insolventer Banken (Bankenkonkurs) Art. 33 Anordnung der Konkursliquidation und Ernennung der Konkurs- liquidatoren144 1 Besteht keine Aussicht auf Sanierung oder ist diese gescheitert, so entzieht die FINMA der Bank die Bewilligung, ordnet die Konkursliquidation an und macht diese öffentlich bekannt. 2 Die FINMA ernennt einen oder mehrere Konkursliquidatoren. Diese unterstehen der Aufsicht der FINMA und erstatten ihr auf Verlangen Bericht. 3 Sie orientieren die Gläubiger mindestens einmal jährlich über den Stand des Verfah- rens. Art. 34 Wirkungen und Ablauf 1 Die Anordnung der Konkursliquidation hat die Wirkungen einer Konkurseröffnung nach den Artikeln 197–220 SchKG145. 2 Die Konkursliquidation ist nach den Artikeln 221–270 SchKG durchzuführen. Dazu kann die FINMA unter Vorbehalt der Artikel 35–37m des vorliegenden Gesetzes ab- weichende Verfügungen treffen.146 3 Die FINMA kann das Verfahren näher regeln.147 Art. 35148 Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss 1 Der Konkursliquidator kann der FINMA beantragen: a. eine Gläubigerversammlung einzusetzen und deren Kompetenzen sowie die für die Beschlussfassung notwendigen Präsenz- und Stimmenquoren festzu- legen; b. einen Gläubigerausschuss einzurichten sowie dessen Zusammensetzung und Kompetenzen festzulegen. 2 Die FINMA ist nicht an die Anträge des Konkursliquidators gebunden. 143 Ursprünglich vor Art. 29. Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). 144 Ausdruck gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt. 145 SR 281.1 146 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 147 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 148 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). Bankengesetz 33 / 48 952.0 Art. 36 Behandlung der Forderungen; Kollokationsplan 1 Bei der Erstellung des Kollokationsplans gelten die aus den Büchern ersichtlichen Forderungen als angemeldet. 2 Die Gläubiger können den Kollokationsplan einsehen, sofern und soweit es zur Wahrung ihrer Gläubigerrechte erforderlich ist; dabei ist das Berufsgeheimnis nach Artikel 47 so weit als möglich zu wahren. Art. 37149 Bei Schutzmassnahmen oder im Sanierungsverfahren eingegangene Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten, die die Bank mit Genehmigung der FINMA oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten während der Dauer der Massnahmen nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben e–h oder während eines Sanie- rungsverfahrens eingehen durfte, werden im Falle einer Konkursliquidation vor allen anderen befriedigt. Art. 37a150 Privilegierte Einlagen 1 Einlagen, die auf den Namen des Einlegers lauten, einschliesslich Kassenobligatio- nen, die im Namen des Einlegers bei der Bank hinterlegt sind, werden bis zum Höchst- betrag von 100 000 Franken je Gläubiger der zweiten Klasse nach Artikel 219 Ab- satz 4 SchKG151 zugewiesen. 2 …152 3 Einlagen bei Unternehmen, welche ohne Bewilligung der FINMA als Banken tätig sind, sind nicht privilegiert. 4 Steht eine Forderung mehreren Personen zu, so kann das Privileg nur einmal geltend gemacht werden. 5 Forderungen von Bankstiftungen als Vorsorgeeinrichtungen nach Artikel 82 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982153 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge sowie von Freizügigkeitsstiftungen als Freizügigkeitseinrichtun- gen nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993154 gelten als Einlagen der einzelnen Vorsorgenehmer und Versicherten. Sie sind unabhängig von den übri- gen Einlagen des einzelnen Vorsorgenehmers und Versicherten bis zum Höchstbetrag nach Absatz 1 privilegiert. 6 Die Banken müssen im Umfang von 125 Prozent ihrer privilegierten Einlagen stän- dig inländisch gedeckte Forderungen oder übrige in der Schweiz belegene Aktiven 149 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 150 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 151 SR 281.1 152 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 153 SR 831.40 154 SR 831.42 Banken und Sparkassen 34 / 48 952.0 halten. Die FINMA kann diesen Anteil erhöhen; sie kann in begründeten Fällen ins- besondere denjenigen Instituten Ausnahmen gewähren, die aufgrund der Struktur ih- rer Geschäftstätigkeit über eine gleichwertige Deckung verfügen. 7 Der Bundesrat umschreibt die Einlagen und die Einleger nach Absatz 1 näher. Er kann den Höchstbetrag nach Absatz 1 der Geldentwertung anpassen.155 Art. 37b156 Auszahlung aus den verfügbaren liquiden Aktiven 1 Privilegierte Einlagen gemäss Artikel 37a Absatz 1 werden aus den verfügbaren li- quiden Aktiven ausserhalb der Kollokation und unter Ausschluss jeglicher Verrech- nung ausbezahlt: a. sofort: wenn sie bei schweizerischen Geschäftsstellen gebucht sind; b. sobald dies tatsächlich und rechtlich möglich ist: wenn sie bei ausländischen Geschäftsstellen gebucht sind. 2 Die FINMA legt im Einzelfall den Höchstbetrag der nach Absatz 1 auszahlbaren Einlagen fest. Sie trägt dabei der Rangordnung der übrigen Gläubiger nach Arti- kel 219 SchKG157 Rechnung. Art. 37c158 Art. 37d159 Absonderung von Depotwerten Depotwerte gemäss Artikel 16 dieses Gesetzes werden nach den Artikeln 17 und 18 des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008160 abgesondert. Auf sammelver- wahrte Depotwerte findet im Falle eines Unterbestandes Artikel 19 des Bucheffekten- gesetzes Anwendung. Art. 37e Verteilung und Schluss des Verfahrens 1 Sind sämtliche Aktiven verwertet und alle die Feststellung der Aktiv- und Passiv- masse betreffenden Prozesse erledigt, so erstellen die Konkursliquidatoren die ab- schliessende Verteilungsliste sowie die Schlussrechnung und unterbreiten beide der FINMA zur Genehmigung. Prozesse aus Abtretung von Rechtsansprüchen nach Arti- kel 260 SchKG161 bleiben unberücksichtigt.162 155 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 156 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 157 SR 281.1 158 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), mit Wir- kung seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 159 Fassung gemäss Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Aug. 2021 (AS 2021 33, 399; BBl 2020 233). 160 SR 957.1 161 SR 281.1 162 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 35 / 48 952.0 2 Vor der Genehmigung werden die Verteilungsliste und die Schlussrechnung wäh- rend zehn Tagen zur Einsicht aufgelegt. Die Auflegung und die Genehmigung werden im Schweizerischen Handelsamtsblatt und auf der Internetseite der FINMA publi- ziert.163 3 Die FINMA trifft die nötigen Anordnungen zur Schliessung des Verfahrens. Sie macht die Schliessung öffentlich bekannt. Art. 37f Koordination mit ausländischen Verfahren 1 Bildet die Bank auch im Ausland Gegenstand von Zwangsvollstreckungsverfahren, so stimmt die FINMA den Bankenkonkurs so weit als möglich mit den zuständigen ausländischen Organen ab. 2 Ist ein Gläubiger in einem ausländischen Verfahren, das mit dem Bankenkonkurs in Zusammenhang steht, teilweise befriedigt worden, so ist dieser Teil nach Abzug der ihm entstandenen Kosten im schweizerischen Verfahren auf die Konkursdividende anzurechnen. Art. 37g164 Anerkennung ausländischer Konkursdekrete und Massnahmen 1 Die FINMA entscheidet über die Anerkennung von Konkursdekreten und Insolvenz- massnahmen, die im Ausland gegenüber Banken ausgesprochen werden. 2 Die FINMA kann das in der Schweiz belegene Vermögen ohne Durchführung eines inländischen Verfahrens der ausländischen Insolvenzmasse zur Verfügung stellen, wenn im ausländischen Insolvenzverfahren: a. die nach Artikel 219 SchKG165 pfandgesicherten und privilegierten Forderun- gen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz gleichwertig behandelt wer- den; und b. die übrigen Forderungen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz ange- messen berücksichtigt werden. 3 Die FINMA kann auch Konkursdekrete und Massnahmen anerkennen, welche im Staat des tatsächlichen Sitzes der Bank ausgesprochen wurden. 4 Wird für das in der Schweiz belegene Vermögen ein inländisches Verfahren durch- geführt, so können in den Kollokationsplan auch Gläubiger der dritten Klasse gemäss Artikel 219 Absatz 4 SchKG sowie Gläubiger mit Wohnsitz im Ausland aufgenom- men werden. 163 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 164 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 165 SR 281.1 Banken und Sparkassen 36 / 48 952.0 4bis Hat die Bank eine Zweigniederlassung in der Schweiz, so ist ein Verfahren nach Artikel 50 Absatz 1 SchKG bis zur Rechtskraft des Kollokationsplanes nach Arti- kel 172 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987166 über das Internationale Pri- vatrecht (IPRG) zulässig.167 5 Im Übrigen sind die Artikel 166–175 IPRG massgebend.168 Zwölfter a. Abschnitt:169 Beschwerden in Verfahren nach dem elften und zwölften Abschnitt Art. 37gbis Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans 1 Wird die Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans gutgeheissen, so kann das Gericht nur eine Entschädigung zusprechen. 2 Die Entschädigung erfolgt in der Regel durch Zuteilung von Aktien, anderen Betei- ligungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen. Art. 37gter Beschwerden der Gläubiger und Eigner 1 Gläubiger und Eigner einer Bank, einer Konzernobergesellschaft oder einer wesent- lichen Gruppengesellschaft gemäss Artikel 2bis Absatz 1 können in den Verfahren nach dem elften und zwölften Abschnitt lediglich Beschwerde führen gegen: a. die Genehmigung des Sanierungsplans; b. Verwertungshandlungen; c. die Genehmigung der Verteilungsliste und der Schlussrechnung. 2 Verwertungshandlungen des Konkursliquidators gelten als Realakte. Wer ein schutzwürdiges Interesse hat, kann darüber von der FINMA eine Verfügung im Sinne von Artikel 25a des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968170 (VwVG) verlangen. 3 Die Beschwerde nach Artikel 17 SchKG171 ist in diesen Verfahren ausgeschlossen. Art. 37gquater Fristen 1 Die Frist für eine Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans und ge- gen Verwertungshandlungen beträgt zehn Tage. Artikel 22a VwVG172 findet keine Anwendung. 166 SR 291 167 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 168 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 169 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 170 SR 172.021 171 SR 281.1 172 SR 172.021 Bankengesetz 37 / 48 952.0 2 Der Fristenlauf für eine Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans beginnt am Tag nach der öffentlichen Bekanntgabe der Grundzüge des Sanierungs- plans. Der Fristenlauf für eine Beschwerde gegen die Genehmigung der Verteilungs- liste und der Schlussrechnung beginnt am Tag, nachdem die Genehmigung öffentlich bekannt gegeben wurde. Art. 37gquinquies Aufschiebende Wirkung Beschwerden in den Verfahren nach dem elften und dem zwölften Abschnitt haben keine aufschiebende Wirkung. Der Instruktionsrichter kann die aufschiebende Wir- kung auf Gesuch hin erteilen. Die Erteilung der aufschiebenden Wirkung ist ausge- schlossen für Beschwerden gegen: a. die Anordnung von Schutzmassnahmen; b. die Anordnung eines Sanierungsverfahrens; c. die Genehmigung des Sanierungsplans; und d. die Anordnung der Konkursliquidation. Dreizehnter Abschnitt:173 Einlagensicherung Art. 37h174 Grundsatz 1 Die Banken sorgen für die Sicherung der privilegierten Einlagen nach Artikel 37a Absatz 1 bei schweizerischen Geschäftsstellen. Banken müssen sich zu diesem Zweck vor der Entgegennahme solcher Einlagen der Selbstregulierung der Banken anschlies- sen. 2 Die Selbstregulierung unterliegt der Genehmigung durch die FINMA. 3 Die Selbstregulierung wird genehmigt, wenn sie: a. gewährleistet, dass der Träger der Einlagensicherung die gesicherten Einlagen dem von der FINMA eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftrag- ten oder Konkursliquidator innert sieben Arbeitstagen auszahlt, nachdem er die Mitteilung der FINMA über die Anordnung der Konkursliquidation oder einer zu treffenden Schutzmassnahme nach Artikel 26 Absatz 1 Buchsta- ben eh erhalten hat; b. vorsieht, dass die Banken zu Beiträgen in der Höhe von insgesamt 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen, mindestens aber 6 Milliarden Franken verpflichtet sind; c. sicherstellt, dass jede Bank im Umfang der Hälfte ihrer Beitragsverpflichtun- gen auf Dauer: 173 Ursprünglich vor Art. 36. Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). 174 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Siehe auch die UeB dieser Änd. am Schluss des Textes. Banken und Sparkassen 38 / 48 952.0 1. leicht verwertbare Wertschriften von hoher Qualität oder Schweizerfran- ken in bar bei einer sicheren Drittverwahrungsstelle hinterlegt, oder 2. dem Träger der Einlagensicherung Bardarlehen gewährt; d. jede Bank dazu verpflichtet, dass sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäfts- tätigkeit die notwendigen Vorbereitungen trifft, die dem Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten oder Konkursliquidator die Erstellung eines Auszah- lungsplans, die Kontaktierung der Einleger sowie die Auszahlung gemäss Ar- tikel 37j erlauben. 4 Zu den Vorbereitungen nach Absatz 3 Buchstabe d gehört insbesondere die Bereit- stellung: a. einer angemessenen Infrastruktur; b. standardisierter Prozesse; c. einer Einlegerliste mit den gemäss Absatz 1 gesicherten Einlagen; d. einer summarischen Aufstellung mit den übrigen gemäss Artikel 37a Absatz 1 privilegierten Einlagen. 5 Der Bundesrat kann die Anforderungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b anpassen, so- fern besondere Umstände dies erfordern. 6 Genügt die Selbstregulierung den Anforderungen nach den Absätzen 14 nicht, so regelt der Bundesrat die Einlagensicherung in einer Verordnung. Er bezeichnet na- mentlich den Träger der Einlagensicherung und legt die Beiträge der Banken fest. 7 Die Auswirkungen der Finanzierungsformen gemäss Absatz 3 Buchstabe c auf die Liquiditäts- und Eigenmittelanforderungen sind zu neutralisieren, indem die verschie- denen Finanzierungformen nach Möglichkeit gleichwertig zu behandeln sind. Der Bundesrat erlässt die technischen Ausführungsbestimmungen. Art. 37i175 Auslösung der Einlagensicherung 1 Hat die FINMA eine Schutzmassnahme nach Artikel 26 Absatz 1 Buchstaben e–h oder den Konkurs nach Artikel 33 angeordnet, so teilt sie dies dem Träger der Einla- gensicherung mit und informiert ihn über den Bedarf an Leistungen zur Auszahlung der gesicherten Einlagen. 2 Der Träger der Einlagensicherung stellt den entsprechenden Betrag innert sieben Ar- beitstagen nach Erhalt der Mitteilung dem von der FINMA eingesetzten Untersu- chungs- oder Sanierungsbeauftragten oder Konkursliquidator zur Verfügung.176 3 Im Fall einer Schutzmassnahme kann die FINMA die Mitteilung aufschieben, so- lange: a. begründete Aussicht besteht, dass die Schutzmassnahme innert kurzer Frist wieder aufgehoben wird; oder 175 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 176 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Bankengesetz 39 / 48 952.0 b. die gesicherten Einlagen von der Schutzmassnahme nicht betroffen sind. 4 …177 Art. 37j178 Auszahlung 1 Der von der FINMA eingesetzte Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragte oder Konkursliquidator erstellt einen Auszahlungsplan anhand der Einlegerliste nach Arti- kel 37h Absatz 4 Buchstabe c. 2 Er ersucht die aus dem Auszahlungsplan ersichtlichen Einleger umgehend um Zah- lungsinstruktionen zur Auszahlung der gesicherten Einlagen. 3 Er sorgt nach Erhalt der Zahlungsinstruktionen dafür, dass die gesicherten Einlagen den Einlegern umgehend, spätestens aber am siebten Arbeitstag nach Erhalt der In- struktion ausbezahlt werden. 4 Genügt der Betrag, der durch den Träger der Einlagensicherung zur Verfügung ge- stellt wurde, nicht zur Befriedigung der in den Auszahlungsplan aufgenommenen For- derungen, so erfolgt die umgehende Auszahlung anteilsmässig. 5 Die Frist nach Absatz 3 verlängert sich oder wird ausgesetzt bei Einlagen, bei denen: a. unklare oder komplexe Rechtsansprüche vorliegen; b. kein objektiver Bedarf nach einer raschen Auszahlung besteht; oder c. ungenaue oder unklare Zahlungsinstruktionen vorliegen. 6 Die Einlagen nach Absatz 5 werden in der durch die FINMA zu genehmigenden Selbstregulierung näher umschrieben. Art. 37jbis 179 Verrechnung, Anspruch und Legalzession 1 Die gesicherten Einlagen werden unter Ausschluss jeglicher Verrechnung ausbe- zahlt. 2 Den Einlegern steht gegenüber dem Träger der Einlagensicherung kein direkter An- spruch zu. 3 Die Rechte der Einleger gehen im Umfang der Auszahlungen auf den Träger der Einlagensicherung über. 177 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 178 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen) (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (In- solvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). 179 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. Dez. 2021 (Insolvenz und Einlagensicherung), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 732; BBl 2020 6359). Banken und Sparkassen 40 / 48 952.0 Art. 37k180 Datenaustausch 1 Die FINMA stellt dem Träger der Einlagensicherung die zur Wahrung seiner Auf- gaben notwendigen Angaben zur Verfügung. 2 Der Träger der Einlagensicherung erteilt der FINMA sowie dem von der FINMA eingesetzten Untersuchungsbeauftragten, Sanierungsbeauftragten oder Konkursliqui- dator alle Auskünfte und übermittelt diesen alle Unterlagen, die sie zur Durchsetzung der Einlagensicherung benötigen. Dreizehnter Abschnitt a:181 Nachrichtenlose Vermögenswerte Art. 37l Übertragung182 1 Eine Bank kann nachrichtenlose Vermögenswerte ohne Zustimmung der Gläubiger auf eine andere Bank übertragen. 2 Die Übertragung bedarf eines schriftlichen Vertrages zwischen der übertragenden und der übernehmenden Bank. 3 Im Bankenkonkurs vertreten die Konkursliquidatoren die Interessen der Gläubiger nachrichtenloser Vermögenswerte gegenüber Dritten. 4 Der Bundesrat bestimmt, wann Vermögenswerte als nachrichtenlos gelten. Art. 37m183 Liquidation 1 Banken liquidieren nachrichtenlose Vermögenswerte nach 50 Jahren, wenn sich die berechtigte Person auf vorgängige Publikation hin nicht meldet. Die Liquidation nach- richtenloser Vermögenswerte von höchstens 500 Franken kann ohne vorgängige Pub- likation erfolgen. 2 Mit der Liquidation erlischt der Anspruch der berechtigten Person. 3 Der Erlös der Liquidation fällt an den Bund. 4 Der Bundesrat regelt die Publikation und Liquidation nachrichtenloser Vermögens- werte. 180 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 181 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 2011 (Sicherung der Einlagen), in Kraft seit 1. Sept. 2011 (AS 2011 3919; BBl 2010 3993). 182 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2013 (Nachrichtenlose Vermögenswerte), in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 1267; BBl 2010 7495). 183 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2013 (Nachrichtenlose Vermögenswerte), in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 1267; BBl 2010 7495). Bankengesetz 41 / 48 952.0 Vierzehnter Abschnitt: Verantwortlichkeits- und Strafbestimmungen Art. 38184 1 Für die Privatbankiers richtet sich die zivilrechtliche Verantwortlichkeit nach den Bestimmungen des Obligationenrechts185. 2 Für die übrigen Banken gilt Artikel 39. Art. 39186 Die Verantwortlichkeit der Gründer einer Bank, der Organe für die Geschäftsführung, Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle sowie der von der Bank ernannten Liquidatoren richtet sich nach den Bestimmungen des Aktienrechts (Art. 752–760 des Obligatio- nenrechts187). Art. 40–45188 Art. 46189 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich: a. unbefugterweise Publikums- oder Spareinlagen entgegennimmt; b. die Geschäftsbücher nicht ordnungsgemäss führt oder Geschäftsbücher, Be- lege und Unterlagen nicht vorschriftsgemäss aufbewahrt; c. die Jahresrechnung oder eine Zwischenbilanz nicht nach Artikel 6 aufstellt und veröffentlicht. 2 Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 250 000 Franken bestraft. 3 …190 Art. 47191 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich: 184 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 185 SR 220 186 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 20. Juni 2014 (Bündelung der Aufsicht über Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften), in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 4073; BBl 2013 6857). 187 SR 220 188 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003, mit Wirkung seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2767; BBl 2002 8060). 189 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 190 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 191 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Banken und Sparkassen 42 / 48 952.0 a.192 ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestell- ter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank oder einer Person nach Artikel 1b oder als Organ oder Angestellter einer Prüfgesellschaft anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat; b. zu einer solchen Verletzung des Berufsgeheimnisses zu verleiten sucht; c.193 ein ihm nach Buchstabe a offenbartes Geheimnis weiteren Personen offenbart oder für sich oder einen anderen ausnützt. 1bis Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer sich oder einem anderen durch eine Handlung nach Absatz 1 Buchstabe a oder c einen Vermö- gensvorteil verschafft.194 2 Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 250 000 Franken bestraft. 3 …195 4 Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichen o- der dienstlichen Verhältnisses oder der Berufsausübung strafbar. 5 Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde. 6 Verfolgung und Beurteilung der Handlungen nach dieser Bestimmung obliegen den Kantonen. Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches196 kommen zur An- wendung. Art. 48197 Art. 49198 1 Mit Busse bis zu 500 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich: a. unbefugterweise in der Firma, in der Bezeichnung des Geschäftszweckes oder in Geschäftsreklamen den Ausdruck «Bank», «Bankier» oder «Sparen» ver- wendet; b. die vorgeschriebenen Meldungen an die FINMA nicht erstattet; 192 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5247; BBl 2015 8901). 193 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 12. Dez. 2014 über die Ausweitung der Strafbarkeit der Verletzung des Berufsgeheimnisses, in Kraft seit 1. Juli 2015 (AS 2015 1535; BBl 2014 6231 6241). 194 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 12. Dez. 2014 über die Ausweitung der Strafbarkeit der Verletzung des Berufsgeheimnisses, in Kraft seit 1. Juli 2015 (AS 2015 1535; BBl 2014 6231 6241). 195 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 196 SR 311.0 197 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 198 Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). Bankengesetz 43 / 48 952.0 c. für die Entgegennahme von Spar- und Publikumseinlagen wirbt, ohne über die gesetzlich erforderliche Bewilligung zu verfügen. 2 Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 150 000 Franken bestraft. 3 …199 Art. 50200 Art. 50bis 201 Art. 51202 Art. 51bis 203 Fünfzehnter Abschnitt: Übergangs- und Schlussbestimmungen Art. 52204 Der Bundesrat hat spätestens 3 Jahre nach Inkrafttreten des fünften und sechsten Ab- schnitts der Änderung vom 30. September 2011 und danach jeweils innert 2 Jahren die Bestimmungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und den Grad der Umsetzung der entsprechenden internationalen Standards im Ausland zu prüfen. Er erstattet der Bundesversammlung jeweils darüber Bericht und zeigt den allfälligen Anpassungsbe- darf auf Gesetzes- und Verordnungsstufe auf. Art. 52a205 Der Bundesrat hat spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Änderung vom 15. Juni 2018 die Bestimmungen im Hinblick auf die Ziele der Finanzmarktaufsicht nach dem 199 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 10 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483). 200 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 201 Eingefügt durch Ziff. 22 des Anhangs zum VStrR (AS 1974 1857; BBl 1971 I 993). Auf- gehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 202 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 203 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971 (AS 1971 808; BBl 1970 I 1144). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 15 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207 5205; BBl 2006 2829). 204 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2011 (Stärkung der Stabilität im Finanzsek- tor), in Kraft seit 1. März 2012 (AS 2012 811; BBl 2011 4717). 205 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 14 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 5247; BBl 2015 8901). Banken und Sparkassen 44 / 48 952.0 FINMAG206 zu prüfen. Er erstattet der Bundesversammlung darüber Bericht und zeigt den allfälligen Anpassungsbedarf auf Gesetzes- und Verordnungsstufe auf. Art. 53 1 Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden aufgehoben: a.207 die kantonalen Bestimmungen über Banken; vorbehalten bleiben die Bestim- mungen über Kantonalbanken, die Bestimmungen über den gewerbsmässigen Wertpapierhandel sowie die Bestimmungen über die Überwachung der Ein- haltung kantonalrechtlicher Vorschriften gegen Missbräuche im Zinswesen; b. Artikel 57 des Schlusstitels zum Zivilgesetzbuch208. 2 Bisherige kantonale Bestimmungen über ein gesetzliches Pfandrecht zugunsten von Spareinlagen, die nicht innert drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch neue Vorschriften gemäss den Artikeln 15 und 16 ersetzt sind, fallen dahin. Art. 54209 Art. 55210 Art. 56 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes und erlässt die zum Vollzug nötigen Vorschriften. Datum des Inkrafttretens: 1. März 1935211 206 SR 956.1 207 Fassung gemäss Anhang Ziff. 17 des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 208 SR 210 209 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 17 des BG vom 16. Dez. 1994, mit Wirkung seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 210 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 11. März 1971, mit Wirkung seit 1. Juli 1971 (AS 1971 808 824 Art. 1; BBl 1970 I 1144). 211 BRB vom 26. Febr. 1935 Bankengesetz 45 / 48 952.0 Schlussbestimmungen der Änderung vom 11. März 1971212 1 Banken und Finanzgesellschaften, die vor Inkrafttreten des Gesetzes213 gegründet worden sind, brauchen keine neue Bewilligung zum Geschäftsbetrieb einzuholen. 2 Finanzgesellschaften, die neu dem Gesetz unterstehen, haben sich innert drei Mona- ten seit dessen Inkrafttreten214 bei der Bankenkommission zu melden. 3 Banken und Finanzgesellschaften haben sich innert zwei Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes215 den Vorschriften von Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a, c und d sowie von Artikel 3bis Absatz 1 Buchstabe c216 anzupassen. Erfolgt die Anpassung nicht fristgemäss, kann die Bewilligung entzogen werden. 4 Um den Besonderheiten von Finanzgesellschaften und Kreditkassen mit Wartezeit Rechnung zu tragen, wird der Bundesrat ermächtigt, Sondervorschriften zu erlassen. Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 1994217 1 Natürliche und juristische Personen, die bei Inkrafttreten der Änderung vom 18. März 1994 dieses Gesetzes unter das Verbot von Artikel 1 Absatz 2 fallende Pub- likumseinlagen halten, haben diese innert zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Än- derung zurückzuzahlen. Die Bankenkommission kann die Frist im Einzelfall verlän- gern oder verkürzen, wenn besondere Verhältnisse vorliegen. 2 Bankähnliche Finanzgesellschaften, die sich vor Inkrafttreten dieser Änderung mit Bewilligung der Bankenkommission öffentlich zur Annahme fremder Gelder emp- fohlen haben, brauchen keine neue Bewilligung zum Geschäftsbetrieb als Bank ein- zuholen. Sie haben innert einem Jahr nach Inkrafttreten dieser Änderung die Vor- schriften nach den Artikeln 4bis und 4ter zu erfüllen. 3 Die Banken haben innert einem Jahr nach Inkrafttreten dieser Änderung die Vor- schriften nach den Artikeln 3 Absatz 2 Buchstaben cbis und d sowie 4 Absatz 2bis zu erfüllen. 4 Die Kantone haben innert drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung die Ein- haltung der Vorschriften der Artikel 3a218 Absatz 1 und 18 Absatz 1 sicherzustellen. Wird die Aufsicht gemäss Artikel 3a Absatz 2 vor Ablauf dieser Frist der Banken- kommission übertragen, so muss die Vorschrift nach Artikel 18 Absatz 1 bereits bei der Übertragung eingehalten werden. 5 Jede natürliche oder juristische Person, welche bei Inkrafttreten dieser Änderung an einer Bank eine qualifizierte Beteiligung nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe cbis hält, 212 AS 1971 808; BBl 1970 I 1144 213 Das Gesetz ist am 1. Juli 1971 in Kraft getreten (Art. 1 des BRB vom 24. Juni 1971 – AS 1971 824 Art. 1). 214 Das Gesetz ist am 1. Juli 1971 in Kraft getreten (Art. 1 des BRB vom 24. Juni 1971 – AS 1971 824 Art. 1). 215 Das Gesetz ist am 1. Juli 1971 in Kraft getreten (Art. 1 des BRB vom 24. Juni 1971 – AS 1971 824 Art. 1). 216 Diese Bestimmung ist aufgehoben. 217 AS 1995 246; BBl 1993 I 805 218 Diese Bestimmung hat heute eine neue Fassung. Banken und Sparkassen 46 / 48 952.0 hat diese der Bankenkommission spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Ände- rung zu melden. 6 Die Banken haben der Bankenkommission die erste jährliche Meldung nach Arti- kel 3 Absatz 6 spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Änderung zu erstatten. 7 Nach schweizerischem Recht organisierte Banken haben der Bankenkommission in- nert drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Änderung alle im Ausland errichteten Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen, Agenturen und Vertretungen zu mel- den. Schlussbestimmungen der Änderung vom 22. April 1999219 1 Bei den Kantonalbanken, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes der vollständigen Aufsicht der Bankenkommission unterstellt sind, gilt die Bewilligung nach Artikel 3 als erteilt. 2 Für die Kantonalbank des Kantons Zug wird eine Beteiligung des Kantons von mehr als einem Drittel der Stimmen nach Artikel 3a nicht vorausgesetzt, sofern die Staats- garantie und die Ausübung des Stimmrechts durch den Kanton nicht geändert werden sowie sichergestellt bleibt, dass wichtige Beschlüsse nicht ohne die Zustimmung des Kantons gefasst werden können. 3 Für die Kantonalbank des Kantons Genf wird die Kapitalbeteiligung der Gemeinden der Beteiligung des Kantons nach Artikel 3a gleichgestellt, sofern die bestehende Ka- pitalbeteiligung durch den Kanton nicht reduziert wird. Schlussbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003220 1 Die Selbstregulierung ist innert eines Jahres nach Inkrafttreten dieser Änderung der Bankenkommission zur Genehmigung einzureichen. 2 Verfügt die Bankenkommission vor Inkrafttreten dieser Änderung die Liquidation einer Bank, so ist für die Liquidation sowie eine Banken- oder Nachlassstundung das bisherige Recht massgebend. Schlussbestimmungen der Änderung vom 17. Dezember 2004221 1 Wer von der Schweiz aus tatsächlich eine Finanzgruppe oder ein Finanzkonglomerat leitet, ohne in der Schweiz eine Bank zu führen, hat sich innert drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Änderung bei der Bankenkommission zu melden. 2 Bestehende Finanzgruppen und Finanzkonglomerate haben sich innert zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung den neuen Vorschriften anzupassen. 219 AS 1999 2405; BBl 1998 3847 220 AS 2004 2767; BBl 2002 8060 221 AS 2005 5269; BBl 2003 3789 Bankengesetz 47 / 48 952.0 3 Die Bankenkommission kann diese Fristen auf rechtzeitiges und begründetes Ge- such hin verlängern. Übergangsbestimmung zur Änderung vom 30. September 2011222 Die erstmalige Verabschiedung der Regelungen nach Artikel 10 Absatz 4 ist der Bun- desversammlung zur Genehmigung zu unterbreiten. Übergangsbestimmung zur Änderung vom 22. März 2013223 Für Vermögenswerte, die bei Inkrafttreten der Änderung vom 22. März 2013 seit über 50 Jahren nachrichtenlos sind, läuft eine Publikationsfrist von 5 Jahren. Übergangsbestimmung zur Änderung vom 17. Dezember 2021224 Die Anforderungen an die Selbstregulierung nach Artikel 37h Absatz 3 Buchstabe d müssen spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Änderung vom 17. Dezember 2021 erfüllt sein. 222 AS 2012 811; BBl 2011 4717 223 AS 2014 1267; BBl 2010 7495 224 AS 2022 732; BBl 2020 6359 Banken und Sparkassen 48 / 48 952.0 Erster Abschnitt: Geltungsbereich des Gesetzes Art. 1 Art. 1a Banken Art. 1b Innovationsförderung Art. 1bis Art. 2 Art. 2bis Zweiter Abschnitt: Bewilligung zum Geschäftsbetrieb Art. 3 Art. 3a Art. 3b Art. 3c Art. 3d Art. 3e Art. 3f Art. 3g Art. 3h Art. 3bis Art. 3ter Art. 3quater Dritter Abschnitt: Eigene Mittel, Liquidität und andere Vorschriften über die Geschäftstätigkeit Art. 4 Art. 4bis Art. 4ter Art. 4quater Art. 4quinquies Art. 4sexies Art. 5 Vierter Abschnitt: Rechnungslegung Art. 6 Erstellen von Abschlüssen Art. 6a Veröffentlichung Art. 6b Ausführungsbestimmungen Fünfter Abschnitt: Systemrelevante Banken Art. 7 Begriff und Zweckbestimmung Art. 8 Kriterien und Feststellung der Systemrelevanz Art. 9 Besondere Anforderungen Art. 10 Anwendung auf die einzelne Bank Art. 10a Massnahmen im Bereich der Vergütungen Sechster Abschnitt: Zusätzliches Kapital Art. 11 Grundsätze Art. 12 Vorratskapital Art. 13 Wandlungskapital Art. 14 Beteiligungskapital von Genossenschaftsbanken Art. 14a Reserve, Dividenden und Erwerb eigener Beteiligungsscheine von Genossenschaftsbanken Art. 14b Meldepflicht und Verzeichnis bei Genossenschaftsbanken Siebenter Abschnitt: Spareinlagen und Depotwerte Art. 15 Art. 16 Achter Abschnitt: … Art. 17 Neunter Abschnitt: Überwachung und Prüfung Art. 18 Art. 19–22 Zehnter Abschnitt: Aufsicht Art. 23 Art. 23bis Art. 23ter Art. 23quater Art. 23quinquies Art. 23sexies Art. 23septies Art. 23octies Art. 24 Elfter Abschnitt: Massnahmen bei Insolvenzgefahr Art. 25 Voraussetzungen Art. 26 Schutzmassnahmen Art. 27 Vorrang von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsvereinbarungen Art. 28 Sanierungsverfahren Art. 28a Sanierung von Kantonalbanken Art. 29 Sanierung der Bank Art. 30 Weiterführung von Bankdienstleistungen Art. 30a Aufschub der Beendigung von Verträgen Art. 30b Kapitalmassnahmen Art. 30c Sanierungsplan Art. 31 Genehmigung des Sanierungsplans Art. 31a Ablehnung des Sanierungsplans Art. 31b Gegenleistung bei Übertragung Art. 31c Wertausgleich bei Kapitalmassnahmen Art. 31d Rechtswirkung des Sanierungsplans Art. 32 Geltendmachung von Ansprüchen Zwölfter Abschnitt: Konkursliquidation insolventer Banken (Bankenkonkurs) Art. 33 Anordnung der Konkursliquidation und Ernennung der Konkursliquidatoren Art. 34 Wirkungen und Ablauf Art. 35 Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss Art. 36 Behandlung der Forderungen; Kollokationsplan Art. 37 Bei Schutzmassnahmen oder im Sanierungsverfahren eingegangene Verbindlichkeiten Art. 37a Privilegierte Einlagen Art. 37b Auszahlung aus den verfügbaren liquiden Aktiven Art. 37c Art. 37d Absonderung von Depotwerten Art. 37e Verteilung und Schluss des Verfahrens Art. 37f Koordination mit ausländischen Verfahren Art. 37g Anerkennung ausländischer Konkursdekrete und Massnahmen Zwölfter a. Abschnitt: Beschwerden in Verfahren nach dem elften und zwölften Abschnitt Art. 37gbis Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans Art. 37gter Beschwerden der Gläubiger und Eigner Art. 37gquater Fristen Art. 37gquinquies Aufschiebende Wirkung Dreizehnter Abschnitt: Einlagensicherung Art. 37h Grundsatz Art. 37i Auslösung der Einlagensicherung Art. 37j Auszahlung Art. 37jbis Verrechnung, Anspruch und Legalzession Art. 37k Datenaustausch Dreizehnter Abschnitt a: Nachrichtenlose Vermögenswerte Art. 37l Übertragung Art. 37m Liquidation Vierzehnter Abschnitt: Verantwortlichkeits- und Strafbestimmungen Art. 38 Art. 39 Art. 40–45 Art. 46 Art. 47 Art. 48 Art. 49 Art. 50 Art. 50bis Art. 51 Art. 51bis Fünfzehnter Abschnitt: Übergangs- und Schlussbestimmungen Art. 52 Art. 52a Art. 53 Art. 54 Art. 55 Art. 56 Schlussbestimmungen der Änderung vom 11. März 1971 Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 1994 Schlussbestimmungen der Änderung vom 22. April 1999 Schlussbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003 Schlussbestimmungen der Änderung vom 17. Dezember 2004 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 30. September 2011 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 22. März 2013 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 17. Dezember 2021 | mixed |
43a760d5-719c-4f9c-be5a-5093c015fbfc | Direkt gestützt auf den Anspruch auf rechtliches Gehör hat ein Angeklagter Anspruch darauf, zu einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Würdigung des ihm vorgeworfenen Sachverhalts Stellung nehmen zu können, wenn eine schärfere Strafe droht (E. 2c/aa; Bestätigung der Rechtsprechung); Gleiches gilt, wenn der Betroffene wegen eines anderen Straftatbestands als in der Anklage beantragt verurteilt werden soll und er nicht mit der neuen Würdigung rechnen musste, es sei denn, eine Anhörung hätte keine Auswirkung auf die Ausübung seiner Verteidigungsrechte haben können (E. 2d/bb; Präzisierung der Rechtsprechung).
Eine Bestrafung wegen Verletzung einer anderen Verkehrsregel ist eine Verurteilung wegen eines anderen Straftatbestands (E. 2d/aa). Damit musste der Angeklagte im vorliegenden Fall nicht rechnen und dies hatte Auswirkungen auf die Ausübung seiner Verteidigungsrechte (E. 2e).
Sachverhalt
ab Seite 20
BGE 126 I 19 S. 20
Am 21. November 1997 ereignete sich auf der Schwerzbachbrücke zwischen Sachseln und Giswil ein Zusammenstoss zwischen zwei Fahrzeugen, die von A. und von B. gelenkt wurden. Am 27. Januar 1998 büsste der Verhörrichter B. mit einem Strafbefehl wegen Fahrens mit nicht angemessener Geschwindigkeit (
Art. 90 Ziff. 1 SVG
[SR 741.01] und
Art. 4 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]
). B. erhob Einsprache gegen diesen Strafbefehl. Aufgrund der darin vorgebrachten Argumente wurde A. die Eröffnung einer Strafuntersuchung auch gegen ihn angekündigt, weil auch ihn ein Verschulden am Verkehrsunfall treffen könnte. Mit Strafbefehlen vom 28. Juli 1998 wurden beide Beteiligten mit einer Busse von je Fr. 100.- wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit mit der Begründung bestraft, sie hätten nicht auf halbe Sichtweite anhalten können (
Art. 90 Ziff. 1 und 26 SVG
,
Art. 4 Abs. 1 VRV
). Gegen diese Strafbefehle erhoben beide Beteiligten Einsprache.
Mit Anklageschrift vom 16. August 1999 beantragte die Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden, A. sei zu verurteilen, weil er nicht den Vortritt gewährt habe bzw. es unterlassen habe, an einer Ausweichstelle zu halten oder zu ihr zurückzufahren (
Art. 26 Abs. 1 SVG
und
Art. 9 Abs. 2 VRV
). Die Anklageschrift hielt fest, A. könne nicht vorgeworfen werden, mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein. Er habe auf halbe Sichtweite halten können. Mit Urteil vom 7. September 1999 verurteilte der Kantonsgerichtspräsident A. zu einer Busse von Fr. 100.- wegen Nichtgewährens des Vortritts (
Art. 26 Abs. 1 SVG
). Vom Vorwurf einer Verletzung von
Art. 9 Abs. 2 VRV
wurde er freigesprochen. A. erhob Appellation gegen das Urteil des Kantonsgerichtspräsidenten und beantragte, er sei freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussappellation und begründete diese in der Appellationsverhandlung vom 16. November 1999 unter anderem damit, dass A. auch
Art. 9 Abs. 2 VRV
verletzt habe. Mit Urteil vom 16. November 1999 wies das Obergericht die Appellation und die Anschlussappellation ab, sprach A. wegen Fahrens mit den Umständen nicht angepasster Geschwindigkeit schuldig (
Art. 32 Abs. 1 SVG
) und vom Vorwurf der Verletzung anderer Verkehrsregeln frei.
BGE 126 I 19 S. 21
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt A., das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben, weil es den Anspruch auf rechtliches Gehör, den Anklagegrundsatz und die Unschuldsvermutung verletze.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer rügt, das angefochtene Urteil verletze den Anklagegrundsatz. Er sei wegen Fahrens mit nicht angemessener Geschwindigkeit verurteilt worden, obwohl der Staatsanwalt ausdrücklich festgehalten habe, dieser Vorwurf könne ihm nicht gemacht werden, und er nie Anlass gehabt habe, sich zu diesem Vorwurf zu äussern.
a) Der Anklagegrundsatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und den Gerichten andererseits. Er bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (
BGE 120 IV 348
E. 2b S. 353 f. mit Hinweisen). Nach
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
(SR 0.101) hat der Angeschuldigte Anspruch darauf, in möglichst kurzer Frist über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Diese Angaben schliessen es allerdings nicht aus, dass eine spätere Verurteilung wegen eines gleichartigen oder geringfügigeren Delikts erfolgt. Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Auflage, 1997, S. 44; ARMAND MEYER, Die Bindung des Strafrichters an die eingeklagte Tat (Tatidentität), 1972, S. 10 f.; so auch ausdrücklich Art. 124 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Obwalden vom 9. März 1973 [StPO/OW; LB XIII, 185]).
Ein Anspruch des Betroffenen, vor Erlass eines belastenden Entscheids angehört zu werden, besteht jedoch auch unabhängig vom Anklagegrundsatz. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör floss bisher aus
Art. 4 aBV
und ist jetzt in Art. 29 Abs. 2 der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung vom 18. April
BGE 126 I 19 S. 22
1999 (BV) ausdrücklich gewährleistet. Sein Umfang bestimmt sich zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften, deren Auslegung und Handhabung das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft. Überdies greifen die unmittelbar aus der BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz; ob diese verletzt sind, beurteilt das Bundesgericht mit freier Kognition.
b)
Art. 124 Abs. 2 StPO
/OW sieht vor, dass eine Verurteilung des Angeklagten aufgrund schärferer Strafbestimmungen als der in der Anklageschrift angerufenen nur erfolgen darf, wenn der Angeklagte vorher darauf hingewiesen worden ist und die Gelegenheit erhalten hat, sich dazu zu äussern. Das Obergericht hält im Ergebnis zu Recht fest, dass diese Bestimmung nicht auf die Verurteilung des Beschwerdeführers anwendbar sei. Er wurde wie von der Staatsanwaltschaft beantragt nach
Art. 90 Abs. 1 SVG
verurteilt, und zwar wie schon vom Kantonsgerichtspräsidenten zu einer Busse von Fr. 100.-. Auch wiegt eine Verletzung von
Art. 32 Abs. 1 SVG
, wegen der er schliesslich bestraft wurde, nicht schwerer als eine solche von
Art. 26 SVG
oder
Art. 9 Abs. 2 VRV
, die vor dem Kantonsgerichtspräsidenten und nach der Anklageschrift zur Diskussion standen.
c) Es fragt sich somit, ob ein Angeklagter direkt aufgrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör ein Anrecht hat, vor einer Verurteilung gemäss anderer als der von der Anklagebehörde genannten Strafbestimmungen zu dieser Veränderung Stellung nehmen zu können.
aa) Dies ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zunächst dann der Fall, wenn das Gericht den eingeklagten Sachverhalt unter eine schärfere Strafbestimmung oder zusätzlich unter einen weiteren Straftatbestand subsumieren und dies straferhöhend berücksichtigen will (vgl. unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 5. Juli 1985 i.S. S., E. 3). In
BGE 116 Ia 455
E. 3cc S. 458 hat das Bundesgericht darüber hinaus verlangt, ein Angeschuldigter müsse zur beabsichtigten rechtlichen Würdigung angehört werden, wenn sich das Gericht auf juristische Argumente zu stützen gedenke, die ihm nicht bekannt seien und mit deren Heranziehen er nicht rechnen musste. Wieweit sich dies aus dem Anklagegrundsatz ergibt, wurde offen gelassen, da es jedenfalls aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör hergeleitet werden könne (vgl. allgemein zum Anspruch auf rechtliches Gehör zu Rechtsfragen
BGE 124 I 49
E. 3c S. 52;
BGE 123 I 63
E. 2d S. 69 mit Hinweis).
BGE 126 I 19 S. 23
bb) Einen Anspruch des Angeschuldigten, vor einer Änderung der rechtlichen Würdigung seines Verhaltens angehört zu werden, hat auch die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) auf Grund von
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
in einem Fall bejaht, der dann vor dem EGMR gütlich beigelegt wurde (vgl. Bericht der EKMR vom 16. März 1989 i.S. Chichlian und Ekindjian c. Frankreich, Serie A, Band 162 B, Beilage, Ziff. 64 f.). Zahlreiche Strafprozessordnungen sehen dies ebenfalls ausdrücklich vor (vgl. etwa
Art. 170 BStP
[SR 312.0], Art. 148 Abs. 2 des Militärstrafprozesses vom 23. März 1979 [MStP; SR 322.1];
Art. 168 Abs. 2 StPO
/SG, Art. 302 StrV/BE,
§ 163 Abs. 2 StPO
/AG,
§ 183 StPO
/LU,
§ 96 Abs. 3 StPO
/SZ,
§ 116 StPO
/SO,
§ 170 Abs. 4 StPO
/BL,
§ 127 Abs. 2 StPO
/BS;
Art. 135 Abs. 1 StPO
/VS,
Art. 354 Abs. 1 StPO
/VD,
Art. 211 Abs. 1 StPO
/NE,
Art. 250 Abs. 1 StPO
/TI; ebenso § 265 Abs. 1 der deutschen, § 262 der österreichischen und Art. 423 Abs. 1 der italienischen Strafprozessordnung). Nach anderen Strafprozessordnungen ist wie nach derjenigen des Kantons Obwalden dem Angeklagten nur dann Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn eine Verurteilung auf Grund "schärferer Strafbestimmungen" als der in der Anklage angerufenen erfolgen soll (vgl. etwa
§ 185 Abs. 2 StPO
/ZH,
§ 276 Abs. 2 StPO
/SH,
Art. 129 Abs. 2 StPO
/GL,
Art. 125 Abs. 4 StPO
/GR,
Art. 166 Abs. 2 StPO
/AR). In der kantonalen Rechtsprechung dazu und der Lehre ist jedoch ebenfalls anerkannt, dass auf Grund des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör eine Anhörung auch stattzufinden habe, wenn die neu zur Anwendung vorgesehene Bestimmung keine höhere Strafdrohung vorsehe (vgl. JÖRG REHBERG, Der Anklagegrundsatz und das Fahrlässigkeitsdelikt, in: Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons Zürich, 2000, S. 408, Fn. 3; Entscheid des Zürcher Kassationsgerichts vom 3. September 1985, ZR 84 [1985] Nr. 134 und implizit dessen Entscheid vom 11. Januar 1985, a.a.O., Nr. 74).
d) aa) Im vorliegenden Fall wurde das Verhalten des Beschwerdeführers unter einen anderen Tatbestand subsumiert als gemäss der Anklage, ohne dass die veränderte obergerichtliche Würdigung zu einer Erhöhung der Strafe geführt hätte (vgl. vorne E. 2b). Zwar erfolgte die Verurteilung wie von der Staatsanwaltschaft beantragt gemäss
Art. 90 Abs. 1 SVG
. Bei dieser Bestimmung handelt es sich jedoch um eine Blankettstrafnorm, so dass die durch sie strafbewehrte Verkehrsregel die rechtliche Subsumtion des Sachverhalts darstellt (ähnlich die EKMR in ihrem Bericht zum Fall Chichlian und Ekindjian, a.a.O., Ziff. 58). Diese verletzte Verkehrsregel ist
BGE 126 I 19 S. 24
nach dem obergerichtlichen Urteil eine andere als gemäss Anklage und nach dem Urteil des Kantonsgerichtspräsidenten. Verschiedene Verkehrsverstösse sind in der Regel keine gleichartigen Erscheinungsformen derselben Tat (vgl. zur Rechtslage in Deutschland, wo dies nach
§ 265 StPO
einen Hinweis vor einer Verurteilung wegen eines anderen Verkehrsverstosses notwendig macht, PETER RIESS in: LÖWE-ROSENBERG, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 24. Auflage, 1987, N. 39 zu § 265, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
bb) Wurde der Beschwerdeführer auf Grund eines anderen Straftatbestands als in der Anklage beantragt verurteilt, ist zu prüfen, ob er mit der beabsichtigten neuen rechtlichen Würdigung rechnen musste (vgl. vorne E. 2c/aa;
BGE 116 Ia 455
E. 3cc S. 458). Dies muss auf Grund aller Umstände des konkreten Falles beurteilt werden (vgl. auch
BGE 111 Ia 101
E. 2b S. 103 f.). Musste er nicht damit rechnen, ist das angefochtene Urteil grundsätzlich wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuheben. Ausnahmsweise kann eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs verneint werden, wenn eine Anhörung zur veränderten rechtlichen Würdigung überhaupt keine Auswirkungen auf die Ausübung seiner Verteidigungsrechte haben konnte. Hingegen ist die Möglichkeit zur Stellungnahme wegen der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl.
BGE 125 I 113
E. 3 S. 118) unabhängig davon zu gewähren, ob die Argumente, die der Angeklagte hätte vorbringen können, das Strafurteil voraussichtlich geändert hätten oder nicht.
e) aa) Einerseits war dem Beschwerdeführer ganz zu Beginn des Strafverfahrens, im Strafbefehl, schon einmal vorgeworfen worden, seine Geschwindigkeit sei unangemessen gewesen. Der schliesslich ausschlaggebende Vorwurf war ihm also bekannt. Dieser wurde jedoch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht einfach zugunsten präziserer Qualifikationen aufgegeben, sondern die Staatsanwaltschaft hielt ausdrücklich fest, dem Beschwerdeführer könne keine unangemessene Geschwindigkeit vorgeworfen werden. Er sei in der Lage gewesen, sein Fahrzeug innert halber Sichtweite anzuhalten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Geschwindigkeit, mit der er fuhr, bei der Anschlussappellation und ihrer Begründung in der Verhandlung vor Obergericht irgend eine Rolle gespielt hätte. Die Staatsanwaltschaft warf ihm ja vor, dass er überhaupt auf die Brücke gefahren sei und nicht vor ihr gewartet habe bzw. zu einer Ausweichstelle zurückgefahren sei. Der Beschwerdeführer musste somit
BGE 126 I 19 S. 25
nicht damit rechnen, dass ihm vorgeworfen würde, er sei zu schnell gefahren.
bb) Wenn der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit hingewiesen worden wäre, dass ihm eine unangemessene Geschwindigkeit vorgeworfen werden könnte, hätte er auch tatsächlich zusätzliche Argumente zu seiner Verteidigung vorbringen können. Er hätte zu den vom Obergericht herbeigezogenen Umständen und Überlegungen, warum diese Geschwindigkeit unangemessen gewesen sei, Stellung nehmen können. So hätte er vorbringen können, dass sein Fahrzeug gemäss der Anklage und dem Urteil des Kantonsgerichtspräsidenten zum Kollisionszeitpunkt stillgestanden sei, was nachträglich zeige, dass seine Geschwindigkeit nicht unangemessen gewesen sei. Wenn er gewusst hätte, dass seine Geschwindigkeit zu bewerten war, hätte er auch darauf hinweisen können, dass in der Anklage berechnet und ausgeführt werde, er habe auf halbe Sichtweite anhalten können. Er hätte jedenfalls seine Auffassung über die Sichtweite vorbringen und entsprechende Beweisanträge stellen können.
f) Zusammenfassend musste der Beschwerdeführer in der konkreten Situation seines Strafverfahrens nicht mit einer Verurteilung wegen unangemessener Geschwindigkeit rechnen, und die unterlassene Anhörung hatte Auswirkungen auf seine Verteidigungsrechte. Daher verstiess es gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, dass ihm das Obergericht keine Gelegenheit gab, zur in Aussicht genommenen neuen rechtlichen Qualifikation des ihm vorgeworfenen Sachverhalts Stellung zu nehmen. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Daher erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen Rügen des Beschwerdeführers. | mixed |
00fdc2c4-8bdb-4902-9db0-3c6248330669 | Sachverhalt
ab Seite 335
BGE 123 III 335 S. 335
Dans le cadre de la liquidation - sommaire - de la faillite de la SI M. SA, l'Administration cantonale des impôts (ci-après: ACI) a annoncé à l'office des faillites, en temps utile, son intervention provisoire afin de récupérer l'impôt sur le bénéfice en capital au titre de dette de la masse (
art. 262 al. 1 LP
). Après avoir vendu aux enchères un immeuble, principal actif de la faillie, pour le prix de 760'000 fr., l'office a versé à la banque X., créancière gagiste, la somme de 388'124 fr. 10, correspondant au montant de sa production en capital, frais et intérêts. L'ACI lui ayant ensuite notifié deux bordereaux d'impôt, l'office les adressa à la créancière gagiste en lui demandant de restituer 100'000 fr. en vue du règlement des impôts en question, qui constituaient des dettes de la masse. La créancière gagiste a refusé de restituer la somme réclamée; puis, sur confirmation de la demande de restitution, elle a déposé une plainte LP auprès de l'autorité cantonale inférieure de surveillance.
La plainte ayant été admise et la décision de l'office annulée, la masse en faillite de la SI M. SA et l'ACI ont recouru à l'autorité cantonale
BGE 123 III 335 S. 336
supérieure de surveillance. Celle-ci a rejeté les recours et confirmé le prononcé entrepris.
Saisie d'un recours de la masse en faillite, la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral l'a rejeté. Elle a néanmoins annulé d'office la décision attaquée en tant qu'elle avait confirmé l'admission de la plainte, celle-ci devant être déclarée irrecevable. Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
L'arrêt attaqué tient pour bien fondé le point de vue de l'autorité cantonale inférieure de surveillance selon lequel la masse en faillite, si elle entendait récupérer ce qu'elle avait versé prétendument à tort à la créancière gagiste, devait agir par la voie judiciaire. Le point de vue en question est parfaitement conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral (
ATF 35 I 480
;
ATF 61 III 36
; cf. également C. JÄGER, Commentaire de la LP, n. 1 ad art. 266, dernier paragraphe). Pour ce motif, la Chambre de céans peut donc s'y rallier à son tour, sans avoir à se prononcer sur les motifs particuliers avancés en l'espèce par l'autorité cantonale supérieure de surveillance.
Selon la jurisprudence précitée, l'invitation faite par l'office à un créancier d'avoir à lui restituer une somme touchée à tort est une simple déclaration de volonté dépourvue de caractère officiel; elle ne constitue pas une décision susceptible de plainte au sens de l'
art. 17 LP
. L'office qui entend se retourner contre celui qui a bénéficié indûment d'un versement ne peut ainsi se borner à le sommer de restituer les fonds reçus; si l'intéressé refuse de s'exécuter bénévolement, l'office en est réduit à lui intenter l'action en enrichissement illégitime (
ATF 35 I 480
consid. 2 p. 482/483;
ATF 61 III 36
, spéc. p. 38/39).
L'arrêt entrepris consacrant une solution conforme au droit, le recours ne peut qu'être rejeté. Une rectification s'impose néanmoins d'office quant au sort de la plainte formée par la créancière gagiste. En l'absence de décision attaquable au sens de l'
art. 17 LP
, la plainte ne pouvait pas être admise, comme cela a été jugé en première instance cantonale et confirmé en instance de recours, mais devait être déclarée irrecevable. | mixed |
9f56ec2d-542e-4ba9-9433-27ffff0ecef6 | Erwägungen
ab Seite 388
BGE 128 III 388 S. 388
Considérant:
Que dans la faillite de la SI A., dont l'état de collocation a été déposé le 22 novembre 1995, un montant de 80'000 fr. a été porté à l'inventaire comme créance de la masse à l'encontre de la régie G.;
BGE 128 III 388 S. 389
que la recourante B. a produit en janvier 1998, soit tardivement, une créance de 80'000 fr. et a simultanément revendiqué la titularité de la créance portée à l'inventaire, en se prévalant de l'endossement en sa faveur d'un chèque de même montant émis par la régie précitée;
qu'elle avait toutefois été déboutée de sa demande en paiement dirigée contre la régie et fondée sur le chèque en question par jugement du 13 juin 1997, qui avait retenu que le chèque était prescrit et l'endossement périmé, le chèque ne valant en outre pas reconnaissance de dette;
que l'office des faillites a écarté la production en totalité, motifs pris de sa tardiveté et de la péremption du chèque, mais n'a pas statué sur la revendication;
que saisie d'une plainte de la recourante concernant le refus de l'office de statuer sur sa revendication, l'autorité cantonale de surveillance l'a rejetée en s'appuyant sur la jurisprudence - inaugurée en 1950 (
ATF 76 III 9
) et confirmée en dernier lieu en 1979 (
ATF 105 III 11
consid. 2), sans avoir été depuis remise en cause - excluant l'application de la procédure de revendication de l'
art. 242 LP
- en particulier l'assignation d'un délai au tiers revendiquant selon l'alinéa 2 - lorsque ce tiers fait valoir que c'est lui-même, et non le failli, qui est titulaire d'une créance inventoriée non incorporée dans un titre;
que le recours ne contient rien qui permette d'envisager une modification de cette jurisprudence qui, sans faire l'unanimité parmi les auteurs (cf. E. BRAND, FJS 999 p. 15 ch. 5 ad b et n. 55; FJS 1172 p. 2/3 et n. 122; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 17 ad
art. 242 LP
), a néanmoins reçu une large approbation au sein de la doctrine (BRAND, FJS 1172 p. 3 ch. 3; JEAN-FRANÇOIS PIGUET, Les contestations de droit matériel dans la poursuite pour dettes et la faillite, thèse Lausanne 1950, p. 124 s.; JEAN-LUC TSCHUMY, La revendication de droits de nature à soustraire un bien à l'exécution forcée, thèse Lausanne 1987, p. 84 s.; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, 3e éd., Zurich 1993, § 48 n. 15 p. 284; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, SchKG, 4e éd. 1997/99, n. 9 ad
art. 242 LP
; MARC RUSSENBERGER, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Staehelin/Bauer/Staehelin, n. 10 ad
art. 242 LP
);
qu'en l'espèce, la masse en faillite et la recourante revendiquant la titularité de la créance litigieuse, créance inventoriée non incorporée dans un titre, c'est à bon droit que l'autorité cantonale de
BGE 128 III 388 S. 390
surveillance a, en application des principes jurisprudentiels en vigueur, confirmé le refus de l'office des faillites de donner suite à la revendication de la recourante;
que, par ces motifs, le recours est rejeté. | mixed |
87ca51f8-5906-4fa8-88f0-d6c5e2e04c0e | Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 105 III 11 S. 12
A.-
Mit Vertrag vom 10./16. Juli 1973 verpflichteten sich die Gebrüder P., der H. AG die Grundstücke GB Nr. 10241, 10252 und 10293 in der Gemeinde Plan-les-Ouates zu verkaufen (promesse de vente). Der Kaufpreis wurde auf Fr. 356'6360.- festgesetzt, wovon Fr. 1'500'000.- sofort anbezahlt wurden. Der Kaufvertrag sollte 3 Monate nach der in Aussicht stehenden Umzonung der Grundstücke, spätestens aber nach Ablauf von 10 Jahren abgeschlossen werden. Zur Sicherung des Verkaufsversprechens räumten die Gebrüder P. der H. AG zum gleichen Preis für die Dauer von 10 Jahren ein Kaufsrecht ein, das im Grundbuch vorgemerkt wurde.
Zur Finanzierung der Anzahlung gewährte die L. Bank der H. AG am 31. Oktober 1973 ein Darlehen im Betrag von Fr. 1'500'000.-. Als Sicherheit zedierte die H. AG der L. Bank unter anderem das Verkaufsversprechen. Am 13. Juni 1975 zedierte sie der Bank ferner ihre Forderung auf Rückzahlung des anbezahlten Betrages von Fr. 1'500'000.- gegen die Gebrüder P. in der Annahme, das Verkaufsversprechen werde aufgelöst. Für den Fall, dass das Verkaufsversprechen auf einen Dritten übertragen werden sollte, zedierte sie am 5. August 1975 überdies auch ihre allfällige Forderung gegen diesen Dritten aus der geleisteten Anzahlung.
Am 12. Mai 1976 wurde über die H. AG der Konkurs eröffnet. Die L. Bank gab unter anderem ihre Darlehensforderung von Fr. 1'500'000.- zuzüglich Zins ein, wobei sie darauf hinwies, die Forderung sei durch die erwähnten Zessionen gesichert. Die Konkursverwaltung liess die angemeldete Forderung in der 5. Klasse zu, lehnte es jedoch ab, sie als pfandgesichert zu kollozieren. Gegen die Kollokationsverfügung leitete die L. Bank Kollokationsklage ein, reichte die Klage indessen nach durchgeführtem Aussöhnungsversuch nicht beim Gericht ein, so dass die Verfügung rechtskräftig wurde.
B.-
Mit Zirkular vom 20. Dezember 1978 ersuchte die Konkursverwaltung die Gläubiger um Zustimmung zum freihändigen Verkauf des Kaufsrechts an die S.I. Salève zum Preise von Fr. 600'000.-, unter gleichzeitiger Befreiung der Gemeinschuldnerin aus allen Verpflichtungen aus dem Verkaufsversprechen und Verzicht der Gebrüder P. auf ihre eingegebene Forderung auf Bezahlung des Restkaufpreises. Sie bot den Gläubigern Gelegenheit, höhere Angebote zu machen.
Gegen das Zirkular der Konkursverwaltung, dem die Mehrheit der Gläubiger zustimmte, erhob die L. Bank bei der
BGE 105 III 11 S. 13
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde. Sie beantragte, der Beschluss, das Kaufsrecht zum Preise von Fr. 600'000.- freihändig zu verwerten, sei aufzuheben und die Konkursverwaltung sei anzuweisen, die von der Gemeinschuldnerin an die Gebrüder P. geleistete Anzahlung von Fr. 1'500'000.- von diesen zurückzufordern und an die Beschwerdeführerin zu zahlen oder die Ansprüche gegen die Gebrüder P. an die Beschwerdeführerin abzutreten.
Mit Entscheid vom 18. Januar 1979 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
C.-
Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts stellt die L. Bank folgende Anträge:
"A. Der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 18. Januar 1979 sei aufzuheben und es sei zu entscheiden:
1. Der Beschluss und die Verfügung der Konkursverwaltung und des Gläubigerausschusses der H. AG, das Kaufsrecht an den Grundstücken in Plan-les-Ouates, GBBl. No 10241, 10252 und 10923 durch Verkauf an die S.I. Salève zum Preise von Fr. 600'000.- freihändig zu verwerten, seien aufzuheben.
2. Die Konkursverwaltung sei anzuweisen, die von H. AG gemäss "Promesse de Vente" vom 10./16. Juli 1973 an die Gebrüder P. geleistete Anzahlung von Fr. 1'500'000.- von diesen zurückzufordern und an die Rekurrentin zu zahlen.
3. Die Konkursverwaltung sei anzuweisen, Klage gegen die Rekurrentin auf Feststellung ihrer Rechte aus der "Promesse de Vente" vom 10./16. Juli 1973 einzuleiten.
B. (Eventuell) Der Entscheid der Kantonalen Aufsichtsbehörde vom 18. Januar 1979 sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts und zum neuen Entscheid zurückzuweisen."
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit sie darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Antrag, die Konkursverwaltung sei anzuweisen, gegen die Rekurrentin Klage auf Feststellung ihrer Rechte aus der promesse de vente einzuleiten, bildete weder Gegenstand des kantonalen Beschwerdeverfahrens noch der angefochtenen Verfügung der Konkursverwaltung. Nichts hinderte die Rekurrentin, ihn schon im kantonalen Verfahren zu stellen. Der Antrag ist daher neu, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (
Art. 79 Abs. 1 OG
).
BGE 105 III 11 S. 14
Immerhin sei beigefügt, dass die Ausführungen im angefochtenen Entscheid, durch welche der Antrag veranlasst wurde, unzutreffend sind. Die Vorinstanz geht nämlich davon aus, die Rekurrentin hätte, wenn sie hätte geltend machen wollen, das Kaufsrecht stehe ihr zu und nicht der Konkursmasse, innert einer Frist von 10 Tagen seit Mitteilung der Kollokationsverfügung gemäss
Art. 242 SchKG
Aussonderungsklage erheben müssen. Indessen haben Kollokationsverfahren und Aussonderungsverfahren nichts miteinander zu tun. Das eine Verfahren betrifft die Passiven, das andere die Aktiven der Konkursmasse. Über Aussonderungsansprüche ist deshalb nicht im Kollokationsplan zu befinden (
BGE 54 III 213
ff.,
BGE 45 III 45
,
BGE 39 I 498
E. 2,
BGE 37 I 443
). Abgesehen davon ist nach der Rechtsprechung das Aussonderungsverfahren gar nicht anwendbar, wenn ein Dritter geltend macht, eine nicht in einem Wertpapier verkörperte Forderung oder ein anderes Recht stehe nicht dem Gemeinschuldner, sondern ihm zu, und die Konkursverwaltung ist daher in einem solchen Fall nicht befugt, dem Dritten Frist zur Aussonderungsklage anzusetzen unter der Androhung, dass bei Nichteinhaltung der Frist der Anspruch als verwirkt gelte (
BGE 90 III 92
, 87 III 16,
BGE 76 III 10
/11,
BGE 70 III 36
ff.). Fehl geht freilich auch die Auffassung der Rekurrentin, es sei stets die Konkursverwaltung, die klagen müsse, wenn streitig sei, wem eine Forderung zustehe. Wie das Bundesgericht in
BGE 87 III 20
klargestellt hat, ist die Meinung der von der Rekurrentin zitierten Rechtsprechung (
BGE 76 III 11
) nur die, dass die Konkursverwaltung dann gegen den Drittansprecher zu klagen hat, wenn ihr an der gerichtlichen Feststellung ihres Gläubigerrechts gelegen ist. Eine Klage erübrigt sich z.B. dann, wenn der Drittschuldner trotz des Drittanspruchs ohne weiteres bereit ist, an die Konkursmasse zu leisten. Ob die Konkursverwaltung gegen den Drittansprecher klagen oder ob sie direkt gegen den Drittschuldner vorgehen will (auf die Gefahr hin, dass dieser seine Leistung gemäss
Art. 168 Abs. 1 OR
gerichtlich hinterlegt und es doch zum Prätendentenstreit kommt), liegt in ihrem Ermessen. Der Drittansprecher kann die Konkursverwaltung daher nicht auf dem Beschwerdeweg in die Klägerrolle drängen, wie es die Rekurrentin mit ihrem Antrag bezweckt (
BGE 87 III 20
/21).
3.
Ebenso liegt es im Ermessen der Konkursverwaltung (bzw. der Gläubigergesamtheit), ob sie gemäss
Art. 211 Abs. 2 SchKG
in den Vertrag mit den Gebrüdern P. eintreten, ob sie die Rechte aus diesem Vertrag freihändig veräussern oder ob sie versuchen will,
BGE 105 III 11 S. 15
die geleistete Anzahlung von Fr. 1'500'000.- zurückzuerlangen. Der Antrag, die Konkursverwaltung sei anzuweisen, die Anzahlung zurückzufordern und an die Rekurrentin zu zahlen, kann daher nicht Gegenstand einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde bilden. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, mit welchem Recht die Konkursverwaltung die Anzahlung zurückfordern könnte. Ein Rückforderungsanspruch könnte nur zur Entstehung gelangen, wenn der Gemeinschuldnerin das Recht zustünde, vom Vertrag vom 10./16. Juli 1973 zurückzutreten. Ein Rücktrittsrecht wurde der Gemeinschuldnerin jedoch nirgends eingeräumt. Sie verpflichtete sich in dem mit "promesse de vente" überschriebenen Teil des Vertrags im Gegenteil ohne jede Einschränkung oder Bedingung, die fraglichen Grundstücke zu kaufen (Messieurs P. "s'obligent par les présentes, à vendre sous toutes dues garanties de droit: à la société H. AG, que Monsieur son représentant également comparant oblige à acquérir, un domaine sis sur la commune de Plan-les-Ouates..."). Entgegen der von der Rekurrentin zitierten Ansicht von GULDNER (in: FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II, S. 68) berechtigen auch konkursrechtliche Gründe die Konkursverwaltung nicht zum Vertragsrücktritt (zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts vom 26. Oktober 1978 i.S. Konkursmasse der Wohnkomfort AG gegen Jeger, E. 3b). Die Konkursverwaltung könnte höchstens mit den Gebrüdern P. Verhandlungen darüber aufnehmen, ob und allenfalls unter welchen Bedingungen diese bereit wären, zu einer Aufhebung des Vertrags und zur (ganzen oder teilweisen) Rückerstattung der Anzahlung Hand zu bieten. Wenn die Mehrheit der Gläubiger statt dessen die Rechte aus dem Vertrag freihändig veräussern will, so liegt das wie gesagt in ihrer Machtbefugnis, und die Aufsichtsbehörden könnten nur eingreifen, wenn die von den Gläubigern beschlossene Massnahme mit dem Zweck des Konkursverfahrens geradezu unverträglich wäre (
BGE 86 III 103
, mit Hinweisen). Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Im übrigen widerspricht sich die Rekurrentin selbst, wenn sie einerseits verlangt, die Konkursverwaltung habe die Anzahlung zurückzufordern, anderseits aber geltend macht, der Rückforderungsanspruch sei ihr sicherheitshalber abgetreten worden. Träfe dies nämlich zu, so könnte die Konkursverwaltung die Anzahlung zum vornherein nicht mit Aussicht auf Erfolg zurückfordern. Vielmehr wäre es Sache der Rekurrentin als
BGE 105 III 11 S. 16
Zessionarin, gegen die Gebrüder P. vorzugehen, wenn sie glaubt, diese seien zur Rückerstattung der Anzahlung verpflichtet. Nichts hindert sie, dies zu versuchen.
4.
Ihren Antrag auf Aufhebung des Beschlusses, das Kaufsrecht zum Preise von Fr. 600'000.- zu verwerten, begründet die Rekurrentin damit, das lediglich der Sicherung der promesse de vente dienende Kaufsrecht könne nicht unabhängig von dieser veräussert werden; die Veräusserung des Kaufsrechts setze die Auflösung der promesse de vente voraus, was zur Folge habe, dass die Gebrüder P. die Anzahlung zurückerstatten müssten, und zwar an die Rekurrentin als Zessionarin dieser Forderung; gestützt auf die Abtretung vom 5. August 1975 stehe der Rekurrentin zudem auch der Erlös aus der Veräusserung des Kaufsrechts im Betrag von Fr. 600'000.- zu.
Es ist richtig, dass das Kaufsrecht nicht unabhängig von der promesse de vente veräussert werden kann. Die rechtliche Konstruktion der Vereinbarung vom 10./16. Juli 1973 entspricht im wesentlichen derjenigen, die das Bundesgericht im Falle Blum gegen Bancofin (
BGE 103 III 106
ff.) zu untersuchen hatte. Auch hier handelt es sich nicht um einen blossen Vorvertrag, der die Parteien zum Abschluss des Kaufvertrages verpflichten würde. Die promesse de vente ist vielmehr selbst als Kaufvertrag zu betrachten, haben sich die Parteien doch darin bereits über alle wesentlichen Punkte des Kaufs geeinigt. Zur Sicherung ihres kaufvertraglichen Anspruchs auf Eigentumsübertragung liess sich die Käuferin ein Kaufsrecht einräumen, das im Grundbuch vorgemerkt wurde. Hat das Kaufsrecht aber bloss Sicherungsfunktion, so liegt es auf der Hand, dass es nicht allein, ohne die übrigen aus dem Kaufvertrag fliessenden Rechte und Pflichten, an einen Dritten abgetreten werden kann, denn es kann ja nur zu den im Vertrag vom 10./16. Juli 1973 festgelegten Bedingungen ausgeübt werden. Dementsprechend wurde es auch nicht als abtretbar bezeichnet, was Voraussetzung dafür wäre, dass es ohne Mitwirkung des Verkäufers auf einen Dritten übertragen werden könnte (
BGE 94 II 279
E. 3, mit Hinweisen).
Indessen ist es trotz der missverständlichen Überschrift des Zirkulars offensichtlich nicht die Absicht der Konkursverwaltung, das Kaufsrecht selbständig zu verwerten. Im Kopf des Vertragsentwurfs mit der S.I. Salève wird nämlich ausdrücklich gesagt, der Vertrag betreffe einerseits die Abtretung des Kaufsrechts, anderseits die Übernahme der Rechte und Pflichten aus der promesse de vente. Zudem wird in Ziff. 3 lit. b des
BGE 105 III 11 S. 17
Entwurfs der Vollzug der Abtretung des Kaufsrechts von der unwiderruflichen Rückzugserklärung der Forderungseingabe der Gebrüder P. abhängig gemacht, was keinen Sinn hätte, wenn angenommen würde, die Rechte aus der promesse de vente verblieben bei der Konkursmasse. Freilich enthält der vorgesehene Vertragstext selbst keine Bestimmung bezüglich der Übernahme der Rechte und Pflichten aus der promesse de vente. Auch fehlt es im Vertragsentwurf an der Mitwirkung der Gebrüder P., die indessen unumgänglich ist, da Rechte und Pflichten aus einem Grundstückskaufvertrag nur durch öffentlich beurkundeten Vertrag zwischen den ursprünglichen Parteien und dem neu eintretenden Dritten auf diesen übertragen werden können, sofern sich die Gegenpartei nicht zum vornherein mit der Übertragung einverstanden erklärt hat (
BGE 84 II 20
/21,
BGE 47 II 420
/421; vgl. auch
BGE 94 II 279
,
BGE 48 II 470
). Der blosse Rückzug der Konkurseingabe genügt daher nicht. Wie der noch gar nicht abgeschlossene Vertrag lauten muss, damit er gültig ist, bildet jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, so dass es sich erübrigt, auf diese Fragen näher einzugehen. Aus dem gleichen Grund besteht auch kein Anlass, die Sache entsprechend dem Eventualantrag der Rekurrentin zur Ergänzung des Sachverhalts mit Bezug auf die Unterlagen des geplanten Geschäfts an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im übrigen lagen diese Unterlagen gemäss dem Zirkular beim Konkursamt zur Einsicht auf, und die Rekurrentin macht nicht geltend, die Einsicht sei ihr verweigert worden.
Bezweckt die Konkursverwaltung aber die Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Vertragswerk zwischen der Gemeinschuldnerin und den Gebrüdern P., so fallen die Rügen der Rekurrentin, das Kaufsrecht könne nicht selbständig veräussert werden und seine Veräusserung setze die Auflösung der promesse de vente voraus, ins Leere. Ob die Rekurrentin gestützt auf die Zession vom 5. August 1975 einen Anspruch auf den Erlös aus dem geplanten Geschäft geltend machen kann, ist sodann nicht im Beschwerdeverfahren, sondern vom Richter im Zivilprozess zu entscheiden. Dieser angebliche Anspruch wird durch den in Aussicht genommenen Freihandverkauf nicht vereitelt, sondern gelangt dadurch im Gegenteil erst zur Entstehung. Die angefochtene Massnahme der Konkursverwaltung bzw. der Gläubiger erweist sich somit auf jeden Fall nicht als gesetzwidrig, so dass der Rekurs abzuweisen ist, soweit auf ihn eingetreten werden kann. | mixed |
12fb2dcf-41e5-44eb-a2e8-e09f43253897 | Sachverhalt
ab Seite 589
BGE 133 III 589 S. 589
Die Beschwerdeführer verlangten die Arrestierung sämtlicher Vermögenswerte des Beschwerdegegners bei der L. Bank.
BGE 133 III 589 S. 590
Sowohl das Bezirksgericht Zürich als auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen das Arrestbegehren ab.
Mit Eingabe vom 10. April 2007 verlangen die Beschwerdeführer die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses und die Arrestierung sämtlicher Vermögenswerte des Beschwerdegegners bei der L. Bank.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Entscheid über das Arrestbegehren ist ein
Endentscheid
im Sinn von Art. 90 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110; so ausdrücklich die Botschaft, BBl 2001 S. 4332 oben), da er losgelöst von einem Hauptverfahren erfolgt und unter prozessrechtlichen Gesichtspunkten verfahrensabschliessend ist. Lautet er auf Abweisung, ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (
Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG
).
Weiter ist zu prüfen, ob der Arrestentscheid als
materielles Endurteil
aufzufassen ist, bei dessen Prüfung das Bundesgericht über volle rechtliche Kognition verfügt (
Art. 95 BGG
), oder ob er eine
vorsorgliche Massnahme
darstellt, womit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden kann (
Art. 98 BGG
). Für die Qualifizierung ist nicht massgebend, in welchem Verfahren der Entscheid gemäss dem anwendbaren Prozessrecht ergangen ist; ausschlaggebend ist vielmehr, ob er eine Rechtsfrage endgültig, aufgrund einer vollständigen tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung mit materieller Rechtskraftwirkung regelt, ohne den Entscheid in einem Hauptverfahren vorzubehalten.
Der Arrest bezweckt allein, den Erfolg einer schon eingeleiteten oder erst noch bevorstehenden Vollstreckung, in der die Voraussetzungen einer provisorischen oder definitiven Pfändung oder der Aufnahme eines Güterverzeichnisses noch nicht gegeben sind, durch sofortige Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners zu sichern (vgl.
BGE 107 III 33
E. 2 S. 35). Insofern handelt es sich beim Arrest weder um eine Betreibungshandlung (wie bei der Pfändung) noch um die Schaffung eines materiellen Vorzugsrechts zugunsten des Gläubigers (wie bei der Verpfändung). Der Arrest hat vielmehr Sicherungsfunktion und daher auch bloss provisorischen Charakter (AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 51 Rz. 2). Dies äussert sich in der Obliegenheit zur Prosequierung gemäss
Art. 279 SchKG
, von deren rechtzeitigen Einleitung und Durchführung der Fortbestand des Arrestes abhängig ist (
Art. 280 SchKG
), und in der Möglichkeit des Schuldners, sich durch Sicherheitsleistung das freie Verfügungsrecht über die Arrestobjekte zu bewahren (
Art. 277 SchKG
;
BGE 116 III 35
E. 3b S. 40).
BGE 133 III 589 S. 591
Hat aber der Arrest weder materielle Rechtswirkungen noch eine eigenständige Regelungsfunktion, sondern erschöpft er sich in einer amtlichen Beschlagnahme, mit welcher die Wirkungen des Pfändungsbeschlages vorverlegt werden (vgl.
Art. 275 SchKG
), um den späteren Zugriff auf Vollstreckungssubstrat zu sichern, stellt er eine vorsorgliche Massnahme für die Zeit des Prosequierungsverfahrens dar; angesichts der fehlenden vorgängigen Anhörung der Gegenpartei entspricht er der superprovisorischen Verfügung des Zivilprozessrechts (vgl. AMONN/WALTHER, a.a.O., § 51 Rz. 3). In der Lehre wird der Arrest denn auch mehrheitlich als vorsorgliche Massnahme im Sinn von
Art. 98 BGG
angesehen (WALTER, Neue Zivilrechtspflege, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, Bern 2007, S. 142; TAPPY, Le recours en matière civile, in: La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne 2007, S. 98; WALTHER, Auswirkungen des BGG auf die Anwaltschaft/Parteivertretung, in: Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, S. 364 Fn. 28; JENT-SØRENSEN, BGG und SchKG, in: Wege zum Bundesgericht in Zivilsachen nach dem Bundesgerichtsgesetz, Zürich 2007, S. 76; PHILIPPIN, La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral: Effets sur le droit des poursuites et faillites, in: Le droit du bail et le droit des poursuites et des faillites, Lausanne 2007, S. 159; a.M.: PETER, Das neue Bundesgerichtsgesetz und das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, in: BlSchK 2007 S. 8).
2.
Ist nach dem Gesagten eine vorsorgliche Massnahme angefochten, kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (
Art. 98 BGG
) und darf das Bundesgericht das Recht nicht von Amtes wegen anwenden (
Art. 106 Abs. 1 BGG
), sondern aufgrund des für vorsorgliche Massnahmen geltenden Rügeprinzips nur insofern eine Prüfung vornehmen, als in der Beschwerdeschrift entsprechende Rügen vorgebracht und begründet worden sind (
Art. 106 Abs. 2 BGG
).
Die von
Art. 106 Abs. 2 BGG
geforderte Substanziierung der Vorbringen ist mit derjenigen identisch, wie sie für die frühere staatsrechtliche Beschwerde gemäss
Art. 84 OG
(BS 3 S. 531) gegolten hat (Botschaft, BBl 2001 S. 4344 f.). Gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
war in jenem Verfahren darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden waren. In diesem Sinn prüfte das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen, während es auf ungenügend
BGE 133 III 589 S. 592
begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintrat (
BGE 125 I 492
E. 1b S. 495;
BGE 130 I 258
E. 1.3 S. 262).
Vorliegend machen die Beschwerdeführer nicht einmal geltend, welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll. Die Beschwerdebegründung erschöpft sich sodann in typischer appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid, wie sie nach dem Gesagten für Beschwerden gegen vorsorgliche Massnahmen im Sinn von
Art. 98 BGG
unzulässig ist. Auf die Beschwerde ist folglich mangels Substanziierung im Sinn von
Art. 106 Abs. 2 BGG
nicht einzutreten. | mixed |
210ced9a-8f01-4ec6-9c8f-9cecf1829bec | Sachverhalt
ab Seite 273
BGE 128 V 272 S. 273
A.-
Am 22. Juni 2001 (Statutendatum) sind die Firmen KVD AG sowie CMAR SA mit Sitz in Rotkreuz gegründet worden. Gemäss Handelsregistereintrag vom 26. Juni 2001 bezwecken beide Gesellschaften insbesondere, als Krankenkasse die soziale Krankenversicherung nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit durchzuführen und Versicherungen gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit, Unfall, Mutterschaft, Invalidität und Tod anzubieten. Verwaltungsräte der KVD AG und der CMAR SA sind M. (Präsident), F. (Vizepräsident) sowie K. Die genannten Personen haben gleichzeitig Einsitz im Verwaltungsrat u.a. der Helsana (Holding), der Helsana Versicherungen AG, einer Krankenkasse im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), sowie der Helsana Zusatzversicherungen AG, einer privaten Versicherungseinrichtung im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), und sind zudem Mitglieder der Helsana-Konzernleitung.
Am 28. Juni 2001 stellten sowohl die KVD AG als auch die CMAR SA das Gesuch um Anerkennung als Krankenkasse und
BGE 128 V 272 S. 274
um Erteilung der Bewilligung für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung ab 1. Januar 2002. Dem Antragsschreiben beigelegt war u.a. ein vom selben Tag datierter Rückversicherungsvertrag mit der Helsana Versicherungen AG. Im Rahmen der Prüfung des Gesuchs forderte das instruierende Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) weitere Unterlagen ein, insbesondere Angaben zur Struktur des Helsana-Konzerns und zur Einbettung der beiden Firmen in denselben. Im Weitern untersagte das BSV den beiden Gesellschaften einen Marktauftritt bis zur allfälligen Erteilung der Bewilligung durch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI). Am 13. Juli 2001 beauftragte das Bundesamt Prof. Dr. iur. P., zu Fragen im Zusammenhang mit dem Auftreten und der Zusammenarbeit von Krankenversicherern, insbesondere wenn zwischen ihnen ein Rückversicherungsvertrag besteht, Stellung zu nehmen. Am 25. September 2001 wurde das Rechtsgutachten zur "Zulässigkeit von aktuellen Entwicklungen auf gesellschaftsrechtlicher und vertraglicher Ebene zwischen den Krankenversicherern" erstattet.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2001 lehnte das Departement das Gesuch sowohl der KVD AG als auch der CMAR SA (seit 8. November 2001: sansan Versicherungen AG resp. avanex Versicherungen AG) um Anerkennung als Krankenkasse und um Erteilung der Bewilligung für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung ab. Als Gründe für den negativen Entscheid wurden die administrative, finanzielle und auch personelle Abhängigkeit von Gesellschaften der Helsana Gruppe, namentlich der Helsana Versicherungen AG sowie der Helsana Zusatzversicherungen AG, sowie die Gefahr der Risikoselektion (Transfer "guter Risiken" von der Helsana Versicherungen AG in die neuen Versicherungen) genannt.
B.-
Die sansan Versicherungen AG und die avanex Versicherungen AG führen je Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem in der Sache gleichen hauptsächlichen Rechtsbegehren, es sei die sie betreffende Verfügung vom 28. Dezember 2001 aufzuheben und das Gesuch um Anerkennung als Krankenkasse und um Erteilung der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung gutzuheissen.
Das Departement beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerden, desgleichen das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt.
BGE 128 V 272 S. 275 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Gemäss
Art. 12 Abs. 1 KVG
setzt die Anerkennung einer juristischen Person als Krankenkasse u.a. voraus, dass sie keinen Erwerbszweck verfolgt und hauptsächlich die soziale Krankenversicherung betreibt. Für die Bewilligung der Durchführung der sozialen Krankenversicherung ist laut
Art. 13 Abs. 1 KVG
erforderlich, dass der Versicherer (anerkannte Krankenkasse oder private Versicherungseinrichtung, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG] untersteht [
Art. 11 lit. a und b KVG
]) die Anforderungen des Gesetzes erfüllt. Nach
Art. 13 Abs. 2 KVG
müssen die Versicherer insbesondere:
a. die soziale Krankenversicherung nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit durchführen und die Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten; sie dürfen die Mittel der sozialen Krankenversicherung nur zu deren Zwecken verwenden;
b. über eine Organisation und eine Geschäftsführung verfügen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten;
c. jederzeit in der Lage sein, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen;
d. auch die Einzeltaggeldversicherung nach diesem Gesetz durchführen;
e. einen Sitz in der Schweiz haben.
b) Der Bundesrat hat gestützt auf die ihm in
Art. 96 KVG
eingeräumte Gesetzesvollzugskompetenz in den
Art. 12 und 15 Abs. 1 KVV
Ausführungsbestimmungen zu den Voraussetzungen der Anerkennung als Krankenkasse sowie der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung erlassen. In
Art. 12 KVV
werden die Rechtsformen genannt, in welchen Krankenkassen gemäss
Art. 12 KVG
organisiert sein müssen (Abs. 1); im Weitern werden die Unterlagen aufgezählt, die dem Gesuch um Anerkennung als Krankenkasse beizulegen sind und worüber sie Auskunft zu geben haben (Abs. 2 lit. a-e). Diese Angaben u.a. zu den Prämientarifen, zum Budget sowie zu den Reserven und Rückstellungen in beiden Zweigen der sozialen Krankenversicherung (obligatorische Krankenpflegeversicherung und freiwillige Taggeldversicherung [
Art. 1 Abs. 1 KVG
]) sind gemäss
Art. 15 Abs. 1 lit. a KVV
auch für die Erteilung der Durchführungsbewilligung massgebend.
Art. 12 Abs. 3 KVV
schliesslich nennt die minimale Reserve, welche eine um Anerkennung als Krankenkasse nachsuchende juristische Person aufweisen muss, und deren Berechnung.
c) Es ist unbestritten, dass die in den angefochtenen Verfügungen als formell bezeichneten Zulassungsbedingungen gemäss Art. 12
BGE 128 V 272 S. 276
Abs. 1 bis 3 KVV im Entscheidzeitpunkt erfüllt waren. Hingegen erachtete das Departement die administrative, finanzielle und auch personelle Abhängigkeit von Gesellschaften der Helsana Gruppe, namentlich der Helsana Versicherungen AG sowie der Helsana Zusatzversicherungen AG, als mit dem Gesetz unvereinbar. Eine Anerkennung würde zu einem Transfer "guter Risiken" (jüngere, männliche Versicherte) von der bereits als Krankenkasse anerkannten Helsana Versicherungen AG zu den Gesuchstellerinnen führen, indem ein finanziell interessantes Versicherungspaket, bestehend aus Zusatzversicherungen der Helsana Versicherungen AG und einer bei den neuen und zum selben Konzern gehörenden Krankenkassen günstigeren "Grundversicherung", angeboten werden könnte. In einem ähnlich gelagerten Fall (K 17/02) hat das Departement weiter argumentiert, solche bedeutend günstigeren Gesamtpakete mit Grund- und Zusatzversicherungen sollten verhindern, dass grössere Versichertenkollektive von der bestehenden Krankenkasse an einen Versicherer ausserhalb des Konzerns verloren gehen. Die Konzernstruktur begünstige somit die Möglichkeit der Risikoselektion, und es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine solche auch stattfinde, was für die Nichtanerkennung genüge.
5.
a) aa) Die Beschwerdeführerinnen rügen in formeller Hinsicht eine mehrfache Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie hätten nicht mit den in den angefochtenen Verfügungen genannten Gründen für die Nichtanerkennung als Krankenkasse sowie die Verweigerung der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung rechnen müssen. Das instruierende Bundesamt habe zu keiner Zeit kundgetan, dass es die Konzernstrukturen, in welche sie eingebettet seien, als unzulässig ansehen werde. Ebenso hätten sie nicht wissen können und müssen, dass das Departement seine Entscheide auf Äusserungen in der Presse abstützen und die betreffenden Artikel zu den Akten legen werde, aus welchen zudem der unzutreffende Schluss gezogen werde, sie wollten mit ihrem Gesuch aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen die "Billig-Tochterkassen" provozieren oder sich den gleichen, gegen das Krankenversicherungsgesetz verstossenden Vorteil verschaffen. Indem das Bundesamt weder die als massgeblich erachteten Akten noch die in Betracht gezogenen Rechtsgründe für die Gesuchsablehnung vor der Entscheidung des Departementes mitgeteilt und zur Stellungnahme unterbreitet habe, sei ihr Gehörsanspruch verletzt worden. Ebenfalls hätten sie sich nicht vorgängig zum
BGE 128 V 272 S. 277
Rechtsgutachten des Prof. Dr. P. vom 25. September 2001 äussern können. Aus dieser Expertise werde in den angefochtenen Verfügungen zum Teil wörtlich zitiert. Dies betreffe vorab die - völlig aus dem Zusammenhang gerissene - Formulierung, die um die Anerkennung als Krankenkasse und die Bewilligung für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung nachsuchenden Gesellschaften benützten diesen Versicherungszweig bloss als Sprungbrett für die Zusatzversicherungen.
bb) Das Departement weist den Vorwurf der Gehörsverletzung von sich. In grundsätzlicher Hinsicht gelte es zu beachten, dass in Gesuchsverfahren eine eigentliche Vorverlagerung des rechtlichen Gehörs auf das Anfangsstadium stattfinde in dem Sinne, dass mit Einreichung des Gesuchs und der Obliegenheit, dieses zu begründen, der Anspruch in der Regel bereits erfüllt sei. Im konkreten Fall der Beschwerdeführerinnen im Besonderen sodann habe am 6. Juli 2001 eine Sitzung mit Vororientierung und Anhörung stattgefunden. Dabei sei schon damals unmissverständlich auf die Grundproblematik (Unabhängigkeit vom Helsana-Konzern, namentlich von der Helsana Versicherungen AG, sowie Gefahr der Risikoselektion) aufmerksam gemacht worden. Im Rahmen der daran anschliessenden Korrespondenz seien sodann die offenen Punkte näher erörtert worden. Es hätten somit genügend Kontakte vor der Ablehnung des Gesuches bestanden. Was den Ablauf des Verfahrens in zeitlicher Hinsicht anbelange, habe das Bundesamt beabsichtigt, bis Ende November 2001 dem Departement Antrag zu stellen. Nach Zustellung der mit Schreiben vom 3. Oktober 2001 eingeforderten weiteren Unterlagen Mitte Oktober 2001 habe das BSV festgestellt, dass die vorgesehenen Strukturen der um die Anerkennung als Krankenkasse sowie die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung nachsuchenden Aktiengesellschaften sich kaum innert nützlicher Frist - nach noch festzulegenden Vorgaben - hätten entflechten lassen, zumal dies insbesondere Auswirkungen auf die Gründungsdokumente mit allen formellen und finanziellen Folgen gehabt hätte. Da aufgrund von
Art. 12 Abs. 2 KVV
bis Ende Jahr habe entschieden werden müssen, habe das Departement im Dezember 2001 direkt die Verfügung erlassen.
b) aa) Gemäss Art. 29 des im Streit um die Anerkennung als Krankenkasse und die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung (Art. 11 lit. a in Verbindung mit
Art. 12 Abs. 1 KVG
,
Art. 13 Abs. 1 und 2 KVG
sowie
Art. 12 ff. KVV
) vor dem EDI anwendbaren (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a) Bundesgesetzes
BGE 128 V 272 S. 278
vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Departement hört die Parteien an, bevor es eine Verfügung mit Begründung erlässt (
Art. 30 Abs. 1 und
Art. 35 Abs. 1 VwVG
). Diese Regelung stellt eine Konkretisierung des in
Art. 29 Abs. 2 BV
verankerten verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (
BGE 124 V 181
Erw. 1b; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 107 Rz 293 f.; ferner
BGE 121 V 153
Erw. 4c).
bb) Nach der zu
Art. 4 Abs. 1 aBV
ergangenen, auch unter der Herrschaft des
Art. 29 Abs. 2 BV
massgebenden Rechtsprechung (
BGE 126 V 130
f. Erw. 2a) besteht Anspruch auf vorgängige Anhörung, namentlich wenn die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde ihren Entscheid mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die oder der im bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurde, auf die sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit deren Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht rechnen konnten (
BGE 126 I 22
Erw. 2c/aa,
BGE 125 V 370
Erw. 4a,
BGE 124 I 52
Erw. 3c,
BGE 123 I 69
Erw. 2d,
BGE 116 V 185
Erw. 1a, je mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet sodann, dass die Behörde die Parteien über neue, dem Dossier beigefügte Beweismittel informiert, welche für die Entscheidfindung massgebend sind (
BGE 124 II 137
Erw. 2b,
BGE 114 Ia 100
Erw. 2c). Unter Umständen kann es allerdings genügen, wenn sie die Akten zur Verfügung der Parteien bereit hält (
BGE 112 Ia 202
Erw. 2a; ZAK 1991 S. 99 Erw. 4a).
cc) Mit Bezug auf Rechtsgutachten im Besonderen besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im nicht streitigen Verwaltungsverfahren mit lediglich einer Partei grundsätzlich kein Anspruch darauf, zu einer Expertise, welche sich auf die blosse Beantwortung von Rechtsfragen beschränkt, vor Erlass der Verfügung oder des Entscheides Stellung zu nehmen. Soweit die rechtlichen Erörterungen im Gutachten in die Begründung des Erkenntnisses Eingang gefunden haben, sei mit der Möglichkeit, diese Rechtsanwendung im Rechtsmittelverfahren überprüfen zu lassen, der Gehörsanspruch gewahrt (Urteil vom 10. Dezember 1984 in Sachen Personalfürsorgefonds der X. AG, auszugsweise wiedergegeben in SZS 1985 S. 194 ff.; kritisch HANS MICHAEL RIEMER, Rechtsfragen um Rechtsgutachten, in: recht 2001 S. 148 ff., S. 152). In diesem Zusammenhang gilt es in grundsätzlicher Hinsicht zu beachten, dass je nach abstrakter rechtlicher Sichtweise der konkrete
BGE 128 V 272 S. 279
entscheidwesentliche Sachverhalt in einem andern Licht erscheint. Das kann unter Umständen nach weiteren Abklärungen tatsächlicher Natur rufen. Diesem Gesichtspunkt ist insbesondere dort erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, wo die Partei eine verstärkte Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsermittlung trifft, was regelmässig in Anerkennungs-, Zulassungs- und Bewilligungsverfahren der Fall ist. Hier kommt der Anspruch auf rechtliches Gehör in Form eines verstärkten Mitwirkungsrechts bei der Abklärung der rechtserheblichen Tatsachen zum Ausdruck (vgl. zum Ganzen MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 261 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung, insbesondere
BGE 111 Ia 104
Erw. 2b; vgl. auch
BGE 124 I 49
[Rechtsgutachten als Beweismittel für eine Rechtstatsache]).
Wie es sich mit dem Gehörsanspruch in Bezug auf von der entscheidenden Behörde eingeholte Rechtsgutachten im streitigen Verwaltungsverfahren mit mindestens zwei Parteien grundsätzlich verhält, ist unklar, kann vorliegend indessen letztlich offen bleiben. Immerhin ist hier der Anspruch auf vorgängige Stellungnahme zur Expertise in der Regel wohl zu bejahen, wenn und soweit über die Behandlung reiner Rechtsfragen hinaus der Experte sich auch zur Rechtsanwendung im konkreten hängigen Fall äussert oder seine Ausführungen Anlass für die Behörde bilden, ihren Entscheid auf ein anderes rechtliches oder tatsächliches Fundament zu stützen, als von den Parteien erwartet werden durfte (vgl. Erw. 5b/bb und ALBERTINI, a.a.O., S. 270 unten).
dd) In Bezug auf das in
Art. 30 Abs. 1 VwVG
statuierte Anhörungsrecht vor Erlass der Verfügung ist sodann der Grundsatz zu beachten, dass je offener und unbestimmter die den Verwaltungsakt tragenden materiellen Rechtsnormen sind, desto stärker die verfahrensrechtlichen Garantien als Schutz vor unrichtiger Rechtsanwendung auszubauen sind. Die verfassungskonforme Gewährung des rechtlichen Gehörs erfordert daher unter Umständen, dass die Behörde, bevor sie in Anwendung einer unbestimmt gehaltenen Norm oder in Ausübung eines besonders grossen Ermessensspielraums einen Entscheid von grosser Tragweite für die Betroffenen fällt, diese über ihre Rechtsauffassung orientiert und ihnen Gelegenheit bietet, dazu Stellung zu nehmen (
BGE 127 V 434
f. Erw. 2b/cc mit Hinweisen auf die Lehre,
BGE 109 Ia 284
Erw. 4d; zur Bestimmtheit der angewendeten Rechtssätze vgl.
BGE 123 I 5
f. Erw. 4b).
BGE 128 V 272 S. 280
ee) Schliesslich ist auf
Art. 30 Abs. 2 lit. e VwVG
hinzuweisen. Nach dieser Ausnahmeregelung zu
Art. 30 Abs. 1 VwVG
braucht eine Partei nicht vorgängig angehört zu werden vor Verfügungen in einem erstinstanzlichen Verfahren, wenn Gefahr im Verzug ist, den Parteien die Beschwerde gegen die Verfügung zusteht und ihnen keine andere Bestimmung des Bundesrechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung gewährleistet. Dieser Tatbestand setzt neben dem Gefahrenmoment kumulativ voraus, dass gegen die Verfügung ein verwaltungsinterner Beschwerdeweg mit voller Überprüfungsbefugnis offen steht; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde genügt für den Verzicht auf eine Anhörung grundsätzlich nicht (
BGE 126 II 122
f. Erw. 6b/aa).
c) aa) Im Lichte des Vorstehenden ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Aufgrund der Akten trifft zu, dass die Beschwerdeführerinnen von Anfang an wussten oder zumindest wissen konnten, dass das Bundesamt die Anerkennung als Krankenkasse und die Erteilung der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Unabhängigkeit von ebenfalls zum Helsana-Konzern gehörenden Gesellschaften sowie der damit verbundenen Gefahr der Risikoselektion als problematisch erachtete. Insoweit das Departement mit dieser Begründung, ob zu Recht oder nicht, die Gesuche abgelehnt hat, kann nicht von einer Gehörsverletzung gesprochen werden.
bb) Anders verhält es sich in Bezug auf die vom EDI zur Rechtfertigung des Verzichts auf eine vorgängige formelle Anhörung hauptsächlich ins Feld geführte zeitliche Dringlichkeit der Verfügungen. Nach Lage der Akten war das eigentliche Instruktionsverfahren zur Beschaffung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen, worauf die angefochtenen Verfügungen beruhen, mit der Einreichung weiterer vom Bundesamt geforderter Dokumente Mitte Oktober 2001 grundsätzlich abgeschlossen. Das bei Prof. Dr. P. in Auftrag gegebene Rechtsgutachten war bereits am 25. September 2001 erstattet worden. Es ist daher unter zeitlichem Gesichtswinkel kein genügender Grund ersichtlich, weshalb das Bundesamt entgegen seiner Ankündigung im Schreiben vom 14. September 2001 die Beschwerdeführerinnen nicht vorgängig darüber orientierte, in welchem Sinne es Antrag an das Departement stellen werde, und ihnen - nach Kenntnisgabe der Expertise - keine Gelegenheit zur Ergänzung der Gesuchsunterlagen gab. Wenn und soweit die rechtlichen Entscheidungsgrundlagen eine zuverlässige Beurteilung der Gesuche in dem Sinne nicht erlaubten, dass auf Verordnungsstufe
BGE 128 V 272 S. 281
oder der Ebene von Verwaltungsverordnungen oder Weisungen noch keine im Einzelfall anwendbaren, die gesetzlichen Anerkennungs- und Durchführungsbewilligungsvoraussetzungen konkretisierenden Kriterien ausformuliert waren, stellt dies keinen rechtlich anerkannten Tatbestand dar, um von der vorgängigen Anhörung der Gesuchstellerinnen abzusehen. Ein solcher Sachverhalt wird insbesondere nicht von
Art. 30 Abs. 2 lit. e VwVG
gedeckt.
cc) Was sodann die Rüge anbetrifft, das Rechtsgutachten vom 25. September 2001 sei den Gesuchstellerinnen nicht vorgängig der Verfügungen zur Stellungnahme unterbreitet worden, ist zu beachten, dass die Anerkennungs- und Durchführungsbewilligungsordnung (
Art. 11 ff. KVG
,
Art. 12 ff. KVV
; Erw. 4a und b) in materieller Hinsicht einen relativ hohen Unbestimmtheitsgrad aufweist. In diesem Zusammenhang wird namentlich im Gutachten unter Hinweis auf den Wortlaut ("insbesondere") zu Recht festgehalten, dass die Aufzählung in
Art. 13 Abs. 2 KVG
nicht abschliessend ist. Vielmehr setzt die Erteilung der Durchführungsbewilligung voraus, dass der Versicherer laut
Art. 13 Abs. 1 KVG
die "Anforderungen dieses Gesetzes" erfüllt, worunter grundsätzlich alle an ihn gerichteten Vorschriften zu verstehen sind. Umgekehrt entzieht das Departement einem Versicherer die Bewilligung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (
Art. 13 Abs. 3 Satz 1 KVG
). In Bezug auf die Organisation und die Geschäftsführung (
Art. 13 Abs. 2 lit. b KVG
) im Besonderen, welche vorliegend nach Auffassung des Departementes wegen der administrativen, finanziellen und personellen Abhängigkeit der Beschwerdeführerinnen von zum gleichen Konzern gehörenden Versicherungsgesellschaften die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (u.a. wegen der Gefahr unzulässiger Risikoselektion) nicht gewährleisten, räumen Gesetz und Verordnung den Versicherern einen grossen Gestaltungsspielraum ein. Das vom Bundesamt eingeholte Rechtsgutachten vom 25. September 2001 sollte offensichtlich die Grundlagen für die Formulierung von Kriterien liefern, welche die gesetzlichen Anerkennungs- und Durchführungsbewilligungsvoraussetzungen konkretisieren (vgl. nachstehende Erw. 6). Den Beschwerdeführerinnen hätte daher Gelegenheit gegeben werden müssen, vor der Verfügung zum Rechtsgutachten Stellung zu nehmen und in Kenntnis der von Bundesamt und Departement daraus entnommenen Grundsätze, welchen eine anerkannte Krankenkasse insbesondere in organisatorischer Hinsicht zu genügen hat, allenfalls mit weiteren tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen gehört zu werden.
BGE 128 V 272 S. 282
d) Eine Heilung der dargelegten Gehörsverletzungen im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren fällt zumal mit Blick auf die angesichts der Offenheit der Anerkennungs- und Durchführungsbewilligungsordnung gemäss
Art. 11 ff. KVG
umso grössere Bedeutung des Rechtsgutachtens vom 25. September 2001 (Erw. 5b/dd) und die erhebliche Tragweite eines negativen Entscheides für die Beschwerdeführerinnen grundsätzlich ausser Betracht. Von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Wahrung des Gehörsanspruchs und neuer Entscheidung ist aus nachfolgenden Gründen indessen abzusehen.
6.
Materiellrechtlich stellt sich vorab die Frage, inwiefern die Grundsätze, welchen gemäss Rechtsgutachten vom 25. September 2001 und auch nach Auffassung des Departementes eine bundesrechtlich anerkannte Krankenkasse in organisatorischer Hinsicht genügen muss, eine Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen im Sinne von
Art. 13 Abs. 1 KVG
darstellen und, soweit dies zutrifft, vorliegend zur Nichtanerkennung als Krankenkasse und Verweigerung der Durchführungsbewilligung führen. Bei den erwähnten Regeln handelt es sich um die folgenden:
- Verbot der Weiterdelegation der Aufgabe der sozialen Krankenversicherung auf Dritte ohne Kontrollmöglichkeiten;
- Beachtung des Grundsatzes der Vermeidung von Interessenkollisionen im Führungs- und Geschäftsleitungsbereich;
- Gewährleistung der grundsätzlichen Ziele des Krankenversicherungsgesetzes (Solidaritätsprinzip, Gleichbehandlungsprinzip, Gegenseitigkeitsprinzip, Zweckbindung der Mittel usw.);
- keine unzulässige Vermischung mit anderen Versicherungsaufgaben, zumindest soweit dadurch der Hauptzweck des Betriebes (soziale Krankenversicherung) gefährdet würde;
- Verpflichtung zur wirtschaftlichen Geschäftsführung. a) Zwei der erwähnten Regeln, nämlich die "Gewährleistung der grundsätzlichen Ziele des Krankenversicherungsgesetzes (Solidaritätsprinzip, Gleichbehandlungsprinzip, Gegenseitigkeitsprinzip, Zweckbindung der Mittel usw.)" und die "Verpflichtung zur wirtschaftlichen Geschäftsführung" wiederholen praktisch wortwörtlich, was schon das Gesetz in
Art. 13 Abs. 2 lit. a und
Art. 22 Abs. 1 KVG
sagt. Daraus lässt sich für die Anwendung im Einzelfall nichts entscheidend Neues gewinnen. Nicht näher einzugehen ist sodann auf den Grundsatz "Keine unzulässige Vermischung mit anderen Versicherungsaufgaben, zumindest soweit dadurch der Hauptzweck des Betriebes (soziale Krankenversicherung) gefährdet würde". Aufgrund der Akten steht fest und ist unbestritten, dass
BGE 128 V 272 S. 283
die Beschwerdeführerinnen einzig die soziale Krankenversicherung durchführen und keine Zusatzversicherungen im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 KVG
anbieten wollen.
b) Was das "Verbot der Weiterdelegation der Aufgabe der sozialen Krankenversicherung auf Dritte ohne Kontrollmöglichkeiten" anbelangt, ist zu beachten, dass die juristische Person, welche um Anerkennung als Krankenkasse sowie um Bewilligung für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung nachsucht, selber die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen muss und bei einer Zulassung, allenfalls unter Auflagen, der aufsichtsrechtlichen Kontrolle durch das Bundesamt unterliegt. Im Weitern lässt sogar das Gesetz insofern eine solche Delegation zu, als die Versicherer Leistungen, die sie nach diesem Gesetz ausrichten, vertraglich rückversichern lassen können (
Art. 14 Abs. 1 KVG
). Dabei kommen als Rückversicherer auch anerkannte Krankenkassen mit einem vom Bundesrat in
Art. 16 Abs. 1 lit. b KVV
festgesetzten Mindestbestand an Versicherten in Betracht (
Art. 12 Abs. 4 KVG
). Die Rückversicherer bedürfen ebenfalls einer Bewilligung des Departements, wobei für deren Erteilung
Art. 13 KVG
sinngemäss gilt (
Art. 14 Abs. 2 KVG
). Und nach
Art. 16 Abs. 3 KVV
sind die Bestimmungen über die Versicherer sinngemäss auf die Rückversicherer anwendbar, soweit sie diese betreffen. Stehen somit die um Anerkennung als Krankenkasse nachsuchende juristische Person und der delegierte Dritte in einem gesetzlichen Rückversicherungsverhältnis, kann klarerweise nicht von einer fehlenden Kontrollmöglichkeit gesprochen werden. So verhält es sich hier, indem die Beschwerdeführerinnen mit der Helsana Versicherungen AG einen Rückversicherungsvertrag abgeschlossen haben und diese ihrerseits beim Departement um die erforderlichen Bewilligungen nachgesucht hat. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass entgegen den angefochtenen Verfügungen weder die Reserven noch das Aktienkapital der am Recht stehenden Gesellschaften von der Helsana Versicherungen AG finanziert wurden. Ein solche Beteiligung zwischen (anerkannten) Krankenkassen widerspräche offensichtlich dem Grundsatz der Gegenseitigkeit sowie dem Verbot der Zweckentfremdung der Mittel (
Art. 13 Abs. 2 lit. a KVG
). Aufgrund der Akten und der unwidersprochen gebliebenen Darlegungen in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden stammen die betreffenden Mittel von der Helsana Zusatzversicherungen AG, welche gemäss statutarischem Zweck nicht im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätig ist, sondern einzig private Versicherungen anbietet.
BGE 128 V 272 S. 284
c) Dem Grundsatz der "Vermeidung von Interessenkollisionen im Führungs- und Geschäftsleitungsbereich" schliesslich soll gemäss angefochtenen Verfügungen offenbar der Umstand widersprechen, dass die Verwaltungsräte der Beschwerdeführerinnen gleichzeitig Mitglieder der Helsana-Konzernleitung sind und überdies Einsitz im Verwaltungsrat u.a. der Helsana (Holding), der Helsana Versicherungen AG sowie der Helsana Zusatzversicherungen AG haben. Inwiefern indessen aufgrund dieser personellen "Verflechtungen" die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht gewährleistet sei, worauf es bei der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung letztlich ankommt (
Art. 13 Abs. 2 lit. b KVG
), ist nicht ersichtlich und bisher vom Departement auch nicht dargetan worden. Abgesehen davon kann nicht gesagt werden, die Interessen der erwähnten Gesellschaften einerseits und der Beschwerdeführerinnen anderseits stünden zueinander in einem Gegensatz. Bei einer allfälligen Anerkennung als Krankenkassen befänden sich im Übrigen die Beschwerdeführerinnen in einem Konkurrenzverhältnis mit der Helsana Versicherungen AG als bereits anerkannter Krankenkasse, welches trotz Zugehörigkeit zum selben Konzern grundsätzlich kein anderes ist als zwischen irgend zwei von der Grösse und Risikostruktur her vergleichbaren Versicherern. Wenn und soweit eine Zusammenarbeit im Bereich Organisation und Geschäftsführung zwecks Nutzung von Synergien stattfindet, ist dagegen solange nichts einzuwenden, als jede Krankenkasse für sich allein die Anforderungen dieses Gesetzes erfüllt, insbesondere über eine Organisation und eine Geschäftsführung verfügt, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten (
Art. 13 Abs. 2 lit. b KVG
). Gemäss der Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 (BBl 1992 I 93 ff.) ist u.a. die Verwaltung der Anzahl der Versicherten und dem Tätigkeitsgebiet anzupassen und sollten "die Verantwortlichen die zur Durchführung einer Sozialversicherung nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen" (BBl 1992 I 146 f.). Vorbehalten bleiben allenfalls kartellrechtlich unzulässige Monopolkonstellationen (vgl. Amtl.Bull. 1993 N 1738 f. [Segmüller und Philipona, Berichterstatter], 1743 [Heberlein], 1747 [Gonseth] und 1753 [Jäggi]).
d) aa) Nach dem Vorstehenden lassen sich aus den vom Departement herangezogenen Grundsätzen gemäss Rechtsgutachten vom 25. September 2001 somit direkt keine Argumente ableiten, welche gegen die Anerkennung der Beschwerdeführerinnen als
BGE 128 V 272 S. 285
Krankenkassen sowie die Verweigerung der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung sprächen. Insbesondere bildet die Zugehörigkeit zum gleichen Konzern wie die bereits als Krankenkasse anerkannte und im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätige Helsana Versicherungen AG sowie die im Privatversicherungsbereich operierende Helsana Zusatzversicherungen AG für sich allein genommen keinen Ablehnungsgrund. Die gegenteilige Auffassung liesse sich auch schwerlich mit der Rechtstatsache in Einklang bringen, dass im Unterschied zum alten Recht der Bereich der sozialen Krankenversicherung neu ebenfalls den privaten Versicherungseinrichtungen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterstehen, zugänglich ist (
Art. 11 lit. b KVG
; vgl. BBl 1992 I 120 und 145 sowie Amtl.Bull. 1992 S 1279 [Coutau] und 1284 [Schoch, Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S)]; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 47). Dabei besteht kein Numerus clausus der Versicherer, auch nicht in Form des Erfordernisses eines Bedürfnisnachweises. In dieser in Bezug auf die Durchführungsorgane liberaleren Zulassungsordnung kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, einerseits die Konkurrenz zu verstärken und anderseits bestehendes Know-how im privaten Versicherungsbereich für die Belange der sozialen Krankenversicherung dienstbar zu machen (vgl. Amtl.Bull. 1992 S 1274 [Seiler] und 1287 [Huber, Berichterstatter]; ferner Protokoll der Sitzung der SGK-S vom 29./30. Juni 1992). In diesem Kontext ist die Ausdehnung der Rechtsformen, in welchen sich die Krankenkassen zu organisieren haben, auf die im Entwurf des Bundesrates nicht vorgesehene Aktiengesellschaft mit andern als wirtschaftlichen Zwecken (
Art. 620 Abs. 3 OR
) zu sehen (vgl.
Art. 12 Abs. 1 lit. a KVV
; BBl 1992 I 145 und 259; Protokoll der Sitzung der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates [SGK-N] vom 25./26. Januar 1993). Folgerichtig gilt für alle Versicherer gemäss
Art. 11 KVG
als solche und auch in ihrem Verhältnis untereinander das Verbot der Zweckentfremdung der Mittel der sozialen Krankenversicherung nach
Art. 13 Abs. 2 lit. a KVG
(vgl. BBl 1992 I 133; ferner EUGSTER, a.a.O., Fn 103).
bb) Dass Krankenkassen laut
Art. 12 Abs. 1 KVG
im Unterschied zu den privaten Versicherungseinrichtungen auch im Bereich der Zusatzversicherungen gemäss
Art. 12 Abs. 2 KVG
keinen Erwerbszweck verfolgen dürfen (BBl 1992 I 145; Amtl.Bull. 1992 S 1288
BGE 128 V 272 S. 286
[Huber, Berichterstatter]; EUGSTER, a.a.O., Rz 58), ist in diesem Zusammenhang insofern nicht von Belang, als zwischen den im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätigen Versicherern möglichst gleich lange (Wettbewerbs-)Spiesse gelten sollen (Protokoll der Sitzung der SGK-S vom 29./30. Juni 1992). Anderseits wollte der Gesetzgeber nicht so weit gehen und den Transfer von Mitteln, insbesondere in Form einer Beteiligung, von privaten Versicherungseinrichtungen, die nicht im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätig sind, zu Krankenkassen verbieten. Dieser Schluss ergibt sich abgesehen vom Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung daraus, dass in der SGK-S bei der Erörterung der Frage, ob auch die SUVA zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung zuzulassen sei, u.a. darauf hingewiesen wurde, dass nach der Praxis seit jeher die Möglichkeit für Privatversicherer bestanden habe, sich an einer Krankenkasse zu beteiligen oder (Tochter-)Gesellschaften zu gründen, welche sich dem Status der Krankenversicherung unterstellen (Protokoll der Sitzung der SGK-S vom 4. bis 6. November 1992). In gleichem Sinne äussert sich auch das Departement in der Vernehmlassung. Danach ist die Ausgliederung der Zusatzversicherung in eine private Versicherungsgesellschaft unter Beibehaltung eines engen Kontaktes mit der Krankenkasse bisher von den zuständigen Aufsichtsbehörden (Bundesamt für Sozialversicherung [BSV] und Bundesamt für Privatversicherungen [BPV]) ausdrücklich gebilligt worden. Soweit in solchen Fällen die in den angefochtenen Verfügungen mit Bezug auf die Beschwerdeführerinnen sinngemäss bejahte Gefahr besteht, dass nach der Einschränkung des Tätigkeitsfeldes auf die soziale Krankenversicherung eine Krankenkasse lediglich "Sprungbrett in den Zusatzversicherungsbereich" zugunsten einer privaten Versicherungseinrichtung sein könnte, genügt dies daher nicht, um die Anerkennung abzulehnen und die Durchführungsbewilligung zu verweigern. Dies muss umso mehr gelten, als dem Gesetzgeber durchaus bewusst war, dass Versicherer versucht sein könnten, mit kombinierten Angeboten von "Grundversicherung" und Zusatzversicherungen Personen mit (privat- und kranken-)versicherungsrechtlich günstiger Risikostruktur zu gewinnen oder umgekehrt "schlechte Risiken" von einem Beitritt abzuhalten (Amtl.Bull. 1992 S 1340 [Plattner], 1993 N 1909 [Rychen] sowie 1994 N 39 [Hafner]; vgl. auch nachstehend Erw. 7). Im Übrigen kann ganz allgemein eine bloss abstrakte (vermutete) Gefährdung der Ziele oder eine theoretisch denkbare Unvereinbarkeit mit Vorschriften des
BGE 128 V 272 S. 287
Krankenversicherungsgesetzes nicht diese für die betreffende juristische Person einschneidende Rechtsfolge zeitigen. Dies muss umso mehr gelten, als es sich beim Anerkennungs- und Durchführungsbewilligungsverfahren nicht um eine repressive, am tatsächlichen Verhalten des Gesuchstellers oder der Gesuchstellerin gemessene verwaltungsrechtliche Massnahme handelt.
7.
Aus grundsätzlichen Erwägungen, und weil vorliegend entscheidwesentlich, ist nachfolgend auf das schon in den angefochtenen Verfügungen sinngemäss enthaltene Argument in der Vernehmlassung des Departements näher einzugehen, eine konzernmässige Verbindung mehrerer Versicherer im Sinne von
Art. 11 KVG
und allenfalls privater Versicherungseinrichtungen, die nicht im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätig sind, erleichtere offensichtlich die Risikoselektion durch zielgerichtete Risikoverteilung im Rahmen des Konglomerates. Dabei ist unter Risikoselektion in diesem Zusammenhang das gezielte Anwerben von so genannten "guten Risiken" zu verstehen, namentlich jüngere, männliche Versicherte, welche vergleichsweise geringe Krankheitskosten verursachen (vgl. STEFAN SPYCHER, Risikoausgleich in der Krankenversicherung: Notwendigkeit, Ausgestaltung und Wirkungen, Diss. Basel 2001, S. 133 sowie S. 140 ff. zu den verschiedenen Risikoselektionsstrategien; ferner
BGE 125 V 80
, insbesondere 90 f. Erw. 5c/bb, zum umgekehrten Tatbestand des Abstossens "schlechter" Risiken, u.a. ältere und weibliche Versicherte). Wann ein Versicherer unzulässige Risikoselektion betreibt, hat das Gesetz zu sagen.
a) aa) Aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht unerwünschte Risikoselektion war schon unter altem Recht ein brennendes Thema. Es führte zur Schaffung des Risikoausgleichs mit Bundesbeschluss vom 13. Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung. In der dazugehörigen Botschaft vom 6. November 1991 (BBl 1991 IV 917 ff.) wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt: "Das heutige System begünstigt neue Krankenkassen, weil diese in erster Linie junge und gesunde Versicherte anwerben und damit sehr günstige Prämien offerieren können. Gleichzeitig verlieren dadurch die 'alten' Krankenkassen die Substanz an jungen, das heisst kostengünstigen Versicherten. Die Leidtragenden sind die älteren und kranken Versicherten, die nach heutigem Recht die Krankenkasse praktisch nicht mehr wechseln können. In letzter Zeit haben sich die Anzeichen vermehrt, dass die Krankenkassen selber dazu übergehen möchten, neue
BGE 128 V 272 S. 288
'Billigkassen' zu gründen und diese durch ein 'Mutter-Tochter-Verhältnis' an sich zu binden. Dies würde längerfristig den Ruin der Krankenversicherung in der heutigen Form bedeuten" (BBl 1991 IV 920; vgl. auch Amtl.Bull. 1991 S 1003 [Simmen]; ferner
BGE 122 V 406
Erw. 2b,
BGE 120 V 461
Erw. 4b; vgl. auch SPYCHER, a.a.O., S. 13 und 111). Art. 1 Abs. 1 des Bundesbeschlusses ordnete daher an, dass Krankenkassen, denen im Vergleich zum Durchschnitt aller Krankenkassen als Mitglieder weniger Frauen und ältere Personen angehören, zugunsten von Kassen mit überdurchschnittlich vielen Frauen und älteren Personen Abgaben zu entrichten haben, welche die durchschnittlichen Kostenunterschiede zwischen den massgebenden Risikogruppen in vollem Umfang ausgleichen. Im Weitern sah Art. 3 des Bundesbeschlusses vor, dass keine neuen Krankenkassen anerkannt werden und dass bei bereits anerkannten Krankenkassen keine Ausdehnung des Tätigkeitsgebietes zugelassen wird. Der Bundesrat hat in der Verordnung IX vom 31. August 1992 über die Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter den Krankenkassen nähere Bestimmungen erlassen.
bb) Der kraft Dringlichkeitsrechts geschaffene Risikoausgleich ist, inhaltlich im Wesentlichen unverändert, befristet auf zehn Jahre ins neue Krankenversicherungsgesetz überführt worden (vgl.
Art. 105 KVG
sowie Verordnung vom 12. April 1995 über den Risikoausgleich in der Krankenversicherung [VORA]). In der Botschaft vom 6. November 1991 wird dazu u.a. ausgeführt, es bestünden heute zwischen den Krankenkassen grosse Unterschiede in der Risikostruktur in Bezug auf Alter und Geschlecht der Versicherten. Diese würden zunächst noch verschärft, indem neue Versicherer zugelassen werden können, die wahrscheinlich mit einer eher günstigen Risikostruktur begännen; die Freizügigkeit (in Bezug auf die Wahl und den Wechsel des Versicherers [Art. 4 und 7 E-KVG]) werde nur allmählich zu einem Ausgleich führen. Der Risikoausgleich könne zu einer an sich unerwünschten Strukturerhaltung führen. Anderseits dürfe die Konkurrenz zwischen den Versicherern durchaus zur Folge haben, dass schlecht geführte Versicherer ihre Tätigkeit einstellen müssten (BBl 1992 I 216 f.). Der Risikoausgleich als solcher wie auch die Befristung auf die Dauer von zehn Jahren ab Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes wurden in den Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Ständerates und des Nationalrates sowie in beiden Kammern des Parlamentes ausführlich diskutiert (vgl. Amtl.Bull. 1992 S 1275 und 1340 ff., 1993 N 1727, 1747 und 1907 ff., S 1096 f. sowie 1994 N
BGE 128 V 272 S. 289
39 ff.; Protokolle der Sitzungen der SGK-S vom 1. und 16. Oktober 1992 sowie der SGK-N vom 14. Mai 1993 und 3. Februar 1994). Schliesslich setzten sich trotz einiger Bedenken wegen des strukturerhaltenden und wettbewerbsfeindlichen Charakters dieses Instrumentes (Amtl.Bull. 1993 N 1755 [Allenspach] und 1907 [Gysin]), welchem im Übrigen keine weiter gehende Funktion und Bedeutung zukommt als die Verhinderung unerwünschter Risikoselektion, die im Wesentlichen bereits in der Botschaft enthaltenen Argumente für die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung durch. Insbesondere fand die Auffassung die Zustimmung der Ratsmehrheit, die Freizügigkeit als unbestritten notwendige Bedingung für funktionierenden Wettbewerb unter den Versicherern, wo und soweit Konkurrenz möglich ist, genüge allein nicht, um das Ziel der bestmöglichen Verteilung nach Alter und Geschlecht der Versicherten unter den Kassen überhaupt oder innert nützlicher Frist zu erreichen. Vielmehr sei gleichsam als flankierende Massnahme der Risikoausgleich für eine bestimmte, nicht zu kurz bemessene Dauer weiterzuführen (vgl. Amtl.Bull. 1992 S 1341 [Huber, Berichterstatter], 1993 N 1747 [Eymann], 1909 [Rychen], 1910 [Segmüller, Berichterstatterin] sowie 1994 N 40 [Heberlein, Gonseth, Deiss, Rychen]).
b) aa) Die Entstehungsgeschichte zum Risikoausgleich zeigt, dass die unter altem Recht als unerwünscht erachteten Risikoselektions-Tatbestände im Wesentlichen systembedingt waren. Namentlich nach Alter und Geschlecht differenzierende Prämientarife, Vorbehalte zwecks Ausschlusses bestehender oder früherer Krankheiten von der Versicherungsdeckung sowie statutarisch festgelegte Höchsteintrittsalter führten dazu, dass "faktisch nur junge und gesunde Versicherte die Kassen wechseln und so von günstigeren Prämienangeboten profitieren können und dass bei einer Auflösung von Krankenkassen ältere Versicherte benachteiligt sind" (BBl 1992 I 103 ff. und 134; vgl. auch Amtl.Bull. 1993 N 1824 [Bundesrätin Dreifuss]). Der KVG-Gesetzgeber hat, in Verwirklichung des Hauptzieles der Neuordnung der sozialen Krankenversicherung (Herstellung umfassender Solidarität, insbesondere zwischen Gesunden und Kranken, Jungen und Alten sowie zwischen Männern und Frauen [BBl 1992 I 119; vgl. auch Amtl.Bull. 1992 S 1283 (Schoch, Präsident der SGK-S) und 1285 (Bundesrat Cotti) sowie 1993 N 1824 (Bundesrätin Dreifuss)]), die im KUVG enthaltenen, unerwünschte Risikoselektion begünstigenden Regelungen nicht ins KVG übernommen. Vielmehr hat er neben dem Versicherungsobligatorium (
Art. 3 KVG
) die uneingeschränkte Freizügigkeit
BGE 128 V 272 S. 290
in Bezug auf die Wahl und den Wechsel des Versicherers (
Art. 4 und 7 KVG
) sowie die Einheitsprämie (
Art. 61 KVG
) eingeführt. Unter dem neuen Recht kann somit eine versicherte Person unabhängig von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand den Versicherer wechseln und denjenigen mit den günstigsten Prämien wählen (BBl 1992 I 125; vgl. auch Amtl.Bull. 1993 N 1908 [Allenspach]). Die Solidarität als umfassend zu verstehendes Prinzip (Alle Versicherten bilden eine einzige Risikogemeinschaft, "une véritable communauté solidaire nationale" [Amtl.Bull. 1993 N 1746 (Deiss)]) bedeutet im Besonderen das Ende geschlossener, eine spezifische, in der Regel günstige Risikostruktur aufweisender Krankenkassen, namentlich Betriebskrankenkassen (BBl 1992 I 99 und 142; Amtl.Bull. 1993 N 1755 [Allenspach]; vgl.
Art. 3 Abs. 6 und
Art. 6 Abs. 1 KUVG
). Desgleichen sind im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung prämiengünstige(re) Kollektivversicherungen für bestimmte Personengruppen innerhalb des selben Versicherers grundsätzlich nicht mehr zulässig (BBl 1992 I 104 und 125; Amtl.Bull. 1992 S 1272 [Huber, Berichterstatter], 1280 [Meier], 1993 N 1820 [Dormann]; vgl.
Art. 5bis KUVG
).
bb) Zur Konzeption des neuen Krankenversicherungsgesetzes gehört sodann weiter, dass unter den Versicherern Wettbewerb herrscht. Die Konkurrenz soll indessen nur spielen, wenn und soweit die kostenmässig im Allgemeinen und in Form hoher Prämien für einen Teil der Versicherten im Besonderen (vgl. Amtl.Bull. 1992 S 1279 [Coutau]) relevanten Risiken, namentlich das Alter und das Geschlecht, möglichst gleichmässig unter den Anbietern verteilt sind. Die hiezu notwendigen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber im Wesentlichen selber mit der Einführung der Freizügigkeit und der Einheitsprämie geschaffen. Zweck des Risikoausgleichs im neuen System ist es, den Prozess hin zur erwünschten besseren Risikodurchmischung im Sinne der Angleichung der Risikostrukturen unter den Versicherern (Amtl.Bull. 1992 S 1340 [Plattner], 1993 N 1907 [Gysin]) zu unterstützen, indem er den Anreiz zur gezielten Selektion "guter Risiken" nimmt (Amtl.Bull. 1993 N 1909 [Rychen]), die "Jagd auf günstige Risiken" (Amtl.Bull. 1994 N 39 [Hafner]) resp. "la chasse aux bons risques" (Amtl.Bull. 1993 N 1910 [Philipona, Berichterstatter]) weiterhin nicht lohnenswert macht (Amtl.Bull. 1993 N 1875 [Bundesrätin Dreifuss]). Dabei geht es nicht darum, bestimmte Verhaltensweisen der Versicherer zu sanktionieren. Vielmehr soll der Risikoausgleich Solidarität zwischen den Anbietern im Bereich der sozialen Krankenversicherung
BGE 128 V 272 S. 291
herstellen, und zwar solange, bis das Ziel einer für gesunden Wettbewerb als notwendig erachteten besseren Risikodurchmischung erreicht ist (Amtl.Bull. 1992 S 1341 [Huber, Berichterstatter], 1993 N 1820 [Dormann]) und die Bandbreite der Prämien sich entsprechend verringert hat (BBl 1992 I 135, Amtl.Bull. 1993 N 1910 [Segmüller, Berichterstatterin]; SPYCHER, a.a.O., S. 113). Dem trägt die Genehmigungspraxis des Bundesamtes dadurch Rechnung, dass neue Krankenkassen im ersten Jahr die Durchschnittsprämie im jeweiligen Kanton anbieten müssen.
c) Aus dem Vorstehenden ist zu folgern, dass Freizügigkeit und Einheitsprämie sowie Risikoausgleich nicht bedeuten, es könne aus Sicht des Gesetzes keine unerwünschte Risikoselektion mehr geben (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Botschaft des Bundesrates betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. September 2000 [BBl 2001 741 ff.] S. 766 und 797). Wann ein solcher Tatbestand gegeben und ein aufsichtsrechtliches Einschreiten geboten ist, beurteilt sich nach dem gesetzgeberischen Ziel, dass bis zum Ablauf der Dauer des Risikoausgleichs zehn Jahre nach Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes (
Art. 105 Abs. 4 KVG
) in Bezug auf die Risikostruktur (Verteilung nach Alter und Geschlecht der Versicherten unter den Kassen) Bedingungen herrschen, welche einen gesunden und unter dem Kostengesichtspunkt wirksamen Wettbewerb ermöglichen (in diesem Sinne auch Amtl.Bull. 1992 S 1340 [Plattner] und 1994 N 41 [Bundesrätin Dreifuss]). Unzulässig ist insbesondere, dass eine Krankenkasse oder eine private Versicherungseinrichtung nach
Art. 11 lit. b KVG
zwar rechtlich für alle Versicherten offen ist, ein Beitritt indessen faktisch lediglich für einen ganz bestimmten Kreis von Personen mit günstiger Risikostruktur effektiv in Betracht fällt. Vorliegend stellt sich in der Tat die Frage, ob ein solcher Sachverhalt gegeben ist (vgl. nachstehend Erw. 8). Hingegen kann aus der konzernmässigen Verbindung mehrerer Versicherer im Sinne von
Art. 11 KVG
und allenfalls privater Versicherungseinrichtungen, die nicht im Bereich der sozialen Krankenversicherung tätig sind, allein nicht ohne weiteres gefolgert werden, die Risikoselektion werde durch zielgerichtete Risikoverteilung im Rahmen des Konglomerates in einer mit dem Prinzip der Solidarität unter den Versicherten unvereinbaren Weise erleichtert. Eine lediglich mit dieser Begründung versehene Ablehnung der Anerkennung als Krankenkasse und Verweigerung der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung müsste als bundesrechtswidrig bezeichnet werden.
BGE 128 V 272 S. 292
8.
a) In den Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden als "Zweck der Neugründung" günstige Prämien dank Erleichterungen in administrativer Hinsicht durch den Einsatz neuer Technologien genannt. Indem die Krankenversicherungen auf dem Internet und in Call-Centern offeriert würden, könne auf ein teures Filialnetz verzichtet werden, dies bei gleich bleibendem Dienstleistungsniveau. Nach Dafürhalten des Departementes würde der Einsatz der neuen Technologien "praktisch unausweichlich zu einer Risikoselektion führen, da die älteren Versicherten bekanntlich von diesen Technologien weniger Gebrauch machen als die jüngeren". Es sei insbesondere davon auszugehen, dass vor allem nicht gerade die ältesten und gesundheitlich angeschlagenen Versicherten (z.B. Pflegeheiminsassen) die neuen Marktentwicklungen im Technologiebereich nutzten. Im Übrigen könne Risikoselektion nicht nur bei bestehenden Versicherungsverhältnissen innerhalb des Konzerns (mit der Helsana Versicherungen AG), sondern auch bei der Akquirierung von neuen Versicherten ausserhalb des Konzerns erfolgen. Schliesslich dürfe der Wettbewerb und die Konkurrenz unter den Versicherern nicht mit Mitteln verfolgt werden, welche eine Risikoselektion begünstigten.
b) aa) Dem Departement ist darin beizupflichten, dass der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel bei der Offertstellung (Internet, Call-Center) und allgemein im Verkehr mit den Versicherten alle jene Personen faktisch von einem möglichen Beitritt zu einem Versicherer ausschliesst, die, aus welchen Gründen auch immer, diese neuen Formen des Informationsaustausches und der Geschäftsabwicklung nicht benutzen. Dabei ist in erster Linie, und auch hierin ist dem EDI zuzustimmen, an die älteren und betagten Leute zu denken. Diese Feststellung ist allerdings insofern zu relativieren, als die Bereitschaft für einen Kassenwechsel gerade bei der älteren Generation eher gering sein dürfte. Auf diesen Umstand wurde ebenfalls im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Risikoausgleichs von mehreren Votanten hingewiesen. Als Gründe hiefür wurden eine im Alter ausgeprägtere Kassentreue sowie die verglichen mit den Jungen geringere geistige (und körperliche) Beweglichkeit im Allgemeinen und in Bezug auf die Umstellung von dem einen Kassenwechsel praktisch ausschliessenden alten zum neuen Recht mit voller Freizügigkeit und Einheitsprämie im Besonderen genannt (Amtl.Bull. 1992 S 1275 [Onken], 1993 N 1909 [Rychen] und 1910 [Bundesrätin Dreifuss], 1993 S 1096 [Huber] sowie 1994 N 39 [Hafner]). Zur fehlenden Bereitschaft, die
BGE 128 V 272 S. 293
Krankenkasse (noch) zu wechseln, trägt im Übrigen bei Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, und zwar bei allen, nicht bloss bei den älteren und betagten Leuten, zumindest tendenziell auch das Institut der individuellen Prämienverbilligung bei (Art. 65 f. KVG; Amtl.Bull. 1993 N 1874 [Segmüller]; ferner Protokoll der Sitzung der SGK-N vom 14. Mai 1993 [wo u.a. darauf hingewiesen wird, es könne für einen grossen Teil von Versicherten "egal sein, ob die Prämien hinaufgehen, die Differenz wird ja von anderen übernommen, wenn der Prozentsatz beim Einkommen überschritten ist"] sowie die Statistik über die Krankenversicherung 2000 des BSV, S. 17 ff.).
bb) Im Weitern ist zum Argument des Departementes, der von den Beschwerdeführerinnen anvisierte Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel im Verkehr mit den Versicherten schliesse den Beitritt älterer und betagter Personen aus, zu sagen, dass auch zahlreiche jüngere Leute entweder nicht über einen Internet-Anschluss verfügen oder ihre Geschäfte (Zahlungen, Bestellungen, Steuererklärung usw.) nicht auf elektronischem Weg abwickeln (wollen). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Gefahr einer unerwünschten gezielten Auswahl "guter Risiken" weniger gross, als vom EDI befürchtet. Im Übrigen haben die Fähigkeit, neue Informationstechnologien, wie namentlich das Internet, zu benutzen und auch die Bereitschaft, davon effektiv Gebrauch zu machen, in den letzten Jahren in der Bevölkerung stetig zugenommen. Diese Entwicklung wird dank der breiten und vom Bund geförderten Anwendung in Schule und Beruf in beschleunigtem Masse weitergehen. Damit wächst automatisch auch der Anteil der älteren und betagten Leute, die mit den neuen Kommunikationsmitteln vertraut sind und damit umzugehen wissen.
cc) An das soeben Gesagte anknüpfend kann nicht davon gesprochen werden, die Beschwerdeführerinnen bildeten nach der Anerkennung faktisch geschlossene Krankenkassen, was, wie gezeigt, unter dem neuen Recht nicht mehr zulässig wäre. Es kann aber auch nicht angenommen werden, mit ihrer sofortigen Zulassung zur Tätigkeit im Bereich der sozialen Krankenversicherung erscheine der Prozess hin zur erwünschten besseren Risikodurchmischung im Sinne der Angleichung der Risikostrukturen unter den Versicherern (Erw. 7b/bb) ernstlich gefährdet. Ob bei einer Anerkennung weitere Anbieter mit gleicher oder ähnlicher, in Bezug auf die Verwaltungskosten günstiger Abwicklung des Geschäftsverkehrs mit den Versicherten auf elektronischem Weg auf den Markt drängen
BGE 128 V 272 S. 294
werden, und inwiefern dies unerwünschte Auswirkungen haben könnte, mag offen bleiben. Die blosse Möglichkeit eines solchen Szenarios reicht nicht aus, um die Anerkennung als Krankenkassen abzulehnen und die Durchführungsbewilligung zu verweigern, zumal nicht mit Blick auf das aufsichtsrechtliche Instrumentarium, welches sogar deren Entzug als äusserste Massnahme vorsieht (vgl.
Art. 21 Abs. 5 lit. c KVG
).
dd) Nicht zu vergessen ist schliesslich, dass nach dem klaren Willen des Gesetzgebers Wettbewerb zwischen den Versicherern herrschen soll, wo und soweit dies möglich ist (BBl 1992 I 126 und 135; Amtl.Bull. 1992 S 1283 [Schoch]). Dies gilt im Besonderen, wie zu Recht vorgebracht wird, für den Bereich von Verwaltung und Administration (Amtl.Bull. 1992 S 1284 [Schoch], 1993 N 1909 [Rychen], 1994 N 39 [Hafner]). Dementsprechend und folgerichtig sind die Verwaltungskosten von der Berechnung des Risikoausgleichs ausgenommen (vgl.
Art. 3 Abs. 2 VORA
sowie die "Statistik über die Krankenversicherung 2000" des BSV, S. 12 ff., 44 und 53 ff.). In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist, dass auf Antrag der SGK-S in Art. 97 Abs. 4 des bundesrätlichen Entwurfes und heutigen
Art. 105 Abs. 4 KVG
der Passus "unter Wahrung der Anreize zur Kosteneinsparung" eingefügt wurde (Amtl.Bull. 1993 S 1096 und 1994 N 39). Der Verordnungsgeber sollte nach den Intentionen der Kommission den Risikoausgleich in der Weise ausgestalten, dass Kassen mit unterdurchschnittlichen Kosten in den einzelnen Risikogruppen als Folge der Ausgleichspflicht nicht davon abgehalten werden, "ihre Kosten durch effizientes Kostenmanagement weiterhin tief zu halten" (Protokoll der Sitzung der SGK-S vom 15. bis 17. November 1993; vgl. auch Amtl.Bull. 1994 N 40 [Eymann]). Der Kostenaspekt spricht somit auch nicht gegen die Zulassung der Beschwerdeführerinnen als Anbieter im Bereich der sozialen Krankenversicherung.
c) Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vom Departement in den angefochtenen Verfügungen und in der Vernehmlassung angeführten Gründe nicht ausreichen, um die Anerkennung als Krankenkassen abzulehnen und die Durchführung der sozialen Krankenversicherung zu verweigern. Nach Lage der Akten waren die bundesrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen per 1. Januar 2002 erfüllt. Es ist Sache des Departementes, über die Anerkennung als Krankenkasse und die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Januar 2003 neu zu entscheiden. | mixed |
101ed73c-84af-405f-803e-574ffc186662 | Sachverhalt
ab Seite 400
BGE 129 III 400 S. 400
Dans le cadre de poursuites en réalisation de gage immobilier, l'Office des poursuites de Genève a mandaté X. pour gérer les immeubles objet du gage. Il a ensuite résilié ces mandats au motif que la créancière s'opposait à ce que X. continue d'assurer la gérance légale en raison de l'importance du parc immobilier détenu par le poursuivi et des accords financiers qu'il avait pu conclure avec le gérant désigné. L'office en a déduit l'existence d'un risque potentiel de conflit d'intérêts.
BGE 129 III 400 S. 401
Par la voie d'une plainte à la commission cantonale de surveillance, X. a contesté la résiliation de ses mandats. Il exposait en substance n'avoir conclu aucun accord financier particulier avec le débiteur et niait l'existence d'un éventuel conflit d'intérêts.
Sa plainte ayant été rejetée, X. a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral, qui a admis le recours, annulé la décision attaquée et renvoyé la cause à la commission cantonale de surveillance pour instruction complémentaire et nouvelle décision. Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
La décision susceptible d'être déférée au Tribunal fédéral au sens de l'
art. 19 al. 1 LP
est celle par laquelle l'autorité cantonale (supérieure) de surveillance statue sur les conclusions formulées contre une mesure (ou une omission) des autorités de poursuite ou de faillite, ou ordonne elle-même une telle mesure. Par mesure, il faut entendre tout acte d'autorité accompli par l'office ou par un organe de la poursuite en exécution d'une mission officielle dans une affaire concrète (
ATF 128 III 156
consid. 1c et les références). L'acte de poursuite doit être de nature à créer, modifier ou supprimer une situation du droit de l'exécution forcée dans l'affaire en question, et il peut se manifester de toutes sortes de façons, par la passation d'un contrat par exemple (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 12 s. ad
art. 17-21 LP
).
1.2
L'acte par lequel l'office confie la gérance à un tiers en vertu des art. 16 al. 3 (poursuite par voie de saisie) et 94 al. 2 (poursuite en réalisation de gage immobilier) de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 23 avril 1920 sur la réalisation forcée des immeubles (ORFI; RS 281.42) pourrait être qualifié de mandat ou de contrat sui generis soumis aux règles du mandat, conformément à l'
art. 394 al. 2 CO
(
ATF 106 II 157
; KNOEPFLER/GUINAND, Mandat, Fiches juridiques suisses no 327 p. 8 ch. 4).
S'il s'agissait là d'une simple mesure visant à la conservation de l'immeuble à réaliser, il faudrait admettre, en accord avec une jurisprudence précédente (
ATF 108 III 1
), que la conclusion d'un tel contrat ne représente pas une décision, mais un acte juridique contractuel a priori non susceptible de plainte à l'autorité de surveillance.
Il ne saurait toutefois en aller ainsi, car à la différence du mandat des
art. 394 ss CO
en général (cf. JOSEF HOFSTETTER, Le mandat et
BGE 129 III 400 S. 402
la gestion d'affaire, in Traité de droit privé suisse, vol. VII, t. II,1, p. 37 s. et p. 40; FRANZ WERRO, Le mandat et ses effets, p. 33 n. 95 s.), le contenu du mandat de gérance légale est déterminé de manière précise et détaillée par les dispositions sur la gérance limitée de l'
art. 94 al. 1 ORFI
et par celles de la gérance plus étendue des
art. 17 et 18 ORFI
(
ATF 129 III 90
). Ainsi, aux termes de ces deux dernières dispositions, la gérance légale comprend notamment la commande et le paiement de petites réparations, les ensemencements et plantations, la conclusion et le renouvellement des assurances usuelles, la résiliation des baux, la récolte et la vente des fruits, la rentrée des loyers et fermages au besoin par voie de poursuites, l'exercice du droit de rétention du bailleur, le paiement des redevances courantes, la conduite de procès ou la prise de mesures exceptionnelles dans l'intérêt d'une bonne gestion. Tous ces actes d'administration peuvent donner lieu à une plainte aux autorités de surveillance (C. JÄGER, Commentaire de la LP, n. 7 ad
art. 102 LP
) et la responsabilité en découlant est régie non par le droit privé (
art. 321e et 398 al. 1 CO
), mais par le droit de la poursuite (art. 16 al. 3 et 94 al. 2 ORFI;
art. 5 LP
; GILLIÉRON, op. cit., n. 21 ad
art. 5 LP
). D'ailleurs, lorsque l'on se trouve, comme en l'occurrence, dans un domaine qui fait l'objet d'une réglementation détaillée de droit public, il convient d'exclure l'application du droit privé (ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, p. 116).
D'autre part, la rémunération à laquelle a droit le tiers chargé de la gérance, autre élément important du mandat, est fixée, en cas de contestation, non pas par le juge, mais par l'autorité cantonale de surveillance (
art. 20 al. 2 ORFI
).
Il sied par ailleurs de relever que la jurisprudence a reconnu la compétence des autorités cantonales de surveillance pour déposer, destituer ou révoquer l'administration spéciale d'une masse en faillite (
ATF 31 I 739
consid. 2 p. 743;
ATF 41 III 414
consid. 1), pour annuler la désignation d'une commission de surveillance ou modifier la composition de celle-ci quant au nombre et à la qualité des commissaires (arrêt B.155/1993 du 23 août 1993, consid. 2 non publié à l'
ATF 119 III 118
ss, mais in SJ 1994 p. 21). La Chambre de céans a du reste admis à plusieurs reprises que le choix du tiers chargé, sous la responsabilité de l'office, d'encaisser les loyers et fermages de l'immeuble à réaliser est une question d'opportunité qu'elle peut revoir sous l'angle de l'excès ou de l'abus du pouvoir d'appréciation (cf. notamment arrêts 7B.113/2001 du 14 mai 2001, p. 2/3 et B.4/1996 du 1er février 1996, consid. 2a et b; FRED. E. SIMOND, Le
BGE 129 III 400 S. 403
recours au Tribunal fédéral selon l'article 19 de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Fiches juridiques suisses no 628 p. 2/3).
1.3
Les parties à la procédure de poursuite en cause, le créancier et le débiteur en particulier, ont incontestablement qualité pour entreprendre une décision fondée sur les art. 16 al. 3 et 94 al. 2 ORFI par la voie d'un recours au sens des
art. 19 LP
et 78 ss OJ (cf. consid. 1.2 ci-dessus et JÄGER, loc. cit.).
En tant qu'auxiliaire de l'office, dont le mandat est régi pour l'essentiel par le droit fédéral de la poursuite et la rémunération fixée en dernier ressort par l'autorité cantonale de surveillance, le tiers chargé de la gérance doit aussi se voir reconnaître la qualité pour former un tel recours (cf.
ATF 120 III 42
consid. 3) et invoquer par exemple que la résiliation de son mandat consacre un abus du pouvoir d'appréciation. C'est un tel grief que fait valoir en l'espèce le recourant.
Au vu de ce qui précède, le présent recours est en principe recevable.
(...)
3.
3.1
Commet un abus ou un excès de son pouvoir d'appréciation l'autorité qui retient des critères inappropriés, ne tient pas compte de circonstances pertinentes ou rend une décision déraisonnable, contraire au bon sens, arbitraire (
ATF 123 III 274
consid. 1a/cc;
ATF 110 III 17
consid. 2; SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, Berne 1990, p. 721 s.; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 57 ad
art. 19 LP
; COMETTA, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, n. 15 ad
art. 19 LP
, et la jurisprudence citée par ces auteurs).
3.2
A l'appui de son grief d'abus du pouvoir d'appréciation, le recourant allègue que la décision attaquée repose exclusivement sur l'existence d'un risque potentiel de conflit d'intérêts et que le seul motif invoqué par l'office et la commission de surveillance relatif à ce risque est l'affirmation qui en a été faite par la créancière. Comme il le relève avec raison, cette seule affirmation ne suffit pas à justifier de l'existence dudit conflit d'intérêts, laquelle ne peut être établie que sur la base d'éléments concrets. Or, la décision attaquée et le dossier ne font état d'aucun de ces éléments, et rien n'indique qu'une instruction a été faite à ce sujet. Le reproche adressé par le recourant à la commission de surveillance est donc bien fondé: la résiliation de ses mandats n'est justifiée par aucun motif objectif sérieux
BGE 129 III 400 S. 404
et s'avère de ce fait arbitraire au sens de la jurisprudence susmentionnée.
Il y a lieu par conséquent d'admettre le recours, d'annuler la décision attaquée et de renvoyer la cause à la commission cantonale de surveillance pour qu'elle instruise sur l'existence d'un risque potentiel de conflit d'intérêts et rende une nouvelle décision. | mixed |
7c92b092-ef78-400e-b92f-203991e22570 | Sachverhalt
ab Seite 411
BGE 135 III 410 S. 411
A.
L'avocat genevois X. a été poursuivi pénalement, avec d'autres personnes, sous l'inculpation de blanchiment d'argent (
art. 305
bis
CP
), de défaut de vigilance en matière d'opérations financières (art. 305
ter
CP), ainsi que de faux dans les titres (
art. 251 CP
). (...) il lui était reproché d'avoir mis à disposition quatre sociétés offshore et, en qualité d'administrateur de ces sociétés, d'avoir ouvert des comptes auprès de plusieurs banques, en signant des attestations indiquant faussement l'ayant droit économique, afin de rendre plus difficile l'identification de l'origine des fonds qui ont transité par ce dispositif, lesquels provenaient en réalité de détournements commis par A. au préjudice de B. SA.
X. a chargé l'avocat C. d'assurer sa défense.
A la différence des autres prévenus, X. a été acquitté par la Cour correctionnelle avec jury le 8 octobre 2004.
Quelque temps plus tard, B. SA a retiré l'action civile qu'elle avait introduite le 10 mai 2002 dans la mesure où celle-ci était dirigée contre X.
Le 2 août 2005, l'avocat C. a adressé à X. une note d'honoraires s'élevant à 330'380 fr.
B.
X. avait conclu avec Assurances Z. un contrat d'assurance en vue de couvrir sa responsabilité civile professionnelle. Selon la police du 22 décembre 1999 (...), l'activité assurée était celle d'avocat. Les conditions générales d'assurance, incorporées au contrat, précisaient qu'une convention spéciale était nécessaire pour couvrir la responsabilité résultant d'une activité de membre d'un conseil d'administration, de fiduciaire, de "protector" dans des entités fiduciaires et trusts relevant du droit étranger, ainsi qu'en tant qu'"officer" ("treasurer, secretary") dans des personnes morales étrangères. Il n'est pas contesté qu'aucune convention spéciale de ce genre n'a été conclue. (...)
Soutenant que ses frais de défense au pénal constituaient des frais de sauvetage que l'assureur devait prendre en charge en vertu des
art. 61 et 70 LCA
(SR 221.229.1), X. a demandé à l'assureur de lui rembourser la note d'honoraires de l'avocat C.
L'assureur a refusé, en faisant valoir que l'acte dommageable qui avait été reproché à l'assuré n'entrait pas dans la couverture d'assurance, que les frais de défense au pénal ne faisaient pas partie des frais assurés (surtout pour des infractions intentionnelles) et que la déclaration de sinistre avait été tardive.
BGE 135 III 410 S. 412
C.
Le 4 avril 2007, X. a déposé au greffe du Tribunal de première instance du canton de Genève une demande en paiement, concluant à ce que l'assureur soit condamné à lui payer la somme de 297'792 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 28 juillet 2005, ce montant correspondant à la note d'honoraires de l'avocat sous déduction de la franchise prévue dans le contrat d'assurance.
Par jugement du 13 mars 2008, le Tribunal de première instance a rejeté la demande avec suite de dépens.
Statuant sur appel de X., la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement attaqué, avec suite de dépens, par arrêt du 14 novembre 2008.
D.
X. a déposé un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre l'arrêt du 14 novembre 2008. Invoquant (...) une violation des art. 33, 14, 61 et 70 LCA, le recourant conclut, sous suite de frais et dépens, à ce que sa partie adverse soit condamnée à lui payer la somme de 129'859 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 28 juillet 2005. (...)
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(extrait) Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
Le recourant soutient qu'il a exercé une activité mixte, relevant en partie de la profession d'avocat, de sorte que sa responsabilité civile pour cette activité est couverte par l'assurance. La cour cantonale a retenu au contraire que l'activité dommageable avait été exercée en tant qu'organe de gestion des sociétés offshore étrangères et qu'elle n'était pas couverte par le contrat d'assurance.
3.2
Selon l'
art. 33 LCA
, l'assureur répond, sauf disposition contraire de la loi, de tous les événements qui présentent le caractère du risque contre les conséquences duquel l'assurance a été conclue, à moins que le contrat n'exclue certains événements d'une manière précise, non équivoque.
Les dispositions d'un contrat d'assurance, de même que les conditions générales qui ont été expressément incorporées, doivent être interprétées selon les mêmes principes que les autres dispositions contractuelles. Le juge doit tout d'abord s'efforcer de déterminer la commune et réelle intention des parties, sans s'arrêter aux expressions ou dénominations inexactes dont elles ont pu se servir, soit
BGE 135 III 410 S. 413
par erreur, soit pour déguiser la nature véritable de la convention (
art. 18 al. 1 CO
); s'il y parvient, il s'agit d'une constatation de fait qui lie en principe le Tribunal fédéral conformément à l'
art. 105 LTF
. Si la volonté réelle des parties ne peut pas être établie ou si leurs volontés intimes divergent, le juge doit interpréter les déclarations faites et les comportements selon la théorie de la confiance; il doit donc rechercher comment une déclaration ou une attitude pouvait être comprise de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances; le principe de la confiance permet ainsi d'imputer à une partie le sens objectif de sa déclaration ou de son comportement, même s'il ne correspond pas à sa volonté intime. L'application du principe de la confiance est une question de droit que le Tribunal fédéral peut examiner librement (
art. 106 al. 1 LTF
); cependant, pour trancher cette question, il doit se fonder sur le contenu de la manifestation de volonté et sur les circonstances, dont la constatation relève du fait. Lorsqu'un assureur, au moment de conclure, présente des conditions générales, il manifeste la volonté de s'engager selon les termes de ces conditions; lorsqu'une volonté réelle concordante n'a pas été constatée, il faut se demander comment le destinataire de cette manifestation de volonté pouvait la comprendre de bonne foi. L'
art. 33 LCA
précise que c'est à l'assureur qu'il incombe de délimiter avec précision la portée de l'engagement qu'il entend prendre (
ATF 133 III 675
consid. 3.3 p. 681 s. et les références citées).
3.3
En l'espèce, le contrat concerne l'activité d'avocat; les conditions générales précisent qu'il fallait une convention spéciale - inexistante en l'espèce - pour couvrir une activité d'administrateur de société ou de gérant d'une entité étrangère. Le recourant, qui est lui- même juriste, a certainement compris correctement le texte clair de ces dispositions contractuelles. A supposer que l'on ait un doute à ce sujet, une interprétation selon la théorie de la confiance ne pourrait manifestement pas aboutir à une conclusion différente, la définition de l'objet du contrat étant claire et précise.
Dès lors que le contrat (et les conditions générales qui sont incorporées) font une distinction claire entre l'activité d'avocat (qui est couverte par l'assurance) et l'activité d'administrateur (qui ne l'est pas), il faut nécessairement en déduire que les parties avaient en vue l'activité traditionnelle de l'avocat. Peu importe en conséquence qu'il soit plus ou moins fréquent que des avocats se livrent à d'autres activités professionnelles en faisant valoir leur titre d'avocat ou que
BGE 135 III 410 S. 414
des connaissances juridiques soient plus ou moins utiles pour exercer d'autres activités économiques.
Il reste évidemment à circonscrire le cadre d'une activité d'avocat. Il n'y a pas de raison de se référer ici au droit genevois, puisque rien ne permet de penser (l'intimée a son siège à N.) que les parties aient voulu définir l'activité d'avocat en fonction du droit genevois. Il convient bien plutôt de se référer au sens ordinaire des mots.
Selon le Grand Robert de la langue française, l'avocat est une personne qui, régulièrement inscrite à un barreau, conseille en matière juridique ou contentieuse, assiste et représente ses clients en justice. Des juristes suisses ont défini l'avocat comme une personne physique ayant des connaissances juridiques et l'autorisation requise pour exercer professionnellement et de manière indépendante l'activité consistant à donner des conseils, défendre les intérêts d'autrui et intervenir devant tous les tribunaux d'un ressort pour assister ou représenter son client (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. II, 2002, n° 10 ad
art. 321 CP
; HERBERT BRUNNER, Die Anwaltsgemeinschaft, 1977, p. 6; cf. également:
ATF 124 III 363
consid. II/2b p. 366). Par son contenu, l'activité de l'avocat se caractérise donc par des conseils juridiques, la rédaction de projets d'actes juridiques, ainsi que l'assistance ou la représentation d'une personne devant une autorité administrative ou judiciaire.
La jurisprudence a déjà eu l'occasion de souligner qu'il fallait distinguer l'activité de l'avocat d'autres activités qui sont également exercées fréquemment par des avocats, en particulier celle d'administrateur d'une société (
ATF 115 Ia 197
consid. 3d/bb p. 199;
ATF 114 III 105
consid. 3a p. 107; arrêt 1A.182/2001 du 26 mars 2002 consid. 6.3), celle qui relève de la gestion de fortune et du placement de fond (
ATF 112 Ib 606
), celle qui consiste exclusivement à effectuer ou encaisser des paiements pour le compte d'un tiers (arrêt 1P.32/2005 du 11 juillet 2005 consid. 3.4).
3.4
En l'espèce, on peut tout d'abord observer que l'on ne se trouve pas en présence d'une action en réparation interjetée contre l'avocat par un client qui invoque une mauvaise exécution du mandat. Cette remarque est toutefois sans pertinence, puisque, en vertu de l'art. 1 des conditions particulières de l'assurance, la couverture a été étendue aux prétentions en dommages-intérêts fondées sur la responsabilité civile, c'est-à-dire à des prétentions de tiers reposant sur une base extracontractuelle.
BGE 135 III 410 S. 415
Dans l'action en dommages-intérêts, il était soutenu que le recourant avait contribué, avec d'autres personnes, à causer un dommage illicite à un tiers, après avoir mis à disposition quatre sociétés offshore dans lesquelles il s'était fait inscrire comme administrateur, en faisant ouvrir auprès de plusieurs banques des comptes au nom de ces sociétés, agissant en tant qu'organe de celles-ci, et en signant des formulaires A qui faisaient apparaître faussement le nom de l'ayant droit économique, à l'effet de rendre plus difficile l'identification de l'origine des fonds qui ont transité ensuite par ce dispositif. Le recourant a ouvert les comptes bancaires et signé les formulaires A en tant que gérant des sociétés offshore. Il a donc agi en tant qu'administrateur de sociétés, activité qui était clairement exclue de la couverture d'assurance. Même le fait de mettre à disposition des sociétés offshore dans lesquelles le recourant jouait le rôle d'administrateur ne constitue pas une activité traditionnelle d'avocat, dès lors qu'elle est fort éloignée des conseils juridiques et de l'assistance ou de la représentation devant une autorité. En considérant que les actes dommageables invoqués à l'encontre du recourant dans l'action civile ne relevaient pas de l'activité d'avocat (seule couverte par l'assurance), la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral.
Le recourant fait grand cas de conseils juridiques qu'il a donnés en avril 1997 au sujet de la structure à mettre en place. Sur ce point, la cour cantonale a constaté, sur la base des propres déclarations du recourant, que cette entrevue n'avait pas eu de suite et qu'il n'avait plus été sollicité dans le même cadre. Elle n'a donc pas vu de lien de causalité entre ces conseils et les événements qui se sont produits ultérieurement. Le constat de l'absence de causalité naturelle relève du fait et lie le Tribunal fédéral (
ATF 130 III 591
consid. 5.3 p. 601,
ATF 130 III 699
consid. 4.1 p. 702), en l'absence de toute argumentation précise sur la question d'où l'on pourrait déduire que la causalité a été niée de façon manifestement inexacte ou en violation du droit au sens de l'
art. 95 LTF
(
art. 105 al. 2 LTF
). Au demeurant, on ne voit pas que de simples projets ou plans puissent constituer en l'espèce un fondement de responsabilité distinct, puisqu'ils apparaissent absorbés par les actes d'exécution accomplis ultérieurement par la même personne. Quant au contenu de la demande en réparation, il relève également des constatations de fait qui lient le Tribunal fédéral.
BGE 135 III 410 S. 416
3.5
Dès lors que l'activité du recourant sur laquelle se fondait l'action en responsabilité n'était pas une activité d'avocat, elle n'était pas couverte par le contrat conclu avec l'intimée. Il n'y a donc pas lieu de se demander si les frais d'avocat invoqués pourraient constituer des frais de sauvetage au sens des
art. 61 et 70 LCA
, ces dispositions ne concernant que des frais engagés pour éviter ou réduire un dommage que l'assureur doit supporter (arrêt 5C.18/2006 du 18 octobre 2006 consid. 7.1, in SJ 2007 I p. 238). Pour les mêmes raisons, il n'y a pas davantage à examiner si les frais de défense au pénal auraient pu être pris en compte à ce titre, notamment en regard du caractère intentionnel des infractions en cause (
art. 14 LCA
). Il est également vain de se demander si la déclaration de sinistre a été tardive. | mixed |
1777179e-0b23-4a81-995d-bb8a2b5ae7ee | Sachverhalt
ab Seite 676
BGE 133 III 675 S. 676
A.
Le 4 septembre 1997, A. a conclu auprès de X. Assurances un contrat pour l'assurance de voitures automobiles comprenant notamment une assurance accidents des occupants.
Le 7 décembre 1999, A. a été happée par le véhicule d'un conducteur ivre alors qu'elle se trouvait près de sa voiture. Malgré plusieurs interventions chirurgicales, elle demeure entravée dans ses activités quotidiennes.
B.
X. Assurances ayant décliné toute demande de prestations en arguant que l'accident n'avait pas eu lieu à la suite de l'utilisation du véhicule au sens des conditions générales d'assurance (CGA) applicables, A. a ouvert action en paiement le 22 août 2001 devant le Tribunal civil de l'arrondissement de la Gruyère. A côté de conclusions chiffrées tendant au paiement de diverses sommes au titre d'indemnités journalières et d'hospitalisation calculées jusqu'au 31 août 2001, elle a conclu à ce que X. Assurances fût condamnée à lui
BGE 133 III 675 S. 677
reconnaître devoir ses prétentions en indemnités journalières et d'hospitalisation dès le 1
er
septembre 2001, ses prétentions tendant au versement de la somme d'assurance pour le cas d'invalidité ainsi que toutes autres prétentions découlant du contrat d'assurance. La défenderesse a conclu au rejet intégral de la demande.
En cours d'instance, une expertise médicale visant à déterminer le taux d'incapacité de travail de la demanderesse a été mise en oeuvre. L'expertise ayant été administrée et une requête de contre-expertise ayant été rejetée, la demanderesse a déposé le 14 septembre 2005 un mémoire complémentaire, dans lequel elle a pris des conclusions chiffrées. Lors des débats, la défenderesse a conclu au rejet de ces conclusions et a soulevé l'exception de prescription.
Par jugement du 23 février 2006, le Tribunal a condamné la défenderesse à payer à la demanderesse les sommes de 1'350 fr. et 930 fr. à titre d'indemnités d'hospitalisation, de 22'800 fr. à titre d'indemnités journalières et de 195'000 fr. à titre d'indemnité d'invalidité, avec intérêts. Ce jugement a été confirmé par arrêt rendu le 22 mars 2007 par la I
re
Cour d'appel civil du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile interjeté par X. Assurances contre l'arrêt du Tribunal cantonal. Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
S'agissant de l'exception de prescription soulevée par la défenderesse, l'autorité précédente a retenu que, l'accident ayant eu lieu le 7 décembre 1999, la prescription de deux ans (
art. 46 LCA
[RS 221.229.1]) avait été interrompue à temps par le dépôt de la demande en justice du 22 août 2001 (
art. 135 ch. 2 CO
) pour la totalité des prétentions de la demanderesse, et qu'elle avait ensuite été régulièrement interrompue par des actes judiciaires des parties et des ordonnances ou décisions du juge (
art. 138 al. 1 CO
), les 7 mai 2002 (ordonnance de restriction des débats), 8 novembre 2002 (jugement incident), 29 avril 2004 (ordonnance d'expertise), 4 avril 2005 (décision sur requête de contre-expertise) et 23 février 2006 (jugement au fond).
2.2
La défenderesse reproche à la cour cantonale d'avoir violé les dispositions en matière de prescription (
art. 46 LCA
) et d'interruption de la prescription (
art. 135 CO
). Rappelant que les diverses
BGE 133 III 675 S. 678
prétentions découlant d'un rapport de droit se prescrivent en principe séparément, elle expose qu'il convient d'examiner séparément le cas de l'indemnité d'invalidité d'une part et celui des indemnités journalières et d'hospitalisation d'autre part.
2.2.1
En ce qui concerne le premier cas, la défenderesse soutient que lors du dépôt de la demande du 22 août 2001, la prescription relative à l'indemnité d'invalidité n'avait pas commencé à courir et n'a donc pas pu être interrompue. En effet, selon la jurisprudence, le délai de prescription de deux ans de l'
art. 46 al. 1 LCA
court, en matière d'invalidité, du jour où l'invalidité est objectivement acquise (
ATF 118 II 447
consid. 3). Or en l'espèce, selon la défenderesse, l'invalidité de la demanderesse aurait été acquise au plus tôt durant l'année 2002 et au plus tard lorsque le conseil de la demanderesse avait requis par courrier du 3 mars 2003 la mise en oeuvre d'une expertise afin de déterminer le taux d'incapacité de travail de sa cliente et produit le 14 avril 2003 une série de pièces en indiquant que sa cliente endurerait vraisemblablement une incapacité permanente. Or ce n'est que par son mémoire complémentaire du 14 septembre 2005 que la demanderesse a chiffré sa prétention relative à l'indemnité d'invalidité en prenant des conclusions à hauteur de 195'000 fr.
2.2.2
La défenderesse soutient que la prescription relative à l'indemnité d'hospitalisation aurait commencé à courir dès la fin de la période d'hospitalisation, soit dès le 17 octobre 2002. Quant à la prescription pour les indemnités journalières par 3'920 fr. (22'800 fr. - 18'880 fr.) relative à la période du 1
er
septembre 2001 au 31 décembre 2001, elle aurait commencé à courir dès la fin du droit aux indemnités journalières, soit dès le 31 décembre 2001. Or ce n'est que par son mémoire complémentaire du 14 septembre 2005 que le mandataire de la demanderesse a d'une part chiffré sa prétention relative à l'indemnité d'hospitalisation pour la dernière période d'hospitalisation du 17 septembre au 17 octobre 2002 en prenant des conclusions à hauteur de 930 fr., et d'autre part augmenté sa conclusion relative à l'indemnité journalière pour tenir compte de la période du 1
er
septembre 2001 au 31 décembre 2001.
2.3
2.3.1
Aux termes de l'
art. 46 al. 1 LCA
, les créances qui dérivent du contrat d'assurance se prescrivent par deux ans à dater du fait d'où naît l'obligation. Comme toute prescription, celle de l'
art. 46 LCA
peut être interrompue lorsque le débiteur reconnaît la dette (
art. 135
BGE 133 III 675 S. 679
ch. 1 CO
) ou lorsque le créancier fait valoir ses droits par l'une des voies énumérées par l'
art. 135 ch. 2 CO
(cf.
ATF 118 II 447
consid. 4c p. 458). La prescription est notamment interrompue, avec pour effet qu'un nouveau délai commence à courir dès l'interruption (
art. 137 al. 1 CO
), lorsque le créancier fait valoir ses droits par une action devant un tribunal. Conformément à l'
art. 138 al. 1 CO
, elle est ensuite interrompue et recommence à courir, durant l'instance, à compter de chaque acte judiciaire des parties et de chaque ordonnance ou décision du juge (PASCAL PICHONNAZ, Commentaire romand, Code des obligations I, 2003, n. 8 ad
art. 138 CO
).
Selon la jurisprudence, il faut considérer comme acte judiciaire d'une partie, au sens de l'
art. 138 al. 1 CO
, tout acte de procédure relatif au droit invoqué en justice et susceptible de faire progresser l'instance; l'acte devra être de nature formelle, de sorte que les deux parties puissent toujours le constater aisément et sans conteste (
ATF 130 III 202
consid. 3.2 et les arrêts cités). La loi sanctionne ainsi l'inaction du créancier (
ATF 130 III 202
consid. 3.2 et la jurisprudence citée). En revanche, aussi longtemps que le créancier fait connaître au débiteur son désir d'être satisfait, il ne se justifie pas de faire perdre au créancier son droit de créance (ROBERT K. DÄPPEN, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4
e
éd. 2007, n. 1 ad
art. 135 CO
; PICHONNAZ, op. cit., n. 1 ad
art. 135 CO
).
2.3.2
Lorsque le créancier fait valoir ses droits par des poursuites ou par une action devant un tribunal (
art. 135 ch. 2 CO
), jurisprudence et doctrine s'accordent pour admettre que la prescription n'est interrompue que jusqu'à concurrence de la somme indiquée (
ATF 119 II 339
consid. 1c et les références citées; PICHONNAZ, op. cit., n. 27 ad
art. 135 CO
). S'il entend sauvegarder ses droits, le créancier qui ne connaît pas encore le montant exact de sa créance doit donc soit interrompre la prescription pour le montant le plus élevé pouvant entrer en ligne de compte, soit accomplir un acte interruptif ne nécessitant pas l'indication d'un montant déterminé, tel que l'action en paiement non chiffrée (
art. 42 al. 2 CO
) ou l'action en constatation du fondement juridique de la prétention litigieuse (
ATF 119 II 339
consid. 1c/aa et les références citées; PICHONNAZ, op. cit., n. 27 ad
art. 135 CO
; DÄPPEN, op. cit., n. 20 ad
art. 135 CO
).
Il convient enfin de rappeler que les diverses prétentions découlant d'un rapport de droit, notamment d'un contrat d'assurance, se prescrivent en principe séparément, hormis lorsque les divers chefs de
BGE 133 III 675 S. 680
réclamation, bien que distincts, ont un rapport étroit entre eux (
ATF 100 II 42
consid. 2a;
ATF 89 II 256
consid. 3 in limine; cf.
ATF 119 II 339
consid 1c/aa; PICHONNAZ, op. cit., n. 28 ad
art. 135 CO
et les références citées).
2.4
En l'espèce, il est constant que par acte d'ouverture d'action du 22 août 2001, la demanderesse a fait valoir ses prétentions chiffrées relatives au paiement des indemnités journalières et d'hospitalisation jusqu'au 31 août 2001, ainsi que des prétentions, non encore chiffrées, relatives d'une part aux indemnités journalières et d'hospitalisation dès le 1
er
septembre 2001, et d'autre part au versement de la somme d'assurance pour le cas d'invalidité. Dans cette instance qui portait ainsi sur l'ensemble des prétentions élevées par la demanderesse ensuite de l'accident du 7 décembre 1999, la prescription a été interrompue, par des actes judiciaires des parties et des ordonnances ou décisions du juge, les 7 mai 2002, 8 novembre 2002, 29 avril 2004, 4 avril 2005 et 23 février 2006 (cf. consid. 2.1 supra). Force est dès lors de constater que la durée de deux ans (
art. 46 al. 1 LCA
) ne s'est jamais écoulée entre deux actes interruptifs de prescription. Les diverses prétentions de la demanderesse ne sont donc pas prescrites, quand bien même on devrait retenir que pour certaines de ces prétentions, la prescription n'a commencé à courir pour la première fois que postérieurement à l'ouverture d'action.
3.
3.1
Selon l'art. 302.1 CGA, sont couverts les accidents frappant les personnes assurées (à savoir, selon l'art. 301.1 CGA, les occupants) à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré: - pendant qu'elles se trouvent dans le véhicule, y montent ou en descendent, - pendant qu'elles portent secours à d'autres occupants à la suite d'un accident ou d'une panne du véhicule déclaré, ainsi qu'en manipulant celui-ci en cours de route, - pendant qu'elles portent secours, en cours de route, à d'autres usagers de la route qui sont victimes d'un accident de la circulation ou d'une panne. Selon les constatations de fait de l'arrêt attaqué, la demanderesse a été happée alors qu'elle venait de descendre de son véhicule et de fermer la portière avant et s'apprêtait à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac afin de se rendre à la boulangerie. La question litigieuse en droit est donc celle de savoir si l'accident a frappé la demanderesse à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré pendant qu'elle se trouvait dans le véhicule, y montait ou en descendait.
BGE 133 III 675 S. 681
3.2
La défenderesse reproche aux juges cantonaux d'avoir méconnu les principes applicables en matière d'interprétation des contrats en considérant que les conditions d'application de l'assurance occupants étaient remplies. Elle soutient que sous réserve des cas énoncés aux trois alinéas de l'art. 301.1 CGA, qui seraient exhaustifs et devraient être appréciés en tenant compte du sens littéral du terme "occupant", il n'y a utilisation du véhicule que lorsque l'accident survient pendant que l'assuré (soit l'occupant) se trouve dans le véhicule. Or la demanderesse n'était pas dans le véhicule et n'était pas non plus en train d'y monter ou d'en descendre lorsque l'accident est survenu, l'action consistant à descendre du véhicule ayant pris fin lorsqu'elle avait fermé la portière avant. Selon la défenderesse, le fait que la demanderesse ait eu l'intention de prendre son sac sur le siège arrière ou dans le coffre ne suffirait pas pour retenir qu'elle avait l'intention de monter (à nouveau) dans son véhicule et encore moins qu'elle y montait effectivement lors de l'accident. Dès lors, en retenant que l'accident était survenu lors de l'utilisation du véhicule déclaré, l'autorité précédente aurait violé le droit fédéral.
3.3
Les conditions générales, lorsqu'elles ont été incorporées au contrat, en font partie intégrante; elles doivent être interprétées selon les mêmes principes que les autres dispositions contractuelles (
ATF 122 III 118
consid. 2a;
ATF 117 II 609
consid. 6c).
En présence d'un litige sur l'interprétation d'une disposition contractuelle, le juge doit tout d'abord s'efforcer de déterminer la commune et réelle intention des parties, sans s'arrêter aux expressions ou dénominations inexactes dont elles ont pu se servir, soit par erreur, soit pour déguiser la nature véritable de la convention (
art. 18 al. 1 CO
); s'il y parvient, il s'agit d'une constatation de fait qui lie en principe le Tribunal fédéral conformément à l'art. 105 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110; cf.
ATF 131 III 606
consid. 4.1;
ATF 129 III 118
consid. 2.5 et les arrêts cités).
Si la volonté réelle des parties ne peut pas être établie ou si leurs volontés intimes divergent, le juge doit interpréter les déclarations faites et les comportements selon la théorie de la confiance; il doit donc rechercher comment une déclaration ou une attitude pouvait être comprise de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances; le principe de la confiance permet ainsi d'imputer à une partie le sens objectif de sa déclaration ou de son comportement, même s'il ne correspond pas à sa volonté intime (
ATF 130 III 417
consid. 3.2;
BGE 133 III 675 S. 682
ATF 129 III 118
consid. 2.5). L'application du principe de la confiance est une question de droit que le Tribunal fédéral peut examiner librement (
art. 106 al. 1 LTF
); pour trancher cette question, il faut cependant se fonder sur le contenu de la manifestation de volonté et sur les circonstances, dont la constatation relève du fait (
ATF 131 III 586
consid. 4.2.3.1;
ATF 130 III 417
consid. 3.2;
ATF 129 III 118
consid. 2.5).
Lorsque l'assureur, au moment de conclure, présente des conditions générales, il manifeste la volonté de s'engager selon les termes de ces conditions. Lorsqu'une volonté réelle concordante n'a pas été constatée, il faut donc se demander comment le destinataire de cette manifestation de volonté pouvait la comprendre de bonne foi. Cela conduit à une interprétation objective des termes contenus dans les conditions générales, même si celle-ci ne correspond pas à la volonté intime de l'assureur. Dans le domaine particulier du contrat d'assurance, l'
art. 33 LCA
précise d'ailleurs que l'assureur répond de tous les événements qui présentent le caractère du risque contre les conséquences duquel l'assurance a été conclue, à moins que le contrat n'exclue certains événements d'une manière précise, non équivoque. Il en résulte que le preneur d'assurance est couvert contre le risque tel qu'il pouvait le comprendre de bonne foi à la lecture des conditions générales; si l'assureur entendait apporter des restrictions ou des exceptions, il lui incombait de le dire clairement. Conformément au principe de la confiance, c'est à l'assureur qu'il incombe de délimiter la portée de l'engagement qu'il entend prendre et le preneur n'a pas à supposer des restrictions qui ne lui ont pas été clairement présentées.
3.4
En l'espèce, il ressort d'abord de l'art. 302.1 CGA que pour être couvert, l'accident doit survenir à la suite de l'"utilisation" du véhicule déclaré. Les CGA font usage de ce terme général, plutôt que de celui, plus spécifique, d'"emploi" de l'
art. 58 LCR
. La différence n'est pas négligeable: alors qu'un "emploi" implique la manifestation d'un danger dû à la réalisation du risque spécifique résultant de l'utilisation des organes proprement mécaniques du véhicule (cf.
ATF 97 II 161
consid. 3a;
ATF 107 II 269
consid. 1a), le terme "utilisation" a une portée plus générale et s'étend aussi à l'utilisation du véhicule alors qu'il est (encore ou déjà) stationné, c'est-à-dire non en emploi (ROLAND BREHM, L'assurance privée contre les accidents, 2001, n. 723 p. 324).
Dans le cas présent, il ne saurait être contesté que l'accident est survenu à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré, puisque la
BGE 133 III 675 S. 683
demanderesse a été happée alors qu'elle venait de descendre de son véhicule et de fermer la portière avant et s'apprêtait à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac. La défenderesse soutient toutefois que la demanderesse n'était pas "occupante" du véhicule, dès lors qu'elle ne s'y trouvait pas et qu'elle n'était pas en train d'y monter ou d'en descendre.
Par "occupant", il faut comprendre le conducteur et les passagers du véhicule (BREHM, op. cit., n. 719 p. 322). Il ressort de l'art. 302.1 CGA que les occupants ne sont pas seulement couverts lorsqu'ils se trouvent dans le véhicule, mais aussi lorsqu'ils y montent ou en descendent, ou lorsqu'ils portent secours, à la suite d'un accident de la circulation ou d'une panne, à d'autres occupants du véhicule ou à d'autres usagers de la route. Dans ces cas, conducteur et passagers sont couverts par l'assurance lors même qu'ils ne se trouvent momentanément pas (encore) ou plus dans le véhicule. Dans ces conditions, c'est en vain que la défenderesse tente de se raccrocher à une acception purement littérale et étriquée du terme "occupant".
En couvrant les accidents survenus lorsqu'un "occupant" ne se trouve pas encore ou plus dans le véhicule, mais y monte ou en descend, l'art. 302.1 CGA ne couvre pas seulement les assurés lorsque ceux-ci sont techniquement en train de monter dans le véhicule ou d'en descendre, mais aussi lorsqu'ils s'apprêtent à (re)devenir des "occupants" du véhicule en (ré)intégrant celui-ci (BREHM, op. cit., n. 724 p. 324 et la jurisprudence citée), ou lorsque, ayant terminé l'action proprement dite consistant à descendre du véhicule, ils s'apprêtent à quitter celui-ci.
C'est ainsi en vain que la défenderesse cherche à exploiter le fait qu'en l'espèce, la demanderesse avait terminé l'action proprement dite consistant à descendre du véhicule et ne s'apprêtait pas, techniquement parlant, à y remonter, mais seulement à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac. L'interprétation restrictive de l'art. 302.1 al. 1 CGA proposée par la défenderesse, consistant à exclure la couverture d'assurance dès que la personne assurée, étant techniquement descendue du véhicule, a refermé la portière, voire s'apprête seulement à la refermer, de même que lorsque la personne assurée s'apprête à ouvrir la portière pour monter dans le véhicule, voire l'a déjà ouverte mais n'a pas encore entrepris l'action d'y monter en posant un pied sur le véhicule, conduirait à une solution clairement inappropriée et ne peut raisonnablement correspondre à la volonté présumée des parties.
BGE 133 III 675 S. 684
3.5
Il résulte de ce qui précède que la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que les conditions d'application de l'assurance occupants se trouvaient remplies en l'espèce. | mixed |
800b657b-0fe8-4ad9-af72-8d43cdb4893b | Erwägungen
ab Seite 441
BGE 135 III 441 S. 441
Extrait des considérants:
3.
A titre de grief subsidiaire, le recourant affirme que la cour cantonale aurait dû convertir le congé extraordinaire en congé ordinaire et reporter le congé signifié pour le 30 janvier 2007 au 30 avril 2007, soit au prochain terme pertinent, par application de l'
art. 266a al. 2 CO
- ce à quoi l'autorité cantonale s'est expressément refusée.
Dès lors, la question qui se pose est celle de savoir si une résiliation anticipée inefficace peut être convertie en une résiliation ordinaire valable.
3.1
Un congé, qui ne satisfait pas aux exigences légales ou contractuelles auxquelles est subordonné son exercice, est un congé inefficace. Un tel congé est dénué d'effet (
ATF 121 III 156
consid. 1c/aa p. 161).
A chaque fois que le Tribunal fédéral a eu l'occasion de juger qu'un congé extraordinaire était inefficace, faute de réaliser les conditions nécessaires, aucune conversion du congé inefficace en un congé ordinaire n'a été opérée. Il semble toutefois que la question d'une éventuelle conversion n'était pas directement litigieuse.
BGE 135 III 441 S. 442
Dans l'
ATF 123 III 124
, il a été jugé qu'une résiliation fondée à tort sur l'
art. 257f al. 3 CO
pouvait prendre effet à un autre titre comme résiliation admissible, de caractère extraordinaire. Le Tribunal fédéral a rappelé que si la notion de droit formateur exclut, en règle générale, une conversion de l'acte, cette exclusion ne va pas plus loin que ce qu'exige le caractère univoque, inconditionnel et irrévocable de l'exercice du droit formateur; l'exclusion de toute conversion trouve ses limites dans le principe de l'application d'office du droit par le juge et dans la dénomination inexacte de l'acte sans préjudice pour les parties, par analogie avec l'
art. 18 CO
(consid. 3d p. 128 s.). Ainsi, celui qui, fondé sur un état de fait clairement délimité, signifie à l'autre partie une résiliation extraordinaire du contrat, n'a pas à pâtir de ce qu'il invoque, erronément en droit, une disposition légale inexacte comme fondement juridique à sa déclaration.
3.2
Certains auteurs refusent d'envisager la conversion d'une résiliation extraordinaire en une résiliation ordinaire pour le plus prochain terme. Ces auteurs considèrent que, dès lors qu'une résiliation - qui ne remplit pas les conditions auxquelles la loi subordonne son application - est inefficace, ses effets ne peuvent pas être reportés à l'échéance ordinaire suivante (DAVID LACHAT ET AL., Mietrecht für die Praxis, 2009, n° 26/4.7 p. 532, n° 27/1.4.1 p. 537 et n° 27/4.3.5 p. 560; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, n° 4.2.7 p. 692; RAYMOND BISANG ET AL., Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3
e
éd. 2008, n° 53 ad
art. 257f CO
et n° 22 ad
art. 266-266o CO
; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 11 ad
art. 257d CO
; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 3
e
éd. 1994 et 4
e
éd. 1995, n
os
72 et 86 ad
art. 257f CO
et n° 67 ad
art. 266g CO
; RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2
e
éd. 2007, n° 16 ad
art. 257d CO
; ANDREAS MAAG, Kündigung des Vermieters gemäss
Art. 257f OR
, Mietrecht Aktuell [MRA] 5/2002 p. 198 ss, 204; PETER HEINRICH, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, n° 9 ad
art. 266g CO
).
D'autres auteurs considèrent qu'un congé matériellement infondé peut être converti en un congé ordinaire. TERCIER/FAVRE sont d'avis que si le besoin personnel urgent invoqué par le bailleur, au sens de l'
art. 261 al. 2 let. a CO
, n'est pas suffisant, le congé vaudra en principe pour le prochain terme contractuel, s'il s'agit d'un contrat de durée indéterminée (TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 2009, n° 2487 p. 360). Cet avis est partagé par les commentateurs de
BGE 135 III 441 S. 443
l'Union suisse des professionnels de l'immobilier (USPI) (Droit suisse du bail à loyer, Commentaire, 1992, n° 53 ad
art. 257f CO
), qui estiment que, si toutes les conditions de la résiliation extraordinaire ne sont pas remplies, la résiliation garde sa validité en tant que congé ordinaire. Pour PIERRE WESSNER, une conversion est possible si l'auteur du congé est à même d'établir qu'il avait la volonté de mettre fin au bail indépendamment des motifs qu'il a invoqués (PIERRE WESSNER, La résiliation du bail à loyer pour justes motifs, in 10
e
Séminaire sur le droit du bail, 1998, n° 70 p. 25). CLAUDE RAMONI considère aussi, en lien avec un congé donné pour cause de demeure du locataire au sens de l'
art. 257d CO
, que s'il apparaît clairement que le bailleur avait de toute façon la volonté de mettre fin au contrat, un congé donné pour demeure du locataire non valable peut être converti en résiliation ordinaire pour le prochain terme, alors même que seul l'
art. 257d CO
est invoqué; cette solution apparaît, aux yeux de l'auteur, conforme aux principes admis pour la conversion des actes nuls en actes valables (CLAUDE RAMONI, Demeure du débiteur et contrats de droit suisse, 2002, n° 329 p. 155; de même, GUILLAUME VIONNET, L'exercice des droits formateurs, 2008, p. 413). Enfin, pour MARIE-NOËLLE VENTURI-ZEN-RUFFINEN, la question de la conversion d'une résiliation injustifiée en une résiliation ordinaire doit être résolue d'après les principes applicables en matière d'interprétation des manifestations de volonté; du point de vue de l'auteur, il y a lieu de déterminer selon le principe de la confiance si la résiliation injustifiée pouvait ou devait être comprise par son destinataire comme une résiliation ordinaire du contrat pour le prochain terme (MARIE-NOËLLE VENTURI-ZEN-RUFFINEN, La résiliation pour justes motifs des contrats de durée, 2004, n
os
1473 ss p. 414).
BERNARD CORBOZ adopte une position nuancée. Pour cet auteur, si les conditions qui ouvrent la faculté de mettre fin au bail prématurément ne sont pas réunies, la déclaration de volonté faite dans ce sens ne peut déployer aucun effet; toutefois, cet auteur n'exclut pas la possibilité d'une conversion du congé extraordinaire nul en un congé ordinaire valable lorsque l'échéance contractuelle est proche de la date pour laquelle le congé anticipé a été donné; si les dates sont éloignées, l'auteur observe que la sécurité du droit commande de ne pas s'orienter dans le sens d'une conversion, l'interprétation étant discutable et la situation incertaine pour l'autre partie (BERNARD CORBOZ, Les congés affectés d'un vice, in 9
e
Séminaire sur le droit du bail, 1996, p. 26).
BGE 135 III 441 S. 444
3.3
Lorsque les parties ont conclu un contrat qui se révèle nul ou inefficace, il est communément admis que le juge, pour sauver autant que possible l'accord intervenu, peut convertir l'acte juridique vicié en un autre acte juridique valable s'il parvient à la conclusion, par voie d'interprétation, que cet acte répond aux aspirations des parties et qu'il aurait été choisi par elles si elles avaient eu conscience du motif de nullité ou d'inefficacité affectant le contrat qu'elles ont passé en réalité (
ATF 124 III 112
consid. 2b/bb p. 119 s.;
ATF 103 II 176
consid. 4 p. 185 s.).
La possibilité de convertir un acte juridique vicié en un acte juridique valable n'est pas limitée aux actes bilatéraux. Ainsi, la jurisprudence admet qu'un recours mal dénommé puisse être converti et traité comme le recours qu'il aurait fallu interjeter, si les conditions en sont remplies (
ATF 134 III 379
consid. 1.2 p. 382).
Cependant, celui qui résilie un contrat exerce un droit formateur (Gestaltungsrecht, diritto formatore); en prévoyant la faculté de donner congé, l'ordre juridique permet à un seul des cocontractants de modifier unilatéralement, par sa seule manifestation de volonté, la situation juridique de l'autre partie (
ATF 133 III 360
consid. 8.1.1 p. 364).
Le droit formateur ne peut être exercé que par celui auquel il appartient. Le juge ne peut en principe pas suppléer une volonté qui n'a pas été manifestée.
Surtout, l'exercice du droit formateur, en raison de ses effets pour le cocontractant, doit reposer sur une manifestation de volonté claire et dépourvue d'incertitudes. Ainsi, il a été jugé que l'exercice d'un droit formateur doit être univoque, sans condition et revêtir un caractère irrévocable (
ATF 133 III 360
consid. 8.1.1 p. 364;
ATF 128 III 129
consid. 2a p. 135).
Il a donc été admis, pour assurer la sécurité du droit et protéger le cocontractant contre une situation juridique incertaine, que la notion de droit formateur exclut en principe la possibilité d'une conversion (
ATF 123 III 124
consid. 3d p. 129 et les références citées).
Si, comme c'est le cas en l'espèce, le locataire reçoit un congé qu'il doit interpréter, selon le principe de la confiance, comme une résiliation anticipée fondée sur l'
art. 261 al. 2 let. a CO
, il n'a pas à compter avec l'éventualité que le juge transforme le congé qui a été donné en un congé tel qu'il n'a pas été donné. On ne se trouve pas
BGE 135 III 441 S. 445
ici dans l'hypothèse d'une erreur de dénomination ou de référence légale (hypothèses visées à l'
ATF 123 III 124
déjà cité): le congé, tel qu'il a été donné, devait être compris comme un congé fondé sur l'
art. 261 al. 2 let. a CO
. Dans une telle situation, le locataire, pour s'opposer à la résiliation, était naturellement amené à faire valoir que les conditions d'application de cette disposition n'étaient pas réunies et, par voie de conséquence, que le congé était inefficace. Il n'avait pas à envisager un autre congé que celui qui lui a été donné, c'est-à-dire un congé ordinaire qui impliquait pour lui d'autres moyens de défense (une éventuelle annulation du congé sur la base des
art. 271 et 271a CO
, ainsi, subsidiairement, qu'une prolongation du bail selon les
art. 272 ss CO
). La conversion a pour but de remplacer ce qui a été dit (et qui n'est pas valable) par ce qui a été voulu (et qui est valable); elle n'a pas pour objet de rectifier l'erreur d'un cocontractant au détriment de l'autre, en modifiant ainsi les fondements juridiques du litige.
On peut encore observer que le législateur a adopté une disposition spéciale, l'
art. 266a al. 2 CO
, pour le cas où celui qui donne congé s'est trompé sur le délai ou le terme de congé. Dans ce cas de figure, le congé mal donné produit ses effets au prochain terme possible. Cette règle tend exclusivement à corriger une erreur de date, et non pas une résiliation viciée dans ses conditions de fond (VENTURI-ZEN-RUFFINEN, op. cit., n° 1472 p. 413 s.; LACHAT, op. cit., n° 4.7 p. 655; HIGI, op. cit., n
os
25 et 36 ad
art. 266a CO
). L'existence même de cette règle spéciale montre qu'un report des effets du congé n'est possible que dans le cas d'une erreur sur la date d'échéance, et non pas dans le cas d'espèce.
Au regard de ce qui précède, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en ne convertissant pas en une résiliation ordinaire le congé extraordinaire fondé sur l'
art. 261 al. 2 let. a CO
. | mixed |
9d64d7ed-ae85-473f-84a1-5dba1674f0e3 | 173.32 1 Legge sul Tribunale amministrativo federale (LTAF) del 17 giugno 2005 (Stato 1° marzo 2021) L’Assemblea federale della Confederazione Svizzera, visto l’articolo 191a della Costituzione federale1, visto il messaggio del Consiglio federale del 28 febbraio 20012, decreta: Capitolo 1: Statuto e organizzazione Sezione 1: Statuto Art. 1 Principio 1 Il Tribunale amministrativo federale è il tribunale amministrativo generale della Confederazione. 2 In quanto la legge non escluda il ricorso al Tribunale federale, il Tribunale ammi- nistrativo federale giudica quale autorità di grado precedente. 3 È dotato di 50–70 posti di giudice. 4 L’Assemblea federale stabilisce il numero dei posti di giudice mediante ordinanza. 5 Per far fronte a un afflusso straordinario di nuove pratiche, l’Assemblea federale può di volta in volta autorizzare, per due anni al massimo, posti supplementari di giudice. Art. 2 Indipendenza Nella sua attività giurisdizionale, il Tribunale amministrativo federale è indipen- dente e sottostà al solo diritto. Art. 3 Vigilanza 1 Il Tribunale federale esercita la vigilanza amministrativa sulla gestione del Tribu- nale amministrativo federale. 2 L’alta vigilanza è esercitata dall’Assemblea federale. 3 Il Tribunale amministrativo federale sottopone ogni anno al Tribunale federale, a destinazione dell’Assemblea federale, il suo progetto di preventivo, nonché il suo consuntivo e il suo rapporto di gestione. RU 2006 2197 1 RS 101 2 FF 2001 3764 173.32 Autorità giudiziarie federali 2 173.32 Art. 43 Sede 1 La sede del Tribunale amministrativo federale è San Gallo. 2 Fino al suo insediamento a San Gallo, il Tribunale amministrativo federale svolge la sua attività nella regione di Berna. 3 Il Consiglio federale è autorizzato a concludere con il Cantone di San Gallo una convenzione sulla partecipazione finanziaria di quest’ultimo alle spese per l’istitu- zione del Tribunale amministrativo federale.4 Sezione 2: Giudici Art. 5 Elezione 1 I giudici sono eletti dall’Assemblea federale. 2 È eleggibile chiunque abbia diritto di voto in materia federale. Art. 6 Incompatibilità 1 I giudici non possono essere membri dell’Assemblea federale, del Consiglio fede- rale o del Tribunale federale, né esercitare alcun’altra funzione al servizio della Confederazione. 2 Non possono esercitare alcuna attività che pregiudichi l’adempimento della loro funzione, l’indipendenza del Tribunale o la sua dignità, né esercitare professional- mente la rappresentanza in giudizio. 3 I giudici non possono esercitare alcuna funzione ufficiale per uno Stato estero. né accettare titoli o decorazioni conferiti da autorità estere. 4 I giudici a tempo pieno non possono esercitare alcuna funzione al servizio di un Cantone né altre attività lucrative. Non possono neppure essere membri della dire- zione, dell’amministrazione, dell’ufficio di vigilanza o dell’ufficio di revisione di un’impresa commerciale. Art. 7 Altre attività I giudici possono esercitare attività al di fuori del Tribunale amministrativo federale soltanto con l’autorizzazione di quest’ultimo. 3 Nuovo testo giusta l’art. 2 dell’O del 1° mar. 2006 sull’entrata in vigore della legge sul Tribunale federale e della legge sul Tribunale amministrativo federale nonché sull’entrata in vigore integrale della legge federale sulle sedi del Tribunale penale federale e del Tribunale amministrativo federale, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2006 1069). 4 Introdotto dall’all. n. II 6 della L del 19 mar. 2010 sull’organizzazione delle autorità penali, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 3267; FF 2008 7093). Tribunale amministrativo federale. L 3 173.32 Art. 8 Incompatibilità personale 1 Non possono esercitare nel medesimo tempo la funzione di giudice del Tribunale amministrativo federale: a. i coniugi, i partner registrati e le persone che convivono stabilmente; b. i coniugi o partner registrati di persone che tra loro sono fratelli o sorelle, nonché le persone che convivono stabilmente con persone che tra loro sono fratelli o sorelle; c. i parenti in linea retta e, fino al terzo grado compreso, in linea collaterale; d. gli affini in linea retta e, fino al terzo grado compreso, in linea collaterale. 2 La regola di cui al capoverso 1 lettera d vale, applicata per analogia, anche riguar- do alle persone che convivono stabilmente. Art. 9 Durata della carica 1 I giudici stanno in carica sei anni. 2 I giudici che compiono 68 anni lasciano la carica alla fine dell’anno civile.5 3 I seggi divenuti vacanti sono riassegnati per il resto del periodo. Art. 10 Destituzione L’Assemblea federale può destituire un giudice prima della scadenza del suo man- dato se: a. intenzionalmente o per negligenza grave ha violato gravemente i suoi doveri d’ufficio; o b. ha durevolmente perso la capacità di esercitare il suo ufficio. Art. 11 Giuramento 1 Prima di entrare in carica, i giudici giurano di adempiere coscienziosamente il loro dovere. 2 Il giuramento è prestato dinanzi alla rispettiva corte sotto la presidenza del presi- dente del Tribunale. 3 Il giuramento può essere sostituito dalla promessa solenne. Art. 126 5 Nuovo testo giusta il n. I 1 della LF del 16 mar. 2012 (Innalzamento dell’età massima dei giudici), in vigore dal 1° dic. 2012 (RU 2012 5647; FF 2011 7975, 7993). 6 Abrogato dall’all. n. 4 della LF del 17 giu. 2011 (Richieste di soppressione dell’immunità), con effetto dal 5 dic. 2011 (RU 2011 4627; FF 2010 6497, 6537). Autorità giudiziarie federali 4 173.32 Art. 13 Grado d’occupazione e statuto giuridico 1 I giudici esercitano la loro funzione a tempo pieno o a tempo parziale. 2 Il Tribunale può, in casi motivati, autorizzare una modifica del grado di occupa- zione durante il periodo di carica, a condizione che la somma delle percentuali di occupazione rimanga complessivamente immutata. 3 L’Assemblea federale disciplina mediante ordinanza il rapporto di lavoro e la retribuzione dei giudici. Sezione 3: Organizzazione e amministrazione Art. 14 Principio Il Tribunale amministrativo federale determina la sua organizzazione e amministra- zione. Art. 15 Presidenza 1 L’Assemblea federale elegge, scegliendoli tra i giudici: a. il presidente del Tribunale; b. il vicepresidente del Tribunale. 2 Il presidente e il vicepresidente stanno in carica due anni; la rielezione è possibile, ma una volta sola. 3 Il presidente presiede la Corte plenaria e la Commissione amministrativa (art. 18). Rappresenta il Tribunale verso l’esterno. 4 In caso di impedimento, il presidente è rappresentato dal vicepresidente e, se anche questi è impedito, dal giudice con la maggiore anzianità di servizio; se vi sono più giudici con la stessa anzianità di servizio, dal più anziano tra di loro. Art. 16 Corte plenaria 1 Alla Corte plenaria competono: a. l’emanazione dei regolamenti concernenti l’organizzazione e l’amministra- zione del Tribunale, la ripartizione delle cause, l’informazione, le tasse di giustizia, le spese ripetibili accordate alle parti e le indennità concesse a pa- trocinatori d’ufficio, periti e testimoni; b. le nomine, in quanto non siano attribuite mediante regolamento a un altro organo del Tribunale; c. le decisioni concernenti modifiche del grado di occupazione dei giudici du- rante il periodo amministrativo; d. l’adozione del rapporto di gestione; e. la designazione delle corti e la nomina dei loro presidenti su proposta della Commissione amministrativa; Tribunale amministrativo federale. L 5 173.32 f. la proposta all’Assemblea federale per la nomina del presidente e del vice- presidente; g. l’assunzione del segretario generale e del suo sostituto su proposta della Commissione amministrativa; h. le decisioni concernenti l’adesione ad associazioni internazionali; i. altri compiti attribuitile per legge. 2 La Corte plenaria delibera validamente soltanto se alla seduta o alla procedura per circolazione degli atti partecipano almeno due terzi dei giudici. 3 Hanno diritto di voto anche i giudici che esercitano la loro funzione a tempo par- ziale. Art. 17 Conferenza dei presidenti 1 La Conferenza dei presidenti consta dei presidenti delle corti. Si costituisce auto- nomamente. 2 La Conferenza dei presidenti è competente per: a. emanare istruzioni e regole uniformi per la stesura delle sentenze; b. coordinare la giurisprudenza delle corti; rimane salvo l’articolo 25; c. esprimersi sui progetti di atti normativi sottoposti a procedura di consulta- zione. Art. 18 Commissione amministrativa 1 La Commissione amministrativa è composta: a. del presidente del Tribunale; b. del vicepresidente del Tribunale; c. di altri tre giudici al massimo. 2 Il segretario generale partecipa con voto consultivo alle sedute della Commissione amministrativa. 3 I giudici di cui al capoverso 1 lettera c sono eletti dalla Corte plenaria per un periodo di due anni; sono rieleggibili, ma una volta sola. 4 La Commissione amministrativa è responsabile dell’amministrazione del Tribuna- le. È competente per: a. adottare il progetto di preventivo e il consuntivo a destinazione dell’Assem- blea federale; b. decidere sui rapporti di lavoro dei giudici, in quanto la legge non dichiari competente un’altra autorità; c. assumere i cancellieri del Tribunale e attribuirli alle corti in base alle propo- ste delle corti medesime; d. approntare sufficienti servizi scientifici e amministrativi; Autorità giudiziarie federali 6 173.32 e.7 assicurare un’adeguata formazione continua del personale; f. autorizzare i giudici a svolgere attività fuori del Tribunale; g. svolgere tutte le altre mansioni amministrative che non rientrano nella com- petenza della Corte plenaria o della Conferenza dei presidenti. Art. 19 Corti 1 Le corti sono costituite per due anni. La loro composizione è resa pubblica. 2 Per costituire le corti si tiene adeguatamente conto delle conoscenze specifiche dei giudici e delle lingue ufficiali. 3 Ciascun giudice può essere tenuto a prestare il proprio concorso in una corte diver- sa dalla sua. Art. 20 Presidenza delle corti 1 I presidenti delle corti sono eletti per due anni. 2 In caso di impedimento, il presidente è rappresentato dal giudice con la maggior anzianità di servizio; se vi sono più giudici con la stessa anzianità di servizio, dal più anziano tra di loro. 3 La presidenza di una corte non può essere esercitata per più di sei anni. Art. 21 Composizione 1 Di regola, le corti giudicano nella composizione di tre giudici (collegio giudicante). 2 Giudicano nella composizione di cinque giudici se il presidente lo ordina ai fini dell’elaborazione del diritto giudiziale o dell’uniformità della giurisprudenza. Art. 22 Votazione 1 Salvo che la legge disponga altrimenti, la Corte plenaria, la Conferenza dei presi- denti, la Commissione amministrativa e le corti deliberano, prendono le decisioni e procedono alle nomine a maggioranza assoluta dei voti. 2 In caso di parità di voti, quello del presidente decide; se si tratta di nomine o as- sunzioni, decide la sorte. 3 L’astensione è esclusa nelle decisioni prese in una procedura secondo gli arti- coli 31–36 o 45–48. 7 Nuovo testo giusta l’all. n. II 6 della LF del 20 giu. 2014 sulla formazione continua, in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 689; FF 2013 3085). Tribunale amministrativo federale. L 7 173.32 Art. 23 Giudice unico 1 Il giudice dell’istruzione decide quale giudice unico circa: a. lo stralcio dal ruolo delle cause divenute prive di oggetto; b. la non entrata nel merito di impugnazioni manifestamente inammissibili. 2 Sono fatte salve le competenze particolari del giudice unico secondo: a. l’articolo 111 capoverso 2 lettera c della legge del 26 giugno 19988 sull’asilo; b. gli articoli 29, 31 e 41 della legge federale del 25 settembre 20159 sulle attività informative (LAIn); c. le leggi federali in materia di assicurazioni sociali.10 Art. 24 Ripartizione delle cause Il Tribunale amministrativo federale disciplina mediante regolamento la ripartizione delle cause tra le corti in funzione della materia e la composizione dei collegi giudi- canti. Art. 25 Modifica della giurisprudenza e precedenti 1 Una corte può derogare alla giurisprudenza di una o più altre corti soltanto con il consenso delle corti interessate riunite. 2 Se deve giudicare una questione di diritto concernente più corti, la corte giudican- te, qualora lo ritenga opportuno ai fini dell’elaborazione del diritto giudiziale o per garantire una giurisprudenza uniforme, chiede il consenso delle corti interessate riunite. 3 Le corti riunite deliberano validamente soltanto se alla seduta o alla procedura per circolazione degli atti partecipano almeno due terzi dei giudici di ciascuna corte interessata. La decisione è presa senza dibattimento ed è vincolante per la corte che deve giudicare la causa. Art. 26 Cancellieri 1 I cancellieri partecipano all’istruzione e al giudizio delle cause. Hanno voto con- sultivo. 2 Elaborano rapporti sotto la responsabilità di un giudice e redigono le sentenze del Tribunale amministrativo federale. 3 Adempiono gli altri compiti che il regolamento affida loro. 8 RS 142.31 9 RS 121 10 Nuovo testo giusta l’all. n. II 3 della LF del 25 set. 2015 sulle attività informative, in vigore dal 1° set. 2017 (RU 2017 4095; FF 2014 1885). Autorità giudiziarie federali 8 173.32 Art. 27 Amministrazione 1 Il Tribunale amministrativo federale gode di autonomia amministrativa. 2 Istituisce i suoi servizi e assume il personale necessario. 3 Tiene una contabilità propria. Art. 27a11 Infrastruttura 1 Il Dipartimento federale delle finanze è competente per l’approntamento, la gestio- ne e la manutenzione degli edifici utilizzati dal Tribunale amministrativo federale. Esso tiene adeguatamente in considerazione le esigenze del Tribunale amministra- tivo federale. 2 Il Tribunale amministrativo federale sopperisce autonomamente ai suoi bisogni in beni e servizi nell’ambito della logistica. 3 I dettagli della collaborazione tra il Tribunale amministrativo federale e il Diparti- mento federale delle finanze sono retti per analogia dalla convenzione tra il Tribuna- le federale e il Consiglio federale di cui all’articolo 25a capoverso 3 della legge del 17 giugno 200512 sul Tribunale federale; è fatta salva una convenzione diversa con- clusa tra il Tribunale amministrativo federale e il Consiglio federale. Art. 27b13 Protezione dei dati derivanti dall’utilizzazione dell’infrastruttura elettronica 1 Per l’utilizzazione dell’infrastruttura elettronica del Tribunale amministrativo federale, nell’ambito della sua attività amministrativa si applicano per analogia gli articoli 57i–57q della legge del 21 marzo 199714 sull’organizzazione del Governo e dell’Amministrazione. 2 Il Tribunale amministrativo federale emana le disposizioni d’esecuzione necessa- rie. Art. 28 Segretariato generale Il segretario generale dirige l’amministrazione del Tribunale, compresi i servizi scientifici e le segreterie permanenti delle commissioni federali di stima.15 Dirige inoltre il segretariato della Corte plenaria, della Conferenza dei presidenti e della Commissione amministrativa. 11 Introdotto dal n. I 3 della LF del 23 giu. 2006 che integra e attualizza la revisione totale dell’organizzazione giudiziaria federale, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2006 4213; FF 2006 2849). 12 RS 173.110 13 Introdotto dal n. II 2 della LF del 1° ott. 2010 (Protezione dei dati derivanti dall’utilizzazione dell’infrastruttura elettronica), in vigore dal 1° apr. 2012 (RU 2012 941; FF 2009 7407). 14 RS 172.010 15 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4085; FF 2018 4031). Tribunale amministrativo federale. L 9 173.32 Art. 29 Informazione 1 Il Tribunale amministrativo federale informa il pubblico sulla sua giurisprudenza. 2 La pubblicazione delle sentenze avviene di norma in forma anonimizzata. 3 Il Tribunale disciplina in un regolamento i principi dell’informazione. 4 Per la cronaca giudiziaria, il Tribunale può prevedere un accreditamento. Art. 30 Principio di trasparenza 1 La legge del 17 dicembre 200416 sulla trasparenza si applica per analogia al Tribu- nale amministrativo federale laddove esso svolga compiti amministrativi o mansioni connesse alla vigilanza sulle commissioni federali di stima secondo la legge federale del 20 giugno 193017 sull’espropriazione. 2 Il Tribunale amministrativo federale può prevedere che non venga svolta una procedura di conciliazione; in tal caso, sulla domanda di accedere ai documenti ufficiali si pronuncia con decisione ricorribile. Capitolo 2: Competenze Sezione 1: Ricorso18 Art. 31 Principio Il Tribunale amministrativo federale giudica i ricorsi contro le decisioni ai sensi dell’articolo 5 della legge federale del 20 dicembre 196819 sulla procedura ammini- strativa (PA). Art. 32 Eccezioni 1 Il ricorso è inammissibile contro: a. le decisioni in materia di sicurezza interna o esterna del Paese, neutralità, protezione diplomatica e altri affari esteri, in quanto il diritto internazionale pubblico non conferisca un diritto al giudizio da parte di un tribunale; b. le decisioni in materia di diritto di voto dei cittadini nonché di elezioni e vo- tazioni popolari; c. le decisioni in materia di salario al merito del personale federale, in quanto non concernano la parità dei sessi; 16 RS 152.3 17 RS 711 18 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finan- ziari, in vigore dal 1° feb. 2008 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 19 RS 172.021 Autorità giudiziarie federali 10 173.32 d.20 ... e. le decisioni nel settore dell’energia nucleare concernenti: 1. le autorizzazioni di massima per impianti nucleari, 2. l’approvazione del programma di smaltimento, 3. la chiusura di depositi geologici in profondità, 4. la prova dello smaltimento; f.21 le decisioni in materia di rilascio o estensione di concessioni di infrastrutture ferroviarie; g. le decisioni dell’autorità indipendente di ricorso in materia radiotelevisiva; h. le decisioni in materia di rilascio di concessioni per case da gioco; i.22 le decisioni in materia di rilascio, modifica o rinnovo della concessione della Società svizzera di radiotelevisione (SSR); j.23 le decisioni in materia di diritto ai sussidi di una scuola universitaria o di un altro istituto accademico. 2 Il ricorso è inoltre inammissibile contro: a. le decisioni che, in virtù di un’altra legge federale, possono essere impugnate mediante opposizione o ricorso dinanzi a un’autorità ai sensi dell’articolo 33 lettere c–f; b. le decisioni che, in virtù di un’altra legge federale, possono essere impugnate mediante ricorso dinanzi a un’autorità cantonale. Art. 33 Autorità inferiori Il ricorso è ammissibile contro le decisioni: a. del Consiglio federale e degli organi dell’Assemblea federale in materia di rapporti di lavoro del personale federale, compreso il rifiuto dell’autorizza- zione a procedere penalmente; b.24 del Consiglio federale concernenti: 1. la destituzione di un membro del Consiglio della banca o della dire- zione generale o di un loro supplente secondo la legge del 3 ottobre 200325 sulla Banca nazionale, 20 Abrogata dall’all. n. II 1 della LF del 30 set. 2011 sulla promozione e sul coordinamento del settore universitario svizzero, con effetto dal 1° gen. 2015 (RU 2014 4103; FF 2009 3925). 21 Nuovo testo giusta il n. I 3 della LF del 16 mar. 2012 sulla seconda fase della Riforma delle ferrovie 2, in vigore dal 1° lug. 2013 (RU 2012 5619, 2013 1603; FF 2011 823). 22 Introdotta dall’all. n. 2 della LF del 26 set. 2016, in vigore dal 1° lug. 2016 (RU 2016 2131; FF 2013 2131). 23 Introdotta dal n. II della LF del 25 set. 2020, in vigore dal 1° mar. 2021 (RU 2021 68; FF 2020 3235). 24 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 22 giu. 2007 sulla vigilanza dei mercati finanziari, in vigore dal 1° feb. 2008 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 25 RS 951.11 Tribunale amministrativo federale. L 11 173.32 2. la revoca di un membro del consiglio di amministrazione dell’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari o l’approvazione dello scio- glimento del rapporto di lavoro del direttore da parte del consiglio di amministrazione secondo la legge del 22 giugno 200726 sulla vigilanza dei mercati finanziari, 3.27 il blocco di valori patrimoniali secondo la legge del 18 dicembre 201528 sui valori patrimoniali di provenienza illecita, 4.29 il divieto di determinate attività secondo la LAIn30, 4bis.31 il divieto di organizzazioni secondo la LAIn, 5.32 la revoca di un membro del Consiglio d’istituto dell’Istituto federale di metrologia secondo la legge federale del 17 giugno 201133 sull’Istituto federale di metrologia, 6.34 la revoca di un membro del consiglio di amministrazione dell’Autorità federale di sorveglianza dei revisori o l’approvazione dello sciogli- mento del rapporto di lavoro del direttore da parte del consiglio di am- ministrazione secondo la legge del 16 dicembre 200535 sui revisori, 7.36 la revoca di un membro del Consiglio dell’Istituto svizzero per gli agenti terapeutici secondo la legge del 15 dicembre 200037 sugli agenti terapeutici, 8.38 la revoca di un membro del consiglio di amministrazione dell’istituto secondo la legge del 16 giugno 201739 sui fondi di compensazione, 26 RS 956.1 27 Introdotto dall’all. n. 1 della L del 1° ott. 2010 sulla restituzione degli averi di provenien- za illecita (RU 2011 275; FF 2010 2871). Nuovo testo giusta l’art. 31 cpv. 2 n. 1 della L del 18 dic. 2015 sui valori patrimoniali di provenienza illecita, in vigore dal 1° lug. 2016 (RU 2016 1803; FF 2014 4555). 28 RS 196.1 29 Introdotto dall’all. n. 2 della LF del 23 dic. 2011 (RU 2012 3745; FF 2007 4613; 2010 6923). Nuovo testo giusta l’all. n. II 3 della LF del 25 set. 2015 sulle attività informative, in vigore dal 1° set. 2017 (RU 2017 4095; FF 2014 1885). 30 RS 121 31 Introdotto dall’all. n. II 3 della LF del 25 set. 2015 sulle attività informative, in vigore dal 1° set. 2017 (RU 2017 4095; FF 2014 1885). 32 Introdotto dal n. 1 dell’art 26 della LF sull’Istituto federale di metrologia, in vigore dal 1° gen. 2013 (RU 2011 6515; FF 2010 7073). 33 RS 941.27 34 Introdotta dall’all. n. 2 della L del 20 giu. 2014 (Concentrazione della sorveglianza sulle imprese di revisione e sulle società di audit), in vigore dal 1° gen. 2015 (RU 2014 4073; FF 2013 5901). 35 RS 221.302 36 Introdotto dall’all. 1 della LF del 18 mar. 2016, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2017 2745, 2018 3575; FF 2013 1). 37 RS 812.21 38 Introdotto dall’all. n. II 3 della LF del 16 giu. 2017 sui fondi di compensazione, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2017 7563; FF 2016 255). 39 RS 830.2 Autorità giudiziarie federali 12 173.32 9.40 la revoca di un membro del consiglio d’Istituto dell’Istituto svizzero di diritto comparato secondo la legge federale del 28 settembre 201841 sull’Istituto svizzero di diritto comparato, 10.42 la revoca di un membro del consiglio d’amministrazione del Servizio svizzero di assegnazione delle tracce o l’approvazione della risoluzione del rapporto di lavoro del direttore da parte del consiglio d’ammi- nistrazione secondo la legge federale del 20 dicembre 195743 sulle fer- rovie; c. del Tribunale penale federale in materia di rapporti di lavoro dei suoi giudici e del suo personale; cbis.44 del Tribunale federale dei brevetti in materia di rapporti di lavoro dei suoi giudici e del suo personale; cter.45 dell’autorità di vigilanza sul Ministero pubblico della Confederazione in materia di rapporti di lavoro dei membri del Ministero pubblico della Confe- derazione eletti dall’Assemblea federale plenaria; cquater.46 del procuratore generale della Confederazione in materia di rapporti di lavoro dei procuratori pubblici federali da lui nominati e del personale del Ministero pubblico della Confederazione; cquinquies.47 dell’autorità di vigilanza sul Ministero pubblico della Confederazione in materia di rapporti di lavoro del personale della sua segreteria; d. della Cancelleria federale, dei dipartimenti e dei servizi dell’Amministra- zione federale loro subordinati o aggregati amministrativamente; e. degli stabilimenti e delle aziende della Confederazione; f. delle commissioni federali; g. dei tribunali arbitrali costituiti in virtù di contratti di diritto pubblico sotto- scritti dalla Confederazione, dai suoi stabilimenti o dalle sue aziende; h. delle autorità o organizzazioni indipendenti dall’Amministrazione federale che decidono nell’adempimento di compiti di diritto pubblico loro affidati dalla Confederazione; 40 Introdotto dall’art. 23 cpv. 2 della LF del 28 set. 2018 sull’Istituto svizzero di diritto comparato, in vigore dal 1° gen. 2020 (RU 2019 3199; FF 2018 771). 41 RS 425.1 42 Nuovo testo giusta il n. I 2 della LF del 28 set. 2018 sull’organizzazione dell’infrastruttura ferroviaria, in vigore dal 1° lug. 2020 (RU 2020 1889; FF 2016 7711). 43 RS 742.101 44 Introdotta dall’all. n. 3 della LF del 20 mar. 2009 sul Tribunale federale dei brevetti, in vigore dal 1° gen. 2012 (RU 2010 513, 2011 2241; FF 2008 349). 45 Introdotta dall’all. n. II 6 della L del 19 mar. 2010 sull’organizzazione delle autorità penali (RU 2010 3267; FF 2008 7093). Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2015, in vigore dal 1° nov. 2015 (RU 2015 3847; FF 2015 1861 1885). 46 Introdotta dall’all. n. II 6 della L del 19 mar. 2010 sull’organizzazione delle autorità penali, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 3267; FF 2008 7093). 47 Introdotta dall’all. n. II 6 della L del 19 mar. 2010 sull’organizzazione delle autorità penali, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 3267; FF 2008 7093). Tribunale amministrativo federale. L 13 173.32 i. delle autorità cantonali, in quanto una legge federale preveda che le loro de- cisioni sono impugnabili mediante ricorso dinanzi al Tribunale amministra- tivo federale. Art. 3448 Sezione 2: Azione49 Art. 35 Principio Il Tribunale amministrativo federale giudica su azione in prima istanza: a. le controversie derivanti da contratti di diritto pubblico sottoscritti dalla Confederazione, dai suoi stabilimenti, dalle sue aziende o dalle organizza- zioni ai sensi dell’articolo 33 lettera h; b. le controversie concernenti raccomandazioni nel settore del diritto privato formulate dall’Incaricato della protezione dei dati (art. 29 cpv. 4 della LF del 19 giu. 199250 sulla protezione dei dati); c. le controversie tra la Confederazione e la Banca nazionale concernenti le convenzioni sui servizi bancari e sulla distribuzione dell’utile; d. 51 le domande di confisca di valori patrimoniali conformemente alla legge del 18 dicembre 201552 sui valori patrimoniali di provenienza illecita. Art. 36 Eccezione L’azione è inammissibile se un’altra legge federale deferisce la controversia a una delle autorità menzionate nell’articolo 33. 48 Abrogato dal n. II della LF del 21 dic. 2007 (Finanziamento ospedaliero), con effetto dal 1° gen. 2009 (RU 2008 2049; FF 2004 4903). 49 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 22 giu. 2007 concernente l’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 50 RS 235.1 51 Introdotta dall’all. n. 1 della L del 1° ott. 2010 sulla restituzione degli averi di provenien- za illecita (RU 2011 275; FF 2010 2871). Nuovo testo giusta l’art. 31 cpv. 2 n. 1 della L del 18 dic. 2015 sui valori patrimoniali di provenienza illecita, in vigore dal 1° lug. 2016 (RU 2016 1803; FF 2014 4555). 52 RS 196.1 Autorità giudiziarie federali 14 173.32 Sezione 3:53 Divergenze di opinione in materia di assistenza amministrativa e giudiziaria a livello nazionale Art. 36a 1 Sempreché una legge federale lo preveda, il Tribunale amministrativo federale giu- dica le divergenze di opinione in materia di assistenza amministrativa e giudiziaria tra autorità federali e tra autorità della Confederazione e dei Cantoni. 2 I terzi non possono partecipare alla procedura. Sezione 4:54 Autorizzazione di misure di acquisizione del Servizio delle attività informative Art. 36b Il Tribunale amministrativo federale decide in merito all’autorizzazione di misure di acquisizione secondo la LAIn55. Capitolo 3: Procedura Sezione 1: Disposizioni generali Art. 37 Principio La procedura dinanzi al Tribunale amministrativo federale è retta dalla PA56, in quanto la presente legge non disponga altrimenti. Art. 38 Ricusazione Le disposizioni della legge del 17 giugno 200557 sul Tribunale federale concernenti la ricusazione si applicano per analogia alla procedura dinanzi al Tribunale ammini- strativo federale. Art. 39 Giudice dell’istruzione 1 Il presidente della corte dirige il procedimento quale giudice dell’istruzione sino alla pronuncia della sentenza; può delegare questo compito a un altro giudice. 53 Introdotta dall’all. n. 4 della LF del 22 giu. 2007 concernente l’Autorità federale di vigilanza sui mercati finanziari, in vigore dal 1° gen. 2009 (RU 2008 5207; FF 2006 2625). 54 Introdotta dall’all. n. II 3 della LF del 25 set. 2015 sulle attività informative, in vigore dal 1° set. 2017 (RU 2017 4095; FF 2014 1885). 55 RS 121 56 RS 172.021 57 RS 173.110 Tribunale amministrativo federale. L 15 173.32 2 Procede all’audizione di testimoni, alle ispezioni oculari e all’interrogatorio delle parti insieme con un secondo giudice. 3 Le decisioni del giudice dell’istruzione non sono impugnabili dinanzi al Tribunale amministrativo federale. Art. 40 Dibattimento 1 Laddove si debbano giudicare diritti di carattere civile o accuse penali a tenore dell’articolo 6 paragrafo 1 della Convenzione del 4 novembre 195058 per la salva- guardia dei diritti dell’uomo e delle libertà fondamentali, il giudice dell’istruzione ordina un dibattimento pubblico: a. ad istanza di parte; o b. qualora importanti interessi pubblici lo giustifichino.59 2 Il presidente della corte o il giudice unico può ordinare un dibattimento pubblico anche in altri casi. 3 Qualora vi sia da temere un pericolo per la sicurezza, l’ordine pubblico o i buoni costumi o qualora l’interesse di una persona in causa lo giustifichi, il dibattimento può svolgersi in tutto o in parte a porte chiuse. Art. 41 Deliberazione 1 Di regola, il Tribunale amministrativo federale giudica mediante circolazione degli atti. 2 Delibera oralmente se: a. il presidente della corte lo ordina o un giudice lo chiede; b. una corte pronuncia nella composizione di cinque membri e non è raggiunta l’unanimità. 3 Nei casi di cui al capoverso 2 lettera b, la deliberazione orale è pubblica se il presidente della corte lo ordina o se un giudice lo chiede. Art. 42 Pronuncia della sentenza Il Tribunale amministrativo federale mette a disposizione del pubblico il dispositivo delle sue sentenze per 30 giorni dopo la loro notificazione. Art. 43 Esecuzione viziata In caso di esecuzione viziata di sentenze del Tribunale amministrativo federale che non impongono il pagamento di una somma di denaro o la prestazione di una garan- zia pecuniaria può essere interposto ricorso dinanzi al Consiglio federale. Quest’ul- timo adotta le misure necessarie. 58 RS 0.101 59 Nella versione francese della L, il cpv. 1 non comporta nessuna struttura. Autorità giudiziarie federali 16 173.32 Sezione 2: Disposizioni particolari per i procedimenti promossi mediante azione Art. 44 1 Se il Tribunale amministrativo federale giudica in prima istanza, la procedura è retta dagli articoli 3–73 e 79–85 della legge del 4 dicembre 194760 di procedura civile federale. 2 Il Tribunale amministrativo federale accerta d’ufficio i fatti. 3 Le tasse di giustizia e le spese ripetibili sono rette dagli articoli 63–65 PA61.62 Capitolo 4: Revisione, interpretazione e rettifica Sezione 1: Revisione Art. 45 Principio Gli articoli 121–128 della legge del 17 giugno 200563 sul Tribunale federale si applicano per analogia alla revisione delle sentenze del Tribunale amministrativo federale. Art. 46 Rapporto con il ricorso Le censure che avrebbero potuto essere sollevate in un ricorso contro la sentenza del Tribunale amministrativo federale non possono essere fatte valere in una domanda di revisione. Art. 47 Domanda di revisione Per il contenuto, la forma, il miglioramento e il completamento della domanda di revisione è applicabile l’articolo 67 capoverso 3 PA64. 60 RS 273 61 RS 172.021 62 Introdotto dall’all. n. 2 della L del 1° ott. 2010 sulla restituzione degli averi di provenienza illecita, in vigore dal 1° feb. 2011 (RU 2011 275; FF 2010 2871). 63 RS 173.110 64 RS 172.021 Tribunale amministrativo federale. L 17 173.32 Sezione 2: Interpretazione e rettifica Art. 48 1 L’articolo 129 della legge del 17 giugno 200565 sul Tribunale federale si applica per analogia all’interpretazione e alla rettifica delle sentenze del Tribunale ammini- strativo federale. 2 Dall’interpretazione o dalla rettifica decorre nuovamente un eventuale termine di ricorso. Capitolo 5: Disposizioni finali Art. 49 Modifica del diritto vigente 1 La modifica del diritto vigente è disciplinata nell’allegato. 2 L’Assemblea federale può adeguare mediante ordinanza le disposizioni di leggi federali che, nonostante siano in contraddizione con la presente legge, non sono state modificate formalmente dalla stessa. Art. 50 Coordinamento con la legge del 18 marzo 200566 sulle dogane (nuova legge sulle dogane) ...67 Art. 51 Coordinamento con il decreto federale del 17 dicembre 200468 che approva e traspone nel diritto svizzero gli accordi bilaterali con l’UE per l’associazione della Svizzera alla normativa di Schengen e Dublino, art. 3 n. 7 (art. 182 cpv. 2 della LF del 14 dic. 199069 sull’imposta federale diretta, LIFD) ...70 Art. 52 Coordinamento con la legge del 17 dicembre 200471 sulla sorveglianza degli assicuratori (nuova LSA) ...72 65 RS 173.110 66 RS 631.0 67 La mod. può essere consultata alla RU 2006 2197. 68 RS 362 69 RS 642.11 70 La mod. può essere consultata alla RU 2006 2197. 71 RS 961.01 72 La mod. può essere consultata alla RU 2006 2197. Autorità giudiziarie federali 18 173.32 Art. 53 Disposizioni transitorie 1 La procedura di ricorso contro le decisioni pronunciate prima dell’entrata in vigore della presente legge e contro le quali era ammissibile, secondo il diritto previgente, il ricorso al Tribunale federale o al Consiglio federale, è retta dal diritto previgente. 2 Il Tribunale amministrativo federale giudica, in quanto sia competente, i ricorsi pendenti presso le commissioni federali di ricorso o d’arbitrato o presso i servizi dei ricorsi dei dipartimenti al momento dell’entrata in vigore della presente legge. Il giudizio si svolge secondo il nuovo diritto processuale. Art. 54 Referendum ed entrata in vigore 1 La presente legge sottostà a referendum facoltativo. 2 Il Consiglio federale ne determina l’entrata in vigore. Data dell’entrata in vigore: 1° gennaio 200773 73 Art. 1 lett. b dell’O del 1° mar. 2006 (RU 2006 1069). Tribunale amministrativo federale. L 19 173.32 Allegato (art. 49 cpv. 1) Modifica del diritto vigente Le leggi qui appresso sono modificate come segue: ...74 74 Le mod. possono essere consultate alla RU 2006 2197. Autorità giudiziarie federali 20 173.32 Capitolo 1: Statuto e organizzazione Sezione 1: Statuto Art. 1 Principio Art. 2 Indipendenza Art. 3 Vigilanza Art. 4 Sede Sezione 2: Giudici Art. 5 Elezione Art. 6 Incompatibilità Art. 7 Altre attività Art. 8 Incompatibilità personale Art. 9 Durata della carica Art. 10 Destituzione Art. 11 Giuramento Art. 12 Art. 13 Grado d’occupazione e statuto giuridico Sezione 3: Organizzazione e amministrazione Art. 14 Principio Art. 15 Presidenza Art. 16 Corte plenaria Art. 17 Conferenza dei presidenti Art. 18 Commissione amministrativa Art. 19 Corti Art. 20 Presidenza delle corti Art. 21 Composizione Art. 22 Votazione Art. 23 Giudice unico Art. 24 Ripartizione delle cause Art. 25 Modifica della giurisprudenza e precedenti Art. 26 Cancellieri Art. 27 Amministrazione Art. 27a Infrastruttura Art. 27b Protezione dei dati derivanti dall’utilizzazione dell’infrastruttura elettronica Art. 28 Segretariato generale Art. 29 Informazione Art. 30 Principio di trasparenza Capitolo 2: Competenze Sezione 1: Ricorso Art. 31 Principio Art. 32 Eccezioni Art. 33 Autorità inferiori Art. 34 Sezione 2: Azione Art. 35 Principio Art. 36 Eccezione Sezione 3: Divergenze di opinione in materia di assistenza amministrativa e giudiziaria a livello nazionale Art. 36a Sezione 4: Autorizzazione di misure di acquisizione del Servizio delle attività informative Art. 36b Capitolo 3: Procedura Sezione 1: Disposizioni generali Art. 37 Principio Art. 38 Ricusazione Art. 39 Giudice dell’istruzione Art. 40 Dibattimento Art. 41 Deliberazione Art. 42 Pronuncia della sentenza Art. 43 Esecuzione viziata Sezione 2: Disposizioni particolari per i procedimenti promossi mediante azione Art. 44 Capitolo 4: Revisione, interpretazione e rettifica Sezione 1: Revisione Art. 45 Principio Art. 46 Rapporto con il ricorso Art. 47 Domanda di revisione Sezione 2: Interpretazione e rettifica Art. 48 Capitolo 5: Disposizioni finali Art. 49 Modifica del diritto vigente Art. 50 Coordinamento con la legge del 18 marzo 2005 sulle dogane (nuova legge sulle dogane) Art. 51 Coordinamento con il decreto federale del 17 dicembre 2004 che approva e traspone nel diritto svizzero gli accordi bilaterali con l’UE per l’associazione della Svizzera alla normativa di Schengen e Dublino, art. 3 n. 7 (art. 182 cpv. 2 della ... Art. 52 Coordinamento con la legge del 17 dicembre 2004 sulla sorveglianza degli assicuratori (nuova LSA) Art. 53 Disposizioni transitorie Art. 54 Referendum ed entrata in vigore Allegato Modifica del diritto vigente | mixed |
7dbad788-c901-44c4-8795-e1303712a300 | Sachverhalt
ab Seite 162
BGE 135 II 161 S. 162
A. (geb. 1962) und B. (geb. 1960), beide damals türkische Staatsangehörige, heirateten im Jahr 1983 zum ersten Mal. Im Jahr 1987 emigrierte der Ehemann in die Schweiz und stellte ein Asylgesuch. A. folgte ihm im Jahr 1989 nach und ersuchte ebenfalls um Asyl. Im April 1991 zogen die Eheleute ihre Asylgesuche zurück und kehrten in die Türkei zurück. Während dieses ersten Aufenthalts in der Schweiz lernte der Ehemann den Schweizer Bürger C. (geb. 1966) kennen. Beide arbeiteten beim gleichen Arbeitgeber und verkehrten auch privat miteinander. Auf diesem Weg schloss C. (geb. 1966) Bekanntschaft mit A. Auch nach der Rückkehr der Eheleute in die Türkei wurde der enge freundschaftliche Kontakt weiter
BGE 135 II 161 S. 163
aufrechterhalten. C. besuchte die Familie alljährlich in der Türkei und unternahm mit ihr gemeinsam Reisen durch das Land.
Am 14. Februar 1995 wurde die Ehe von A. und B. in der Türkei geschieden. Die vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder D. (geb. 1983), E. (geb. 1986), F. (geb. 1991) und G. (geb. 1992) wurden der Mutter zugesprochen.
Am 6. Juni 1995 verheiratete sich A. mit C. und erhielt im Namen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Zürich. Die beiden älteren Kinder folgten der Mutter spätestens im Dezember 1996, die beiden jüngeren im Mai 1999 in die Schweiz nach.
Am 26. Januar 1998 ersuchte A. um erleichterte Einbürgerung. Im Einbürgerungsverfahren unterzeichneten die Eheleute am 21. Juni 1999 eine gemeinsame Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft zusammenlebten und weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestünden. Gleichzeitig nahmen sie unterschriftlich zur Kenntnis, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt habe oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe. Des Weitern bestätigten sie ihre Kenntnisnahme davon, dass die Verheimlichung der Umstände zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen könne.
Am 8. Juli 1999 wurde A. erleichtert eingebürgert und erwarb nebst dem Schweizer Bürgerrecht die kantonalen Bürgerrechte von Zürich und Aargau sowie die Gemeindebürgerrechte von Winterthur/ZH und Küttingen/AG. In die erleichterte Einbürgerung einbezogen waren die beiden älteren Kinder D. und E.
Am 15. Oktober 1999 fand eine eheschutzrichterliche Verhandlung statt, in deren Verlauf den Ehegatten das Getrenntleben gestattet wurde. Am 2. November 1999 klagte A. auf Scheidung der Ehe. Mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur erfolgte die Scheidung am 19. Juni 2000. Anlässlich der Verhandlung vor dem Scheidungsrichter am 18. Januar 2000 gaben beide Ehegatten in getrennten Anhörungen übereinstimmend zu Protokoll, sie lebten seit sechs Monaten getrennt und hätten eigene Wohnungen.
Am 1. August 2001, rund ein Jahr nach der Scheidung vom Schweizer Ehegatten, verheiratete sich A. in der Türkei wieder mit ihrem ersten Ehemann B., der ihr im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz folgte und erneut mit C. im gleichen Betrieb arbeitete.
BGE 135 II 161 S. 164
Das damalige Bundesamt für Ausländerfragen teilte A. am 11. Februar 2003 mit, es erwäge, die erleichterte Einbürgerung für nichtig zu erklären. Die Chronologie der Ereignisse lasse vermuten, dass sie die Einbürgerung durch falsche Angaben zum Zustand der Ehe bzw. durch Verschweigen von erheblichen Tatsachen erschlichen habe. A. erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und wurde aufgefordert, ihr Einverständnis zum Beizug der Scheidungsakten zu geben. Dieser Aufforderung kam A. nach. In der Folge wurde C. polizeilich einvernommen.
Mit Verfügung vom 21. Mai 2004 erklärte das damalige Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (heute Bundesamt für Migration, BFM) die erleichterte Einbürgerung von A. für nichtig. In der Begründung der Verfügung hielt das BFM fest, dass sich die Nichtigerklärung auch auf die in die Einbürgerung einbezogenen Kinder D. und E. erstrecke.
Gegen diese Verfügung gelangten A. und die Kinder D. und E. an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Das Bundesverwaltungsgericht, welches die beim EJPD am 1. Januar 2007 hängigen Beschwerden übernahm, wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 20. März 2008 ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen A. (Beschwerdeführerin 1), D. (Beschwerdeführerin 2) und E. (Beschwerdeführer 3), es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung für die Beschwerdeführer 1-3 zu verzichten. Eventualiter sei nur die Nichtigkeit der erleichterten Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 zu bestätigen, das angefochtene Urteil ansonsten aber aufzuheben und die Nichtigerklärung der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 zu verweigern.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der Nichtigkeit der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid an das Bundesamt für Migration zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG;
BGE 135 II 161 S. 165
SR 141.0)
kann eine Ausländerin nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn sie insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit dem Schweizer Bürger lebt. Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von
Art. 27 BüG
nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (
BGE 130 II 169
E. 2.3.1). Gemäss konstanter Praxis muss sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die Gewähr für die Stabilität der Ehe bietet. Zweifel bezüglich eines solchen Willens sind angebracht, wenn kurze Zeit nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin oder eines Schweizer Bürgers die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (
BGE 130 II 482
E. 2 S. 484).
Nach
Art. 41 Abs. 1 BüG
kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt daher nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (
BGE 132 II 113
E. 3.1 S. 115). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass die betroffene Person bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (
BGE 132 II 113
E. 3.1 S. 115).
3.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet sich die erleichterte Einbürgerung nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021). Danach gilt der Untersuchungsgrundsatz, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat (
Art. 12 VwVG
).
BGE 135 II 161 S. 166
Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist deshalb von der Behörde zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde. Da es dabei im Wesentlichen um innere Vorgänge geht, die der Verwaltung oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind, darf sie von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) schliessen. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung gezogen werden (
BGE 130 II 482
E. 3.2 S. 485 f.). Die betroffene Person ist bei der Sachverhaltsabklärung mitwirkungspflichtig (
BGE 130 II 482
E. 3.2 S. 486).
Die tatsächliche Vermutung betrifft die Beweiswürdigung und bewirkt keine Umkehrung der Beweislast (
BGE 130 II 482
E. 3.2 S. 486). Die betroffene Person muss nicht den Beweis des Gegenteils erbringen. Vielmehr genügt der Nachweis von Zweifeln an der Richtigkeit der Indizien und der daraus gezogenen Schlussfolgerung (vgl. dazu allgemein VOGEL/SPÜHLER/GEHRI, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, S. 263 Rz. 51; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 283 f.). Dem Gesagten zufolge liegt die Beweislast dafür, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinn von
Art. 27 BüG
im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung nicht oder nicht mehr besteht, bei der Verwaltung. Es genügt deshalb, dass die betroffene Person einen oder mehrere Gründe angibt, die es plausibel erscheinen lassen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Erklärung mit dem Schweizer Ehepartner in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebte und dass sie diesbezüglich nicht gelogen hat. Ein solcher Grund kann entweder ein ausserordentliches Ereignis sein, das zum raschen Zerfall des Willens zur ehelichen Gemeinschaft im Anschluss an die Einbürgerung führte, oder die betroffene Person kann darlegen, aus welchem Grund sie die Schwere der ehelichen Probleme nicht erkannte und im Zeitpunkt, als sie die Erklärung unterzeichnete, den wirklichen Willen hatte, mit dem Schweizer Ehepartner auch weiterhin in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft zu leben (Bundesgerichtsurteile 5A.22/2006 vom 13. Juli 2006 E. 2.3; 5A.18/2006 vom 28. Juni 2006 E. 2.3).
4.
4.1
Das Bundesverwaltungsgericht geht von einer Erschleichung des Bürgerrechts durch die Beschwerdeführerin 1 aus. Aufgrund der engen zeitlichen Abfolge der Einbürgerung der
BGE 135 II 161 S. 167
Beschwerdeführerin 1 (8. Juli 1999), der Scheidung der mit dem Schweizer eingegangenen Ehe (19. Juni 2000) und der Wiederverheiratung der Beschwerdeführerin 1 mit dem ersten Ehemann (1. August 2001) vermutet die Vorinstanz, dass im Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung über das Bestehen der mit dem Schweizer eingegangenen Ehe (21. Juni 1999) in Wirklichkeit keine stabile eheliche Gemeinschaft im Sinne von
Art. 27 BüG
bestanden habe. Nach Auffassung der Vorinstanz lässt die eigentümliche Dreiecksbeziehung unter den Betroffenen überdies den Verdacht entstehen, das gesamte Vorgehen sei von Anfang an abgesprochen gewesen, und es habe zwischen der Beschwerdeführerin 1 und dem Schweizer nie eine reelle eheliche Gemeinschaft im Sinn von
Art. 27 BüG
bestanden.
Nach Darstellung der Beschwerdeführerin 1 und ihres Schweizer Ex-Ehemannes sei aus Liebe geheiratet worden. Konflikte des Ehemannes mit den beiden jüngeren Kindern, welche im Mai 1999 in die Schweiz nachgezogen seien, hätten nachträglich zum Scheitern der Ehe geführt. Zum Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung seien die Eheleute von einer intakten Ehe ausgegangen. Die Beschwerdeführerin 1 habe die Scheidung auf Drängen des Ehemannes eingereicht. Zur Wiederverheiratung mit dem ersten Ehemann sei es gekommen, weil sich die Beschwerdeführerin 1 als alleinerziehende Mutter von vier Kindern überfordert gefühlt habe.
Das Bundesverwaltungsgericht fährt fort, allein schon der zeitliche Ablauf der Ereignisse spreche gegen die Darstellung der Beschwerdeführerin 1. Zur faktischen Trennung sei es bereits im Juli 1999, somit im Monat der Einbürgerung gekommen. Drei Monate nach der Einbürgerung im Oktober 1999 sei den Ehegatten im Rahmen eines Eheschutzverfahrens das Getrenntleben gerichtlich bewilligt worden. In Anbetracht des Umstandes, dass das Erkennen des Scheiterns der Ehe, der Trennungsentschluss und dessen Umsetzung einige Zeit brauchen, könne nicht angenommen werden, die Ehe sei zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Erklärung am 21. Juni 1999 resp. der Verleihung der erleichterten Einbürgerung am 8. Juli 1999 noch intakt gewesen. Die einseitige Zuweisung der Verantwortung an den schweizerischen Ehemann lasse sich schwer mit dem Umstand vereinbaren, dass es die Beschwerdeführerin 1 gewesen sei, die auf Scheidung geklagt habe. Der Einwand der Beschwerdeführerin 1, ihr Ex-Ehemann habe die beiden jüngeren Kinder nicht ertragen, lässt die Vorinstanz nicht gelten. Dieser habe gewusst, dass er eine Mutter von vier Kindern heirate, und er habe bereits einige
BGE 135 II 161 S. 168
einschlägige Erfahrungen mit den beiden älteren Kindern sammeln können, die bereits seit 1996 in der ehelichen Wohnung gelebt hätten. Da die Beschwerdeführerin 1 angebe, von einem im Jahr 1997 aus Rücksicht auf ihren damaligen Ehemann durchgeführten Schwangerschaftsabbruch traumatisiert zu sein, müsse angenommen werden, dass allfällige eheliche Probleme wegen der Kinder ohnehin bereits geraume Zeit vor der Einbürgerung bestanden hätten.
4.2
Die Beschwerdeführerin 1 beteuert erneut, ihren Schweizer Ex-Ehemann aus Liebe geheiratet zu haben. Bis zum Nachzug der beiden jüngeren Kinder im Mai 1999 habe es keine ehelichen Probleme gegeben. Dass diese in die Schweiz verbracht werden sollten, sei darauf zurückzuführen, dass die Grossmutter, welche sich bis zu diesem Zeitpunkt um sie gekümmert habe, schwer erkrankt sei. Dieser Umstand unterschlage die Vorinstanz. Es sei nicht aussergewöhnlich, dass eine Ehe scheitere, weil sich einer der Ehepartner mit vier Kindern überfordert fühle.
4.3
Aufgrund der dargestellten Eckdaten ist der Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts, im Zeitpunkt der Einbürgerung habe keine stabile eheliche Gemeinschaft im Sinn von
Art. 27 BüG
mehr bestanden, zu schützen. Allein schon die zeitliche Abfolge der Ereignisse (Einbürgerungsentscheid und faktische Trennung im Juli 1999; gerichtliche Bewilligung der Trennung im Oktober 1999; Scheidung im Juni 2000) lässt die Vermutung aufrechtbestehen, dass bei der Einbürgerung eine intakte Ehe nicht bestand und die Beschwerdeführerin gegenüber den Behörden bewusst wahrheitswidrige Angaben über den Zustand der Ehe machte. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass der Nachzug der beiden kleinen Kinder im Mai 1999 die eheliche Gemeinschaft allenfalls zu belasten vermochte. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, dass bereits zwei Monate später und gleichzeitig mit der Einbürgerung im Juli 1999 das Getrenntleben aufgenommen und nach drei Monaten die gerichtliche Bewilligung zum Getrenntleben erwirkt wurde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht anzunehmen, dass im Zeitpunkt der Einbürgerung die Ehe intakt war.
Hinzu kommt der aus den Akten ersichtliche Umstand, dass der erste und jetzige Ehemann der Beschwerdeführerin 1 im April 1999 ein Visum zwecks Besuch der Beschwerdeführerin 1 und der gemeinsamen Kinder erlangte und am 19. Juni 1999 in die Schweiz einreiste. Die Beschwerdeführerin 1 gab zu dessen Gunsten gegenüber
BGE 135 II 161 S. 169
dem Schweizer Generalkonsulat in Istanbul eine Garantieerklärung ab. Anschliessend stellte der türkische Ehemann ein Asylgesuch. Dies spricht gegen die Darstellung der Beschwerdeführerin 1, dass sie sich erst nach der Scheidung vom Schweizer Ehemann ihrem ersten und jetzigen Ehemann wieder angenähert habe.
Aus den dargelegten Gründen ist der Standpunkt der Vorinstanz, es sei erwiesen, dass die Beschwerdeführerin 1 im Verfahren der erleichterten Einbürgerung bewusst wahrheitswidrig bestätigte, in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft mit dem Schweizer Ehemann zu leben, nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat demnach kein Bundesrecht verletzt, wenn es die Nichtigerklärung der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 bestätigte. Die Beschwerde ist bezüglich der Beschwerdeführerin 1 abzuweisen.
5.
5.1
Bezüglich der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 führte die Vorinstanz aus,
Art. 41 Abs. 3 BüG
sehe die Erstreckung der Nichtigkeit einer Einbürgerung auf die abgeleiteten Bürgerrechte der Familienmitglieder vor. Entgegen dem Standpunkt der Beschwerdeführer könne in diesem Zusammenhang von Sippenhaft nicht die Rede sein. Der Gesetzgeber habe das Anknüpfen an ein unredliches Verhalten der reflexhaft betroffenen Familienmitglieder von vornherein ausgeschlossen. In den allermeisten Fällen hätten reflexhaft betroffene Familienmitglieder an der Täuschungshandlung zur Erlangung der Einbürgerung nicht mitgewirkt. Das Anknüpfen an ein unredliches Verhalten der betroffenen Familienmitglieder würde
Art. 41 Abs. 3 BüG
in sein Gegenteil verkehren, wonach die Erstreckung der Nichtigkeit einer Einbürgerung auf die abgeleiteten Bürgerrechte den Regelfall darstelle.
Andere Gründe, die es rechtfertigen würden, die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 von der Nichtigerklärung ihrer Bürgerrechte auszunehmen, seien nicht ersichtlich. Der von der Beschwerdeführerin 2 beklagte Verlust eines Teils ihrer in der Schweiz erlangten Identität sei Folge jeder Nichtigerklärung des Bürgerrechts. Die geltend gemachte gute Integration werde ihr im Rahmen eines Verfahrens auf ordentliche Einbürgerung von Nutzen sein. Die Beibehaltung des Schweizer Bürgerrechts, das die Beschwerdeführer aufgrund des unredlichen Verhaltens ihrer Mutter im privilegierten Verfahren erhalten hätten, werde mit der guten Integration nicht gerechtfertigt. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass das BFM
BGE 135 II 161 S. 170
die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 von der Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung nicht ausnahm.
5.2
Die Beschwerdeführer wenden vor Bundesgericht ein, dass sie seit 1996 in der Schweiz wohnen und sich als Schweizer fühlen würden und gut integriert seien. Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, sie habe ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Schweizer Stiefvater, arbeite als stellvertretende Teamleiterin in einer Versicherungsgesellschaft, wolle nächstens eine Weiterbildung antreten und habe bisher bei allen Wahlen und Abstimmungen ihr Stimmbürgerrecht wahrgenommen. Sie sei deshalb eine "vorbildlich Eingebürgerte". Der Beschwerdeführer 3 argumentiert, er habe jüngst die Rekrutenschule absolviert und arbeite seither in einem Betrieb in Winterthur-Seen. Auch er sei vollumfänglich integriert.
5.3
Gemäss
Art. 41 Abs. 3 BüG
erstreckt sich die Nichtigkeit auf alle Familienmitglieder, deren Schweizer Bürgerrecht auf der nichtigerklärten Einbürgerung beruht, sofern nicht ausdrücklich anders verfügt wird. Der Sinn dieser Vorschrift liegt zweifelsohne darin, Einbürgerungen, die auf einer Täuschung der Behörden beruhen, den Bestand zu verweigern. Indessen ist aus der Formulierung dieser Vorschrift zu schliessen, dass die Nichtigerklärung der Einbürgerung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zwingend alle eingebürgerten Familienmitglieder erfassen muss. Die Gesetzesmaterialien weisen ebenfalls in diese Richtung (vgl. die Botschaft vom 9. August 1951 an die Bundesversammlung zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts, BBl 1951 II 669 ff., 703 Ziff. XVIII).
Art. 41 Abs. 3 BüG
nennt allerdings keine Kriterien, nach denen zu beurteilen wäre, in welchen Fällen von der Nichtigkeit der Einbürgerung der Familienmitglieder abzusehen ist, sondern überlässt diese Frage der Praxis. Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als allein das Fehlen unredlichen Verhaltens der Familienmitglieder, die in der Regel am täuschenden Verhalten ihrer Eltern nicht mitgewirkt haben, nicht ausschlaggebend sein kann, da
Art. 41 Abs. 3 BüG
sonst in sein Gegenteil verkehrt würde. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit werden die Behörden Grundsätze entwickeln müssen, anhand derer zu beurteilen ist, in welchen Fällen die Erstreckung der Nichtigkeit der erschlichenen Einbürgerung auf die Familienangehörigen als angemessen resp. unangemessen zu betrachten ist. Dabei haben sich die Behörden
BGE 135 II 161 S. 171
von der Verfassung sowie von Sinn und Zweck des Bürgerrechtsgesetzes leiten zu lassen. Insbesondere haben sie die Vorschriften über die Voraussetzungen zur ordentlichen Einbürgerung (Art. 14 f. BüG) im Auge zu behalten. Liegen etwa die Voraussetzungen zur ordentlichen Einbürgerung der betroffenen, selber bereits mündigen Familienmitglieder offensichtlich vor, so wäre es mit Sinn und Zweck des Bürgerrechtsgesetzes kaum vereinbar, die Nichtigkeit der erschlichenen Einbürgerung auf die Familienmitglieder auszudehnen.
5.4
In Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 ist die Erstreckung der Nichtigkeit der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 nicht zwingend.
Art. 41 Abs. 3 BüG
muss im Lichte der vorstehenden Erwägung angewendet werden. Sollten die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bezüglich der Integration der mittlerweile 22- und 25-jährigen und damit volljährigen Beschwerdeführer (klagloses Verhalten, Absolvierung der militärischen Grundausbildung, berufliche Ausbildung und Tätigkeit, Ausübung des Stimmrechts) zutreffen, so erschiene die Erstreckung der Nichtigkeit der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 ihnen gegenüber als unverhältnismässig und mit Sinn und Zweck des Bürgerrechtsgesetzes nicht vereinbar.
Das Bundesgericht kann diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend beurteilen, da es an einer hinreichenden Sachverhaltsabklärung durch die Vorinstanz fehlt. Jedenfalls aber genügen die in Erwägung 9 des angefochtenen Urteils enthaltenen Ausführungen und die vom Bundesamt für Migration in seiner Stellungnahme angegebenen Gründe nicht, um die Nichtigkeit der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 auch auf die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 auszudehnen.
Die Beschwerde ist bezüglich der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 gutzuheissen und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid zurückzuweisen, wobei die Sache in Anwendung von
Art. 107 Abs. 2 BGG
an das Bundesamt für Migration als erstentscheidende Behörde zurückgeht. Dieses hat sich mit der Auslegung und Anwendung von
Art. 41 Abs. 3 BüG
im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen zu befassen. | mixed |
686116e2-04c1-4eab-a435-6ec623ea5a62 | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 132 II 113 S. 114
A.
Am 5. März 1994 heiratete X. in Zürich eine Schweizerin und stellte in der Folge am 24. Juli 1998 das Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Im anschliessenden Verfahren unterzeichneten er und seine Ehefrau am 16. August 1999 eine Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenlebten und weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestünden. Sie nahmen überdies unterschriftlich zur Kenntnis, dass eine erleichterte Einbürgerung nicht möglich ist, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr besteht. Bestätigt wurde mit der schriftlichen Erklärung überdies die Kenntnisnahme davon, dass die Verheimlichung solcher Umstände zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen könne. Am 19. Januar 2000 wurde X. erleichtert eingebürgert. Bereits zuvor, nämlich am 10. Oktober 1999, hatte er die eheliche Wohnung verlassen. Am 28. Juni 2000 wurde X. rechtskräftig von seiner Ehefrau geschieden.
B.
Mit Verfügung des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES; heute Bundesamt für Migration, BFM) vom 2. September 2004 wurde die Einbürgerung für nichtig erklärt. Am 6. September 2005 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die gegen die erstinstanzliche Verfügung eingereichte Verwaltungsbeschwerde von X. ab. Das Departement hielt im Wesentlichen dafür, X. habe die erleichterte Einbürgerung aufgrund falscher Angaben bzw. durch Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen und den Tatbestand von
Art. 41 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG; SR 141.0)
erfüllt.
C.
X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Departementes aufzuheben und das Verfahren betreffend Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung einzustellen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Nach
Art. 41 Abs. 1 BüG
kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder
BGE 132 II 113 S. 115
Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (
BGE 128 II 97
E. 3a S. 99;
BGE 130 II 482
E. 2). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich, wohl aber dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (
BGE 130 II 482
E. 2).
3.2
In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet sich die erleichterte Einbürgerung vor der Bundesbehörde nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021;
Art. 50 Abs. 2 BüG
). Danach obliegt der Behörde, den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen (
Art. 12 VwVG
; MOOR, Droit administratif, Bd. II, 2. Aufl. 2002, N. 2.2.6.3, S. 258 ff.). In diesem Verfahren, das die Partei durch ihr Begehren einleitet, ist diese allerdings aufgrund von
Art. 13 Abs. 1 lit. a VwVG
gehalten, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, wobei die Behörde die Partei darüber aufzuklären hat, worin die Mitwirkungspflicht besteht und welche Tragweite ihr zukommt (vgl. KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, Rz. 272 ff.; MOOR, a.a.O., N. 2.2.6.3, S. 261). Sind bestimmte Tatsachen, wie dies hier hinsichtlich der Voraussetzung des intakten Ehelebens offensichtlich der Fall ist, der Behörde nicht oder nur schwerlich zugänglich, gebieten auch Treu und Glauben der Partei, der Behörde die ersuchten Auskünfte über einschlägige Tatsachen zu erteilen (vgl. MOOR, a.a.O., N. 2.2.6.3, S. 260). Die dem Verwaltungsrecht eigene Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflicht besteht im Übrigen selbst dann, wenn sich die Auskunft zum Nachteil des Rechtsunterworfenen auswirkt (vgl. dazu etwa: SEILER, Das (Miss-)Verhältnis zwischen strafprozessualem Schweigerecht und verwaltungsrechtlicher Mitwirkungs- und Auskunftspflicht, in: recht 1/2005 S. 11 ff., insbesondere S. 20). Weiss der Gesuchsteller, wie hier, dass die fraglichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung erfüllt sein müssen, ergibt sich aus der gleichen Überlegung auch seine Pflicht, die Behörde auch ohne Aufforderung über eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse zu orientieren, von der er weiss oder wissen muss, dass sie einer
BGE 132 II 113 S. 116
Bewilligung entgegensteht. Die Behörde darf sich darauf verlassen, dass die vormals erteilten Auskünfte bei passivem Verhalten des Gesuchstellers nach wie vor der Wirklichkeit entsprechen. Wie es sich verhielte, wenn sich die Einbürgerung sehr lange hinausgezögert hätte, braucht hier nicht entschieden zu werden, da zwischen der Erklärung der Ehegatten (16. August 1999) und der Einbürgerung (19. Januar 2000) nicht übermässig viel Zeit verstrichen ist. Da es der Beschwerdeführer unterliess, die Behörde spontan über die einschneidenden und für die Einbürgerung wesentlichen Veränderungen aufzuklären, die im Oktober 1999 in der Beziehung der Ehegatten eingetreten waren, hat er gegen Treu und Glauben verstossen. Dieser Verstoss ist dem Erschleichen der Einbürgerung gleichzusetzen, weshalb diese zu Recht widerrufen worden ist. | mixed |
8566ec89-8766-4f09-8b81-01e5918d0b8e | 173.32 1 Loi sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF) du 17 juin 2005 (Etat le 1er mars 2021) L’Assemblée fédérale de la Confédération suisse, vu l’art. 191a de la Constitution1, vu le message du Conseil fédéral du 28 février 20012, arrête: Chapitre 1 Statut et organisation Section 1 Statut Art. 1 Principe 1 Le Tribunal administratif fédéral est le tribunal administratif ordinaire de la Confé- dération. 2 Il statue comme autorité précédant le Tribunal fédéral, pour autant que la loi n’exclue pas le recours à celui-ci. 3 Il comprend 50 à 70 postes de juge. 4 L’Assemblée fédérale détermine dans une ordonnance le nombre de postes de juge. 5 Elle peut autoriser, pour une période de deux ans au plus, des postes de juge sup- plémentaires si le Tribunal administratif fédéral est confronté à un surcroît de travail que ses moyens ne lui permettent plus de maîtriser. Art. 2 Indépendance Dans l’exercice de ses attributions judiciaires, le Tribunal administratif fédéral est indépendant et n’est soumis qu’à la loi. Art. 3 Surveillance 1 Le Tribunal fédéral exerce la surveillance administrative sur la gestion du Tribunal administratif fédéral. 2 L’Assemblée fédérale exerce la haute surveillance. RO 2006 2197 Les termes désignant des personnes s’appliquent également aux femmes et aux hommes. 1 RS 101 2 FF 2001 4000 173.32 Autorités judiciaires fédérales 2 173.32 3 Le Tribunal administratif fédéral soumet chaque année au Tribunal fédéral son projet de budget, ses comptes et son rapport de gestion à l’intention de l’Assemblée fédérale. Art. 43 Siège 1 Le siège du Tribunal administratif fédéral est à Saint-Gall. 2 Jusqu’à ce qu’il prenne possession du bâtiment qui lui est destiné à Saint-Gall, le Tribunal administratif fédéral exerce ses activités dans la région de Berne. 3 Le Conseil fédéral est habilité à conclure avec le canton de Saint-Gall une conven- tion relative à sa participation financière aux frais d’instauration du Tribunal admi- nistratif fédéral.4 Section 2 Juges Art. 5 Élection 1 L’Assemblée fédérale élit les juges. 2 Quiconque a le droit de vote en matière fédérale est éligible. Art. 6 Incompatibilité à raison de la fonction 1 Les juges ne peuvent être membres de l’Assemblée fédérale ou du Conseil fédéral ou juges au Tribunal fédéral ni exercer aucune autre fonction au service de la Con- fédération. 2 Ils ne peuvent exercer aucune activité susceptible de nuire à l’exercice de leur fonction de juge, à l’indépendance du tribunal ou à sa réputation, ni représenter des tiers à titre professionnel devant les tribunaux. 3 Ils ne peuvent exercer aucune fonction officielle pour un État étranger ni accepter des titres ou des décorations octroyés par des autorités étrangères. 4 Les juges à plein temps ne peuvent exercer aucune fonction au service d’un canton ni exercer aucune autre activité lucrative. Ils ne peuvent pas non plus être membres de la direction, de l’administration, de l’organe de surveillance ou de l’organe de révision d’une entreprise commerciale. Art. 7 Autres activités Les juges doivent obtenir l’autorisation du Tribunal administratif fédéral pour exer- cer une activité à l’extérieur du tribunal. 3 Nouvelle teneur selon l’art. 2 de l’O du 1er mars 2006 (Entrée en vigueur des lois sur le TF et le TAF et entrée en vigueur intégrale de la LF sur le siège du TPF et du TAF), en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2006 1069). 4 Introduit par l’annexe ch. II 6 de la LF du 19 mars 2010 sur l’organisation des autorités pénales, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 3267; FF 2008 7371). Tribunal administratif fédéral. L 3 173.32 Art. 8 Incompatibilité à raison de la personne 1 Ne peuvent être en même temps juges au Tribunal administratif fédéral: a. les conjoints, les partenaires enregistrés et les personnes qui font durable- ment ménage commun; b. les conjoints et les partenaires enregistrés de frères et sœurs ainsi que les personnes qui font durablement ménage commun avec un frère ou une sœur; c. les parents en ligne directe et, jusqu’au troisième degré inclus, en ligne col- latérale; d. les alliés en ligne directe et, jusqu’au troisième degré inclus, en ligne collaté- rale. 2 La réglementation prévue à l’al. 1, let. d, s’applique par analogie aux personnes qui font durablement ménage commun. Art. 9 Période de fonction 1 La période de fonction des juges est de six ans. 2 Lorsqu’un juge atteint l’âge de 68 ans, sa période de fonction s’achève à la fin de l’année civile.5 3 Les sièges vacants sont repourvus pour le reste de la période. Art. 10 Révocation L’Assemblée fédérale peut révoquer un juge avant la fin de sa période de fonction: a. s’il a violé gravement ses devoirs de fonction de manière intentionnelle ou par négligence grave; b. s’il a durablement perdu la capacité d’exercer sa fonction. Art. 11 Serment 1 Avant leur entrée en fonction, les juges s’engagent à remplir consciencieusement leurs devoirs. 2 Ils prêtent serment devant leur cour, sous la présidence du président du Tribunal administratif fédéral. 3 Le serment peut être remplacé par une promesse solennelle. Art. 126 5 Nouvelle teneur selon le ch. I 1 de la LF du 16 mars 2012 (Augmentation de l’âge maxi- mal des juges), en vigueur depuis le 1er déc. 2012 (RO 2012 5647; FF 2011 8255 8273). 6 Abrogé par l’annexe ch. 4 de la LF du 17 juin 2011 (Examen des requêtes visant à lever l’immunité), avec effet au 5 déc. 2011 (RO 2011 4627; FF 2010 6719 6759). Autorités judiciaires fédérales 4 173.32 Art. 13 Statut juridique 1 Les juges peuvent exercer leur fonction à plein temps ou à temps partiel. 2 Le Tribunal administratif fédéral peut, pour de justes motifs, autoriser un juge à modifier son taux d’occupation pendant sa période de fonction, pour autant que le total des postes reste inchangé. 3 L’Assemblée fédérale règle par ordonnance les rapports de travail et le traitement des juges. Section 3 Organisation et administration Art. 14 Principe Le Tribunal administratif fédéral règle son organisation et son administration. Art. 15 Présidence 1 L’Assemblée fédérale élit parmi les juges: a. le président; b. le vice-président. 2 Ils sont élus pour deux ans et peuvent être reconduits une fois dans leur fonction. 3 Le président préside la cour plénière et la Commission administrative (art. 18). Il représente le Tribunal administratif fédéral à l’extérieur. 4 En cas d’empêchement, il est remplacé par le vice-président et, si ce dernier est empêché, par le doyen de fonction et, à ancienneté égale, par le doyen d’âge. Art. 16 Cour plénière 1 La cour plénière est chargée: a. d’édicter les règlements relatifs à l’organisation et à l’administration du tri- bunal, à la répartition des affaires, à l’information, aux émoluments judi- ciaires, aux dépens alloués aux parties et aux indemnités allouées aux man- dataires d’office, aux experts et aux témoins; b. de procéder aux nominations que le règlement n’attribue pas à un autre or- gane du tribunal; c. de statuer sur les demandes de modification du taux d’occupation des juges pendant leur période de fonction; d. d’adopter le rapport de gestion; e. de constituer les cours et de nommer leur président sur proposition de la Commission administrative; f. de faire une proposition à l’Assemblée fédérale pour l’élection à la prési- dence et à la vice-présidence; Tribunal administratif fédéral. L 5 173.32 g. de nommer le secrétaire général et son suppléant sur proposition de la Commission administrative; h. de statuer sur l’adhésion à des associations internationales; i. d’exercer les autres tâches que la loi lui attribue. 2 La cour plénière ne peut siéger ou décider par voie de circulation qu’avec la parti- cipation de deux tiers au moins des juges. 3 Les juges exerçant leur fonction à temps partiel disposent d’une voix. Art. 17 Conférence des présidents 1 La Conférence des présidents se compose des présidents des cours. Elle se consti- tue elle-même. 2 Elle est chargée: a. d’édicter des directives et des règles uniformes pour la rédaction des arrêts; b. de coordonner la jurisprudence entre les cours; l’art. 25 est réservé; c. de prendre position sur les projets d’actes normatifs. Art. 18 Commission administrative 1 La Commission administrative se compose: a. du président; b. du vice-président; c. de trois autres juges au plus. 2 Le secrétaire général a voix consultative. 3 Les juges mentionnés à l’al. 1, let. c, sont élus pour deux ans par la cour plénière et peuvent être reconduits une fois dans leur fonction. 4 La Commission administrative est responsable de l’administration du tribunal. Elle est chargée: a. d’adopter le projet de budget et les comptes à l’intention de l’Assemblée fé- dérale; b. de prendre les décisions sur les rapports de travail des juges, pour autant que la loi n’attribue pas cette compétence à une autre autorité; c. d’engager les greffiers et de les affecter aux cours sur proposition de celles-ci; d. de veiller à ce que les prestations des services scientifiques et administratifs répondent aux besoins du tribunal; e.7 de garantir une formation continue adéquate du personnel; 7 La mod. selon la LF du 20 juin 2014 sur la formation continue, en vigueur depuis le 1er janv. 2017, ne concerne que les textes allemand et italien (RO 2016 689; FF 2013 3265). Autorités judiciaires fédérales 6 173.32 f. d’accorder les autorisations pour les activités des juges en dehors du tribu- nal; g. de traiter toutes les autres affaires administratives qui ne relèvent pas de la compétence de la cour plénière ou de la Conférence des présidents. Art. 19 Cours 1 Les cours sont constituées pour deux ans. Leur composition est rendue publique. 2 Lors de la constitution des cours, la cour plénière tient compte des compétences des juges et de la représentation des langues officielles. 3 Tout juge peut être appelé à siéger dans une autre cour. Art. 20 Présidence des cours 1 Les présidents des cours sont nommés pour deux ans. 2 En cas d’empêchement, le président est remplacé par le doyen de fonction et, à ancienneté égale, par le doyen d’âge. 3 La fonction de président d’une cour ne peut être exercée plus de six ans. Art. 21 Composition 1 En règle générale, les cours statuent à trois juges. 2 Elles statuent à cinq juges si le président l’ordonne dans l’intérêt du développe- ment du droit ou dans celui de l’uniformité de la jurisprudence. Art. 22 Vote 1 La cour plénière, la Conférence des présidents, la Commission administrative et les cours rendent leurs arrêts, prennent leurs décisions et procèdent aux nominations à la majorité absolue des voix, à moins que la loi n’en dispose autrement. 2 En cas d’égalité des voix, celle du président est prépondérante; s’il s’agit d’une nomination, le sort en décide. 3 L’abstention est exclue lors de décisions prises dans une procédure selon les art. 31 à 36 et 45 à 48. Art. 23 Juge unique 1 Le juge instructeur statue en tant que juge unique sur: a. la radiation du rôle des causes devenues sans objet; b. le refus d’entrer en matière sur des recours manifestement irrecevables. Tribunal administratif fédéral. L 7 173.32 2 Les compétences particulières du juge unique fondées sur les dispositions sui- vantes sont réservées: a. l’art. 111, al. 2, let. c, de la loi du 26 juin 1998 sur l’asile8; b. les art. 29, 31 et 41 de la loi fédérale du 25 septembre 2015 sur le rensei- gnement (LRens)9; c. les lois fédérales d’assurances sociales.10 Art. 24 Répartition des affaires Le Tribunal administratif fédéral fixe dans un règlement la manière de répartir les affaires entre les cours en fonction de la matière et de composer les cours appelées à statuer. Art. 25 Changement de jurisprudence et précédents 1 Une cour ne peut s’écarter de la jurisprudence arrêtée par une ou plusieurs autres cours qu’avec l’accord des cours intéressées réunies. 2 Lorsqu’une cour entend trancher une question juridique qui concerne plusieurs cours, elle demande l’accord des cours intéressées réunies si elle est d’avis qu’une décision commune est souhaitable pour le développement du droit ou pour l’uniformité de la jurisprudence. 3 Les cours réunies ne peuvent siéger ou décider par voie de circulation qu’avec la participation de deux tiers au moins des juges de chacune des cours intéressées. La décision est prise sans débats; elle lie la cour qui doit statuer sur la cause. Art. 26 Greffiers 1 Les greffiers participent à l’instruction et au jugement des affaires. Ils ont voix consultative. 2 Ils élaborent des rapports sous la responsabilité d’un juge et rédigent les arrêts du Tribunal administratif fédéral. 3 Ils remplissent les autres tâches que leur attribue le règlement. Art. 27 Administration 1 Le Tribunal administratif fédéral s’administre lui-même. 2 Il constitue ses services et engage le personnel nécessaire. 3 Il tient sa propre comptabilité. 8 RS 142.31 9 RS 121 10 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 3 de la LF du 25 sept. 2015 sur le renseignement, en vigueur depuis le 1er sept. 2017 (RO 2017 4095; FF 2014 2029). Autorités judiciaires fédérales 8 173.32 Art. 27a11 Infrastructure 1 Le Département fédéral des finances met à la disposition du Tribunal administratif fédéral les bâtiments utilisés par celui-ci, les gère et les entretient. Il prend en compte de manière appropriée les besoins du tribunal. 2 Le Tribunal administratif fédéral couvre de manière autonome ses besoins en biens et prestations dans le domaine de la logistique. 3 La convention entre le Tribunal fédéral et le Conseil fédéral visée à l’art. 25a, al. 3, de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral12 s’applique par analogie aux moda- lités de la collaboration entre le Tribunal administratif fédéral et le Département fédéral des finances, sous réserve de la conclusion d’une convention différente entre le Tribunal administratif fédéral et le Conseil fédéral. Art. 27b13 Protection des données lors de l’utilisation de l’infrastructure électronique 1 Les art. 57i à 57q de la loi du 21 mars 1997 sur l’organisation du gouvernement et de l’administration14 s’appliquent par analogie à l’utilisation de l’infrastructure électronique du Tribunal administratif fédéral dans le cadre de son activité adminis- trative. 2 Le Tribunal administratif fédéral édicte les dispositions d’exécution. Art. 28 Secrétaire général Le secrétaire général dirige l’administration, y compris les services scientifiques et les secrétariats permanents des commissions fédérales d’estimation.15 Il dirige le secrétariat de la cour plénière, de la Conférence des présidents et de la Commission administrative. Art. 29 Information 1 Le Tribunal administratif fédéral informe le public sur sa jurisprudence. 2 Les arrêts sont en principe publiés sous une forme anonyme. 3 Il fixe les principes de l’information dans un règlement. 4 Le Tribunal administratif fédéral peut prévoir l’accréditation des chroniqueurs judiciaires. 11 Introduit par le ch. I 3 de la LF du 23 juin 2006 concernant la mise à jour de la révision totale de l’organisation judiciaire fédérale, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2006 4213; FF 2006 2969). 12 RS 173.110 13 Introduit par le ch. II 2 de la LF du 1eroct. 2010 (Protection des données lors de l’utilisation de l’infrastructure électronique), en vigueur depuis le 1er avr. 2012 (RO 2012 941; FF 2009 7693). 14 RS 172.010 15 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4085; FF 2018 4817). Tribunal administratif fédéral. L 9 173.32 Art. 30 Principe de la transparence 1 La loi du 17 décembre 2004 sur la transparence16 s’applique par analogie au Tri- bunal administratif fédéral, dans la mesure où il exécute des tâches concernant son administration ou la surveillance sur les commissions fédérales d’estimation prévues par la loi du 20 juin 1930 sur l’expropriation17. 2 Le Tribunal administratif fédéral peut exclure la procédure de médiation; dans ce cas, il rend sa prise de position sur la demande d’accès sous la forme d’une décision directement sujette à recours. Chapitre 2 Compétences Section 1 Recours18 Art. 31 Principe Le Tribunal administratif fédéral connaît des recours contre les décisions au sens de l’art. 5 de la loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA)19. Art. 32 Exceptions 1 Le recours est irrecevable contre: a. les décisions concernant la sûreté intérieure ou extérieure du pays, la neutra- lité, la protection diplomatique et les autres affaires relevant des relations ex- térieures, à moins que le droit international ne confère un droit à ce que la cause soit jugée par un tribunal; b. les décisions concernant le droit de vote des citoyens ainsi que les élections et les votations populaires; c. les décisions relatives à la composante «prestation» du salaire du personnel de la Confédération, dans la mesure où elles ne concernent pas l’égalité des sexes; d.20 ... e. les décisions dans le domaine de l’énergie nucléaire concernant: 1. l’autorisation générale des installations nucléaires; 2. l’approbation du programme de gestion des déchets; 3. la fermeture de dépôts en profondeur; 4. la preuve de l’évacuation des déchets. 16 RS 152.3 17 RS 711 18 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er fév. 2008 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). 19 RS 172.021 20 Abrogée par l’annexe ch. II 1 de la L du 30 sept. 2011 sur l’encouragement et la coordina- tion des hautes écoles, avec effet au 1er janv. 2015 (RO 2014 4103; FF 2009 4067). Autorités judiciaires fédérales 10 173.32 f.21 les décisions relatives à l’octroi ou l’extension de concessions d’infra- structures ferroviaires; g. les décisions rendues par l’Autorité indépendante d’examen des plaintes en matière de radio-télévision; h. les décisions relatives à l’octroi de concessions pour des maisons de jeu; i.22 les décisions relatives à l’octroi, à la modification ou au renouvellement de la concession octroyée à la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR); j.23 les décisions relatives au droit aux contributions d’une haute école ou d’une autre institution du domaine des hautes écoles. 2 Le recours est également irrecevable contre: a. les décisions qui, en vertu d’une autre loi fédérale, peuvent faire l’objet d’une opposition ou d’un recours devant une autorité précédente au sens de l’art. 33, let. c à f; b. les décisions qui, en vertu d’une autre loi fédérale, peuvent faire l’objet d’un recours devant une autorité cantonale. Art. 33 Autorités précédentes Le recours est recevable contre les décisions: a. du Conseil fédéral et des organes de l’Assemblée fédérale, en matière de rapports de travail du personnel de la Confédération, y compris le refus d’autoriser la poursuite pénale; b.24 du Conseil fédéral concernant: 1. la révocation d’un membre du conseil de banque ou de la direction gé- nérale ou d’un suppléant sur la base de la loi du 3 octobre 2003 sur la Banque nationale25, 2. la révocation d’un membre du conseil d’administration de l’Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers ou l’approbation de la résiliation des rapports de travail du directeur par le conseil d’admi- nistration selon la loi du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers26, 21 Nouvelle teneur selon le ch. I 3 de la LF du 16 mars 2012 sur la deuxième partie de la réforme des chemins de fer 2, en vigueur depuis le 1er juil. 2013 (RO 2012 5619, 2013 1603; FF 2011 857). 22 Introduite par l’annexe ch. 2 de la LF du 26 sept. 2014, en vigueur depuis le 1er juil. 2016 (RO 2016 2131; FF 2013 4425). 23 Introduite par le ch. II de la LF du 25 sept. 2020, en vigueur depuis le 1er mars 2021 (RO 2021 68; FF 2020 3577). 24 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er fév. 2008 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). 25 RS 951.11 26 RS 956.1 Tribunal administratif fédéral. L 11 173.32 3.27 le blocage de valeurs patrimoniales en vertu de la loi du 18 décembre 2015 sur les valeurs patrimoniales d’origine illicite28, 4.29 l’interdiction d’exercer des activités en vertu de la LRens30, 4bis.31 l’interdiction d’organisations en vertu de la LRens, 5.32 la révocation du mandat d’un membre du Conseil de l’Institut fédéral de métrologie au sens de la loi du 17 juin 2011 sur l’Institut fédéral de métrologie33, 6.34 la révocation d’un membre du conseil d’administration de l’Autorité fédérale de surveillance en matière de révision ou l’approbation de la résiliation des rapports de travail du directeur par le conseil d’admi- nistration selon la loi du 16 décembre 2005 sur la surveillance de la ré- vision35, 7.36 la révocation d’un membre du conseil de l’Institut suisse des produits thérapeutiques sur la base de la loi du 15 décembre 2000 sur les pro- duits thérapeutiques37, 8.38 la révocation d’un membre du conseil d’administration de l’établisse- ment au sens de la loi du 16 juin 2017 sur les fonds de compensation39, 9.40 la révocation d’un membre du conseil de l’Institut suisse de droit com- paré selon la loi du 28 septembre 2018 sur l’Institut suisse de droit comparé41; 27 Introduit par l’annexe ch. 1 de la LF du 1er oct. 2010 sur la restitution des avoirs illicites (RO 2011 275; FF 2010 2995). Nouvelle teneur selon l’art. 31 al. 2 ch. 1 de la L du 18 déc. 2015 sur les valeurs patrimoniales d’origine illicite, en vigueur depuis le 1er juil. 2016 (RO 2016 1803; FF 2014 5121). 28 RS 196.1 29 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 23 déc. 2011 (RO 2012 3745; FF 2007 4473, 2010 7147). Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 3 de la LF du 25 sept. 2015 sur le ren- seignement, en vigueur depuis le 1er sept. 2017 (RO 2017 4095; FF 2014 2029). 30 RS 121 31 Introduit par l’annexe ch. II 3 de la LF du 25 sept. 2015 sur le renseignement, en vigueur depuis le 1er sept. 2017 (RO 2017 4095; FF 2014 2029). 32 Introduit par l’art. 26 ch. 2 de la LF du 17 juin 2011 sur l’Institut fédéral de métrologie, en vigueur depuis le 1er janv. 2013 (RO 2011 6515; FF 2010 7305). 33 RS 941.27 34 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 20 juin 2014 (Concentration de la surveillance des entreprises de révision et des sociétés d’audit), en vigueur depuis le 1er janv. 2015 (RO 2014 4073; FF 2013 6147). 35 RS 221.302 36 Introduit par l’annexe ch. 1 de la LF du 18 mars 2016, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2017 2745, 2018 3755; FF 2013 1). 37 RS 812.21 38 Introduit par l’annexe ch. II 3 de la L du 16 juin 2017 sur les fonds de compensation, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2017 7563; FF 2016 271). 39 RS 830.2 40 Introduit par l’art. 23 al. 2 de la LF du 28 sept. 2018 sur l’Institut suisse de droit comparé, en vigueur depuis le 1er janv. 2020 (RO 2019 3199; FF 2018 899). 41 RS 425.1 Autorités judiciaires fédérales 12 173.32 10.42 la révocation d’un membre du conseil d’administration du Service suisse d’attribution des sillons ou l’approbation de la résiliation des rapports de travail du directeur par le conseil d’administration, confor- mément à la loi fédérale du 20 décembre 1957 sur les chemins de fer43; c. du Tribunal pénal fédéral en matière de rapports de travail de ses juges et de son personnel; cbis.44 du Tribunal fédéral des brevets en matière de rapports de travail de ses juges et de son personnel; cter.45 de l’Autorité de surveillance du Ministère public de la Confédération, en matière de rapports de travail des membres du Ministère public de la Confé- dération élus par l’Assemblée fédérale (Chambres réunies); cquater.46 du procureur général de la Confédération, en matière de rapports de tra- vail des procureurs qu’il a nommés et du personnel du Ministère public de la Confédération; cquinquies.47 de l’Autorité de surveillance du Ministère public de la Confédération, en matière de rapports de travail de son secrétariat; d. de la Chancellerie fédérale, des départements et des unités de l’administra- tion fédérale qui leur sont subordonnées ou administrativement rattachées; e. des établissements et des entreprises de la Confédération; f. des commissions fédérales; g. des tribunaux arbitraux fondées sur des contrats de droit public signés par la Confédération, ses établissements ou ses entreprises; h. des autorités ou organisations extérieures à l’administration fédérale, pour autant qu’elles statuent dans l’accomplissement de tâches de droit public que la Confédération leur a confiées; i. d’autorités cantonales, dans la mesure où d’autres lois fédérales prévoient un recours au Tribunal administratif fédéral. 42 Introduit par le ch. I 2 de la LF du 28 sept. 2018 sur l’organisation de l’infrastructure ferroviaire, en vigueur depuis le 1er juil. 2020 (RO 2020 1889; FF 2016 8399). 43 RS 742.101 44 Introduite par l’annexe ch. 3 de la LF du 20 mars 2009 sur TFB, en vigueur depuis le 1er janv. 2012 (RO 2010 513, 2011 2241; FF 2008 373). 45 Introduite par l’annexe ch. II 6 de la LF du 19 mars 2010 sur l’organisation des autorités pénales (RO 2010 3267; FF 2008 7371). Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2015, en vigueur depuis le 1er nov. 2015 (RO 2015 3847; FF 2015 2047 2069). 46 Introduite par l’annexe ch. II 6 de la LF du 19 mars 2010 sur l’organisation des autorités pénales, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 3267; FF 2008 7371). 47 Introduite par l’annexe ch. II 6 de la LF du 19 mars 2010 sur l’organisation des autorités pénales, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 3267; FF 2008 7371). Tribunal administratif fédéral. L 13 173.32 Art. 3448 Section 2 Plainte49 Art. 35 Principe Le Tribunal administratif fédéral connaît par voie d’action en première instance: a. des contestations qui reposent sur des contrats de droit public signés par la Confédération, ses établissements, ses entreprises ou par des organisations visées à l’art. 33, let. h; b. des contestations relatives aux recommandations du préposé à la protection des données en matière de droit privé (art. 29, al. 4, de la LF du 19 juin 1992 sur la protection des données50); c. des contestations opposant la Banque nationale et la Confédération au sujet des conventions sur les services bancaires et de la convention sur la réparti- tion du bénéfice; d.51 des demandes de confiscation de valeurs patrimoniales conformément à la loi du 18 décembre 2015 sur les valeurs patrimoniales d’origine illicite52. Art. 36 Exception L’action est irrecevable si une autorité précédente au sens de l’art. 33 est chargée par une autre loi de connaître de la contestation. Section 353 Divergences d’opinion en matière d’entraide judiciaire ou d’assistance administrative au niveau national Art. 36a 1 Si une loi fédérale le prévoit, le Tribunal administratif fédéral statue sur les diver- gences d’opinion en matière d’entraide judiciaire ou d’assistance administrative entre autorités fédérales ou entre autorités fédérales et cantonales. 48 Abrogé par le ch. II de la LF du 21 déc. 2007 (Financement hospitalier), avec effet au 1er janv. 2009 (RO 2008 2049; FF 2004 5207). 49 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). 50 RS 235.1 51 Introduite par l’annexe ch. 1 de la LF du 1er oct. 2010 sur la restitution des avoirs illicites (RO 2011 275; FF 2010 2995). Nouvelle teneur selon l’art. 31 al. 2 ch. 1 de la L du 18 déc. 2015 sur les valeurs patrimoniales d’origine illicite, en vigueur depuis le 1er juil. 2016 (RO 2016 1803; FF 2014 5121). 52 RS 196.1 53 Introduite par l’annexe ch. 4 de la LF du 22 juin 2007 sur la surveillance des marchés financiers, en vigueur depuis le 1er janv. 2009 (RO 2008 5207; FF 2006 2741). Autorités judiciaires fédérales 14 173.32 2 Les tiers ne peuvent pas prendre part à la procédure. Section 454 Autorisation de mesures de recherche du Service de renseignement Art. 36b Le Tribunal administratif fédéral statue sur l’autorisation de mesures de recherche au sens de la LRens55. Chapitre 3 Procédure Section 1 Dispositions générales Art. 37 Principe La procédure devant le Tribunal administratif fédéral est régie par la PA56, pour autant que la présente loi n’en dispose pas autrement. Art. 38 Récusation Les dispositions de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral57 relatives à la récusation s’appliquent par analogie à la procédure devant le Tribunal administratif fédéral. Art. 39 Juge instructeur 1 Le président de la cour ou le juge désigné par lui dirige la procédure au titre de juge instructeur jusqu’au prononcé de l’arrêt. 2 Le juge instructeur s’adjoint un second juge pour l’audition de témoins, l’inspection locale et l’interrogatoire des parties. 3 Les décisions du juge instructeur ne peuvent pas faire l’objet d’un recours devant le Tribunal administratif fédéral. Art. 40 Débats 1 Si l’affaire porte sur des prétentions à caractère civil ou sur une accusation en matière pénale au sens de l’art. 6, par. 1, de la Convention du 4 novembre 1950 de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés fondamentales58, le juge instructeur 54 Introduit par l’annexe ch. II 3 de la LF du 25 sept. 2015 sur le renseignement, en vigueur depuis le 1er sept. 2017 (RO 2017 4095; FF 2014 2029). 55 RS 121 56 RS 172.021 57 RS 173.110 58 RS 0.101 Tribunal administratif fédéral. L 15 173.32 ordonne des débats publics, pour autant qu’une partie le demande ou qu’un intérêt public important le justifie.59 2 Le président de la cour ou le juge unique peut ordonner des débats publics dans d’autres affaires. 3 Le huis-clos total ou partiel peut être ordonné si la sécurité, l’ordre public ou les bonnes mœurs sont menacés, ou si l’intérêt d’une personne en cause le justifie. Art. 41 Délibération 1 En règle générale, le Tribunal administratif fédéral statue par voie de circulation. 2 Il délibère en audience: a. si le président de la cour l’ordonne ou si un juge le demande; b. si la cour statue à cinq juges et qu’il n’y a pas unanimité. 3 Dans les cas visés à l’al. 2, let. b, l’audience est publique si le président l’ordonne ou si un juge le demande. Art. 42 Prononcé du jugement Le Tribunal administratif fédéral met à la disposition du public le dispositif de ses arrêts pendant 30 jours à compter de leur notification. Art. 43 Exécution défectueuse En cas d’exécution défectueuse d’arrêts du Tribunal administratif fédéral qui n’obligent pas au paiement d’une somme d’argent ou à la fourniture d’une sûreté pécuniaire, un recours peut être déposé devant le Conseil fédéral. Celui-ci prend les mesures nécessaires. Section 2 Dispositions particulières s’appliquant à la procédure par voie d’action Art. 44 1 Lorsque le Tribunal administratif fédéral statue en tant que première instance, la procédure est régie par les art. 3 à 73 et 79 à 85 de la loi fédérale du 4 décembre 1947 sur la procédure civile60. 2 Le Tribunal administratif fédéral établit les faits d’office. 3 Les émoluments judiciaires et les dépens sont régis par les art. 63 à 65 PA61.62 59 Dans les textes allemand et italien, cet al. est subdivisé en let. a et b. 60 RS 273 61 RS 172.021 62 Introduit par l’annexe ch. 1 de la LF du 1er oct. 2010 sur la restitution des avoirs illicites, en vigueur depuis le 1er fév. 2011 (RO 2011 275; FF 2010 2995). Autorités judiciaires fédérales 16 173.32 Chapitre 4 Révision, interprétation et rectification Section 1 Révision Art. 45 Principe Les art. 121 à 128 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral63 s’appliquent par analogie à la révision des arrêts du Tribunal administratif fédéral. Art. 46 Rapport avec le recours Les griefs qui auraient pu être soulevés dans un recours à l’encontre de l’arrêt du Tribunal administratif fédéral ne peuvent être invoqués dans une demande de révi- sion. Art. 47 Demande de révision L’art. 67, al. 3, PA64 régit le contenu et la forme de la demande de révision ainsi que les conditions auxquelles celle-ci peut être améliorée ou complétée. Section 2 Interprétation et rectification Art. 48 1 L’art. 129 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral65 s’applique par analo- gie à l’interprétation et à la rectification des arrêts du Tribunal administratif fédéral. 2 Lorsque le Tribunal administratif fédéral interprète ou rectifie son arrêt, un nou- veau délai de recours commence à courir. Chapitre 5 Dispositions finales Art. 49 Modification du droit en vigueur 1 Les modifications du droit en vigueur figurent en annexe. 2 L’Assemblée fédérale peut adapter par voie d’ordonnance les dispositions de lois fédérales qui, bien que contraires à la présente loi, n’ont pas été formellement modi- fiées par celle-ci. 63 RS 173.110 64 RS 172.021 65 RS 173.110 Tribunal administratif fédéral. L 17 173.32 Art. 50 Coordination avec la loi du 18 mars 2005 sur les douanes66 (nouvelle loi sur les douanes) ...67 Art. 51 Coordination avec l’arrêté fédéral du 17 décembre 2004 portant approbation et mise en œuvre des accords bilatéraux d’association à l’Espace Schengen et à l’Espace Dublin68, art. 3, ch. 7 (art. 182, al. 2, de la LF du 14 déc. 1990 sur l’impôt fédéral direct69, LIFD) ...70 Art. 52 Coordination avec la loi du 17 décembre 2004 sur la surveillance des assurances71 (nouvelle LSA) ...72 Art. 53 Dispositions transitoires 1 La procédure de recours contre les décisions qui ont été rendues avant l’entrée en vigueur de la présente loi et qui, selon l’ancien droit, pouvaient faire l’objet d’un recours devant le Tribunal fédéral ou le Conseil fédéral est régie par l’ancien droit. 2 Les recours qui sont pendants devant les commissions fédérales de recours ou d’arbitrage ou devant les services de recours des départements à l’entrée en vigueur de la présente loi sont traités par le Tribunal administratif fédéral dans la mesure où celui-ci est compétent. Ils sont jugés sur la base du nouveau droit de procédure. Art. 54 Référendum et entrée en vigueur 1 La présente loi est sujette au référendum. 2 Le Conseil fédéral fixe la date de l’entrée en vigueur. Date de l’entrée en vigueur: 1er janvier 200773 66 RS 631.0 67 La mod. peut être consultée au RO 2006 2197. 68 RS 362 69 RS 642.11 70 La mod. peut être consultée au RO 2006 2197. 71 RS 961.01 72 La mod. peut être consultée au RO 2006 2197. 73 Art. 1 let. b de l’O du 1er mars 2006 (RO 2006 1069) Autorités judiciaires fédérales 18 173.32 Annexe (art. 49, al. 1) Modification du droit en vigueur Les textes législatifs suivants sont modifiés comme suit: ...74 74 Les mod. peuvent être consultées au RO 2006 2197. Chapitre 1 Statut et organisation Section 1 Statut Art. 1 Principe Art. 2 Indépendance Art. 3 Surveillance Art. 4 Siège Section 2 Juges Art. 5 Élection Art. 6 Incompatibilité à raison de la fonction Art. 7 Autres activités Art. 8 Incompatibilité à raison de la personne Art. 9 Période de fonction Art. 10 Révocation Art. 11 Serment Art. 12 Art. 13 Statut juridique Section 3 Organisation et administration Art. 14 Principe Art. 15 Présidence Art. 16 Cour plénière Art. 17 Conférence des présidents Art. 18 Commission administrative Art. 19 Cours Art. 20 Présidence des cours Art. 21 Composition Art. 22 Vote Art. 23 Juge unique Art. 24 Répartition des affaires Art. 25 Changement de jurisprudence et précédents Art. 26 Greffiers Art. 27 Administration Art. 27a Infrastructure Art. 27b Protection des données lors de l’utilisation de l’infrastructure électronique Art. 28 Secrétaire général Art. 29 Information Art. 30 Principe de la transparence Chapitre 2 Compétences Section 1 Recours Art. 31 Principe Art. 32 Exceptions Art. 33 Autorités précédentes Art. 34 Section 2 Plainte Art. 35 Principe Art. 36 Exception Section 3 Divergences d’opinion en matière d’entraide judiciaire ou d’assistance administrative au niveau national Art. 36a Section 4 Autorisation de mesures de recherche du Service de renseignement Art. 36b Chapitre 3 Procédure Section 1 Dispositions générales Art. 37 Principe Art. 38 Récusation Art. 39 Juge instructeur Art. 40 Débats Art. 41 Délibération Art. 42 Prononcé du jugement Art. 43 Exécution défectueuse Section 2 Dispositions particulières s’appliquant à la procédure par voie d’action Art. 44 Chapitre 4 Révision, interprétation et rectification Section 1 Révision Art. 45 Principe Art. 46 Rapport avec le recours Art. 47 Demande de révision Section 2 Interprétation et rectification Art. 48 Chapitre 5 Dispositions finales Art. 49 Modification du droit en vigueur Art. 50 Coordination avec la loi du 18 mars 2005 sur les douanes (nouvelle loi sur les douanes) Art. 51 Coordination avec l’arrêté fédéral du 17 décembre 2004 portant approbation et mise en œuvre des accords bilatéraux d’association à l’Espace Schengen et à l’Espace Dublin , art. 3, ch. 7 (art. 182, al. 2, de la LF du 14 déc. 1990 sur l’impôt fé... Art. 52 Coordination avec la loi du 17 décembre 2004 sur la surveillance des assurances (nouvelle LSA) Art. 53 Dispositions transitoires Art. 54 Référendum et entrée en vigueur Annexe Modification du droit en vigueur | mixed |
32b39be9-9655-4bc1-8817-21e90f85067f | Sachverhalt
ab Seite 482
BGE 130 II 482 S. 482
A.
A.a
X. reiste am 3. Juli 1989 in die Schweiz ein und ersuchte hier um Asyl. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wurde er aufgefordert, die Schweiz bis zum 30. November 1992 zu verlassen. Stattdessen meldete er im November 1992 das
BGE 130 II 482 S. 483
Eheversprechen mit der um 26 Jahre älteren Schweizer Bürgerin Y. an. Am 22. Januar 1993 fand dann die Heirat statt.
Am 2. September 1998 erhielt X. durch erleichterte Einbürgerung nach
Art. 27 BüG
das Schweizer Bürgerrecht. In diesem Zusammenhang unterzeichnete er am 6. September 1997 eine Erklärung, wonach er und seine Schweizer Ehefrau "in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenleben und dass weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestehen". Er wurde auch darüber belehrt, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt habe oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe.
X. wurde am 4. Mai 1999 von seiner Schweizer Ehefrau geschieden und heiratete am 6. Juli 1999 die türkische Staatsangehörige Z.
A.b
Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) teilte am 27. August 2001 X. die Eröffnung eines Verfahrens um Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung mit. Sein Parteivertreter nahm dazu mit Eingabe vom 10. September 2001 Stellung.
Mit Verfügung vom 19. August 2003 erklärte das IMES die erleichterte Einbürgerung von X. vom 2. September 1998 für nichtig. Am 30. April 2004 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die von X. eingereichte Beschwerde ab.
B.
Mit Eingabe vom 2. Juni 2004 führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des EJPD vom 30. April 2004 sowie die Verfügung des IMES vom 19. August 2003 seien vollumfänglich aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0)
, kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizer Bürgerin lebt.
BGE 130 II 482 S. 484
Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von
Art. 27 BüG
nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (
BGE 130 II 169
E. 2.3.1). Gemäss konstanter Praxis muss sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die Gewähr für die Stabilität der Ehe bietet. Zweifel bezüglich eines solchen Willens sind angebracht, wenn kurze Zeit nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin oder eines Schweizer Bürgers die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (
BGE 128 II 97
E. 3a).
Nach
Art. 41 Abs. 1 BüG
kann die Einbürgerung vom EJPD mit Zu stimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt daher nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese erschlichen, das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (
BGE 128 II 97
E. 4a S. 101). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (Urteil des Bundesgerichts 5A.5/1997 vom 21. Mai 1997, E. 2b).
3.
3.1
Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) hat am 19. August 2003 die erleichterte Einbürgerung des Beschwerdeführers vom 2. September 1998 für nichtig erklärt. Es hat sich dabei insbesondere auf die Scheidungsakten und die Befragung der Ex-Ehefrau vom 11. Oktober 2002 abgestützt und im Weiteren bei der früheren Arbeitgeberin des Beschwerdeführers die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgeklärt.
Das EJPD hat diese tatbeständlichen Grundlagen in seinem Entscheid übernommen und auf Grund der Einwände des
BGE 130 II 482 S. 485
Beschwerdeführers in seiner Verwaltungsbeschwerde sich seinerseits nochmals sehr ausführlich damit auseinander gesetzt. Es ist auf Grund der gesamten Umstände davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer durch ein planmässiges Vorgehen das Schweizer Bürgerrecht erschlichen habe und es ihm von allem Anfang an nicht darum gegangen sei, mit Y. eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 BüG
einzugehen. Dafür sprächen - wie bereits erwähnt - der grosse Altersunterschied zwischen den Ehegatten, die Umstände der Eheschliessung, das Verschweigen der beiden vorehelichen Kinder sowie auch der wahren Beziehung zur türkischen Mutter dieser Kinder, die Umstände der Kündigung und der nachfolgenden Suche einer Arbeitsstelle möglichst weit weg vom gemeinsamen Wohnort, und sodann die Scheidung von der Schweizer Ehefrau am 4. Mai 1999 sowie die anfangs Juli 1999 in der Türkei eingegangene Ehe mit der Mutter seiner Kinder. Gestützt auf diese Ereigniskette müsse sich der Beschwerdeführer entgegenhalten lassen, dass er die Erklärung über die eheliche Gemeinschaft am 6. September 1997 wider besseres Wissen unterzeichnet habe. Durch das gezielte Irreführen der Schweizer Ehefrau und der Einbürgerungsbehörden habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllt. Auch habe er das Institut der Ehe zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet, die dieses Rechtsinstitut nicht schützen wolle (vgl.
BGE 127 II 49
E. 5a zu
Art. 7 ANAG
[SR 142.20]).
3.2
In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (
Art. 19 VwVG
i.V.m.
Art. 40 BZP
). Frei ist die Beweiswürdigung vor allem darin, dass sie nicht an bestimmte starre Beweisregeln gebunden ist, die dem Richter genau vorschreiben, wie ein gültiger Beweis zu Stande kommt und welchen Beweiswert die einzelnen Beweismittel im Verhältnis zueinander haben (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 278/279; zu den Beweismitteln:
BGE 130 II 169
E. 2.3.2 ff.). Für eine belastende Verfügung - wie hier - trägt die Verwaltung die Beweislast. Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist von der Verwaltung zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde (
BGE 130 II 169
E. 2.3.1 S. 172). Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Verwaltung oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen
BGE 130 II 482 S. 486
(Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Tatsächliche Vermutungen können sich in allen Bereichen der Rechtsanwendung ergeben, namentlich auch im öffentlichen Recht. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die auf Grund der Lebenserfahrung gezogen werden (ULRICH HÄFELIN, Vermutungen im öffentlichen Recht, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel 1982, S. 626; vgl. auch PETER SUTTER, Die Beweislastregeln unter besonderer Berücksichtigung des verwaltungsrechtlichen Streitverfahrens, Diss. Zürich 1988, S. 56 ff., 178 ff. und FRITZ GYGI, a.a.O., S. 282 ff.; MAX KUMMER, Berner Kommentar, N. 362 f. zu
Art. 8 ZGB
).
Als Problem der Beweiswürdigung berührt die tatsächliche Vermutung weder die Beweislast noch die das Verwaltungsverfahren beherrschende Untersuchungsmaxime. Letztere gebietet zwar, dass die Verwaltung auch nach entlastenden, das heisst die Vermutung erschütternden Elementen sucht. Nun liegt es beim vorliegend zur Diskussion stehenden Thema in der Natur der Sache, dass solche der Verwaltung oft nicht bekannt sein dürften und nur der Betroffene darüber Bescheid weiss. Es ist daher Sache des Betroffenen, der nicht nur zur Mitwirkung verpflichtet ist (
Art. 13 VwVG
), sondern angesichts der gegen ihn sprechenden tatsächlichen Vermutung selber ein eminentes Interesse daran hat, die Vermutung durch den Gegenbeweis bzw. erhebliche Zweifel umzustürzen, indem er Gründe bzw. Sachumstände aufzeigt, die es als überzeugend (nachvollziehbar) erscheinen lassen, dass eine angeblich noch wenige Monate zuvor bestehende tatsächliche, ungetrennte eheliche Gemeinschaft in der Zwischenzeit dergestalt in die Brüche gegangen ist, dass es zur Scheidung kam.
3.3
Bis zur Einreise am 3. Juli 1989 in die Schweiz lebte der Beschwerdeführer mit einer türkischen Frau zusammen, mit der er zwei Kinder gezeugt hat. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wurde er aufgefordert, die Schweiz bis zum 30. November 1992 zu verlassen. Stattdessen meldete er im November 1992 das Eheversprechen mit einer um 26 Jahre älteren Schweizer Bürgerin an. Die Heirat erfolgte am 22. Januar 1993. Am 6. September 1997 unterschrieb der Beschwerdeführer eine Erklärung, wonach er und seine Schweizer Ehefrau in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten. Das Schweizer Bürgerrecht wurde dem Beschwerdeführer am 2. September 1998 verliehen und am 1. März 1999 unterzeichnete er mit seiner Schweizer Ehefrau die Vereinbarung zur
BGE 130 II 482 S. 487
Auflösung des Haushaltes und der Ehe, worauf am 4. Mai 1999 die Scheidung ausgesprochen wurde. Am 6. Juli 1999 verheiratete sich der Beschwerdeführer mit seiner früheren Lebensgefährtin.
Allein auf Grund dieser Eckdaten besteht die Vermutung, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im fraglichen Zeitpunkt nicht (mehr) in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und infolgedessen die unmittelbar vor der Scheidung und Wiederverheiratung erlangte erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde in der Hauptsache vor, die Ehe sei auf Grund der wirtschaftlichen Probleme nach der Kündigung (Januar 1999) gescheitert. Er sei deswegen psychisch angeschlagen und, bedingt durch die Stellensuche, häufig abwesend gewesen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wirtschaftlich angespannte Verhältnisse Ehen gefährden können. Hier geht es aber darum, ob nachvollziehbar ist, dass eine bis zum Januar 1999 angeblich intakte Ehe infolge der Kündigung der Arbeitsstelle innert nicht einmal ganz zweier Monate derart zerrüttet wurde, dass die Ehegatten eine Scheidungsvereinbarung unterzeichneten. Das ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu verneinen, weshalb der Beschwerdeführer die tatsächliche Vermutung nicht umzustossen vermag. Eine Auseinandersetzung mit den weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere dass die Ehe mit der Schweizer Ehefrau trotz seiner Ferienaufenthalte in der Türkei bis zur Ehescheidung intensiv gelebt worden sei, erübrigt sich daher. | mixed |
9e680565-b10f-4ece-99db-6764a5e65c2b | 173.32 1 Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) vom 17. Juni 2005 (Stand am 1. März 2021) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 191a der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 20012, beschliesst: 1. Kapitel: Stellung und Organisation 1. Abschnitt: Stellung Art. 1 Grundsatz 1 Das Bundesverwaltungsgericht ist das allgemeine Verwaltungsgericht des Bundes. 2 Es entscheidet als Vorinstanz des Bundesgerichts, soweit das Gesetz die Be- schwerde an das Bundesgericht nicht ausschliesst. 3 Es umfasst 50–70 Richterstellen. 4 Die Bundesversammlung bestimmt die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung. 5 Zur Bewältigung aussergewöhnlicher Geschäftseingänge kann die Bundesver- sammlung zusätzliche Richterstellen auf jeweils längstens zwei Jahre bewilligen. Art. 2 Unabhängigkeit Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Recht sprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet. Art. 3 Aufsicht 1 Das Bundesgericht übt die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesverwaltungsgerichts aus. 2 Die Oberaufsicht wird von der Bundesversammlung ausgeübt. 3 Das Bundesverwaltungsgericht unterbreitet dem Bundesgericht jährlich seinen Entwurf für den Voranschlag sowie seine Rechnung und seinen Geschäftsbericht zuhanden der Bundesversammlung. AS 2006 2197 1 SR 101 2 BBl 2001 4202 173.32 Eidgenössische richterliche Behörden 2 173.32 Art. 43 Sitz 1 Sitz des Bundesverwaltungsgerichts ist St. Gallen. 2 Bis zum Bezug des Gerichtsgebäudes in St. Gallen übt das Bundesverwaltungs- gericht seine Tätigkeit im Raum Bern aus. 3 Der Bundesrat ist ermächtigt, mit dem Kanton St. Gallen einen Vertrag über des- sen finanzielle Beteiligung an den Kosten der Errichtung des Bundesverwaltungs- gerichts abzuschliessen.4 2. Abschnitt: Richter und Richterinnen Art. 5 Wahl 1 Die Bundesversammlung wählt die Richter und Richterinnen. 2 Wählbar ist, wer in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt ist. Art. 6 Unvereinbarkeit 1 Die Richter und Richterinnen dürfen weder der Bundesversammlung, dem Bundes- rat noch dem Bundesgericht angehören und in keinem anderen Arbeitsverhältnis mit dem Bund stehen. 2 Sie dürfen weder eine Tätigkeit ausüben, welche die Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit oder das Ansehen des Gerichts beeinträchtigt, noch berufsmäs- sig Dritte vor Gericht vertreten. 3 Sie dürfen keine amtliche Funktion für einen ausländischen Staat ausüben und keine Titel oder Orden ausländischer Behörden annehmen. 4 Richter und Richterinnen mit einem vollen Pensum dürfen kein Amt eines Kantons bekleiden und keine andere Erwerbstätigkeit ausüben. Sie dürfen auch nicht als Mit- glied der Geschäftsleitung, der Verwaltung, der Aufsichtsstelle oder der Revisions- stelle eines wirtschaftlichen Unternehmens tätig sein. Art. 7 Andere Beschäftigungen Für die Ausübung einer Beschäftigung ausserhalb des Gerichts bedürfen die Richter und Richterinnen einer Ermächtigung des Bundesverwaltungsgerichts. 3 Fassung gemäss Art. 2 der V vom 1. März 2006 über die Inkraftsetzung des Bundes- gerichtsgesetzes und des Verwaltungsgerichtsgesetzes sowie über die vollständige Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über den Sitz des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 1069). 4 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Verwaltungsgerichtsgesetz 3 173.32 Art. 8 Unvereinbarkeit in der Person 1 Dem Bundesverwaltungsgericht dürfen nicht gleichzeitig als Richter oder Richte- rinnen angehören: a. Ehegatten, eingetragene Partnerinnen oder Partner und Personen, die in dau- ernder Lebensgemeinschaft leben; b. Ehegatten oder eingetragene Partnerinnen oder Partner von Geschwistern und Personen, die mit Geschwistern in dauernder Lebensgemeinschaft leben; c. Verwandte in gerader Linie sowie bis und mit dem dritten Grad in der Sei- tenlinie; d. Verschwägerte in gerader Linie sowie bis und mit dem dritten Grad in der Seitenlinie. 2 Die Regelung von Absatz 1 Buchstabe d gilt bei dauernden Lebensgemeinschaften sinngemäss. Art. 9 Amtsdauer 1 Die Amtsdauer der Richter und Richterinnen beträgt sechs Jahre. 2 Richter und Richterinnen scheiden am Ende des Jahres aus ihrem Amt aus, in dem sie das 68. Altersjahr vollenden.5 3 Frei gewordene Stellen werden für den Rest der Amtsdauer wieder besetzt. Art. 10 Amtsenthebung Die Bundesversammlung kann einen Richter oder eine Richterin vor Ablauf der Amtsdauer des Amtes entheben, wenn er oder sie: a. vorsätzlich oder grob fahrlässig Amtspflichten schwer verletzt hat; oder b. die Fähigkeit, das Amt auszuüben, auf Dauer verloren hat. Art. 11 Amtseid 1 Die Richter und Richterinnen werden vor ihrem Amtsantritt auf gewissenhafte Pflichterfüllung vereidigt. 2 Die Vereidigung erfolgt durch die Abteilung unter dem Vorsitz des Präsidenten oder der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts. 3 Statt des Eids kann ein Gelübde abgelegt werden. Art. 126 5 Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 (Änderung des Höchstalters für Richter und Richterinnen), in Kraft seit 1. Dez. 2012 (AS 2012 5647; BBl 2011 8995 9013). 6 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 4 des BG vom 17. Juni 2011 (Gesuche um Aufhebung der Immunität), mit Wirkung seit 5. Dez. 2011 (AS 2011 4627; BBl 2010 7345 7385). Eidgenössische richterliche Behörden 4 173.32 Art. 13 Beschäftigungsgrad und Rechtsstellung 1 Die Richter und Richterinnen üben ihr Amt mit Voll- oder Teilpensum aus. 2 Das Gericht kann in begründeten Fällen eine Veränderung des Beschäftigungsgra- des während der Amtsdauer bewilligen, wenn die Summe der Stellenprozente insge- samt nicht verändert wird. 3 Die Bundesversammlung regelt das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen in einer Verordnung. 3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung Art. 14 Grundsatz Das Bundesverwaltungsgericht regelt seine Organisation und Verwaltung. Art. 15 Präsidium 1 Die Bundesversammlung wählt aus den Richtern und Richterinnen: a. den Präsidenten oder die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts; b. den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin. 2 Die Wahl erfolgt für zwei Jahre; einmalige Wiederwahl ist zulässig. 3 Der Präsident oder die Präsidentin führt den Vorsitz im Gesamtgericht und in der Verwaltungskommission (Art. 18). Er oder sie vertritt das Gericht nach aussen. 4 Er oder sie wird durch den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin oder, falls dieser oder diese verhindert ist, durch den Richter oder die Richterin mit dem höchsten Dienstalter vertreten; bei gleichem Dienstalter ist das höhere Lebensalter massgebend. Art. 16 Gesamtgericht 1 Das Gesamtgericht ist zuständig für: a. den Erlass von Reglementen über die Organisation und Verwaltung des Ge- richts, die Geschäftsverteilung, die Information, die Gerichtsgebühren sowie die Entschädigungen an Parteien, amtliche Vertreter und Vertreterinnen, Sachverständige sowie Zeugen und Zeuginnen; b. Wahlen, soweit diese nicht durch Reglement einem anderen Organ des Ge- richts zugewiesen werden; c. Entscheide über Veränderungen des Beschäftigungsgrades der Richter und Richterinnen während der Amtsdauer; d. die Verabschiedung des Geschäftsberichts; e. die Bestellung der Abteilungen und die Wahl ihrer Präsidenten und Präsi- dentinnen auf Antrag der Verwaltungskommission; Verwaltungsgerichtsgesetz 5 173.32 f. den Vorschlag an die Bundesversammlung für die Wahl des Präsidenten o- der der Präsidentin und des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin; g. die Anstellung des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin und des Stellvertreters oder der Stellvertreterin auf Antrag der Verwaltungskommis- sion; h. Beschlüsse betreffend den Beitritt zu internationalen Vereinigungen; i. andere Aufgaben, die ihm durch Gesetz zugewiesen werden. 2 Beschlüsse des Gesamtgerichts sind gültig, wenn an der Sitzung oder am Zirkula- tionsverfahren mindestens zwei Drittel aller Richter und Richterinnen teilnehmen. 3 Die für ein Teilpensum gewählten Richter und Richterinnen haben volles Stimm- recht. Art. 17 Präsidentenkonferenz 1 Die Präsidentenkonferenz besteht aus den Präsidenten und Präsidentinnen der Abteilungen. Sie konstituiert sich selbst. 2 Die Präsidentenkonferenz ist zuständig für: a. den Erlass von Weisungen und einheitlichen Regeln für die Gestaltung der Urteile; b. die Koordination der Rechtsprechung unter den Abteilungen; vorbehalten bleibt Artikel 25; c. die Vernehmlassung zu Erlassentwürfen. Art. 18 Verwaltungskommission 1 Die Verwaltungskommission setzt sich zusammen aus: a. dem Präsidenten oder der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts; b. dem Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin; c. höchstens drei weiteren Richtern und Richterinnen. 2 Der Generalsekretär oder die Generalsekretärin nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen der Verwaltungskommission teil. 3 Die Richter und Richterinnen nach Absatz 1 Buchstabe c werden vom Gesamt- gericht für zwei Jahre gewählt; einmalige Wiederwahl ist zulässig. 4 Die Verwaltungskommission trägt die Verantwortung für die Gerichtsverwaltung. Sie ist zuständig für: a. die Verabschiedung des Entwurfs des Voranschlags und der Rechnung zu- handen der Bundesversammlung; b. den Erlass von Verfügungen über das Arbeitsverhältnis der Richter und Richterinnen, soweit das Gesetz nicht eine andere Behörde als zuständig be- zeichnet; Eidgenössische richterliche Behörden 6 173.32 c. die Anstellung der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen und deren Zuteilung an die Abteilungen auf Antrag der Abteilungen; d. die Bereitstellung genügender wissenschaftlicher und administrativer Dienst- leistungen; e.7 eine angemessene Weiterbildung des Personals; f. die Bewilligung von Beschäftigungen der Richter und Richterinnen ausser- halb des Gerichts; g. sämtliche weiteren Verwaltungsgeschäfte, die nicht in die Zuständigkeit des Gesamtgerichts oder der Präsidentenkonferenz fallen. Art. 19 Abteilungen 1 Die Abteilungen werden jeweils für zwei Jahre bestellt. Ihre Zusammensetzung wird öffentlich bekannt gemacht. 2 Bei der Bestellung sind die fachlichen Kenntnisse der Richter und Richterinnen sowie die Amtssprachen angemessen zu berücksichtigen. 3 Die Richter und Richterinnen sind zur Aushilfe in anderen Abteilungen verpflich- tet. Art. 20 Abteilungsvorsitz 1 Die Präsidenten oder Präsidentinnen der Abteilungen werden jeweils für zwei Jahre gewählt. 2 Im Verhinderungsfall werden sie durch den Richter oder die Richterin mit dem höchsten Dienstalter vertreten; bei gleichem Dienstalter ist das höhere Lebensalter massgebend. 3 Der Abteilungsvorsitz darf nicht länger als sechs Jahre ausgeübt werden. Art. 21 Besetzung 1 Die Abteilungen entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Spruchkörper). 2 Sie entscheiden in Fünferbesetzung, wenn der Präsident beziehungsweise die Präsidentin dies im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Einheit der Rechtspre- chung anordnet. Art. 22 Abstimmung 1 Das Gesamtgericht, die Präsidentenkonferenz, die Verwaltungskommission und die Abteilungen treffen die Entscheide, Beschlüsse und Wahlen, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. 7 Fassung gemäss Anhang Ziff. 6 des BG vom 20. Juni 2014 über die Weiterbildung, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 689; BBl 2013 3729). Verwaltungsgerichtsgesetz 7 173.32 2 Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Präsidenten beziehungsweise der Präsi- dentin ausschlaggebend; bei Wahlen und Anstellungen entscheidet das Los. 3 Bei Entscheiden, die in einem Verfahren nach den Artikeln 31–36 oder 45–48 getroffen werden, ist Stimmenthaltung nicht zulässig. Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin 1 Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über: a. die Abschreibung von gegenstandslos gewordenen Verfahren; b. das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel. 2 Vorbehalten bleiben die besonderen Zuständigkeiten des Einzelrichters bezie- hungsweise der Einzelrichterin nach: a. Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes vom 26. Juni 19988; b. den Artikeln 29, 31 und 41 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. Septem- ber 20159 (NDG); c. den Bundesgesetzen über die Sozialversicherung.10 Art. 24 Geschäftsverteilung Das Bundesverwaltungsgericht regelt die Verteilung der Geschäfte auf die Abteilun- gen nach Rechtsgebieten sowie die Bildung der Spruchkörper durch Reglement. Art. 25 Praxisänderung und Präjudiz 1 Eine Abteilung kann eine Rechtsfrage nur dann abweichend von einem früheren Entscheid einer oder mehrerer anderer Abteilungen entscheiden, wenn die Vereini- gung der betroffenen Abteilungen zustimmt. 2 Hat eine Abteilung eine Rechtsfrage zu entscheiden, die mehrere Abteilungen betrifft, so holt sie die Zustimmung der Vereinigung aller betroffenen Abteilungen ein, sofern sie dies für die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung für angezeigt hält. 3 Beschlüsse der Vereinigung der betroffenen Abteilungen sind gültig, wenn an der Sitzung oder am Zirkulationsverfahren mindestens zwei Drittel der Richter und Richterinnen jeder betroffenen Abteilung teilnehmen. Der Beschluss wird ohne Parteiverhandlung gefasst und ist für die Antrag stellende Abteilung bei der Beur- teilung des Streitfalles verbindlich. 8 SR 142.31 9 SR 121 10 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 3 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. Sept. 2015, in Kraft seit 1. Sept. 2017 (AS 2017 4095; BBl 2014 2105). Eidgenössische richterliche Behörden 8 173.32 Art. 26 Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen 1 Die Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen wirken bei der Instruktion der Fälle und bei der Entscheidfindung mit. Sie haben beratende Stimme. 2 Sie erarbeiten unter der Verantwortung eines Richters oder einer Richterin Refe- rate und redigieren die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts. 3 Sie erfüllen weitere Aufgaben, die ihnen das Reglement überträgt. Art. 27 Verwaltung 1 Das Bundesverwaltungsgericht verwaltet sich selbst. 2 Es richtet seine Dienste ein und stellt das nötige Personal an. 3 Es führt eine eigene Rechnung. Art. 27a11 Infrastruktur 1 Für die Bereitstellung, die Bewirtschaftung und den Unterhalt der vom Bundes- verwaltungsgericht benutzten Gebäude ist das Eidgenössische Finanzdepartement zuständig. Dieses hat die Bedürfnisse des Bundesverwaltungsgerichts angemessen zu berücksichtigen. 2 Das Bundesverwaltungsgericht deckt seinen Bedarf an Gütern und Dienstleistun- gen im Bereich der Logistik selbständig. 3 Für die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverwaltungs- gericht und dem Eidgenössischen Finanzdepartement gilt die Vereinbarung zwi- schen dem Bundesgericht und dem Bundesrat gemäss Artikel 25a Absatz 3 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200512 sinngemäss; vorbehalten bleibt der Abschluss einer anders lautenden Vereinbarung zwischen dem Bundesverwaltungs- gericht und dem Bundesrat. Art. 27b13 Datenschutz bei der Benutzung der elektronischen Infrastruktur 1 Für die Benutzung der elektronischen Infrastruktur des Bundesverwaltungsgerichts finden im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit die Artikel 57i–57q des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199714 sinngemäss Anwen- dung. 2 Das Bundesverwaltungsgericht erlässt die Ausführungsbestimmungen. 11 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 23. Juni 2006 über die Bereinigung und Aktualisie- rung der Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4213; BBl 2006 3067). 12 SR 173.110 13 Eingefügt durch Ziff. II 2 des BG vom 1. Okt. 2010 (Datenschutz bei der Benutzung der elektronischen Infrastruktur), in Kraft seit 1. April 2012 (AS 2012 941; BBl 2009 8513). 14 SR 172.010 Verwaltungsgerichtsgesetz 9 173.32 Art. 28 Generalsekretariat Der Generalsekretär oder die Generalsekretärin steht der Gerichtsverwaltung vor einschliesslich der wissenschaftlichen Dienste und der ständigen Sekretariate der Eidgenössischen Schätzungskommissionen.15 Er oder sie führt das Sekretariat des Gesamtgerichts, der Präsidentenkonferenz und der Verwaltungskommission. Art. 29 Information 1 Das Bundesverwaltungsgericht informiert die Öffentlichkeit über seine Recht- sprechung. 2 Die Veröffentlichung der Entscheide hat grundsätzlich in anonymisierter Form zu erfolgen. 3 Das Bundesverwaltungsgericht regelt die Grundsätze der Information in einem Reglement. 4 Für die Gerichtsberichterstattung kann das Bundesverwaltungsgericht eine Akkre- ditierung vorsehen. Art. 30 Öffentlichkeitsprinzip 1 Das Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 200416 gilt sinngemäss für das Bun- desverwaltungsgericht, soweit dieses administrative Aufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die eidgenössischen Schätzungskommis- sionen nach dem Bundesgesetz vom 20. Juni 193017 über die Enteignung erfüllt. 2 Das Bundesverwaltungsgericht kann vorsehen, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird; in diesem Fall erlässt es die Stellungnahme zu einem Gesuch um Zugang zu amtlichen Dokumenten in Form einer beschwerdefähigen Verfügung. 2. Kapitel: Zuständigkeiten 1. Abschnitt: Beschwerde18 Art. 31 Grundsatz Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196819 über das Verwaltungsver- fahren (VwVG). 15 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 16 SR 152.3 17 SR 711 18 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Febr. 2008 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 19 SR 172.021 Eidgenössische richterliche Behörden 10 173.32 Art. 32 Ausnahmen 1 Die Beschwerde ist unzulässig gegen: a. Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Lan- des, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswär- tigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf ge- richtliche Beurteilung einräumt; b. Verfügungen betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie Volkswahlen und -abstimmungen; c. Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals, soweit sie nicht die Gleichstellung der Geschlechter betreffen; d.20 ... e. Verfügungen auf dem Gebiet der Kernenergie betreffend: 1. Rahmenbewilligungen von Kernanlagen, 2. die Genehmigung des Entsorgungsprogramms, 3. den Verschluss von geologischen Tiefenlagern, 4. den Entsorgungsnachweis; f.21 Verfügungen über die Erteilung oder Ausdehnung von Infrastrukturkonzes- sionen für Eisenbahnen; g. Verfügungen der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernse- hen; h. Verfügungen über die Erteilung von Konzessionen für Spielbanken; i.22 Verfügungen über die Erteilung, Änderung oder Erneuerung der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG); j.23 Verfügungen über die Beitragsberechtigung einer Hochschule oder einer anderen Institution des Hochschulbereichs. 2 Die Beschwerde ist auch unzulässig gegen: a. Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Einsprache oder durch Beschwerde an eine Behörde im Sinne von Artikel 33 Buchstaben c–f anfechtbar sind; b. Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Beschwerde an eine kantonale Behörde anfechtbar sind. 20 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 1 des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes vom 30. Sept. 2011, mit Wirkung seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 4103; BBl 2009 4561). 21 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 16. März 2012 über den zweiten Schritt der Bahnreform 2, in Kraft seit 1. Juli 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911) 22 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 2131; BBl 2013 4975). 23 Eingefügt durch Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2020, in Kraft seit 1. März 2021 (AS 2021 68; BBl 2020 3681). Verwaltungsgerichtsgesetz 11 173.32 Art. 33 Vorinstanzen Die Beschwerde ist zulässig gegen Verfügungen: a. des Bundesrates und der Organe der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals einschliesslich der Verweige- rung der Ermächtigung zur Strafverfolgung; b.24 des Bundesrates betreffend: 1. die Amtsenthebung eines Mitgliedes des Bankrats, des Direktoriums oder eines Stellvertreters oder einer Stellvertreterin nach dem National- bankgesetz vom 3. Oktober 200325, 2. die Abberufung eines Verwaltungsratsmitgliedes der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht oder die Genehmigung der Auflösung des Arbeits- verhältnisses der Direktorin oder des Direktors durch den Verwaltungs- rat nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 200726, 3.27 die Sperrung von Vermögenswerten gestützt auf das Bundesgesetz vom 18. Dezember 201528 über die Sperrung und die Rückerstattung un- rechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch expo- nierter Personen, 4.29 das Verbot von Tätigkeiten nach dem NDG30, 4bis.31 das Verbot von Organisationen nach dem NDG, 5.32 die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Eidgenössischen Instituts für Metrologie nach dem Bundesgesetz vom 17. Juni 201133 über das Eidgenössische Institut für Metrologie, 6.34 die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde oder die Genehmigung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Direktorin oder des Direktors durch den Ver- 24 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Febr. 2008 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 25 SR 951.11 26 SR 956.1 27 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 1. Okt. 2010 über die Rückerstattung un- rechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (AS 2011 275; BBl 2010 3309). Fassung gemäss Art. 31 Abs. 2 Ziff. 1 des BG vom 18. Dez. 2015 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte auslän- discher politisch exponierter Personen, in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 1803; BBl 2014 5265). 28 SR 196.1 29 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 23. Dez. 2011 (AS 2012 3745; BBl 2007 5037, 2010 7841). Fassung gemäss Anhang Ziff. II 3 des Nachrichtendienst- gesetzes vom 25. Sept. 2015, in Kraft seit 1. Sept. 2017 (AS 2017 4095; BBl 2014 2105). 30 SR 121 31 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 3 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. Sept. 2015, in Kraft seit 1. Sept. 2017 (AS 2017 4095; BBl 2014 2105). 32 Eingefügt durch Art. 26 Ziff. 2 des BG vom 17. Juni 2011 über das Eidgenössische Institut für Metrologie, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 6515; BBl 2010 8013). 33 SR 941.27 34 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. Juni 2014 (Bündelung der Aufsicht über Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften), in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 4073; BBl 2013 6857). Eidgenössische richterliche Behörden 12 173.32 waltungsrat nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 200535, 7.36 die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Schweizerischen Heilmittelinstituts nach dem Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 200037, 8.38 die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Anstalt nach dem Ausgleichsfondsgesetz vom 16. Juni 201739, 9.40 die Abberufung eines Mitglieds des Institutsrats des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung nach dem Bundesgesetz vom 28. Sep- tember 201841 über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung, 10.42 die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds der Schweizerischen Trassenvergabestelle oder die Genehmigung der Auflösung des Ar- beitsverhältnisses der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers durch den Verwaltungsrat nach dem Eisenbahngesetz vom 20. Dezem- ber 195743; c. des Bundesstrafgerichts auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses seiner Richter und Richterinnen und seines Personals; cbis.44 des Bundespatentgerichts auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses seiner Richter und Richterinnen und seines Personals; cter.45 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft auf dem Gebiet des Ar- beitsverhältnisses der von der Vereinigten Bundesversammlung gewählten Mitglieder der Bundesanwaltschaft; cquater.46 des Bundesanwaltes oder der Bundesanwältin auf dem Gebiet des Ar- beitsverhältnisses der von ihm oder ihr gewählten Staatsanwälte und Staats- anwältinnen sowie des Personals der Bundesanwaltschaft; 35 SR 221.302 36 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 18. März 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 2745, 2018 3575; BBl 2013 1). 37 SR 812.21 38 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 3 des Ausgleichsfondsgesetzes vom 16. Juni 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 7563; BBl 2016 311). 39 SR 830.2 40 Eingefügt durch Art. 23 Abs. 2 des BG vom 28. Sept. 2018 über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3199; BBl 2018 913). 41 SR 425.1 42 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Organisation der Bahninf- rastruktur, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661). 43 SR 742.101 44 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 20. März 2009 über das Bundespatent- gericht, in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2010 513, 2011 2241; BBl 2008 455). 45 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2015, in Kraft seit 1. Nov. 2015 (AS 2015 3847; BBl 2015 2211 2235). 46 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). Verwaltungsgerichtsgesetz 13 173.32 cquinquies.47 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses ihres Sekretariats; d. der Bundeskanzlei, der Departemente und der ihnen unterstellten oder admi- nistrativ zugeordneten Dienststellen der Bundesverwaltung; e. der Anstalten und Betriebe des Bundes; f. der eidgenössischen Kommissionen; g. der Schiedsgerichte auf Grund öffentlich-rechtlicher Verträge des Bundes, seiner Anstalten und Betriebe; h. der Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, die in Erfüllung ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen; i. kantonaler Instanzen, soweit ein Bundesgesetz gegen ihre Verfügungen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorsieht. Art. 3448 2. Abschnitt: Klage49 Art. 35 Grundsatz Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt auf Klage als erste Instanz: a. Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen des Bundes, seiner An- stalten und Betriebe und der Organisationen im Sinne von Artikel 33 Buch- stabe h; b. Streitigkeiten über Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten im Privat- rechtsbereich (Art. 29 Abs. 4 des BG vom 19. Juni 199250 über den Daten- schutz); c. Streitigkeiten zwischen Bund und Nationalbank betreffend die Vereinbarun- gen über Bankdienstleistungen und die Vereinbarung über die Gewinnaus- schüttung; 47 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 6 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 2008 8125). 48 Aufgehoben durch Ziff. II des BG vom 21. Dez. 2007 (Spitalfinanzierung), mit Wirkung seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 2049; BBl 2004 5551). 49 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 50 SR 235.1 Eidgenössische richterliche Behörden 14 173.32 d.51 Ersuchen um Einziehung von Vermögenswerten nach dem Bundesgesetz vom 18. Dezember 201552 über die Sperrung und die Rückerstattung un- rechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen. Art. 36 Ausnahme Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz die Erledigung des Streites einer in Artikel 33 erwähnten Behörde überträgt. 3. Abschnitt:53 Meinungsverschiedenheiten in der innerstaatlichen Amts- und Rechtshilfe Art. 36a 1 Soweit ein Bundesgesetz es vorsieht, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten in der Amts- und Rechtshilfe zwischen Bundes- behörden und zwischen Behörden des Bundes und der Kantone. 2 Dritte können sich nicht am Verfahren beteiligen. 4. Abschnitt:54 Genehmigung von Beschaffungsmassnahmen des Nachrichtendienstes Art. 36b Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Genehmigung von Beschaf- fungsmassnahmen nach dem NDG55. 51 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 1. Okt. 2010 über die Rückerstattung un- rechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (AS 2011 275; BBl 2010 3309). Fassung gemäss Art. 31 Abs. 2 Ziff. 1 des BG vom 18. Dez. 2015 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte auslän- discher politisch exponierter Personen, in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 1803; BBl 2014 5265). 52 SR 196.1 53 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2009 (AS 2008 5207; BBl 2006 2829). 54 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 3 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. Sept. 2015, in Kraft seit 1. Sept. 2017 (AS 2017 4095; BBl 2014 2105). 55 SR 121 Verwaltungsgerichtsgesetz 15 173.32 3. Kapitel: Verfahren 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 37 Grundsatz Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG56, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Art. 38 Ausstand Die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200557 über den Aus- stand gelten im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sinngemäss. Art. 39 Instruktionsrichter oder Instruktionsrichterin 1 Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung leitet als Instruktionsrichter beziehungsweise Instruktionsrichterin das Verfahren bis zum Entscheid; er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin mit dieser Aufgabe betrauen. 2 Er oder sie zieht zu Zeugeneinvernahmen, Augenschein und Parteiverhör einen zweiten Richter oder eine zweite Richterin bei. 3 Die Verfügungen des Instruktionsrichters oder der Instruktionsrichterin unterliegen innerhalb des Bundesverwaltungsgerichts keiner Beschwerde. Art. 40 Parteiverhandlung 1 Soweit zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 195058 zu beurteilen sind, ordnet der Instruktionsrichter beziehungsweise die In- struktionsrichterin eine öffentliche Parteiverhandlung an, wenn: a. eine Partei es verlangt; oder b. gewichtige öffentliche Interessen es rechtfertigen.59 2 Auf Anordnung des Abteilungspräsidenten beziehungsweise der Abteilungspräsi- dentin oder des Einzelrichters beziehungsweise der Einzelrichterin kann eine öffent- liche Parteiverhandlung auch in anderen Fällen durchgeführt werden. 3 Ist eine Gefährdung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten oder rechtfertigt es das Interesse einer beteiligten Person, so kann die Öffentlichkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. 56 SR 172.021 57 SR 173.110 58 SR 0.101 59 In der französischen Fassung weist dieser Abs. keine Bst. auf. Eidgenössische richterliche Behörden 16 173.32 Art. 41 Beratung 1 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der Regel auf dem Weg der Akten- zirkulation. 2 Es berät den Entscheid mündlich: a. wenn der Abteilungspräsident beziehungsweise die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein Richter beziehungsweise eine Richterin es verlangt; b. wenn eine Abteilung in Fünferbesetzung entscheidet und sich keine Einstim- migkeit ergibt. 3 In den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b ist die mündliche Beratung öffentlich, wenn der Abteilungspräsident beziehungsweise die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein Richter beziehungsweise eine Richterin es verlangt. Art. 42 Urteilsverkündung Das Bundesverwaltungsgericht legt das Dispositiv seiner Entscheide während 30 Tagen nach deren Eröffnung öffentlich auf. Art. 43 Mangelhafte Vollstreckung Wegen mangelhafter Vollstreckung von Entscheiden des Bundesverwaltungsge- richts, die nicht zur Zahlung einer Geldsumme oder zur Sicherheitsleistung in Geld verpflichten, kann beim Bundesrat Beschwerde erhoben werden. Der Bundesrat trifft die erforderlichen Massnahmen. 2. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für das Klageverfahren Art. 44 1 Entscheidet das Bundesverwaltungsgericht als erste Instanz, so richtet sich das Verfahren nach den Artikeln 3–73 und 79–85 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 194760 über den Bundeszivilprozess. 2 Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. 3 Die Gerichtsgebühren und die Parteientschädigung richten sich nach den Arti- keln 63–65 VwVG61.62 60 SR 273 61 SR 172.021 62 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 1. Okt. 2010 über die Rückerstattung un- rechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen, in Kraft seit 1. Febr. 2011 (AS 2011 275; BBl 2010 3309). Verwaltungsgerichtsgesetz 17 173.32 4. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung 1. Abschnitt: Revision Art. 45 Grundsatz Für die Revision von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts gelten die Arti- kel 121–128 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200563 sinngemäss. Art. 46 Verhältnis zur Beschwerde Nicht als Revisionsgründe gelten Gründe, welche die Partei, die um Revision nach- sucht, bereits mit einer Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungs- gerichts hätte geltend machen können. Art. 47 Revisionsgesuch Auf Inhalt, Form, Verbesserung und Ergänzung des Revisionsgesuchs findet Arti- kel 67 Absatz 3 VwVG64 Anwendung. 2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung Art. 48 1 Für die Erläuterung und die Berichtigung von Entscheiden des Bundesverwal- tungsgerichts gilt Artikel 129 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200565 sinngemäss. 2 Erläutert oder berichtigt das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid, so be- ginnt eine allfällige Rechtsmittelfrist neu zu laufen. 5. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 49 Änderung bisherigen Rechts 1 Die Änderung bisherigen Rechts wird im Anhang geregelt. 2 Die Bundesversammlung kann diesem Gesetz widersprechende, aber formell nicht geänderte Bestimmungen in Bundesgesetzen durch eine Verordnung anpassen. 63 SR 173.110 64 SR 172.021 65 SR 173.110 Eidgenössische richterliche Behörden 18 173.32 Art. 50 Koordination mit dem Zollgesetz vom 18. März 200566 (neues Zollgesetz) ...67 Art. 51 Koordination mit dem Bundesbeschluss vom 17. Dezember 200468 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und Dublin, Artikel 3 Ziffer 7 (Art. 182 Abs. 2 des BG vom 14. Dez. 199069 über die direkte Bundessteuer, DBG) ...70 Art. 52 Koordination mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 200471 (neues VAG) ...72 Art. 53 Übergangsbestimmungen 1 Das Beschwerdeverfahren gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen sind und bisher beim Bundesgericht oder beim Bundesrat an- fechtbar waren, richtet sich nach dem bisherigen Recht. 2 Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Beurteilung der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schieds- kommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechts- mittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht. Art. 54 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 200773 66 SR 631.0. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten BG. 67 Die Änderungen können unter AS 2006 2197 konsultiert werden. 68 SR 362 69 SR 642.11. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten Erlass. 70 Die Änderungen können unter AS 2006 2197 konsultiert werden. 71 SR 961.01. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten Erlass. 72 Die Änderungen können unter AS 2006 2197 konsultiert werden. 73 Art. 1 Bst. b der V vom 1. März 2006 (AS 2006 1069). Verwaltungsgerichtsgesetz 19 173.32 Anhang (Art. 49 Abs. 1) Änderung bisherigen Rechts Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert: ...74 74 Die Änd. können unter AS 2006 2197 konsultiert werden. Eidgenössische richterliche Behörden 20 173.32 1. Kapitel: Stellung und Organisation 1. Abschnitt: Stellung Art. 1 Grundsatz Art. 2 Unabhängigkeit Art. 3 Aufsicht Art. 4 Sitz 2. Abschnitt: Richter und Richterinnen Art. 5 Wahl Art. 6 Unvereinbarkeit Art. 7 Andere Beschäftigungen Art. 8 Unvereinbarkeit in der Person Art. 9 Amtsdauer Art. 10 Amtsenthebung Art. 11 Amtseid Art. 12 Art. 13 Beschäftigungsgrad und Rechtsstellung 3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung Art. 14 Grundsatz Art. 15 Präsidium Art. 16 Gesamtgericht Art. 17 Präsidentenkonferenz Art. 18 Verwaltungskommission Art. 19 Abteilungen Art. 20 Abteilungsvorsitz Art. 21 Besetzung Art. 22 Abstimmung Art. 23 Einzelrichter oder Einzelrichterin Art. 24 Geschäftsverteilung Art. 25 Praxisänderung und Präjudiz Art. 26 Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen Art. 27 Verwaltung Art. 27a Infrastruktur Art. 27b Datenschutz bei der Benutzung der elektronischen Infrastruktur Art. 28 Generalsekretariat Art. 29 Information Art. 30 Öffentlichkeitsprinzip 2. Kapitel: Zuständigkeiten 1. Abschnitt: Beschwerde Art. 31 Grundsatz Art. 32 Ausnahmen Art. 33 Vorinstanzen Art. 34 2. Abschnitt: Klage Art. 35 Grundsatz Art. 36 Ausnahme 3. Abschnitt: Meinungsverschiedenheiten in der innerstaatlichen Amts- und Rechtshilfe Art. 36a 4. Abschnitt: Genehmigung von Beschaffungsmassnahmen des Nachrichtendienstes Art. 36b 3. Kapitel: Verfahren 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 37 Grundsatz Art. 38 Ausstand Art. 39 Instruktionsrichter oder Instruktionsrichterin Art. 40 Parteiverhandlung Art. 41 Beratung Art. 42 Urteilsverkündung Art. 43 Mangelhafte Vollstreckung 2. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für das Klageverfahren Art. 44 4. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung 1. Abschnitt: Revision Art. 45 Grundsatz Art. 46 Verhältnis zur Beschwerde Art. 47 Revisionsgesuch 2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung Art. 48 5. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 49 Änderung bisherigen Rechts Art. 50 Koordination mit dem Zollgesetz vom 18. März 2005 (neues Zollgesetz) Art. 51 Koordination mit dem Bundesbeschluss vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und Dublin, Artikel 3 Ziffer 7 (Art. 182 Abs. 2 d... Art. 52 Koordination mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004 (neues VAG) Art. 53 Übergangsbestimmungen Art. 54 Referendum und Inkrafttreten Anhang Änderung bisherigen Rechts | mixed |
4559ffba-34e0-4c11-85f1-47d2789d07b0 | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 128 II 97 S. 97
A.-
G. (geb. 1958) wuchs als türkischer Staatsangehöriger in der Türkei auf, heiratete F. (geb. 1951), welche ihm laut türkischem Zivilstandsregisterauszug zwischen 1976 und 1986 acht Kinder gebar. Er reiste am 28. März 1989 in die Schweiz ein und stellte hier ein Asylgesuch. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) lehnte das Gesuch am 13. August 1992 ab und wies G. auf den 30. November 1992 aus der Schweiz weg. Am 9. Juli 1992 hatte sich G. von seiner
BGE 128 II 97 S. 98
türkischen Ehefrau F. scheiden lassen, und am 11. September 1992 heiratete er die 34 Jahre ältere Schweizer Bürgerin B. (geb. 1924). Der Kanton Zürich erteilte G. am 15. Januar 1993 eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung.
Am 20. September 1995 stellte G. ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Gemeinsam mit B. unterzeichnete er am 26. November 1996 eine Erklärung, wonach sie beide in einer tatsächlichen, stabilen, ungetrennten ehelichen Gemeinschaft leben. Sie nahmen ferner zur Kenntnis, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe, und dass andernfalls die erleichterte Einbürgerung nachträglich nichtig erklärt werden könne. Am 11. Dezember 1996 erhielt G. durch erleichterte Einbürgerung das Schweizer Bürgerrecht. Im Frühjahr 1997 beantragte er den Familiennachzug für sechs seiner acht Kinder aus erster Ehe, welcher am 21. November 1997 bewilligt wurde.
B. leitete am 27. November 1997 beim Friedensrichter das Ehescheidungsverfahren ein. Am 4. Februar 1998 wurde die Ehe geschieden. In der Folge wurde G. fürsorgeabhängig. Am 8. Mai 1998 verheiratete er sich in der Türkei erneut mit seiner ersten Ehefrau, für welche er ebenfalls die Einreise in die Schweiz beantragte.
B.-
Am 9. April 1999 eröffnete das Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) ein Verfahren betreffend Nichtigerklärung der Einbürgerung von G. Am 29. Juli 1999 erteilte das Departement des Innern des Kantons Aargau die Zustimmung zur Nichtigerklärung. Nach Durchführung eines Schriftenwechsels erklärte das BFA mit Verfügung vom 30. April 2001 die erleichterte Einbürgerung als nichtig. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am 23. Oktober 2001 ab.
C.-
Mit Eingabe vom 23. November 2001 hat G. gegen den Entscheid des EJPD Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, im Wesentlichen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sowie die Verfügung des BFA seien aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Nach
Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (in
BGE 128 II 97 S. 99
der Fassung vom 23. März 1990 [BüG; SR 141.0]
) kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizer Bürgerin lebt. Nach dem Wortlaut und Wortsinn der Bestimmung müssen sämtliche Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch anlässlich der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein. Fehlt es insbesondere im Zeitpunkt des Entscheids an der ehelichen Gemeinschaft, darf die erleichterte Einbürgerung nicht ausgesprochen werden. Der Begriff der "ehelichen Gemeinschaft" stammt zwar aus dem Zivilgesetzbuch (
Art. 159 Abs. 1 ZGB
). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche sich auf die Literatur stützt, unterscheidet sich der Begriff der ehelichen Gemeinschaft im Sinn von
Art. 27 und 28 BüG
aber von demjenigen des ZGB (
BGE 121 II 49
E. 2b S. 51 mit Hinweis auf die Lehre). Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinn des Bürgerrechtsgesetzes nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (
BGE 121 II 49
E. 2b S. 52). Ein Hinweis auf den fehlenden Willen der Ehegatten, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, kann der Umstand sein, dass kurze Zeit nach der Einbürgerung das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (vgl. Botschaft des Bundesrats zur Änderung des BüG vom 27. August 1987, BBl 1987 III 310).
b) Im Zeitpunkt der Erklärung vom 26. November 1996 und der Einbürgerungsverfügung vom 11. Dezember 1996 war der Beschwerdeführer noch mit B. verheiratet und sie wohnten in der gleichen Wohnung. Dies ergibt sich aus ihren Erklärungen sowie den Schreiben der Nachbarn. Die damalige Ehefrau leitete das Ehescheidungsverfahren knapp ein Jahr später am 27. November 1997 ein. Das EJPD vertritt im angefochtenen Entscheid die Auffassung, bei den beiden habe bereits im Jahre 1996 der Wille gefehlt, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, der Scheidungswille sei bei der Ehefrau erst nach der Einbürgerungsverfügung im Zeitpunkt
BGE 128 II 97 S. 100
entstanden, als er seine Kinder aus erster Ehe in die Schweiz geholt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die eheliche Gemeinschaft bestanden.
Für ihren Schluss haben die Vorinstanzen die Scheidungsakten beigezogen. Dem Protokoll des Instruktionsrichters lässt sich Folgendes entnehmen: B. antwortete auf die Frage, weshalb sie geheiratet habe, sie habe sich lange gegen diese Heirat gewehrt, aber ihr Mann habe sie immer wieder gedrängt, und so sei sie halt in das Ganze hineingeraten. Er sei vorher Asylbewerber gewesen, vielleicht hätte er ohne Heirat ausreisen müssen. Auf die Frage, ob es richtig sei, dass sie bei der Heirat mitgemacht habe, damit er in der Schweiz bleiben könne, erwiderte sie, das müsse sie heute wohl zugeben. Der Beschwerdeführer seinerseits tat sich schwer mit der Frage, weshalb er B. geheiratet habe. Er vertrat die Meinung, dies sei einfach eine normale Heirat gewesen, und er sehe in der Erkundigung nach dem Grund derselben keinen Sinn. B. führte zur Ehe aus, diese sei zwei Jahre lang gut gegangen, im dritten Jahr, also 1995 hätten die Probleme begonnen und danach habe die Ehe nicht mehr funktioniert. Auf die Frage, ob die Ehe gerade so lange gedauert habe, bis ihr Mann den Schweizer Pass habe erhalten können, antwortete sie, jedenfalls habe er diesen jetzt. Bezüglich der Eheschwierigkeiten entgegnete B., sie verstünden sich einfach nicht mehr. Hinzu komme, dass vor kurzer Zeit die sechs Kinder ihres Mannes in die Schweiz gekommen seien, welcher Belastung sie nicht mehr gewachsen sei. Mit diesen Aussagen stehen die Schreiben von B. nicht im Widerspruch. Sie betonte schriftlich immer wieder, sie habe mit dem Beschwerdeführer keine Scheinehe geführt, die Ehe sei im Anfangsstadium durchaus normal gewesen und wenn sie schliesslich die Scheidung beantragt habe, dann vorab, weil sie die sechs Kinder im Haushalt nicht ertragen habe.
Gestützt auf diese Aussagen und andern Beweismittel durfte die Vorinstanz annehmen, die Ehe sei insbesondere seitens des Beschwerdeführers von Anfang an vorab wegen des Bleiberechts abgeschlossen worden und es habe bereits im Jahre 1996, also im Zeitpunkt der unterschriftlichen Erklärung der Eheleute, der massgebliche Wille zur Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft gefehlt. Ebenso wenig ist die Schlussfolgerung zu beanstanden, der Beschwerdeführer sei im Jahre 1996 nicht dem Wohl und dem Fortbestand der Ehe verpflichtet gewesen, sondern habe seine Einbürgerung verfolgt. Zwar hat möglicherweise der Nachzug der sechs unmündigen Kinder den äusseren Anlass gegeben, dass B. das
BGE 128 II 97 S. 101
Scheidungsverfahren etwas weniger als ein Jahr nach der Einbürgerung eingeleitet hat, doch bestehen erhebliche Zweifel, ob die eheliche Gemeinschaft nicht bereits vorher schon nicht mehr intakt gewesen war. Zudem ist die Feststellung nicht zu beanstanden, der Beschwerdeführer habe die Einleitung des Verfahrens mit dem Kindernachzug provoziert. Sofern er die Scheidung nicht vorsätzlich anstrebte, musste er mindestens wissen und nahm es bewusst in Kauf, dass seine 74-jährige Frau als Stiefmutter die sechs ihr unbekannten Kinder aus einem andern Kultur- und Sprachkreis in ihrer Wohnung auf Dauer nicht wird ertragen können. Daran ändert nichts, dass B. heute nach wie vor Kontakt mit dem Beschwerdeführer und seiner Familie hat. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im massgebenden Zeitraum die eheliche Gemeinschaft seitens des Gesuchstellers - gestützt auf die angeführten Indizien - bloss als eine fiktive und nicht als eine tatsächliche im Sinne von
Art. 27 BüG
qualifiziert werden muss. Ein schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers, die Einheit des Bürgerrechts im Hinblick auf eine gemeinsame Zukunft der Ehegatten herzustellen, muss deshalb verneint werden.
4.
a) Nach
Art. 41 Abs. 1 BüG
kann die Einbürgerung vom EJPD mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt daher nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist.
b) Vorliegend ergibt sich aus den Scheidungsakten und den gesamten Umständen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nichtigerklärung erfüllt sind. Das planmässige Vorgehen des Beschwerdeführers, das Irreführen der Behörden und möglicherweise auch seiner geschiedenen Frau sind durch die Scheidungsakten und insbesondere durch den Ereignisablauf belegt. Nachdem der Beschwerdeführer in die Schweiz eingereist war, stellte er ein Asylgesuch. Kurz vor dessen absehbarer Ablehnung wurde die Scheidung von seiner türkischen Frau, mit welcher er acht Kinder gezeugt hatte, ausgesprochen, und nur zwei Monate später fand die überhastete Eheschliessung mit einer 34 Jahre älteren Schweizerin statt. Diese Verbindung, welche seitens des Beschwerdeführers bloss als fiktiv zu gelten hat (E. 3b hievor), wurde aufrecht erhalten, bis die formellen Voraussetzungen für die Einbürgerung gegeben waren.
BGE 128 II 97 S. 102
Nur kurze Zeit nach der Einreise der sechs minderjährigen Kinder wurde die Ehe geschieden und verheiratete sich der Beschwerdeführer erneut mit seiner ersten Ehefrau und beantragte deren Nachzug in die Schweiz. All diese Ereignisse können vom Beschwerdeführer nicht glaubwürdig als ein zufälliger Geschehnisablauf dargestellt werden. Angesichts der gesamten Abfolge der Ereignisse nicht glaubwürdig ist namentlich der Einwand des Beschwerdeführers, er habe seine erste Frau nur in die Schweiz geholt und in der Folge wieder geheiratet, um jemanden zu haben, der die Kinder betreue, denn nach der Scheidung von seiner zweiten Frau sei er mit seinen sechs Kindern und seiner Arbeit alleine dagestanden. Die Vorinstanz hat mit Grund darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit wiederholt unrichtige oder unvollständige Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht hat, wenn ihm dies zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks vorteilhaft erschien (Angaben über die Anzahl seiner Kinder, seines Zivilstands, seines Aufenthaltsorts u.a.). Sie durfte daher seine Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Im Ganzen gesehen muss dem Beschwerdeführer Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden, weil er das Rechtsinstitut der Ehe zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet hat, die dieses Rechtsinstitut nicht schützen will (vgl.
BGE 127 II 49
E. 5a S. 56 zu
Art. 7 ANAG
[SR 142.20]). Die Vorinstanz hat weder
Art. 41 BüG
verletzt, noch ihr Ermessen missbraucht oder überschritten, wenn sie die Nichtigerklärung der Einbürgerung bestätigt hat.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde muss aus diesen Gründen abgewiesen werden. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. | mixed |
8591f0ec-7ddf-43fa-abf0-ed535b3f01fb | Sachverhalt
ab Seite 434
BGE 145 IV 433 S. 434
A.
X., Y. und Z. wird vorgeworfen, sie hätten am 1. Mai 2017 in Zürich an einer öffentlichen Zusammenrottung teilgenommen, bei der mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Sachen begangen wurden. Im Verlauf der Zusammenrottung hätten sie Farbbeutel gegen die Fassade des türkischen Generalkonsulats und ein davor abgestelltes Fahrzeug der Schweizer Armee geworfen. Zudem hätten sie einen Kiosk, eine Haltestelle und eine Hausfassade im Umfeld des türkischen Generalkonsulats mit dem Schriftzug "Kill Erdogan" sowie den Symbolen von Hammer und Sichel beschmiert.
B.
Am 18. Dezember 2017 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl die Strafverfahren gegen X., Y. und Z. ein. Die Staatsanwaltschaft erwog in ihren Einstellungsverfügungen, der Anfangsverdacht habe darauf beruht, dass X., Y. und Z. in der Nähe des Tatorts verhaftet worden seien und Letzterer eine Regenhose mit Farbrückständen auf sich getragen habe. Belastungen durch gleichzeitig verhaftete Personen lägen keine vor. Auf den Bild- und Videoaufzeichnungen könnten die Täter nicht identifiziert werden und das Forensische Institut C. habe auf den am Tatort sichergestellten Gegenständen keine Kontaktspuren ausmachen können. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass Z. bei der Tatausübung durch Dritte in der Nähe des Tatorts gestanden und dabei ein Farbspritzer auf seine Regenhose gelangt sei. Was den Schriftzug "Kill Erdogan" anbelange, erscheine fraglich, ob eine öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit gemäss
Art. 259 StGB
oder eine Beleidigung eines fremden Staats im Sinne von
Art. 296 StGB
vorliege.
Art. 259 StGB
diene der Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens in der Schweiz, weshalb eine Aufforderung zur Tötung des türkischen Staatsoberhauptes kaum darunter zu subsumieren sei.
Art. 296 StGB
setze eine Tathandlung im Sinne von
Art. 173 ff. StGB
voraus, während der Schriftzug "Kill Erdogan" weder eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung noch ein ehrverletzendes Werturteil sei.
C.
Die dagegen gerichteten Beschwerden des türkischen Generalkonsulats wies das Obergericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat.
D.
Mit Beschwerden in Strafsachen beantragt das türkische Generalkonsulat sinngemäss, die obergerichtlichen Beschlüsse seien aufzuheben und die Strafbehörden zu weiteren Untersuchungen anzuhalten.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
BGE 145 IV 433 S. 435 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
(...)
3.5
3.5.1
Das Bundesgericht beantwortete bisher nicht, welches Rechtsgut durch den Tatbestand der Schreckung der Bevölkerung gemäss
Art. 258 StGB
geschützt wird. Geht es nach der herrschenden Lehre, so ist es das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung (DONATSCH/THOMEN/WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, 5. Aufl. 2017, S. 184; STRATENWERTH/BOMMER, Besonderer Teil, Bd. II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl. 2013, § 38 Rz. 2; HANS VEST, in: Delikte gegen den öffentlichen Frieden, 2007, N. 1 zu
Art. 258 StGB
; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3. Aufl. 2013, N. 1 zu
Art. 258 StGB
) bzw. "le sentiment de sécurité" (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], in: CP Code pénal, Petit commentaire, 2. Aufl. 2017, N. 2 zu
Art. 258 StGB
). Gemäss FIOLKA soll auch das Interesse geschützt werden, Fehlallokationen gesellschaftlicher und materieller Ressourcen zu vermeiden (GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2018, N. 5 ff. und 10 zu
Art. 258 StGB
).
3.5.2
Auch zur Frage, welchem Rechtsgut der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit gemäss
Art. 259 StGB
verschrieben ist, äusserte sich das Bundesgericht bislang nicht. Hier nennt das Schrifttum gemeinhin den öffentlichen Frieden (STRATENWERTH/BOMMER, a.a.O., § 38 Rz. 9) bzw. "la paix publique" (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 1 zu
Art. 259 StGB
). Nach WEDER gewährt
Art. 259 StGB
gleichzeitig einen präventiven Schutz gegen die Normbrüche, zu denen aufgerufen wird (ULRICH WEDER, in: Kommentar StGB, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Donatsch und andere [Hrsg.], 20. Aufl. 2018, N. 1 zu
Art. 259 StGB
). Ein anderer Teil der Lehre hält dafür, es liege ein Angriff auf die Gemeinschaft vor, was nicht ausschliesse, dass individuelle Güter bedroht würden oder zu Verbrechen gegen eine bestimmte Person aufgerufen werde (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 1 zu
Art. 259 StGB
, mit Hinweis auf Obergericht Schaffhausen, ABOG 1987, S. 111).
3.5.3
Was den Landfriedensbruch gemäss
Art. 260 StGB
betrifft, hielt das Bundesgericht fest, der Straftatbestand wolle "die öffentliche Friedensordnung sichern" (
BGE 117 Ia 135
E. 2b;
BGE 108 IV 33
E. 4). Charakteristisch für Landfriedensbruch sei die friedensstörende
BGE 145 IV 433 S. 436
Grundstimmung, die sich auch aus der Art des Aufrufs zur Teilnahme oder den mitgeführten Hilfsmitteln ergeben könne. Landfriedensbruch als kollektive Gewalttätigkeit verletze die bestehende Friedensordnung und das Vertrauen in ihren Bestand (Urteil 6B_863/2013 vom 10. Juni 2014 E. 5.4 mit Hinweisen). In einem weiteren Leitentscheid präzisierte das Bundesgericht, dass Eigentümer, die bei Ausschreitungen Schaden erleiden, nicht als geschädigte Personen anzusehen seien, wenn es im Strafverfahren allein um Landfriedensbruch geht. Der Tatbestand schütze einzig die öffentliche Friedensordnung. Das Privatvermögen demgegenüber werde durch den Tatbestand der Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung gemäss Art. 145 Abs. 1
bis
aStGB (heute:
Art. 144 Abs. 2 StGB
) geschützt (
BGE 120 Ia 220
E. 3b S. 224). Auch die Lehre bezeichnet als geschütztes Rechtsgut den öffentlichen Frieden (STRATENWERTH/BOMMER, a.a.O., § 38 Rz. 20) bzw. "la paix publique" (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 1 sowie 4 zu
Art. 260 StGB
) oder in Anlehnung an die zitierten Bundesgerichtsurteile die öffentliche Friedensordnung (WEDER, a.a.O., N. 2a zu
Art. 260 StGB
; TRECHSEL/VEST, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 1 zu
Art. 260 StGB
; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 74 zu
Art. 115 StPO
). Dass individuelle Interessen am Eigentum nicht durch
Art. 260 StGB
geschützt werden, sondern durch
Art. 144 Abs. 2 StGB
, wird im Schrifttum mehrheitlich unterstützt (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 3 zu
Art. 260 StGB
; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 74 zu
Art. 115 StPO
). Anderer Meinung ist FIOLKA, der den öffentlichen Frieden als selbstständiges Rechtsgut spezifischer Straftatbestände grundsätzlich ablehnt. Seiner Ansicht nach kommen als Rechtsgüter nur Interessen in Frage, die von einer strafgesetzlichen Regel spezifisch geschützt werden, nicht jedoch solche, die vom Strafrecht insgesamt, also von allen strafgesetzlichen Normen gleichermassen, geschützt werden (FIOLKA, a.a.O., N. 9 zu
Art. 260 StGB
; vgl. auch N. 2 f. zu Vor Art. 258 mit zahlreichen Hinweisen). Doch auch FIOLKA nennt kein Individualrechtsgut, das durch
Art. 260 StGB
geschützt würde.
3.5.4
Auch mit Blick auf die Beleidigung eines fremden Staats gemäss
Art. 296 StGB
hatte das Bundesgericht bislang nicht zu entscheiden, welches Rechtsgut geschützt wird. Nach der Literatur schützen die Straftatbestände des 16. Titels des StGB mit der Überschrift "Störung der Beziehungen zum Ausland" die nationalen
BGE 145 IV 433 S. 437
Interessen der Schweiz an der Pflege korrekter Beziehungen zu ausländischen Staaten (DONATSCH/THOMMEN/WOHLERS, a.a.O., S. 448; STRATENWERTH/BOMMER, a.a.O., § 51 Rz. 1) bzw. "les intérêts de politique étrangère de la Confédération helvétique, c'est-à-dire l'intérêt qu'a la Suisse à maintenir de bonnes relations avec les Etats étrangers" (DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 1 zu Vorbemerkungen zu
Art. 296-302 StGB
). Allfällige Interessen anderer Staaten werden nur indirekt geschützt (DONATSCH/THOMMEN/WOHLERS, a.a.O., S. 448; ESTHER OMLIN, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2013, N. 2 zu Vor
Art. 296 StGB
; TRECHSEL/VEST, a.a.O., N. 1 zu Vor
Art. 296 StGB
; DUPUIS UND ANDERE [Hrsg.], a.a.O., N. 1 zu Vorbemerkungen zu
Art. 296-302 StGB
; anderer Meinung: EDUARD ZELLWEGER, Schweizerisches Neutralitätsstrafrecht, ZStrR 55/1941 S. 61 ff., 64 f.). ISENRING hält dafür, die Tatbestände des 16. Titels des StGB schützten die nationalen Interessen der schweizerischen Aussenpolitik und damit auch die schweizerische Neutralitätspolitik (BERNHARD ISENRING, in: Kommentar StGB, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Donatsch und andere [Hrsg.], 20. Aufl. 2018, N. 3 zu
Art. 296 StGB
). Was
Art. 296 StGB
betrifft, werde die Ehre des fremden Staats geschützt und nicht jene dessen Repräsentanten (ISENRING, a.a.O., N. 4 zu
Art. 296 StGB
; so auch TRECHSEL/VEST, a.a.O., N. 1 zu
Art. 296 StGB
).
3.6
Nach dem Gesagten zielen die fraglichen Straftatbestände in erster Linie auf den Schutz von kollektiven Rechtsgütern. Es sind keine individuellen Rechtsgüter zu erkennen, die als unmittelbare Folge einer allenfalls tatbestandsmässigen Handlung beeinträchtigt würden. Die Beschwerdeführerin kann kein Individualrechtsgut anrufen, das durch die fraglichen Straftatbestände nachrangig oder als Nebenzweck geschützt wäre. Allfällige Individualinteressen werden bloss mittelbar beeinträchtigt.
Die Vorinstanz erwog zu Recht, dass das Generalkonsulat nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden ist. Denn es ist nicht Träger von Rechtsgütern, die durch die Tatbestände der Schreckung der Bevölkerung (
Art. 258 StGB
), der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit (
Art. 259 StGB
), des Landfriedensbruchs (
Art. 260 StGB
) und der Beleidigung eines fremden Staats (
Art. 296 StGB
) geschützt oder zumindest mitgeschützt würden. Da die Beschwerdeführerin nicht als geschädigt im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
anzusehen ist, verwehrt ihm
Art. 118 Abs. 1 StPO
die Stellung als Privatklägerschaft. Somit zählt sie nicht zu den Parteien
BGE 145 IV 433 S. 438
gemäss
Art. 104 StPO
, weshalb sie nach
Art. 382 Abs. 1 StPO
nicht zur Beschwerde an die Vorinstanz legitimiert war. Dasselbe würde gelten, wenn die Vorinstanz die Republik Türkei als Privatklägerschaft angesehen hätte. | mixed |
2f5628c9-9c86-495a-a310-7d43ea6dba06 | Sachverhalt
ab Seite 221
BGE 136 I 220 S. 221
A.
Die Steuerverwaltung des Kantons Glarus stellte mit Verfügung vom 30. April 2008 fest, dass Z. für das Jahr 2008 Anspruch auf einen Prämienverbilligungsbeitrag an die Krankenpflege-Grundversicherung von Fr. 956.- habe. Gleichzeitig hielt sie fest, der genannte Betrag werde in Anwendung von Art. 31 des Einführungsgesetzes des Kantons Glarus vom 7. Mai 2006 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG; GS VIII D/21/1) mit laufenden oder noch geschuldeten Steuern verrechnet. Z. erhob dagegen Einsprache, mit welcher er einzig die Verrechnung des Beitrages mit Steuerforderungen rügte. Die kantonale Steuerverwaltung wies die Einsprache mit Entscheid vom 30. Juni 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, die anspruchsberechtigte Person könne die Auszahlung der Prämienverbilligung verlangen, wenn sie nachweise, dass sie die Krankenkassenprämien bis zum Antrag lückenlos bezahlt habe. Da der Leistungsansprecher diesen Nachweis nicht erbracht habe, sei die vorgenommene Verrechnung mit Steuerforderungen rechtens.
B.
Mit Entscheid vom 28. Januar 2009 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus die von Z. dagegen erhobene Beschwerde gut, stellte fest, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG bundesrechtswidrig sei, hob den genannten Einspracheentscheid auf und wies die Steuerverwaltung an, den Prämienverbilligungsbeitrag von Fr. 956.- an Z. auszubezahlen bzw. zu überweisen.
C.
Mit Eingabe vom 27. Februar 2009 erhebt der Kanton Glarus, handelnd durch den Regierungsrat, beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts beantragt und darum ersucht wird, den Einspracheentscheid vom 30. Juni 2008 zu bestätigen, eventualiter die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen, und festzustellen, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG in der von der Landsgemeinde am 6. Mai 2007 beschlossenen Fassung nicht gegen Bundesrecht verstosse. Zudem wird um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht.
Das Verwaltungsgericht wie auch Z. beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) liess sich in abweisendem Sinne vernehmen.
BGE 136 I 220 S. 222
D.
Am 15. Oktober 2009 hiess der Präsident der I. sozialrechtlichen Abteilung das vom beschwerdeführenden Kanton Glarus gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gut.
E.
Am 15. April 2010 hat die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
In materieller Hinsicht streitig und zu prüfen ist, ob Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG, welcher eine Verrechnung von Prämienverbilligungsbeiträgen mit Steuerschulden vorsieht, bundesrechtskonform ist.
4.1
Gemäss
Art. 65 KVG
(in der seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Fassung) gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen (Abs. 1). Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auf Antrag der versicherten Person, die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden. Nach der Feststellung der Bezugsberechtigung sorgen die Kantone zudem dafür, dass die Auszahlung der Prämienverbilligung so erfolgt, dass die anspruchsberechtigten Personen ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müssen (Abs. 3). Mit den Schlussbestimmungen der Änderung vom 24. März 2000 werden die Kantone verpflichtet, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Nach der Rechtsprechung geniessen die Kantone eine erhebliche Freiheit in der Ausgestaltung der Prämienverbilligung, indem sie autonom festlegen können, was unter "bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu verstehen ist. Deshalb stellen die von den Kantonen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung grundsätzlich autonomes kantonales Ausführungsrecht zu Bundesrecht dar (
BGE 134 I 313
E. 3 S. 315 mit Hinweisen).
4.2
Laut Art. 27 Abs. 1 EG KVG wird der Anspruch auf Prämienverbilligung grundsätzlich von Amtes wegen ermittelt und ausgerichtet. Nach Art. 31 Abs. 1 EG KVG (in der seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung) kann die anspruchsberechtigte Person die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung an sich verlangen, wenn sie nachweist, dass sie der Zahlung der Prämien bis zum Zeitpunkt des Antrages auf Auszahlung der Prämienverbilligung lückenlos
BGE 136 I 220 S. 223
nachgekommen ist. Ein entsprechendes Gesuch ist mit den nötigen Belegen bei der zuständigen kantonalen Verwaltungsbehörde einzureichen. Im Regelungsbereich von Art. 21 (Personen, die wirtschaftliche Hilfe beziehen) und Art. 25 (Asylsuchende) erfolgt keine Auszahlung an die anspruchsberechtigten Personen. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten, namentlich bis zu welchem Zeitpunkt die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung verlangt werden kann. Nach Art. 31 Abs. 2 EG KVG wird die Prämienverbilligung mit den geschuldeten Kantons- und Gemeindesteuern verrechnet, wenn die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung nicht verlangt wird oder die Voraussetzungen dafür gemäss Absatz 1 nicht erfüllt sind. Gemäss Art. 4 lit. d EG KVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der kantonalen Verordnung vom 17. September 2002 über die Prämienverbilligung (GS VIII D/21/2; nachfolgend: RIPV) ist die kantonale Steuerverwaltung mit dem Vollzug der Prämienverbilligung betraut. Sie ist insbesondere zuständig für die Verrechnung der Prämienbeiträge mit den Kantons- und Gemeindesteuern bzw. die Auszahlung der Prämienbeiträge an die Berechtigten in besonderen Fällen (Art. 3 Abs. 2 lit. e RIPV).
5.
5.1
Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass aufgrund von Art. 3 Abs. 2 lit. e RIPV die Verrechnung der Verbilligungsbeiträge mit Kantons- und Gemeindesteuern die Regel bilde und die Auszahlung an die Berechtigten bloss in "besonderen Fällen" erfolge. Dabei stelle die Voraussetzung gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG, dass die Auszahlung an die versicherte Person von einer lückenlosen Prämienzahlung bis zum Zeitpunkt des Gesuchs abhänge, eine Bedingung dar, die mit dem vom Bundesgesetzgeber verfolgten Ziel der Prämienverbilligung kaum vereinbar sei. Zudem entspreche es nicht Sinn und Geist von
Art. 65 KVG
, Steuerausstände oder den diesbezüglichen Inkassoaufwand zu reduzieren und die von Bund und Kanton bereitgestellten Mittel nicht direkt zur Prämienzahlung dem Versicherten oder zur Prämienreduktion dem Versicherer zuzuführen. Mit der Verrechnung mit Steuerforderungen könne überdies auch keine zweckmässige Verwendung der Beiträge sichergestellt werden.
5.2
Der Beschwerde führende Kanton Glarus macht im Wesentlichen geltend, die Umsetzung des Bundesrechts obliege nach
Art. 46 BV
den Kantonen. Der Bund habe im KVG nicht vorgeschrieben, welche Auszahlungssysteme im Rahmen der Prämienverbilligung
BGE 136 I 220 S. 224
möglich seien. Laut Botschaft vom 21. September 1998 betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung (BBl 1999 793 ff. Ziff. 242) sei es Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten, die Höhe, das Verfahren und den Auszahlungsmodus der Prämienverbilligung festzulegen. Der Kanton Glarus habe ein gemischtes System gewählt, indem die Prämienberechtigung von Amtes wegen mitgeteilt werde, die Auszahlung direkt an die Berechtigten jedoch beantragt werden müsse, wobei bei fehlendem Antrag eine Verrechnung mit geschuldeten Kantonssteuern erfolge. Weder verstosse dieses System gegen
Art. 65 KVG
, noch bestehe eine Verpflichtung zur Barauszahlung an die Versicherten.
6.
6.1
Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach
Art. 49 Abs. 1 BV
schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht - wie bei der Prämienverbilligung - nicht abschliessend ordnet, dürfen Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen (ZBl 109/2008 S. 311, 2P.229/2006 E. 3). Die kantonalen Bestimmungen über die Prämienverbilligung müssen sich somit an Sinn und Geist des KVG halten und dürfen den mit der Prämienverbilligung angestrebten Zweck nicht vereiteln (
BGE 122 I 343
E. 4a S. 349; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 764 Rz. 1071; URS CH. NEF, Die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung, in: LAMal - KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, 1997, S. 489).
6.2
6.2.1
Die individuelle Prämienverbilligung zielt darauf ab, im System des KVG mit einer Einheitsprämie pro Versicherer ohne Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten, für Personen in bescheidenen Verhältnissen die wirtschaftliche Last der Krankenversicherungsprämien zu mildern. Sie ist damit ein Element der Solidarität zugunsten weniger bemittelter Bevölkerungsschichten (
BGE 122 I 343
E. 3g/bb S. 347). Dabei entschied sich der Bundesgesetzgeber für eine föderalistische Ausgestaltung, indem er die Festlegung des zu erreichenden Sozialziels und die Ausgestaltung der Prämienverbilligung (Festlegung des Bezügerkreises, des Betrags, des Verfahrens und der Zahlungsmodalitäten) an die Kantone delegierte.
BGE 136 I 220 S. 225
6.2.2
Wie der Beschwerdeführer zutreffend festhält, hat der Gesetzgeber den Kantonen im KVG die Auszahlungsmodalitäten der Prämienverbilligung nicht vorgeschrieben. In der Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93 ff.) wird zur Prämienverbilligung durch die Kantone ausgeführt, wie das Modell in die Praxis umzusetzen sei, werde den Kantonen überlassen. In der Studie der Schweizerischen Vereinigung privater Kranken- und Unfallversicherer (PKU) sei ursprünglich vorgeschlagen worden, dass der Anspruch der Versicherten direkt von der Steuerschuld in Abzug gebracht werde. Die kantonalen Finanzdirektoren hätten seinerzeit gegen ein solches Vorgehen Bedenken geäussert. Die Kantone könnten ein von der Erhebung der Steuern losgelöstes System wählen. Es sei ihnen freigestellt, ob sie die Prämienverbilligung den Versicherten oder direkt den Versicherern ausbezahlen wollten (BBl 1992 I 198 Ziff. 3). In der bereits erwähnten Botschaft vom 21. September 1998 (BBl 1999 793 ff. Ziff. 242 f.) wurde festgehalten, es sei Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten, die Höhe, das Verfahren wie auch den Auszahlungsmodus für die Prämienverbilligung festzulegen. In der Regel erfolge die Auszahlung an den Versicherer, wobei die Berechtigten informiert würden. In Ausnahmefällen werde die Verbilligung den Berechtigten selbst entrichtet. Ein solches Verfahren werde jedoch von der überwiegenden Mehrzahl der Kantone mit dem Hinweis abgelehnt, die Gelder müssten zweckgebunden sein. In der Botschaft vom 26. Mai 2004 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Prämienverbilligung) und zum Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung (BBl 2004 4327 ff.) wird bestätigt, dass bezüglich der Zahlungsmodalitäten zwei Tendenzen hätten beobachtet werden können, wobei die Mehrzahl der Kantone die Subventionen direkt an die Versicherer ausrichte, während einige wenige Kantone den Prämienverbilligungsbetrag den Versicherten bezahlen würden (BBl 2004 4337 Ziff. 1.1.5).
6.2.3
Aufgrund der Ausführungen in den bundesrätlichen Botschaften schloss das Verwaltungsgericht, das vom Kanton Glarus gewählte System der Gutschrift zur Verrechnung mit Steuerforderungen sei nicht in Erwägung gezogen worden. Wie das BAG in seiner Vernehmlassung zutreffend festhält, bestehen gestützt auf die Gesetzesmaterialien darüber hinaus auch keine Hinweise darauf, dass das vom Kanton Glarus gewählte System der Gutschrift zur Verrechnung mit Steuerforderungen als bundesrechtswidrig zu betrachten wäre.
BGE 136 I 220 S. 226
6.3
6.3.1
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass vor allem jene Versicherten, die aus finanziellen Gründen (in der Vergangenheit) die Prämien nicht bzw. nicht rechtzeitig bezahlen konnten, in den Genuss der Prämienverbilligung kommen würden. Dabei gehe es nicht an, die Verbilligungsbeiträge nur indirekt dem gesetzlichen Zweck der Prämienverbilligung zukommen zu lassen. Wenn dies zulässig sei, würden finanzielle Mittel für andere Zwecke der Anspruchsberechtigten verfügbar gemacht, deren anderweitige Verwendung nicht als missbräuchlich betrachtet werden könne.
6.3.2
Der Beschwerdeführer wendet ein, zumindest in den Fällen, in welchen die Versicherten weder Krankenkassenprämien noch Steuern zahlen würden, obwohl sie weder Steuererlass genössen noch Sozialhilfeempfänger seien, könne der Aufwand des Staates bei Vorliegen von Verlustscheinen reduziert werden. Damit werde verhindert, dass Beiträge für die Krankenkassenprämien zuerst über die Prämienverbilligung und anschliessend auch noch im Rahmen eines Verlustscheins aufgewendet werden müssten, was eine sinnvolle und zweckgebundene Vollzugslösung darstelle.
6.3.3
Steuern sind grundsätzlich so lange geschuldet, als sie nicht erlassen werden. Ob die Erlassvoraussetzungen gegeben sind, wird in einem selbständigen Verfahren geprüft. Sind Steuerschulden zu begleichen und erfolgt die Tilgung durch Verrechnung, bleibt per Saldo das Vermögen der versicherten Person gleich, wie wenn ihr die Prämienverbilligung ausbezahlt würde. Der Unterschied besteht einzig darin, dass bei der Verrechnung die Passiven reduziert werden, während sich im Fall der Auszahlung die Aktiven erhöhen. Dies bestätigt auch der Beschwerde führende Kanton, wenn er festhält, die Prämien würden insofern ermässigt, indem den Berechtigten andere zwingende Kosten, nämlich die fälligen und zu begleichenden Steuern, abgenommen würden. Ein solches Vorgehen widerspricht grundsätzlich nicht dem Gesetzeszweck. Wie bereits oben anhand der Gesetzesmaterialien dargelegt (vgl. E. 6.2.2), lässt es das Bundesrecht zu, dass die Verbilligung bar an die Versicherten ausbezahlt wird. Damit akzeptiert der Bundesgesetzgeber, dass diese Beträge nicht für die Prämienzahlung, sondern allenfalls für anderweitige Auslagen verwendet werden. Wäre es ihm darum gegangen, nur die direkte Verwendung für die Prämienzahlung zu sichern, hätte er im KVG vorschreiben müssen, dass nur eine Auszahlung an den Versicherer zulässig sei. In diese Richtung zielt denn auch eine
BGE 136 I 220 S. 227
parlamentarische Initiative, welche mit einer Revision von
Art. 65 KVG
die Kantone verpflichten will, die Prämienverbilligung direkt an die Versicherer auszurichten, um künftig zu verhindern, dass diejenigen Versicherten, denen die Prämienverbilligung direkt ausgerichtet wird, die Gelder für andere Zwecke einsetzen (vgl. Bericht vom 28. August 2009 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates "Parlamentarische Initiative Artikel 64a KVG und unbezahlte Prämien" [09.425]). Dass bei einer Barauszahlung an die Versicherten die Verbilligungen zum Teil anderweitig verwendet werden, ist unbestritten. Der Unterschied zu einer Gutschrift mit Verrechnung der Steuerschulden besteht einzig darin, dass im einen Fall die Tilgung einer zum vornherein bestimmten Schuld erfolgt, während im andern Fall die versicherte Person selber entscheidet, welche Schulden sie tilgen will. Wenn mittels Verrechnung der Prämienverbilligung mit geschuldeten Kantons- und Gemeindesteuern der Missbrauchsgefahr nicht entgegengewirkt wird, kann - solange kein bestimmter Auszahlungsmodus bundesrechtlich vorgeschrieben ist - daraus allein nicht geschlossen werden, das vom Kanton Glarus gewählte System sei bundesrechtswidrig.
6.4
6.4.1
Mit der Vorinstanz gilt es sodann auf den zwischen der Prämienverbilligung und der Prämienzahlungspflicht bestehenden engen Zusammenhang hinzuweisen, welcher in
Art. 65 Abs. 3 Satz 2 KVG
zum Ausdruck kommt, wonach die Auszahlung der Prämienverbilligung so zu erfolgen hat, dass die anspruchsberechtigten Personen ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müssen. Mit dem am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen
Art. 64a Abs. 2 KVG
wurde zudem eine gesetzliche Grundlage für die Prämienzahlungspflicht geschaffen, und es wurden zugleich die Folgen des Verzugs verschärft (vgl. dazu Botschaft vom 26. Mai 2004, a.a.O., BBl 2004 4327 ff. Ziff. 3). Bezahlt die versicherte Person trotz Mahnung nicht und wurde im Betreibungsverfahren ein Fortsetzungsbegehren bereits gestellt, so schiebt der Versicherer nach dieser Bestimmung die Übernahme der Kosten für die Leistungen auf, bis die ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinse und Betreibungskosten vollständig bezahlt sind. Gleichzeitig benachrichtigt der Versicherer die für die Einhaltung der Versicherungspflicht zuständige kantonale Stelle über den Leistungsaufschub. Vorbehalten bleiben kantonale Vorschriften über eine Meldung an andere Stellen. Eine Person, die ihre Prämien nicht bezahlt, läuft Gefahr, dass
BGE 136 I 220 S. 228
ihr Versicherer die Übernahme der Kosten für ihre Leistungen aufschiebt, was sich auf die betroffenen Versicherten negativ auswirken kann, da für sie unter Umständen keine adäquate Gesundheitsversorgung mehr gewährleistet ist (vgl. den bereits erwähnten Bericht vom 28. August 2009 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates "Parlamentarische Initiative Artikel 64a KVG und unbezahlte Prämien").
6.4.2
Der Beschwerde führende Kanton bestreitet nicht, dass beim System einer Verrechnung von Steuerschulden die Bestimmung von
Art. 65 Abs. 3 Satz 2 KVG
nicht eingehalten wird. Auch bleibt das Risiko eines Leistungsaufschubs, das mit der Prämienverbilligung verhindert werden soll, bestehen. In seiner Eingabe ans Bundesgericht bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, die Verrechnung mit den geschuldeten Steuern werde nicht vorgenommen, wenn die berechtigte Person gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG Antrag auf Auszahlung der Prämienverbilligung stellen könne und die Verrechnung mit Steuern somit auf freiwilliger Basis geschehe, was aber voraussetzt, dass die Prämien der Vorjahre lückenlos bezahlt wurden. Auch wenn die anspruchsberechtigte Person grundsätzlich die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung an sich verlangen kann, knüpft der kantonale Gesetzgeber diese an Bedingungen, die von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 KVG
nicht einfach zu erfüllen sind. Denn wer offene Steuerschulden hat, kann oftmals auch die Krankenkassenprämien nicht lückenlos bezahlen und somit die Auszahlungsvoraussetzungen gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG nicht erfüllen. Vor Vorinstanz hielt der Kanton zu diesem Punkt fest,
Art. 65 Abs. 3 KVG
bestimme zwar, dass die Bevorschussung so zu erfolgen habe, dass die anspruchsberechtigte Person ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müsse. Dies sei jedoch illusorisch und werde wohl von keinem Kanton eingehalten. Dieses Argument hilft dem Beschwerdeführer jedoch insofern nicht weiter, als es vorliegend nicht darum geht, andere Systeme zu würdigen.
6.4.3
Daraus ergibt sich, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG gegen die Zielsetzung des KVG und dabei namentlich gegen die Vorgabe von Art. 65 Ab. 3 Satz 2 KVG verstösst. Da die kantonalrechtlichen Bestimmungen mit der bundesgesetzlichen Regelung über die Prämienverbilligung nicht vereinbar sind, hat das kantonale Gericht sie zu Recht als bundesrechtswidrig erklärt. | mixed |
66fd46f4-bf2a-4def-8c84-7fa6a0af2d82 | Sachverhalt
ab Seite 401
BGE 133 II 400 S. 401
A.
X. ersuchte am 29. Juni 2000 bei der Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen um Bewilligung für den "Abbruch Schweinestall sowie Neubau Schweinestall (Mutterschweine) nach den Richtlinien von Coop-Natura-Plan/Hühnerhaus dito" auf Grundstück Nr. x in Deitingen. Die Parzelle lag in der Bauernhofzone (heute Landwirtschaftszone). Unter der Beschreibung des Betriebs war vermerkt: "Es ist keine Mehrbelastung zu erwarten". Das Gesuch wurde publiziert, ohne dass Einsprachen eingingen.
Nach Ablauf der Einsprachefrist leitete die Baukommission Deitingen das Gesuch mit dem offiziellen Begleitformular für Bauvorhaben mit kantonalem Bewilligungserfordernis an das kantonale Amt für Landwirtschaft weiter. Dieses teilte der Bauverwaltung Deitingen mit Schreiben vom 7. August 2000 mit, entgegen der ursprünglichen Annahme könne auf ein Zirkulationsverfahren innerhalb der Kantonsverwaltung verzichtet werden. Der Schweinestall entspreche den Anforderungen der Tierschutzgesetzgebung, grundsätzlich auch der Hühnerstall. Da kein Gesamtkonzept für den Betrieb vorliege, könnten die Anforderungen bezüglich Gewässerschutz nicht geprüft werden, weshalb allfällige Auflagen seitens der zuständigen Stelle im Amt für Umweltschutz vorbehalten würden.
Die Baukommission Deitingen erteilte am 30. August 2000 die Baubewilligung unter Vorbehalt allfälliger Auflagen des Amtes für Umweltschutz bezüglich Gewässerschutz. In der Folge wurde der neue Schweinestall errichtet und in Betrieb genommen.
B.
Verschiedene Nachbarn, namentlich Y. und Z., beklagten sich in der Folge über untragbare Geruchsimmissionen durch den
BGE 133 II 400 S. 402
Betrieb des Schweinestalls. Sie verlangten die Herstellung des rechtmässigen Zustands, was das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn mit Verfügung vom 30. Oktober 2003 ablehnte. Es stellte fest, die erstellte Baute sei formell rechtswidrig, weil die erforderliche Verfügung zur Einhaltung der Luftreinhalteverordnung nicht vorliege, und sie sei materiell rechtswidrig, da die Mindestabstände zu Zonen mit Wohnnutzung verletzt würden. Im Hinblick auf einen allfälligen Widerruf der Bewilligung sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Baubewilligung in einem ordentlichen Verfahren erteilt worden sei, in welchem die Nachbarn Gelegenheit gehabt hätten, sich gegen das Vorhaben zu wehren, was sie jedoch unterlassen hätten. Weiter habe der Bauherr gestützt auf die Baubewilligung eine erhebliche Investition (über Fr. 900'000.-) vorgenommen.
C.
Y. und Z. erhoben dagegen am 12. November 2003 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und beantragten den Widerruf der Baubewilligung.
Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde am 6. April 2004 gut und hob die Verfügung des Bau- und Justizdepartements vom 30. Oktober 2003 auf. Es stellte fest, dass die erstellte Baute von der erteilten Baubewilligung abweiche, indem die Anlage in einer Art genutzt werde, die im Baubewilligungsverfahren nicht beurteilt worden sei. Die Baukommission der Einwohnergemeinde Deitingen wurde angewiesen, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren mit Publikation durchzuführen und über die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands zu entscheiden.
D. Eine gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. April 2004 gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde von X. hiess das Bundesgericht mit Urteil 1A.108/2004 vom 17. November 2004 gut (publ. in: URP 2005 S. 243 ff. und Hinweis in: ZBl 107/2006 S. 284). Es hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zur Fortführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
In den Erwägungen seines Urteils führt das Bundesgericht unter anderem aus, im Baubewilligungsverfahren sei zu Unrecht nicht geprüft worden, ob mit dem Stallbetrieb, wie er aufgrund der Gesuchseingabe zu erwarten gewesen sei, übermässige Immissionen verursacht würden. Aufgrund der eingereichten Unterlagen wäre für eine Umweltfachstelle ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die
BGE 133 II 400 S. 403
Mindestabstände zu bewohnten Zonen gemäss den FAT-Richtlinien erheblich unterschritten seien (vgl. Anhang 2 Ziff. 512 Abs. 1 LRV [SR 814.318.142.1];
BGE 126 II 43
E. 4a S. 45; s. auch
BGE 133 II 370
E. 6). Offenbar infolge eines Missverständnisses innerhalb der kantonalen Verwaltung sei diese umweltrechtliche Frage dort nicht weiter abgeklärt worden. Das Versäumnis habe dazu geführt, dass für die materiell rechtswidrige Baute eine nunmehr formell rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Eine solche Baubewilligung sei nicht unvollständig, sondern allenfalls zu Unrecht erteilt worden. Der Stall müsse somit in der Art und Weise, wie er heute betrieben werde, als bewilligt, wenn auch materiell rechtswidrig, gelten. Das Departement habe deshalb den Streitfall mit Recht als Frage des Widerrufs formell rechtskräftiger, aber materiell rechtswidriger Verfügungen behandelt. Aufgrund dieser Sachlage hätte das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung des Departements überprüfen müssen, anstatt die Sache zur Durchführung eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens an die Gemeinde zurückzuweisen (Urteil 1A.108/2004 vom 17. November 2004, publ. in: URP 2005 S. 243, E. 3.3.3-3.4 S. 251 f. und Hinweis in: ZBl 107/2006 S. 284).
E.
Im Rahmen der weiteren Behandlung der Angelegenheit hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde von Y. und Z. mit Urteil vom 5. Januar 2007 gut und widerrief die für die Schweinezucht am 30. August 2000 erteilte kommunale Baubewilligung. Weiter ordnete es an, X. habe die Schweinezucht auf Grundbuch Deitingen Nr. x bis am 29. Juni 2007 aufzugeben und deren Betrieb einzustellen.
F.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Februar 2007 beantragt der Kanton Solothurn, vertreten durch das Bau- und Justizdepartement, die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts. Er rügt die offensichtlich unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Missachtung von Treu und Glauben und des Willkürverbots (
Art. 9 BV
).
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]). Es untersucht deshalb grundsätzlich von Amtes wegen, ob und inwiefern auf eine Beschwerde
BGE 133 II 400 S. 404
eingetreten werden kann. Immerhin ist die Beschwerde gemäss
Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG
hinreichend zu begründen. Der Beschwerdeführer hat darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind. Soweit diese nicht ohne weiteres ersichtlich sind, ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer, noch beizuziehender Unterlagen nachzuforschen, ob und inwiefern der Beschwerdeführer zur Beschwerde zuzulassen ist (
BGE 133 II 249
E. 1.1 S. 251).
2.1
Gestützt auf
Art. 82 lit. a BGG
beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund. Gemäss
Art. 34 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700)
in der Fassung nach Ziff. 64 des Anhangs zum Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR 173.32; vgl. AS 2006 S. 2261) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (
BGE 133 II 249
E. 1.2 S. 251).
2.2
Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung besitzt (
Art. 89 Abs. 1 BGG
). Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer (
Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG
), dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt (
Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG
) und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht (
Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG
). Die Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere in räumlicher Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4236). Die Voraussetzungen von
Art. 89 Abs. 1 lit. b und lit. c BGG
hängen eng zusammen; insgesamt kann insoweit an die Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a des früheren Organisationsgesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG; BS 3 S. 531) entwickelt worden sind (vgl.
BGE 133 II 400 S. 405
BGE 120 Ib 48
E. 2a S. 51 f.,
BGE 133 II 379
E. 4b S. 386 f.), angeknüpft werden (
BGE 133 II 249
E. 1.3 S. 252 f.,
BGE 133 II 353
E. 3).
2.3
Der Kanton Solothurn macht geltend, ein Gemeinwesen sei nach der Praxis des Bundesgerichts zu
Art. 103 lit. a OG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, soweit es gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen sei. Als Folge des angefochtenen Urteils habe X. mit Brief vom 18. Januar 2007 vom Kanton Solothurn für die Stilllegung des Betriebs eine Entschädigung von Fr. 760'000.- verlangt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts könne somit für den Kanton Solothurn finanzielle Auswirkungen haben. Zudem habe der Kanton im Verfahren vor der Vorinstanz Parteistellung gehabt. Dies zeige sich in den ergangenen Verfügungen der Vorinstanz, welche jeweils von den "Parteien" sprächen. Das Bau- und Justizdepartement habe in seiner Eingabe vom 11. Februar 2004 ausdrücklich erwähnt, dass ihm Parteistellung zukomme. Der Kanton Solothurn sei somit als materieller Verfügungsadressat in seinen vermögensrechtlichen Interessen betroffen und deshalb zur Beschwerdeerhebung berechtigt.
2.4
2.4.1
Personen, Organisationen und Behörden können nach
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
gestützt auf ein anderes Gesetz zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert sein.
Art. 34 Abs. 2 RPG
(in der Fassung gemäss Ziff. 64 Anhang VGG, s. vorne E. 2.1) erklärt Kantone und Gemeinden zur Beschwerde berechtigt gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen (Art. 5), über die Zonenkonformität von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen sowie über Bewilligungen im Sinne der
Art. 24-24d RPG
. Nach der letzten Änderung des RPG erstreckt sich dieses Beschwerderecht ausdrücklich auch auf Bewilligungen gemäss
Art. 37a RPG
(s.
Art. 34 Abs. 2 RPG
in der Fassung vom 23. März 2007, AS 2007 S. 3639, in Kraft seit 1. September 2007). Im vorliegenden Fall ist nicht ein in
Art. 34 Abs. 2 RPG
genannter Entscheid angefochten. Die Voraussetzungen der besonderen Rechtsmittelberechtigung der Kantone nach
Art. 34 Abs. 2 RPG
in Verbindung mit
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
sind somit nicht erfüllt.
Die Beschwerdeberechtigung des Kantons Solothurn ergibt sich auch nicht aus
Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG
. Danach sind Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften beschwerdebefugt, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die
BGE 133 II 400 S. 406
Kantons- oder Bundesverfassung gewährt. Der Kanton Solothurn kann sich in Bezug auf einen kantonalen Hoheitsakt seines eigenen Verwaltungsgerichts nicht auf solche Garantien berufen. Zu prüfen ist deshalb einzig, ob ihm die Beschwerdeberechtigung in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestützt auf
Art. 89 Abs. 1 BGG
zusteht. Diese Vorschrift lehnt sich eng an den bisherigen
Art. 103 lit. a OG
an, weshalb zur Beantwortung der Frage, ob der Kanton Solothurn im vorliegenden Fall beschwerdeberechtigt ist, die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung des OG beigezogen werden kann (vgl.
BGE 133 II 249
E. 1.3.1 S. 253).
2.4.2
In Anwendung von
Art. 103 lit. a OG
war zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt war und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hatte. Dieses Interesse konnte rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein; verlangt wurde nach ständiger Praxis, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe (
BGE 121 II 171
E. 2b S. 174;
BGE 120 Ib 379
E. 4b S. 386 f., je mit Hinweisen). Dieses allgemeine Beschwerderecht, das heute wie erwähnt in
Art. 89 Abs. 1 BGG
geregelt ist, ist grundsätzlich auf Privatpersonen zugeschnitten. Gemeinwesen können es für sich in Anspruch nehmen, wenn sie durch die angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen sind (vgl.
BGE 123 II 425
E. 3 S. 427 ff.;
BGE 122 II 33
E. 1b S. 36;
BGE 118 Ib 614
E. 1b S. 616;
BGE 112 Ib 128
E. 2 S. 130;
BGE 112 Ia 59
E. 1b S. 62, je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann jedoch ein Gemeinwesen auch zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch die fragliche Verfügung in seinen hoheitlichen Befugnissen und Aufgaben berührt wird. Die Gemeinden sind mithin zur Anfechtung der Bewilligung für ein mit Immissionen verbundenes Werk befugt, wenn sie als Grundeigentümerinnen gleich wie Private immissionsbelastet sind oder wenn sie als Gebietskorporationen öffentliche Anliegen wie den Schutz der Einwohner zu vertreten haben und insofern durch Einwirkungen, welche von Bauten und Anlagen ausgehen, in hoheitlichen Befugnissen betroffen werden (vgl.
BGE 131 II 58
E. 1.3 S. 61 ff.,
BGE 131 II 753
E. 4.3.3 S. 759 f.;
BGE 124 II 293
E. 3b S. 304;
BGE 123 II 371
E. 2c S. 374 f., mit zahlreichen Hinweisen).
Im vorliegenden Fall ist der Kanton Solothurn vom angefochtenen Urteil seines Verwaltungsgerichts in materieller Hinsicht nicht,
BGE 133 II 400 S. 407 | mixed |
eb98e0dd-ab5c-4309-b1f3-ea1c84d0643e | Sachverhalt
ab Seite 266
BGE 136 I 265 S. 266
A.
Am 24. November 2009 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine Teilrevision des kantonalen Richtplans zu den Bereichen Gewässer, Gefahren sowie Ver- und Entsorgung. Im Kapitel 5.3, Materialgewinnung, setzte er unter anderem neu eine Kiesgrube bei Tagelswangen in der Gemeinde Lindau fest. Die Richtplanänderungen wurden im kantonalen Amtsblatt vom 4. Dezember 2009 publiziert.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiärer Verfassungsbeschwerde, vom 11. Januar 2010 beantragt die politische Gemeinde Lindau, der Beschluss des Kantonsrats vom 24. November 2009 sei bezüglich der Festsetzung der Kiesgrube Tagelswangen aufzuheben. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug) Erwägungen
BGE 136 I 265 S. 267
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Angefochten ist der Entscheid des Kantonsparlaments über die Änderung des kantonalen Richtplans (
Art. 6 ff. RPG
; SR 700). Ein Ausschlussgrund nach
Art. 83 BGG
liegt nicht vor. Die Festsetzung des Richtplans erfolgt durch den Kantonsrat (§ 32 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 7. September 1975 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht [Planungs- und Baugesetz, PBG/ZH; LS 700.1]). Dabei kommen im Wesentlichen die Grundsätze des kantonalen Rechtssetzungsverfahrens zur Anwendung. Der Richtplan unterliegt deshalb der Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass im Sinne von
Art. 82 lit. b BGG
(REGINA KIENER, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis 2006, S. 240; AEMISEGGER/SCHERRER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 39 zu
Art. 82 BGG
; HEINZ AEMISEGGER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, 2010, N. 29 zu
Art. 34 RPG
). Nach
Art. 87 Abs. 1 BGG
ist die Beschwerde unmittelbar gegen den kantonalen Erlass zulässig, sofern kein anderes Rechtsmittel ergriffen werden kann. Das Zürcher Recht sieht kein Rechtsmittel gegen die Richtplanfestsetzung vor. Akte des Kantonsrats sind vom Rekurs an eine kantonale Rechtsmittelinstanz ausdrücklich ausgenommen (§ 19 Abs. 2 lit. b des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]). Ausserdem kommt dem Richtplan insgesamt vorwiegend politischer Charakter zu (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4327). Auch aus diesem Grund kann der Beschluss des Kantonsrats über die Richtplanfestsetzung beim Bundesgericht direkt angefochten werden (
Art. 86 Abs. 3 BGG
; Urteil des Bundesgerichts 1C_101/2007 vom 26. Februar 2008 E. 1.4). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit grundsätzlich zulässig. Die eventualiter erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kommt somit nicht zum Zug.
1.2
Richtpläne unterliegen der Genehmigung durch den Bundesrat (
Art. 11 RPG
). Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit dieser Genehmigung verbindlich (
Art. 11 Abs. 2 RPG
). Daraus ergibt sich e contrario, dass die bundesrätliche Genehmigung im Bereich innerkantonaler Fragen deklaratorisch wirkt. Insofern unterscheiden sich die Rechtswirkungen der Genehmigung des Richtplans von jenen der Genehmigung eines Nutzungsplans (vgl.
Art. 26
BGE 136 I 265 S. 268
Abs. 3 RPG
;
BGE 135 II 22
E. 1.2.1 S. 24 mit Hinweisen). Die Kantone können den innerkantonalen Teil des Richtplans schon vor der Genehmigung in Kraft treten lassen (PIERRE TSCHANNEN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Aemisegger und andere [Hrsg.], 2009, N. 36 zu Art. 11 und N. 19 zu
Art. 10 RPG
). Der Festsetzungsbeschluss des Kantonsrats ist für die Gemeinde ungeachtet der Genehmigung des Richtplans durch den Bundesrat rechtlich verbindlich (
Art. 9 Abs. 1 RPG
und
§ 32 Abs. 1 PBG
/ZH). Es liegt insoweit ein anfechtbarer Endentscheid im Sinne von
Art. 90 BGG
vor (vgl. AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N. 38 zu
Art. 82 BGG
).
1.3
Richtpläne sind nach
Art. 9 Abs. 1 RPG
für Behörden verbindlich. Gemeinden, die sich durch einen kantonalen Richtplan in ihrer Autonomie verletzt fühlen, können ihn gestützt auf
Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG
vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung direkt und unter Umständen auch akzessorisch anfechten (
BGE 119 Ia 285
E. 3b S. 290 und E. 4a S. 293 f.;
BGE 111 Ia 129
E. 3c und d S. 130 f.; KIENER, a.a.O., S. 240; AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N. 38 zu
Art. 82 BGG
; AEMISEGGER, a.a.O., N. 28 zu
Art. 34 RPG
). Die Gemeinde wird durch die umstrittene Richtplanfestsetzung insbesondere als Trägerin der kommunalen Richt- und Nutzungsplanung (§§ 31 f. und 45 PBG/ZH) sowie als Baubewilligungsbehörde (
§ 318 PBG
/ZH) in ihren hoheitlichen Befugnissen betroffen. Damit ist sie nach
Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG
berechtigt, unter Berufung auf
Art. 50 Abs. 1 BV
und
Art. 85 KV/ZH
(SR 131.211) Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie zu erheben (
BGE 135 I 302
E. 1.1 S. 304 mit Hinweisen). Ob ihr die beanspruchte Autonomie tatsächlich zukommt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (
BGE 135 I 43
E. 1.2 S. 45 mit Hinweisen).
1.4
Zudem kann sich die Beschwerdeführerin auf die allgemeinen Legitimationsbestimmungen von
Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG
berufen. Dieses allgemeine Beschwerderecht ist grundsätzlich auf Privatpersonen zugeschnitten. Gemeinwesen können es für sich in Anspruch nehmen, wenn sie durch die angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen sind (
BGE 135 I 43
E. 1.3 S. 47;
BGE 135 II 156
E. 3.1 S. 157; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann jedoch ein Gemeinwesen auch zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch den angefochtenen Entscheid in seinen hoheitlichen Befugnissen und Aufgaben berührt wird. Die Gemeinden sind mithin zur Beschwerdeführung befugt, wenn sie als Gebietskorporationen öffentliche Anliegen wie den Schutz der Einwohner zu
BGE 136 I 265 S. 269
vertreten haben und insofern durch Einwirkungen, welche von Bauten und Anlagen ausgehen, in hoheitlichen Befugnissen betroffen werden (vgl.
BGE 131 II 753
E. 4.3.3 S. 759 f.;
BGE 124 II 293
E. 3b S. 304;
BGE 123 II 371
E. 2c S. 374 f.; mit zahlreichen Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in Bezug auf die Gemeinde Lindau erfüllt. Sie wehrt sich mit ihrer Beschwerde als Trägerin der kommunalen Planungshoheit gegen die unerwünschten Auswirkungen, die sich ihrer Meinung nach aus der angefochtenen Richtplanrevision ergeben. Sie ist direkt durch den angefochtenen Beschluss berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (siehe auch Urteil 1A.25/2007 i.S. Kanton Thurgau gegen BAZL vom 11. Mai 2007 E. 1.2, nicht publ. in:
BGE 133 II 120
).
1.5
Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann eingetreten werden.
2.
2.1
Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (
BGE 135 I 233
E. 2.2 S. 241 f.;
BGE 129 I 290
E. 2.1 S. 294; je mit Hinweisen).
2.2
Nach
Art. 85 KV/ZH
regeln die Gemeinden ihre Angelegenheiten selbstständig. Das kantonale Recht gewährt ihnen möglichst weiten Handlungsspielraum. Der Kanton berücksichtigt die möglichen Auswirkungen seines Handelns auf die Gemeinden, die Städte und auf die Agglomerationen (
Art. 85 Abs. 2 KV/ZH
). Er hört die Gemeinden rechtzeitig an (
Art. 85 Abs. 3 KV/ZH
). Verfassungsmässige Schranken bei der Umschreibung der Gemeindeautonomie durch die kantonale Gesetzgebung sind für den hier betroffenen Bereich nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht. Die Autonomie der
BGE 136 I 265 S. 270
Beschwerdeführerin reicht deshalb so weit, als dies die kantonale Gesetzgebung zum Planungs- und Baurecht zulässt. Wie das Bundesgericht mehrfach entschieden hat, steht den Zürcher Gemeinden aufgrund von
§
§ 2 lit. c und 45 ff. PBG
/ZH insbesondere beim Erlass der Ortsplanung ein weiter Gestaltungsspielraum zu; sie sind insoweit grundsätzlich autonom (
BGE 119 Ia 285
E. 4b S. 295 mit Hinweisen). Die Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 hat daran nichts geändert (TOBIAS JAAG, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 11 zu
Art. 85 KV/ZH
).
2.3
Eine in ihrer Autonomie betroffene Gemeinde kann unter anderem geltend machen, die kantonale Behörde habe die Tragweite von verfassungsmässigen Rechten missachtet. Sie kann sich auf das Willkürverbot und auf Verfahrensgrundrechte berufen, soweit diese Vorbringen mit der behaupteten Rüge der Autonomieverletzung in engem Zusammenhang stehen. Die Anwendung von eidgenössischem und kantonalem Verfassungsrecht prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, die Handhabung von Gesetzes- und Verordnungsrecht unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots. Das Bundesgericht auferlegt sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung der Streitsache von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser überblicken (
BGE 135 I 302
E. 1.2 S. 305 mit Hinweisen).
2.4
Im vorliegenden Fall wird die Autonomie der Beschwerdeführerin nicht dadurch tangiert, dass ein kommunaler Erlass im Genehmigungsverfahren oder eine Verfügung der Gemeinde in Anwendung von kommunalem, kantonalem oder eidgenössischem Recht in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden wäre. Die Beschränkung beruht vielmehr auf einer im Verfahren der Richtplanung ergangenen Anordnung des Kantonsrats (vgl.
BGE 119 Ia 285
E. 4c S. 295 mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Praxis kann der kantonale Gesetzgeber durch Gesetzesänderung die von ihm einmal gezogenen Schranken der Autonomie nachträglich enger ziehen, solange nicht irgendwelche unmittelbar durch die Verfassung gewährleisteten Befugnisse oder Anforderungen berührt werden. Gleiches gilt für Autonomiebeschränkungen, die sich durch Erlass oder Änderung der kantonalen Richtplanung ergeben (
BGE 119 Ia 285
E. 4c S. 295 mit Hinweisen). Wird eine Gemeinde in dieser Weise durch eine kantonale Anordnung in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie insbesondere verlangen, dass die kantonale Behörde in
BGE 136 I 265 S. 271
formeller Hinsicht ihre Befugnisse nicht überschreitet und korrekt vorgeht und dass sie in materieller Hinsicht die kantonal- und bundesrechtlichen Vorschriften im autonomen Bereich nicht verletzt. Sie kann insbesondere vorbringen, der Eingriff in ihre Autonomie sei materiell rechtswidrig, etwa weil die neue richtplanerische Anordnung den gesetzlichen Zweck des Planungsinstrumentes verfehle (
BGE 119 Ia 285
E. 4c S. 295 f. mit Hinweisen).
3.
In der vorliegenden Angelegenheit ist die Festlegung eines neuen Kiesabbaugebiets auf dem Gebiet der Gemeinde Lindau umstritten. Die Gemeinde wird durch diese Festsetzung in ihrer Planungsfreiheit eingeschränkt. Nach
§ 44a Abs. 1 PBG
/ZH werden für jene Flächen, die nach der Richtplanung für Materialgewinnung oder -ablagerung vorgesehen sind, kantonale oder regionale Gestaltungspläne festgesetzt. Die von der Richtplanfestsetzung betroffene Fläche wird somit der Planungshoheit der Gemeinde entzogen. Diese geht auf die kantonalen Behörden über, während den betroffenen Gemeinden ein Anhörungsrecht verbleibt (
§ 44a Abs. 4 PBG
/ZH). Diese Einschränkung planungsrechtlicher Entscheidungsbefugnisse stellt eine Beschränkung der Gemeindeautonomie, insbesondere der kommunalen Planungshoheit, dar.
3.1
Die Beschwerdeführerin kritisiert in formeller Hinsicht, dass kein genügendes Mitwirkungsverfahren stattgefunden habe. Sie macht geltend, der Kantonsrat gehe aufgrund mangelhafter Sachverhaltsabklärungen fälschlicherweise von einer Abbaudauer von 20 Jahren aus, während richtigerweise mit einer Abbaudauer von 50 Jahren gerechnet werden müsse, wobei darin der Zeitaufwand für die Endgestaltung nach erfolgtem Materialabbau nicht mitberücksichtigt sei. Die Gemeinde habe mehrfach versucht, diesen Sachverhalt darzulegen, sei mit diesem Anliegen vom Kantonsrat jedoch nicht angemessen zur Kenntnis genommen worden. Darin liege eine Verletzung ihres Mitwirkungsanspruchs sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
). Zudem habe der Kantonsrat nicht berücksichtigt, dass der in der umstrittenen Richtplanfestsetzung verlangte Gleisanschluss nur bis 2016 rechtlich verbindlich gesichert sei. Diesbezüglich fehle die erforderliche Abstimmung der umstrittenen Festlegung im Teilplan Ver- und Entsorgung mit dem Teilplan Verkehr. Aufgrund dieser Umstände sei bei Wegfall der Erschliessung der Kiesgrube mit der Bahn eine Zunahme des Lastwagenverkehrs im kommunalen Siedlungsgebiet zu befürchten.
BGE 136 I 265 S. 272
3.2
Die rechtzeitige Anhörung der Gemeinden in Bereichen, die zu einer Beschränkung der Gemeindeautonomie führen können, wird in
Art. 85 Abs. 3 KV/ZH
ausdrücklich vorgeschrieben. Der Mitwirkungsanspruch der Gemeinden im Richtplanverfahren ist auch in
Art. 10 Abs. 2 RPG
erwähnt. Dieser Anspruch geht weiter als die Mitwirkung der Bevölkerung nach
Art. 4 Abs. 2 RPG
(s. hierzu
BGE 135 II 286
E. 4 S. 290 ff. mit Hinweisen). Verlangt wird eine bevorzugte Beteiligung der betroffenen Gemeinden. Soweit Gemeinden wie im Kanton Zürich mit raumwirksamen Aufgaben betraut sind, muss der Kanton mindestens sicherstellen, dass sie ihre Interessen selber formulieren, in den Planungsprozess frühzeitig eingeben und vor den zuständigen kantonalen Behörden selber vertreten können (TSCHANNEN, a.a.O., N. 7 zu
Art. 10 RPG
; WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, Rz. 5 zu
Art. 10 RPG
).
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich zudem insbesondere das Recht der Betroffenen, sich vor Erlass eines Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (
BGE 135 II 286
E. 5.1 S. 293;
BGE 132 II 485
E. 3.2 S. 494;
BGE 127 I 54
E. 2b S. 56;
BGE 117 Ia 262
E. 4b S. 268; je mit Hinweisen).
Solche Mitwirkungsrechte sind den Gemeinden in Bezug auf Richtplanfestsetzungen, die auf eine Beschränkung ihrer Autonomie in der Raumplanung ausgerichtet sind, umfassend zu gewähren. Die Stellungnahmen sind in einem Zeitpunkt einzuholen, in welchem sie noch in die Entscheidungen einfliessen können. Zwar besteht kein Anspruch der Gemeinden, dass ihre Vorschläge tatsächlich berücksichtigt werden. Die kantonale Behörde hat sich jedoch mit den Vorschlägen der Gemeinden - wie der übrigen Vernehmlassungsteilnehmer - auseinanderzusetzen und zu begründen, weshalb sie nicht berücksichtigt werden (JAAG, a.a.O., N. 22 f. zu
Art. 85 KV/ZH
).
3.3
Die umstrittene Richtplanfestsetzung betrifft die Gemeinde konkret in ihrer planerischen Entscheidungsfreiheit und Entwicklungsmöglichkeit. Die Realisierung des Kiesabbaus setzt nach dem Wortlaut der umstrittenen Festsetzung einen Anschluss an die Bahngeleise voraus, welcher nach den Akten mittels Vereinbarung mit den SBB nur bis ins Jahr 2016 gesichert ist. Für den weiteren Kiesabbau, dessen Dauer im Richtplan nicht näher festgelegt wird, steht nicht fest, ob der Gleisanschluss weiterbenutzt werden kann. Insbesondere wurde der Teilplan Verkehr des Richtplans nicht an die hier umstrittene Änderung des Teilplans Ver- und Entsorgung angepasst. Die Gemeinde Lindau macht zu Recht geltend, sie sei zu einer entscheidenden Besprechung des Kantons mit den SBB und dem Kiesabbau-Unternehmen nicht beigezogen worden und sie sei mit ihrem Argument, der Abtransport mit der Bahn sei nach 2016 nicht gesichert, nicht gehört worden. Selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung der kantonalen Behörden zutreffen sollte, nach welcher der Kiesabbau 20 und nicht 50 Jahre, d.h. lediglich von 2012 bis ca. 2032 dauern werde, so ergibt sich für die Jahre 2017 bis ca. 2032 in Bezug auf den Gleisanschluss für die Kiesgrube offensichtlich ein Koordinationsbedarf in Bezug auf die Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur, welchem der Kantonsrat mit dem angefochtenen Beschluss keine Rechnung trägt. Er hat sich mit dem möglichen Fehlen des Bahnanschlusses während eines erheblichen Teils der Kiesabbaudauer nicht auseinandergesetzt und die diesbezüglichen Einwände der Gemeinde gegen die Festsetzung des Kiesabbaugebiets nicht entkräftet. Darin liegt eine Missachtung der Mitwirkungsrechte der Gemeinde im Richtplanungsverfahren. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Richtplanfestsetzung in Bezug auf die umstrittene Kiesgrube aufzuheben. | mixed |
61678434-c0ef-4808-8145-17324de653f4 | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 137 II 23 S. 24
A.
C. est propriétaire de la parcelle n° 108 de la commune de St-Sulpice. (...) A. et B. sont propriétaires de la parcelle n° 110, contiguë à l'est de la précédente. (...) Selon le plan général d'affectation communal de 1992, les deux parcelles se trouvaient en zone résidentielle B (moyenne densité), permettant une surface bâtie sur 1/10
e
de la surface du terrain, avec trois niveaux et combles éventuelles, soit un coefficient d'utilisation du sol de 0,3 voire 0,375.
Aux mois d'avril et mai 2007, la commune a mis à l'enquête un projet de révision de son plan général d'affectation (PGA), prévoyant notamment une extension vers le nord de la zone à faible densité située sur presque toute la longueur du territoire communal en bordure du lac Léman. Selon le projet de règlement général sur l'aménagement du territoire et les constructions (ci-après: le règlement), la zone de faible densité est destinée à l'habitation ou aux activités compatibles avec celle-ci. L'ordre des constructions est non contigu, la hauteur de 10 m au faîte et l'indice d'utilisation du sol (IUS, surface brute de planche habitable) de 0,3. La zone de moyenne densité permet une hauteur de 13 m au faîte et un IUS de 0,45. Selon la nouvelle réglementation, la parcelle n° 108 se voyait colloquée dans sa partie nord en zone de moyenne densité et dans sa partie sud en zone de faible densité. La parcelle n° 110 se trouvait entièrement en zone de faible densité. Leurs propriétaires respectifs ont fait opposition. Par décision du 16 avril 2008, le Conseil communal de St-Sulpice (...) a levé les oppositions. (...) La version définitive du PGA et du règlement a été adoptée le 25 février 2009, et approuvée préalablement par le chef du Département cantonal de l'économie le 25 mai 2009.
B.
Par arrêt du 30 juin 2010, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal vaudois (ci-après: la CDAP) a admis le recours formé par C., A. et B., et annulé les décisions communale et cantonale des 25 février et 25 mai 2009 en ce qui concerne les parcelles n
os
108 et 110. Le plan directeur cantonal (PDCn) prévoyait (...) une densification de la zone à bâtir. Le projet d'agglomération Lausanne-Morges (PALM), adopté sur cette base, ainsi que le Schéma directeur Ouest lausannois reprenaient cet objectif en fixant une densité moyenne de 100 habitants et emplois par hectare, soit un IUS de 0,625. La commune devait donc clairement densifier sa zone à bâtir. Or, la nouvelle planification augmentait globalement les capacités constructibles, mais avait limité la densification afin de
BGE 137 II 23 S. 25
préserver le caractère du domaine bâti existant et de protéger le site de la rive du lac. Plus d'une trentaine de parcelles avait ainsi été déclassée totalement ou partiellement en zone de faible densité. Une telle planification n'était pas compatible avec les objectifs du développement territorial. Le dossier a dès lors été renvoyé à la commune afin de que les deux parcelles des recourants soient entièrement colloquées en zone de moyenne densité, ce qui permettait encore de respecter le caractère du coteau. (...)
C.
Par acte du 31 août 2010, la Commune de St-Sulpice forme un recours en matière de droit public pour violation de son autonomie. Elle demande la réforme de l'arrêt cantonal en ce sens que les décisions communale et cantonale sont maintenues en ce qui concerne les parcelles n
os
108 et 110. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
(extrait) Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Invoquant notamment les art. 1, 2, 4 et 17 LAT (RS 700), la recourante estime que la cour cantonale se serait livrée à une mauvaise pesée des intérêts en présence. Elle relève que si la densification du milieu bâti répond à un souci majeur de l'aménagement du territoire, elle doit avoir lieu dans le respect des autres objectifs poursuivis, notamment le maintien du cadre de vie de la commune et la protection des sites sensibles. La recourante relève que le territoire communal est dépourvu de zone agricole et déjà largement bâti. La nouvelle planification permettrait de passer de 3'000 à environ 5'000 habitants. La zone mixte a été étendue tout le long de la route cantonale, y compris dans le périmètre du nouveau plan de quartier "En Champagny-Sud". La commune aurait ainsi donné suite aux exigences du service cantonal de l'aménagement du territoire (actuellement le service du développement territorial), à l'exception d'un IUS de 0,4 pour la zone de faible densité, qui n'est imposé par le PDCn que depuis le mois d'août 2008. La recourante invoque l'intérêt public à la préservation du paysage des rives du lac, qui imposerait de maintenir la prédominance de la végétation jusqu'au niveau de la rupture de pente où se trouve le village. Pour la parcelle n° 110, la limite de la zone de faible densité a été fixée afin d'éviter une construction au niveau de la rupture de pente et de faciliter la fixation de la limite sur les parcelles situées à l'est. Du point de vue
BGE 137 II 23 S. 26
des propriétaires intimés, la restriction des droits à bâtir serait faible, voire inexistante puisque l'IUS passe à 0,45 pour la zone de moyenne densité, et que l'art. 3.6 du règlement prévoit à certaines conditions un "bonus" de 10 %. Pour les deux parcelles, il en résulterait une augmentation de 145 m
2
des droits à bâtir. L'arrêt cantonal n'aurait pour effet qu'une augmentation dérisoire de la densité du territoire communal (0,46 %) et provoquerait un découpage incohérent des zones. Une redéfinition de celles-ci se heurterait à la volonté des propriétaires voisins concernés, qui ont expressément consenti à la nouvelle planification.
4.
Entré en vigueur le 1
er
août 2008, le plan directeur cantonal s'attache notamment à combattre le phénomène d'étalement urbain par un développement judicieux des centres, soit des quartiers disposant d'équipements, services et transports publics. Pour compenser cette densification, ce développement doit s'accompagner d'une exigence marquée pour l'intégration du bâti et la création de nouveaux espaces (volet stratégique, p. 37).
4.1
Le périmètre compact de l'agglomération Lausanne-Morges fait l'objet de la fiche régionale R 01 qui définit plusieurs objectifs. Il s'agit notamment de développer l'agglomération vers l'intérieur, en réunissant les conditions pour l'accueil de 70'000 habitants et emplois dans le périmètre de l'agglomération compacte entre 2005 et 2020; d'attribuer aux 4 principaux centres-villes de l'agglomération, à 10 sites stratégiques et à 4 sites d'exception le rôle de moteurs du développement; de favoriser une urbanisation alliant densité et qualité et de développer une offre de transports publics attractive et durable en lien avec l'urbanisation. Pour atteindre ces objectifs, le canton, les communes et les associations régionales partenaires ont signé le 22 février 2007 une Convention pour la mise en oeuvre du projet d'agglomération Lausanne-Morges dans laquelle ils s'engagent en particulier à soutenir les orientations stratégiques du PALM et à adapter dans les meilleurs délais leurs planifications territoriales de façon à faciliter la mise en oeuvre des objectifs du PALM.
Ce dernier constitue ainsi un instrument d'urbanisme de niveau directeur résultant d'une concertation entre les communes concernées et le canton. Il tend à réagir contre le développement non durable de l'agglomération Lausanne-Morges (étalement urbain, trafic automobile, pollution et nuisances sonores notamment) en concentrant le développement dans les espaces qui sont déjà largement
BGE 137 II 23 S. 27
urbanisés. L'objectif est d'atteindre 100 habitants et emplois à l'hectare dans les secteurs ordinaires, et le double dans les sites stratégiques. Les densités pourront être adaptées aux conditions locales, pour autant que les efforts de densification restent significatifs. Rappelant que les concepts de densité et de qualité ne sont pas incompatibles, le rapport relève qu'il y a lieu de ne pas se limiter à des critères quantitatifs, mais qu'il faut tenir compte de la valeur patrimoniale, de la morphologie des lieux, des conditions d'accessibilité multimodale et des impacts environnementaux.
4.2
La recourante relève la nécessité de conserver les caractéristiques du territoire communal, dont la partie située en bordure du lac est constituée d'un coteau peu bâti et arboré faisant office de zone tampon entre les rives et la partie amont de la commune, plus densément bâtie. Les zones de moyenne densité sont situées dans le prolongement à l'est et à l'ouest du village. Le rapport d'aménagement à l'appui du PGA souligne la nécessité de maintenir l'état actuel avec une prédominance de végétation, raison pour laquelle la zone de faible densité a été maintenue et légèrement étendue vers le nord en tenant compte de la nature des constructions existantes.
4.3
La densification des zones à bâtir, telle qu'elle est voulue par le PDCn et le PALM, répond certes à un intérêt public important, maintes fois rappelé par la jurisprudence. Cela correspond au principe fondamental d'utilisation mesurée du sol (
art. 1 al. 1 LAT
), qui impose une rationalisation de la zone à bâtir plutôt que son extension (
ATF 119 Ia 300
consid. 3c;
ATF 113 Ia 266
consid. 2a p. 269). Le rapport d'aménagement prévoit toutefois, pour la commune de St-Sulpice, une population de 4'500 habitants en 2020 (contre 3'000 en 2010), et considère que la légère augmentation de la densité permettrait d'accueillir environ 5'020 habitants. Dès lors, si la densification opérée par la nouvelle planification est certes très inférieure à la moyenne globale préconisée par le PALM, la définition de la zone à bâtir n'en satisfait pas moins aux exigences de l'
art. 15 let. b LAT
.
4.4
Le maintien d'un cadre de vie de qualité, en protégeant la typologie caractéristique d'un village ou d'un quartier, correspond lui aussi à un principe important de l'aménagement du territoire (
art. 1 al. 2 let. b LAT
), dont les instruments tels que le PALM tiennent d'ailleurs également compte. La cour cantonale ne nie pas que les abords de la rive du lac, sur quasiment toute la longueur du territoire communal, constituent une entité paysagère homogène qui
BGE 137 II 23 S. 28
mérite d'être conservée et qui peut être observée depuis le lac ainsi que depuis le cheminement piétonnier aménagé le long de la rive. Le Plan directeur cantonal des rives vaudoises du lac Léman, adopté en 2000 par le Grand Conseil vaudois, pose comme principe d'aménagement essentiel le maintien, sur tout le pourtour du lac, d'une faible densité des constructions. En particulier, dans les secteurs pas ou peu bâtis, il s'agit de rechercher le statu quo (p. 42-43, Mesure générale A1). De ce point de vue, le territoire de St-Sulpice présente des caractéristiques tout à fait particulières, que la commune a décidé de préserver en distinguant clairement la zone villageoise et résidentielle du milieu arborisé et faiblement construit situé en aval. Outre l'indice d'utilisation du sol, de 0,3, le règlement prévoit diverses mesures dans ce sens, tels que l'ordre non contigu, la limitation à deux du nombre de logements, l'implantation des bâtiments sur des parcelles de 800 m
2
au moins, la limitation de la hauteur des bâtiments (6,5 m à la corniche et 10 m au faîte) ainsi que l'obligation de planter un arbre majeur pour chaque tranche de 500 m
2
d'un bien-fonds bâti.
Le rapport d'aménagement explique que la limite entre les zones de faible et de moyenne densité a été redéfinie jusqu'à la rupture de pente du coteau pour tenir compte de l'état de l'urbanisation existante. S'agissant plus particulièrement des parcelles des intimés, cette limite n'a pas été aisée à fixer, compte tenu de la taille de la parcelle n° 108 qui s'étend en direction de la rive. Colloquer celle-ci entièrement en zone de moyenne densité impliquait une réduction sensible de la zone protégée, contrairement à ce qui a été décidé pour l'ensemble du territoire de la commune. Cela permettait aussi une augmentation du volume bâti ainsi que l'implantation d'un bâtiment à la hauteur de la rupture de pente, incompatible avec l'environnement actuel. Telle qu'elle a été fixée par l'autorité communale, la limite des zones, qui traverse la parcelle n° 108 et longe au nord la parcelle n° 110, procède d'un choix raisonnable et cohérent au regard de l'ensemble du plan.
4.5
Quant à l'atteinte aux intérêts privés des propriétaires intimés, elle apparaît elle aussi admissible. La question de savoir dans quelle mesure la nouvelle réglementation implique une réduction des droits à bâtir a fait l'objet d'une controverse entre les parties et n'a pas été résolue en instance cantonale, notamment en raison de l'utilisation de deux indices distincts, soit le coefficient d'occupation du sol et le
BGE 137 II 23 S. 29
coefficient d'utilisation théorique selon l'ancienne planification, et l'IUS selon la nouvelle. Pour ce qui concerne la parcelle n° 108, le passage en faible densité pour la partie sud est compensé dans une certaine mesure par l'augmentation de l'IUS (de 0,375 à 0,45) pour la zone de moyenne densité, de sorte que la réduction des droits à bâtir ne serait que de 5 % environ. Quant à la parcelle n° 110, déjà bâtie, la réduction serait de 7,5 % selon la commune et de 18 % selon les intimés. La commune recourante relève qu'en application du "bonus" de 10 % prévu à l'art. 3.6 du règlement, le PGA augmenterait de 145 m
2
les droits à bâtir pour l'ensemble des deux parcelles. Un tel bonus n'est toutefois envisageable qu'à des conditions précises (équipement public, cession de parcelles à la commune, économies d'énergie ou développement durable). Quoi qu'il en soit, il n'est pas contestable que c'est essentiellement le caractère peu bâti et le voisinage du lac qui confère son intérêt et sa valeur au secteur sud de la commune, indépendamment de l'indice d'utilisation du sol. L'atteinte subie par les intimés n'apparaît dès lors pas excessive au regard de l'intérêt public tel que rappelé ci-dessus.
4.6
La planification communale résulte ainsi d'une pesée des intérêts au terme de laquelle l'autorité a décidé de faire prévaloir la protection paysagère, dans toute la partie aval de la commune, et d'opérer une certaine densification dans les parties situées au centre et le long des voies principales d'accès, notamment de la route cantonale. Une telle planification ne consacre aucune violation des principes régissant l'aménagement du territoire, au sens de l'art. 1
er
al. 2 let. b LAT.
La cour cantonale a pour sa part appliqué un objectif de densification de manière schématique, et sur un espace très restreint, sans tenir compte des spécificités du territoire communal. Du point de vue de la densification, sa décision n'a d'ailleurs qu'un effet très limité. En remettant ainsi en cause l'ensemble de la planification dans le quartier concerné, la cour cantonale a indument substitué son appréciation à celle de la commune et, partant, violé son autonomie. | mixed |
4ce532a6-f9af-45f1-9abf-8d13df1e419d | Sachverhalt
ab Seite 275
BGE 136 II 274 S. 275
A.
Die Ehegatten A. und B.X. wohnten seit 1993 in einem Eigenheim in der Stadt Solothurn. Im Jahr 2006 erwarb B.X. in der Gemeinde Feldbrunnen-St. Niklaus/SO zusätzlich eine geräumige Attikawohnung. In der Folge pendelten die Eheleute X. zwischen der Stadt Solothurn und dem rund anderthalb Kilometer entfernten Feldbrunnen-St. Niklaus hin und her. Ende 2006 deponierten die Eheleute X. auch ihre Schriften in Feldbrunnen-St. Niklaus. Der
BGE 136 II 274 S. 276
Freundes- und Bekanntenkreis sowie die Freizeitaktivitäten der Steuerpflichtigen änderten sich durch den Kauf der nahegelegenen Eigentumswohnung kaum.
Mit Verfügung vom 21. Mai 2007 erkannte das Kantonale Steueramt Solothurn, das Hauptsteuerdomizil für die Steuerperiode 2006 befinde sich in der Stadt Solothurn. Diese Verfügung blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.
Am 15. Februar 2008 verlangte die Einwohnergemeinde Feldbrunnen-St. Niklaus die Feststellung, dass sich das Hauptsteuerdomizil der Eheleute X. für die Steuerperiode 2007 in ihrer Gemeinde befinde. Eventuell sei ein alternierender steuerrechtlicher Wohnsitz zwischen der Stadt Solothurn und ihrer Gemeinde anzunehmen. Mit Verfügung vom 14. Mai 2008 erkannte das kantonale Steueramt Solothurn indessen, das Hauptsteuerdomizil der Eheleute X. befinde sich auch für die Steuerperiode 2007 in der Stadt Solothurn.
B.
Gegen diese Verfügung erhob die Einwohnergemeinde Feldbrunnen-St. Niklaus Einsprache, welche vom Kantonalen Steueramt am 22. September 2008 abgewiesen wurde. In der Folge rekurrierte die Einwohnergemeinde Feldbrunnen-St. Niklaus beim Steuergericht des Kantons Solothurn. Dieses hiess den Rekurs mit Entscheid vom 23. März 2009 gut und erkannte betreffend die Steuerperiode 2007 auf ein alternierendes Steuerdomizil von A. und B.X.: Das Steuergericht schloss auf eine je hälftige Besteuerung durch die Stadt Solothurn und die Gemeinde Feldbrunnen-St. Niklaus.
C.
Mit Eingabe vom 5. Juni 2009 führt die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragt, es sei das Urteil des Steuergerichtes aufzuheben und festzustellen, dass sich das Hauptsteuerdomizil von A. und B.X. für die Steuerperiode 2007 in der Stadt Solothurn befand. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
sind Personen, Organisationen und Behörden zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten befugt, wenn ihnen ein Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
BGE 136 II 274 S. 277
3.1
Gemäss Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) unterliegen kantonal letztinstanzliche Entscheide, die eine in den Titeln 2-5 und 6 Kapitel 1 dieses Gesetzes geregelte Materie betreffen, nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Die Beschwerdebefugnis steht gemäss
Art. 73 Abs. 2 StHG
den Steuerpflichtigen, der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde und der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu.
3.2
Gemäss § 249
bis
des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG/SO; BGS 614.11) sind für die Folgen des Beginns, der Änderung und des Endes der subjektiven Steuerpflicht für die Gemeindesteuern die Bestimmungen des StHG und die bundesrechtlichen Grundsätze über das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung sinngemäss anzuwenden. Die Steuerausscheidung zwischen verschiedenen solothurnischen Gemeinden wird auf der Grundlage der Staatssteuerveranlagung vorgenommen und richtet sich im Wesentlichen ebenfalls nach den Grundsätzen des Bundesrechts über das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung (
§ 250 StG
/SO).
3.3
Bei Fragen um die subjektive Steuerpflicht besteht sowohl im Allgemeinen als auch im vorliegenden, konkreten Fall zumindest ein formaler Bezug zum Doppelbesteuerungs- und zum Steuerharmonisierungsrecht. Überdies sind die Fragen bezüglich der subjektiven Steuerpflicht im zweiten Titel des Steuerharmonisierungsgesetzes geregelt und betreffen mithin einen harmonisierten Bereich. Aus diesen Gründen steht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in solchen Angelegenheiten die Beschwerde gemäss
Art. 73 StHG
offen (
BGE 134 I 303
E. 1.2 S. 305 f.) und es sind die in
Art. 73 Abs. 2 StHG
genannten Personen und Behörden zur Beschwerdeführung legitimiert. Abzuklären bleibt, ob die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn von dieser Bestimmung erfasst wird.
3.4
Damit eine Gemeinde nach
Art. 73 Abs. 2 StHG
zur Beschwerde befugt ist, bedarf es in jedem Fall einer ausdrücklichen materiellrechtlichen Ermächtigung (
BGE 131 II 753
E. 4.2 S. 757;
BGE 127 II 32
E. 2c S. 37). Im Weiteren fällt die Legitimation der Gemeinde bei einer kantonalen Steuer nur in Betracht, wenn der Gemeinde besondere Kompetenzen bzw. ein eigener Anwendungsspielraum zukommt
BGE 136 II 274 S. 278
(Urteil 2P.204/2006 vom 21. Mai 2007 E. 5.3, 6 und 7). Bejaht wurde dies etwa bei der Erhebung der kantonalen Grundstückgewinnsteuer durch die Gemeinde im Kanton Zürich (Urteil 2C_776/2009 vom 25. Februar 2010). Vorliegend fehlt es bereits an einer Ermächtigung im kantonalen Recht: Dieses räumt den beteiligten Gemeinden zwar namentlich die Befugnis ein, gegen Einspracheentscheide über die Veranlagung und gegen Entscheide der kantonalen Steuerbehörden über die Steuerausscheidung Rekurs beim kantonalen Steuergericht zu erheben (
§ 160 Abs. 1 und
§ 251 Abs. 3 StG
/SO). Zur Beschwerde an das Bundesgericht erklärt es aber (nebst dem Steuerpflichtigen und der Eidgenössischen Steuerverwaltung) nur das Kantonale Steueramt als befugt (
§ 164
bis
StG
/SO). Die Beschwerdelegitimation der Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn gestützt auf
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
(i.V.m.
Art. 73 Abs. 2 StHG
) scheidet somit aus.
4.
Die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn beruft sich sodann auf die allgemeine Legitimationsklausel von
Art. 89 Abs. 1 BGG
, wonach zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt ist, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und überdies ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat.
4.1
Die allgemeine Beschwerdebefugnis ist auf Privatpersonen zugeschnitten; sie bezweckt in erster Linie den Schutz des Bürgers gegen fehlerhafte Verwaltungsakte und nicht den Schutz des Gemeinwesens (
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 S. 406 f.). Verwaltungsverbände (Bund, Kantone, Gemeinden etc.) sind deshalb vorab dann zur Beschwerde an das Bundesgericht ermächtigt, wenn sie sich auf eine der in
Art. 89 Abs. 2 lit. a-d BGG
umschriebenen besonderen Legitimationsklauseln berufen können (vgl. E. 3 hiervor;
BGE 134 II 45
E. 2 S. 46 ff.;
BGE 133 II 409
E. 1.3 S. 413 f.). Auf die allgemeine Beschwerdebefugnis von
Art. 89 Abs. 1 BGG
kann sich das Gemeinwesen zudem dann stützen, wenn es durch den angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen ist (
BGE 134 II 45
E. 2.2.1 S. 46 f;
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 S. 406 f. mit Hinweisen). Das ist hier indessen nicht der Fall.
4.2
Unbestrittenermassen berührt der angefochtene Entscheid die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn in ihren fiskalischen
BGE 136 II 274 S. 279
Interessen. Jedoch handelt es sich hierbei nur um eine Betroffenheit in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträgerin.
Zwar kann ein Gemeinwesen in bestimmten Fällen auch in hoheitlichen Interessen derart berührt sein, dass die Rechtsprechung von einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von
Art. 89 Abs. 1 BGG
ausgeht (
BGE 134 II 45
E. 2.2.1 S. 46 f.; zur Heranziehung der früheren Praxis bei der Auslegung
BGE 133 II 400
E. 2.4.1 S. 405 f.): Bei Eingriffen in spezifische eigene Sachanliegen wird die Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens etwa dann bejaht, wenn ein Hoheitsakt wesentliche öffentliche Interessen in einem Politikbereich betrifft, der ihm zur Regelung zugewiesen ist (
BGE 135 II 12
E. 1.2 S. 15 f.). Bejaht wurde das schutzwürdige Interesse sodann bei wichtigen vermögensrechtlichen Interessen wie dem interkommunalen Finanzausgleich, der für den Handlungsspielraum einer Gemeinde von zentraler Bedeutung ist (
BGE 135 I 43
E. 1.3 S. 46 f.), bei namhaften Subventionsbeträgen (
BGE 122 II 382
E. 2b S. 383 f.), wenn das Gemeinwesen in seiner Funktion als lohnzahlungspflichtiger öffentlicher Arbeitgeber berührt ist (
BGE 124 II 409
E. 1e S. 417 f.) oder wenn das kantonale Recht der Gemeinde den gesamten Ertrag einer Spezialsteuer überlässt und ihr besondere Kompetenzen bei deren Erhebung zuweist, wie es in einigen Kantonen bei der Grundstückgewinnsteuer vorgesehen ist (Urteil 2P.204/2006 vom 21. Mai 2007 E. 6; vgl. im Übrigen die Beispielkataloge bei SEILER UND ANDERE, Bundesgerichtsgesetz, 2007, N. 35 f. zu
Art. 89 BGG
; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 43 f. zu
Art. 89 BGG
; WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 40 ff. zu
Art. 89 BGG
).
Generell gilt jedoch, dass Gemeinwesen, wenn sie die Durchsetzung hoheitlicher Anliegen anstreben, nur restriktiv gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von
Art. 89 Abs. 1 BGG
zur Beschwerdeführung zugelassen werden dürfen (
BGE 135 I 43
E. 1.3 S. 46 f.). Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung oder der Einbezug in das Verfahren als Mitbetroffener oder -adressat reicht hierfür nicht aus (
BGE 134 II 45
E. 2.2.1 S. 46 f. mit Hinweisen). Ebenso wenig genügt das blosse Interesse an der Optimierung des Steuerertrages, um der Gemeinde ein hinreichendes Schutzinteresse zuzugestehen (Urteil 2P.204/2006 vom 21. Mai 2007 E. 5.2 und 7): In Steuerangelegenheiten, insbesondere im harmonisierten Bereich der direkten Steuern, hat der Gesetzgeber bereits durch die
BGE 136 II 274 S. 280
Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Behörden im Sinne von
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
dafür gesorgt, dass das Gemeinwesen den öffentlichen Interessen wenn nötig auf dem Beschwerdeweg Nachachtung verschaffen kann (vgl. E. 3 und 4.1 hiervor;
Art. 73 Abs. 2 StHG
und
Art. 146 DBG
[SR 642.11]). Das allgemeine Beschwerderecht des Gemeinwesens i.S. von
Art. 89 Abs. 1 BGG
erscheint daher in solchen Fällen entbehrlich und scheidet regelmässig aus. Eine generell restriktive Handhabung der Legitimationspraxis bezüglich des bloss in fiskalischen Interessen betroffenen Gemeinwesens drängt sich auch deshalb auf, weil jedermann, dem die Beschwerdeberechtigung vor Bundesgericht zusteht, bereits unterinstanzlich Gelegenheit zur Ausübung der Verfahrensrechte erhalten muss (
Art. 111 Abs. 1 BGG
; vgl. DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire, 2008, N. 3045 f.): Wollte man jede Betroffenheit in fiskalischen Interessen genügen lassen, um die Beschwerdeberechtigung eines Gemeinwesens zu bejahen, würde dadurch der Verfahrensablauf vor den Vorinstanzen über Gebühr erschwert. Im Regelfall muss es deshalb in Fiskalsachen mit der Beschwerdeberechtigung der vom Bundesgesetzgeber als vertretungsbefugt bezeichneten Behörden (
Art. 89 Abs. 2 BGG
) sein Bewenden haben.
4.3
Vorliegend geht es in der Sache um die innerkantonale Festlegung des Steuerwohnsitzes der Pflichtigen und daran anknüpfend um die Steuerausscheidung zwischen zwei Gemeinden. Die dazu massgebenden Vorschriften finden sich nicht im kommunalen, sondern ausschliesslich im übergeordneten Recht. Den betroffenen Gemeinden steht keine Regelungsbefugnis zu. Sie sind durch den Entscheid bloss in fiskalischen Interessen betroffen, und zwar nicht etwa als Hauptadressat (Steuerpflichtiger) oder zentral, sondern als Mitadressaten (Interessierte). Gemäss den obenstehenden Erwägungen berührt der angefochtene Entscheid die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn in ihren hoheitlichen Interessen nicht so qualifiziert bzw. so intensiv, dass ihr das allgemeine Beschwerderecht gemäss
Art. 89 Abs. 1 BGG
zustehen würde. | mixed |
1e535862-07f9-4cd3-a0f3-22459cdbbac9 | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 134 II 45 S. 46
X. stammt aus Serbien und verfügt seit dem 4. November 1999 im Kanton Nidwalden über eine Niederlassungsbewilligung. Am 5. Mai 2006 ersuchte er das kantonale Amt für Justiz erfolglos darum, ihm den Nachzug seiner zweiten Ehefrau und des gemeinsamen Sohns sowie dreier Kinder aus erster Ehe zu gestatten. Am 13. September 2007 kam das Amt für Justiz wiedererwägungsweise auf seine Verfügung zurück, worauf das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden das bei ihm hängig gemachte Beschwerdeverfahren am 1. Oktober 2007 als gegenstandslos abschrieb. Es auferlegte die Gerichtskosten von Fr. 600.- dem Amt für Justiz und verpflichtete dieses, den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer mit Fr. 3'186.25 zu entschädigen. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Amts für Justiz Nidwalden gegen den Kostenentscheid nicht ein. Erwägungen
Erwägungen:
1.
Das angefochtene Urteil ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen der Ausschlussgründe von
Art. 83 BGG
fällt. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist deshalb zulässig (
Art. 82 ff. BGG
), falls das Amt für Justiz Nidwalden hierzu legitimiert (vgl.
Art. 89 BGG
) und seinen gesetzlichen Begründungsanforderungen (vgl.
Art. 42 BGG
) nachgekommen ist.
2.
2.1
Zu Recht beruft sich das Amt nicht auf eine
besondere
Beschwerdebefugnis im Sinne von
Art. 89 Abs. 2 BGG
: Es ist weder Träger von speziellen, für Gemeinden und vergleichbare Körperschaften geschaffenen Verfassungsgarantien (
Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG
), noch ist es gestützt auf eine besondere bundesgesetzliche Norm ermächtigt, vorliegend an das Bundesgericht zu gelangen (
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
). Die Befugnis, kantonale Entscheide im Bereich des Ausländerrechts mittels Behördenbeschwerde anzufechten, steht ausschliesslich dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) sowie dem Bundesamt für Migration (BFM) zu, indessen nicht auch den kantonalen Bewilligungsbehörden (vgl.
Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG
;
Art. 14 Abs. 2 OV-EJPD
[SR 172.213.1];
BGE 129 II 1
E. 1.1 S. 3 f.; zum BGG bestätigt in Urteil 2C_411/ 2007 vom 6. November 2007, E. 1).
2.2
2.2.1
Das kantonale Amt für Justiz beruft sich für seine Legitimation auf das
allgemeine
Beschwerderecht im Sinne von
Art. 89 Abs. 1 BGG
.
BGE 134 II 45 S. 47
Danach ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten befugt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (
Art. 89 Abs. 1 BGG
;
BGE 133 II 400
E. 2.2 S. 404). Diese Regelung ist zwar in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen wird (
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 mit Hinweisen). Darüber hinaus können Gemeinwesen zur Beschwerde gemäss
Art. 89 Abs. 1 BGG
legitimiert sein, soweit sie in schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen berührt sind (zur Fortführung der bisherigen Praxis:
BGE 133 II 400
E. 2.4.2). Das kann bei vermögensrechtlichen Interessen der Fall sein - etwa als Subventionsempfänger (
BGE 122 II 382
E. 2b S. 383), als Gläubiger von Kausalabgaben (
BGE 119 Ib 389
E. 2e S. 391;
BGE 125 II 192
E. 2a/bb S. 195), als lohnzahlungspflichtiger öffentlicher Arbeitgeber (
BGE 124 II 409
E. 1e S. 417 f.) oder als Erbringer von Fürsorgeleistungen (ZBl 98/1997 S. 414 ff.) -, aber auch bei Eingriffen in spezifische eigene öffentliche Sachanliegen (vgl. BERNHARD WALDMANN in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger, Basler Kommentar zum BGG, Basel 2008, Rz. 43 f. zu
Art. 89 BGG
; HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, Rz. 35 zu
Art. 89 BGG
). Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft indessen keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung; insbesondere ist die im Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht berechtigt, gegen den sie desavouierenden Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen (
BGE 131 II 58
E. 1.3 S. 62;
BGE 127 II 32
E. 2e S. 38 mit Hinweisen). Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt auch nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens (
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 S. 407;
BGE 133 V 188
E. 4.4.2 S. 194;
BGE 131 II 58
E. 1.3 S. 62;
BGE 124 II 409
E. 1e/bb S. 418;
BGE 123 II 425
E. 3c S. 428; WALDMANN, a.a.O., Rz. 44 zu
Art. 89 BGG
).
2.2.2
Das Amt für Justiz wäre vorliegend - unbestrittenermassen - in der Sache selber nicht legitimiert gewesen, den kantonalen Rechtsmittelentscheid anzufechten: Es fehlt an einer Norm, die es als Behörde hierzu ermächtigen würde. Durch die Pflicht, eine einzelne ausländerrechtliche Bewilligung zu erteilen, wird auch der Kanton nicht in relevanter Weise in schutzwürdigen eigenen Hoheitsinteressen betroffen. Wer jedoch in der Sache selber nicht legitimiert ist,
BGE 134 II 45 S. 48
Beschwerde zu führen, kann grundsätzlich auch den damit verbundenen Kostenentscheid nicht beanstanden. Durch die Pflicht zur Tragung von Verfahrens- und Parteikosten in einem einzelnen Rechtsmittelverfahren wird das Gemeinwesen regelmässig nicht derart belastet, dass ihm - trotz fehlender Legitimation bzw. unabhängig von der Legitimation in der Sache selber - ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung der Kostenregelung einzuräumen wäre.
2.2.3
Inwieweit dies in besonderen Fällen ausnahmsweise anders sein könnte, braucht hier nicht weiter geklärt zu werden: Die Beschwerde des Amtes für Justiz scheitert schon daran, dass es seine Befugnis, den Kanton Nidwalden als Partei des Rechtsmittelverfahrens vor Bundesgericht zu vertreten, in der Beschwerdeschrift nicht dartut und eine solche auch nicht ohne weiteres als ersichtlich gelten kann; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer, noch beizuziehender Unterlagen nachzuforschen, ob und inwiefern ein Beschwerdeführer zur Beschwerde zuzulassen ist; es obliegt in Zweifelsfällen diesem, die entsprechenden Grundlagen hierfür zu liefern (
BGE 133 II 400
E. 2 S. 404). Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Korporationen prozessual zu vertreten, steht praxisgemäss, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, nur der obersten vollziehenden Behörde zu (MATTHIAS SUTER, Der neue Rechtsschutz in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht, Diss. St. Gallen 2007, S. 29, mit Hinweisen). Gemäss Art. 65 Abs. 1 der Kantonsverfassung von Nidwalden (SR 131.216.2) vertritt der Regierungsrat den Kanton nach aussen. Es wäre deshalb Sache des beschwerdeführenden Amtes gewesen, darzulegen, aufgrund welcher kantonalen Vorschriften es sich als zuständig erachtet, für den Kanton zu handeln. Nur das Gemeinwesen als solches kann im Rahmen von
Art. 89 Abs. 1 BGG
an das Bundesgericht gelangen, nicht eine einzelne Behörde oder ein Verwaltungszweig ohne eigene Rechtspersönlichkeit (
BGE 127 II 32
E. 2f S. 38). Auf die vorliegende Eingabe ist deshalb schon mangels hinreichender Substantiierung der Beschwerdevoraussetzungen nicht einzutreten (
Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG
;
BGE 133 II 249
E. 1.1 S. 251,
BGE 133 II 353
E. 1 S. 356, 400 E. 2 S. 403).
3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Kanton Nidwalden die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen: Sein Amt für Justiz hat in Verfolgung von Vermögensinteressen gehandelt, wobei der Kanton sich dessen Vorgehen verfahrensrechtlich anrechnen lassen muss (
Art. 66 Abs. 4 BGG
). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet, da dem Beschwerdegegner kein weiterer Aufwand entstanden ist (vgl.
Art. 68 BGG
). | mixed |
ca36d992-8d1c-4029-b8c0-c959c048b348 | Sachverhalt
ab Seite 507
BGE 138 II 506 S. 507
A.
Das Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden gewährte mit Verfügung vom 19. November 1996 X. im Zivilprozess vor dem Vermittleramt Chur bzw. dem Bezirksgericht Plessur betreffend Ehescheidung die unentgeltliche Prozessführung. In der Folge übernahm der Kanton Graubünden dafür im November 1997 bzw. Januar 1998 Kosten in der Höhe von gesamthaft Fr. 9'065.90 (Verfahrenskosten Fr. 1'350.-, Anwaltskosten Fr. 7'715.90). In der genannten Verfügung wurde X. auf eine allfällige Rückerstattungspflicht hingewiesen.
Mit Schreiben vom 28. April 2011 und Verfügung vom 26. Juli 2011 verlangte die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden den bevorschussten Betrag von Fr. 9'065.90 zurück, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von X. über dem massgeblichen Existenzminimum lägen.
B.
Dagegen erhob X. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses hiess mit Urteil vom 13. Dezember 2011 die Beschwerde gut und hob die Verfügung der Steuerverwaltung vom 26. Juli 2011 auf. Es erwog, der Rückerstattungsanspruch des Kantons sei verjährt.
C.
Die Regierung des Kantons Graubünden erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Verfügung der Steuerverwaltung sei zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gerichtskosten sind öffentlich-rechtliche Forderungen, auch wenn sie einen Zivilprozess betreffen (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7299 Ziff. 5.8.2 Art. 110). Ebenso beruht das Amt des unentgeltlichen Rechtsvertreters und damit auch seine Entschädigung auf einem
BGE 138 II 506 S. 508
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis (
BGE 132 V 200
E. 5.1.4 S. 205). Demzufolge ist auch der Anspruch auf Rückerstattung der Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege eine öffentlich-rechtliche Forderung des Staates gegenüber der Partei, welcher die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde. Wird über die Rückerstattung im Rahmen der Hauptsache entschieden, kann sie mit dem für die Hauptsache vorgesehenen Rechtsmittel angefochten werden (vgl.
BGE 135 I 91
). Wird die Rückerstattung jedoch in einem selbständigen Verfahren angeordnet, so ist gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (
Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG
), auch wenn das Ausgangsverfahren, in welchem die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, ein Zivilprozess war.
2.
Fraglich ist im vorliegenden Fall die Beschwerdelegitimation des Kantons:
2.1
Auf eine besondere Beschwerdebefugnis im Sinne von
Art. 89 Abs. 2 BGG
kann sich der Kanton nicht berufen. Zu prüfen ist das allgemeine Beschwerderecht nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
.
2.1.1
Nach dieser Bestimmung ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Diese Regelung ist in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird und nicht bloss das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung geltend macht (
BGE 138 I 143
E. 1.3.2 S. 149;
BGE 137 IV 269
E. 1.4 S. 273 f.;
BGE 136 I 265
E. 1.4 S. 268 f.;
BGE 136 II 274
E. 4.1 und 4.2 S. 278 ff.,
BGE 136 II 383
E. 2.3 und 2.4 S. 385 ff.;
BGE 135 II 156
E. 3.1 S. 157 ff.;
BGE 134 II 45
E. 2.2.1 S. 47).
Das Bundesgericht hat die allgemeine Beschwerdebefugnis des Kantons namentlich bejaht in Fällen, in denen einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukam, so etwa wenn er zur Folge haben könnte, dass Beamte in einer Vielzahl von künftigen Fällen vor ungerechtfertigter Strafverfolgung entgegen der Absicht des kantonalen Gesetzgebers keinen besonderen Schutz geniessen, was sich nachteilig auf das Funktionieren staatlicher
BGE 138 II 506 S. 509
Organe auswirken könnte (
BGE 137 IV 269
E. 1.4 S. 274), oder wenn er die Erteilung einer erheblichen Anzahl weiterer Bewilligungen zur Berufsausübung nach sich ziehen würde, was der kantonalen Gesetzgebung widersprechen und zugleich bedeutsame gesundheitspolizeiliche und -politische Interessen berühren könnte (
BGE 135 II 12
E. 1.2.2 S. 15 f.). Ebenfalls bejaht hat das Bundesgericht die Legitimation des Kantons, der geltend machte, sein (kantonales) Reglement über die vereidigten Übersetzer sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz gesetzes- bzw. verfassungskonform (Urteil 2C_1016/2011 vom 3. Mai 2012 E. 1.2, nicht publ. in:
BGE 138 I 196
). In jedem Fall aber setzt die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus; gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von
Art. 89 Abs. 1 BGG
dürfen Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zugelassen werden (
BGE 136 II 274
E. 4.2 S. 279;
BGE 135 I 43
E. 1.3 S. 47).
2.1.2
Geht es um Entscheide mit finanziellen Auswirkungen, hat die Rechtsprechung in verschiedenen Konstellationen die Legitimation von Kanton oder Gemeinde bejaht, so in der Eigenschaft als Subventionsgesuchsteller (
BGE 122 II 382
E. 2b S. 383 f.; Urteil 2C_461/2011 vom 9. November 2011 E. 1), bezüglich der Kostenersatzpflicht gemäss dem Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (
BGE 136 V 346
E. 3.5 S. 350,
BGE 136 V 351
E. 2.3 S. 353) oder der Berechtigung zur Drittauszahlung in der Sozialversicherung (
BGE 135 V 2
E. 1.1 S. 4).
Ebenfalls bejaht hat das Bundesgericht die Legitimation mit der Begründung, der Kanton sei in Bezug auf den Schutz seines Verwaltungs- oder Finanzvermögens wie ein Privater betroffen, so etwa als öffentlicher Arbeitgeber (
BGE 134 I 204
E. 2.3 S. 207 f.;
BGE 124 II 409
E. 1e/dd S. 419), in Fällen der Staatshaftung (Urteil 2C_111/2011 vom 7. Juli 2011 E. 1.3, in: RDAF 2011 I S. 594) oder als Schuldner einer Enteignungsentschädigung (
BGE 103 Ib 210
E. 1f S. 216; unter Hinweis auf
Art. 78 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung [EntG; SR 711]
:
BGE 132 II 475
E. 1 S. 477;
131 II 137
E. 1.1 S. 140). In anderen Fällen wurde die Legitimation des Gemeinwesens damit begründet, es seien zentrale hoheitliche Interessen berührt, so in Bezug auf den interkommunalen Finanzausgleich und ähnliche Regelungen (
BGE 135 I 43
E. 1.3 S. 47;
BGE 135 II 156
E. 3.3 S. 160), als Gläubiger von Kausalabgaben (
BGE 119 Ib 389
E. 2e S. 391; Urteil 2C_712/2008 vom 24. Dezember 2008 E. 1.3)
BGE 138 II 506 S. 510
oder in Bezug auf die Sozialhilferegelung für Asylbewerber, wobei es um die Bundesrechtsmässigkeit einer kantonalen Regelung mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für den Kanton ging (Urteil 8C_1025/2009 vom 19. August 2010 E. 3.4.3).
2.1.3
Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt aber nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens (
BGE 136 II 274
E. 4.2 S. 279,
BGE 136 II 383
E. 2.4 S. 387;
BGE 134 II 45
E. 2.2.1 S. 47 mit Hinweisen). So wurde die Legitimation des Gemeinwesens etwa verneint in seiner Eigenschaft als Schuldner von Entschädigungen nach Opferhilfegesetz (
BGE 123 II 425
E. 4 S. 429 ff.), im Falle der Festlegung des Steuerwohnsitzes (
BGE 136 II 274
E. 4.3 S. 280), aufgrund der Befürchtung, als Folge eines Entscheids haftpflichtig zu werden (
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 S. 407) oder der Tangierung des Kantons als Schuldner von (kantonalrechtlichen) Ergänzungsleistungen (
BGE 134 V 53
E. 2.3.3 S. 58 f.). Ebenfalls nicht legitimiert ist das Gemeinwesen, wenn ihm in Beschwerdeentscheiden gegen seine Verfügungen Verfahrens- oder Parteikosten auferlegt werden (
BGE 134 II 45
E. 2.2.2 S. 47 f.;
BGE 133 II 400
E. 2.4.2 S. 407; Urteil 1C_79/2011 vom 10. März 2011 E. 1.4, in: JdT 2011 I S. 39). Verneint wurde die Legitimation auch in einem Fall, in welchem der Kanton die Erbschaftssteuer für Nachkommen abgeschafft hatte und die Auslegung der übergangsrechtlichen Regelung streitig war; der Kanton hatte mit der Abschaffung der Steuer dargetan, dass es für ihn nicht mehr um einen wichtigen Regelungsbereich ging, dies obwohl ein Steueraufkommen von insgesamt rund 30 Mio. Franken auf dem Spiel stand (
BGE 136 II 383
E. 2.5 S. 387).
2.2
Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die Verjährung nach Art. 123 Abs. 2 der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen ZPO (SR 272) beurteilt, wonach die Rückerstattungsforderung des Kantons in zehn Jahren nach Abschluss des Verfahrens verjährt. Der Kanton macht geltend, richtigerweise sei in Bezug auf die vor diesem Zeitpunkt gewährte unentgeltliche Rechtspflege die Verjährung nach dem früheren kantonalen Recht zu beurteilen. Danach habe rechtsprechungsgemäss ursprünglich eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gegolten, die indessen erst zu laufen begonnen habe, wenn das Gemeinwesen Kenntnis der wirtschaftlich günstigeren Verhältnisse gehabt habe. Ab 1. April 2009 habe eine kantonalrechtliche gesetzliche Regelung gegolten, wonach eine zehnjährige Verjährungsfrist ab Rechtskraft des Entscheids gelte; übergangsrechtlich sei jedoch
BGE 138 II 506 S. 511
festgelegt worden, dass die Frist erst mit Inkrafttreten des Gesetzes zu laufen beginne. Dasselbe müsse bei Inkrafttreten der eidgenössischen ZPO gelten. Die vom Verwaltungsgericht angeordnete übergangslose Anwendung von
Art. 123 Abs. 2 ZPO
auf altrechtlich erteilte unentgeltliche Rechtspflege habe zur Folge, dass die Rückerstattungsforderung bereits vor dem Inkrafttreten der ZPO verjährt wäre. Der Kanton macht geltend, er habe ein erhebliches öffentliches, hoheitliches Interesse daran, die vorschussweise übernommenen Kosten zurückfordern zu können und sei darin in seinen schutzwürdigen Interessen berührt, gehe es doch darum, ob das Rückforderungsregime für altrechtlich gewährte unentgeltliche Rechtspflege durch das neue Prozessrecht betroffen sei. Wahlweise macht er geltend, er sei durch die Bejahung der Verjährung gleich wie ein privater Gläubiger betroffen.
2.3
Die in einigen Entscheiden verwendete Formulierung, der Kanton sei in Bezug auf den Schutz seines Verwaltungs- oder Finanzvermögens wie ein Privater betroffen (vgl. E. 2.1.2 hiervor), kann nicht so verstanden werden, dass die Legitimation des Gemeinwesens immer schon dann zu bejahen wäre, wenn ein Entscheid Auswirkungen auf sein Vermögen hat (vgl. E. 2.1.3 hiervor). Die Fälle, in denen diese Formulierung verwendet wurde, betreffen Konstellationen, in denen es um finanzielle Leistungen aus Rechtsverhältnissen geht, die zwar öffentlich-rechtlich geregelt sind, aber Analogien haben zu entsprechenden privatrechtlichen Instituten wie etwa das öffentliche Dienstrecht, das Staatshaftungsrecht oder das Enteignungsrecht (vgl. BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Rz. 42 zu
Art. 89 BGG
). Im Übrigen ist das Gemeinwesen in seinen fiskalischen Interessen aber grundsätzlich nicht wie ein Privater betroffen, sondern in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger (
BGE 136 II 274
E. 4.2 S. 279;
BGE 135 II 156
E. 3.3 S. 160). Die Fälle, in denen diesbezüglich die Legitimation bejaht wurde (vgl. E. 2.1.2 hiervor), betreffen in der Regel Konstellationen, in welchen es im Grunde um einen Konflikt zwischen verschiedenen Gemeinwesen geht, die einander nicht hoheitlich gegenüberstehen oder in denen ein Gemeinwesen Adressat einer von einem anderen Gemeinwesen getroffenen Verfügung ist. In denjenigen Fällen, in denen das Bundesgericht die Legitimation als Gläubiger von Kausalabgaben bejahte (Urteile 2C_444/2008 vom 9. März 2009 E. 1.2; 2C_712/2008 vom 24. Dezember 2008 E. 1.3), ging es nicht bloss um den finanziellen Ertrag aus der Gebühr, sondern um die Verantwortung des Gemeinwesens
BGE 138 II 506 S. 512
für die Erstellung einer Anlage. Verneint wird hingegen die Legitimation, wenn es einzig um die finanziellen Folgen der Verwaltungstätigkeit geht, welche das Gemeinwesen in seiner Stellung als hoheitlich verfügende Behörde treffen (Urteil 1C_220/2009 vom 26. April 2010 E. 2.2.2, nicht publ. in:
BGE 136 II 204
; Urteil 1C_79/2011 vom 10. März 2011 E. 1.4, in: JdT 2011 I S. 39). In solchen Fällen deckt sich das finanzielle Interesse des Gemeinwesens mit der Frage der richtigen Rechtsanwendung, was zur Legitimation nicht genügt.
2.4
So verhält es sich im vorliegenden Fall: Der Kanton hat als erste Instanz verfügt und das Verwaltungsgericht hat diese Verfügung aufgehoben. Sowohl in Bezug auf den konkreten Einzelfall als auch die Präzedenzwirkung für weitere Fälle beschränken sich die Konsequenzen des angefochtenen Entscheids auf Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen, was nach dem Gesagten für sich allein zur Bejahung der Legitimation nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
nicht genügt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern infolge des angefochtenen Entscheids über die finanziellen Auswirkungen hinaus die Erfüllung öffentlicher Aufgaben tangiert werden könnte. Zudem hat die streitige Frage einen engen Konnex zu den Gerichts- und Parteikosten, zu deren Anfechtung das Gemeinwesen nicht legitimiert ist (vgl. E. 2.1.3 hiervor). Würde hier die Legitimation der Regierung des Kantons Graubünden bejaht, so liefe dies darauf hinaus, dass das Gemeinwesen immer dann zur Beschwerde legitimiert wäre, wenn eine Rechtsmittelinstanz eine Verfügung aufhebt, mit welcher eine finanzielle Leistung an das Gemeinwesen angeordnet wurde. Eine derart weite Fassung der Legitimation widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, welcher für solche Fälle allenfalls eine besondere Beschwerdeberechtigung nach
Art. 89 Abs. 2 BGG
vorsah, daneben aber die allgemeine Legitimationsklausel nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
nicht in dieser Weise ausweiten wollte (
BGE 133 II 400
E. 2.4.3 S. 408; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], Seiler/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], 2007, Rz. 37 zu
Art. 89 BGG
; WALDMANN, a.a.O., Rz. 44 zu
Art. 89 BGG
). | mixed |
64592ea5-eb57-465d-9e12-c9c4cf18e066 | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 138 I 196 S. 197
A.
Le 28 juillet 2010, X., domiciliée à Meyrin (GE), a demandé au Conseil d'Etat de la République et canton de Genève (ci-après: le Conseil d'Etat), via la Chancellerie d'Etat, à pouvoir se présenter aux examens de traducteur-juré pour le canton. Bien que n'étant pas titulaire d'un diplôme universitaire, tel que le prescrit le règlement genevois du 6 décembre 2004 relatif aux traducteurs-jurés (RTJ/GE; RSG I 2 46.03), elle estimait pouvoir attester d'une solide expérience professionnelle et remettait au demeurant en cause la légalité dudit règlement.
B.
Par arrêté du 20 avril 2011, le Conseil d'Etat a déclaré irrecevable la demande de X., au motif qu'elle ne remplissait pas les conditions permettant son assermentation en qualité de traductrice-jurée.
Par arrêt du 1
er
novembre 2011, la Chambre administrative de la Cour de Justice de la République et canton de Genève (ci-après: la Cour de Justice) a partiellement admis, dans la mesure de sa recevabilité, le recours interjeté par X. contre l'arrêté du 20 avril 2011 et a annulé ce dernier, au motif qu'il avait été pris en vertu d'un règlement dépourvu de base légale.
C.
Le Conseil d'Etat a conclu devant le Tribunal fédéral à ce que ce dernier, principalement, annule l'arrêt de la Cour de Justice et, statuant à nouveau, déclare irrecevable le recours formé par X. contre l'arrêté du Conseil d'Etat du 20 avril 2011, subsidiairement, à ce qu'il rejette ledit recours et, plus subsidiairement, à ce qu'il renvoie le dossier à la Cour de Justice. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière de droit public dans la mesure de sa recevabilité.
(résumé)
BGE 138 I 196 S. 198 Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Le recourant soutient en substance que la Cour de Justice a porté atteinte au principe de la séparation des pouvoirs en retenant à tort l'absence de base légale voire constitutionnelle du RTJ/GE et, partant, en déniant au Conseil d'Etat la compétence de prévoir une réglementation concernant les traducteurs-jurés.
4.1
Le principe de la séparation des pouvoirs est garanti au moins implicitement par toutes les constitutions cantonales. Il sauvegarde le respect des compétences établies par la Constitution. Il appartient en premier lieu au droit public cantonal de fixer les compétences des autorités (
ATF 134 I 269
consid. 3.3.2 p. 274;
ATF 130 I 1
consid. 3.1 p. 5;
ATF 128 I 113
consid. 2c p. 116). Dans le canton de Genève, le principe de la séparation des pouvoirs est en particulier consacré à l'art. 130 de la Constitution de la République et canton de Genève du 24 mai 1847 (Cst./GE; RSG A 2 00; cf.
ATF 134 I 322
consid. 2.2 et 2.3 p. 326 s.; arrêt 2C_649/2010 du 5 avril 2011 consid. 2.2). Il interdit, en règle générale, au pouvoir exécutif d'édicter des dispositions qui devraient figurer dans une loi, car cette attribution revient au pouvoir législatif; l'exécutif cantonal peut en revanche adopter des dispositions d'exécution (
art. 116 Cst./GE
). Cette règle connaît des exceptions s'agissant en particulier de compétences législatives déléguées à l'exécutif ou découlant directement de la Constitution (cf.
ATF 134 I 269
consid. 4.2 p. 279; arrêt 2C_763/2009 du 28 avril 2010 consid. 5.1).
4.2
En l'occurrence, le RTJ/GE émane du Conseil d'Etat, soit du pouvoir exécutif cantonal. Il sied par conséquent de déterminer si, en posant la condition de la titularité d'un diplôme universitaire à l'art. 2 RTJ/GE, le Conseil d'Etat a agi dans le cadre de ses compétences.
4.3
L'activité de traducteur-juré consiste à traduire par écrit, principalement à partir d'une langue étrangère vers le français, ou subsidiairement, du français vers une langue étrangère, tout document nécessitant une certification officielle (art. 1 al. 1 RTJ/GE). Si le Conseil d'Etat, qui se réserve du reste la possibilité de statuer souverainement, notamment en fonction des besoins (art. 7 al. 2 RTJ/GE), accepte la requête d'assermentation du candidat (cf. art. 3 à 8 RTJ/GE), le traducteur-juré entre de son plein gré dans une relation
BGE 138 I 196 S. 199
de droit public avec l'Etat. Cette relation comporte des privilèges, en particulier le droit de traduire, dans les langues autorisées, les documents nécessitant une certification officielle, la prérogative de figurer sur le tableau des traducteurs-jurés publié dans la Feuille d'avis officielle et de pouvoir conférer une valeur probante aux textes traduits en y apposant le sceau officiel du canton (cf. art. 9 et 10 RTJ/GE); simultanément, ladite relation impose des obligations strictes aux traducteurs-jurés, notamment la tarification de leurs prestations (art. 12 RTJ/GE), le devoir de procéder en priorité aux traductions qui leur sont demandées par les services de l'Etat et par les particuliers nécessitant une certification officielle (art. 11 al. 2 et 3 RTJ/GE), ou encore des contrôles de qualité et du respect des conditions de la part de l'Etat, tels qu'accompagnés d'un régime de sanctions (art. 15 RTJ/GE).
Il découle du statut réglementaire de traducteur-juré que ce dernier se voit conférer une parcelle limitée de la puissance publique qui le place dans un rapport de droit public spécial vis-à-vis du canton de Genève (cf.
ATF 124 I 297
consid. 4a p. 300). Le traducteur-juré est en effet appelé à traduire des documents requérant une
certification
officielle
non seulement pour l'administration, mais aussi pour des particuliers (art. 11 al. 2 et 3 RTJ/GE); ces derniers doivent pouvoir placer une confiance accrue en ses traductions, dont il pourra être fait usage dans le cadre de procédures ou transactions. Muni du sigle de l'Etat, le traducteur-juré atteste ainsi d'une traduction fidèle et de qualité de documents officiels et/ou probants. Si le traducteur-juré ne détient pas le monopole des traductions officielles, le sceau officiel de la République et canton de Genève apposé sur les certifications n'en signale pas moins aux particuliers qu'une présomption de conformité est attachée à ses travaux, dans le sens où l'Etat leur reconnaît une force probante accrue. En cela, la fonction du traducteur-juré, qui ne se limite pas à traduire des documents soumis par les services de l'Etat, dépasse le cadre d'une fonction administrative interne (s'agissant d'un traducteur-interprète auprès d'une mission diplomatique:
ATF 120 II 408
consid. 5c p. 410 s.; arrêt 4A_386/2011 du 4 août 2011 consid. 3) et présente, dans le canton de Genève, certaines analogies avec le ministère d'un notaire indépendant (pour cette notion: FRANÇOIS BOHNET, Droit des professions judiciaires, 2008, p. 74; cf., s'agissant de la rédaction des actes notariés et de leur traduction, l'
art. 13 de la loi genevoise du 25 novembre 1988 sur le notariat [LNot/GE; RSG E 6 05]
).
BGE 138 I 196 S. 200
4.4
Selon que l'Etat exerce lui-même une tâche étatique ou en délègue l'exécution à des tiers externes à l'administration, les exigences quant à la légalité (cf.
art. 5 al. 1 Cst.
) de la réglementation applicable à cette activité ne sont pas les mêmes.
4.4.1
Lorsque l'Etat exécute ses tâches par le biais de ses propres services administratifs, il est en principe en droit de réglementer le domaine concerné au travers d'une ordonnance législative, voire le cas échéant, par le biais d'une ordonnance administrative (pour cette notion:
ATF 136 V 295
consid. 5.7 p. 308;
ATF 128 I 167
consid. 4.3 p. 171; arrêt 8C_860/2009 du 22 septembre 2010 consid. 4.2). Dans le canton de Genève, l'exécutif peut du reste adopter des ordonnances législatives indépendantes sur la base des
art. 101, 119 et 122 Cst./GE
et dans les domaines régis par ces dispositions; celles-ci confient l'administration générale du canton, l'organisation et la surveillance de l'administration au Conseil d'Etat (FABIEN WAELTI, La "directive" dans le paysage législatif genevois, in Actualités juridiques de droit public 2011, Hofmann/Waelti [éd.], 2011, p. 137 s.). Par conséquent, tant que l'Etat gère le service de traducteurs-jurés de manière interne à son administration, il lui compète de fixer les exigences que les employés de l'Etat doivent remplir pour exécuter cette tâche par le biais d'ordonnances.
4.4.2
Le cas de figure décrit ci-dessus (consid. 4.4.1) est également réalisé lorsque, au lieu ou en plus d'effectuer lui-même les traductions officielles en faveur de l'administration et de particuliers, le service de traducteurs-jurés mandate des traducteurs privés à cette fin, mais qu'il maintient simultanément un contrôle sur les traductions externes et endosse ces dernières sous la responsabilité de l'Etat. Dans une telle hypothèse, les traducteurs externes à l'administration n'agissent en effet qu'en qualité d'auxiliaires et sous la supervision du service étatique concerné, lequel atteste et continue à répondre de la qualité et de la valeur probante des traductions transitant via son ministère.
Il en découle que le recourant ne peut rien tirer des Instructions de la Chancellerie fédérale du 12 décembre 2000 sur le recours à des traducteurs ou réviseurs privés, car cette ordonnance administrative interne rédigée à l'attention des unités administratives de la Confédération (art. 1.2) instaure un contrôle des traductions externes par l'Etat (art. 5.3) et précise que la publication des textes traités par des traducteurs externes intervient sous la responsabilité de l'Etat (cf.
BGE 138 I 196 S. 201
art. 5.4). De même, il ressort du dossier que, jusqu'en 1993 au plus tard, le canton de Genève confiait ses traductions à un traducteur officiel, employé par l'Etat, qui avait recours aux services de traducteurs-jurés sélectionnés par ses soins et assermentés par le Conseil d'Etat, mais qui demeurait l'interlocuteur principal de l'Etat.
4.4.3
En revanche, si le canton choisit de déléguer une tâche de l'Etat à des services extérieurs à l'administration, cette délégation et ses modalités doivent être prévues dans une loi formelle. Au niveau de la Confédération, une telle obligation découle de l'
art. 178 al. 3 Cst.
(cf.
ATF 137 II 409
consid. 4.3 p. 411); cette disposition constitutionnelle reflète toutefois un principe général du droit public qui exige qu'un acte de décentralisation administrative, de même que toute délégation de l'exercice de pouvoirs de puissance publique à des tiers reposent sur une base légale formelle suffisamment précise, dès lors qu'ils portent atteinte à l'unité organique de l'administration et constituent une entorse au monopole de l'Etat (cf.
ATF 138 II 134
consid. 4.3.1 p. 140; arrêts 2A.166/2005 du 8 mai 2006 consid. 10.2; 2P.96/2000 du 8 juin 2001 consid. 4c/aa, in ZBl 102/2001 p. 656; SJ 2001 I p. 557; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6
e
éd. 2010, p. 339 n. 1509; PIERRE MOOR, Droit administratif, vol. III, 1992, p. 116).
Etant investi d'une parcelle de puissance publique et accomplissant dans cette fonction une tâche étatique, le traducteur-juré n'en demeure pas moins, depuis l'abolition de la fonction de traducteur officiel à Genève, indépendant de l'administration (cf., mutatis mutandis,
ATF 129 I 330
consid. 2.1 p. 333;
ATF 124 I 297
consid. 4a p. 300). Il doit d'ailleurs établir, en vue de son assermentation, qu'il n'est pas soumis à un lien de subordination contractuel, pour une part importante de son activité professionnelle, avec une collectivité ou administration publique, ou avec une représentation diplomatique étrangère (cf.
art. 2 al. 1 let
. f RTJ/GE). S'il doit effectuer ses traductions en priorité pour l'Etat, il reste libre de déployer en sus des activités privées, pour lesquelles il ne bénéficie d'aucun privilège, voire de fonctionner également en tant qu'interprète (art. 11 al. 2, 3 et 10 RTJ/GE). Il est personnellement et exclusivement responsable des travaux qu'il réalise et sur lesquels il appose son sceau (art. 11 al. 6 RTJ/GE). De plus, les litiges entre les traducteurs-jurés et leurs clients relèvent de la compétence des tribunaux civils ordinaires (art. 15 al. 5 RTJ/GE).
BGE 138 I 196 S. 202
Il s'ensuit que le traducteur privé exerçant la fonction de traducteur- juré se voit, en sa qualité de particulier extérieur à l'administration, confier une tâche de cette dernière (cf.
ATF 137 II 409
consid. 7.3.2 p. 415), de sorte que la réglementation relative à l'exercice de la fonction de traducteur-juré par des traducteurs privés doit reposer sur une base légale émanant du législateur cantonal. Dans de telles circonstances, le point de savoir si l'exigence d'une base légale formelle pourrait aussi, comme retenu par la cour cantonale, découler de la liberté économique des traducteurs, à supposer que le traducteur-juré puisse se prévaloir d'une telle liberté, n'a pas à être tranché.
4.5
A l'aune de ce qui précède, il convient de vérifier si le règlement du Conseil d'Etat repose sur des compétences législatives qui lui ont été déléguées (cf. consid. 4.1 in fine supra).
4.5.1
Il est établi et non contesté qu'aucune loi formelle ne régit les traducteurs-jurés dans le canton de Genève. Reste à examiner si le Conseil d'Etat tient sa compétence réglementaire directement de la Constitution, de sorte que le RTJ/GE serait assimilable à une ordonnance législative indépendante de substitution contenant des normes primaires ne figurant pas dans une loi (cf.
ATF 132 I 229
consid. 4.2 p. 234;
ATF 123 II 295
consid. 3a p. 298; arrêt 1C_103/2007 du 7 décembre 2007 consid. 4.3, in ZBl 110/2009 p. 266; RDAF 2010 I p. 490).
4.5.2
Le recourant estime que la réglementation de cette fonction relèverait de la "matière de police", en vertu de l'
art. 125 Cst./GE
, et serait justifiée par le besoin d'assurer le bon fonctionnement de l'administration et la protection du public.
L'
art. 125 Cst./GE
institue la compétence du Conseil d'Etat d'édicter les règlements de police dans les limites fixées par la loi, ainsi que d'en ordonner et d'en surveiller l'exécution. Cette disposition accorde à l'exécutif cantonal genevois un large pouvoir normatif indépendant dans les matières de police (arrêt 1P.598/2004 du 27 avril 2005 consid. 2.4), soit le droit d'adopter des ordonnances en se fondant directement sur la Cst./GE (
ATF 134 I 322
consid. 2.4 p. 327). La notion de "police" au sens de cette norme constitutionnelle est plus large que celle comprise dans la "clause générale de police" relative à la prise de mesures urgentes pour rétablir ou préserver l'ordre public (
ATF 114 Ia 286
consid. 5b p. 289).
Les matières pouvant faire l'objet d'un règlement de police étaient exhaustivement circonscrites par l'art. 37 de l'ancienne loi pénale genevoise du 20 septembre 1941 (cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER,
BGE 138 I 196 S. 203
Droit constitutionnel suisse, vol. I, 2006, p. 593 n. 1679), avant son abrogation par la loi pénale genevoise du 17 novembre 2006 (LPG/GE; RSG E 4 05); elles se concentraient essentiellement sur des aspects sécuritaires et de droit pénal (administratif) cantonal (cf.
ATF 114 Ia 286
consid. 5b p. 289 s.;
ATF 100 Ia 189
p. 196; arrêts 1P.598/2004 précité consid. 2.4; 1P.469/1996 du 21 janvier 1997 consid. 2a). Malgré l'abrogation de l'ancienne LPG/GE, on doit dès lors admettre que la notion indéterminée de "police" prévue à l'
art. 125 al. 1 Cst./GE
ne saurait s'interpréter de manière trop large (cf.
ATF 111 Ia 231
consid. 5a p. 236). Or, le bon fonctionnement de l'administration et la protection du public invoqués par le recourant sont trop généraux pour que le RTJ/GE puisse être considéré comme ayant pour objectif principal la sauvegarde de l'ordre public. Le RTJ/GE ne peut par conséquent se fonder sur l'
art. 125 Cst./GE
.
4.5.3
A titre subsidiaire, le recourant se prévaut des
art. 101 et 119 Cst./GE
, dont le premier lui confie le pouvoir exécutif et l'administration générale du canton, tandis que le second l'habilite à régler les attributions et l'organisation des bureaux de chaque département, à déterminer le nombre et les occupations des employés et à fixer les émoluments sous réserve de l'approbation du parlement cantonal. La mention de ces dispositions constitutionnelles figure dans le préambule du RTJ/GE depuis son amendement du 30 mars 2011.
Contrairement à ce qu'affirme le recourant, la réglementation de la fonction de traducteur-juré n'est pas purement organisationnelle. Elle concerne encore moins, comme évoqué précédemment (consid. 4.4.3), le personnel ou les services internes à l'administration, mais vise à conférer une tâche de l'administration à des particuliers extérieurs à celle-ci. Partant, les bases constitutionnelles avancées par le recourant sont inadéquates en vue d'autoriser le Conseil d'Etat à édicter le RTJ/GE.
4.5.4
En dernier lieu, le recourant affirme que sa compétence pour réglementer le domaine des traducteurs-jurés résulterait en tout état d'une coutume constitutionnelle séculaire.
Le Tribunal fédéral n'exclut pas la naissance et la reconnaissance de droit coutumier en droit public. Il a ainsi exposé qu'il n'est pas contraire au droit constitutionnel de reconnaître une norme juridique née d'un usage prolongé, pour autant qu'elle ne porte pas atteinte aux droits fondamentaux des citoyens. Le silence de la loi ne peut pas être interprété d'emblée comme un silence qualifié prohibant tout
BGE 138 I 196 S. 204
droit coutumier; cela dépend de savoir s'il est nécessaire de compléter la loi ou, alors, s'il faut interpréter le caractère exhaustif de la norme juridique écrite comme s'opposant à tout complètement. La reconnaissance d'une coutume est soumise à des conditions strictes (cf.
ATF 136 I 376
consid. 5.2 p. 387;
ATF 119 Ia 59
consid. 4b p. 62;
ATF 105 Ia 2
consid. 2a p. 5;
ATF 96 V 49
consid. 4 p. 51 s.; MICHEL BÉGUELIN, Das Gewohnheitsrecht in der Praxis des Bundesgerichts, 1968, p. 23 ss et 109). Une lacune véritable a été admise et une coutume a jadis été reconnue s'agissant de la compétence du Conseil d'Etat genevois de connaître, sur la base de l'
art. 101 Cst./GE
, des recours hiérarchiques contre les décisions prises par l'administration cantonale (cf.
ATF 99 Ia 586
consid. 1c p. 591). Cela étant, il ne peut pas être tenu compte d'une coutume lorsqu'elle revient à déroger à une loi formelle, voire à la Constitution (HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7
e
éd. 2008, p. 6 n. 12 s. et p. 314 n. 1061; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, op. cit., p. 43 n. 206).
La coutume alléguée par le recourant consisterait à lui octroyer la compétence de réglementer l'activité de traducteur-juré à Genève. Or, il découle de la Cst./GE que le constituant genevois a entendu limiter les situations dans lesquelles le Conseil d'Etat est en droit d'édicter des ordonnances législatives indépendantes. Ainsi, comme on l'a vu, l'
art. 125 Cst./GE
autorise l'adoption de règlements de police, les
art. 119 et 122 Cst./GE
traitent de la réglementation de l'administration et l'
art. 128 Cst./GE
confie les relations extérieures du canton au Conseil d'Etat (cf. VINCENT MARTENET, La conclusion des conventions internationales et intercantonales au regard de la séparation des pouvoirs, spécialement dans le canton de Genève, ZBl 4/2011 p. 173 ss, 201 s.; WAELTI, op. cit., p. 137). Au-delà des hypothèses expressément envisagées par la Cst./GE, les compétences normatives du Conseil d'Etat se limitent à l'exécution et à la concrétisation des lois adoptées par le Grand Conseil. Il est partant permis d'exclure toute lacune véritable de la part du constituant s'agissant des compétences normatives attribuées au Conseil d'Etat. L'existence d'une coutume constitutionnelle qui, comme en l'espèce, permettrait d'étendre les compétences législatives du Conseil d'Etat au détriment de la répartition des compétences régie par la Constitution genevoise -, de surcroît dans un domaine soumis à la réserve de la loi en raison de la délégation d'une tâche de l'administration à des particuliers -, doit par conséquent être réfutée.
BGE 138 I 196 S. 205
4.6
Au vu de ce qui précède, c'est à bon droit que la Cour de Justice a retenu que le RTJ/GE était dénué de toute base constitutionnelle ou légale, en violation du principe de la séparation des pouvoirs, et qu'elle a annulé l'arrêté du 20 avril 2011 appliquant ledit règlement. Les griefs du recourant doivent être écartés sur ce point. | mixed |
feba9b13-1a6f-4948-836d-b2adb630f795 | Sachverhalt
ab Seite 119
BGE 128 IV 117 S. 119
A.-
Il 17 gennaio 2001, il Presidente della Corte delle assise correzionali di Leventina, riunita a Bellinzona, riconosceva B. colpevole in particolare:
- di tratta di essere umani per aver compiuto la tratta di 20 donne, tra novembre 1998 e maggio 2000, nell'Osteria Y. a X., da lei gestita congiuntamente a A. e, tra settembre 1998 e maggio 2000, di altre 38 donne in vari locali ticinesi;
- di riciclaggio di denaro per avere inviato all'estero almeno fr. 10'000.- di origine criminosa; e
- d'infrazione e contravvenzione alla legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri, per avere favorito l'entrata e il soggiorno illegale di 6 donne nell'Osteria Y., per avere impiegato circa 60 donne straniere non autorizzate a lavorare in Svizzera, per avere illegalmente soggiornato lei stessa in Svizzera dal 26 ottobre al 5 novembre 1998 e per avere esercitato un'attività lavorativa senza permesso tra il 26 luglio e il 26 ottobre 1998.
Egli riconosceva altresì A. colpevole in particolare:
- di tratta di esseri umani per aver compiuto la tratta di 20 donne, tra novembre 1998 e maggio 2000, nell'Osteria Y. a X., da lui gestita congiuntamente a B., e, tra agosto e settembre 1999, di altre 5 o 6 donne nello stesso esercizio pubblico;
- di riciclaggio di denaro per avere inviato all'estero almeno fr. 10'000.- di origine criminosa; e
- d'infrazione e contravvenzione alla legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri per avere favorito l'entrata e il soggiorno illegale di almeno 6 donne nell'Osteria Y., per avere impiegato senza autorizzazione il cittadino lettone D., oltre a circa 60 donne lettoni e un imprecisato numero di donne dell'America latina, stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera.
A ragione di questi fatti, il Presidente della Corte delle assise condannava, computato il carcere preventivo sofferto, B. a 18 mesi di detenzione, al pagamento di una multa di fr. 7'000.- e all'espulsione dal territorio svizzero per 3 anni, e A. a 14 mesi di detenzione nonché al pagamento di una multa di fr. 5'000.-. L'esecuzione delle pene detentive nonché l'espulsione pronunciata nei confronti di B. venivano sospese con un periodo di prova di 2 anni.
B.-
Il 29 maggio 2001, la Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (in seguito: CCRP) accoglieva i ricorsi di B. e di A., respingeva il ricorso del Ministero pubblico e riformava parzialmente la sentenza del Presidente della Corte delle assise. Essa proscioglieva B. dall'imputazione di tratta di esseri
BGE 128 IV 117 S. 120
umani nonché di riciclaggio di denaro e la condannava alla pena di 2 mesi di detenzione, computato il carcere preventivo sofferto, all'espulsione dalla Svizzera per 3 anni, entrambe sospese condizionalmente con un periodo di prova di 2 anni, e al pagamento di una multa di fr. 4'000.-. La Corte cantonale proscioglieva altresì A. dall'imputazione di tratta di esseri umani e di riciclaggio di denaro e lo condannava alla pena di 2 mesi di detenzione, computato il carcere preventivo sofferto, sospesa condizionalmente per un periodo di prova di 2 anni, nonché al pagamento di una multa di fr. 4'000.-.
C.-
Con tempestivo ricorso per cassazione, il Ministero pubblico del Cantone Ticino (in seguito: Ministero pubblico) è insorto dinanzi il Tribunale federale contro la decisione della CCRP chiedendone l'annullamento.
D.-
Il Tribunale federale ha accolto, parzialmente e nella misura della sua ammissibilità, il ricorso per cassazione. Erwägungen
Dai considerandi:
2.
a) La CCRP ha annullato la condanna dei resistenti per tratta di esseri umani, reato perseguito all'
art. 196 CP
. Richiamando la recente giurisprudenza pubblicata in
DTF 126 IV 225
e ancora sconosciuta all'epoca della decisione sul merito, essa ha ribadito che la tratta di esseri umani presuppone un'offesa al diritto all'autodeterminazione in campo sessuale; non è quindi punibile chi si occupa d'ingaggiare o di trasferire delle prostitute se esse hanno dato il proprio assenso con cognizione di causa. Fondandosi sugli accertamenti di prima istanza, la Corte cantonale ha ritenuto che le giovani donne avevano scelto liberamente di venire in Ticino e di dedicarsi alla prostituzione per cui, oggettivamente, non vi erano gli estremi per applicare l'
art. 196 CP
.
b) Il Ministero pubblico sostiene che l'
art. 196 CP
deve essere interpretato alla luce dell'art. 1 cpv. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933 concernente la repressione della tratta delle donne maggiorenni (RS 0.311.34; in seguito: "Convenzione dell'11 ottobre 1933") che postula espressamente la punibilità del reato di tratta di esseri umani anche nell'ipotesi in cui le giovani donne abbiano acconsentito liberamente di prostituirsi. La
DTF 126 IV 225
concerneva un caso interno, ossia il trasferimento di prostitute ungare da uno stabilimento svizzero all'altro. La fattispecie in esame si estende al di là del territorio nazionale; pertanto, in applicazione della Convenzione
BGE 128 IV 117 S. 121
dell'11 ottobre 1933, i presupposti della tratta di esseri umani sarebbero adempiuti nonostante il consenso delle interessate.
3.
a) Secondo l'art. 1 cpv. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933 deve essere punito chiunque, allo scopo di favorire l'altrui libidine, arruola, rapisce o svia, anche col suo consenso, una donna o una giovane maggiorenne per trarla alla prostituzione in un altro paese. La Convenzione dell'11 ottobre 1933 completa l'Accordo internazionale del 18 maggio 1904 inteso a garantire una protezione efficace contro il traffico criminale conosciuto sotto il nome di tratta delle bianche (RS 0.311.31; in seguito: "Accordo internazionale del 18 maggio 1904"), la Convenzione internazionale del 4 maggio 1910 per la repressione della tratta delle bianche (RS 0.311.32; in seguito: "Convenzione del 4 maggio 1910") e la Convenzione internazionale per la repressione della tratta delle donne e dei fanciulli del 30 settembre 1921 (RS 0.311.33; in seguito: "Convenzione del 30 settembre 1921"). Storicamente, siffatti strumenti s'inserivano nell'ambito della lotta contro il traffico e lo sfruttamento di donne a livello internazionale, lotta resa necessaria dalla constatazione, alla fine del XIX e all'inizio del XX secolo, dell'esistenza di vere e proprie organizzazioni che attiravano giovani donne con vantaggiose offerte di lavoro all'estero come governanti, istitutrici, cuoche, cantanti, ecc. Simili offerte erano un pretesto per poi spingerle alla prostituzione. La tratta sfruttava la loro inesperienza e ingenuità nonché le condizioni di miseria in cui vertevano. I trafficanti, ricorrevano all'astuzia, all'inganno, alla minaccia o ad altri mezzi di costrizione per abusare cinicamente e circuire le loro vittime (FF 1924 III 1059-1060). In tale clima, le norme internazionali volevano colmare le lacune di quelle legislazioni nazionali che non prevedevano la punibilità della tratta di esseri umani (v. in particolare gli art. 2 e 3 della Convenzione del 30 settembre 1921). Sotto mira era principalmente il traffico internazionale, più pericoloso per la sua ramificazione al di là delle frontiere. La Convenzione del 4 maggio 1910 auspicava la punibilità del traffico di donne maggiorenni solo se quest'ultime non erano consenzienti, ossia in caso di "inganno, minaccia, abuso di autorità o altro mezzo di costrizione" (art. 2; FF 1924 III 1069-1070). La Convenzione dell'11 ottobre 1933 ha poi esteso la perseguibilità anche ai casi in cui vi era consenso. All'epoca, la Svizzera aveva ratificato tali strumenti internazionali poiché la legge federale del 30 settembre 1925 sulla tratta delle donne e dei fanciulli (RU 42 pag. 9; in seguito: "Legge federale del 30 settembre 1925") perseguiva già la tratta senza distinguere tra donne consenzienti o meno (FF 1934 I 878).
BGE 128 IV 117 S. 122
b) Le Convenzioni testé citate non sono direttamente applicabili (sulla nozione v. ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. I, Berna 2000, pagg. 452-454), ma esortano il legislatore svizzero a concretizzare i principi universali in esse contenuti (FF 1924 III 1067 nonché art. 2 e 3 della Convenzione del 30 settembre 1921). L'interpretazione delle norme e dei principi penali deve essere, nella misura del possibile, conforme al diritto costituzionale e convenzionale (
DTF 127 IV 66
consid. 2g;
DTF 126 IV 236
consid. 4;
DTF 118 IV 153
consid. 4c;
DTF 106 Ia 33
consid. 2 e 3). All'epoca della Costituzione previgente, il Tribunale federale ha ribadito a più riprese che la Confederazione non può sottrarsi ai suoi obblighi internazionali invocando il diritto interno: quest'ultimo deve essere interpretato anzitutto in modo conforme alle norme internazionali (
DTF 125 II 417
consid. 4c). In caso di conflitto, esse prevalgono, comunque e in linea di massima, sul diritto interno e la regola nazionale non conforme non va applicata. Questa soluzione si giustifica ancor più se la norma internazionale tende a proteggere i diritti dell'uomo. Non fu tuttavia decisa la questione se tale modo di procedere dovesse estendersi anche ad altri campi (
DTF 125 II 417
consid. 4d). Fu poi lasciato indeciso il quesito se e in quale misura il diritto convenzionale possa "correggere" una norma del Codice civile (
DTF 125 III 209
consid. 6e). Il 12 marzo 2000 la modifica della Costituzione concernente la riforma della giustizia è stata accettata. Contrariamente alla proposta del Consiglio federale, essa non prevede l'introduzione della giurisdizione costituzionale. La questione se la decisione politica debba avere delle conseguenze sulla giurisprudenza anteriore in materia di conflitto tra diritto interno e internazionale può, per il momento, rimanere irrisolta. Infine, è d'uopo ribadire che nell'ambito penale il principio nullum crimen sine lege esclude, in mancanza di una disposizione specifica di diritto interno, la punibilità di un comportamento esclusivamente in base ad un testo internazionale, in ogni caso quando tale testo non è direttamente applicabile (v. in generale
DTF 127 IV 198
consid. 3b).
4.
a) Conformemente ai suoi obblighi internazionali, il legislatore svizzero ha adottato, ultimo in data, l'
art. 196 CP
che prevede la condanna alla reclusione o alla detenzione non inferiore a 6 mesi di chi, per favorire l'altrui libidine, esercita la tratta di esseri umani. Tale disposizione concretizza i dettami contenuti in particolare nella Convenzione dell'11 ottobre 1933; conferisce, tra l'altro, al principio della punibilità della tratta una portata più vasta di quella
BGE 128 IV 117 S. 123
convenzionale poiché estesa a tutti gli esseri umani, cioè a ogni individuo indipendentemente dall'età e dal sesso (FF 1985 II 978). I presupposti del reato di cui all'
art. 196 CP
, interpretato anche alla luce della
DTF 126 IV 225
, sono adempiuti allorquando viene pregiudicato il diritto all'autodeterminazione nel campo sessuale della persona interessata (FF 1985 II 956; sulla nozione di tratta di esseri umani v. anche infra consid. 6; nonché GUIDO JENNY, Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie: Art. 187-200,
Art. 213-220 CP
, in Guido Jenny, Martin Schubarth, Peter Albrecht, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, vol. 4, Berna 1997, ad
art. 196 CP
, n. 5 e 6; JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Delikte gegen den Einzelnen, 7a ed., Zurigo 1997, pagg. 413-414; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5a ed., Berna 1995, pagg. 174-176, n. 19 e 21). Ciò avviene esclusivamente quando un essere umano è sfruttato come vera e propria mercanzia, in particolare se tenuto all'oscuro di ciò che l'attende, se poco informato o se, per altre ragioni, incapace di difendersi (
DTF 126 IV 225
consid. 1d). Più precisamente nel caso di donne che si prostituiscono, la loro libertà all'autodeterminazione sessuale non è infranta se acconsentono al trasferimento da un postribolo all'altro con l'aiuto di un mediatore. Questo principio vale, tuttavia, solo se esse si dedicano spontaneamente alla prostituzione e, dietro compenso, ricorrono a intermediari per cambiare posto di lavoro alla stessa stregua di quanto capita nell'ambito di altre professioni. Una simile analogia deve tuttavia essere relativizzata tenendo presente la peculiarità del settore della prostituzione, ove le persone che vi si dedicano sono confrontate alla discriminazione e alla condanna morale da cui possono risultare un serio isolamento e una dipendenza personale nonché finanziaria da protettori, tenutari di postriboli e gestori di saloni di massaggio. Le prostitute che soggiornano illegalmente in Svizzera sono le più esposte (v. anche TIZIANO CRAMERI, Immissioni moleste legate all'esercizio della prostituzione, con particolare riferimento alle zone abitative, in RDAT 2000 I pagg. 168-169). La questione se la libertà sessuale sia lesa deve quindi essere decisa in funzione delle circostanze concrete; il consenso formale della vittima non basta, è imperativo accertare che tale consenso sia effettivamente libero da costrizioni (
DTF 126 IV 225
consid 1d).
b) L'
art. 196 CP
deve essere interpretato tenendo conto delle circostanze attuali (
DTF 105 Ib 49
consid. 5a), avendo tuttavia come sfondo l'armonizzazione tra diritto interno e internazionale.
BGE 128 IV 117 S. 124
Come testé ribadito (v. supra consid. 3a), lo scopo del legislatore internazionale all'inizio del XX secolo era quello di lottare e ostacolare il commercio di donne provenienti dai paesi poveri, ove difettavano le risorse intellettuali ed economiche, nei postriboli dei paesi più ricchi (FF 1924 III 1060; v. anche
DTF 96 IV 118
consid. 2b). La stessa prostituzione era un'attività moralmente condannata e le attività connesse, quali il lenocinio, erano in alcuni casi penalmente perseguibili (v. ad esempio, gli art. 198 segg. vCP). I trafficanti, creando una vera e propria rete internazionale, approfittavano delle condizioni sociali testé descritte con astuzia e sfrontato cinismo per circuire ed ingannare giovani donne sul loro destino (FF 1924 III 1060). Date le difficoltà riscontrate nel determinare se esse fossero effettivamente vittime d'inganni o di pressioni, quest'ultime non volendo parlare per paura di rappresaglie o dell'intervento delle autorità di polizia, la punibilità della tratta fu resa indipendente dal consenso (FF 1934 I 882e art. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933).
Ancor oggi e conformemente alla giurisprudenza pubblicata in
DTF 126 IV 225
, i presupposti del reato di tratta di esseri umani possono essere adempiuti in presenza di giovani donne consenzienti, se il loro consenso è viziato. Per potere escludere con la massima certezza una qualsiasi relazione di dipendenza che intaccherebbe il libero consenso, le autorità devono prestare un'attenzione accresciuta alle condizioni, in particolare sociali ed economiche, in cui le donne accettano di essere arruolate per prostituirsi (
DTF 126 IV 225
consid. 1d). La tratta di esseri umani impone che le eventuali vittime siano messe sul mercato e sfruttate come vera e propria mercanzia (FF 1924 III 1068). Tale non può manifestamente essere il caso se esse sono consapevoli e consenzienti e, pertanto, libere nell'esercizio del loro diritto all'autodeterminazione sessuale. L'
art. 196 CP
interpretato alla luce della nozione di consenso effettivo rispetta gli obblighi internazionali assunti dalla Svizzera e, come si vedrà qui di seguito, s'inserisce perfettamente nell'evoluzione normativa attuale.
aa) Il Codice penale tedesco esige che venga esercitata un'influenza sulla capacità di determinarsi della vittima (v. art. 180b e 181); il solo fatto di arruolare senza esercitare pressioni di alcun genere non è sufficiente. Non vi è tratta di esseri umani, poiché non esiste bene giuridico degno di protezione, quando la giovane donna, senza essere motivata da uno stato di bisogno o di vulnerabilità, acconsente pienamente a prostituirsi all'estero per migliorare la
BGE 128 IV 117 S. 125
propria situazione (v. ADOLF SCHÖNKE/HORST SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26a ed., Monaco 2001, § 181, n. 14; REINHART MAURACH/FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER/MANFRED MAIWALD, Strafrecht, Besonderer Teil, vol. 1, 8a ed., Heidelberg 1995, § 22 I, n. 35). In Austria, il reato di tratta di esseri umani sembra avere una portata più ampia poiché il consenso nella speranza di migliori possibilità di guadagno non esclude di regola la perseguibilità (THOMAS PHILIPP, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2a ed., Vienna 2001, 32simo fascicolo, § 217, n. 10). Simile portata non è tuttavia esente da critica (PHILIPP, op. cit., § 217, n. 6). La legislazione francese è irrilevante ai fini della presente causa poiché il reato di lenocinio, consistente tra l'altro nell'aiutare, assistere e proteggere colui che si prostituisce ricavandone un profitto, è tutt'oggi perseguibile (
art. 225-5 a 225
-10 del nuovo Codice penale francese). Lo stesso vale per il Codice penale italiano, il quale sanziona i reati d'istigazione, favoreggiamento e sfruttamento della prostituzione (
art. 531-534 del
Codice penale italiano); una disposizione speciale prevede tuttavia la punibilità della tratta di donne e di minori, ma solamente in caso di violenza, minaccia o inganno (
art. 536 del
Codice penale italiano).
bb) In seno alle istanze europee e internazionali si profila una nozione di tratta di esseri umani che esclude la punibilità se il consenso è effettivo. La Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996 sulla tratta di esseri umani (Gazzetta ufficiale, n. C 032 del 5 febbraio 1996, pag. 88; in seguito: "Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996") la definisce come "l'atto illegale di chi, direttamente o indirettamente, favorisce l'entrata o il soggiorno di un cittadino proveniente da un paese terzo ai fini del suo sfruttamento utilizzando l'inganno o qualunque altra forma di costrizione o abusando di una situazione di vulnerabilità o incertezza amministrativa". Il 22 gennaio 2001 la Commissione ha proposto al Consiglio e al Parlamento dell'Unione europea una decisione quadro sulla lotta alla tratta degli esseri umani (in seguito: "Decisione quadro") la quale prevede all'art. 2, intitolato "Reati relativi alla tratta degli esseri umani a fini di sfruttamento sessuale", l'obbligo per ciascun Stato membro di adottare le misure necessarie affinché il reclutamento, il trasporto o il trasferimento di una persona siano puniti come reato qualora sia fatto uso di coercizione, violenza o minacce, d'inganno o frode, oppure di pressioni o influenze abusive qualunque sia la loro forma. La Raccomandazione del 19 maggio 2000 n. R (2000) 11 del Comitato dei Ministri del Consiglio dell'Europa sulla lotta contro la tratta di esseri umani ai fini di
BGE 128 IV 117 S. 126
sfruttamento sessuale (in seguito: "Raccomandazione del Consiglio dell'Europa n. R (2000) 11") definisce la tratta come l'arruolamento di persone, quand'anche consenzienti, in vista del loro sfruttamento sessuale, se del caso ricorrendo a forme di costrizione quali violenza, minaccia, abuso di autorità o di una situazione di vulnerabilità. La Raccomandazione 1325 (1997) relativa alla tratta delle donne e alla prostituzione coatta negli Stati membri del Consiglio dell'Europa adottata dall'Assemblea parlamentare il 23 aprile 1997 (in seguito: "Raccomandazione del Consiglio dell'Europa 1325 (1997)") proponeva già la stessa definizione. Il Protocollo aggiuntivo relativo alla lotta contro la tratta di persone in particolare di donne e bambini alla Convenzione delle Nazioni Unite contro la criminalità transnazionale organizzata (Doc. ONU AC.254/4 Add. 3, 24 settembre 1999) (in seguito: "Protocollo aggiuntivo relativo alla Convenzione delle Nazioni Unite") precisa infine che il consenso della vittima è indifferente allorquando vi sia minaccia, utilizzo della forza, rapimento, frode, inganno, abuso di autorità o di una situazione di vulnerabilità (art. 3 lett. a e b).
cc) Risulta dalla panoramica di diritto comparato e internazionale che di regola i presupposti della tratta di esseri umani sono adempiuti nonostante l'accordo dell'interessata se viene sfruttata una "situazione di vulnerabilità". Quest'ultima può derivare da condizioni economiche o sociali difficili o da rapporti di dipendenza personale e/o finanziari costrittivi. In assenza di una qualsiasi vulnerabilità, non sussiste reato poiché, dato l'incontestato diritto all'autodeterminazione nel campo sessuale, non sussiste bene giuridico da proteggere.
c) La portata dell'
art. 196 CP
sviluppata nella
DTF 126 IV 225
rispecchia perfettamente questa evoluzione: non vi è tratta di esseri umani solo se non viene pregiudicato il diritto all'autodeterminazione sessuale della persona interessata, ossia in assenza di una qualsiasi forma di abuso, minaccia o sfruttamento di una situazione di vulnerabilità. Il consenso deve corrispondere effettivamente alla volontà delle prostitute, le quali devono essere adeguatamente informate sul loro destino e coscienti di quello che le aspetta senza essere influenzate da condizioni di debolezza o d'incertezza. La nozione di consenso deve essere interpretata in modo restrittivo tenendo conto dei molteplici rapporti di dipendenza in cui esse possono trovarsi, soprattutto se straniere (
DTF 126 IV 225
consid. 1c in fine). Nel caso di persone che si recano all'estero per prostituirsi, il consenso effettivo deve essere ammesso con estrema prudenza poiché il rischio
BGE 128 IV 117 S. 127
di sfruttamento di una situazione di povertà è particolarmente acuto (v. per analogia con il diritto tedesco anche SCHÖNKE/SCHRÖDER, op. cit., § 180b, n. 12). Tale interpretazione è conforme ai principi enunciati nelle Convenzioni internazionali ratificate dalla Svizzera interpretate alla luce delle circostanze attuali e non vi è ragione di scostarvisi. Non vi è luogo nemmeno, come sostiene il Ministero pubblico, di differenziare dal punto di vista della perseguibilità la tratta interna da quella internazionale. Come rileva a ragione la CCRP, una siffatta soluzione sarebbe iniqua poiché permetterebbe di punire l'intermediario che colloca in un postribolo una donna proveniente dall'estero, mentre chi, come nella
DTF 126 IV 225
, si adopera per trasferire una prostituta da uno stabilimento all'altro sul territorio svizzero andrebbe esente da pena. Ma non solo. Essa sarebbe contraria agli stessi principi sanciti nella Convenzione dell'11 ottobre 1933: già a quell'epoca il legislatore internazionale qualificava d'inammissibile che un paese perseguisse in modo diverso il traffico esterno da quello interno (FF 1924 III 1067in fine). Essa contravverrebbe altresì allo scopo perseguito dall'
art. 196 CP
, ossia punire il rifornimento di merce umana per i postriboli in tutto il mondo (
DTF 96 IV 118
consid. 2b in merito al previgente
art. 202 CP
).
5.
a) La CCRP ha annullato la condanna dei resistenti per tratta di esseri umani poiché le ragazze che arrivavano all'Osteria Y. o in altri postriboli ticinesi sapevano a quali condizioni dovevano prostituirsi e non hanno subito costrizioni o pressioni né sono state influenzate da un qualsiasi rapporto di dipendenza. Esse si prostituivano liberamente, non venivano loro imposti clienti, non furono mai minacciate o percosse e decidevano in modo autonomo delle loro prestazioni, in particolare della durata e del prezzo. Tali elementi non sono tuttavia sufficienti per escludere i presupposti della tratta di esseri umani quali testé delimitati.
b) È d'uopo premettere che in materia di tratta di esseri umani, un'attenzione particolare è necessaria quando il suo oggetto sono le donne e i bambini provenienti dai paesi in via di sviluppo e dai paesi dell'Europa centrale e orientale (v. anche consid. 9 della Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996).
c) È accertato in modo insindacabile (art. 273 cpv. 1 lett. b e 277bis cpv. 1 della legge federale del 15 giugno 1934 sulla procedura penale [PP; RS 312.0]) che le ragazze si prostituivano per povertà. È altresì accertato che nel periodo tra novembre 1998 e maggio 2000 i resistenti hanno provocato ed organizzato la venuta in Svizzera di
BGE 128 IV 117 S. 128
circa 87 ragazze. Di queste, circa 43 hanno trovato posto di lavoro all'Osteria Y., 20 circa grazie all'intermediazione di terzi, mentre le altre furono ingaggiate direttamente dalla resistente. Di sua iniziativa, essa svolse anche un'attività in proprio procurando 38 ragazze provenienti dai paesi dell'Est a diversi postriboli del Cantone Ticino. Il resistente, dal canto suo, ingaggiò da solo ancora 5/6 ragazze. Si trattava di un'operazione di chiara importanza, per il sovrappiù ben strutturata con una rete d'intermediari efficiente. Tutte le ragazze provenivano dall'Europa dell'Est, in particolare dalla Lettonia. Esse giungevano in Svizzera per sfuggire a condizioni economiche difficili e migliorare così la loro situazione. Tenuto conto che la resistente stessa, di nazionalità lettone, era venuta in Svizzera per prostituirsi a causa della sua disastrosa situazione finanziaria, gli accusati hanno coscientemente approfittato dell'evidente stato di necessità delle giovani donne. Quest'ultime non potevano tra l'altro ragionevolmente rappresentarsi un quadro completo di quello che avrebbero vissuto una volta sul suolo elvetico. Ispirato da una situazione di vulnerabilità dovuta alle accertate precarie condizioni economiche, il loro consenso non può essere considerato come effettivo. Al riguardo non è necessario, come sembra sostenere la CCRP, che le ragazze vertessero in uno stato di miseria tale da essere ridotte a una specie di schiavitù equiparata a quella vissuta dalle donne provenienti dai paesi del terzo mondo. Visto anche il numero di prostitute implicate e la durata del traffico, la fattispecie è un tipico caso di tratta di esseri umani. Il proscioglimento dei resistenti dall'imputazione del reato di cui all'
art. 196 CP
, le ragazze avendo liberamente acconsentito alla loro venuta in Svizzera per dedicarsi alla prostituzione, viola pertanto il diritto federale. L'autonomia che le giovani donne godevano nell'esercizio della loro attività è rilevante solo per la commisurazione della pena.
6.
a) Resta da esaminare se i presupposti dell'
art. 196 CP
debbano estendersi alla totalità delle ragazze la cui venuta in Svizzera era stata organizzata dai resistenti, ossia a tutte le 87, oppure se in applicazione della
DTF 96 IV 118
quest'ultimi debbano essere prosciolti - come fu il caso in prima istanza - dall'imputazione di tratta per le 20 ragazze giunte all'Osteria Y. grazie alla loro intermediazione diretta, anticipando loro il denaro per il viaggio e le piccole spese. Il Ministero pubblico contesta l'applicazione della
DTF 96 IV 118
alla fattispecie. La CCRP non ne ha trattato, poiché ha considerato come non adempiuti i presupposti del reato di cui all'
art. 196 CP
.
BGE 128 IV 117 S. 129
b) Nella
DTF 96 IV 118
, resa sotto l'imperio del diritto previgente, il Tribunale federale escluse dalla nozione di tratta l'attività consistente nell'ingaggiare delle prostitute per il proprio postribolo. La fattispecie in esame concerneva l'impiego di prostitute arruolate in Africa dal gestore di un postribolo per prostituirsi nel suo locale in Svizzera. Due interpretazioni erano a confronto: quella più restrittiva per cui il gestore che arruola e ingaggia delle prostitute per il suo postribolo non è colpevole di tratta di esseri umani, quest'ultima presupponendo un vero e proprio commercio con l'intervento di un intermediario; e quella più estesa per cui la tratta di esseri umani ha una portata più larga che la nozione usuale di commercio dati i comportamenti tipici che ne costituiscono le varie fasi, ossia il fatto di arruolare, allettare o rapire (
DTF 96 IV 118
consid. 1). Il Tribunale federale, dopo aver proceduto all'interpretazione storica e teleologica della norma previgente e avere ribadito che le due accezioni si fondavano su motivi altrettanto validi, optò per quella restrittiva (
DTF 96 IV 118
consid. 2).
c) Fino ad oggi non si era presentata l'occasione per riesaminare tale giurisprudenza nell'ambito del nuovo
art. 196 CP
, il quale ha comunque essenzialmente ripreso i presupposti dell'art. 202 vCP (FF 1985 II 976 nonché JENNY, op. cit., ad
art. 196 CP
, n. 5 e rinvii).
d) Le disposizioni in materia di repressione della tratta di esseri umani sono state concepite per armonizzare la legislazione svizzera alle regole internazionali vigenti in tale ambito (FF 1924 III 1078e FF 1934 I 877). Lo scopo era, ed è ancor oggi, di perseguire la tratta di esseri umani con la medesima efficienza, che essa si svolga all'interno del confine svizzero o si estenda al di là del territorio nazionale (FF 1924 II 1067). Furono così adottate dapprima la Legge federale del 30 settembre 1925 (FF 1934 II 878) in seguito l'art. 202 vCP (
DTF 96 IV 118
consid. 2a) e, infine, l'
art. 196 CP
attualmente in vigore. L'imperativo per il legislatore svizzero di tenere conto delle convenzioni internazionali in questo settore è stato altresì ribadito al momento dell'adozione di quest'ultima disposizione (FF 1985 II 978). La nozione di tratta di esseri umani deve essere quindi interpretata avendo come sfondo l'essenziale armonizzazione tra diritto interno e internazionale; questo aspetto è stato in parte trascurato a torto nella
DTF 96 IV 118
.
aa) Esiste oramai una nozione internazionale di tratta di esseri umani. Già la Convenzione del 4 maggio 1910 definiva tale attività come l'atto di colui che, allo scopo di favorire l'altrui libidine, arruola, sottrae o rapisce una donna (art. 1). La Convenzione
BGE 128 IV 117 S. 130
dell'11 ottobre 1933 riprendeva sostanzialmente gli stessi termini (art. 1). Come testé visto (v. supra consid. 4b/bb), i testi internazionali più recenti riproducono una nozione di ancor più larga portata. In virtù del Protocollo aggiuntivo alla Convenzione delle Nazioni Unite l'attività di tratta si estende all'arruolamento, al trasporto o al trasferimento, ivi compreso al dare alloggio, ai fini di approfittare della prostituzione altrui (art. 3 lett. a). L'art. 1 della Raccomandazione del Consiglio dell'Europa no R (2000) 11 riprende essenzialmente lo stesso concetto. La Raccomandazione del Consiglio dell'Europa 1325 (1997) definisce la tratta come il trasferimento legale o illegale di donne e/o il loro commercio in vista di un profitto commerciale. La Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996 qualifica la tratta come l'atto illegale di chi, direttamente o indirettamente, favorisce l'entrata o il soggiorno di una persona ai fini del suo sfruttamento. Nella costellazione internazionale un'attività consistente in un vero e proprio "commercio" inteso nel senso della
DTF 96 IV 118
non è indispensabile: il solo fatto di arruolare, trasportare o trasferire può già essere costitutivo di tratta. Per cui l'attività di un gestore che ingaggia e arruola all'estero delle prostitute per il proprio postribolo rientra nel campo di applicazione della nozione di tratta di esseri umani consacrata nei testi internazionali, a condizione tuttavia che le ragazze non siano consenzienti o meglio che il loro consenso appaia viziato.
bb) La nozione di tratta di esseri umani dell'
art. 196 CP
deve essere interpretata alla luce di quanto precede. Siffatta interpretazione s'impone anche tenuto conto delle circostanze economiche e sociali attuali (
DTF 105 Ib 49
consid. 5a). La tratta di esseri umani è divenuta per un numero sempre maggiore di persone una fonte di lucro di forte attrattiva. Il fenomeno è favorito altresì dalla globalizzazione e dalle tecnologie moderne. Il commercio di donne provenienti da paesi lontani, quand'anche apparentemente consenzienti, per dedicarsi alla prostituzione assume sfaccettature sempre più complesse e raffinate. In particolare, proliferano organizzazioni specializzate che si occupano delle varie fasi indispensabili all'arruolamento e al piazzamento di prostitute in vari locali, di regola di loro proprietà. Ostacolare, perseguendo penalmente i responsabili, la proliferazione di un simile traffico, quand'anche con modalità diverse, era già la preoccupazione essenziale del legislatore all'inizio del XX secolo (
DTF 96 IV 118
consid. 2a). In virtù dell'interpretazione sviluppata nella
DTF 96 IV 118
, i responsabili di queste organizzazioni ben strutturate e capaci di portare a buon fine l'intero
BGE 128 IV 117 S. 131
processo di tratta, dal reclutamento sul posto fino all'ingaggio, non sarebbero punibili ai sensi dell'
art. 196 CP
. Sarebbero invece perseguibili coloro che, non potendo usufruire di una vasta rete organizzativa, si limitassero a fornire prostituite a vari locali del nostro paese. Siffatto risultato, il cui carattere iniquo è manifesto, non poteva essere voluto dalla
DTF 96 IV 118
, la quale, è bene ribadirlo, si fondava sull'interpretazione storica e teleologica dell'art. 202 vCP che s'inscriveva in un'epoca ben diversa da quella attuale.
cc) Discende da quanto precede che la nozione di tratta di esseri umani di cui all'
art. 196 CP
deve essere estesa anche al caso di chi, come nella fattispecie, arruola all'estero giovani donne in situazione di vulnerabilità, organizza la loro venuta in Svizzera e le ingaggia, affinché si prostituiscano, nel proprio postribolo, indifferentemente che egli agisca con l'aiuto di un intermediario prezzolato o direttamente. Di primo acchito, l'attività dei resistenti adempie indistintamente tali presupposti e come tale deve essere perseguita. Incomberà all'autorità cantonale di esaminare la questione tenendo conto delle considerazioni che precedono.
7.
a) Per quanto concerne la pretesa violazione dell'
art. 305bis CP
, è d'uopo ribadire che il reato di riciclaggio di denaro ha per fine la sottrazione all'autorità penale del provento di un crimine. Qualsiasi atto suscettibile di vanificare l'accertamento dell'origine, il ritrovamento o la confisca di valori patrimoniali costituisce oggettivamente un atto di riciclaggio (
DTF 119 IV 59
consid. 2, 242 consid. 1e). Ciò non necessita di operazioni finanziarie complicate: anche gli atti più semplici, come l'occultazione del bottino, possono essere adeguati (
DTF 122 IV 211
consid. 3b/aa). Tutti i valori patrimoniali provenienti da un crimine possono costituire oggetto di riciclaggio (
DTF 119 IV 242
consid. 1b). Il reato di riciclaggio è un reato di esposizione a pericolo astratto; il comportamento è punibile a questo titolo anche se l'atto vanificatorio non ha raggiunto il suo scopo (
DTF 127 IV 20
consid. 3;
DTF 119 IV 59
consid. 2e). È compito della giurisprudenza di sviluppare una casistica di atti vanificatori tipici (FF 1989 II 859). Fino ad oggi l'atto di riciclaggio è stato riconosciuto nei casi in cui i valori patrimoniali sono stati occultati (
DTF 127 IV 20
consid. 3;
DTF 122 IV 211
consid. 2b;
DTF 119 IV 59
consid. 2e), investiti (
DTF 119 IV 242
consid. 1d) e cambiati con banconote di taglio differente (
DTF 122 IV 211
consid. 2c). Al contrario, non è un atto di riciclaggio il semplice versamento su un conto bancario personale (
DTF 124 IV 274
consid. 4) o il solo possesso, rispettivamente la custodia, di valori (sentenza del Tribunale federale
BGE 128 IV 117 S. 132
6S.595/1999 del 24 gennaio 2000, consid. 2d/aa). Il reato di cui all'
art. 305bis CP
può essere adempiuto anche, come nella fattispecie, nei confronti di chi ricicla valori patrimoniali provenienti da un crimine da lui stesso perpetrato (
DTF 124 IV 274
consid. 3;
DTF 120 IV 323
consid. 3; MARTIN SCHUBARTH, Geldwäscherei - Neuland für das traditionelle kontinentale Strafrechtsdenken, in Festschrift für Günter Bemmann, Joachim Schulz/Thomas Vormbaum ed., Baden-Baden 1997, pagg. 430-435).
b) Il giudice di merito ha qualificato di atto di riciclaggio il denaro inviato all'estero ai famigliari della resistente. Tale comportamento di per se è oggettivamente suscettibile di sottrarre il provento della tratta di esseri umani all'amministrazione della giustizia, ossia d'impedire di scoprire il legame esistente tra il crimine e i valori patrimoniali che ne sono il prodotto (
DTF 124 IV 274
consid. 2;
DTF 127 IV 20
consid. 3a; BERNARD CORBOZ, Les principales infractions, vol. II, Berna 1999, ad
art. 305bis CP
, n. 25; JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäscherei [StGB Art. 305bis], in Niklaus Schmid, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, vol. 1, Zurigo 1998, n. 315 segg.).
c) Il Ministero pubblico insorge contro l'ammontare stabilito "prudenzialmente" a fr. 10'000.-. La CCRP, avendo prosciolto dei resistenti del reato che presuppone il riciclaggio ossia quello previsto all'
art. 196 CP
, non ha esaminato la questione.
d) Tenuto conto dell'esito della presente causa e del conseguente rinvio per quanto concerne l'applicazione dell'
art. 196 CP
, la CCRP dovrà confrontarsi ex novo con l'imputazione di riciclaggio di denaro. Non è quindi possibile trattare il gravame del Ministero pubblico su questo punto. Conviene comunque già fin d'ora ribadire alcuni elementi essenziali di cui l'autorità cantonale dovrà tenere conto.
e) Riferendosi alla giurisprudenza pubblicata in
DTF 122 IV 211
, il giudice di merito ha ritenuto che i trasferimenti all'estero del denaro guadagnato con la tratta di esseri umani destinati a compensare gli intermediari nonché gli invii degli anticipi per le spese di viaggio e l'evidenza dei fondi alle prostitute erano indispensabili per compiere o concludere la tratta e, pertanto, non costitutivi di riciclaggio.
f) Tale conclusione, sostanzialmente criticata dal Ministero pubblico, non è conforme al diritto federale. Essa travisa in particolare la giurisprudenza pubblicata nella
DTF 122 IV 211
relativa al traffico di stupefacenti e al suo finanziamento con denaro riciclato, ove
BGE 128 IV 117 S. 133
è precisato che il riciclaggio non deve essere qualificato di comportamento necessario a tale traffico in quanto si riferisce a una fattispecie distinta che concerne unicamente gli atti suscettibili di ostacolare l'identificazione di valori patrimoniali ottenuti con un crimine (
DTF 122 IV 211
consid. 3). La disposizione sulla tratta degli esseri umani e la disposizione sul riciclaggio hanno per fine la salvaguardia di due beni giuridici distinti, rispettivamente, la protezione delle donne e della loro libertà sessuale e la buona amministrazione della giustizia (
DTF 127 IV 79
consid. 2e e rinvii); pertanto, gli
art. 196 e 305bis CP
sono in concorso perfetto, si delimitano in modo chiaro, hanno scopi autonomi e concernono fattispecie diverse (v. per analogia
DTF 127 IV 79
consid. 2e;
DTF 122 IV 211
consid. 4e). Finanziare la tratta di esseri umani con denaro illecito proveniente dalla tratta stessa o da altre attività illegali non può quindi essere considerato come un atto accessorio antecedente corepresso dall'
art. 196 CP
se lo scopo perseguito è l'occultamento del provento di un crimine (v. per analogia di motivi
DTF 122 IV 211
consid. 4; sulla nozione v. anche PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, 2a ed., Berna 1995, pagg. 340-342). In altre parole, se l'attività di finanziamento della tratta, per quanto possa apparire indispensabile alla sua preparazione, adempie al contempo i presupposti oggettivi e soggettivi dell'
art. 305bis CP
, coloro che vi si dedicano sono punibili sulla base degli
art. 196 e 305bis CP
, applicati in concorso. Ciò vale per l'integralità dell'ammontare trasferito dai resistenti all'estero senza dover distinguere tra i compensi versati agli intermediari e i soldi anticipati alle ragazze o i soldi inviati ai famigliari della resistente. Non è tuttavia accertato se l'importo versato agli intermediari e anticipato alle ragazze fosse effettivamente il provento della tratta di esseri umani. Non sono altresì accertati, allo stadio attuale, i presupposti soggettivi del reato di riciclaggio. Difatti, affinché quest'ultimi siano adempiuti, l'agente deve conoscere l'origine criminosa dei fondi e essere consapevole che il suo atto potrà vanificare l'accertamento dell'origine, il ritrovamento o la confisca dei valori patrimoniali; o quanto meno, in caso di dolo eventuale, egli deve ipotizzarne l'eventualità ed accettarne le conseguenze (FF 1989 II 860;
DTF 119 IV 242
consid. 2;
DTF 122 IV 211
consid. 2e). Tali elementi non sono stati accertati neanche per i fr. 10'000.- considerati di sicura provenienza illecita. Incomberà quindi all'autorità cantonale di esaminare se il reato di riciclaggio può oggettivamente concernere un ammontare superiore a quello stabilito in precedenza - tenendo conto tra l'altro che la tratta
BGE 128 IV 117 S. 134
riguarda in tutto 87 giovani prostitute - e se i resistenti avevano la volontà, foss'anche per dolo eventuale, di riciclare tali proventi.
8.
...
9.
a) Il Ministero pubblico critica infine la condanna dei resistenti per semplice contravvenzione all'art. 23 n. 4 della legge federale del 26 marzo 1931 concernente la dimora e il domicilio degli stranieri (LDDS; RS 142.20) per avere impiegato stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera. L'entrata nonché il soggiorno sul suolo elvetico delle giovani donne provviste di visto da turista erano, a sua mente, illegali poiché esse avevano fin dall'inizio l'intenzione di esercitare un'attività lucrativa. Non potevano quindi beneficiare dello "statuto di favore" di turiste e avrebbero dovuto avvertire le autorità conformemente all'art. 2 cpv. 1 seconda proposizione LDDS. Fornendo loro alloggio, i resistenti avrebbero favoreggiato in particolare la loro entrata e il loro soggiorno illegali, adempiendo così i presupposti del reato di cui all'
art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS
.
b) La questione litigiosa è circoscritta alle prostitute regolarmente annunciate alle autorità e rimaste in Svizzera per una durata non superiore a 3 mesi. È accertato che il loro soggiorno veniva regolarmente notificato, conformemente all'
art. 2 cpv. 2 LDDS
, ma si trattava di semplici notifiche di soggiorni turistici non comprensive dell'annuncio di un'attività lucrativa. È inoltre accertato che esse possedevano un visto da turista valido per entrare in Svizzera. Dati questi elementi, la CCRP ha ritenuto che le giovani donne si trovavano legalmente sul suolo elvetico per cui i resistenti erano punibili esclusivamente giusta l'
art. 23 n. 4 LDDS
per avere ingaggiato stranieri non autorizzati a lavorare.
c) In materia di sanzioni penali, l'
art. 23 LDDS
distingue tra i reati citati ai n. 1 e 2 e le contravvenzioni perseguite in virtù dei n. 4 e 6. Giusta l'
art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS
è punito con la detenzione fino a 6 mesi, a cui può aggiungersi una multa fino a fr. 10'000.-, e con la sola multa nei casi poco gravi, chiunque faciliti o aiuti l'entrata o l'uscita illegale o un soggiorno illegale di uno straniero in Svizzera. Secondo l'
art. 23 n. 2 LDDS
chi agisce a scopo d'indebito arricchimento è punito con la detenzione e con la multa fino a fr. 10'000.-. Conformemente all'
art. 23 n. 4 LDDS
, salvo nei casi di poca gravità, chi intenzionalmente impiega stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera, è punito per ogni straniero impiegato illegalmente con la multa fino a fr. 5'000.- se ha agito intenzionalmente, o fino a fr. 3'000.- se ha agito con negligenza; se l'agente ha agito a scopo di lucro, il giudice non è vincolato da questi
BGE 128 IV 117 S. 135
massimi. Infine, l'
art. 23 n. 6 LDDS
prevede la multa fino a fr. 2'000.- per le "altre" infrazioni alle disposizioni di polizia degli stranieri o ai provvedimenti delle autorità competenti.
d) Secondo giurisprudenza costante, la semplice attività consistente nell'assunzione di uno straniero, che soggiorna legalmente in Svizzera, senza permesso è una contravvenzione (
DTF 118 IV 262
consid. 1-4 e rinvii; v. anche VALENTIN ROSCHACHER, Die Strafbestimmung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26 März 1931 (ANAG), Zurigo 1991, pagg. 113-114, nonché HEINZ HELLER, Schwarzarbeit: Das Recht der Illegalen, unter besonderer Berücksichtigung der Prostitution, Tesi Zurigo 1999, pagg. 25-26).
e) L'entrata o il soggiorno in Svizzera sono illegali ai sensi dell'
art. 23 n. 1 LDDS
in particolare se lo straniero oltrepassa il confine senza validi documenti di legittimazione e/o risiede sul suolo elvetico senza i necessari permessi. Secondo l'art. 1 cpv. 2 dell'ordinanza di esecuzione del 1o marzo 1949 della legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri (ODDS; RS 142.201), uno straniero è entrato legalmente in Svizzera, se ha osservato le prescrizioni sul possesso di documenti di legittimazione, sul visto, sul controllo di confine, ecc. e non ha contravvenuto a un divieto personale come un'espulsione, un divieto e una restrizione di entrata (v. anche art. 1 e 2 dell'ordinanza del 14 gennaio 1998 concernente l'entrata e la notificazione degli stranieri [OEnS; RS 142.211] nonché ROSCHACHER, op. cit., pagg. 27-37).
f) Esercitare una professione senza la necessaria autorizzazione non basta di per sé per rendere illegale o abusivo il soggiorno (ROSCHACHER, op. cit., pagg. 56-57 e 114-115). Scopo originario della LDDS non è la protezione del mercato contro il lavoro clandestino, bensì impedire l'entrata e il soggiorno di persone indesiderabili nonché un'eccessiva penetrazione di stranieri, lottando contro il loro soggiorno illegale ed evitando che, sprovvisti di permesso, si sottraggano al controllo delle autorità (v. anche FF 1986 III 219; ROSCHACHER, op. cit., pag. 114; HEINZ HELLER, op. cit., pag. 9). Solo in seguito al proliferare del lavoro clandestino, le disposizioni penali della LDDS sono state completate con l'inserimento dell'
art. 23 n. 4 e 5 LDDS
per tentare di dissuadere l'impiego di stranieri sprovvisti di permesso (FF 1986 II 219-220 e 225-226).
g) Nella fattispecie, è accertato in modo insindacabile (art. 273 cpv. 1 lett. b e 277bis cpv. 1 PP) che le giovani donne erano giunte in Svizzera in possesso di un visto per turisti e che ripartivano una
BGE 128 IV 117 S. 136
volta trascorsi i 3 mesi durante i quali potevano risiedere sul suolo elvetico senza dover compiere ulteriori formalità (
art. 2 cpv. 1 LDDS
). Non risulta tra l'altro che i visti fossero stati emessi per una durata inferiore a 3 mesi o che non fossero validi. È indubbio che non hanno soggiornato e neanche sono entrate in Svizzera come turiste, poiché era loro intenzione esercitare un'attività lucrativa ai sensi dell'art. 6 dell'ordinanza del 6 ottobre 1986 che limita l'effettivo degli stranieri (OLS; RS 823.21; v. anche la definizione proposta in ROSCHACHER, op. cit., pag. 55, nota 98 che qualifica il "turista" come colui che per un tempo determinato visita la Svizzera per conoscerne le particolarità o per riposarsi). Si pone quindi la questione se, come sostiene il Ministero pubblico, a causa di siffatta constatazione la loro entrata nonché il loro soggiorno fossero illegali, nel qual caso i resistenti alloggiandole sarebbero effettivamente colpevoli del reato di cui all'
art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS
(
DTF 118 IV 262
consid. 3a). La risposta è negativa per i motivi che seguono.
h) Al momento di oltrepassare il confine svizzero e durante il loro soggiorno, le giovani donne erano in possesso di un visto per turisti valido (v.
art. 11 cpv. 1 lett. a OEnS
). Pertanto, hanno oltrepassato il confine e soggiornato legalmente in Svizzera. Poco importa se, eventualmente consigliate e aiutate dai resistenti, esse abbiano ottenuto in modo fraudolento tale autorizzazione, lo scopo del loro soggiorno non essendo quello dichiarato. In simili casi, è prevista unicamente la revoca senza formalità del visto prima dello scadere del termine previsto (
art. 15 cpv. 2 lett. b OEnS
). Tale revoca - che non risulta essere avvenuta per nessuna delle giovani donne -, è una facoltà, non un obbligo (
DTF 125 IV 148
consid. 2b in fine). Pertanto il visto, quand'anche ottenuto con l'inganno, non è nullo ab ovo; la sua validità e, quindi, la legalità dell'entrata e del soggiorno perdurano fino al momento della revoca (v. anche ROSCHACHER, op. cit., pag. 117 sulla revoca del permesso di dimora previsto all'
art. 9 cpv. 2 LDDS
). La pratica litigiosa era indubbiamente volta a indurre in errore l'amministrazione affinché le giovani donne potessero penetrare in Svizzera ed esercitare indisturbate il mestiere di prostitute per 3 mesi. Tale comportamento è chiaramente riprovevole ma in assenza di una disposizione specifica (v. anche
DTF 125 IV 148
consid. 2c e ROSCHACHER, op. cit., pag. 57), non può essere eretto come reato ai sensi dell'
art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS
.
i) Pertanto, poiché le interessate si trovavano legalmente sul suolo Svizzero, la condanna dei resistenti, non recidivi, per avere contravvenuto all'
art. 23 n. 4 LDDS
non viola il diritto federale. | mixed |
6a893273-ff33-42cd-afdb-20e76d670cf9 | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 119 IV 59 S. 60
A.-
H. wusste, dass in seiner Wohnung vom Juli bis Dezember 1990 Geld aus Drogenhandel versteckt war. Als er bei einem Nachzählen feststellte, dass die anfänglichen Fr. 70'000.-- inzwischen auf rund Fr. 120'000.-- angewachsen waren, entfernte er das Geld aus dem Versteck auf seinem Balkon und verbarg es in seiner Küche. Einen Teil des Geldes verbrauchte er.
B.-
Am 1. November 1991 verurteilte das Strafamtsgericht Bern H. unter anderem wegen wiederholter und fortgesetzter Geldwäscherei zu 24 Monaten Gefängnis.
Auf seine Berufung bestrafte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 15. Mai 1992 unter anderem wegen wiederholter Geldwäscherei mit 20 Monaten Gefängnis.
C.-
H. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz verzichtete auf Gegenbemerkungen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des
Art. 305bis StGB
. Er bringt vor, Ziel der Strafnorm sei der Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Eine systematische und historische Auslegung zeige, dass der Gesetzgeber das "Waschen" von Drogenerlös durch das organisierte Verbrechertum unter Strafe habe stellen wollen, nicht aber denjenigen, der zufällig in den Besitz von deliktisch erlangten Vermögenswerten gelangt sei.
b) Die Vorinstanz führt aus, dieser Ansatz sei nicht Gesetz geworden. Die Tatbestandsmässigkeit ergebe sich nicht aus der Art und
BGE 119 IV 59 S. 61
Weise des Vorgehens, sondern aus dessen Eignung, das Ermitteln der Herkunft, das Auffinden oder Einziehen von schmutzigen Vermögenswerten zu vereiteln. Der Täter müsse sich nicht des Finanzmarktes bedient oder für eine Verbrechensorganisation gehandelt haben. Das Gesetz erfasse folglich auch strafbares Verhalten ausserhalb solcher Organisationen. Diese Lösung ergebe sich e contrario aus
Art. 305bis Ziff. 2 Abs. 2 StGB
.
Der Beschwerdeführer habe das Verstecken des Drogenerlöses durch einen Dritten auf seinem Balkon geduldet und das Geld sodann in seiner Küche verborgen. Sein Vorgehen sei geeignet gewesen, die Einziehung zu vereiteln. Das Geld sei bei der ersten polizeilichen Hausdurchsuchung denn auch nicht gefunden worden. Er habe damit vorübergehend die Einziehung des Geldes sogar verhindert.
2.
Den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren (
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
).
Die Bestimmung findet Anwendung, wenn die Haupttat ein Verbrechen darstellt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben (
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
). Zu prüfen ist, ob das Verstecken solcher Vermögenswerte ("schmutziges" Geld) auch dann unter diese Bestimmung fällt, wenn der Täter nicht für eine Verbrechensorganisation oder als Mitglied einer solchen gehandelt hat.
a) Wie aus der Botschaft über die Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches (Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften) vom 12. Juni 1989 (BBl 1989 II 1061 ff.) ersichtlich, wurde als Anknüpfungspunkt nicht die kriminelle Organisation selbst oder deren Unterstützung gewählt. Der Bundesrat entschied sich für eine Einreihung unter die Rechtspflegedelikte und folgte damit dem Vorentwurf (a.a.O., S. 1076, 1081).
In der parlamentarischen Beratung wurde darauf hingewiesen,
Art. 305bis StGB
sei bewusst offen formuliert worden. Tatobjekt seien generell Vermögenswerte. Geldwäscherei sei nicht nur im Anschluss an Drogendelikte, sondern nach sämtlichen Straftaten von Gewicht strafbar. Als Tathandlung kämen neben der eigentlichen Vereitelung der Einziehung auch die Vereitelung der Ermittlung der Herkunft und der Auffindung in Frage (Bundespräsident Koller, Amtl.Bull. 1990 S 195). Der Geldwäschereiartikel umfasse nicht bloss Gelder, die kriminellen Organisationen gehörten, wie z.B.
BGE 119 IV 59 S. 62
Drogengelder, sondern alle Vermögenswerte, die von einem Verbrechen herrührten (Fischer-Sursee, Amtl.Bull. 1989 N 1868).
Demnach bezweckte der Gesetzgeber mit dem Erlass des
Art. 305bis StGB
nicht einzig die Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
b) Dafür spricht auch der Gesetzeswortlaut.
aa) Geldwäscherei ist der Vorgang des Verheimlichens oder Verschleierns von Vermögenswerten illegaler Herkunft, mit dem Ziel, den Eindruck zu erwecken, sie seien legal erworben. Die ursprünglich "schmutzigen" Vermögenswerte werden durch diesen Vorgang "gewaschen" und dann in den legalen wirtschaftlichen Kreislauf wieder eingeschleust (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Band 12. S. 713). Tatgegenstand bilden alle Vermögenswerte, die durch Verbrechen im Sinne des
Art. 9 StGB
erzielt wurden (BBl 1989 II 1082).
bb)
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
enthält keine täterschaftliche Qualifikation ("Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist ..."). Dem besonderen Gefährdungspotential einer Verbrechensorganisation bzw. des "organized crime" (BBl 1989 II 1085) wird mit der Qualifikation in Ziff. 2 Rechnung getragen. Wäre die Norm nur auf Verbrechensorganisationen anwendbar, ergäbe der Grundtatbestand keinen Sinn.
cc) Zu Unrecht bringt der Beschwerdeführer vor, der Randtitel zeige, dass nur das "Waschen" von Geld bestraft werden solle. Zum Gesetzestext gehören zwar auch die Titel und Marginalien. Doch sind diese nicht selten unvollständig oder ungenau, so dass sie sich nur mit Vorsicht zur Interpretation der einzelnen Tatbestände heranziehen lassen (GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Erste Lieferung 1953,
Art. 1 N 7
/4; vgl. TRECHSEL, Kurzkommentar,
Art. 1 N 17
). Die Rechtsprechung hat zwar den Randtitel zur Auslegung des Tatbestandes der ungetreuen Geschäftsführung (
Art. 159 StGB
) herangezogen (
BGE 77 IV 204
,
BGE 80 IV 246
f.). Umgekehrt hat sie angenommen, dass der sich aus dem Wortlaut ergebende Sinn nicht einfach aufgrund der unvollständigen und ungenauen Marginalie umgedeutet werden darf, um so den Anwendungsbereich der Bestimmung einzuschränken (
BGE 108 IV 162
f.,
BGE 94 IV 87
,
BGE 89 IV 20
). Der Beschwerdeführer stützt sich für seine Argumentation auf eine in den Beratungen vertretene Minderheitsauffassung, die nicht Gesetz wurde (vgl. Berichterstatter Bonny und Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1989 N 1845 f., 1854).
c) Zum gleichen Ergebnis führen die in der Literatur vertretenen Auffassungen (SCHMID, Anwendungsfragen der Straftatbestände
BGE 119 IV 59 S. 63
gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB Art. 305bis, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991, S. 111). Allgemein wird die enge Beziehung des organisierten Verbrechens zur Geldwäscherei betont (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teilrevisionen 1987 bis 1990, S. 71 N 1; ULLRICH, Harte Zeiten für Geldwäscher?, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), a.a.O., S. 27; ZUBERBÜHLER, Die Geldwäschereibekämpfung, in Peter Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz, Bern 1993, S. 126 f.). Deshalb ist dem Gesetz auch Kritik erwachsen, weil befürchtet wird, es könnten vorwiegend Handlungen erfasst werden, die mit der Geldwäscherei in diesem Sinn nichts zu tun haben (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; derselbe, Geldwäscherei - ein Lehrstück der Gesetzgebung, in Pieth (Hrsg.), Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 102; GRABER, Geldwäscherei, Bern 1990, S. 139 f.; ARZT, Erste rechtskräftige Verurteilung wegen Geldwäscherei, recht 1992, S. 112).
Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht nur Vermögenswerte aus dem illegalen Betäubungsmittelhandel, sondern aus allen Verbrechen im Sinne des schweizerischen Strafrechts erfasst (ZUBERBÜHLER, a.a.O.) und beispielsweise ein Verstecken der Verbrechensbeute genügen könne (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; GRABER, a.a.O., S. 140). Dass unter anderem die Einrichtung von Verstecken in Häusern und Büroräumen oder in Transportmitteln strafbar sei, wurde bereits im Bericht zum Vorentwurf vertreten; es sei notwendig, die Ebene der Strafbarkeit bei den Ausführungshandlungen festzulegen (BERNASCONI, Die Geldwäscherei im Schweizerischen Strafrecht, Bericht mit Vorschlägen zu einer Gesetzesrevision (neuer Artikel 350bis StGB), Lugano 1986, S. 34, 35 Ziff. 10.5; vgl. die Botschaft zum Übereinkommen des Europarats über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, BBl 1992 VI 9).
d) Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der Botschaft stelle das blosse Vergraben der Beute keine Geldwäscherei dar. Der Bundesrat führte jedoch aus, Vermögenswerte einer Verbrechensorganisation würden systematisch mit den Mitteln des Finanzmarktes getarnt, nicht durch blosses Vergraben, damit sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane entzogen werden könnten und dabei in ihrem wirtschaftlichen Wert erhalten blieben. Diesen Sachverhalt müsse eine kriminologische Definition der Geldwäscherei enthalten, um Grundlage für die strafrechtliche Definition bilden zu können (BBl 1989 II
BGE 119 IV 59 S. 64
1066). Der Satz bedeutet mithin nicht, das Vergraben (d.h. Verstecken) der Beute sei nicht strafbar, sondern Verbrechensorganisationen tarnten ihre Beute mit den Mitteln des Finanzmarktes (nicht durch blosses Vergraben). Dass mit "blossem Vergraben" des Geldes die Ziele des Werterhalts und der Disponibilität nicht in gleichem Masse erreicht werden und dieses Verhalten gegebenenfalls einer kriminologischen Definition der Geldwäscherei nicht entspricht (vgl. GRABER, a.a.O., S. 56), kann für sich genommen an der Strafbarkeit nichts ändern.
Auch auf
BGE 115 IV 256
beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht. Das Bundesgericht beurteilte dort Finanzoperationen beim Drogenhandel auf der Grundlage des
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG
.
Art. 305bis StGB
war noch nicht in Kraft und bildete nicht Gegenstand des Entscheids.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Tatbestand des
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
nicht nur das organisierte Verbrechen erfasst. Vielmehr kann jedermann tatbeständlich handeln. Vorausgesetzt ist eine Tathandlung, die geeignet ist, das geschützte Rechtsgut zu gefährden. Diese Eignung ist abstrakter Natur. Das Verstecken der Verbrechensbeute ist eine Verdeckungshandlung; sie ist geeignet, den Vereitelungserfolg herbeizuführen. Vorliegend hatte der Beschwerdeführer die Einziehung des Geldes vorübergehend sogar verhindert. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt. | mixed |
5b75eedc-189a-4d1f-8eea-f6a48553c160 | Sachverhalt
ab Seite 98
BGE 127 IV 97 S. 98
A.-
Par jugement contumacial du 4 juin 1996, le Tribunal criminel de la Gruyère a condamné X., ressortissant de l'ex-Yougoslavie né en 1971, pour délit manqué de viol (art. 190 al. 1 et 22 al. 1 CP), actes d'ordre sexuel avec des enfants au sens de l'
art. 187 ch. 4 CP
, lésions corporelles simples (
art. 123 ch. 1 al. 1 CP
) et infraction à la LSEE, à la peine de 2 1/2 ans d'emprisonnement ainsi qu'à une amende de 300 francs.
Le 18 novembre 1996, X. a demandé le relief de ce jugement, mais ne s'est pas présenté à l'audience du Tribunal criminel de la Gruyère du 15 avril 1997, qui, par jugement du même jour, l'a condamné, derechef par défaut, pour les mêmes infractions, à la même peine.
Sa demande de relief de ce jugement ayant été écartée le 21 février 2000, X. en a appelé. Par arrêt du 6 novembre 2000, la Cour d'appel pénal du Tribunal cantonal fribourgeois, admettant partiellement le recours, a condamné X., pour délit manqué de viol (art. 190 al. 1 et 22 al. 1 CP), actes d'ordre sexuel avec des enfants au sens de l'
art. 187 ch. 4 CP
et infraction à la LSEE, à la peine de 2 ans d'emprisonnement ainsi qu'à une amende de 300 francs.
B.-
Cet arrêt retient, en résumé, ce qui suit.
a) Le 29 mai 1994, X. et son frère ont dîné avec Y., née le 6 février 1978, et la soeur de celle-ci dans l'appartement qu'il occupait avec un ami à Z. Après le repas, il est resté seul avec Y. Ayant fermé à clef la porte de l'appartement et de la chambre dans laquelle Y. était étendue sur un lit, il a fait à cette dernière des propositions, qu'elle a refusées. X., qui s'était entre-temps déshabillé, l'a alors frappée, notamment sur les bras et sur les jambes, lui causant de multiples ecchymoses, puis l'a partiellement déshabillée, tentant de lui enlever son pantalon. Saisissant un appareil de radio, Y. en a frappé X. à la tête, lequel s'est néanmoins couché sur elle; il a commencé à la pénétrer, mais n'est pas parvenu à entrer en elle; il s'est alors masturbé, éjaculant sur le ventre de sa victime.
b) La cour cantonale a écarté le grief de l'appelant, qui soutenait que, s'agissant du viol, seule la tentative inachevée au sens de l'
art. 21 al. 1 CP
, et non le délit manqué au sens de l'
art. 22 al. 1 CP
, pouvait être retenue; elle a observé que c'est le viol consommé qui aurait dû être retenu, mais que l'interdiction de la reformatio in pejus ne lui permettait pas de corriger le jugement en ce sens. Elle a en revanche admis le recours dans la mesure où l'appelant contestait sa condamnation pour lésions corporelles simples, estimant que, dans le cas d'espèce, cette infraction était absorbée par le viol. Considérant que l'accusé devait être libéré de l'infraction de lésions corporelles
BGE 127 IV 97 S. 99
simples et que les premiers juges n'avaient pas exposé pourquoi ils n'avaient pas fait application de l'
art. 65 CP
en ce qui concerne le délit manqué de viol, elle a statué à nouveau sur la peine, l'arrêtant à 2 ans d'emprisonnement et 300 fr. d'amende.
C.-
X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Invoquant une violation des art. 21 al. 1 et 22 al. 1 CP en relation avec l'
art. 190 al. 1 CP
, des
art. 63 et 65 CP
ainsi que de l'
art. 41 CP
, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué. Il sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire et l'effet suspensif.
Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi dans la mesure où il était recevable. Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Se référant à l'
ATF 101 IV 1
, le recourant fait valoir que le viol, en tant que pur délit formel, ne laisse aucune place au délit manqué au sens de l'
art. 22 al. 1 CP
. Comme le viol consommé ne pouvait être retenu en raison de l'interdiction de la reformatio in pejus, la cour cantonale aurait dû admettre la tentative inachevée au sens de l'
art. 21 al. 1 CP
.
a) L'arrêt attaqué rappelle expressément la jurisprudence invoquée par le recourant. S'il condamne néanmoins ce dernier pour délit manqué de viol au sens de l'
art. 22 al. 1 CP
, c'est parce qu'il considère que c'est le viol consommé qui aurait dû être retenu, mais que le droit cantonal ne lui permet pas de réformer le jugement de première instance en défaveur de l'accusé.
Il n'y a pas lieu d'examiner la question, qui n'est au demeurant pas soulevée, de savoir si c'est à juste titre qu'il a été admis que le viol avait été consommé, puisque, compte tenu de l'interdiction de la reformatio in pejus, seul le viol tenté pouvait être retenu. Comme le viol est un pur délit formel, il ne laisse aucune place au délit manqué au sens de l'
art. 22 al. 1 CP
, conformément à la jurisprudence citée par le recourant (
ATF 101 IV 1
consid. 2 p. 3). Seule la tentative inachevée au sens de l'
art. 21 al. 1 CP
pouvait par conséquent être retenue, sous réserve de cas particuliers (cf. GUIDO JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, vol. 4, Berne 1997,
art. 190 CP
, no 8). Reste à examiner si le recourant a un intérêt à l'annulation de l'arrêt attaqué sur ce point.
b) Hormis le délit impossible, qui n'entre pas en considération en l'espèce, la loi distingue deux formes de tentative: la tentative simple ou inachevée (
art. 21 al. 1 CP
) et le délit manqué ou tentative achevée (
art. 22 al. 1 CP
), suivant que l'auteur n'a pas poursuivi jusqu'au
BGE 127 IV 97 S. 100
bout son activité coupable ou l'a poursuivie jusqu'au bout mais sans atteindre le résultat nécessaire pour que le crime ou le délit soit consommé. De la seule différence entre ces deux formes de tentative, la loi ne tire toutefois pas de conséquence; la tentative, qu'elle soit inachevée ou achevée, est punissable et, dans les deux cas, la loi prévoit que le juge pourra atténuer la peine selon l'
art. 65 CP
. Eu égard au principe selon lequel il se justifie de prendre en considération une révision de la loi en cours (cf.
ATF 110 II 293
consid. 2a p. 296; également
ATF 124 II 193
consid. 5d p. 201;
ATF 122 IV 292
consid. 2d p. 297;
ATF 118 IV 52
consid. 2c p. 55;
ATF 117 IV 276
consid. 3c p. 279;
ATF 117 II 466
consid. 5a p. 475;
ATF 114 II 91
consid. 1), on peut au demeurant observer que l'art. 22 al. 1 du projet de révision du code pénal que le Conseil fédéral a soumis le 21 septembre 1998 aux Chambres fédérales réunit les deux formes de tentative dans la même disposition, avec les mêmes conséquences, à savoir que la tentative est punissable et que la peine peut être atténuée (cf. art. 22 du Message et du Projet du 21 septembre 1998, FF 1999 p. 1787 ss, 2106 [texte légal] et 1816 [texte du message]). La distinction entre les deux formes de tentative n'a d'importance pratique qu'en cas de désistement (
art. 21 al. 2 CP
), respectivement de repentir actif (
art. 22 al. 2 CP
): alors que dans le premier cas une exemption de toute peine est possible, seule une atténuation libre de la peine selon l'
art. 66 CP
est possible dans le second cas.
En l'espèce, la question du désistement, respectivement du repentir actif, ne se pose pas. Que, s'agissant de l'infraction en cause, le dispositif de l'arrêt attaqué condamne le recourant pour délit manqué en application de l'
art. 22 al. 1 CP
, alors qu'il eût fallu retenir la tentative inachevée au sens de l'
art. 21 al. 1 CP
, demeure donc sans incidence pratique, de sorte que le recourant n'a pas d'intérêt juridique à l'annulation de l'arrêt attaqué sur ce point (cf.
ATF 124 IV 94
consid. 1a). Cela doit d'autant plus être admis en l'espèce que, selon l'arrêt attaqué, c'est en réalité le viol consommé, et non le viol tenté, qui aurait dû être retenu; dans cette mesure, fût-il modifié, le dispositif de l'arrêt attaqué serait de toute manière erroné. Le grief est par conséquent irrecevable.
3.
Invoquant une violation de l'
art. 41 CP
, le recourant reproche à la cour cantonale de n'avoir pas tenu compte, dans la fixation de la peine, de la limite de 18 mois au-delà de laquelle le sursis ne peut pas être accordé.
Tel qu'il est formulé, le grief revient en réalité à se plaindre d'une violation de l'
art. 63 CP
, non pas de l'
art. 41 CP
.
BGE 127 IV 97 S. 101
Selon la jurisprudence, lorsque la peine privative de liberté qu'il envisage de prononcer n'est pas d'une durée nettement supérieure à 18 mois et que les conditions du sursis sont par ailleurs réunies, le juge doit examiner si, compte tenu de la situation personnelle de l'accusé, l'exécution de la peine n'irait pas à l'encontre du but premier du droit pénal, qui est de prévenir la commission d'infractions; le cas échéant, il doit en principe en tenir compte dans un sens atténuant dans le cadre de l'
art. 63 CP
(
ATF 118 IV 337
consid. 2c p. 339 s.); encore faut-il cependant que la peine demeure proportionnée à la faute à sanctionner (
ATF 118 IV 342
consid. 2f p. 349 s.).
Dans un arrêt non publié 6S.539/1992 du 27 mai 1992, le Tribunal fédéral a admis qu'une peine privative de liberté de 21 mois est suffisamment proche de la limite de 18 mois pour que celle-ci soit prise en compte dans le cadre de la fixation de la peine. Il a en revanche nié, dans un arrêt non publié 6S.266/1996 du 21 mai 1996, qu'une peine privative de liberté de 22 mois soit suffisamment proche de cette limite. Dans la mesure où l'auteur cité par le recourant croit pouvoir déduire de l'
ATF 118 IV 337
que ce n'est qu'au-dessus de 24 mois qu'une peine privative de liberté ne peut plus être considérée comme nettement supérieure à 18 mois, il ne saurait être suivi.
Au vu de cette jurisprudence, la cour cantonale, qui envisageait de prononcer une peine de 2 ans d'emprisonnement, n'avait pas à tenir compte de la circonstance invoquée. | mixed |
f9a104b5-537e-4f40-a495-238e97451c2d | Sachverhalt
ab Seite 378
BGE 130 II 377 S. 378
Der nach eigenen Angaben aus Guinea-Bissau stammende X. (geb. 1980) reiste am 27. April 2004 in die Schweiz ein, wo er tags darauf um Asyl nachsuchte. Das Bundesamt für Flüchtlinge trat am 11. Mai 2004 auf sein Gesuch nicht ein, wies ihn weg und hielt ihn an, spätestens am Tag nach Eintritt der Rechtskraft seines Entscheids das Land zu verlassen. Das Bundesamt ging davon aus, X. habe ohne entschuldbare Gründe nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung seines Gesuchs Reisepapiere oder andere Dokumente abgegeben, die es erlauben würden, ihn zu identifizieren; zudem lägen keine Hinweise auf eine Verfolgung vor, die sich nicht als offensichtlich haltlos erwiesen (Art. 32 Abs. 2 lit. a des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]). Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 27. Mai 2004 wandte sich X. mit einem Gesuch um Nothilfe (
Art. 12 BV
) an das Migrationsamt des Kantons Zürich; dabei erklärte er, sich den Behörden in der ihm zugewiesenen Notunterkunft zur Verfügung halten zu wollen. Er wurde gleichentags verhaftet, mit Strafbefehl vom 28. Mai 2004 wegen illegalen Verbleibs in der Schweiz zu 30 Tagen Gefängnis bedingt verurteilt und anschliessend in Ausschaffungshaft genommen. Der Haftrichter am Bezirksgericht Zürich prüfte diese am 29. Mai 2004 und bestätigte sie bis zum 27. August 2004.
Das Bundesgericht weist die von X. hiergegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen bzw. in dieser belassen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht
BGE 130 II 377 S. 379
notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt, dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Papiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (vgl.
Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG
). Zudem muss einer der in
Art. 13b Abs. 1 ANAG
genannten Haftgründe bestehen, der Vollzug der Wegweisung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (
Art. 13b Abs. 3 ANAG
; "Beschleunigungsgebot") und die Haft als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. zu den allgemeinen Haftvoraussetzungen:
BGE 130 II 56
E. 1 mit zahlreichen Hinweisen). Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens bildet regelmässig nur die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Ausschaffungshaft, nicht auch die Bewilligungs- oder Wegweisungsfrage; über diese entscheiden in einem Fall wie dem vorliegenden die Asylbehörden abschliessend (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 und 4 OG;
Art. 105 Abs. 1 lit. a AsylG
;
BGE 130 II 56
E. 2 in fine;
BGE 128 II 193
E. 2.2 S. 197;
BGE 125 II 217
E. 2 S. 220;
BGE 121 II 59
E. 2b).
2.
Der Beschwerdeführer ist durch das Bundesamt für Flüchtlinge rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen und von den Vollzugsbehörden gestützt auf den seit dem 1. April 2004 geltenden, im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 in das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer aufgenommenen Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. d inhaftiert worden (Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003; AS 2004 S. 1633 ff.). Danach kann ein Ausländer zur Sicherung des Vollzugs seiner Wegweisung in Ausschaffungshaft genommen werden, wenn das zuständige Bundesamt gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. a-c bzw. Art. 33 des Asylgesetzes einen Nichteintretensentscheid getroffen hat. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass dies bei ihm der Fall ist; er macht indessen geltend, der entsprechende Haftgrund bzw. dessen Anwendung verletze
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
und
Art. 10 Abs. 2 BV
(Persönliche Freiheit). Die gegen ihn angeordnete Haft diene nicht der Sicherung des Wegweisungsvollzugs, sondern Sparzwecken. Er habe kein Verhalten an den Tag gelegt, welches auf eine Untertauchensgefahr schliessen lasse; eine erhebliche Gefährdung des Wegweisungsvollzugs sei nicht erkennbar, weshalb kein überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehe, ihn in Ausschaffungshaft zu nehmen; eine solche erweise sich für Personen, die sich - wie er - unverzüglich und freiwillig bei den für den Wegweisungsvollzug zuständigen Behörden meldeten, als unverhältnismässig und verfassungs- bzw. konventionswidrig.
BGE 130 II 377 S. 380
3.
Die Kritik ist unbegründet, weshalb sich allgemeine Ausführungen dazu erübrigen, ob und in welchem Umfang das Bundesgericht die umstrittene, in einem
Bundesgesetz
enthaltene Regelung auf ihre Konventions- und Verfassungsmässigkeit hin prüfen kann bzw. selbst bei deren Unvereinbarkeit mit übergeordnetem Recht an den darin zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers gebunden wäre (
Art. 191 BV
;
BGE 130 I 26
E. 2.2; YVO HANGARTNER, St. Galler Kommentar, Rz. 25-28 zu
Art. 191 BV
):
3.1
Nach
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
darf einem Menschen die Freiheit entzogen werden, wenn er rechtmässig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen, oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist. Die gesetzlich vorzusehende und in einem rechtlich korrekten Verfahren anzuordnende Haft darf einzig dem in
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
vorgesehenen Zweck, d.h. der Sicherstellung eines schwebenden und zielgerichtet voranzutreibenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahrens dienen (vgl.
BGE 128 II 193
E. 2.1 S. 196; Urteile EGMR i.S. Slivenko gegen Lettland vom 9. Oktober 2003, Ziff. 146 [Nr. 48321/98]; i.S. Conka gegen Belgien vom 5. Februar 2002,
Recueil CourEDH 2002-I S. 47
, Ziff. 38; i.S. Dougoz gegen Griechenland vom 6. März 2001,
Recueil CourEDH 2001-II S. 273
, Ziff. 54 f.; i.S. Chahal gegen Grossbritannien vom 15. November 1996,
Recueil CourEDH 1996-V S. 1831
, Ziff. 112; WALTER KÄLIN, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Materielles Recht, in: AJP 1995 S. 835 ff., dort S. 839; PETER UEBERSAX, Menschenrechtlicher Schutz bei fremdenpolizeilichen Einsperrungen, in: recht 13/1995 S. 53 ff., dort S. 59; HUGI YAR, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel/ Genf/München 2002, Rz. 7.5 ff.). Der Freiheitsentzug muss dabei nicht zur Verhinderung von Straftaten oder eines Untertauchens des Betroffenen als "vernünftigerweise erforderlich" ("raisonnablement nécessaire") erscheinen (Urteile
Conka
und
Chahal
, a.a.O., Ziff. 38 bzw. 112).
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
sieht selber keine Haftgründe im engeren Sinn vor; die Festhaltung hat jedoch in einem sachlichen Zusammenhang zum Verfahrenszweck zu stehen. Bei der Umschreibung der Haftvoraussetzungen geniesst der nationale Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum (vgl. STEFAN TRECHSEL, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: AJP 1994 S. 43 ff., dort S. 53). Der Freiheitsentzug darf sich in seiner Gesamtheit
BGE 130 II 377 S. 381
nicht als willkürlich und mit Blick auf den zulässigen Verfahrenszweck missbräuchlich erweisen; hiervor schützt
Art. 5 EMRK
(Urteile
Conka
und
Chahal
, a.a.O., Ziff. 39 bzw. 118; Urteil des EGMR i.S.
Bozano gegen Frankreich
vom 18. Dezember 1986, Serie A, Bd. 111, Ziff. 54). Der mit einem Freiheitsentzug verbundene Eingriff in das durch
Art. 10 Abs. 2 BV
geschützte Recht auf persönliche Freiheit ist seinerseits zulässig, soweit er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, daran ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, er verhältnismässig erscheint und überdies der Kerngehalt des Grundrechts dadurch nicht berührt wird (vgl.
Art. 36 BV
).
3.2
3.2.1
Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 am 19. Dezember 2003 beschlossen, Asylsuchende, auf deren Gesuch in Anwendung von
Art. 32-34 AsylG
rechtskräftig nicht eingetreten wurde, nicht mehr der Asyl-, sondern der ordentlichen Ausländergesetzgebung zu unterstellen; sie haben demnach keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen mehr und müssen als Personen mit unbefugtem Aufenthalt das Land
umgehend
verlassen ("Primat des Wegweisungsvollzugs"; vgl.
Art. 44a AsylG
in der Fassung vom 19. Dezember 2003; BBl 2003 S. 5755-5757; AB 2003 S 791 f. [Kommissionssprecher Inderkum], S. 796 u. 800 [Bundesrätin Metzler], S. 1050 [Kommissionssprecher Inderkum]; AB 2003 N 1595 [Kommissionssprecher Zuppiger], S. 1597 ff. [Bundesrätin Metzler], S. 1839 [Walker]; vgl. zu den einzelnen Neuerungen auch: JÜRG SCHERTENLEIB, Das Bundesgesetz über das Entlastungsprogramm 2003 im Asyl- und Ausländerbereich, in: Asyl 2/2004 S. 3 ff., sowie URS EBNÖTHER, Entlastungsprogramm 2003: Fragen bei der praktischen Umsetzung, in: Asyl 2/2004 S. 12 ff.). Ist dies nicht möglich, erhalten sie auf Gesuch hin im Rahmen von
Art. 12 BV
lediglich noch eine Nothilfe durch die Kantone (vgl.
Art. 14f ANAG
in der Fassung vom 19. Dezember 2003; BBl 2003 S. 5754). Gestützt auf
Art. 13b Abs. 1 lit. d ANAG
können solche Personen zur Sicherung des Vollzugs des Wegweisungsentscheids neu in Ausschaffungshaft genommen werden, falls auf ihr Asylgesuch nicht eingetreten wurde, weil (1) sie ohne entschuldbare Gründe nicht innerhalb von 48 Stunden nach Einreichung des Gesuchs Papiere abgegeben haben, die ihre Identifikation ermöglichen, und keine Hinweise auf eine Verfolgung bestehen, die sich nicht als offensichtlich haltlos erweisen (
Art. 32 Abs. 2 lit. a AsylG
); (2) sie
BGE 130 II 377 S. 382
die Behörde über ihre Identität getäuscht haben, wobei diese Täuschung aufgrund der Ergebnisse der erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderer Beweismittel feststeht (
Art. 32 Abs. 2 lit. b AsylG
); oder (3) sie anderweitig schuldhaft ihre Mitwirkungspflicht grob verletzt haben (
Art. 32 Abs. 2 lit. c AsylG
); die Ausschaffungshaft ist zudem möglich, (4) wenn auf ein missbräuchlich nachgereichtes Asylgesuch nicht eingetreten wurde (
Art. 33 AsylG
).
3.2.2
Nicht jeder asylrechtliche Nichteintretensentscheid vermag somit einen Haftgrund zu setzen (vgl. Art. 32 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d-f,
Art. 34 AsylG
), sondern nur die in
Art. 13b Abs. 1 lit. d ANAG
ausdrücklich genannten. Nach dem gesetzgeberischen Willen liegt in diesen Fällen eine "objektivierte" Untertauchensgefahr vor (BBl 2003 S. 5753), d.h. es besteht gestützt auf das im Asylverfahren festgestellte missbräuchliche Verhalten die Vermutung, dass sich der Betroffene (auch) dem Vollzug der Ausschaffung widersetzen bzw. einen solchen zu vereiteln oder zumindest zu erschweren versuchen wird (vgl. zur ähnlichen Ausgangslage bei der Vorbereitungshaft: HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7.40 u. 7.42). Es liegt in der Kompetenz des Gesetzgebers, die Verhaltensweisen zu bestimmen, welche geeignet sind, dies nahe zu legen; hierbei kommt ihm ein weiter Spielraum zu (vgl. E. 3.1). Die neue Regelung will vorab die selbstverantwortliche Ausreise der Betroffenen fördern (BBl 2003 S. 5753; AB 2003 S 800 und AB 2003 N 1599 [Bundesrätin Metzler]); die Administrativhaft soll gegen jene Personen Platz greifen können, die sich im Asylverfahren missbräuchlich verhalten haben und ihrer gesetzlichen Ausreisepflicht nach der Wegweisung nicht freiwillig nachgekommen sind (BBl 2003 S. 5753). Dies ist nicht unzulässig:
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
setzt - wie dargelegt - nicht voraus, dass für einen rechtmässigen Freiheitsentzug über das im Bewilligungsverfahren festgestellte missbräuchliche Verhalten hinaus eine konkrete Untertauchensgefahr bestehen müsste (vgl. die bereits zitierten Urteile i.S.
Conka
und
Chahal
, a.a.O., Ziff. 38 bzw. 112). Zwar hat das Bundesgericht seinerseits rein passives Verhalten bei der Papierbeschaffung zur Annahme einer Untertauchensgefahr im Sinne von
Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG
bisher nicht genügen lassen (
BGE 129 I 139
E. 4.2.1 S. 146 f.;
BGE 122 II 49
E. 2a; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 1997 I S. 267 ff., dort S. 332 f.; ANDREAS ZÜND, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im
BGE 130 II 377 S. 383
Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996 S. 72 ff., dort S. 83 ff.; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7.66 ff.), doch hat der Gesetzgeber die entsprechenden Voraussetzungen nun gerade in Reaktion hierauf verschärft und ausdrücklich eine verstärkte Mitwirkungspflicht vorgesehen, welche das passive Verhalten einer aktiven Vereitelung des Wegweisungsvollzugs gleichsetzt (
Art. 13b Abs. 1 lit. c und
Art. 13f ANAG
in ihrer Fassung vom 19. Dezember 2003; BBl 2003 S. 5753: "Mit der neuen Formulierung soll nun auch die Passivität bei der Beschaffung von Reisepapieren zur Anordnung der Ausschaffungshaft führen können"; AB 2003 S 799 [Schmid], AB 2003 N 1594 [Heberlein]; vgl. auch die Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 S. 3709 ff., dort S. 3767 und 3816).
3.2.3
An einem umgehenden Vollzug der Wegweisung von Personen, die das Asylverfahren zu institutionsfremden Zwecken missbraucht haben, besteht ein gewichtiges - auch finanzielles - öffentliches Interesse; sie sollen das Land möglichst rasch verlassen. Wer die Behörden im Asylverfahren über seine Identität täuscht, ohne entschuldbaren Grund seine Identifikation verhindert oder sein Asylgesuch nur stellt, um den Vollzug einer drohenden Weg- oder Ausweisung zu verunmöglichen, bzw. seine Mitwirkungspflicht anderweitig schuldhaft grob verletzt, zeigt durch dieses Verhalten, dass er nicht bereit ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich für einen möglichst umgehenden Wegweisungsvollzug zur Verfügung zu halten. Seine Inhaftierung erscheint im Rahmen des schwebenden Ausschaffungsverfahrens verhältnismässig und vollzugsorientiert (vgl. BBl 1994 I 322). Im Wegweisungsverfahren sollen möglichst keine Anreize mehr bestehen, den
illegalen
Aufenthalt durch renitentes - nunmehr auch passives - Verhalten bei der Identitätsabklärung und Papierbeschaffung weiter zu verlängern und sich hierdurch der umgehenden Ausschaffung zu entziehen (AB 2003 N 1596 [Kommissionssprecher Favre]). Zweck der Ausschaffungshaft ist zwar vorab, den zwangsweisen Vollzug der Wegweisung sicherzustellen, und nicht den Ausländer durch eine Beugehaft dazu anzuhalten, freiwillig auszureisen; will dieser indessen - entgegen der ihm obliegenden Pflicht - das Land nicht aus freien Stücken verlassen und ist er bereits im Asylverfahren grundlegenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, liegt ein erwünschter Nebeneffekt seiner Festhaltung auch darin, ihn zur Mitwirkung beim Vollzug der Wegweisung und insbesondere bei der
BGE 130 II 377 S. 384
Papierbeschaffung zu veranlassen (vgl.
Art. 13f ANAG
in der Fassung vom 19. Dezember 2003). Nach
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
ist eine Haft auch zulässig "zur Erzwingung der Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung", soweit diese - wie hier - spezifisch und konkret definiert ist und der hierzu angeordnete Freiheitsentzug verhältnismässig erscheint (vgl.
BGE 130 II 56
E. 4.2.3 S. 63; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/ Arlington 1996, Rz. 68-70 zu
Art. 5 EMRK
).
3.2.4
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der neue Haftgrund ermögliche eine vom konkreten Verhalten des Betroffenen unabhängige Ausschaffungshaft (so auch JÜRG SCHERTENLEIB, Zum Entlastungsprogramm, in: Asyl 1/2004 S. 22), übersieht er, dass dem asylrechtlichen Nichteintretensentscheid seinerseits ein
missbräuchliches
Verhalten zu Grunde liegt. Die entsprechenden Verhaltensweisen werden durch die Schweizerische Asylrekurskommission näher umschrieben, wobei deren Rechtsprechung tendenziell eher einschränkend erscheint. So soll die "schwere prozessuale Sanktion eines Nichteintretensentscheids" bloss mit "grösster Zurückhaltung" angewendet werden; sie rechtfertigt sich nur bei einer Kumulation von Irreführungen, welche die Abklärungen effektiv behindern (Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission
EMARK 1995 Nr. 18
). Als haltlos im Sinne von
Art. 32 Abs. 2 lit. a AsylG
dürfen nur Verfolgungshinweise gelten, welche bereits auf den ersten Blick als unglaubhaft erkennbar sind (
EMARK 2003 Nr. 19
und Nr. 20). Der Umstand, dass ein Asylbewerber vor Einreichen seines Asylgesuchs andernorts unter einer abweichenden Identität aufgetreten ist, genügt - trotz erheblicher Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben im schweizerischen Verfahren - nicht zum Nachweis, dass die schweizerischen Asylbehörden tatsächlich über die wahre Identität getäuscht worden sind (
EMARK 2003 Nr. 27
, 2004 Nr. 4). Damit führen aber nur grobe Fälle von Verletzungen der Mitwirkungspflicht oder offensichtlich unbegründete bzw. missbräuchliche Gesuche zu Nichteintretensentscheiden, welche die Ausschaffungshaft gestützt auf
Art. 13b Abs. 1 lit. d ANAG
zu rechtfertigen vermögen. In den meisten Fällen bestünden dabei bereits nach der bisherigen Rechtsprechung hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich der Betroffene der Ausschaffung entziehen will ("Untertauchensgefahr"; vgl.
BGE 130 II 56
E. 3.1 sowie nachstehende E. 3.3.3). Der Umstand, dass Wegweisungsentscheide (auch) aus finanziellen Gründen
BGE 130 II 377 S. 385
konsequenter und rascher durchgesetzt und keine längeren illegalen Aufenthalte mehr gestützt auf missbräuchliche Asylgesuche geduldet werden sollen, ändert nichts daran, dass es sich bei diesen erweiterten Haftgründen um eine vollzugsorientierte Festhaltung im Rahmen eines schwebenden Ausweisungsverfahrens handelt, welche der Missbrauchsbekämpfung dient und sich hierfür aufgrund der in der Praxis gemachten Erfahrungen als notwendig erweist (vgl. BBl 2002 S. 3766 ff.).
3.3
3.3.1
Nicht zu überzeugen vermag in diesem Zusammenhang der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Ausführungen von WALTER KÄLIN, wonach fraglich und höchst problematisch sei, ob wirklich bei jedem Nichteintretensentscheid der Asylbehörden automatisch auf die Gefahr des Untertauchens geschlossen werden könne, d.h. insbesondere auch bei Asylsuchenden ohne Papiere, welche mit ihrem Verhalten lediglich den Aufenthalt in der Schweiz verlängern wollten. Diese seien an einem Untertauchen nicht interessiert, sondern an der Verlängerung des Verfahrens bzw. des Aufenthalts. Hier diene eine Ausschaffungshaft, welche nicht erst kurz vor dem tatsächlichen Vollzug einsetze, sondern für die ganze Dauer der Papierbeschaffung angeordnet werde, kaum der Sicherstellung des Vollzugs, und sie bekomme deutlich den Charakter einer Sanktion für Fehlverhalten, was nach
Art. 5 EMRK
kein Haftgrund sein dürfe (WALTER KÄLIN, Rechtsfragen im Zusammenhang mit der geplanten Revision des Asylgesetzes, in: Asyl 4/2001 S. 3 ff., dort S. 15).
3.3.2
Die Europäische Menschenrechtskonvention verschafft weder ein Recht auf Asyl (vgl.
BGE 126 II 335
E. 3a) noch ein solches auf Einreise oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat (BGE 2A.472/2003 vom 1. Juni 2004, E. 3.1). Wer im Asylverfahren seine Identitätsfeststellung missbräuchlich vereitelt oder erschwert, belegt, dass es ihm in erster Linie nicht um ein faires Verfahren, sondern um die Erschleichung eines zumindest vorübergehenden Aufenthalts (vgl.
Art. 42 Abs. 1 AsylG
) geht, was das hängige Bewilligungsverfahren aushöhlt und das damit verbundene Wegweisungsverfahren ernstlich in Frage stellt (vgl. HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7.42). Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, Personen, die über ein Asylverfahren in missbräuchlicher Weise (unentschuldigte Nichtabgabe von Identitätspapieren bei haltlosem Gesuch; Täuschung der Behörden über die Identität; schuldhafte und grobe Verletzung der Mitwirkungspflicht; missbräuchliches Nachreichen eines Asylgesuchs) einen vorübergehenden Aufenthalt
BGE 130 II 377 S. 386
er wirken konnten und nach dem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid nicht freiwillig ausreisen, sondern illegal im Land verbleiben, zwangsweise zum Verlassen des Staatsgebiets zu bewegen und renitentem Verhalten nötigenfalls mit einer Inhaftierung zu begegnen. Hierin liegt keine Zweckentfremdung der administrativen Festhaltung. Eine solche ist auch nicht unverhältnismässig, wenn der Betroffene einerseits die Schweiz nicht termingerecht freiwillig verlassen hat und er andererseits durch wahrheitsgemässe Angaben bzw. durch Mitwirkung bei der Papierbeschaffung in den meisten Fällen eine relativ kurzfristige Ausreise ermöglichen kann. Von 1995 bis 2000 wurde die Ausschaffungshaft in zwischen 5'500 und 7'000 Fällen pro Jahr angeordnet; dabei betrug die durchschnittliche Haftdauer weniger als 23 Tage (vgl. BBl 2002 S. 3766). Ist die Ausreise im Rahmen eines den gesamten Umständen des konkreten Falles angemessenen Zeitraums selbst bei Kooperation des Betroffenen zum Vornherein nicht absehbar, erweist sich die Haft bereits gestützt auf
Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG
als unverhältnismässig (
BGE 130 II 56
E. 4.1.3 S. 61); zudem gilt auch nach der Gesetzesrevision im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 das Beschleunigungsgebot, welches die Behörden anhält, die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren während der Haft "umgehend" zu treffen (
Art. 13b Abs. 3 ANAG
;
BGE 124 II 49
ff.; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7.70 ff.).
3.3.3
Das Verhalten des Beschwerdeführers lässt vorliegend - entgegen seinen Einwendungen - im Übrigen auch konkret befürchten, dass er sich der Ausschaffung entziehen will; dies ist nach der Praxis zu
Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG
regelmässig der Fall, wenn der Betroffene durch erkennbar unglaubwürdige oder widersprüchliche Angaben die Vollziehungsbemühungen zu erschweren versucht oder sonst klar zu erkennen gibt, dass er nicht in seinen Heimatstaat zurückzukehren bereit ist (
BGE 130 II 56
E. 3.1):
3.3.3.1
Trotz abgeschlossenem Asylverfahren und rechtskräftiger Wegweisung hat sich der Beschwerdeführer am 27. und 29. Mai 2004 geweigert, in seine angebliche Heimat zurückzureisen. Gemäss seinen Angaben im Asylverfahren will er aus Guinea-Bissau stammen, doch kennt er kein Wort der dortigen Amtssprache (Portugiesisch); zudem konnte er keine substantiierten Angaben zu diesem Land machen; so wusste er weder, wie dessen Flagge aussieht, noch vermochte er den Nationalfeiertag zu nennen oder die Landesgeographie in groben Zügen zu beschreiben. Er dürfte nach Ansicht des
BGE 130 II 377 S. 387
Bundesamts für Flüchtlinge deshalb aus einem anderen afrikanischen Land stammen. Seine angebliche Heimat will er 1998 verlassen und sich seither gemäss seinen Aussagen vom 30. April 2004 illegal unter anderem in Spanien ("qualche mesi") und Frankreich ("3 anni") aufgehalten haben; gemäss seinen Erklärungen vom 6. Mai 2004 hat er indessen in Spanien das Schiff nie verlassen und ist er angeblich in Frankreich in "Paris 2" an Land gegangen. Damit hat er auch über seinen Reiseweg und bisherigen Aufenthalt unterschiedliche und widersprüchliche Aussagen gemacht. Gestützt hierauf bietet er keine Gewähr dafür, dass er sich nunmehr den Behörden freiwillig zur Verfügung halten und im Rahmen des zwangsweise zu organisierenden Vollzugs der Wegweisung mit ihnen kooperieren wird, zumal er sich inzwischen schon seit Jahren illegal in Europa aufhält (vgl. auch
BGE 128 II 241
E. 2.1 S. 243;
BGE 125 II 369
E. 3b/aa S. 375;
BGE 122 II 49
E. 2a S. 51).
3.3.3.2
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass er sich für eine Unterkunft und die Nothilfeleistungen freiwillig bei den Behörden meldete; aufgrund seines bisherigen, die Identitätsabklärung und einen allfälligen Wegweisungsvollzug erschwerenden Verhaltens rechnete er nicht damit, dass er ausgeschafft werden könnte, weshalb für ihn wegen des erhofften weiteren Aufenthalts und der damit verbundenen staatlichen Leistungen (noch) keine Veranlassung bestand, sich den Behörden nicht zur Verfügung zu halten (vgl. zur Untertauchensgefahr nach bisherigem Recht bei einem missbräuchlichen Asylgesuch und vordergründiger Kooperationsbereitschaft: Urteil 2A.112/1999 vom 17. März 1999, E. 2b). Sein Einwand, durch die Haft werde sein verfassungsmässiger Anspruch auf Nothilfe vereitelt (
Art. 12 BV
), verkennt, dass während seiner administrativen Festhaltung für Hilfe und Betreuung sowie für die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlichen Mittel gesorgt ist (vgl. zu den Haftbedingungen:
BGE 122 I 222
ff.;
BGE 122 II 299
ff.;
BGE 123 I 221
ff.).
3.4
Da auch alle übrigen Haftvoraussetzungen erfüllt sind - insbesondere nicht gesagt werden kann, dass sich die Ausschaffung nicht in absehbarer Zeit organisieren liesse (vgl.
Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG
;
BGE 125 II 217
E. 2 S. 220) oder die Behörden sich nicht mit dem nötigen Nachdruck hierum bemühen würden (vgl.
Art. 13b Abs. 3 ANAG
;
BGE 124 II 49
ff.) -, verletzt der angefochtene Entscheid somit kein Bundesrecht und ist die Beschwerde deshalb abzuweisen. | mixed |
01d969e0-6730-4560-acaf-6aaeadd30e84 | Sachverhalt
ab Seite 116
BGE 123 II 115 S. 116
X. beanstandete bei der Ombudsstelle von Fernsehen DRS wiederholt verschiedene in der Zeit vom 25. Juli bis zum 18. Oktober 1995 ausgestrahlte Sendungen. Dabei ging es um den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995, der anhand konkreter Beispiele der Frage nach dem Funktionieren des Einbürgerungs-Mechanismus nachging; um die "Arena" vom 25. August 1995, die unter dem Titel "Soll die Schweiz Flüchtlinge aufnehmen?" der Asylproblematik gewidmet war; um zwei Beiträge im Sendegefäss "Sternstunde Philosophie" vom 17. bzw. 24. September 1995 zum Thema "Ordnung im Namen Gottes: Christliche Staatslehren und deren Auswirkungen" bzw. "Ordnung muss sein! Wurzeln und Ableger des Rechtsradikalismus" und um die "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 betreffend Rechtsextremismus.
Am 2. November 1995 trat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern auch: Unabhängige Beschwerdeinstanz oder UBI) auf eine Beschwerde von X. gegen den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995 nicht ein, da er zum Sendegegenstand trotz seiner publizistischen Tätigkeit nicht in der von
Art. 63 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40)
geforderten Beziehungsnähe stehe. Aus dem gleichen Grund nahm sie am 2. Februar 1996 eine Zeitraumbeschwerde gegen den "Zischtigsclub" und die "Arena" vom 25. August 1995 nicht an die Hand.
Am 30. Dezember 1995 beschwerten sich X. und 28 Mitunterzeichner bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz gegen sämtliche obgenannten Sendungen, worauf die Präsidentin der UBI am 25. Juni 1996 im Sinne eines "Teilentscheids" X. unter anderem mitteilte, dass die Unabhängige Beschwerdeinstanz am 24. Mai 1996 beschlossen habe, auf die Zeitraumbeschwerde betreffend "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995, "Arena" vom 25. August 1995, "Sternstunde Philosophie" vom 3. September, 10. September, 17. September, 24. September und 1. Oktober 1995 sowie "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 nicht einzutreten, da insofern kein gemeinsamer Bericht der Ombudsstelle vorliege (Ziffer 1 ihres Teilentscheids).
Das Bundesgericht heisst in diesem Punkt die von X. eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut; im übrigen weist es sie ab, soweit es darauf eintritt.
BGE 123 II 115 S. 117 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Befugnis, gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz an das Bundesgericht zu gelangen, richtet sich ausschliesslich nach
Art. 103 OG
und ergibt sich nicht bereits aus der Beteiligung am vorinstanzlichen Verfahren. An dieser zu Art. 25 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB/UBI; AS 1984 153 ff.) entwickelten Rechtsprechung hat sich mit dem Radio- und Fernsehgesetz nichts geändert (
BGE 121 II 359
E. 1a S. 361, 454 E. 1a S. 455). Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz kann demnach nur führen, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (
Art. 103 lit. a OG
). Der Beschwerdeführer muss stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Ein schutzwürdiges Interesse in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl.
BGE 121 II 176
E. 2a S. 177 f., mit Hinweisen).
Art. 103 lit. a OG
setzt zudem voraus, dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz beteiligt war und mit seinen Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist (formelle Beschwer). Er verlangt indessen nicht, dass der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz bereits als Betroffener (
Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG
) aufgetreten ist (
BGE 115 Ib 387
E. 1b S. 389 letzter Satz). Auch der Popularbeschwerdeführer (
Art. 63 Abs. 1 lit. a OG
), der die Voraussetzungen von
Art. 103 lit. a OG
erfüllt, kann zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert sein (vgl.
BGE 121 II 359
E. 1 S. 361 f.). Obwohl ihm in der Regel die erforderliche Nähe zum Verfahrensgegenstand fehlen dürfte (
BGE 121 II 359
E. 1b/cc S. 362;
BGE 114 Ib 200
E. 1b S. 202), ist die Frage jeweils im Einzelfall zu prüfen (vgl. zu Art. 14 lit. a BB/UBI:
BGE 114 Ib 200
E. 1b S. 202).
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Betroffener aufgrund seiner engen Beziehungen zu den einzelnen Sendungen legitimiert, die verschiedenen Beiträge als rundfunkrechtswidrig zu beanstanden. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf seine publizistische Tätigkeit im Bereich der Ausländerpolitik und auf seine politischen Rechte.
aa) Wer vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz nicht zur Betroffenenbeschwerde zugelassen wird, kann hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde
BGE 123 II 115 S. 118
führen. Das Bundesgericht bejaht in diesen Fällen die Beschwerdebefugnis unabhängig vom Rechtsschutzinteresse in der Sache selber (
BGE 123 II 69
E. 1b;
BGE 121 II 454
E. 1b S. 456). Die UBI nahm die Beschwerde vorliegend nicht mangels Beschwerdeberechtigung nicht an die Hand, sondern aus einem andern Grund; die Frage der Legitimation des Beschwerdeführers bildet deshalb nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids. Das Problem hängt jedoch eng mit der ebenfalls angefochtenen Zwischenverfügung (Unterschriftserfordernis bei der Popularbeschwerde) bzw. mit
Art. 103 lit. a OG
zusammen. Wäre der Beschwerdeführer als Betroffener zur Beschwerde zuzulassen, stellte sich die entsprechende Frage nicht. Es rechtfertigt sich unter diesen Umständen, hier trotzdem kurz darauf einzugehen.
bb) Zur Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz ist nach
Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG
befugt, wer am Verfahren vor der Ombudsstelle beteiligt war, mindestens 18 Jahre alt ist, über das Schweizerbürgerrecht oder als Ausländer über die Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung verfügt und eine "enge Beziehung zum Gegenstand einer oder mehrerer Sendungen" nachweist. Eine solche besteht, wenn der Beschwerdeführer selber direkt Gegenstand des beanstandeten Beitrags gebildet hat oder sonst durch seine Tätigkeit in einem besonderen persönlichen Verhältnis zu dessen Inhalt steht und sich dadurch von den übrigen Programmkonsumenten unterscheidet (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1996 i.S. Hool, E. 2a; Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz in VPB 59/1995 NR. 14 [S. 109], 53/1989 NR. 49 [S. 349] und 52/1988 nr. 12 [s. 57]; MARTIN DUMERMUTH, die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, s. 207 ff.; LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, 2. Aufl., Bern 1993, S. 204). Die Beschwerdelegitimation nach
Art. 63 Abs. 1 lit. b OG
ist nur zurückhaltend anzunehmen. Genügte hierfür ein beliebiger Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitsgebiet des Beschwerdeführers und dem Sendegegenstand, würde die Befugnis übermässig ausgedehnt (vgl.
BGE 114 Ib 200
ff.; DUMERMUTH, a.a.O., S. 209), zumal das Radio- und Fernsehgesetz in Art. 63 Abs. 1 lit. a - im Gegensatz zu den allgemeinen verwaltungsprozessualen Regeln - gerade ein spezifisches Popularbeschwerderecht kennt (unveröffentlichtes Urteil vom 23. August 1996 i.S. Hool, E. 2a).
cc) Vorliegend bestand keine solche enge Beziehung. Der Beschwerdeführer war nicht nach
Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG
beschwerdebefugt,
BGE 123 II 115 S. 119
und er kann sich auch vor Bundesgericht nicht auf eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zum Sendegegenstand im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
berufen: Der Beschwerdeführer bildete nicht Gegenstand der verschiedenen von ihm beanstandeten Beiträge. Dem Stimmbürger fehlt aber zum vornherein die Legitimation, allein gestützt auf seine politischen Rechte einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz über die Einhaltung rund-funkrechtlicher Vorschriften mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (
BGE 115 Ib 387
ff.; SCHÜRMANN/NOBEL, a.a.O., S. 207). Auch wer sich engagiert zu einer politischen Frage äussert, ist nicht bereits deshalb befugt, deren Darstellung als rundfunkrechtswidrig zu rügen (vgl.
BGE 114 Ib 200
E. 2c S. 203; unveröffentlichtes Urteil vom 2. Dezember 1996 i.S. Weigelt/Bradke, E. 2b/aa). Ein besonderes persönliches Interesse an einem Thema verschafft für sich allein keine legitimationsbegründende enge Beziehung zum Gegenstand einer entsprechenden Sendung (vgl. VPB 50/1986 Nr. 20; SCHÜRMANN/NOBEL, a.a.O., S. 204; GABRIEL BOINAY, La contestation des émissions de la radio et de la télévision, Porrentruy 1996, Rz. 435). Es steht in diesen Fällen ausschliesslich die Popularbeschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz offen.
c) Der Beschwerdeführer ficht den Nichteintretensentscheid der UBI auch als Popularbeschwerdeführer an. Hierzu ist er trotz fehlenden schutzwürdigen Interesses in der Sache selber legitimiert.
aa) Zwar ging das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zum alten Recht (BB/UBI) davon aus, dass der Popularbeschwerdeführer über kein schutzwürdiges Interesse verfüge, um mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde Verfahrensmängel vor der UBI zu rügen. Der Bundesbeschluss räume dem Beanstander einer Sendung keine Parteirechte ein; vielmehr sei die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 3 lit. ebis VwVG). Parteirechte bestünden lediglich, wenn der private Beanstander einer Sendung in der Sache selber zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht legitimiert sei; nur dann dürften nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens die Parteirechte im vorinstanzlichen Verfahren nicht enger sein als im anschliessenden bundesgerichtlichen (
BGE 111 Ib 294
E. 2b S. 298). Da mit der Popularbeschwerde keine Parteistellung verbunden sei, verfüge der Popularbeschwerdeführer über keine Parteirechte, weshalb er kein schutzwürdiges Interesse habe, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine entsprechende Verletzung geltend zu machen (unveröffentlichtes Urteil vom 7. November 1991 i.S. B., E. 3).
BGE 123 II 115 S. 120
bb) Diese Rechtsprechung kann nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall und die neue Regelung im Radio- und Fernsehgesetz übertragen werden. Ging es im zitierten Entscheid um die Frage eines zweiten Schriftenwechsels, worauf kein Anspruch bestand, steht vorliegend die Rechtmässigkeit eines Nichteintretensentscheids zur Diskussion.
Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG
räumt jedermann, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, das Recht ein, mit 20 weiteren Personen im öffentlichen Interesse das Programmaufsichtsverfahren auszulösen. Die UBI ist in diesem Fall gehalten, die Eingabe materiell zu prüfen. Nach
Art. 63 Abs. 3 RTVG
tritt sie auch auf Popularbeschwerden ein, die nicht von mindestens 20 Mitunterzeichnern getragen sind, wenn ein öffentliches Interesse an einem Entscheid besteht; in diesem Fall haben die Beschwerdeführer jedoch keine Parteirechte. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber neben der formalisierten Popularbeschwerde wieder eine eigentliche Aufsichtsbeschwerde im klassischen Sinn eingeführt. Mit dem Hinweis, dass den Beschwerdeführern dabei keinerlei Parteirechte eingeräumt würden, brachte er zum Ausdruck, dass umgekehrt bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen von
Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG
grundsätzlich ein Anspruch auf materielle Behandlung besteht (so schon für das alte Recht DUMERMUTH, a.a.O., S. 244, mit Hinweis auf die Ausführungen von Kommissionssprecher Koller im Nationalrat [Amtl.Bull. N 1983 S. 473]). Der Beschwerdeführer, der sich gegen einen Nichteintretensentscheid der UBI wendet, steht zu diesem und damit zur Streitsache vor Bundesgericht näher als irgendein Dritter, der am Verfahren vor der Ombudsstelle nicht beteiligt war. Seine tatsächliche oder rechtliche Situation wird bei einer Gutheissung der Beschwerde insofern verbessert, als die Vorinstanz die verlangte Prüfung der Sendungen vorzunehmen und den Popularbeschwerdeführer über den Verfahrensausgang zu informieren hat (vgl. BOINAY, a.a.O., Rz. 536). Der Beschwerdeführer ist deshalb - trotz fehlender Sachlegitimation - als Popularbeschwerdeführer berechtigt, den Nichteintretensentscheid der UBI mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten. Hieran ändert auch
Art. 101 lit. a OG
nichts, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen und Entscheide über Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerden ausgeschlossen ist, soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Endverfügung als unzulässig erweist. Diese Bestimmung bezieht sich auf den Ausschluss des Rechtsmittels nach dem Gegenstand der Verfügung bzw. nach dem Sachgebiet (vgl.
BGE 119 Ib 412
E. 1b S. 413
BGE 123 II 115 S. 121
[Asyl];
115 Ib 424
E. 2b S. 429 [Plangenehmigung];
111 Ib 73
E. 2a S. 75 [Asyl];
110 Ib 197
E. 2a S. 199 [Entscheid über das Ergebnis einer Berufs-, Fach- oder anderen Fähigkeitsprüfung];
104 Ib 307
E. 2a S. 312 [Konzessionserteilung, auf die kein Anspruch besteht]). Sie beschlägt indessen nicht auch Fälle, für welche die Spezialgesetzgebung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich vorsieht, auf die im Einzelfall jedoch mangels Legitimation unter Umständen nicht eingetreten werden kann (für die Beschwerdeberechtigung des Popularbeschwerdeführers gegen einen Nichteintretensentscheid: DUMERMUTH, a.a.O., S. 243 f.; ähnlich: BERNARD CORBOZ, Le contrôle populaire des émissions de la radio et de la télévision, in Mélanges Robert Patry, Lausanne 1988, S. 293 FN 50; ablehnend: BOINAY, a.a.O., Rz. 570; Frage zum alten Recht offengelassen im unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 14. Februar 1986 i.S. Association vaudoise des téléspectateurs et auditeurs).
3.
a) Nach
Art. 60 Abs. 1 RTVG
kann jedermann innert 20 Tagen eine Sendung bei der Ombudsstelle beanstanden. Bezieht sich die Beanstandung auf mehrere Sendungen, beginnt die Frist mit der Ausstrahlung des letzten Beitrags. In diesem Fall darf die erste Sendung nicht länger als drei Monate vor der letzten liegen. Diese sogenannte "Zeitraumbeschwerde" setzt einen thematischen Zusammenhang zwischen den einzelnen Sendungen voraus (vgl. hierzu VPB 55/1991 Nr. 34 bzw. 59/1995 Nr. 42 [S. 350]) und dient in erster Linie der Durchsetzung des Vielfaltsgebots, das nicht in jeder Einzelsendung, sondern bloss innerhalb des Programms insgesamt zu erfüllen ist (Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, Rz. 444 bzw. 454, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1996). Die Ombudsstelle informiert die Beteiligten spätestens innert 40 Tagen nach Einreichung der Beanstandung schriftlich über die Ergebnisse ihrer Abklärungen und die Art der Erledigung (
Art. 61 Abs. 3 RTVG
). Innert 30 Tagen nach Eintreffen der Mitteilung kann gegen die beanstandeten Sendungen an die Unabhängige Beschwerdeinstanz gelangt werden, wobei der Eingabe der Bericht der Ombudsstelle beizulegen ist (
Art. 62 Abs. 1 RTVG
).
b) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz ging im angefochtenen Entscheid davon aus, bei einer Zeitraumbeschwerde habe sich der Bericht der Ombudsstelle nicht allein auf die einzelnen Sendungen, sondern auf alle beanstandeten Beiträge insgesamt zu beziehen.
Art. 60 RTVG
, der die Zeitraumbeschwerde regle, betreffe das
BGE 123 II 115 S. 122
Verfahren vor der Ombudsstelle, da bezüglich der Einreichung der Beschwerde bei ihr - im Unterschied zur bisherigen Regelung - eine entsprechende Bestimmung fehle. Für eine schlichtungsweise Erledigung des Verfahrens vor der Ombudsstelle sei es unabdingbar, dass diese "in ihrem Entscheid sämtliche unter dem Titel einer Zeitraumbeschwerde eingereichten Beanstandungen als Ganzes unter dem Gesichtspunkt des behaupteten sachlichen Zusammenhangs würdigen kann. Die diesbezüglichen Erwägungen finden Eingang in den alle gerügten Sendungen übergreifenden Ombudsbericht", der gemäss Art. 62 Abs. 1 (in fine) RTVG Voraussetzung einer Beschwerde an die UBI bilde.
c) Diese Auffassung ist - zumindest im vorliegenden Fall - überspitzt formalistisch und trägt der Natur des Schlichtungsverfahrens und des Berichts der Ombudsstelle sowie den konkreten Umständen zu wenig Rechnung.
aa) Nach
Art. 61 RTVG
prüft die Ombudsstelle die bei ihr eingereichten Beanstandungen und vermittelt zwischen den Beteiligten. Dabei kann sie insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen bzw. ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen (Abs. 1 lit. a); für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen (Abs. 1 lit. b); Empfehlungen an den Veranstalter abgeben (Abs. 1 lit. c) sowie die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren (Abs. 1 lit. d). Die Ombudsstelle hat keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis (
Art. 61 Abs. 2 RTVG
). Es handelt sich bei ihr nicht um eine Vorinstanz der UBI, und es bestehen ihr gegenüber dementsprechend umgekehrt auch keinerlei entsprechende Weisungsbefugnisse (BOINAY, a.a.O., Rz. 354 f.). Der Gesetzgeber hat das Ombudsverfahren bewusst formlos gehalten (vgl. Amtl.Bull. 1990 StR 611 Votum Josi Meier) und der Ombudsstelle die Möglichkeit belassen, ihre Erledigung jeweils dem Einzelfall und der Art der Beanstandung anzupassen (BOINAY, a.a.O., Rz. 353, 366 und 368). Ihr Bericht informiert über die Ergebnisse der Abklärungen und die Art der Erledigung der Beanstandung. Er folgt nicht streng rechtlichen Überlegungen, sondern bringt weitgehend die persönliche Ansicht der Ombudsstelle zum Ausdruck. Gemäss
Art. 61 Abs. 4 RTVG
kann im beiderseitigen Einverständnis auf den Bericht auch verzichtet und die Sache mündlich erledigt werden. In der Regel wird sich die Ombudsstelle bei einer Zeitraumbeschwerde zwar überdachend auch zur Frage der Einhaltung des Vielfaltsgebots äussern, tut sie dies jedoch nicht, kann die Unabhängige Beschwerdeinstanz nicht
BGE 123 II 115 S. 123
einfach auf eine entsprechende Beschwerde nicht eintreten. Sie hat in diesem Fall vielmehr die konkreten Umstände und den Inhalt der verschiedenen Eingaben zu würdigen.
bb) Der Beschwerdeführer hat sich vorliegend wiederholt an die Ombudsstelle und an die Unabhängige Beschwerdeinstanz gewandt und seine Absicht, eine Zeitraumbeschwerde einzureichen, zum Ausdruck gebracht. Bereits am 13. September 1995 wandte er sich gegen den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995 und die "Arena" vom 25. August 1995 mit einer solchen an die Ombudsstelle. Am 18. September 1995 gelangte er mit einem Schreiben an die UBI, worin er um Auskunft über die Möglichkeiten einer Zeitraumbeschwerde bat. Am 20. September 1995 ersuchte er die Ombudsstelle um Mitteilung von Urteilen zu diesem Problemkreis. In den jeweiligen Antworten wurde er nie darauf aufmerksam gemacht, dass die UBI einen gemeinsamen überdachenden Ombudsbericht voraussetzen werde. Am 31. Oktober 1995 legte die Ombudsstelle ihren Bericht zur "Arena" vor; dabei hielt sie zum Problem der Zeitraumbeschwerde fest, die Themen der Sendungen seien so verschieden gewesen, dass sich die Zulassung einer Zeitraumbeschwerde nicht rechtfertige. Es werde allenfalls an der Unabhängigen Beschwerdeinstanz sein, diese Frage zu klären. Zumindest insofern lag somit ein Ombudsbericht vor. Gegen die Sendungen "Sternstunde Philosophie" vom 17. und 24. September 1995 gelangte der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1995 an die Ombudsstelle, wobei er nicht ausdrücklich geltend machte, seine Beanstandung sei auch mit Blick auf eine Zeitraumbeschwerde zu behandeln. Dies tat er jedoch am 6. November 1995 in seiner Eingabe bezüglich der letzten von ihm eingereichten Beanstandung betreffend die "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 und damit noch vor dem Schlussbericht der Ombudsstelle vom 4. Dezember 1995 bezüglich der Sendungen "Sternstunde Philosophie". Die Ombudsstelle ging auf diesen Antrag in der Folge nicht ein und äusserte sich in ihren weiteren Stellungnahmen zur Frage der Zeitraumbeschwerde - vermutlich mit Blick auf ihre bereits am 31. Oktober 1995 abgegebene Beurteilung - nicht mehr. Der Beschwerdeführer ist seinen Verfahrenspflichten, so gut er konnte, nachgekommen. Wenn die Ombudsstelle auf die Problematik der Zeitraumbeschwerde in ihrem letzten Bericht nicht mehr einging, darf dies nicht zu seinen Lasten gehen. Dies um so weniger, als er bereits am 11. November 1995 auch in seiner Beschwerde an die UBI gegen die "Arena" geltend gemacht hatte, gegen alle fünf beanstandeten Beiträge eine Zeitraumbeschwerde
BGE 123 II 115 S. 124
führen zu wollen, ohne dass er in der Folge auf die entsprechenden Formerfordernisse aufmerksam gemacht worden wäre. Der Nichteintretensentscheid der UBI mit der Begründung, es liege kein umfassender Ombudsbericht vor, ist unter diesen Umständen überspitzt formalistisch und verstösst auch gegen Treu und Glauben. Ziffer 1 des angefochtenen Teilentscheids ist deshalb aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es wird an dieser liegen, zu prüfen, ob allenfalls auf die Zeitraumbeschwerde aus einem andern Grund nicht einzutreten ist (hinreichend klar zuzuordnende Unterschriften, Begründungspflicht, Sachzusammenhang der verschiedenen Sendungen usw.) oder die Eingabe als zum vornherein offensichtlich unbegründet zu gelten hat (vgl. BOINAY, a.a.O., S. 445 ff.). | mixed |
6596389f-5520-4e93-be6d-6cd1a830b5c4 | Sachverhalt
ab Seite 498
BGE 108 II 497 S. 498
Als Mitglieder des Schweizerischen Maler- und Gipserverbandes (SMGV) unterstanden Hans Buess und verschiedene Arbeitnehmer seines Unternehmens, der Malerei Buess AG, dem Versicherungsobligatorium hinsichtlich der AHV-Zusatzversicherung des erwähnten Verbandes bei der Gemeinschaftsstiftung für Alters- und Hinterlassenenvorsorge im Schweizerischen Gewerbe (im folgenden Gemeinschaftsstiftung genannt). Nachdem die Buess AG eine eigene Personalfürsorgestiftung errichtet hatte, stellte sie ein Gesuch um Befreiung von der genannten Versicherungspflicht. Die Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes liess sie mit Schreiben vom 28. September 1977 wissen, dass dem Gesuch entsprochen worden sei, und zwar rückwirkend auf den 31. Dezember 1976. In der Folge überwies die erwähnte Ausgleichskasse der Buess AG gestützt auf Art. 21 des Reglementes für die AHV-Zusatzversicherung des SMGV den Betrag von insgesamt Fr. 25'950.--. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem vollen Rückerstattungswert zu Gunsten des als Verbandsmitglied ausscheidenden Hans Buess und der Summe der persönlich erbrachten Beiträge der Arbeitnehmer. Die Personalfürsorgestiftung der Buess AG erklärte sich mit der Abfindung der Arbeitnehmer nicht einverstanden. Ein Gesuch, auch für sie den vollen Rückerstattungswert, d.h. eine Nachzahlung von insgesamt Fr. 18'343.-- zu leisten, wurde jedoch abgewiesen.
Mit Eingabe vom 6. Juni 1980 wandten sich die betroffenen Destinatäre der Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG (im folgenden Destinatäre genannt), die Personalfürsorgestiftung selbst und die Malerei Buess AG an das Bundesamt für Sozialversicherung und stellten das Gesuch, die Gemeinschaftsstiftung sei anzuweisen, den von ihnen geltend gemachten Betrag von Fr. 18'343.-- nebst Zins zu 5% ab 1. Januar 1977 an die Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG zu überweisen. Unter dem 25. März 1981 teilte ihnen das Bundesamt mit, dass dem Gesuch nicht entsprochen werden könne. Diesen Standpunkt bestätigte es mit Schreiben vom 9. Dezember 1981.
Die Destinatäre, die Personalfürsorgestiftung und die Malerei Buess AG erhoben hiegegen Beschwerde beim Eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Das EDI erliess am 22. April 1982 folgenden Entscheid:
"1. Die Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt der Stiftungsaufsicht
abgewiesen.
2. Den Beschwerdeführern bleibt hiermit unbenommen, die strittige
Forderung von Fr. 18'343.-- vor dem Zivilrichter geltend zu machen.
BGE 108 II 497 S. 499
3. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
4. Die Parteikosten werden wettgeschlagen."
Die Destinatäre, die Personalfürsorgestiftung und die Malerei Buess AG haben hiegegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit den Rechtsbegehren:
"1. Die Beschwerde sei gutzuheissen und die Verfügung der
Beschwerdegegnerin vom 22. April 1982 sei aufzuheben.
2. Die Gemeinschaftsstiftung für Alters- und Hinterlassenenvorsorge im
Schweizerischen Gewerbe sei anzuweisen, den Beschwerdeführern bzw. der
Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG das gesamte Vorsorgekapital
der Destinatäre bzw. den noch ausstehenden Differenzbetrag von
Fr. 18'343.-- zuzüglich Zins von 5% ab 1. Januar 1977 zu überweisen.
Eventuell sei die Angelegenheit an die Beschwerdegegnerin oder direkt
an das Bundesamt für Sozialversicherung zu neuer Beurteilung im Sinne des
obigen Rechtsbegehrens zurückzuweisen."
Die Gemeinschaftsstiftung beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; allenfalls sei sie abzuweisen.
Das EDI schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Ihre Ansprüche gegenüber der Gemeinschaftsstiftung können die Destinatäre als frühere Begünstigte gemäss
Art. 89bis Abs. 5 ZGB
klageweise geltend machen. Das Bundesamt für Sozialversicherung und das EDI haben denn auch ausdrücklich auf diesen Weg hingewiesen. Zu prüfen ist indessen, ob die Destinatäre neben dem Zivilrichter auch die Aufsichtsbehörde anrufen können, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Letztlich geht es dabei darum zu entscheiden, ob das EDI die Gemeinschaftsstiftung zur Bezahlung der geltend gemachten Forderung anzuhalten befugt sei.
5.
Die Kompetenzen der Aufsichtsbehörden ergeben sich aus
Art. 84 Abs. 2 ZGB
. Danach hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Sie hat darüber zu wachen, dass die Organe der Stiftung keine Verfügungen treffen, die der Stiftungsurkunde oder dem Reglement bzw. dem Gesetz widersprechen oder unsittlich sind (vgl.
BGE 106 II 269
E. 3c;
BGE 105 II 73
E. 3b). In diesem Rahmen ist die Aufsichtsbehörde befugt, den Stiftungsorganen bindende Weisungen zu erteilen und bei deren Nichtbeachtung Sanktionen zu ergreifen (
BGE 101 Ib 235
f. E. 2 mit Hinweisen).
BGE 108 II 497 S. 500
Es ist indessen darauf hinzuweisen, dass die Stiftungsaufsicht nicht etwa einer Vormundschaft gleichkommt. Die Stiftung ist grundsätzlich voll handlungsfähig. Die Aufsichtsbehörde darf deshalb nicht einfach an Stelle des Stiftungsrates handeln. In reinen Ermessensfragen hat sie sich zurückzuhalten (
BGE 100 Ib 135
E. 3). Die Aufsichtsbehörde darf nur einschreiten, wenn die Stiftungsorgane das ihnen zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht haben, mit andern Worten wenn einer ihrer Entscheide unhaltbar ist, d.h. auf sachfremden Kriterien beruht oder einschlägige Kriterien ausser acht lässt. Greift die Aufsichtsbehörde ohne gesetzliche Grundlage in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane ein, so verletzt sie Bundesrecht (
BGE 101 Ib 236
oben).
6.
Der Gemeinschaftsstiftung droht eine Forderungsklage der beschwerdeführenden Destinatäre. Für einen solchen Fall ist aus dem Gesagten abzuleiten, dass die Aufsichtsbehörde die Stiftung nur dann zur Anerkennung und Bezahlung ohne richterlichen Entscheid anhalten darf, wenn der geltend gemachte Anspruch ohne weiteres ausgewiesen ist. Lehnt nämlich die Stiftung unter solchen Umständen die Zahlung ab und lässt sie es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen, setzt sie sich der Gefahr aus, Verfahrenskosten und Prozessentschädigung entrichten zu müssen. Die Tragung der Kosten und Entschädigungsfolgen eines verlorenen Zivilprozesses stellt aber keine zweckgemässe Verwendung des Stiftungsvermögens dar. Bestehen dagegen an der Berechtigung der von Destinatären geltend gemachten Ansprüche ernsthafte Zweifel, so muss der Entscheid dem Zivilrichter überlassen bleiben (vgl. RIEMER, N. 141 und 142 zu
Art. 84 ZGB
). Die Stiftung in einem solchen Fall anzuweisen, die Forderung anzuerkennen, ginge nicht an, würden doch dadurch unter Umständen die Ansprüche der übrigen Destinatäre gefährdet.
Auf Grund des Gesagten ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der Gemeinschaftsstiftung nicht in jedem Fall, da zivilrechtliche Klage erhoben werden kann, die Anrufung der Aufsichtsbehörde ausgeschlossen ist. Bei klaren Verhältnissen im oben erwähnten Sinn kann durchaus eine konkurrierende Zuständigkeit von Richter und Aufsichtsbehörde gegeben sein (vgl. RIEMER, N. 141 zu
Art. 84 ZGB
; WALSER, Die Personalvorsorgestiftung, Diss. Zürich 1974, S. 49 ff.). Allerdings bleibt der richterliche Entscheid über einen strittigen Anspruch eines Destinatärs in jedem Falle vorbehalten (vgl.
BGE 100 Ib 146
f.; WALSER, a.a.O., S. 50).
BGE 108 II 497 S. 501
7.
Von den Destinatären wird nicht bestritten, dass am 31. Dezember 1976, als sie aus der AHV-Zusatzversicherung austraten, um in die Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG einzutreten, d.h. als die strittigen Ansprüche entstanden, die Art. 331a-331c des revidierten OR für die Gemeinschaftsstiftung noch nicht in Kraft getreten waren. Die Gemeinschaftsstiftung unterstand damals noch dem früheren
Art. 343bis OR
. Diese Bestimmung sah in Abs. 3 vor, dass dem Dienstpflichtigen, der selbst auch Beiträge entrichtet hat, bei der Auflösung des Dienstverhältnisses mindestens die Summe der von ihm geleisteten Beiträge herauszugeben sei. Eine entsprechende Regelung fand sich denn auch in Art. 21 des Reglements von 1969 über die AHV-Zusatzversicherung des SMGV. Darauf beruhte die geleistete Barabfindung von insgesamt Fr. 25'950.--.
Die Destinatäre, die mehr beanspruchen als nur die persönlich erbrachten Beiträge, sind der Ansicht, dass die erwähnten Bestimmungen des früheren OR und des Reglementes von 1969 auf ihren Fall nicht direkt zur Anwendung gelangen können, da der Grund ihres Austritts nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei, sondern der Wechsel zur Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG. Da dieser Sachverhalt im Gesetz nicht geregelt gewesen sei, müsse das Bestehen einer echten Lücke angenommen werden, die im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 ZGB
unter Berücksichtigung der allgemeinen Zielvorstellungen des Personalfürsorgestiftungsrechtes auszufüllen sei. Die Destinatäre verweisen sodann auf die Stellungnahme des Amtes für Stiftungsaufsicht des Kantons Basel-Landschaft, dem die Personalfürsorgestiftung der Malerei Buess AG untersteht. Dieses Amt hat die Ansicht geäussert, es müsse von Gesetzes wegen das gesamte Vorsorgekapital ausbezahlt werden, das für die Destinatäre bei der AHV-Zusatzversicherung des SMGV bereit gestellt worden sei. Diese Lösung trägt jedoch allein dem Interesse der Destinatäre Rechnung, durch den Wechsel der Vorsorgeeinrichtung keine Schmälerung ihrer Ansprüche zu erleiden. Bei der Beurteilung der Ansprüche der Destinatäre muss indessen auch die Stellung der Gemeinschaftsstiftung denjenigen gegenüber berücksichtigt werden, die bei ihr weiterhin versichert bleiben. Weiter darf nicht ausser acht gelassen werden, dass die Gemeinschaftsstiftung dadurch bereits eine gewisse Leistung erbracht hat, dass sie den beschwerdeführenden Destinatären bis zu ihrem Austritt Versicherungsschutz gewährt hatte.
BGE 108 II 497 S. 502
Aus dem Gesagten erhellt, dass die von den Destinatären geltend gemachten Ansprüche nicht als offensichtlich ausgewiesen erscheinen und dass sich die Gemeinschaftsstiftung nicht einem für sie von vornherein verlorenen Prozess aussetzt, wenn sie die Ansprüche nicht von sich aus anerkennt. Das EDI hat deshalb mit Recht davon abgesehen, eine entsprechende Weisung zu erteilen. | mixed |
5fdb2210-5a37-4cd3-84af-ebf47bc7eef1 | Sachverhalt
ab Seite 500
BGE 126 III 499 S. 500
A.-
Mit Zwischenverfügung vom 19. Mai 1999 ersuchte das Eidgenössische Departement des Innern in seiner Funktion als eidgenössische Stiftungsaufsicht die Vormundschaftsbehörde Embrach, die Stiftung A. und die Stiftung B. unverzüglich gestützt auf
Art. 393 Ziff. 4 ZGB
zu verbeiständen. Am 28. Mai 1999 traf das Präsidium der Sozialbehörde Embrach eine entsprechende Anordnung und ernannte Rechtsanwalt Dr. S.E., Zürich, zum Beistand. Hiergegen beschwerten sich die beiden Stiftungen mit gemeinsamer Eingabe beim Bezirksrat Bülach. Dieser wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20. Juli 1999 ab.
B.-
In der Folge gelangten die beiden Stiftungen mit einer Klage an das Obergericht des Kantons Zürich und verlangten die Aufhebung des bezirksrätlichen Beschlusses. Die II. Zivilkammer des Obergerichts wies die Klage mit Urteil vom 7. März 2000 - ausgenommen im Kostenpunkt - ab, ordnete die Beistandschaft gemäss
Art. 393 Ziff. 4 ZGB
an, ernannte Dr. S.E. zum Beistand und umschrieb dessen vordringliche Aufgaben.
C.-
Das Bundesgericht weist eine von den Stiftungen A. und B. eingereichte Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Gemäss
Art. 393 ZGB
(Ingress und Ziff. 4) hat die Vormundschaftsbehörde, wenn einem Vermögen die nötige Verwaltung fehlt, das Erforderliche anzuordnen und einer Körperschaft oder Stiftung namentlich dann einen Beistand zu ernennen, solange die erforderlichen Organe mangeln und nicht auf andere Weise für die Verwaltung gesorgt ist. Diese Norm ist eine der wenigen des Vormundschaftsrechts, die sich ausdrücklich auf juristische Personen bezieht; sie hat in gewissem Sinne Ausnahmecharakter, da die vormundschaftlichen Massnahmen auf natürliche Personen zugeschnitten sind (SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, N. 60 zu
Art. 393 ZGB
; RIEMER, Berner Kommentar, N. 65 zu
Art. 83 ZGB
; derselbe, Grundriss des Vormundschaftsrechts, 2. Aufl., Bern 1997
BGE 126 III 499 S. 501
[nachfolgend Grundriss], § 6 Rz 27; LANGENEGGER, Basler Kommentar, N. 16 zu
Art. 392 ZGB
). Die Verbeiständung von juristischen Personen wird dem entsprechend in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und von einem grossen Teil der Lehre als ein Notbehelf bezeichnet, der mit Zurückhaltung zu handhaben ist (
BGE 78 II 369
E. 3c S. 374;
BGE 71 II 214
E. 2 S. 217; SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 60 zu
Art. 393 ZGB
, mit einer Übersicht über die verschiedenen Lehrmeinungen; RIEMER, a.a.O., N. 65 zu
Art. 83 ZGB
). Diese Betrachtungsweise drängt sich auch auf, weil es nicht Sache der Vormundschaftsbehörden bzw. des Gemeinwesens sein kann, die Geschäftsführung von schlecht geleiteten Unternehmen und die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 60 zu
Art. 393 ZGB
).
Stiftungen im Besonderen stehen zudem unter behördlicher Aufsicht (
Art. 84 Abs. 1 ZGB
). Die Stiftungsaufsichtsbehörde verfügt über weit reichende Kompetenzen und Aufsichtsmittel präventiver und repressiver Art (
BGE 112 II 97
E. 3 S. 99 f. und 471 E. 2;
BGE 105 II 321
E. 5a S. 326; RIEMER, a.a.O., N. 54 ff. zu
Art. 84 ZGB
; GRÜNINGER, Basler Kommentar, N. 9 und 12 f. zu
Art. 84 ZGB
). Nötigenfalls kann sie sogar die Stiftungsräte abberufen und ersetzen (
BGE 112 II 97
E. 3 S. 99 und 471 E. 2;
BGE 105 II 321
E. 5a S. 326). Von diesen Befugnissen ist primär Gebrauch zu machen; die Verbeiständung kann erst in zweiter Linie in Frage kommen (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 73 f. zu
Art 393 ZGB
). Sie ist jedoch nicht von vornherein und ausschliesslich auf Fälle beschränkt, in denen die erforderlichen Organe überhaupt fehlen. Die entsprechend lautende Ziff. 4 von
Art. 393 ZGB
gehört zu einer nicht abschliessenden, beispielhaften Aufzählung. Dies ergibt sich aus der offenen Formulierung "namentlich in folgenden Fällen", die im Ingress von
Art. 393 ZGB
steht und auch für die in Ziff. 4 eigens erwähnten Stiftungen gilt (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 9 und 30 zu
Art. 393 ZGB
; LANGENEGGER, a.a.O., N. 7 zu
Art. 392 ZGB
). Es ist daher nicht ausgeschlossen, in besonderen Situationen, zum Beispiel wenn bedeutende öffentliche Interessen zu wahren und wegen unzureichender Verwaltung gefährdet sind, die Verbeiständung von Stiftungen in einem weiteren Anwendungsfeld zuzulassen als dem in
Art. 393 Ziff. 4 ZGB
umrissenen (ebenso SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 60 zu
Art. 393 ZGB
). Mit den Zwecken des Vormundschaftsrechts ist eine solche Betrachtungsweise vereinbar. Vor diesem Hintergrund steht grundsätzlich auch nichts entgegen,
Art. 392 Ziff. 2 ZGB
in Fällen von Interessenkollision zwischen Stiftung und Stiftungsräten analog
BGE 126 III 499 S. 502
anzuwenden, soweit nicht eine Verbeiständung gestützt auf
Art. 393 ZGB
(Ingress oder - in weiter Auslegung - Ziff. 4) vorzuziehen ist (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 61 und 71 zu
Art. 393 ZGB
; RIEMER, Grundriss, § 6 Rz 32). Der von den Klägerinnen vertretenen engen Auslegung kann nicht gefolgt werden. Das Bundesgericht hat schon in anderem Zusammenhang die Anwendbarkeit von
Art. 392 ZGB
auf Gesellschaften sinngemäss ohne weiteres bejaht (
BGE 83 III 147
E. 2 S. 150;
BGE 69 II 20
S. 22) und auch die kombinierte Anwendung von
Art. 392 und
Art. 393 ZGB
zugelassen (RIEMER, Grundriss, § 6 Rz 34a, mit Hinweisen; SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 8, 28 und 46 zu
Art. 393 ZGB
).
b) Der Umstand, dass das Vormundschaftsrecht und damit auch die für Gesellschaften massgebenden Vorschriften über die Beistandschaft auf die Schutzbedürfnisse natürlicher Personen zugeschnitten sind, schliesst eine über den Wortlaut von
Art. 393 Ziff. 4 ZGB
hinausgehende Anwendung deshalb in bestimmten Fällen nicht aus. Es ist wie erwähnt jedoch stets den speziellen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Rechnung zu tragen, und auch die besondere persönlichkeitsrechtliche Ausprägung sowie die organisationsrechtliche Struktur einer Gesellschaft sind gebührend zu berücksichtigen. Bei Stiftungen muss mit Blick auf die Priorität spezifisch aufsichtsrechtlicher Massnahmen für die Verbeiständung der Grundsatz der Subsidiarität wegleitend sein (in diesem Sinne
BGE 90 I 41
E. 1 S. 44;
BGE 83 III 147
E. 2 S. 150;
BGE 78 II 369
E. 3c S. 374 f.;
BGE 69 II 20
S. 21 f.; SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 73 zu
Art. 393 ZGB
; LANGENEGGER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 392 ZGB
). Die Notsituation muss ausserdem von einer gewissen Dauer und darf nicht kurzfristig behebbar sein (
BGE 78 II 369
E. 3c S. 374 f.; LANGENEGGER, a.a.O., N. 14 zu
Art. 392 ZGB
). Andererseits darf die Verbeiständung von Stiftungen auch nicht zum Dauerzustand werden. Sie soll der Aufsichtsbehörde im Sinne einer Überbrückungsmassnahme ermöglichen, die nötigen Vorkehren zur Schaffung oder Verbesserung der Organisation durchzuführen, wenn hierfür ein längerer Zeitraum erforderlich ist (RIEMER, a.a.O., N. 60 zu Art. 83 und N. 110 zu
Art. 84 ZGB
; GRÜNINGER, a.a.O., N. 35 zu
Art. 83 ZGB
; SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 62 zu
Art. 393 ZGB
). Ist dies geschehen und für die gehörige Verwaltung gesorgt, hat die Aufsichtsbehörde darauf hinzuwirken, dass die Verbeiständung innert vernünftiger Frist aufgehoben wird. Im Rahmen dieser Grundsätze und des Verhältnismässigkeitsprinzips stehen der Aufsichtsbehörde und der zur Anordnung einer Beistandschaft zuständigen Behörde je ein
BGE 126 III 499 S. 503
Ermessensspielraum zu (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N. 60 zu
Art. 393 ZGB
, a.E.; RIEMER, a.a.O., N. 88 zu
Art. 84 ZGB
).
4.
a) Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Klägerinnen über einen an sich funktionsfähigen Stiftungsrat verfügen (es ist für beide Stiftungen derselbe). Eine Situation, in der die erforderlichen Organe fehlen, liegt somit nicht vor. Immerhin hat das Obergericht im Sinne einer Einschränkung dazu festgehalten, dass die vormundschaftlichen Massnahmen, die in Monaco gegen den Stifter und Präsidenten beider Stiftungsräte ergriffen worden sind, zu Komplikationen geführt haben und führen können, was das gute Funktionieren der Organe beeinträchtigt. Die kantonalen Behörden sind weiter zum Ergebnis gelangt, trotz vorhandener Organe sei die zweckentsprechende Verwaltung der Stiftungsvermögen nicht gewährleistet. Das leuchtet ein: Auf Grund der festgestellten wiederholten, mannigfaltigen und zum Teil als schwerwiegend zu taxierenden Widerhandlungen der Stiftungsräte gegen die Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 13. Januar 1999 muss die rechtmässige Vermögensverwaltung als gefährdet und diese Voraussetzung einer Verbeiständung als erfüllt gelten. Es lässt sich auch nicht mit Erfolg beanstanden, dass das Obergericht diesem Umstand umso grösseres Gewicht beigemessen hat, als erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und die Stiftungen gemeinnützige Zwecke verfolgen; mithin berührt die zweckwidrige Vermögensverwaltung namhafte öffentliche Interessen.
Zu Recht hat das Obergericht im Weiteren berücksichtigt, dass zunächst die Aufsichtsbehörde eingeschritten ist und mit Recht weit gehenden Anordnungen und Weisungen versucht hat, eine gesetzes- und zweckkonforme Verwaltung sicherzustellen. Diese Bemühungen haben die Klägerinnen durchkreuzt. Da zusätzliche Aufsichtsmassnahmen (insbesondere allfällige personelle Konsequenzen) hier angesichts des erforderlichen Spezialwissens, des schwer überschaubaren personellen und vermögensrechtlichen Geflechts, der bereits ausgebrochenen Konflikte und angehobenen Rechtsstreite sowie des noch unvollständigen Kenntnisstandes kaum kurzfristig getroffen werden können, wenn die Behörde sich nicht dem Vorwurf zu wenig überlegten Handelns aussetzen will, hat das Obergericht annehmen dürfen, es liege eine Notlage im Sinne von
Art. 393 ZGB
vor und der (sekundäre) Weg der Verbeiständung stehe offen. Es ist nicht zu übersehen, dass das weisungswidrige Verhalten der Stiftungsorgane zu einer prekären Situation geführt hat, die öffentliche Interessen gefährdet und nicht rasch behebbar erscheint. Sie
BGE 126 III 499 S. 504
ist durchaus mit der Situation vergleichbar, in der die erforderlichen Organe mangeln und mit aufsichtsrechtlichen Mitteln allein nicht sofort Abhilfe geschaffen werden kann. Unter diesen Umständen hat das Obergericht nicht gegen
Art. 393 ZGB
verstossen, wenn es die in Erwägung 3 hiervor umschriebenen, besonderen Voraussetzungen für eine Verbeiständung als erfüllt betrachtet hat. Was die Klägerinnen gegen die Annahme einer genügenden Rechtsgrundlage ausführen, vermag bei der hier gegebenen Sachlage nicht durchzudringen.
b) Fehl geht auch die Argumentation der Klägerinnen zur Verhältnismässigkeit der Verbeiständung. Es ist nicht einzusehen, mit welchen milderen Massnahmen als der umstrittenen eine gesetzes- und zweckkonforme Verwaltung gewährleistet werden könnte, nachdem die Klägerinnen die aufsichtsrechtlichen Anordnungen mehrmals und gravierend missachtet haben. Insbesondere vermöchten die von ihnen vorgeschlagenen Alternativen wie die Beiordnung eines Beraters, die Ernennung eines weiteren Stiftungsrates oder die Unterstützung in spezifischen Fragen offensichtlich nicht zu genügen; dadurch könnte nicht verhindert werden, dass die Stiftungsräte weitere unzulässige Beschlüsse fassen. Ausserdem ist in diesem Zusammenhang auch an den Ermessensspielraum zu erinnern, der den Aufsichtsbehörden und den kantonalen Behörden zusteht (s. dazu E. 3 hiervor). Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die Verbeiständung von vorübergehender Dauer sein muss. Sie ist innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch aufsichtsrechtliche Anordnungen abzulösen, welche die Verwaltung definitiv sicherstellen sollen. | mixed |
76bd02b9-f577-4fff-8a2a-d5472ab15d5e | Sachverhalt
ab Seite 322
BGE 105 II 321 S. 322
A.-
Die Firma X. AG, eine Familien-AG, errichtete mit öffentlicher Urkunde vom 15. November 1967 unter dem Namen "Personalfürsorgestiftung der Firma X. AG" eine Fürsorgestiftung für ihr Personal im Sinne von
Art. 80 ff. ZGB
mit Sitz in Y. Der Eintrag im Handelsregister erfolgte am 16. Januar 1968 mit dem Vermerk: "Aufsichtsbehörde: Gemeinderat Y.". Mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 23. Januar 1968 wurde die Stiftung steuerfrei erklärt und der Stiftungsrat unter anderem verpflichtet, dem Finanzdepartement auf Verlangen alle Jahresabschlüsse sowie die sonstigen Belege zur Einsichtnahme vorzulegen. Dieser Beschluss wurde unter anderem dem Gemeinderat Y. "als Aufsichtsbehörde erster Instanz" zugestellt. Dem Stiftungsrat gehörten in letzter Zeit drei Mitglieder der Firmeninhaberfamilie an.
Wegen finanzieller Schwierigkeiten ersuchte die X. AG (im folgenden Stifterfirma genannt) im Jahre 1976 um Nachlassstundung. Es kam ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zustande, der am 30. Juli 1977 vom zuständigen Bezirksgericht bestätigt wurde. Am 11. August 1977 erfuhr das Finanzdepartement des Kantons Thurgau in seiner Eigenschaft als Stiftungsaufsichtsbehörde, dass der Stiftungsrat als Forderung gegenüber der Stifterfirma nur Fr. 178'657.55 geltend gemacht hatte. Auf seine Intervention hin wurde diese Forderung am 21. September 1977 auf Fr. 214'616.80 erhöht und in der 2. Klasse kolloziert.
B.-
Am 18. Oktober 1977 legte die Stiftungskontrolle der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau dem Stiftungsrat schriftlich den freiwilligen Rücktritt nahe. Der Stiftungsrat reagierte auf dieses Schreiben nicht. Das Finanzdepartement berief darauf mit Verfügung vom 3. Mai 1978 den Stiftungsrat der Personalfürsorgestiftung ab und beauftragte den
BGE 105 II 321 S. 323
Gemeinderat Y., in seiner Funktion als örtliches Waisenamt der Stiftung einen Beistand zu bestellen.
Der Stiftungsrat erhob gegen seine Abberufung eine Beschwerde, die am 15. Mai 1979 vom Regierungsrat des Kantons Thurgau abgewiesen wurde.
Mit Beschluss vom 5. Juli 1978 errichtete das Waisenamt Y. für die Stiftung eine Beistandschaft im Sinne von
Art. 393 Abs. 4 ZGB
und bestellte die thurgauische Kantonalbank zum Beistand.
C.-
Mit Eingabe vom 18. Juni 1979 erhebt der Stiftungsrat Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 15. Mai 1979 und die Verfügung des Finanzdepartements vom 3. Mai 1978, durch die er abberufen worden war, seien aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Nach
Art. 84 Abs. 1 ZGB
unterstehen Stiftungen der Aufsicht des Gemeinwesens (Bund, Kanton oder Gemeinde), dem sie ihrer Bestimmung nach angehören. Es stellt sich daher die Frage, ob die Gemeinden mit Bezug auf die ihnen angehörenden Stiftungen ein unmittelbar auf
Art. 84 Abs. 1 ZGB
beruhendes Recht auf Übernahme der Stiftungsaufsicht besitzen oder ob die Kantone frei seien, abweichende Normen zu erlassen und derartige Stiftungen unter die Aufsicht der Bezirksbehörden oder der kantonalen Behörden zu stellen. In der Literatur werden diesbezüglich beide Meinungen vertreten (vgl. RIEMER, N. 28 zu
Art. 84 ZGB
).
b) Der klare Gesetzeswortlaut von
Art. 84 Abs. 1 ZGB
scheint gegen die Zulässigkeit abweichenden kantonalen Rechts zu sprechen. Die Gesetzesmaterialien sind indessen nicht eindeutig. Während Eugen Huber in den Eidgenössischen Räten bezüglich der einer Gemeinde angehörenden Stiftungen ohne weiteres von einer Gemeindeaufsicht ausging, wurde dort auch die Meinung vertreten, die Kantone könnten die Aufsicht nach ihrem Belieben organisieren und sie dem Regierungsrat oder einer andern Behörde übertragen (die ausführliche Darstellung findet sich bei RIEMER, N. 29 zu
Art. 84 ZGB
).
BGE 105 II 321 S. 324
In einem Gutachten vom 13. Januar 1921 gelangte Eugen Huber zum Schluss, es müsse in jedem Fall die soziale Willensrichtung der Stiftung festgestellt und dasjenige Gemeinwesen ausfindig gemacht werden, dem die Funktion eigne, in der gleichen Richtung tätig zu sein wie die Stiftung; diesem Gemeinwesen gehöre die Stiftung ihrer Bestimmung nach an und ihm komme die Aufsicht gemäss
Art. 84 ZGB
zu (zitiert in VEB 26 Nr. 43). Ähnlich führte das Eidgenössische Departement des Innern in seinem Kreisschreiben vom 17. März 1921 aus, grundsätzlich habe jenes Gemeinwesen die Stiftung zu beaufsichtigen, das in die Lücke springen müsste, wenn die Stiftung nicht bestünde oder ihren Zweck nicht erreichen könnte (BBl 1921 II 309).
Das Bundesamt für Sozialversicherung sowie das Eidgenössische Departement des Innern gingen in ihren Entscheiden vom 17. Dezember 1934 (VEB 8 Nr. 37) bzw. vom 11. März 1952 (VEB 22 Nr. 25) davon aus, dass der Kanton entscheiden könne, welchem Gemeinwesen die Aufsicht über die Fürsorgestiftungen zustehe. Demgegenüber vertrat das gleiche Departement in seinem Entscheid vom 6. Februar 1953 einen etwas abweichenden Standpunkt. Es führte aus, den Kantonen und Gemeinden stehe im Rahmen der von
Art. 84 ZGB
getroffenen Ordnung nicht nur ein abgeleitetes, sondern ein originäres Aufsichtsrecht zu. Als Kriterium für die Beurteilung der Frage, welchem Gemeinwesen eine Stiftung ihrer Bestimmung nach angehöre, falle in erster Linie die Natur des Stiftungszweckes in Betracht, d.h. dessen Verhältnis zum öffentlichen Recht des Bundes, der Kantone oder Gemeinden. Wo dieser Gesichtspunkt keine feste Handhabe biete, erscheine es im Hinblick auf den föderalistischen Aufbau unseres Staatswesens und das Subsidiaritätsprinzip als sinnvoll, die Aufsicht im Zweifel dem weniger umfassenden Gemeinwesen zu überlassen. Die Tatsache, dass der Kreis der Destinatäre einer Stiftung sich über das Gebiet mehrerer Kantone erstrecke, vermöge für sich allein die Zuständigkeit des Bundes zur Übernahme der Aufsicht nicht zu begründen (VEB 23 Nr. 34). Dieser Entscheid, namentlich die Bemerkung über das originäre Aufsichtsrecht der Gemeinden, scheint eher andeuten zu wollen, dass die Kantone nicht befugt seien, eine von
Art. 84 Abs. 1 ZGB
abweichende Zuständigkeitsordnung zu schaffen.
c) Das Bundesgericht befasste sich in
BGE 56 I 377
mit
BGE 105 II 321 S. 325
Stiftungen, die mehreren Gemeinden angehören, wozu insbesondere Personalfürsorgestiftungen zu zählen sind. Es führte in diesem Zusammenhang aus, die Destinatäre dieser Stiftungen rekrutierten sich meist nicht nur aus der Gemeinde, in der das Unternehmen Sitz und Tätigkeitsgebiet habe, sondern aus verschiedenen Gemeinden der Umgebung. Die Aufsicht müsse aber einheitlich ausgeübt werden. Das könne entweder durch eine Gemeinde oder durch den Kanton geschehen. Für beide Möglichkeiten liessen sich gewichtige Gründe anführen. Der Bundesgesetzgeber habe zwischen den beiden Möglichkeiten keine Wahl getroffen. Er habe in
Art. 84 ZGB
nur die Aufsicht über die einem einzigen Gemeinwesen angehörenden Stiftungen geregelt, aber für den Fall, dass die Stiftungen mehreren Gemeinden angehörten, auf eine Regelung verzichtet. In einem solchen Fall seien die Kantone frei, im Rahmen des Bundesrechts zwischen den genannten beiden Lösungen zu wählen (
BGE 56 I 382
/83).
Nach der vom Bundesgericht in diesem Entscheid vertretenen Auffassung sind demnach bei Fürsorgestiftungen, deren Destinatäre in mehreren Gemeinden wohnen, die Kantone frei, innerkantonal das zuständige Aufsichtsorgan zu bestimmen.
d) Es besteht auch heute kein Anlass, von dieser vom Bundesgericht in
BGE 56 I 377
geäusserten Ansicht, der sich RIEMER (N. 30 zu
Art. 84 ZGB
) angeschlossen hat, abzuweichen. Beim Erlass von
Art. 84 ZGB
waren einerseits Personalfürsorgestiftungen noch wenig bekannt und fielen anderseits Wohn- und Arbeitsort der Arbeitnehmer noch vielfach zusammen. Es kann deshalb angenommen werden,
Art. 84 Abs. 1 ZGB
habe nur für solche Stiftungen eine Regelung schaffen wollen, welche ihrer Bestimmung nach eindeutig einem einzigen Gemeinwesen angehören, und enthalte bezüglich jener Stiftungen, die ihrer Bestimmung nach sich auf mehrere Gemeinden erstrecken, eine Lücke. Diese ist in dem Sinne auszufüllen, dass es als Sache des kantonalen Rechts betrachtet werden muss, die Stiftungsaufsicht dem Kanton, einem Bezirk oder einer Gemeinde zuzuweisen. Für diese Lösung sprechen auch die Erwägungen des genannten Kreisschreibens des Eidg. Departementes des Innern vom 17. März 1921. Personalfürsorgestiftungen wollen die Destinatäre, d.h. in der Regel die Arbeitnehmer eines bestimmten Unternehmens, vor wirtschaftlicher Not bewahren. Besteht in einem Unternehmen keine
BGE 105 II 321 S. 326
solche Stiftung, haben bei einer Notlage der Arbeitnehmer deren Wohnortsgemeinden einzuspringen. Da die Arbeitnehmer eines Betriebs heute meist in verschiedenen Gemeinden wohnen, kann gesagt werden, dass Personalfürsorgestiftungen sich in der Regel auf mehrere Gemeinden erstrecken und insofern ihrer Bestimmung nach verschiedenen Gemeinden angehören. Unter diesen Umständen stellt es jedenfalls keine Verletzung von
Art. 84 Abs. 1 ZGB
dar, wenn ein Kanton die Aufsicht über seine Personalfürsorgestiftungen generell einer Kantons- oder Bezirksbehörde zuweist und nicht jener Gemeinde, in der die Stifterfirma oder die Stiftung ihren Sitz hat.
Nach dem Ausgeführten kann somit im vorliegenden Fall, entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung, aus
Art. 84 Abs. 1 ZGB
nicht abgeleitet werden, die Aufsicht über die Stiftung müsse von Bundesrechts wegen notwendigerweise dem Gemeinderat von Y. zustehen. Die Ausübung des Aufsichtsrechts durch das kantonale Finanzdepartement als erste Instanz stellt demnach keine Verletzung der genannten bundesrechtlichen Bestimmung dar.
5.
Es bleibt zu prüfen, ob die Abberufung des Stiftungsrates materiell gerechtfertigt gewesen sei, nachdem eine Bundesrechtsverletzung verneint und ein Verstoss gegen
Art. 4 BV
durch willkürliche Anwendung kantonalen Rechts nicht ordnungsgemäss geltend gemacht worden ist.
a) Nach
Art. 84 Abs. 2 ZGB
hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Zur Erfüllung dieser Aufgabe stehen ihr verschiedene präventive und repressive Massnahmen zur Verfügung, letztlich als schwerwiegendsten Eingriff die Abberufung des Stiftungsrates. Diese soll jedoch nur erfolgen, wenn das Verhalten des Stiftungsrates im Hinblick auf eine gesetzes- und stiftungsmässige Tätigkeit der Stiftung nicht mehr tragbar, die Zweckverwendung des Stiftungsvermögens beeinträchtigt oder gefährdet ist und andere, weniger einschneidende Massnahmen keinen Erfolg versprechen. Dass der Stiftungsrat schuldhaft gehandelt habe, ist nicht Voraussetzung für seine Abberufung (RIEMER, N. 55 ff., insbes. N. 98 f. zu
Art. 84 ZGB
). Bei der Ausübung des Aufsichtsrechts steht der damit beauftragten Behörde ein gewisser Ermessensspielraum zu. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zwischen Mittel und Zweck ist jedoch zu beachten (RIEMER, N. 37 zu
Art. 84 ZGB
).
BGE 105 II 321 S. 327
b) Der Regierungsrat begründete im angefochtenen Entscheid die Abberufung des Stiftungsrates vor allem damit, dass zwischen der Stiftung und der sich in Liquidation befindenden Stifterfirma die evidente Gefahr einer Interessenkollision bestehe, weil der Stiftungsrat aus dem Verwaltungsratspräsidenten, einem Verwaltungsrat und einem Prokuristen der Stifterfirma zusammengesetzt sei. Ferner wurde dem Stiftungsrat vorgeworfen, dass er im Nachlassverfahren für die Stiftung nur eine Forderung von Fr. 178'657.55 statt den der Stiftung zustehenden Betrag von Fr. 214'616.80 geltend gemacht habe. Auch sei die Jahresrechnung 1975 erst nach mehrfacher Aufforderung am 9. Mai 1977 zusammen mit der Jahresrechnung 1976 eingereicht worden. Zudem habe der Stiftungsrat seit seiner Abberufung am 3. Mai 1978, von der er wegen fehlerhafter Zustellung keine Kenntnis erhalten habe, nichts mehr getan; ja er habe bis zum 12. März 1979 nicht einmal gemerkt, dass er am 3. Mai 1978 abberufen worden sei.
Es ist im folgenden zu prüfen, ob diese vom Regierungsrat angeführten Umstände für sich allein oder in ihrer Gesamtheit einen hinreichenden Grund für die Abberufung des Stiftungsrates bilden.
c) Der Stiftungsrat bestreitet nicht, dass er sich aus dem Verwaltungsratspräsidenten, einem Verwaltungsrat und einem Prokuristen der Stifterfirma zusammensetzt. Bei dieser Sachlage ist offenkundig und braucht es, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, keiner weiteren Begründung dafür, dass es zwischen der Stiftung und der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindenden Stifterfirma, die beide weitgehend durch dieselben Personen vertreten werden, zu Interessenkollisionen kommen kann. Der Umstand, dass sich die Stifterfirma bei der Abberufung des Stiftungsrates bereits in Nachlassliquidation befand, ändert daran nichts, weil der Schuldner bzw. dessen bisheriger Verwaltungsrat auch in diesem Verfahren noch gewisse Aufgaben zu erfüllen hat, welche die Gläubigerinteressen berühren; unter anderem hat er sich namentlich über die eingegebenen Forderungen auszusprechen und der Gläubigerversammlung auf deren Verlangen Aufschlüsse zu erteilen (
Art. 301 und 302 Abs. 2 SchKG
). Ob die Fünftklassgläubiger leer ausgehen werden und die Mitglieder des Stiftungsrates eine Forderung angemeldet haben oder nicht, ist unerheblich. Einerseits stand das Ergebnis der Liquidation bei der Abberufung
BGE 105 II 321 S. 328
des Stiftungsrates noch keineswegs sicher fest und anderseits kann eine Interessenkollision nicht nur zugunsten der Stiftung und deren Destinatäre, sondern auch zu deren Nachteil und zugunsten der Stifterfirma bzw. deren Gläubiger vorliegen.
Die mögliche Interessenkollision konnte nur durch die Abberufung des Stiftungsrates wirkungsvoll ausgeschaltet werden. Die vom Finanzdepartement verfügte Massnahme hält demnach vor dem Gesetz stand. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist durch sie nicht verletzt, weil weniger weitgehende Eingriffe das angestrebte Ziel nicht hätten erreichen können.
War die Abberufung des Stiftungsrates allein schon wegen der drohenden Interessenkollision gerechtfertigt und stellt demzufolge die angefochtene Massnahme keine Rechtsverletzung dar, dann ist die vorliegende Beschwerde schon deshalb als unbegründet abzuweisen. Es erübrigt sich damit zu prüfen, ob die weiteren vom Regierungsrat angeführten Gründe für die Abberufung des Stiftungsrates ebenfalls ausgereicht hätten. | mixed |
0365353e-32ba-4939-b44b-eaa3e50cf0a2 | Sachverhalt
ab Seite 713
BGE 116 II 713 S. 713
A.-
La Caisse-maladie de X. (ci-après: la Caisse) est une société coopérative, au sens des
art. 828 ss CO
. Elle a son siège à X., n'est pas inscrite au registre du commerce et est soumise à la loi fédérale du 13 juin 1911 sur l'assurance-maladie (LAMA). Selon les art. 67 al. 1 et 66 ch. 8 de ses statuts, l'assemblée générale prend les décisions relatives à la fusion de la société à la majorité des deux tiers des voix émises. L'art. 5 des statuts dispose que toutes les publications de nature générale qui obligent les assurés se font par affichage aux panneaux communaux. Cependant, à une date indéterminée, le comité de la Caisse aurait introduit un nouveau système de convocation sous forme de lettres personnelles adressées aux "chefs de famille" et à chaque particulier vivant seul. C'est ainsi que, pour un enfant majeur faisant ménage commun avec son père, la convocation n'était envoyée, en principe, qu'à ce dernier. De ce fait, il arrivait que des enfants majeurs, qui avaient quitté le foyer paternel à l'insu de la Caisse, ne fussent pas atteints par les communications de celle-ci.
BGE 116 II 713 S. 714
En 1986, la Caisse comptait quelque 900 associés, dont une majorité d'adultes, et ses réserves en capital dépassaient le million de francs.
B.-
Par lettre du 4 novembre 1986, adressée aux chefs de famille, le comité de la Caisse a convoqué une assemblée générale extraordinaire, appelée à se prononcer sur la fusion avec une caisse-maladie plus importante. Lors de cette assemblée, qui a eu lieu le 17 novembre 1986, le principe de la fusion a été accepté à la quasi-unanimité des votants. Invités ensuite à choisir le partenaire de fusion parmi les quatre caisses-maladie ayant fait une offre, les associés présents ont désigné la Caisse Y. par 107 voix sur 174. La majorité des deux tiers des voix émises n'étant pas atteinte, ils ont chargé le comité de se renseigner sur la validité de cette votation. Le 5 décembre 1986, les assurés ont reçu une lettre du comité entérinant les décisions prises par l'assemblée générale extraordinaire.
Le contrat de fusion, qui prévoyait, entre autres stipulations, le libre passage d'une caisse à l'autre, dès le 1er janvier 1987, et le transfert de la fortune de la Caisse à la Caisse Y., a été signé le 22 décembre 1986. Il n'a pas été soumis à l'assemblée générale de la Caisse et a été approuvé le 26 août 1987 par l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS).
C.-
J. et son fils majeur S., tous deux membres de la Caisse, ont introduit, séparément, une action en annulation de la décision de fusion, le premier en date du 17 décembre 1986, le second quelques jours plus tard. Ils alléguaient, en substance, que l'assemblée générale extraordinaire n'avait pas été convoquée régulièrement et qu'elle n'avait, de surcroît, pas pris la décision de fusion à la majorité prescrite. Les deux causes ont été jointes. La défenderesse a conclu au déboutement des demandeurs.
Le 31 décembre 1986, S. a requis, à titre de mesure provisionnelle, la suspension des effets de la décision de fusion. Sa requête a été rejetée le 23 janvier 1987 et il n'a pas formé un recours de droit public au Tribunal fédéral.
Par jugement du 8 mai 1990, la Cour civile I du Tribunal cantonal du canton du Valais a constaté que les actions des demandeurs étaient devenues sans objet. Elle a considéré, en substance, que, s'il y avait effectivement matière à annulation des décisions prises lors de l'assemblée générale extraordinaire du 17 novembre 1986, faute d'une convocation régulière des associés, voire à la constatation de la nullité de la décision de fusion, qui
BGE 116 II 713 S. 715
n'avait pas été prise à la majorité requise, l'impossibilité de rétablir la situation antérieure à la fusion faisait néanmoins obstacle à l'admission des conclusions des demandeurs.
D.-
Agissant par la voie du recours en réforme, les demandeurs invitent le Tribunal fédéral à déclarer nulles, respectivement à annuler, les décisions litigieuses.
La défenderesse conclut au rejet du recours. Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Les premiers juges ont conclu à l'annulabilité des décisions prises lors de l'assemblée générale extraordinaire du 17 novembre 1986, au motif que celle-ci n'avait pas été convoquée conformément aux règles statutaires. La défenderesse ne critique pas les considérations juridiques qu'ils ont émises à ce propos. Sans doute le Tribunal fédéral est-il tenu d'appliquer d'office le droit fédéral, sans être lié par l'argumentation des parties (
ATF 115 II 58
et les arrêts cités). En l'occurrence, la violation des statuts est toutefois à ce point manifeste qu'il n'y a pas lieu de s'y attarder. Il est, en effet, patent qu'une convocation faite par l'envoi de lettres aux chefs de famille ne pouvait remplacer le seul mode établi par les statuts, à savoir l'affichage aux panneaux communaux.
Le défaut de convocation valable entraînant déjà à lui seul l'annulation des décisions de l'assemblée générale, on peut se dispenser de rechercher si ces décisions ont été prises en conformité avec les statuts et, dans la négative, si elles sont absolument nulles ou seulement annulables. Peut notamment rester indécise la question de savoir si la majorité qualifiée, prescrite pour la fusion de la société coopérative (
art. 888 al. 2 CO
), est requise non seulement pour la décision de principe, mais aussi pour les autres décisions relatives à la fusion et, singulièrement, pour celle qui a trait au choix de la société reprenante.
4.
a) Se ralliant à l'avis de CUENDET (La fusion par absorption, en particulier le contrat de fusion, dans le droit suisse de la société anonyme, thèse Lausanne 1973, p. 130 in fine), la cour cantonale estime que l'action tendant à constater la nullité de la fusion est toujours possible, théoriquement, mais qu'elle peut placer les parties dans une situation inextricable. En effet, si les patrimoines ont été mélangés et qu'il y ait déjà eu des opérations les affectant, il ne sera pratiquement plus possible de "défaire" la fusion. En pareille hypothèse, il faudra admettre que l'inscription
BGE 116 II 713 S. 716
guérit même les vices qui entraînent la nullité absolue. Or, si l'on en croit les juges précédents, le rétablissement de la situation dans laquelle se trouvaient la défenderesse et ses membres en novembre 1986 ne serait plus envisageable: d'abord, du fait de la disparition d'une grande partie de la réserve qu'elle s'était constituée, la défenderesse n'aurait plus les possibilités de choix qui existaient avant le 1er janvier 1987; ensuite, l'approbation du contrat de fusion par l'OFAS et l'absence de recours de droit public contre la décision de rejet des mesures provisionnelles auraient créé un état de choses irréversible; enfin, sur le plan comptable, la division des patrimoines confondus serait vraisemblablement irréalisable. Aussi la cour cantonale arrive-t-elle à la conclusion que, dans ces conditions, les actions des demandeurs n'ont plus d'objet.
Dans leur recours en réforme, les demandeurs s'emploient, au contraire, à démontrer que le retour au statu quo ante est possible sans grandes difficultés juridiques ou pratiques.
b) Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral relative à la société anonyme, l'inscription de la dissolution de la société absorbée peut être rapportée en cas d'annulation subséquente de la décision de fusion, même s'il en résulte des difficultés pratiques considérables (
ATF 97 I 487
consid. 3b, II 189 consid. I/2). En d'autres termes, l'effet guérisseur de l'inscription au registre du commerce n'est pas absolu et l'idée qu'une fusion réalisée ne puisse plus être remise en cause ne saurait être admise. Il importe, au contraire, de privilégier le droit fondamental de tout actionnaire ou associé d'attaquer en justice les décisions de l'assemblée générale qui violent la loi ou les statuts. Certes, comme le relève avec pertinence RECORDON (La protection des actionnaires lors des fusions et scissions de sociétés en droit suisse et en droit français, thèse Genève 1974, p. 284), les faits économiques refusent parfois de se plier au pouvoir divin du juge de faire que ce qui fut n'ait pas été. Il reste que le juge doit rechercher par tous les moyens à rétablir une situation conforme au droit, sans s'arrêter aux difficultés pratiques qui pourraient résulter de sa décision. Cela étant, il se trouvera des cas dans lesquels la remise des choses en l'état se heurterait à des difficultés insurmontables, au point de ne plus apparaître comme souhaitable. Il n'est ainsi pas possible de poser, en ce domaine, des règles absolues, qui s'appliqueraient en toute hypothèse. Dès lors, la solution du problème passe par la pesée des intérêts en présence (BÜRGI/NORDMANN, n. 84 et 86 in fine ad
art. 748 CO
; RECORDON, A propos des arrêts FUSAG contre
BGE 116 II 713 S. 717
Ursina-Franck S.A.: L'annulation de la décision de la société absorbée après l'inscription de la fusion au registre du commerce, in: Société anonyme suisse, 45/1973, p. 119 ss).
c) L'examen des circonstances de la cause en litige, à la lumière de ces principes, révèle une violation du droit fédéral par les premiers juges, qui ont constaté sans raison valable que les actions des demandeurs étaient devenues sans objet.
aa) Il a échappé à la cour cantonale que l'on n'a pas affaire ici à une société commerciale inscrite au registre du commerce, mais à une caisse-maladie reconnue, qui a acquis la personnalité juridique sans être inscrite audit registre (
art. 1er let
. c de l'Ordonnance V sur l'assurance-maladie concernant la reconnaissance des caisses-maladie et des fédérations de réassurance, ainsi que leur sécurité financière, du 2 février 1965; RS 832.121). Par conséquent, les développements de la doctrine touchant l'inscription et ses effets à l'égard des tiers ne sont pas déterminants en l'espèce.
bb) Force est de constater, ensuite, que le comité de la défenderesse a signé le contrat de fusion à une date postérieure à la notification de l'exploit l'informant de l'ouverture de la première des deux actions en annulation de la décision de fusion. Ledit comité a donc pris le risque de conclure le contrat de fusion en sachant que la décision qui l'habilitait à le faire était attaquée en justice. De surcroît, il ne semble pas avoir signalé la chose à l'OFAS, car on peut admettre que celui-ci n'eût pas approuvé le contrat de fusion sans autre formalité s'il avait eu vent de la procédure en annulation de la décision de fusion.
cc) Les juges cantonaux méconnaissent, en outre, les effets de l'approbation donnée par l'OFAS lorsqu'ils écrivent qu'elle a, en quelque sorte, purgé les vices affectant la fusion: une telle approbation (sur sa portée, cf. MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II, p. 283 ss) n'avait aucune incidence sur la validité formelle des décisions prises lors de l'assemblée générale du 17 novembre 1986, cette question étant régie exclusivement par les dispositions topiques du code des obligations et des statuts de la défenderesse.
De plus, la cour cantonale attribue à tort le même effet guérisseur à l'absence de recours de droit public contre la décision de rejet des mesures provisionnelles requises par S. Si l'on tient compte des limites du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral en la matière, on ne saurait reprocher au requérant de n'avoir pas formé
BGE 116 II 713 S. 718
un recours de droit public contre cette décision, laquelle précisait d'ailleurs qu'elle ne préjugeait en rien le sort de l'action au fond. Et il est vrai que l'intéressé aurait sans doute eu quelque peine à démontrer que le juge des mesures provisionnelles avait exclu arbitrairement le risque qu'il subisse un dommage sérieux en acceptant son affiliation à une caisse-maladie plus importante que ne l'était la défenderesse.
dd) Il n'est, enfin, pas possible de suivre l'autorité cantonale lorsqu'elle affirme que la fusion est irréversible du point de vue comptable. En effet, les premiers juges constatent, par ailleurs, que la Caisse Y. a tenu un état séparé des associés de la société absorbée, des conditions financières résultant pour eux des primes plus basses encaissées, des prestations faites aux assurés, ainsi que des prélèvements opérés sur l'important actif net transféré à la Caisse Y. au début de l'année 1987. De ces constatations, que la défenderesse tente en vain de remettre en cause (
art. 63 al. 2 OJ
), il ressort que les patrimoines des deux caisses ont été gérés séparément; leur division ne doit donc pas être irréalisable, ni entraîner des frais excessifs, contrairement à l'opinion de la cour cantonale sur ce point.
d) Au terme de cet examen, il apparaît que, si les juges précédents ont admis à juste titre le bien-fondé des arguments des demandeurs, ils ont, en revanche, violé le droit fédéral en déboutant ceux-ci motif pris de ce que leurs actions étaient devenues sans objet. Il convient donc d'admettre le recours et d'annuler le jugement attaqué ainsi que les décisions litigieuses. | mixed |
10561b05-3c78-43ac-92e7-b1e368ba4086 | Sachverhalt
ab Seite 381
BGE 119 Ib 380 S. 381
Die Privatschule B., Walzenhausen, ist Eigentümerin der Parzellen Nrn. 631, 1041 und 1324 im Gebiet Sonnenberg der Gemeinde Walzenhausen. Sie führt eine Ausbildungsstätte, in welcher sie Seminarien, Tagungen und Kurse für Jugendliche und Erwachsene abhält. Der Gemeinderat Walzenhausen erliess am 26. September 1983 für das zur Ein- und Zweifamilienhaus-Reservezone gehörende Gebiet Sonnenberg einen Quartierplan, der am 29. Mai 1984 vom Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. genehmigt wurde; am 29. Dezember 1989 genehmigte der Regierungsrat eine geringfügige Änderung dieses Planes. Die Sonderbauvorschriften bestimmen unter anderem, dass die für die Privatschule notwendigen Autoabstellplätze im Gebiet C anzuordnen seien, wobei die erforderliche Anzahl im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens festzulegen sei. Mindestens 50% der Autoabstellplätze seien dabei unterirdisch zu erstellen.
Die Privatschule B. reichte für den Bau von drei Doppeleinfamilienhäusern sowie für den Neubau der Zufahrtsstrasse von der Staatsstrasse zur Ausbildungsstätte und einen Autounterstand Baugesuche ein. Am 15. August 1990 erteilte die Baubewilligungskommission Walzenhausen die Baubewilligung für die Strasse und die Abstellplätze unter Auflagen und wies die dagegen eingegangenen Einsprachen ab. A., Eigentümer der Parzellen Nrn. 1019 und 1174, die an die Parzellen Nrn. 631 und 1041 angrenzen, rekurrierte dagegen beim Gemeinderat Walzenhausen. Der Gemeinderat wies am 15. Juli 1991 den Rekurs ab, soweit er darauf eintrat. Er ergänzte die Baubewilligung der Baubewilligungskommission vom 15. August 1990 mit folgenden Auflagen:
"Der überdeckte Autounterstand ist soweit in den Hang hineinzuverschieben, dass sämtliche Bauteile unter das gewachsene Terrain zu liegen kommen.
Auf die ersten 3-4 überdachten Unterstellplätze ist zu verzichten (Total 36-37 Plätze). Das Terrain ist so zu gestalten, dass die unterirdischen Bauten auf 3 Seiten unter dem gestalteten Terrain liegen."
Dagegen erhob A. Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. und beantragte, das Baugesuch sei abzuweisen, eventualiter sei die Baugesuchstellerin zu verpflichten, geeignete Schutzvorkehren zu treffen, um die zu erwartenden zonenwidrigen Immissionen
BGE 119 Ib 380 S. 382
zu verhindern. Am 25. Februar 1992 wies der Regierungsrat den Rekurs ab.
A. führt gegen diesen Beschluss des Regierungsrats sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde sowohl als Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch als staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Der Beschwerdeführer hat gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid des Regierungsrats des Kantons Appenzell A.Rh., der in Anwendung des kantonalen Gesetzes über die Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung (EG zum RPG) vom 28. April 1985, des kommunalen Baurechts und des eidgenössischen Umweltschutzrechts erging, sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Er hat beide Rechtsmittel in einer Beschwerdeschrift erhoben, was zulässig ist (
BGE 118 Ib 417
E. 1a). Welches Rechtsmittel zulässig ist, ob im vorliegenden Fall beide Rechtsmittel ergriffen werden können und in welchem Umfang auf ein zulässiges Rechtsmittel eingetreten werden kann, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 118 Ia 112
E. 1,
BGE 118 Ib 49
f. E. 1, 196 E. 1, 417 E. 1). Entsprechend der subsidiären Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (
Art. 84 Abs. 2 OG
) ist zunächst zu prüfen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensteht.
b) Nach
Art. 97 OG
in Verbindung mit
Art. 5 VwVG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätte stützen sollen, sofern diese von den in
Art. 98 OG
genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in
Art. 99-102 OG
oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (
BGE 118 Ib 234
E. 1a, 417 E. 1b, je mit Hinweisen). Zu dem im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüfbaren Bundesrecht gehört auch das Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (
BGE 118 Ib 11
E. 1a mit Hinweis).
BGE 119 Ib 380 S. 383
Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind auch auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit dagegen dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (
BGE 118 Ib 11
E. 1a, 234 E. 1b, je mit Hinweisen).
c) Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Entscheid des Regierungsrats verletze umweltschutzrechtliche Bestimmungen des Bundes, so namentlich
Art. 11 Abs. 2 USG
. Zu dieser Rüge ist der Beschwerdeführer als Eigentümer zweier Parzellen, die an die Liegenschaften der Beschwerdegegnerin anstossen, im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (
Art. 103 lit. a OG
). Der Beschwerdeführer ist ebenfalls legitimiert, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Verletzung von
Art. 4 BV
(Verweigerung des rechtlichen Gehörs und willkürliche Rechtsanwendung) geltend zu machen.
Die vom Beschwerdeführer ebenfalls als verletzt gerügten Art. 75 und 76 EG zum RPG weisen zwar den geforderten engen Sachzusammenhang zu den in Frage stehenden umweltschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundes auf, um im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüft zu werden. Indessen ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, inwiefern diese kantonalen Vorschriften die in Betracht fallenden bundesrechtlichen Umweltschutzbestimmungen ergänzen oder - soweit erlaubt - verschärfen. Diesen Bestimmungen kommt somit keine selbständige Bedeutung zu (vgl.
BGE 117 Ib 147
E. 2d/cc,
BGE 115 Ib 456
E. 1c).
d) Der vom Beschwerdeführer ferner als verletzt gerügte Art. 4 EG zum RPG (Bestandesgarantie) weist diesen engen Sachzusammenhang nicht auf. Diese Rüge ist deshalb mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen. Als Eigentümer einer Parzelle (Nr. 1019) im Quartierplangebiet Sonnenberg ist der Beschwerdeführer gemäss
Art. 88 OG
legitimiert, eine Verletzung von Art. 4 EG zum RPG geltend zu machen. Gleich verhält es sich mit der Rüge, der angefochtene Entscheid verletze im Zusammenhang mit der Bestandesgarantie "die Beweisregeln von
Art. 8 ZGB
", womit sich der Beschwerdeführer auf den auch im kantonalen Verwaltungsrecht geltenden
BGE 119 Ib 380 S. 384
Grundsatz beruft, dass derjenige das Vorhandensein einer Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet (vgl. HANS-JÜRG SCHÄR, Gesetz über das Verwaltungsverfahren des Kantons Appenzell A.Rh. vom 28. April 1985, N. 21 zu Art. 6, N. 3 zu Art. 10).
e) Die Akten enthalten alle erheblichen Sachverhaltselemente, weshalb sich die vom Beschwerdeführer beantragten Beweismassnahmen erübrigen.
2.
a) Im vorliegenden Fall geht es in der Hauptsache um die Bewilligung eines Sanierungsvorhabens, welches die Lösung des Erschliessungs- und Parkplatzproblems im Quartierplangebiet Sonnenberg bezweckt. Der Gemeinderat Walzenhausen bewilligte am 15. Juli 1991 den Bau eines Autounterstandes mit 36-37 Plätzen sowie einer Zufahrtsstrasse. Wie der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid verdeutlicht, sind neun Parkplätze für die von der Beschwerdegegnerin neu geplanten drei Doppeleinfamilienhäuser erforderlich. Hievon sind sechs Plätze im Unterstand projektiert; die übrigen 30-31 Plätze sollen der bestehenden Privatschule dienen.
b) Der Beschwerdeführer weist in seiner Beschwerde darauf hin, dass der Betrieb der Privatschule als solcher dem Zweck der Ein- und Zweifamilienhauszone widerspricht. Dies trifft offenkundig zu. Der Regierungsrat stellte in seinem Rekursentscheid vom 5. April 1983 betreffend den Quartierplan Sonnenberg ausdrücklich fest, dass das Schulungszentrum lediglich in der Wohn- und Gewerbezone als zonenkonform zu bezeichnen wäre. Indessen müsse der Besitzstand aufgrund der Eigentumsgarantie gewahrt bleiben. Demgemäss lasse die Gemeindebauordnung den Weiterbestand der Schule und eine angemessene Erweiterung zu; die Ausbaumöglichkeiten seien aber insoweit gleichzeitig begrenzt. Der Regierungsrat schrieb der Gemeinde vor, die Sonderbauvorschriften dahin zu ändern, dass "die bauliche Erweiterung der bestehenden Privatschule (nur) im Rahmen der Erweiterungsgarantie" gewährleistet sei.
c) Im vorliegenden Baubewilligungsverfahren machte der Beschwerdeführer geltend, die Beschwerdegegnerin werde ihr Schulungszentrum von Walzenhausen nach Kehrsatz verlegen, womit die Berufung auf die Bestandesgarantie entfalle. Nach Auffassung des Regierungsrats kommt eine Betriebsverlegung grundsätzlich einem Verzicht auf die Bestandesgarantie gleich. Eine Betriebsverlegung des Schulungszentrums von Walzenhausen nach Kehrsatz sei zwar offensichtlich. Indessen sei ein genauer Zeitpunkt dieser Betriebsverlegung angesichts der frühen Planungsphase und möglicher Verzögerungen nicht bestimmbar. Deshalb sei von der tatsächlichen
BGE 119 Ib 380 S. 385
Situation, wie sie sich bei der Entscheidfällung präsentiere, auszugehen.
Der Beschwerdeführer wirft dem Regierungsrat vor, er habe den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem er ohne nähere Begründung davon absah, dem entsprechenden Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Edition der Unterlagen des Baubewilligungsverfahrens in Kehrsatz stattzugeben.
d) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und des Regierungsrats hat die geplante Verlegung der Privatschule keine Auswirkungen auf die Besitzstandsgarantie. Die Nutzung der bestehenden Bauten könnte auch nach einem Verkauf im Rahmen der bisherigen Zweckbestimmung vom neuen Eigentümer weitergeführt werden (vgl. ERICH ZIMMERLIN, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, zweite Auflage, Aarau 1985, S. 566, N. 4c zu § 224). Die vom Regierungsrat in seinem Beschluss angeführten Zitate stehen diesem Schluss nicht entgegen, sondern sind vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sich die Privatschule nach einer allfälligen Verlegung am neuen Standort nicht mehr auf die Besitzstandsgarantie berufen kann (vgl. ERICH ZIMMERLIN, a.a.O., S. 320, N. 3 zu § 135 und S. 566 f., N. 4d zu § 224; ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, Bern 1987, S. 67 f., N. 2 zu Art. 3). Eine Verlegung der Privatschule bewirkt somit entgegen den Ansichten des Regierungsrats und des Beschwerdeführers keinen Verzicht auf die Besitzstandsgarantie. Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verlegung beantragten Beweismassnahmen erweisen sich als unerheblich, weshalb eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wie auch der geltend gemachte Verstoss gegen die Regeln über die Beweislastverteilung zu verneinen ist. Aus den gleichen Gründen liegt insoweit auch keine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts vor (
Art. 104 lit. b OG
).
e) Im Zusammenhang mit der Frage der Betriebsverlegung wirft der Beschwerdeführer dem Regierungsrat ausserdem vor, er habe Art. 4 EG zum RPG (Bestandesgarantie) willkürlich angewendet. Das Bundesgericht hebt jedoch einen angefochtenen Entscheid nicht auf, wenn sich nur die Begründung als unhaltbar erweist. Die Aufhebung eines Entscheids rechtfertigt sich vielmehr nur, wenn dieser auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (
BGE 117 Ia 135
E. 2c mit Hinweisen). Der Regierungsrat ging in seinem angefochtenen Beschluss zumindest im Ergebnis richtigerweise davon aus, dass die
BGE 119 Ib 380 S. 386
Verlegungsabsichten der Beschwerdegegnerin keinen Einfluss auf die Bestandesgarantie bewirken. Die Willkürrüge erweist sich insoweit als unbegründet und ist abzuweisen.
Ferner behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung von
Art. 22ter BV
, weil der Beschwerdegegnerin trotz der vorgesehenen Betriebsverlegung die Bestandesgarantie eingeräumt wurde. Da, wie ausgeführt, die Verlegungsabsichten keinen Einfluss auf die Bestandesgarantie haben, erweist sich auch diese Rüge als unbegründet.
3.
a) Das Bundesgesetz über den Umweltschutz soll unter anderem Menschen gegen schädliche und lästige Einwirkungen schützen (
Art. 1 Abs. 1 USG
). Das geltende Recht sieht die Begrenzung schädlicher oder lästiger Einwirkungen wie etwa Luftverunreinigung oder Lärm an der Quelle nach einem zweistufigen Konzept vor (
Art. 11 Abs. 1 USG
): Zunächst sind unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung die Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (
Art. 11 Abs. 2 USG
). In einem zweiten Schritt sind die Emissionsbeschränkungen zu verschärfen, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden (
Art. 11 Abs. 3 USG
;
BGE 118 Ib 26
E. 5b, 234 E. 2a).
Für die Beurteilung dessen, was als schädlich und lästig gilt und somit zu verschärften Emissionsbegrenzungen führt, ist auf die Grenzwerte abzustellen, die der Bundesrat durch Verordnung festlegt (
Art. 13 Abs. 1 USG
).
b) Der Regierungsrat führte in seinem angefochtenen Beschluss aus, dass die fraglichen Grundstücke nach dem Bebauungsplan in der Ein- und Zweifamilienhaus-Reservezone lägen. Die zuständige kantonale Behörde hätte für dieses Gebiet die Empfindlichkeitsstufe II gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. b der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV) festzusetzen. Die für die Empfindlichkeitsstufe II geltenden Immissionsgrenzwerte von 60 dB (A) während des Tages und 50 dB (A) während der Nacht würden durch das Zu- und Wegfahren einzelner Automobile von der Parkierungsanlage nicht erreicht werden, zumal sich die Situation durch die neue Linienführung der Zufahrtsstrasse mit geringeren Steigungsverhältnissen verbessern werde. Das Bauvorhaben stehe auch im Einklang mit der Luftreinhalte-Verordnung (LRV), weil man der vorsorglichen Emissionsbegrenzung bereits im Rahmen des Quartierplans Rechnung getragen habe.
BGE 119 Ib 380 S. 387
c) Es stellt sich die Frage, ob nicht die meisten umweltschutzrechtlichen Fragen bereits weitgehend in den Regierungsratsbeschlüssen vom 5. April 1983 (Rekursentscheid betreffend Quartierplan Sonnenberg) und vom 29. Mai 1984 (Genehmigungsentscheid betreffend Quartierplan Sonnenberg) entschieden worden sind. Dies hätte zur Folge, dass im vorliegenden Baubewilligungsverfahren diese Fragen grundsätzlich nicht mehr überprüft werden könnten (vgl.
BGE 116 Ia 207
E. 3b,
BGE 115 Ib 335
E. 4c). Da indessen aufgrund der nachfolgenden Erwägungen der angefochtene Regierungsratsbeschluss weder umweltschutzrechtlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden ist, kann diese Frage offengelassen werden.
d) Der Quartierplan verwies die Festsetzung der Anzahl der erforderlichen Abstellplätze ins Baubewilligungsverfahren; er bestimmte indessen, dass 50% der Autoabstellplätze unterirdisch zu erstellen seien. Bei der Überprüfung der erforderlichen Parkplatzzahl ist, wie der Regierungsrat richtig festgestellt hat, von der heutigen Nutzung auszugehen, die durch Art. 4 EG zum RPG (Bestandesgarantie) geschützt ist (vgl. vorangehende E. 2d und e). Dass für den Betrieb der Privatschule 30 Abstellplätze notwendig sind, ist unbestritten. Auch kann nicht gesagt werden, dass die für die drei Doppeleinfamilienhäuser vorgesehenen neun Parkplätze, wovon sechs Plätze in der hier umstrittenen Parkierungsanlage geplant sind, nicht erforderlich sind. Der Parkplatzbedarf ist genügend ausgewiesen. Mit einer Reduktion der Parkplatzzahl könnte die heutige unbefriedigende Parkplatzsituation nicht gelöst und dadurch der Zweck des Quartierplans Sonnenberg, nämlich unter anderem die zweckmässige Erschliessung des Gebiets Sonnenberg, nicht erfüllt werden.
Mit dem vorliegenden Sanierungsvorhaben soll die gegenwärtig unbefriedigende Erschliessungssituation verbessert werden. Mit Blick auf die Lärm- und Luftverunreinigungsproblematik erscheint - isoliert betrachtet - die vorgesehene Parkplatzzahl als beachtlich. Indessen ist insoweit zu berücksichtigen, dass die für die Privatschule vorgesehenen Parkplätze nicht kurzfristig, mit entsprechend häufigen Fahrzeugbewegungen, benutzt werden. Der grösste Teil der die Privatschule besuchenden Schüler ist in dieser selbst untergebracht. Dies hat zur Folge, dass die Parkplätze während längeren Zeitabschnitten belegt werden. Die von diesen Parkplätzen ausgehende Belastung ist daher als klein zu bezeichnen. Es ist festzustellen, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, wonach die geplante Erschliessungsstrasse und die Parkierungsanlage in bezug auf den Lärm oder die Luftverunreinigung eine Grenzwertüberschreitung
BGE 119 Ib 380 S. 388
bewirken werden. Es ist, wie der Regierungsrat ausgeführt hat, davon auszugehen, dass die heutige Situation durch das umstrittene Projekt verbessert wird.
e) Damit bleibt einzig noch zu prüfen, ob der Regierungsrat, wie der Beschwerdeführer behauptet, die Emissionsbegrenzung im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 USG
nicht durchgesetzt habe. Der Beschwerdeführer macht dabei geltend, er habe im Rekursverfahren verlangt, das Bauvorhaben als Tiefgarage zu realisieren oder zumindest eine gesamthafte Überdeckung beim westlichen Teil des Autounterstandes vorzunehmen. Darauf sei der Regierungsrat jedoch nicht eingegangen.
Nach Art. 12 der zum Quartierplan Sonnenberg gehörenden Sonderbauvorschriften sind mindestens 50% der Autoabstellplätze unterirdisch anzuordnen. Mit der Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Baubewilligungsverfahren ist der Regierungsrat der Pflicht zur Emissionsbegrenzung im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 USG
nachgekommen. Da bei der Anwendung dieser Bestimmung das Verhältnismässigkeitsprinzip auch in finanzieller Hinsicht zu beachten ist, ist es angesichts der zu erwartenden Emissionen nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat keine weitergehenden Bedingungen und Auflagen im Sinne der Vorschläge des Beschwerdeführers verlangt hat. Der Regierungsrat hat somit kein Bundesumweltschutzrecht verletzt, als er die Baubewilligung für die projektierte Parkplatzanlage und die Erschliessungsstrasse bestätigte.
Auch wenn der Regierungsrat die Vorschläge des Beschwerdeführers (Tiefgarage, weitergehende Überdeckung) nicht ausdrücklich abgelehnt hat, geht aus seiner Begründung ohne weiteres hervor, dass er weitergehende Bedingungen und Auflagen als unverhältnismässig betrachte. Auf die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erwähnte Aktennotiz der Baubewilligungskommission Walzenhausen vom 10. März 1986, wonach die Beschwerdegegnerin einer Überdeckung des westlichen Teils des Autounterstandes zugestimmt haben soll, musste der Regierungsrat nicht weiter eingehen, da diese Aktennotiz nicht im vorliegenden Baubewilligungsverfahren erstellt wurde. Aufgrund der gesamten Umstände ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat auf die Einholung der vom Beschwerdeführer beantragten Expertise betreffend Emissionsbegrenzung verzichtet hat. Der Regierungsrat durfte davon ausgehen, dass sich eine solche nicht als nötig erweise. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und eine unrichtige oder unvollständige
BGE 119 Ib 380 S. 389
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts ist auch insoweit zu verneinen. | mixed |
0f0dfb58-f782-4ad8-a42d-f04f15c3e44e | Sachverhalt
ab Seite 386
BGE 107 II 385 S. 386
A.-
Die Carl Seelig-Stiftung wurde 1966 von Rechtsanwalt Dr. X., dem Testamentsvollstrecker des 1962 verstorbenen Carl Seelig, aus dessen Nachlass mit Sitz in Zürich errichtet. Ihr Zweck besteht in der Förderung von Kunst und Wissenschaft, von Künstlern und Wissenschaftern. Die Stiftung untersteht der Aufsicht des Bundes. Sie wird gegenwärtig von einem aus drei Personen bestehenden Stiftungsrat geleitet, der von Rechtsanwalt Dr. X. präsidiert wird.
Zum Vermögen der Stiftung gehört der literarische Nachlass des berühmten Schriftstellers und Dichters Robert Walser, dessen Freund, Förderer und Vormund Carl Seelig gewesen war. Dieser Nachlass besteht unter anderem aus dem Robert Walser-Archiv, aus zahlreichen Handschriften von Prosastücken und Gedichten Walsers, aus Druckbelegen zu seinen Werken, aus vielen Briefen des Dichters sowie aus Erstdrucken seiner Bücher. Mit der Stiftungserrichtung wurde unter anderem die Absicht verfolgt, im Robert Walser-Archiv ein literarisches Institut einzurichten, das in umfassender Weise der Erforschung des dichterischen Wirkens von Robert Walser dienen sollte. 1973 wurde zur Betreuung des Archivs eine Archivarin, Frau Katharina Kerr, angestellt. 1978 wurde sie infolge von Differenzen entlassen und später durch einen andern Betreuer ersetzt.
B.-
Mit Eingabe vom 28. März 1979 an das Eidgenössische Departement des Innern reichten Dr. Dieter Bachmann, Peter Bichsel, Max Frisch, Dr. Jochen Greven, Frau Katharina Kerr, Dr. Heidi Kräuchi, Prof. Dr. Adolf Muschg, Jörg Schäfer, Dr. Heinz Schafroth, PD Dr. Christoph Siegrist sowie Jörg Steiner gegen die Carl Seelig-Stiftung Aufsichtsbeschwerde ein mit den folgenden Anträgen:
"1. Der Carl Seelig-Stiftung seien mit angemessener Fristansetzung die folgenden Auflagen zu erteilen:
a) Vom gesamten Robert Walser-Nachlass sei ein vollständiges Inventar zu erstellen.
b) Die Originale, persönliche Dokumente, Fotografien, Erstdrucke, etc., seien fachmännisch und an einem sichern Ort aufzubewahren.
c) Der Robert Walser-Nachlass sei durch Kopien (Mikrofilme) sicherzustellen.
d) Der Robert Walser-Nachlass sei der interessierten Öffentlichkeit ungehindert zugänglich zu machen.
2. Ein von der Aufsichtsbehörde eingesetzter unabhängiger Fachmann sei mit der Überprüfung der Einhaltung der Auflagen und der Abfassung eines Berichtes über die Verwaltung des Nachlasses von Robert Walser zu beauftragen.
3. Es seien durch die Aufsichtsbehörde zwei weitere Stiftungsratsmitglieder einzusetzen.
4. Es seien durch die Aufsichtsbehörde die finanzielle Situation der Stiftung und die Verwendung der Mittel zu überprüfen."
Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgebracht, die Stiftung verwalte den Nachlass von Robert Walser unsachgemäss und verfahre in der Förderung der Walser-Forschung willkürlich. Die Öffentlichkeit habe Anspruch auf eine fachgerechte Verwaltung und auf eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit der Stiftung durch die Aufsichtsbehörde. Als Kunstschaffende und Fachleute seien
BGE 107 II 385 S. 387
die Beschwerdeführer aber auch persönlich am Schicksal des Walser-Nachlasses interessiert. Der Stiftung wurde insbesondere vorgeworfen, dass kein vollständiges Inventar über den in ihrem Besitz befindlichen literarischen Nachlass Robert Walsers vorhanden sei, dass Stiftungsbesitz und Privatbesitz von Dr. X. nicht sauber auseinandergehalten würden und dass die Aufbewahrung der Originalurkunden zum Teil unsachgemäss und in einer Weise erfolge, die mit der Gefahr der Beschädigung oder gar des Verlustes dieser Urkunden verbunden sei; das Walser-Archiv sei trotz des grossen daran bestehenden Interesses nicht allgemein zugänglich, sondern der Stiftungsrat bestimme eigenmächtig, wer dazu Zugang erhalte. Zum Beweis für die Richtigkeit der in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen wurden die Einvernahme verschiedener Personen und weitere Abklärungen verlangt.
Nachträglich schloss sich auch noch der Schweizerische Schriftsteller-Verband der Beschwerde an.
Der Stiftungsrat bestritt in seiner Beschwerdeantwort in erster Linie die Legitimation der Beschwerdeführer und beantragte, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; in zweiter Linie verlangte er die Abweisung sämtlicher Anträge und bezeichnete die von den Beschwerdeführern erhobenen Vorwürfe als vollständig unbegründet.
Die Beschwerdeführer erhielten Gelegenheit, zu den Einwänden der Stiftung hinsichtlich ihrer Legitimation in einer besonderen Eingabe Stellung zu nehmen. Darin bezeichneten sie sich als - mindestens potentielle - Destinatäre der Stiftung und vertraten die Auffassung, dass ihr Interesse an der Beseitigung von Missständen bei der Verwaltung des zum Vermögen der Stiftung gehörenden literarischen Nachlasses von Robert Walser ausreiche, ihnen die Befugnis zur Beschwerdeführung zu verleihen.
Mit Entscheid vom 23. Oktober 1980 verneinte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Legitimation der Beschwerdeführer zur Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde gegen die Stiftung und trat auf die Beschwerde nicht ein. Es behandelte die Beschwerde jedoch als Anzeige an die Aufsichtsbehörde und prüfte, ob Anlass zu einem Einschreiten von Amtes wegen vorhanden sei. Aufgrund eigener Abklärungen kam das EDI zum Schluss, dass kein Grund bestehe, von Amtes wegen Aufsichtsmassnahmen im Sinne der Beschwerde zu treffen.
C.-
Die Beschwerdeführer haben den Entscheid des EDI mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen.
BGE 107 II 385 S. 388
Sie verlangen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung. Zur Begründung machen sie geltend, das EDI habe ihre Legitimation zur Erhebung einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde zu Unrecht verneint und es somit unberechtigterweise abgelehnt, ihnen im Verfahren Parteirechte einzuräumen.
Das EDI und die Carl Seelig-Stiftung haben Vernehmlassungen zur Beschwerde eingereicht und beantragen darin deren Abweisung. Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens beschränkt sich auf die Frage, ob den Beschwerdeführern die Befugnis zur Erhebung einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde zustehe. Wird die Beschwerdebefugnis entgegen der Auffassung des EDI bejaht, kann das Bundesgericht die Angelegenheit materiell nicht selber beurteilen. Die Sache muss in diesem Fall vielmehr antragsgemäss an das EDI zurückgewiesen werden, damit dieses das Verfahren unter Zuerkennung von Parteirechten an die Beschwerdeführer nochmals durchführe und einen neuen Entscheid fälle.
2.
Das Verhältnis zwischen einer Stiftung und ihrer Aufsichtsbehörde ist zumindest vorwiegend öffentlich-rechtlicher Natur, obwohl die Stiftungsaufsicht ihre Rechtsgrundlage in
Art. 84 ZGB
hat (
BGE 100 Ib 145
E. 2a und b, 146;
BGE 96 I 408
ff.). Nach der zitierten Rechtsprechung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht allgemein zulässig gegen Entscheide der Stiftungsaufsichtsbehörden, soweit diese kraft ihrer Stellung von Amtes wegen gehandelt haben. Der gleiche Rechtsweg muss aber auch zur Verfügung stehen, wenn von dritter Seite das Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegenüber einer Stiftung verlangt wird. Allerdings untersteht das Verhältnis zwischen einer Stiftung und ihren Destinatären dem Privatrecht. Auch wenn dieses Verhältnis bei der Frage nach der Beschwerdebefugnis eine Rolle spielt, so ist doch ausschlaggebend, dass die Aufsichtsbeschwerde auf ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde hinzielt. Der Gegenstand des Verfahrens bleibt somit vorwiegend öffentlich-rechtlicher Natur.
3.
Das Zivilgesetzbuch regelt das Beschwerderecht gegen Handlungen oder Unterlassungen von Stiftungsorganen nicht ausdrücklich.
Art. 84 Abs. 2 ZGB
schreibt vor, die Aufsichtsbehörde
BGE 107 II 385 S. 389
über Stiftungen habe dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet werde. Aus dieser Bestimmung wurde seit jeher abgeleitet, dass jeder am Einschreiten der Stiftungsaufsichtsbehörde Interessierte auf dem Beschwerdeweg an diese Behörde gelangen könne. Schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf des ZGB wurde ausgeführt, dass gegen abweichende Vermögensverwendungen bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde erhoben werden könne, und zwar von jedermann, der hieran ein Interesse habe. Natürlich sei aber auch der gerichtliche Weg der Anfechtung wegen Missbrauchs des Stiftungsvermögens und Verletzung des Stiftungszwecks möglich. Aus diesem Grunde erscheine es als unnötig, auf diese Seite der Aufsicht im Gesetz ausdrücklich hinzuweisen (Ausgabe 1914 der Erläuterungen, Bd. I S. 94).
In Übereinstimmung mit dieser Auffassung des Gesetzesredaktors vertritt die Lehre einhellig die Meinung, dass die Legitimation zur Beschwerdeführung weit zu fassen und dass sie insbesondere den tatsächlichen und potentiellen Destinatären zuzuerkennen sei (so die Kommentare HAFTER, N. 14, 15 und 21, EGGER, N. 10, sowie RIEMER, N. 119-121 und 138/139 zu
Art. 84 ZGB
; vgl. auch ROSSEL/MENTHA, Manuel du droit civil suisse, 2. Aufl., Bd. I, S. 177, No 266; R. SCHWEIZER, Die Beaufsichtigung der Stiftungen nach schweiz. Recht, Zürcher Diss. 1927, S. 97 ff.; E. ZINGG, Die Rechtsstellung des Destinatärs bei Personalfürsorge-Stiftungen von privaten Unternehmungen, Zürcher Diss. 1943, S. 76 ff.; M. HÜRLIMANN, Die Stiftungen - Ihre Behandlung im künftigen schweiz. ZGB, Leipziger Diss. 1907, S. 114; WALTER E. HINDERMANN, Der Stiftungszweck, ZSR N.F. 47/1928, S. 258 ff.; P. RENFER, Die Rechtsstellung des Destinatärs bei Stiftungen, Jahrbuch der Basler Juristenfakultät, XVI-XXI. Heft, 1937-1942, S. 352/353). In der zitierten Literatur wird die Beschwerde an die Stiftungsaufsichtsbehörden vor allem dort als das einzige zur Verfügung stehende Rechtsmittel bezeichnet, wo gegenüber einer Stiftung kein zivilrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen besteht, der auf dem Wege der Klage beim Richter geltend gemacht werden kann. Den Fällen subjektiver Berechtigung mit entsprechender Klagemöglichkeit wird das blosse Interesse an einem bestimmten Verhalten der Stiftungsorgane gegenübergestellt. Ein solches reiche nur für die Erhebung einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde aus und sei insbesondere dort anzunehmen, wo der Kreis der Begünstigten ein unbestimmter und die Ausrichtung von
BGE 107 II 385 S. 390
Leistungen deshalb ins Ermessen der Stiftungsorgane gestellt sei. Das Bundesgericht hat sich zur Frage, wie das zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde berechtigende Interesse beschaffen sein müsse, noch nie eingehend geäussert. Einzig in
BGE 61 II 294
wurde hinsichtlich der Beschwerdebefugnis allgemein ausgeführt, gegen stiftungswidrige Verfügungen der Stiftungsorgane stehe jedermann, der ein Interesse habe, die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu (vgl. auch
BGE 99 Ib 259
E. 3 und das dort zitierte, in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Bundesgerichtsurteil vom 17. März 1971 in Sachen Argast, das in den Basler Juristischen Mitteilungen, Jahrg. 1971, S. 114 ff., abgedruckt ist, insbes. S. 117; siehe im übrigen auch Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden, 1959-1960, No 49).
Für eine weite Zulassung der Aufsichtsbeschwerde spricht an sich die in
BGE 61 II 296
angeführte Überlegung, dass die gerichtliche Klage gegen eine der staatlichen Aufsicht unterstellte Stiftung nur als Ausnahme möglich ist und dass im Stiftungsrecht somit die Aufsichtsbeschwerde die Gewährleistung eines ausreichenden Rechtsschutzes zu übernehmen hat. Gleichzeitig kann es auch zu einer sorgfältigeren Ausübung der Stiftungsaufsicht beitragen, wenn die Aufsichtsbehörden verpflichtet sind, auf Beschwerden von Personen, die ein Interesse daran haben, wie das Stiftungsvermögen verwaltet wird, einzutreten. Da der Entscheid der Aufsichtsbehörden auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weitergezogen werden kann, besteht zudem auch unter diesem Gesichtspunkt eine gewisse Gewähr für eine wirksame Kontrolle. Neben der eigentlichen Stiftungsaufsichtsbeschwerde gibt es allerdings auch noch die blosse Anzeige an die Stiftungsaufsichtsbehörde. Diese setzt kein persönliches Interesse voraus und kann von jedermann erhoben werden. Die Aufsichtsbehörde ist grundsätzlich verpflichtet, auch den in solchen Anzeigen mitgeteilten Tatsachen nachzugehen und die sich allenfalls aufdrängenden Massnahmen von Amtes wegen zu ergreifen (RIEMER, N. 119 und 122 zu
Art. 84 ZGB
, HINDERMANN, a.a.O. S. 259). Ein Anspruch auf Einräumung von Parteirechten besteht jedoch in solchen Fällen nicht, und ein Weiterzug durch den Anzeigeerstatter fällt ausser Betracht. Die Möglichkeit einer solchen Anzeige ist heute in Art. 71 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren allgemein vorgesehen. Absatz 2 dieser Bestimmung stellt ausdrücklich klar, dass dem Anzeiger keine Parteirechte zukommen.
4.
Im angefochtenen Entscheid wird Wert darauf gelegt, dass
BGE 107 II 385 S. 391
entgegen gewissen in der Literatur zum Ausdruck kommenden Tendenzen eine klare Unterscheidung zwischen Stiftungsaufsichtsbeschwerde und blosser Anzeige getroffen wird. Diesem Standpunkt ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Stiftungsaufsichtsbeschwerde ist ein eigentliches Rechtsmittel. Sie ist im Gegensatz zur blossen Anzeige keine Popularbeschwerde und setzt ein eigenes Interesse des Beschwerdeführers an der Anordnung der von ihm geforderten Massnahmen voraus. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass an das Interesse, das zur Beschwerdeführung erforderlich ist, hohe Anforderungen gestellt werden müssten. Bei der Stiftungsaufsichtsbeschwerde handelt es sich, wie der angefochtene Entscheid zutreffend ausführt, um ein Rechtsmittel sui generis, das sich aus der Zivilgesetzgebung herleitet. Die Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts sind auf sie nicht direkt, sondern nur sinngemäss anwendbar. Was das Interesse anbetrifft, das Voraussetzung des Beschwerderechts bildet, ist in Übereinstimmung mit der Lehre davon auszugehen, dass jede Person, die wirklich einmal in die Lage kommen kann, eine Leistung oder einen andern Vorteil von der Stiftung zu erlangen, zur Beschwerde legitimiert sein soll. Sie muss deshalb bereits heute konkrete Angaben über die Art ihres zukünftigen Interesses machen können. Ein nicht näher bezeichnetes persönliches Interesse an den mit der Beschwerde angestrebten Massnahmen genügt nicht, die Beschwerdebefugnis zu verleihen. Wird der Kreis der Beschwerdeberechtigten in diesem Sinne weit gezogen, wird auch ein genügender Rechtsschutz derjenigen Personen gewährleistet, die mangels einer entsprechenden gesetzlichen oder statutarischen Regelung auf dem Wege der Zivilklage keine Rechtsansprüche gegen die Stiftung geltend machen können, aber dennoch ein eigenes Interesse daran haben, wie das Stiftungsvermögen verwaltet wird.
Der engeren Auffassung des EDI, welches bei einem nicht bestimmt umschriebenen Kreis von Destinatären die Beschwerdebefugnis verneint, kann nicht beigepflichtet werden. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Aufsichtsbeschwerde ein wirksameres Mittel für eine sorgfältige Ausübung der Stiftungsaufsicht sein kann als die blosse Anzeige, die keinen Rechtsanspruch auf Behandlung begründet. Die Autonomie der Stiftungen wird durch eine weitherzige Betrachtungsweise entgegen den Befürchtungen des EDI nicht in Frage gestellt. Massgebend ist vielmehr, dass die Aufsichtsbehörden bei der Behandlung solcher Beschwerden wie auch sonst bei der Ausübung der Stiftungsaufsicht ihre Eingriffe in die
BGE 107 II 385 S. 392
Vermögensverwaltung der Stiftung auf das wirklich Notwendige beschränken und den Stiftungsorganen den nötigen Entscheidungsspielraum belassen. Es trifft auch nicht zu, dass es einer Popularbeschwerde gleichkommt, wenn der Kreis der zur Beschwerde Befugten im dargelegten Sinne umschrieben wird, da das Eintreten auf die Beschwerde ein persönliches Interesse des Beschwerdeführers an den verlangten Massnahmen voraussetzt.
5.
Im vorliegenden Fall kann die Legitimation der Beschwerdeführer nicht schon deswegen bejaht werden, weil sie Künstler oder Wissenschafter sind und der Zweck der Stiftung in der Förderung von Kunst und Wissenschaft besteht. Der Gegenstand der Stiftungsaufsichtsbeschwerde beschränkt sich auf die Verwaltung des literarischen Nachlasses von Robert Walser. Die Beschwerdebefugnis setzt daher ein näher umschriebenes persönliches Interesse der Beschwerdeführer an der Art der Verwaltung dieses Nachlasses voraus. Zur Bejahung eines solchen Interesses reicht die Berufung auf das grosse öffentliche Interesse, das am literarischen Nachlass Robert Walsers besteht, nicht aus. Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt vielmehr vom Bestehen eines eigenen Interesses der Beschwerdeführer an der sorgfältigen und möglichst sicheren Aufbewahrung dieses Nachlasses und an dessen Zugänglichkeit ab.
Prüft man die Verhältnisse unter diesem Gesichtspunkt, so steht fest, dass jedenfalls den Beschwerdeführern Jochen Greven und Katharina Kerr ein persönliches Interesse an der Art der Verwaltung des literarischen Nachlasses von Robert Walser nicht abgesprochen werden kann. Jochen Greven hat sich als Herausgeber des Gesamtwerkes von Walser intensiv mit diesem Schriftsteller befasst, und Katharina Kerr hat als langjährige Archivarin des Robert Walser-Archivs und Verfasserin von Publikationen ebenfalls eine enge persönliche Beziehung zur Hinterlassenschaft Walsers gewonnen. Auch wenn das Verhältnis dieser beiden Personen zu den Organen der Stiftung heute aus Gründen, auf die hier nicht näher einzugehen ist, getrübt und gespannt ist, kann dies nicht dazu führen, ihnen die Beschwerdebefugnis abzusprechen. Für die Bejahung der Legitimation muss es genügen, dass Jochen Greven und Katharina Kerr angesichts ihrer besonderen persönlichen Beziehung zum Werk Robert Walsers ein eigenes Interesse an der möglichst sorgfältigen, zweckmässigen und sicheren Aufbewahrung seines literarischen Nachlasses haben und dass sie allenfalls auch inskünftig auf einen gewissen Zugang zu diesem
BGE 107 II 385 S. 393
Nachlass angewiesen sind. Dem Umstand, dass die betreffenden Beschwerdeführer in einem gespannten Verhältnis zu den Stiftungsorganen stehen und dass die von ihnen erhobenen Vorwürfe davon möglicherweise nicht unbeeinflusst sind, ist nicht bei der Prüfung der Beschwerdebefugnis, sondern bei der materiellen Beurteilung der Beschwerde angemessen Rechnung zu tragen.
Mit Bezug auf die übrigen Beschwerdeführer wird zur Begründung ihrer Legitimation in der Beschwerdeschrift lediglich vorgebracht, sie befassten sich als Künstler oder Wissenschafter intensiv mit dem Werk Robert Walsers und seien deshalb als potentielle Destinatäre der Stiftung zu betrachten. Es ist durchaus denkbar, dass Schriftsteller wie Frisch, Muschg, Bichsel und Steiner oder Wissenschafter wie z.B. Siegrist eine besondere innere Beziehung zu den Werken Robert Walsers haben und vielleicht auch einmal in die Lage kommen könnten, die Dienste der Stiftung in Anspruch zu nehmen. Indessen fehlen in der Beschwerdeschrift nähere Angaben über die Art ihrer Beschäftigung mit dem Dichter. Nur der allgemeine Hinweis auf das Künstlertum oder die wissenschaftliche Betätigung einer Person genügt nicht, um dieser ein eigenes Interesse an der Art der Verwaltung des literarischen Nachlasses zuerkennen zu können. Damit unterscheidet sich das Interesse dieser Beschwerdeführer am Walser-Nachlass nicht wesentlich von demjenigen jeder gebildeten Person. Würde auf dieser Grundlage die Beschwerdelegitimation eingeräumt, so käme dies der Zulassung einer Popularbeschwerde gleich.
Aufgrund der Akten ist allerdings bekannt, dass zwei der betreffenden Beschwerdeführer eine gewisse Beziehung zum Walser-Nachlass haben. Es sind dies Heidi-Strässler-Kräuchi, welche über den Bruder des Dichters dissertiert hat, und Heinz Schafroth, der die Jury des Bieler Robert-Walser-Preises präsidiert. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass diese beiden Beschwerdeführer selber wirklich in die Lage kommen könnten, die Dienste der Stiftung in Anspruch zu nehmen. Das gleiche trifft auf den Schweizer Schriftsteller-Verband zu, der nicht darlegt, inwiefern er selber als Verband Zugang zum Walser-Archiv haben sollte. Auf jeden Fall vermitteln die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und im Verfahren vor dem EDI gemachten Angaben nicht genügend Anhaltspunkte, um die Art der Beziehungen der übrigen Beschwerdeführer zum literarischen Nachlass von Robert Walser beurteilen zu können. Die Beschwerde ist daher nur insofern gutzuheissen, als sie von Katharina Kerr und Dr. Jochen Greven erhoben worden ist.
BGE 107 II 385 S. 394 | mixed |
0d69b770-0bed-45a4-9aec-48ae47570e01 | Sachverhalt
ab Seite 357
BGE 118 Ib 356 S. 357
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) strahlte zwischen dem 25. März und dem 20. April 1991 wiederholt einen Werbespot für "Camel-Trophy"-Uhren aus. Der Spot zeigte in einer rasanten Abfolge von Bildeinstellungen Studioaufnahmen verschiedener Modelle der Kollektion und ihren Einsatz unter extremen Bedingungen an der "Camel-Trophy"-Autorallye. Die mit abenteuerlicher Musik unterlegte Kommentierung lautete: "Zeit für Abenteuer. Zeit für die 'Camel-Trophy'-Watch. Eine Uhr, in der das Abenteuer tickt. 'Camel-Trophy'-Watch. In einer kompletten Kollektion."
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen und deren Präsident, Dr. Martin Forster, reichten am 12. April 1991 beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement hiergegen
BGE 118 Ib 356 S. 358
Aufsichtsbeschwerde ein. Am 27. November 1991 stellte das Departement fest, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft habe durch die Ausstrahlung des Werbespots Art. 15 Abs. 2 der Konzession vom 5. Oktober 1987 für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (Konzession SRG; BBl 1987 III 813) in Verbindung mit Art. 9 lit. e der bundesrätlichen Weisungen vom 15. Februar 1984 (BBl 1984 I 364) über die Fernsehwerbung verletzt. Der auf einem sogenannten Imagetransfer beruhende Spot werbe indirekt für "Camel"-Zigaretten und verstosse deshalb gegen das Werbeverbot für Tabakwaren am Fernsehen.
Gegen diesen Entscheid erhob die E.F.A. Elegance Fashion Accessory SA, welche neben anderen Uhren auch die "Camel-Trophy"-Watch in der Schweiz vertreibt, am 10. Januar 1992 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie rügt, die angefochtene Verfügung greife ohne gesetzliche Grundlage in die Handels- und Gewerbefreiheit ein, erweise sich als unverhältnismässig und sei zudem ungeeignet, das angestrebte gesundheitspolitische Ziel zu erreichen.
Das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft beantragt, sie gutzuheissen.
Dr. Martin Forster verlangte am 6. März 1992 für die Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen und für sich persönlich Einsicht in die Beschwerdeschrift. Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung hat diesem Begehren am 30. März 1992 "vorerst nicht stattgegeben".
Die II. öffentlichrechtliche Abteilung visionierte den beanstandeten Werbespot am 7. Juli 1992.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob es auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde eintreten kann (
BGE 117 Ib 183
E. 1); es bezeichnet zudem die nach
Art. 110 Abs. 1 OG
am Verfahren Beteiligten (
BGE 114 Ib 205
E. 1a).
a) Gemäss
Art. 103 lit. a OG
ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt
BGE 118 Ib 356 S. 359
wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin muss der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen; ihnen kommt deshalb dann besondere Bedeutung zu, wenn nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 148), sondern ein Dritter den Entscheid anficht (
BGE 116 Ib 323
E. 2a;
BGE 115 Ib 389
E. 2a). Ein Interesse ist grundsätzlich nur schutzwürdig, wenn es im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch aktuell ist (
BGE 111 Ib 58
/59 E. 2a mit Hinweisen). Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann in der Regel schliesslich nur führen, wer formell beschwert erscheint, das heisst wer am Verfahren vor der unteren Instanz teilgenommen hat und mit seinen dort gestellten Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist. Das Bundesgericht verzichtet indessen auf dieses Erfordernis, wenn der Beschwerdeführer, ohne sein Verschulden, an jenem Verfahren nicht teilnehmen konnte (
BGE 116 Ib 426
E. 3a,
BGE 108 Ib 94
E. 3b/bb; FRITZ GYGI, a.a.O., S. 155; vgl. auch ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, S. 900, b).
b) Die angefochtene Verfügung richtet sich zwar an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, doch berührt sie auch die Beschwerdeführerin. Nach dem Entscheid des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes darf ihr Werbespot nicht mehr ausgestrahlt werden; insofern kann der Ausgang des Beschwerdeverfahrens ihre tatsächliche Stellung unmittelbar beeinflussen (vgl.
BGE 111 Ib 184
E. 2a mit Hinweisen). Obwohl der Bundesrat seine Weisungen vom 15. Februar 1984 über die Fernsehwerbung im Hinblick auf das Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; AS 1992, 601) sowie der Radio- und Fernsehverordnung vom 16. März 1992 (RTVV; AS 1992, 680) auf den 1. April 1992 aufgehoben hat (BBl 1992 II 972), ist das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beurteilung ihrer Eingabe nach wie vor aktuell. Art. 15 der Konzession SRG, dessen Abs. 2 Werbung im Fernsehen gemäss den Weisungen der Konzessionsbehörde erlaubt, gilt weiterhin; auch Art. 18 des Radio- und Fernsehgesetzes verbietet Tabakwerbung am Fernsehen (Abs. 5). Die Beschwerdeführerin war am konzessionsrechtlichen Aufsichtsverfahren zwar nicht beteiligt, doch muss wegen der Natur dieses Verfahrens und der Tatsache, dass sie als Dritte unverschuldet daran nicht teilnehmen konnte, das Erfordernis der formellen Beschwer hier entfallen (vgl. ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 901).
BGE 118 Ib 356 S. 360
Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
c) Der beanstandete Entscheid erging aufsichtsrechtlich auf eine Anzeige der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen sowie deren Präsidenten hin, welchen im Verfahren vor dem Departement indessen keine Parteistellung zukam (
Art. 71 VwVG
; vgl. BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, Basel und Frankfurt a. M. 1991, S. 377 ff., MARTIN DUMERMUTH, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel und Frankfurt a.M. 1992, S. 137 und 154 ff.). Erhebt ein im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
Betroffener gegen eine solche Verfügung Beschwerde, so stehen dem Anzeiger, der selber kein schutzwürdiges Interesse an der Prüfung der in Frage stehenden Sache hat, auch im bundesgerichtlichen Verfahren keine Parteirechte zu. Weder die Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen noch ihr Präsident werden durch den Ausgang des vorliegenden Verfahrens betroffen, weshalb sie nicht als Verfahrensbeteiligte im Sinne von
Art. 110 Abs. 1 OG
zu gelten haben.
3.
Die Beschwerdeführerin bezweifelt die Zuständigkeit des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes zur Behandlung der beiden Anzeigen und wirft die Frage auf, ob die Eingaben nicht durch die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zu beurteilen gewesen wären.
a) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen entscheidet über Beanstandungen ausgestrahlter Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter, wobei sie prüft, ob eine oder mehrere Sendungen Programmbestimmungen der Konzession verletzt haben (Art. 1 und 17 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen, BB UBI, SR 784.45; heute: Art. 58 ff. des Radio- und Fernsehgesetzes). Der Bundesrat führte in seiner Botschaft vom 8. Juli 1981 über die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zu Art. 17 BB UBI aus, dieses Organ untersuche Sendungen daraufhin, ob sie mit den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmten, nicht aber auch, ob sie den finanz- und betriebsrechtlichen Vorschriften entsprächen (BBl 1981 III 118). Über solche Fragen entscheidet nach wie vor das Departement als Aufsichtsbehörde. Die unter den beiden Instanzen in diesem Zusammenhang herausgebildete Praxis unterscheidet zwischen Programmgesichtspunkten und solchen rein finanzieller Art. Aspekte mit Programmnatur liegen vor, wenn es um Fragen der Meinungs- und Willensbildung, um die Transparenz einer Sendung oder
BGE 118 Ib 356 S. 361
um Probleme verfälschter Information geht. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass im gleichen Fall sowohl das Departement wie die Unabhängige Beschwerdeinstanz zuständig sind (VPB 55/1991 S. 320 E. 2). Gestützt auf diese Abgrenzung prüfte das Departement in seiner Praxis wiederholt Fragen aus dem Werbebereich, wenn dabei die finanzielle Seite im Vordergrund stand (vgl. VPB 51/1987 S. 313/314; S. 315 E. 1; S. 320).
b) Das Bundesgericht seinerseits hat zur Feststellung von Konzessionsverletzungen durch unbezahlte Werbung am Fernsehen die Unabhängige Beschwerdeinstanz zuständig erklärt (
BGE 116 Ib 45
E. 5b). Die Frage, ob Programme als Plattform für solche Werbung zur Verfügung gestellt worden seien, gehöre zur Programmbeurteilung, welche die Bundesversammlung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz übertragen habe. In
BGE 114 Ib 154
E. 2c, der eine Werbesequenz an einem Lokalradio betraf, erklärte es, dass sich am Gehalt der Werbung nichts ändere, ob sie innerhalb des Programmteils erscheine oder von diesem getrennt; eine unzulässige Werbung unterstehe auch dann den Finanzierungsvorschriften, wenn sie im Programm ausgestrahlt worden sei. Das Bundesgericht hat sich bis heute zur Frage der Zuständigkeit zur Überprüfung bezahlter Werbesendungen nicht direkt geäussert.
c) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz hat in einem jüngeren Entscheid ohne weitere Begründung festgehalten, potentiell unterstünden alle Sendungen, ob Programm oder Werbung, ihrer Aufsicht; ihre Prüfungsbefugnis erstrecke sich auf sämtliche Programmbestimmungen der Konzession, zu denen auch Art. 15 gehöre. Art. 1 und 17 BB UBI gingen insoweit Art. 16 der Weisungen des Bundesrates über die Fernsehwerbung vor, welcher das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement mit der Aufsicht über die Einhaltung der Weisungen betraut (VPB 55/1991 S. 320 E. 2). Dieser Auffassung kann insofern beigepflichtet werden, als es im Zusammenhang mit der bezahlten Werbung um Fragen der freien Willensbildung geht, deren Beurteilung aus staats- und medienpolitischen Gründen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz übertragen worden ist (vgl. MARTIN DUMERMUTH, a.a.O., S. 182 ff.).
Im vorliegenden Fall stand indessen ausschliesslich die Zulässigkeit einer Wirtschaftswerbung und damit ein finanzrechtlicher Aspekt zur Diskussion, weshalb sich das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement als zuständig erachten durfte.
4.
Nach Art. 15 Abs. 2 der Konzession SRG ist Werbung am Fernsehen gemäss den Weisungen der Konzessionsbehörde erlaubt.
BGE 118 Ib 356 S. 362
Gestützt auf
Art. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Oktober 1922 betreffend den Telegrafen- und Telefonverkehr (TVG; SR 784.10)
sowie in Anwendung von Art. 14 der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vom 27. Oktober 1964/22. Dezember 1980, welche "eine begrenzte und direkte Werbung gemäss den Weisungen der Konzessionsbehörde" erlaubte (BBl 1981 I 289), erliess der Bundesrat am 15. Februar 1984 die Weisungen über die Fernsehwerbung, welche im vorliegenden Fall noch zur Anwendung kommen.
a) Das Bundesgericht hat in
BGE 111 Ib 60
im Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen erlaubter Wirtschaftswerbung und unzulässiger politischer Propaganda erklärt, die der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft erteilte Konzession und die Weisungen über die Fernsehwerbung beruhten auf keiner besonderen gesetzlichen Grundlage. Es bestehe seit dem 2. Dezember 1984 zwar in
Art. 55bis BV
eine klare verfassungsmässige Basis für die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen, doch habe es der Gesetzgeber bisher unterlassen, im Bereich der Monopolmedien eine angemessene Ordnung aufzustellen. Solange solche Regeln fehlten, hätten sich die Bestimmungen in der Konzession und in den Weisungen auf die Wahrung des öffentlichen Interesses im Rahmen der verfassungsmässigen Rechte zu beschränken. Diesen komme in doppelter Hinsicht Bedeutung zu: Einerseits sei ihre Wahrung eine Aufgabe, die im Rahmen der Monopolkonzession wahrgenommen werden müsse, andererseits seien die hierzu verfügten Einschränkungen nur zulässig, soweit sie sich aus der verfassungsmässigen Ordnung selbst ergäben.
b) Der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft ist mit der Konzession die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragen worden (Öffentlicher Dienst). Für die Werbung an Radio und Fernsehen ergeben sich hieraus im öffentlichen Interesse Schranken: Sie kann sowohl verboten wie zeitlich und inhaltlich beschränkt werden.
Art. 31 BV
begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf eine staatliche Leistung; die Handels- und Gewerbefreiheit schützt lediglich vor staatlichen Eingriffen (
BGE 117 Ib 394
E. 6c/aa). Ist die Werbung an einem konzessionierten Medium indessen zugelassen, müssen sich (insbesondere) die inhaltlichen Beschränkungen, wozu das Verbot bestimmter Reklamen zu zählen ist, an den Grundrechten und damit auch an der Handels- und Gewerbefreiheit orientieren (
BGE 117 Ib 395
E. 6d).
c) Unter dem Schutz von
Art. 31 BV
steht - eine Einschränkung durch die Bundesverfassung und der auf ihr beruhenden Gesetzgebung
BGE 118 Ib 356 S. 363
vorbehalten - jede gewerbsmässig ausgeübte privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines Gewinnes oder eines Erwerbseinkommens dient; die Handels- und Gewerbefreiheit umfasst auch das Recht, zu werben und die entsprechende Anpreisung inhaltlich zu gestalten (vgl.
BGE 104 Ia 475
E. 2 mit Hinweisen, 116 Ia 345 ff.; ferner: RENÉ A. RHINOW, in: Kommentar BV, Art. 31, Rz. 84). Verschiedene Autoren leiten zum Teil aus
Art. 31 BV
zudem unmittelbar ein "Recht auf freie Kennzeichnung und damit auch einen Anspruch auf Kennzeichnung" ab (EUGEN MARBACH/CHRISTIAN HILTI, Einschränkung des Markenkennzeichnungsrechts durch Werbeverbote im schweizerischen Recht, in: GRUR International [Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil] 1985 S. 383 mit weiteren Literaturhinweisen).
d) Durch das Werbeverbot für Tabakwaren am Fernsehen wird die in
Art. 31 BV
enthaltene Werbefreiheit im öffentlichen Interesse beschränkt. Über die monopolrechtliche Grundlage hinaus (
Art. 3 TVG
) kann sich diese Massnahme auf die Lebensmittelgesetzgebung des Bundes stützen. Nach Art. 54 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMG; SR 817.0) erlässt der Bundesrat die nötigen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschungen im Verkehr mit den Waren und Gegenständen, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen.
Art. 420d der bundesrätlichen Verordnung vom 26. Mai 1936 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelverordnung, LMV; SR 817.02)
untersagt jede Werbung für Tabakerzeugnisse, die sich in deutlicher Weise an Minderjährige richtet und bezweckt, sie zum Tabakgenuss zu veranlassen. Verboten ist insbesondere die Werbung an Orten, wo sich hauptsächlich Minderjährige aufhalten; in Werbeträgern, die hauptsächlich für Minderjährige bestimmt sind; auf Sportkleidern und den bei der Ausübung des Sportes verwendeten Gegenständen und Fahrzeugen sowie die Werbung durch unentgeltliche Abgabe von Tabakerzeugnissen an Minderjährige. Soweit die bundesrätlichen Weisungen an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft Werbung für Tabakwaren als solche verbieten, besteht damit hierfür eine hinreichende gesetzliche Grundlage.
5.
Der angefochtene Entscheid des Departementes liesse sich demnach nicht kritisieren, wenn es sich dabei um ein Verbot direkter Werbung für Tabakerzeugnisse handelte. Der fragliche Spot wirbt indessen (unmittelbar) nicht für eine Zigarettenmarke, sondern für eine Uhrenkollektion.
BGE 118 Ib 356 S. 364
a) Das Departement beanstandet nicht den Spot an sich, sondern die damit verbundene Werbewirkung, welche durch den Imagetransfer für "Camel"-Zigaretten erzielt wird. Angesichts der Schwere der gesundheitlichen und sozialen Probleme, die der Tabakkonsum mit sich bringt, bestehe ein öffentliches Interesse an einer strengen Handhabung des Werbeverbotes. Dieses untersage grundsätzlich jegliche direkte oder indirekte Werbewirkung für Tabakprodukte am Fernsehen, wobei nur jene Fälle auszunehmen seien, in denen die Veranstalter keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die von ihnen übertragenen Ereignisse hätten. Gegenüber dem gesundheitspolitisch motivierten Anliegen habe das wirtschaftliche Interesse, die Werbekraft einer bekannten Marke zu verwerten, zurückzutreten. Tabak sei eines der gefährlichsten und verbreitetsten Suchtmittel. Andere Stoffe dieser Kategorie, welche ähnliche Gefahren in sich bergen würden, seien mit einem umfassenden Verbot belegt, welches Anbau, Handel und Konsum rigoros untersage und sich nicht auf ein teilweises Werbeverbot am Fernsehen beschränke.
b) Dass ein Imagetransfer im vorliegenden Fall stattfindet, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten. Fraglich ist dagegen, ob sich das ausgesprochene Verbot deswegen rechtfertigt oder ob ihm nicht die Handels- und Gewerbefreiheit entgegensteht.
Art. 420d LMV
untersagt in Abs. 1 "jede Werbung für Tabakerzeugnisse, die sich in deutlicher Weise an Minderjährige richtet und bezweckt, sie zum Tabakgenuss zu veranlassen". Nach Art. 9 lit. e der Weisungen des Bundesrates ist "Werbung für Tabakwaren" am Fernsehen verboten. Beide Vorschriften erfassen ohne Zweifel die direkte Werbung, sie nennen indessen indirekte Werbewirkungen, welche von einem anderen Produkt für das Image einer Tabakware ausgehen, nicht ausdrücklich. Weil eine solche Vorschrift auch sonst fehlt, kann das Verbot nur mit einer ausdehnenden Interpretation auf die hier in Frage stehende indirekte Werbung erstreckt werden. Dem steht entgegen, dass ein Werbeverbot für ein Produkt - wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen und dem darin enthaltenen Gebot zur Wettbewerbsneutralität - keinen leichten Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit darstellt. Heute ist es weithin üblich geworden, den spezifischen Symbolgehalt bekannter Zeichen für unterschiedliche Zwecke zu vermarkten, sei es zur Kennzeichnung branchenfremder Produkte, als dekorativer Aufdruck, für Accessoires oder anderes mehr (vgl. ANNETTE KUR, Zur Benutzung bekannter Zigarettenmarken für andere Produkte, Die "Camel-Adventures"-Entscheidung des schwedischen Marktgerichts,
BGE 118 Ib 356 S. 365
in: GRUR International 1990 S. 443; EUGEN MARBACH/CHRISTIAN HILTI, a.a.O., S. 381 mit Hinweisen). Die wirtschaftliche Diversifizierung einer Unternehmung wird unter Umständen erheblich erschwert, ist ihr untersagt, an ein bestehendes Image und die damit assoziierten Elemente anzuknüpfen. Für einen derartigen Eingriff bedarf es einer klaren gesetzlichen Grundlage. Dem Departement ist zuzugestehen, dass das Verbot im vorliegenden Fall sich zwar nur auf die Fernsehwerbung bezieht, doch kann diese heute gerade ein wesentliches Element der Werbestrategie ausmachen, so dass es zu einer nicht zu unterschätzenden Schlechterstellung der Inhaber von Zigarettenmarken und ihren Lizenznehmern im Vergleich zu Inhabern sonstiger Zeichen kommen kann, denen die werbemässige Ausnutzung des Eigenwerts ihrer Marken auch am Fernsehen uneingeschränkt möglich bleibt.
c) Eine ausdehnende Interpretation der bestehenden gesetzlichen Grundlagen ist im öffentlichen Interesse indessen zulässig, um eindeutige Umgehungen zu erfassen, d.h. gegen Produkteanpreisungen vorzugehen, bei denen es nicht um ernsthafte wirtschaftliche Diversifikationen, sondern lediglich - ohne reellen Hintergrund - um versteckte Werbung für Tabakwaren geht. Ein solcher Missbrauch liegt nach den Akten im vorliegenden Fall aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin vertreibt verschiedene Uhrenmarken, worunter auch die preislich der mittleren Kategorie zuzurechnende "Camel-Trophy"-Watch. Sie hat hierzu in der ganzen Schweiz ein effektives Verteilnetz von Uhrengeschäften und Warenhäusern aufgebaut. Ihre Werbung dient dem Absatz dieser Uhr; der Spot selber knüpft zwar an das Image der Zigarettenmarke an, doch kann nicht gesagt werden, dies geschehe in einer Art und Weise, die erkennen lässt, dass es bloss um eine werbemässige Festigung der ursprünglichen Marke gehen kann. Der angefochtene Entscheid und das damit verbundene Werbeverbot für den visionierten Spot der "Camel-Trophy"-Uhr halten demnach vor der Handels- und Gewerbefreiheit, soweit sie für den hier in Frage stehenden öffentlichen Dienst gilt, nicht stand und sind aufzuheben.
d) Dahingestellt kann die Frage bleiben, ob mit dem Radio- und Fernsehgesetz und dem in
Art. 14 RTVV
vorgesehenen Verbot der unterschwelligen Werbung (Abs. 1 lit. f) heute eine hinreichende Rechtsgrundlage bestünde, Werbungen für Produkte zu untersagen, welche assoziativ mit dem Image von Tabakwaren verknüpft sind. Der Vollständigkeit halber sei aber auf die Botschaft des Bundesrates vom 9. März 1992 zu den zurzeit hängigen Zwillingsinitiativen
BGE 118 Ib 356 S. 366
vom 23. März 1988 "zur Verminderung der Tabakprobleme" (BBl 1988 I 1619) und "zur Verminderung der Alkoholprobleme" (BBl 1988 I 1622) verwiesen. Nach dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates bleibt die Verwendung von für Genussmittel gebrauchten Marken für andere Produkte als alkoholische Getränke und Tabakwaren zulässig, sofern damit nicht die Förderung des Verkaufs alkoholischer Getränke oder von Tabakwaren "bezweckt wird". Auch die Werbung für solche Produkte - sofern sie nicht die Förderung des Verkaufs alkoholischer Getränke oder Tabakwaren "bezweckt" - bleibt erlaubt; nicht verboten wird überdies die Verwendung der Marken von anderen Produkten als Genussmitteln für Tabakwaren oder alkoholische Getränke, jedoch darf die Werbung für die Ausgangsprodukte auch in diesem Fall nicht die Förderung des Verkaufs von Tabakwaren oder alkoholischen Getränken "bezwecken". Die Werbung für Waren, deren Marke zwar an Alkohol und Tabak erinnert, jedoch ausschliesslich für andere Produkte als Genussmittel verwendet wird, bleibt möglich (vgl. BBl 1992 II 1167/68).
Es erscheint daher zweifelhaft, ob der beanstandete Werbespot für die "Camel-Trophy"-Uhr bei der heute geltenden Regelung als unterschwellige Werbung untersagt werden könnte; doch braucht die Frage, wie bereits ausgeführt, nicht abschliessend beurteilt zu werden. | mixed |
485f941f-a294-442d-8f33-6e2a05920e6d | Erwägungen
ab Seite 471
BGE 112 II 471 S. 471
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 84 Abs. 2 ZGB
hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Diese Aufsicht, die sowohl über die Anlage als auch über die Verwendung des Stiftungsvermögens ausgeübt wird, ist umfassend. Sie schliesst auch Organisationsprobleme ein und ermächtigt die zuständige Aufsichtsbehörde insbesondere dazu, Stiftungsorgane abzuberufen bzw. abzusetzen und an deren Stelle andere zu ernennen, sofern das Verhalten eines Stiftungsorganes solcherart ist, dass es im Hinblick auf eine gesetzes- und stiftungsgemässe Tätigkeit der Stiftung nicht mehr tragbar ist (
BGE 112 II 98
f. E. 3,
BGE 105 II 326
ff. E. 5; Kommentar RIEMER, N. 98-102, 109, 111, 148, 150 zu
Art. 84 ZGB
).
Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung zutreffend ausführt, ist das Eingreifen der Aufsichtsbehörde auch dort geboten, wo der Ausschluss eines oder mehrerer Mitglieder des Stiftungsrates durch diesen selber geeignet ist, das ordentliche Funktionieren der Stiftung in Frage zu stellen. Bei aller Zurückhaltung gegenüber der Autonomie der Stiftung muss die Aufsichtsbehörde Beschlüsse überprüfen können, welche die Zusammensetzung der Stiftungsorgane und damit die Funktionsfähigkeit der Stiftung zum Gegenstand haben. Daran ändert
BGE 112 II 471 S. 472
nichts, wenn auf den Ausschluss eines Mitglieds des Stiftungsrates die Bestimmungen des Vereinsrechts über die Ausschliessung (
Art. 72 ZGB
) sinngemäss angewendet werden; denn die Analogie bezieht sich nur auf die Voraussetzungen des Ausschlusses, nicht aber auf den Rechtsweg, der bei dem keiner Aufsicht unterstehenden Verein vorweg nur jener des Zivilrechts sein kann.
3.
a) Der Streit zwischen der Beschwerdeführerin und Z. ist auf den Beschluss des Stiftungsrates zurückzuführen, die Liegenschaft in B. - sie stellt das einzige wesentliche Aktivum der Stiftung dar - an einen Verein zu verkaufen und sich mit dem Erlös an einem Neubau zu beteiligen. Nach den Ausführungen in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht hat die kantonale Aufsichtsbehörde den Stiftungsrat wissen lassen, dass von ihrer Seite grundsätzlich keine Einwendungen gegen den Verkauf der Liegenschaft in B. bestehen. Indessen wurde die Stiftung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch diese Transaktionen das Stiftungsvermögen nicht geschmälert werden dürfe. Die Stiftung müsse ihren Zweck weiterhin verfolgen können. Auch wurde die Stiftung von der kantonalen Aufsichtsbehörde daran erinnert, dass sowohl der Verkauf der ihr jetzt noch gehörenden Liegenschaft als auch die Errichtung eines Neubaues der vorgängigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Die Stiftung wurde ersucht, nähere Angaben - insbesondere zahlenmässig - über das Neubauprojekt zu machen.
b) Mit diesen Anordnungen der kantonalen Aufsichtsbehörde wird dafür Sorge getragen, dass das Stiftungsvermögen zweckentsprechend verwendet wird. Es lässt sich nicht behaupten, dass ohne die Mitwirkung von Z., dessen Interventionen nach der Meinung des Regierungsrates auch zur Wahrung des bestehenden Stiftungszweckes erfolgten, die Verfolgung des Stiftungszweckes nicht mehr gewährleistet sei. Anderseits ist aber auch nicht zu übersehen, dass Z. als Mieter in der Liegenschaft in B. ein besonderes persönliches Interesse daran hat, dass diese weder verkauft noch abgebrochen wird. Obschon das Justizdepartement Z. bei seiner Bereitschaft behaftet hat, nach der Wiedereinsetzung als Mitglied des Stiftungsrates konstruktiv in der Stiftung mitzuarbeiten, ist daher das Andauern von Meinungsverschiedenheiten nicht auszuschliessen.
Gewiss ist dennoch, dass die Tätigkeit der Stiftung L. durch die Tatsache, dass Z. aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen wurde, nicht beeinträchtigt wird. Insofern unterscheidet sich der vorliegende
BGE 112 II 471 S. 473
Rechtsstreit von dem in
BGE 112 II 97
ff. veröffentlichten Fall, wo eine Störung der Stiftungstätigkeit befürchtet und deshalb die Aufsichtsbehörde als zuständig bezeichnet wurde, über die Frage eines Ausschlusses zu entscheiden. Durch die (oben E. 3a erwähnten) Anordnungen der kantonalen Aufsichtsbehörde sind im vorliegenden Fall Vorkehren getroffen worden, um einer Gefährdung des Stiftungszweckes wie auch des Stiftungsvermögens zu begegnen. Diese Massnahmen genügen, und es war nicht erforderlich, dass darüber hinaus die Aufsichtsbehörde auch noch den Verbleib von Z. im Stiftungsrat anordnete. Mit dieser Anordnung hat die Aufsichtsbehörde in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane eingegriffen, was von der Rechtsprechung als eine Verletzung von Bundesrecht betrachtet wird (
BGE 108 II 358
E. 5a, 500 E. 5 mit Hinweis). Richtigerweise hätte das kantonale Justizdepartement auf die bei ihm erhobene Aufsichtsbeschwerde des Z. nicht eintreten sollen. | mixed |
9aac1ad2-5185-45fb-95c8-6c00cd37c806 | Sachverhalt
ab Seite 71
BGE 105 II 70 S. 71
Die "Gemeinsam"-Stiftung für Benachteiligte, mit Sitz in Zürich, wurde am 26. Januar 1976 durch die Infocard-Infothek AG, Wetzikon (Stifterin), mit einem Stiftungskapital von Fr. 10'000.- errichtet. Zweck der Stiftung ist die "Unterstützung schweizerischer Institutionen mit oder ohne eigener Rechtspersönlichkeit, wie spontane Hilfskomitees für Naturkatastrophen, welche ihrerseits ausschliesslich wohltätige oder gemeinnützige Tätigkeiten zugunsten benachteiligter Personen oder Gruppen entfalten" (Ziff. 3 der Statuten). Mit Verfügung vom 21. März 1977 übernahm das Eidg. Departement des Innern (EDI) die Stiftungsaufsicht, da es sich nach den Statuten um eine gesamtschweizerisch tätige Institution handelt.
Im Frühling 1977 startete die Stiftung einen Kugelschreiber-Versand. Gemäss dem im Februar 1977 abgeschlossenen Liefervertrag übernahm es die Adress-Data AG Wetzikon (ADAG), deren Verwaltungsratspräsident mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Stifterin identisch ist, für die "Gemeinsam-"Stiftung bis Mitte Oktober 1977 an gesamthaft rund 2 Mio. Adressaten Kugelschreiber zu verschicken. In einem Begleitschreiben wurden die Empfänger aufgerufen, einen Fünfliber an die Stiftung einzuzahlen. Für die Kugelschreiber und deren Versand hatte die Stiftung von den eingehenden Zahlungen Fr. -.80 pro Sendung an die ADAG zu überweisen. Für ein Versandprogramm von rund 2 Mio. Kugelschreiber würde die Entschädigung an die ADAG total Fr. 1,6 Mio. ausmachen; die diese Entschädigung übersteigenden Einzahlungen kämen dann der Stiftung zugute. Nach der vorgelegten Erfolgsrechnung 1977 ergab die Aktion Kugelschreiber für die Stiftung rund Fr. 81'000.-.
Auf dem den Kugelschreibern beigelegten Werbeblatt (gedrucktes Begleitschreiben) findet sich im Briefkopf (unter der Bezeichnung der Stiftung, der Postadresse und der Postcheck-Konto-Nummer) der gut sichtbare Hinweis: "Aufsichtsbehörde: Eidgenössisches Departement des Innern, Bern."
BGE 105 II 70 S. 72
Im nachfolgenden Text, der über den Zweck der Sammlung orientiert, wird auf der Vorderseite noch einmal erwähnt, dass die Stiftung unter eidgenössischer Aufsicht stehe, und auf der Rückseite ist zum dritten Mal von der Aufsichtsbehörde, dem Eidg. Departement des Innern, die Rede.
Die Kugelschreiber-Aktion erregte bei einzelnen Adressaten Misstrauen und führte auch zu kritischen Äusserungen in der Presse. Das EDI erhielt viele Zuschriften, aus denen hervorgeht, dass manche Leser des Werbebriefes annahmen, die Stiftung stehe unter dem Patronat des Departementes oder werde in irgendeiner besonderen Weise durch Bundesstellen überwacht und gefördert. Es untersuchte in der Folge die Aktivität der Stiftung und kam zum Ergebnis, deren gesamte Tätigkeit sei nicht nur auf Erfüllung des statutarischen Zwecks - Hilfe an gemeinnützige Institutionen und unterstützungsbedürftige Einzelpersonen ausgerichtet, sondern ebenso auf Ermöglichung eines bestimmten Umsatzes an Waren und Dienstleistungen und damit eines durch den Deckmantel der gemeinnützigen Stiftung gesicherten Gewinnes. Mit Verfügung vom 6. April 1978 erliess es unter anderem folgendes Verbot:
"Der Stiftung wird mit sofortiger Wirkung untersagt, sich in ihren
Veröffentlichungen und Mitteilungen an Dritte auf die Aufsicht seitens des
EDI zu berufen oder sonstwie auf die gesetzliche Stiftungsaufsicht Bezug zu
nehmen."
Hiegegen hat die Stiftung Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Wie sich aus den Motiven der Verfügung ergibt, hat das EDI das angefochtene Verbot aus zwei Gründen angeordnet:
aa) Der Hinweis auf die Stiftungsaufsicht des EDI erweckt den Anschein einer besondern behördlichen Förderung und dient so als irreführendes Werbemittel für die Sammelaktionen.
bb) Das EDI möchte sich davor schützen, dass es in der Öffentlichkeit wegen seiner gesetzlichen Funktion als Stiftungsaufsichtsbehörde mit der - begründeter Kritik ausgesetzten -
BGE 105 II 70 S. 73
Aktivität einer von ihm beaufsichtigten Institution in engen Zusammenhang gebracht wird, als ob diese Institution ihre fragwürdige, mit geschäftlichen Interessen verknüpfte Sammeltätigkeit unter dem Patronat des EDI betreiben würde.
b) Die Stiftungsaufsicht dient nicht nur dem Ziel, der Absicht des Stifters Geltung zu verschaffen und die richtige Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens zu überwachen, sondern die Aufsichtsbehörde hat auch die öffentlichen Interessen in einem umfassenden Sinne wahrzunehmen (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, Bd. 1/3, Die Stiftungen, S. 554 ff.); vor allem hat sie dafür zu sorgen, dass die Stiftungsorgane das objektive Recht beachten (
BGE 100 Ib 144
mit Hinweisen). Die Tätigkeit der Stiftung darf - auch unter Wahrung des zulässigen Stiftungszweckes - in ihren Formen und Auswirkungen nicht widerrechtlich oder unsittlich sein. Eine Stiftung, deren statutarischer Zweck keinen Grund zur Auflösung gemäss
Art. 88 Abs. 2 ZGB
gibt, hat sich auch in ihrer effektiven Tätigkeit an die Schranken von Recht und Sitte zu halten. Gegen Verstösse oder die konkrete Gefahr von Verstössen kann mit präventiven und repressiven Aufsichtsmitteln eingeschritten werden (
BGE 100 Ib 144
f.; RIEMER, a.a.O., S. 557 ff.).
aa) Es ist nicht üblich, dass Stiftungen bei Sammelaktionen auf die gesetzlich vorgeschriebene Stiftungsaufsicht hinweisen oder die Aufsichtsbehörde im Briefkopf gewissermassen als Referenz angeben. Wenn nun eine einzelne Stiftung - entgegen der allgemeinen Übung - die Stiftungsaufsicht hervorhebt und die Aufsichtsbehörde zudem noch jenes Departement des Bundes ist, das sich u.a. mit Sozialversicherung befasst, so erweckt dies beim Leser des Werbematerials falsche Vorstellungen: Der mit der gesetzlichen Ordnung der Stiftungsaufsicht nicht vertraute Empfänger der Sendung wird durch die Erwähnung der Bundesaufsicht leicht zum Schluss verleitet, es handle sich um eine Aktion, die unter der besondern Obhut, Förderung und Kontrolle einer Bundesstelle durchgeführt werde. Mit dem auffälligen Hinweis auf die Bundesaufsicht wollte vermutlich die Stiftung gerade den Eindruck erwecken, ihre Aktion unterscheide sich von andern Sammelaktionen durch eine spezielle staatliche Kontrolle und sei deswegen besonders vertrauenswürdig. Ein anderer Grund für die ungewöhnliche und stark hervorgehobene
BGE 105 II 70 S. 74
Erwähnung der Aufsichtsbehörde ist nicht erkennbar. Aber selbst wenn diese Absicht der Irreführung ursprünglich nicht bestanden hätte, müsste aufgrund der Erfahrung, dass der Hinweis auf die Aufsichtsbehörde sehr oft irrtümlich als besondere Empfehlung verstanden wird, eine Fortsetzung dieses weite Kreise des Publikums täuschenden Verhaltens untersagt werden. Dass formell rechtlich gesehen die Mitteilung, Aufsichtsbehörde sei das Eidg. Departement des Innern, der Wahrheit entspricht, vermag die Verwendung dieser wahren Feststellung zur Irreführung des Publikums nicht zu rechtfertigen. Die Beaufsichtigung einer Stiftung durch eine Behörde ist ja nicht eine spezielle Auszeichnung oder Anerkennung der Institution. Daher ist es auch nicht üblich, die Aufsichtsbehörde zu erwähnen. Wenn nun eine Stiftung den Hinweis auf die Aufsichtsbehörde anbringt, erweckt sie beim Adressaten irreführend den Eindruck, es handle sich da um etwas Besonderes, auf das sich nur diese Institution berufen könne. Dadurch wird mit der Tatsache der gesetzlichen Stiftungsaufsicht Missbrauch getrieben; der Hinweis auf die Aufsicht wird zum Vortäuschen einer besondern Förderung oder Anerkennung verwendet.
bb) Die Aufsichtsbehörde selber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass durch die ausdrückliche Erwähnung der gemäss Gesetz auszuübenden Aufsicht nicht in der Werbung für eine Sammelaktion irreführend der Eindruck erweckt wird, diese Stiftung stehe dem EDI besonders nahe und die Sammelaktion verdiene wegen der Bundesaufsicht spezielles Vertrauen. Neben der Vermeidung einer Irreführung des Publikums rechtfertigt auch der Schutz der Aufsichtbehörde vor einem Missbrauch ihres Namens zu unlautern Werbezwecken das angefochtene Verbot weiterer Hinweise auf die Stiftungsaufsicht.
Im übrigen ist festzuhalten, dass dieses Verbot die Beschwerdeführerin in keiner Weise bei der legalen Ausübung ihrer Tätigkeit beschränkt oder behindert. Es wird nur der Missbrauch der Tatsache der Stiftungsaufsicht für irreführende Reklame untersagt. | mixed |
360784f1-43c2-4971-98c1-d3a84d7f987c | Sachverhalt
ab Seite 324
BGE 142 IV 324 S. 324
A.
Par jugement du 13 janvier 2015, le Tribunal de police de l'arrondissement de La Broye et du Nord vaudois a reconnu X. coupable d'entrave aux mesures de constatation de l'incapacité de conduire. Il l'a condamné à une peine de 60 jours-amende à 50 fr., avec sursis pendant 3 ans, ainsi qu'à une amende de 500 fr., la peine privative de liberté de substitution en cas de défaut de paiement de l'amende étant de 10 jours.
Les faits à l'origine de cette condamnation sont en substance les suivants.
Le 20 janvier 2014 vers 19h05, X. circulait de A. en direction de B. à une vitesse approximative de 60 km/h lorsqu'il a été surpris par un sanglier qui traversait la route. Il a percuté l'animal avec l'avant gauche de son véhicule, dont la direction a été endommagée, de sorte qu'il n'a pas pu éviter une balise. Sa voiture s'est ensuite immobilisée à cheval entre la bande herbeuse et la voie de circulation en sens inverse. Alors qu'il savait avoir l'obligation d'aviser la
BGE 142 IV 324 S. 325
police à ce moment-là, il a d'abord bu une fiole de 20 ml de Carmol contenant 64 % de volume d'alcool, faussant ainsi tout contrôle ultérieur de son état physique. Il a ensuite jeté le flacon par la fenêtre de son véhicule puis a circulé une centaine de mètres avant d'arrêter sa voiture sur un sentier de l'autre côté de la route, d'où il a appelé la gendarmerie.
B.
Par jugement du 29 avril 2015, la Cour d'appel pénale du Tribunal cantonal vaudois a admis partiellement l'appel formé par X. contre ce jugement. Elle l'a modifié dans ce sens que la peine pécuniaire a été réduite à 20 jours-amende à 30 fr., l'amende ramenée à 150 fr. et la durée de la peine privative de liberté de substitution à 2 jours.
C.
X. forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre le jugement de la Cour d'appel pénale. Il conclut, avec suite de frais et dépens, principalement à l'annulation du jugement attaqué et à son acquittement; subsidiairement, il conclut au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue à nouveau. Il sollicite en outre l'effet suspensif.
D.
Invités à présenter des observations, tant la cour cantonale que le ministère public se sont référés à la décision attaquée et ont renoncé à déposer des déterminations, ce dernier concluant au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le recourant reproche à la cour cantonale d'avoir violé l'
art. 91a al. 1 LCR
. Il soutient que les éléments constitutifs objectifs et subjectifs de l'entrave aux mesures de constatation de l'incapacité de conduire ne sont pas réalisés.
1.1
1.1.1
Aux termes de l'
art. 91a al. 1 LCR
, quiconque, en qualité de conducteur d'un véhicule automobile, s'oppose ou se dérobe intentionnellement à une prise de sang, à un contrôle au moyen de l'éthylomètre ou à un autre examen préliminaire réglementé par le Conseil fédéral, qui a été ordonné ou dont le conducteur devait supposer qu'il le serait, ou quiconque s'oppose ou se dérobe intentionnellement à un examen médical complémentaire ou fait en sorte que des mesures de ce genre ne puissent atteindre leur but, sera puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
BGE 142 IV 324 S. 326
Comme sous l'ancien
art. 91 al. 3 LCR
, la dérobade est liée à la violation des devoirs en cas d'accident. En effet, ce n'est qu'en cas d'accident, où des éclaircissements sur le déroulement des événements s'avèrent nécessaires, que l'on peut dire que le conducteur devait s'attendre avec une haute vraisemblance à ce qu'une mesure visant à établir son alcoolémie soit ordonnée (cf.
ATF 126 IV 53
consid. 2a p. 55 s.; arrêts 6B_17/2012 du 30 avril 2012 consid. 3.2.1 et 6B_168/2009 du 19 mai 2009 consid. 1.2). Déterminer si une mesure de constatation de l'état d'incapacité du conducteur était hautement vraisemblable est une question de droit que le Tribunal fédéral examine librement (voir arrêt 6B_927/2014 du 16 janvier 2015 consid. 2.3 et l'arrêt cité). Ainsi, les éléments constitutifs de la dérobade sont au nombre de deux. Premièrement, l'auteur doit violer une obligation d'aviser la police en cas d'accident, alors que cette annonce est destinée à l'établissement des circonstances de l'accident et est concrètement possible. Deuxièmement, l'ordre de se soumettre à une mesure de constatation de l'état d'incapacité de conduire doit apparaître objectivement comme hautement vraisemblable au vu des circonstances.
Indépendamment du devoir d'aviser la police en cas d'accident, le fait de consommer de l'alcool après un accident pouvant motiver un ordre de prise de sang peut remplir les conditions objectives de l'entrave au sens de l'
art. 91a LCR
. Sur le plan objectif, il est nécessaire que la prise de sang ait été hautement vraisemblable et que la consommation d'alcool après l'accident alléguée ait rendu impossible la constatation de l'alcoolémie au moment déterminant. Subjectivement, il faut que le conducteur ait eu la conscience de la haute vraisemblance de la prise de sang et qu'il ait voulu entraver cette mesure (voir
ATF 131 IV 36
consid. 2.2.4 p. 40 rendu sous l'empire de l'ancien
art. 91 al. 3 LCR
;
ATF 114 IV 148
consid. 3).
1.1.2
Conformément à l'
art. 55 al. 1 LCR
, les conducteurs de véhicules, de même que les autres usagers de la route impliqués dans un accident, peuvent être soumis à un alcootest. Depuis l'entrée en vigueur de cette disposition le 1
er
janvier 2005, il est possible d'ordonner une telle investigation même en l'absence de tout soupçon préalable, alors que l'ancien
art. 55 al. 2 LCR
prévoyait "un examen approprié lorsque les indices permettent de conclure qu'ils sont pris de boisson". Par ailleurs, depuis le 1
er
janvier 2008, l'art. 10 al. 1 de l'ordonnance du 28 mars 2007 sur le contrôle de la circulation routière (OCCR; RS 741.013) permet à la police de procéder de manière systématique à des tests préliminaires pour déterminer s'il y a
BGE 142 IV 324 S. 327
eu consommation d'alcool. Cette évolution législative étend le champ des situations dans lesquelles des mesures visant à établir l'alcoolémie des usagers de la route sont ordonnées.
1.1.3
En considération de l'évolution législative qui précède, il y a de manière générale lieu de s'attendre à un contrôle de l'alcoolémie à l'alcootest en cas d'accident, sous réserve que celui-ci soit indubitablement imputable à une cause totalement indépendante du conducteur.
1.2
La cour cantonale a admis que le recourant pouvait s'attendre à ce que la police procède à un contrôle afin d'établir s'il était pris de boisson au moment des faits, au motif qu'il avait percuté du gibier, qu'il faisait nuit au moment de l'accident, que son véhicule ne pouvait plus rouler, qu'il sentait l'alcool et que ses déclarations relatives à sa consommation d'alcool étaient contradictoires. Le recourant soutient que tel n'était pas le cas et conteste avoir eu conscience qu'une prise de sang était hautement vraisemblable et avoir cherché à se dérober à cette mesure.
1.3
Les circonstances de l'accident provoqué par le recourant ne peuvent pas être considérées comme banales puisque celui-ci a percuté un sanglier sans qu'aucun élément particulier n'explique la collision. Dans une telle configuration, l'ordre de se soumettre à un contrôle d'alcoolémie apparaissait comme hautement vraisemblable, ce qui ne pouvait échapper au recourant, de sorte que tant l'aspect objectif que subjectif de l'infraction sont réalisés.
Le jugement attaqué ne retient par ailleurs pas que la fixation de l'alcoolémie au moment déterminant aurait été possible en l'espèce nonobstant la consommation d'alcool (Carmol) après l'accident. Il faut ainsi retenir que le comportement du recourant a rendu impossible la constatation de son état au moment déterminant. L'infraction est réalisée. (...) | mixed |
180407ea-d83f-40ff-a884-f478e0cd8757 | Sachverhalt
ab Seite 259
BGE 138 IV 258 S. 259
A.
Am 27. Oktober 2009 wollte X. am Steuer seines Personenwagens auf der Äusseren Luzernerstrasse in Oftringen zunächst nach links abbiegen, entschied sich aber wegen des entgegenkommenden Verkehrs für das Abbiegen nach rechts und kollidierte bei
BGE 138 IV 258 S. 260
diesem Manöver mit dem rechts vorfahrenden Motorradfahrer Y. Dieser kam zu Fall und wurde verletzt. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.
Der Präsident II des Bezirksgerichts Zofingen verurteilte X. am 15. Juni 2010 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügende Aufmerksamkeit zu einer Busse von Fr. 200.- und zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrags von Fr. 861.75 an den Privatkläger Y. Die Berufung von X. gegen dieses Urteil blieb ebenso erfolglos wie die anschliessend beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Strafsachen. Diese wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 31. August 2011 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war (Verfahren 6B_256/2011).
Ein erstes Revisionsgesuch von X. gegen dieses Urteil wies das Bundesgericht mit Urteil vom 24. November 2011 ab (Verfahren 6F_14/2011). Ein zweites Revisionsgesuch wurde am 1. März 2012 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war (Verfahren 6F_20/2011).
B.
Am 12. Juli 2010 hatte X. eine Strafanzeige gegen Y. wegen Widerhandlungen gegen das SVG eingereicht und als Privatkläger eine Schadenersatzforderung von Fr. 3'030.95 erhoben. Mit Verfügung vom 11. Januar 2011 sistierte die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm die Strafuntersuchung gegen Y. bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen X.
Am 23. Juli 2011 reichte X. gegen die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ein. Er beantragte, es sei zu prüfen, ob ein Beleg über einen bei Y. vorgenommenen Alkohol-Atemlufttest vorhanden sei bzw. ob ein solcher Test durchgeführt worden sei, und die Fahrfähigkeit von Y. im Unfallzeitpunkt sei zu klären, insbesondere unter Beizug der Unterlagen des Spitals Zofingen.
C.
Mit Entscheid vom 11. August 2011 wies die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Sie liess die Frage der Beschwerdeberechtigung von X. offen und erwog in der Sache, das Verfahren gegen Y. sei zurzeit sistiert und es bestehe keine Dringlichkeit zur Vornahme der beantragten Untersuchungshandlungen. Falls ein Alkohol-Atemlufttest durchgeführt worden sei, werde sich der entsprechende Beleg in den Akten finden. Andernfalls könne der Frage der Fahrfähigkeit von Y. dereinst durch Befragung der beteiligten Personen nachgegangen werden.
BGE 138 IV 258 S. 261
D.
Mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht vom 20. September 2011 beantragt X., den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Behörden des Kantons Aargau anzuweisen, die verlangten Untersuchungshandlungen vorzunehmen. (...) Er macht insbesondere geltend, die Personenbefragung sei dringend, da das Erinnerungsvermögen der Beteiligten mit zunehmendem zeitlichem Abstand von den Ereignissen nachlasse. (...)
F.
Am 4. September 2012 haben die I. öffentlich-rechtliche Abteilung und die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts zu einer Rechtsfrage, die für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit entscheidend ist, ein Verfahren nach
Art. 23 Abs. 2 BGG
durchgeführt (s. E. 4.1 hiernach).
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Das angefochtene Urteil ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (
Art. 80 BGG
) in einer Strafsache (
Art. 78 Abs. 1 BGG
). Es handelt sich nicht um einen Endentscheid (vgl.
Art. 90 BGG
), sondern um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde in Strafsachen - von hier nicht gegebenen Spezialfällen abgesehen (vgl.
Art. 92 BGG
) - nur unter einschränkenden Voraussetzungen (
Art. 93 BGG
) zulässig ist. Das Bundesgericht verzichtet allerdings bei Beschwerden wegen Rechtsverweigerung auf das Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils (vgl.
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
;
BGE 134 IV 43
E. 2.2 S. 45). Die Beschwerde in Strafsachen steht deshalb grundsätzlich offen.
1.2
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingereicht und entspricht den Formerfordernissen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist mit seinen Anträgen unterlegen (vgl.
Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG
).
1.3
Die Staatsanwaltschaft verneint in ihrer Vernehmlassung die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG. Wohl habe dieser erklärt, sich als Privatkläger am Strafverfahren gegen Y. beteiligen zu wollen und seine Zivilansprüche beziffert, doch seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensbeteiligung nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer habe keine Geschädigtenstellung im Sinne von
Art. 115 StPO
,
BGE 138 IV 258 S. 262
weil die Verkehrsregeln den einzelnen Verkehrsteilnehmer nur mittelbar schützten.
Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, er sei durch die Kollision mit dem Motorradfahrer, der sich verkehrsregelwidrig verhalten habe, zu Schaden gekommen (Sachschaden am Personenwagen) und deshalb befugt, im Strafverfahren gegen Y. als Privatkläger Parteirechte auszuüben.
1.4
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Rechtsmittel von Amtes wegen und mit freier Kognition (
Art. 29 Abs. 1 BGG
;
BGE 137 III 417
E. 1 mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist es durch das Vorgehen und die Überlegungen der Vorinstanz, welche die Frage der Beschwerdeberechtigung offengelassen und einen Sachentscheid gefällt hat, nicht gebunden.
2.
2.1
Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat und dieser sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Privatklägerschaft kann sich die geschädigte Person beteiligen, die ausdrücklich die Absicht ihrer Beteiligung am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger erklärt hat (
Art. 118 Abs. 1 StPO
[SR 312.0]). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (
Art. 115 Abs. 1 StPO
).
2.2
Der Begriff des Geschädigten war bis zum Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung in den Kantonen uneinheitlich geregelt. Immerhin galten bereits im Zusammenhang mit kantonalen Umschreibungen und der Legitimation zur früheren eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde bestimmte Grundsätze (vgl. Art. 270 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege [BStP] in der durch das Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 eingeführten Fassung [AS 1992 2465, 2473]). Daran hat der Gesetzgeber in
Art. 115 StPO
angeknüpft (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1169 f. Ziff. 2.3.3.1 auch zum Folgenden; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 18 zu
Art. 115 StPO
; CAMILLE PERRIER, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 5 f. zu
Art. 115 StPO
, je mit
BGE 138 IV 258 S. 263
Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Insbesondere geht die Umschreibung der unmittelbaren Verletzung in eigenen Rechten vom Begriff des Rechtsgutes aus: Danach ist unmittelbar verletzt und geschädigt im Sinne von
Art. 115 StPO
, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (vgl. die umfangreichen Hinweise auf die herrschende Lehre und publizierte Praxis bei MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 21 [Fn. 32] zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 6 [Fn. 12] und 8 ff. zu
Art. 115 StPO
). Dieser Sichtweise folgte das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung (auch im Zusammenhang mit dem Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 [aOHG]; statt vieler
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 98;
BGE 128 I 218
E. 1.5;
BGE 120 Ia 220
E. 3b S. 223; je mit Hinweisen).
2.3
Als Geschädigter ist somit anzusehen, wer Träger des Rechtsgutes ist, das durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung oder Gefährdung geschützt werden soll. Im Zusammenhang mit Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99 mit Hinweisen). In diesem Sinne hat das Bundesgericht seit der Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung schon verschiedentlich entschieden (Urteile 1B_489/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.1; 1B_201/2011 vom 9. Juni 2011 E. 2.1; analog zur Opfereigenschaft nach OHG Urteil 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2). Werden durch Delikte, die (nur) öffentliche Interessen verletzen, private Interessen auch, aber bloss mittelbar beeinträchtigt, so ist der Betroffene nicht Geschädigter im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
(vgl. Urteil 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 13 zu
Art. 115 StPO
).
2.4
Der Gesetzgeber verzichtete beim Erlass der Schweizerischen Strafprozessordnung darauf, Zweifelsfragen in Bezug auf den Begriff der geschädigten Person zu entscheiden (vgl. Botschaft des Bundesrates zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1170). Am Beispiel der Rassendiskriminierung (
Art. 261
bis
StGB
) wird in der bundesrätlichen Botschaft (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass die Geschädigtenstellung und damit die Möglichkeit, im Prozess als Privatklägerin oder Privatkläger mitzuwirken, davon abhänge, ob mit dem Tatbestand
BGE 138 IV 258 S. 264
individuelle Rechtsgüter unmittelbar oder lediglich mittelbar geschützt werden. Zum Tatbestand der Leugnung von Völkermord oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4
zweiter
Teilsatz StGB führte der Bundesrat aus, dieser werde nach der bundesgerichtlichen Praxis ausschliesslich als Delikt gegen den öffentlichen Frieden verstanden. Individuelle Rechtsgüter würden dadurch nur mittelbar, nicht aber, wie für den Begriff der geschädigten Person notwendig, unmittelbar geschützt (
BGE 129 IV 95
E. 3.5 S. 105). Anders wäre nach den Ausführungen in der Botschaft zu entscheiden, wenn mit einem Teil der Lehre nicht der öffentliche Frieden, sondern die Menschenwürde als
unmittelbar
geschütztes Rechtsgut betrachtet würde.
2.5
Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die dem Beschwerdegegner angelastete Verkehrsregelverletzung unmittelbar in seinen Rechten verletzt wurde.
3.
Für die Beurteilung der Geschädigtenstellung stellt sich die Frage nach dem mit
Art. 90 Ziff. 1 SVG
geschützten Rechtsgut. Die Frage ist in der Lehre umstritten.
3.1
Zahlreiche Autoren stützen sich darauf, dass die Verkehrsordnung den reibungslosen Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen schützt, mithin allgemeine Interessen. Individualrechtsgüter wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen werden nach dieser Auffassung durch die Verkehrsregeln nur mittelbar geschützt (grundlegend HANS SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, 1964, S. 152 f., mit Hinweis auf die Botschaft zum SVG; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
, mit weiteren Verweisungen; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
). Diese Lehrmeinung liegt auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts zugrunde. So führte das Bundesgericht im Urteil 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a zum damals in Kraft stehenden
Art. 270 Abs. 1 BStP
aus, bei Verkehrsregelverletzungen sei der allenfalls eingetretene Schaden nicht die unmittelbare, sondern bloss eine mittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung. Durch Verkehrsregelverletzungen würden Individualrechtsgüter nicht gleichsam notwendigerweise faktisch (mit)beeinträchtigt. So wie der bei einem Verkehrsunfall Verletzte allein in Bezug auf die vom anderen Verkehrsteilnehmer allenfalls verübte Straftat der fahrlässigen Körperverletzung und nicht auch hinsichtlich der vom anderen allenfalls begangenen Straftaten der Verletzung von Verkehrsregeln
BGE 138 IV 258 S. 265
oder des Fahrens in angetrunkenem Zustand Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes sei (vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3a S. 76 f.;
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99; Urteil 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2), sei derjenige, der bei einem Verkehrsunfall einen Sachschaden erleide, in Bezug auf die dem anderen zur Last gelegte Verkehrsregelverletzung nicht Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts (vgl. NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 509).
3.1.1
Die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 115 StPO
erscheint nicht als gleichbedeutend mit dem im ausservertraglichen Haftpflichtrecht verwendeten Begriffspaar des unmittelbaren und mittelbaren Schadens. In
Art. 115 StPO
soll sich das Wort "unmittelbar" auf die durch die Straftat verletzten Rechte beziehen. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit habe also die Funktion, den Kreis der zur Privatklägerschaft prozessrechtlich legitimierten Personen und nicht etwa den Umfang des ersetzbaren Schadens einzuschränken (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 42 zu
Art. 115 StPO
).
3.1.2
Mit
Art. 90 Ziff. 1 SVG
wird die Verletzung von Verkehrsregeln unter Strafe gestellt. Es handelt sich dabei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das eine Handlung wegen ihrer typischen Gefährlichkeit allgemein mit Strafe bedroht, unabhängig davon, ob im konkreten Fall ein Rechtsgut in Gefahr gerät. Dies im Unterschied zu den konkreten Gefährdungsdelikten, bei welchen das Gesetz den Eintritt der Gefahr im Einzelfall fordert (z.B. Art. 127, 129, 223, 224, 227 StGB; GÜNTER STRATENWERTH, Allgemeiner Teil, Schweizerisches Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2011, S. 160 f.). Bei den Gefährdungsdelikten wird für die Vollendung der Tat keine Verletzung eines Rechtsguts verlangt, sondern es genügt, dass ein solches tatsächlich in konkrete oder abstrakte Gefahr gebracht wird (DONATSCH/TAG, Verbrechenslehre, 8. Aufl. 2006, S. 102 f.). Aus der dogmatischen Einordnung der Gefährdungsdelikte wird in Bezug auf die Geschädigtenstellung gefolgert, dass es bei bloss abstrakten Gefährdungsdelikten keine Geschädigten im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
gibt, es sei denn, jemand werde als Folge der Begehung eines solchen Deliktes (hier: Verkehrsregelverletzung) doch konkret gefährdet (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 30 zu
Art. 115 StPO
; vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3a S. 76 f.; Urteil des Bundesgerichts 6B_198/2009 vom 26. Mai 2009 E. 2.3.3).
3.1.3
Bei schwerer Verkehrsregelverletzung (
Art. 90 Ziff. 2 SVG
) kann sich fragen, ob eine unfallbedingte fahrlässige Tötung oder
BGE 138 IV 258 S. 266
Körperverletzung nicht nur eine Geschädigtenstellung gestützt auf Art. 117 bzw. 125 StGB begründet, sondern zugleich auch eine solche nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
, weil diese Vorschrift nach verbreiteter Lehrmeinung nebst dem Schutz des allgemeinen Interesses der Verkehrssicherheit auch dem Schutz der körperlichen Integrität der Verkehrsteilnehmer dient (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 17 zu
Art. 115 StPO
; SCHULTZ, a.a.O., S. 174; YVAN JEANNERET, La poursuite des infractions routières et le CPP: quid novi? [nachfolgend: Poursuite], Strassenverkehr/Circulation routière 2/2011 S. 30). Das Bundesgericht hat ein solch weiter gefasstes Verständnis der Geschädigtenstellung bisher freilich nicht übernommen. Es erachtet in seiner bisherigen Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen mit Tötung oder Körperverletzung den durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verwirklichten Tatbestand des Strafgesetzbuches als massgebend für die Geschädigtenstellung, nicht aber (auch) die vom anderen Verkehrsteilnehmer begangenen Straftaten der schweren Verkehrsregelverletzung und allenfalls des Fahrens in angetrunkenem Zustand (
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99; Urteile 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2; 6B_548/2009 vom 3. Dezember 2009 E. 3.3). Die Geschädigtenstellung bei Widerhandlungen nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
ist in der vorliegenden Angelegenheit nicht weiter zu prüfen.
3.2
Ist mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass die Verkehrsregeln nebst dem allgemeinen Interesse der Verkehrssicherheit höchstens die körperliche Integrität der Verkehrsteilnehmer schützen, nicht aber deren Eigentum bzw. Vermögen, so stellt ein reiner Sachschaden als Folge einer Verkehrsregelverletzung nach
Art. 90 Ziff. 1 SVG
keine unmittelbare Verletzung in eigenen Rechten im Sinne von
Art. 115 StPO
dar, sondern nur eine mittelbare Folge des Verstosses gegen die Verkehrsregeln. Der Kollisionsbeteiligte, der bloss Sachschaden erlitten hat, ist daher nach dieser Vorschrift nicht eine durch die Verkehrsregelverletzung geschädigte Person. Er kann sich demzufolge nicht als Privatkläger gemäss
Art. 118 StPO
am Strafverfahren beteiligen (vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3b S. 77; Urteil des Bundesgerichts 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
).
3.3
Eine andere Lehrmeinung geht davon aus, dass
Art. 90 SVG
nicht nur die Einhaltung der Verkehrsregeln, sondern auch Leib und
BGE 138 IV 258 S. 267
Leben sowie das Eigentum schützt. Nach dieser Auffassung dienen Verkehrsregeln mehrheitlich dazu, dass der Verkehr geregelt abläuft und nicht durch Unfälle beeinträchtigt wird. Bei Unfällen bestehe ein grosses Risiko, dass Menschen verletzt würden und deren Eigentum beeinträchtigt wird. Diese Gefahr werde durch Verkehrsregeln gemindert. Allerdings wird eingeräumt, dass nicht jede Verkehrsregel in gleicher Weise der Verkehrssicherheit dient, weshalb das Schutzobjekt in Bezug auf die einzelnen durch
Art. 90 SVG
abgesicherten Verkehrsregeln zu bestimmen sei. Die Grundregel des Verbots der Verkehrsgefährdung beziehe sich auf die Gefährdung
anderer
bei der ordnungsgemässen Benützung der Strasse (
Art. 26 Abs. 1 SVG
). Damit seien Gefährdungen gemeint, die sich gegen Individualrechtsgüter dieser anderen Personen richteten. Im Vordergrund stehe das Individualrechtsgut des Lebens und der körperlichen Integrität, da die im Strassenverkehr wirkenden physikalischen Kräfte für Leib und Leben der Menschen besonders gefährlich werden könnten. Aber auch Sachwerte wie die Fahrzeuge der Verkehrsteilnehmer könnten bei einer Gefährdung im Sinne von
Art. 26 Abs. 1 SVG
durch andere Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt werden. Auch hier sei bereits die Gefährdung erfasst, weiter aber auch die fahrlässige Verletzung (
Art. 100 SVG
). Der Schutzbereich soll damit auch körperliche Teile des Vermögens, genauer die Dispositionsmacht über in das Verkehrsgeschehen eingebrachte Sachwerte umfassen (zum Ganzen GERHARD FIOLKA, Das Rechtsgut, Bd. II, 2006, S. 646 ff., 655 ff., 682 ff.; YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la loi sur la circulation routière, 2007, N. 5 zu
Art. 90 SVG
;
derselbe
, Poursuite, a.a.O., S. 30; s. auch RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III, 1995, S. 164).
3.3.1
Somit sollen Sachbeschädigungen aufgrund der Verletzung einer Verkehrsregel, die zur Unfallverhütung erlassen wurde, gestützt auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG
strafrechtlich erfasst sein, auch wenn der Täter bloss fahrlässig gehandelt hat (
Art. 100 Ziff. 1 SVG
). Dies im Unterschied zu anderen Sachbeschädigungen, deren fahrlässige Begehung nach Art. 144 i.V.m. 12 StGB nicht strafbar ist (vgl. FIOLKA, a.a.O., S. 684). Im Übrigen kann eine Sachbeschädigung im Strassenverkehr auch auf Eventualvorsatz beruhen, was bei einem Verkehrsunfall mit blossem Sachschaden zu einer direkten Anwendung von
Art. 144 StGB
führen kann.
3.3.2
Für die Bejahung des Schutzes individueller Rechtsgüter bei der Anwendung von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
kann auch sprechen, dass
BGE 138 IV 258 S. 268
das Strassenverkehrsrecht in den letzten Jahrzehnten parallel zur enormen Zunahme des Verkehrs zahlreichen Revisionen unterzogen wurde, die zu einem wesentlichen Teil auf eine bessere Vermeidung von Unfällen abzielten. Die ergriffenen Massnahmen erstrecken sich von zusätzlichen Schutzvorschriften wie Sicherheitsgurten- und Helmtragpflichten, Ausrüstungsvorschriften für Fahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen über neue Regeln zur Fahrfähigkeit und zur Führerausbildung bis hin zu neuen Vortrittsregeln für Fussgänger und Verschärfungen der Führerausweisentzugs-Bestimmungen (vgl. die Übersicht über das Inkrafttreten der wichtigsten verkehrssicherheitsrelevanten Vorschriften des Strassenverkehrsrechts in der Schweiz im Anhang zur Botschaft des Bundesrats vom 20. Oktober 2010 zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, BBl 2010 8447 ff., 8527 ff.). Zudem leistete die gestützt auf die Verordnung vom 28. September 2001 über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen (SR 741.213.3) an vielen Orten erfolgte Verkehrsberuhigung einen wichtigen Beitrag zur Verminderung von Unfällen. Mit all diesen Massnahmen konnte die Zahl der im Schweizer Strassenverkehr getöteten Menschen von 1773 im Jahre 1971 auf 349 im Jahr 2009 gesenkt werden (vgl. Botschaft Via sicura, BBl 2010 8455). Am 15. Juni 2012 beschlossen die Eidgenössischen Räte im Rahmen des genannten Handlungsprogramms Via sicura eine weitere Revision des SVG, die auf eine Verbesserung der Sicherheit im Strassenverkehr ausgerichtet ist. Aus der Botschaft zu diesem Handlungsprogramm ergibt sich, dass die grossen Anstrengungen des Gesetzgebers und die den Verkehrsteilnehmenden dadurch auferlegten Pflichten die primäre Zielsetzung verfolgen, die Zahl der Verkehrsopfer (Getötete und Schwerverletzte) noch weiter zu senken (BBl 2010 8461 f.). Damit steht nach der genannten neuen Lehrmeinung der Schutz der individuellen Rechtsgüter Leib und Leben im Vordergrund. Untrennbar damit verbunden sei der Schutz des Eigentums (vgl. FIOLKA, a.a.O., S. 653 f., 655 f., 682 ff.). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich des Strassenverkehrs erscheint als fraglich, ob die Auffassung, die Verkehrsordnung schütze generell bloss den reibungslosen Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen, mithin allgemeine Interessen, und Individualrechtsgüter wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen würden durch die Verkehrsregeln nur mittelbar geschützt, in dieser Allgemeinheit noch zutrifft.
BGE 138 IV 258 S. 269
4.
4.1
Im Hinblick auf die Bildung einer Praxis zur Auslegung des Begriffs des Geschädigten nach
Art. 115 StPO
in Fällen der vorliegenden Art, in welchen eine Verkehrsregelverletzung lediglich zu einem Sachschaden führt, berieten die I. öffentlich-rechtliche Abteilung und die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im Verfahren nach
Art. 23 Abs. 2 BGG
folgende Rechtsfrage:
"Ist eine Person, die im Rahmen eines Verkehrsunfalls ausschliesslich einen materiellen Schaden erlitten hat, gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG berechtigt, Beschwerde in Strafsachen zu führen gegen ein letztinstanzliches Strafurteil, das sich auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG
stützt?"
Die Vereinigung der Abteilungen beschloss in einem Mehrheitsentscheid, die Rechtsfrage zu verneinen. Damit wird die Praxis zum Begriff der geschädigten Person bei Verkehrsunfällen im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
auf der Grundlage der in den E. 3.1 und 3.2 hiervor genannten Grundsätze begründet. Eine Ausdehnung der Geschädigtenstellung auf Personen, die lediglich einen Sachschaden erlitten haben, erscheint nicht angezeigt, da der Gesetzgeber mit der geltenden Regelung an die Begriffsverwendung nach der bisherigen Praxis anknüpfte (vgl. E. 2.2 hiervor) und keine Hinweise bestehen, dass er eine Änderung am Verständnis der unmittelbaren Rechtsverletzung bei SVG-Widerhandlungen beabsichtigt hätte. Hinzu kommt, dass die fahrlässige Sachbeschädigung nach
Art. 144 StGB
nicht strafbar ist (
BGE 116 IV 143
E. 2b S. 145; vgl. E. 4.3 hiernach). Die für eine Abweichung von diesem Grundsatz im Bereich der Strassenverkehrsdelikte nach
Art. 1 StGB
notwendige
ausdrückliche
gesetzliche Grundlage liegt nicht vor. Schliesslich besteht für Schäden, die von Motorfahrzeughaltern verursacht werden, eine umfassende Versicherungspflicht (
Art. 58 ff. SVG
). Diese dient dazu, auch die Sachschäden infolge einer Verkehrsregelverletzung auszugleichen. Es ist davon auszugehen, dass eine zusätzliche Beteiligung des Geschädigten im Sinne von Art. 58 Abs. 1 i.V.m.
Art. 65 SVG
am Strafverfahren wegen der Verkehrsregelverletzung in der Regel nicht notwendig ist, um dessen Zivilansprüche zu erfüllen.
4.2
Auch die (Wieder-)Einführung der Beschwerdemöglichkeit des Geschädigten an das Bundesgericht durch die Revision von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gemäss Anhang Ziff. II 5 des
BGE 138 IV 258 S. 270
Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71) mit Wirkung auf den 1. Januar 2011 (Inkrafttreten der StPO) legt kein weiteres Verständnis des Begriffs der geschädigten Person im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
nahe. Die Neufassung der Legitimationsvorschrift knüpft an den Begriff der Privatklägerschaft gemäss
Art. 118 StPO
an. Privatkläger ist neben der Person, die einen Strafantrag gestellt hat (
Art. 118 Abs. 2 StPO
), die geschädigte Person im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
. Als solche gilt, wer durch die Straftat in eigenen Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Der Gesetzgeber knüpfte auch mit dieser Regelung an die Begriffsverwendung in der bisherigen Praxis an (vgl. E. 2.2 hiervor). In den eidgenössischen Räten gingen die Meinungen über das Prinzip und die Tragweite der Beschwerdemöglichkeit des Privatklägers an das Bundesgericht weit auseinander. Erst in der Differenzbereinigung zum Strafbehördenorganisationsgesetz setzte sich die geltende Fassung im Sinne einer "Zwischenlösung" (Bundesrätin Widmer-Schlumpf) bzw. "Mittellösung" (Nationalrat Vischer) zwischen der in der Strafprozessordnung ursprünglich vorgesehenen umfassenden Beschwerdemöglichkeit einerseits und dem mit Einführung des BGG zur Entlastung des Bundesgerichts beschlossenen Ausschluss der Geschädigtenbeschwerde andererseits durch (vgl. dazu detailliert und mit Hinweisen auf die Materialien MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 47-55 und 24-29 zu
Art. 81 BGG
). Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (in der heutigen Fassung) ergeben sich für die Auslegung des Geschädigtenbegriffs nach
Art. 115 StPO
keine neuen Erkenntnisse.
4.3
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf
Art. 91 SVG
(Fahren in angetrunkenem Zustand) ändert am vorstehend Ausgeführten ebenfalls nichts (vgl. auch MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 [am Ende] zu
Art. 115 StPO
). Nach SCHULTZ (a.a.O., S. 183) handelt es sich dabei ohnehin um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das (bloss) die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs auf der Strasse schützt (vgl. E. 3.1.2 hiervor). Ebenso wenig kann dem Beschwerdeführer der Umstand helfen, dass
Art. 144 StGB
die Beschädigung einer fremden Sache unter Strafe stellt und dass diese Strafnorm klarerweise Individualinteressen (Vermögensinteressen) des Betroffenen schützen will. Denn nach dieser Vorschrift strafbar ist nur die bei Verkehrsunfällen regelmässig nicht gegebene vorsätzliche Sachbeschädigung (
BGE 116 IV 143
E. 2b S. 145; BERNARD CORBOZ, Les
BGE 138 IV 258 S. 271
infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, N. 23 zu
Art. 144 StGB
; PHILIPPE WEISSENBERGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 27 zu
Art. 144 StGB
; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
). Eine solche steht vorliegend nicht infrage. Damit ist zugleich gesagt, dass die Beschwerdebefugnis gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG (Beschwerdeberechtigung des Strafantragsberechtigten) als Legitimationsnorm ausscheidet. | mixed |
570e08a3-dd23-4ffb-b181-5c906dc6e481 | Sachverhalt
ab Seite 82
BGE 133 III 81 S. 82
A.
En mars 2000, X. a acheté une cafetière à filtre de marque V., modèle U., dans un magasin genevois.
En 1999, Y. AG avait importé en Suisse environ 15'000 cafetières du même modèle auprès de B. Ltd, à Hong-Kong. Le mode d'emploi joint à l'appareil contenait les "consignes de sécurité et avis importants" suivants:
"Evitez de faire tomber l'appareil ou de l'exposer à des chocs violents. Ne posez jamais la carafe sur une surface froide ou mouillée lorsqu'elle est encore chaude, car le verre risquerait de se briser. Lorsque la poignée commence à se détacher de la carafe - ou si le verre est endommagé - remplacez la carafe immédiatement par un modèle équivalent."
Avant son exportation, le modèle U. avait subi avec succès des contrôles de qualité.
Le 8 juin 2001, X. a invité à dîner E. ainsi que les époux D. A la fin du repas, elle s'est rendue à la cuisine pour préparer du café au moyen de la cafetière précitée; les invités sont restés dans la salle à manger. Selon ses explications, elle a posé la carafe en verre contenant le café tiré sur le plan de travail en stratifié et y a placé le couvercle; le pot a alors explosé et elle a été sérieusement blessée à la main gauche. Conduite immédiatement à l'Hôpital cantonal de Genève, X. a subi une intervention chirurgicale. De retour chez elle le lendemain, elle a constaté que les invités avaient nettoyé la cuisine et jeté les débris de verre à la poubelle.
Le compte-rendu opératoire fait état d'une plaie par verre de la paume de la main gauche avec section sub-totale du muscle fléchisseur profond et section du nerf collatéral radial de l'annulaire entraînant des troubles de la sensibilité au niveau de ce doigt. Par la suite, la patiente, qui est gauchère, a consulté plusieurs médecins pour tenter de remédier aux douleurs et handicaps ressentis lors de l'usage de sa main gauche.
B.
Le 17 novembre 2003, X. a assigné Y. AG, producteur de la cafetière, en paiement de 720'948 fr. 70, plus intérêts, soit 66'634 fr. 15 à titre d'indemnisation du dommage concret, 7'876 fr. 80 en réparation du tort moral et 646'437 fr. 75 à titre de compensation du dommage futur capitalisé. L'action était fondée sur la loi fédérale du 18 juin 1993 sur la responsabilité du fait des produits (LRFP; RS 221.112.944).
BGE 133 III 81 S. 83
Par jugement du 13 octobre 2005, le Tribunal de première instance du canton de Genève a débouté la demanderesse de ses conclusions.
Statuant le 23 juin 2006 sur appel de X., la Chambre civile de la Cour de justice a confirmé le jugement de première instance.
C.
X. a interjeté un recours en réforme contre l'arrêt cantonal.
Le Tribunal fédéral a admis le recours, annulé la décision entreprise et renvoyé la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision. Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
A l'instar de la directive européenne 85/374/CE du 25 juillet 1985, qui l'a très largement inspirée, la LRFP institue une responsabilité sans faute, fondée sur le seul défaut du produit (FRANZ WERRO, La responsabilité civile, n. 705/706, p. 184/185; GILLES PETITPIERRE, Genèse d'une nouvelle réglementation, in Responsabilités objectives, Journée de la responsabilité civile 2002, p. 23/24). Le défaut joue donc un rôle capital dans la responsabilité du fait des produits (HANSJÖRG SEILER, in Münch/Geiser [éd.], Schaden - Haftung - Versicherung, n. 19.23, p. 948; CATHERINE WENIGER, La responsabilité du fait des produits pour les dommages causés à un tiers au sein de la Communauté Européenne, thèse Lausanne 1994, p. 122; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, Grundriss der Produktehaftpflicht, n. 172, p. 72).
3.1
Aux termes de l'
art. 4 al. 1 LRFP
, un produit est défectueux lorsqu'il n'offre pas la sécurité à laquelle on peut légitimement s'attendre compte tenu de toutes les circonstances, et notamment de sa présentation (let. a), de l'usage qui peut en être raisonnablement attendu (let. b) et du moment de sa mise en circulation (let. c). Cette définition a été reprise, quasiment mot pour mot, de l'art. 6 al. 1 de la directive 85/374/CE. Comme les considérants introductifs à cette directive le précisent, la responsabilité du fait des produits tend à protéger le "consommateur contre les dommages causés à sa santé et à ses biens par un produit défectueux" (considérant 1). Par conséquent, le défaut se détermine "en fonction non pas de l'inaptitude du produit à l'usage, mais du défaut de sécurité à laquelle le grand public peut légitimement s'attendre", avec la précision que "cette sécurité s'apprécie en excluant tout usage abusif du produit, déraisonnable dans les circonstances" (considérant 6); il s'agit en effet également d'instaurer "une juste répartition des risques entre la victime et le producteur" (considérant 7). Vu l'analogie évidente entre la directive
BGE 133 III 81 S. 84
européenne et la loi suisse, ces considérations sont également valables pour déterminer le but visé par la LRFP.
L'absence de la sécurité à laquelle on peut légitimement s'attendre est une notion juridique indéterminée. Il appartient au juge de fixer dans chaque cas particulier le degré de sécurité qu'un produit doit offrir, en fonction de toutes les circonstances (FELLMANN, Basler Kommentar, 3
e
éd., n. 2 ad
art. 4 LRFP
; REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3
e
éd., n. 1190, p. 266/267; ANDREAS E. BORSARI, Schadensabwälzung nach dem schweizerischen Produktehaftpflichtgesetz, thèse Zurich 1998, p. 110; HANS-JOACHIM HESS, Kommentar zum Produktehaftpflichtgesetz, 2
e
éd., n. 4 ad
art. 4 LRFP
, p. 240; LUKAS WYSS, Der Fehlerbegriff im schweizerischen Produktehaftpflichtgesetz, in recht 14/1996 p. 119; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 185, p. 76). Le pronom "on" figurant à l'
art. 4 al. 1 LRFP
renvoie aux expectatives de sécurité du consommateur moyen, et non à celles du lésé ou d'un groupe déterminé d'usagers particulièrement qualifiés ou, à l'inverse, inexpérimentés. La sécurité attendue dans un cas donné s'apprécie ainsi de manière objective (ERDEM BÜYÜKSAGIS, La notion de défaut dans la responsabilité du fait des produits, thèse Fribourg 2005, p. 248-250; WERRO, op. cit., n. 749, p. 194; REY, op. cit., n. 1190, p. 266; HESS, op. cit., n. 7 ss ad
art. 4 LRFP
, p. 241 ss; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 182/183, p. 75).
Pour le surplus, le juge doit tenir compte de "toutes les circonstances". L'
art. 4 al. 1 LRFP
en mentionne expressément trois, qui revêtent une importance particulière (REY, op. cit., n. 1190, p. 267; BORSARI, op. cit., p. 119; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 207, p. 82).
La présentation du produit (let. a) comprend notamment les instructions fournies par le producteur. A cet égard, l'attention du consommateur doit être clairement attirée sur les dangers prévisibles liés à l'utilisation du produit, ainsi que sur la manière de prévenir tout dommage (REY, op. cit., n. 1192, p. 267; BORSARI, op. cit., p. 127; HESS, op. cit., n. 66-68, p. 265/266; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 240-245, p. 91/92). Ce devoir d'information ne constitue toutefois pas une alternative à l'obligation du producteur de concevoir et de fabriquer des produits sûrs (FELLMANN, op. cit., n. 15 ad
art. 4 LRFP
; BORSARI, op. cit., p. 132; WYSS, op. cit., p. 114; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 247, p. 93; cf. également
BGE 133 III 81 S. 85
WERRO, op. cit., n. 762, p. 197). Ainsi, pour les produits d'usage courant dont le public attend une sécurité de base déterminée, le producteur ne pourra par avance se libérer de sa responsabilité en apposant sur le produit un avertissement sur un danger précis (cf.
art. 8 LRFP
; FELLMANN, op. cit., n. 15 ad
art. 4 LRFP
; BORSARI, op. cit., p. 132); que l'on songe par exemple au risque d'explosion d'une bouteille en verre contenant de l'eau minérale gazeuse (FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 248, p. 93/94).
Un autre critère à appliquer par le juge est celui de l'usage qui peut être raisonnablement attendu du produit (
art. 4 al. 1 let. b LRFP
). Cette notion recouvre non seulement l'utilisation conforme au but du produit, mais également un autre usage ("
Fehlgebrauch
"), avec lequel le producteur doit raisonnablement compter (par exemple, l'emploi d'une chaise comme un escabeau). En revanche, la responsabilité du fait des produits n'entre pas en ligne de compte en cas d'usage abusif (
Missbrauch
; par exemple, le séchage d'un chien dans un four à micro-ondes) (REY, op. cit., n. 1194 et n. 1195, p. 267/268; BORSARI, op. cit., p. 139 ss; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 257 à 264, p. 96-98).
La troisième circonstance citée à l'
art. 4 al. 1 LRFP
est le moment de la mise en circulation du produit (let. c). Si un produit défectueux a causé un dommage, la loi présume toutefois que le défaut existait déjà lors de la mise en circulation (cf.
art. 5 al. 1 let. b LRFP
; REY, op. cit., n. 1211, p. 272).
Parmi les critères non mentionnés expressément à l'
art. 4 al. 1 LRFP
, les normes techniques et les prescriptions de sécurité pourront également jouer un rôle dans l'appréciation du défaut; en effet, le consommateur moyen peut s'attendre à ce que le producteur applique ces normes et assure ainsi au produit concerné une sécurité de base (FELLMANN, op. cit., n. 27 ad
art. 4 LRFP
; REY, op. cit., n. 1199, p. 268).
3.2
La doctrine distingue généralement les défauts selon leur origine (cf. également arrêt 4C.307/2005 du 25 janvier 2006, consid. 3). Il y a défaut de fabrication (
Fabrikationsfehler
) lorsqu'une erreur intervient dans le processus de fabrication d'un produit en soi bien conçu (WERRO, op. cit., n. 755, p. 196; SEILER, op. cit., n. 19.6, p. 940; HESS, op. cit., n. 37, p. 253). Tel est le cas de la micro-fissure dans le verre d'une bouteille d'eau minérale gazeuse, même si cette conséquence est statistiquement inévitable sur un certain nombre d'unités ("
Ausreisser
"; BGH allemand, jugement du 9 mai 1995, in NJW 1995
BGE 133 III 81 S. 86
p. 2162; BÜYÜKSAGIS, op. cit., p. 285/286). Un autre exemple de défaut de fabrication est celui de la rupture d'un anneau de suspension inséré dans l'armature d'une dalle en béton préfabriquée, alors qu'une grande quantité de dalles identiques avait déjà été fabriquée et que les anneaux de suspension n'avaient jamais posé problème (cf.
ATF 110 II 456
).
Le défaut de conception (
Konstruktionsfehler
) réside dans la façon dont le produit a été pensé (WERRO, op. cit., n. 757, p. 196); tel qu'il a été conçu, le produit comporte une propriété qui le rend dangereux en cas d'utilisation conforme à son but ou en cas d'un autre usage auquel le producteur devait raisonnablement s'attendre (SEILER, op. cit., n. 19.26, p. 949; HESS, op. cit., n. 22, p. 248). Un exemple de défaut de conception ressort de l'arrêt C.564/1984 du 14 mai 1985: une chaise de dentiste avait cédé sous le poids d'un patient parce que les rivets utilisés pour fixer les parties mobiles de la chaise étaient composés d'un métal n'offrant pas une résistance mécanique suffisante à l'usure.
Le défaut de présentation (
Instruktionsfehler
) affecte le produit qui n'est pas assorti d'une information appropriée sur les risques qu'il fait courir au consommateur (WERRO, op. cit., n. 759, p. 197; PLÜSS/ JETZER, Die Produktehaftpflicht, n. 120, p. 46/47).
La LRFP n'opère aucune distinction selon la cause du défaut. C'est dire que les différentes catégories de défaut susmentionnées n'ont pas de valeur normative (REY, op. cit., n. 1202, p. 269; FELLMANN, op. cit., n. 4 ad
art. 4 LRFP
; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 202, p. 81; d'un autre avis: HESS, op. cit., n. 21, p. 247). Elles n'en sont pas pour autant inutiles, car elles peuvent permettre au juge de mieux appréhender l'état de fait qui lui est soumis (PLÜSS/JETZER, op. cit., n. 115, p. 45).
3.3
Contrairement à la directive 85/374/CE (cf. art. 4), la LRFP ne contient pas une disposition qui met la preuve du défaut à la charge de la victime. En droit suisse de la responsabilité du fait des produits, cette répartition du fardeau de la preuve résulte toutefois du principe général posé à l'
art. 8 CC
(PIERRE WESSNER, Quelques propos erratiques sur des questions liées à la responsabilité du fait des produits défectueux, in Responsabilités objectives, Journée de la responsabilité civile 2002, p. 68; FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 176, p. 73). En soi, le dommage ne prouve pas le défaut du produit (WYSS, op. cit., p. 111). Il n'en demeure pas moins que s'il
BGE 133 III 81 S. 87
établit que le produit a joué un rôle dans la survenance du dommage, le lésé aura apporté un indice significatif de l'existence d'un défaut, en vertu de l'adage "res ipsa loquitur" (WESSNER, op. cit., p. 68 in fine; cf. également FELLMANN/VON BÜREN-VON MOOS, op. cit., n. 178, p. 73/74). Ainsi, une bouteille d'eau minérale gazeuse qui explose ou une voiture dont les freins lâchent sont certainement des produits défectueux (HESS, op. cit., n. 24, p. 249). Appliquant la loi nationale adoptée à la suite de la directive 85/374/CE, un tribunal français a également admis qu'une vitre de cheminée qui explose est affectée d'un défaut, indépendamment du tirage ou de la ventilation de la pièce (jugement rapporté in Recueil Le Dalloz 2001 n° 38 p. 3092).
4.
4.1
En l'espèce, contrairement à ce que la cour cantonale affirme, la demanderesse n'avait pas à prouver au moyen d'une expertise que la carafe en verre de la cafetière était entachée d'un défaut de fabrication ou d'un défaut de conception. Certes, l'analyse des débris de verre aurait peut-être permis de constater l'existence de micro-fissures constitutives d'un défaut de fabrication; de même, l'expertise d'une cafetière identique, portant sur la qualité du verre utilisé, aurait pu, le cas échéant, prouver un défaut de conception. Et si la demanderesse avait démontré ainsi un défaut de fabrication ou un défaut de conception, la défectuosité du produit au sens de l'
art. 4 LRFP
aurait certainement été admise. Mais cela ne signifie pas pour autant que l'absence de la sécurité attendue légitimement par le consommateur ne puisse être établie que par ce biais-là. Comme déjà relevé, les notions de "défaut de fabrication" et de "défaut de conception" n'ont pas de portée normative. Le lésé n'a pas à prouver la cause du défaut, mais uniquement que le produit ne présentait pas le degré de sécurité pouvant être légitimement attendu du consommateur moyen, compte tenu des circonstances. Il s'ensuit qu'en l'espèce, la cour cantonale est partie d'une notion du défaut qui n'est pas conforme à l'
art. 4 LRFP
.
4.2
Il convient à présent d'examiner si, sur la base des faits exposés dans l'arrêt attaqué, la demanderesse a démontré que la cafetière litigieuse présentait un défaut au sens de l'
art. 4 LRFP
, c'est-à-dire qu'elle ne remplissait pas les expectatives de sécurité légitimes du consommateur moyen, compte tenu notamment de sa présentation et de l'usage qui pouvait en être raisonnablement attendu.
BGE 133 III 81 S. 88
4.2.1
Au moment de l'accident, la demanderesse utilisait la cafetière depuis un peu plus d'une année. Il s'agissait donc d'un appareil récent. Le modèle avait subi avec succès des tests de qualité, ce qui ne permet toutefois pas d'exclure d'emblée tout défaut au sens de l'
art. 4 LRFP
. Lors de l'explosion du récipient en verre, la demanderesse préparait du café. Par conséquent, elle utilisait l'appareil conformément à sa destination. Contrairement aux cas précités de la bouteille d'eau minérale gazeuse ou de la vitre pare-feu, l'explosion est intervenue alors que la demanderesse manipulait le produit. La question se pose dès lors de savoir si la victime a fait un usage approprié de la cafetière, en particulier si elle a respecté les instructions de sécurité du fabricant, pour autant que celles-ci n'apparaissent pas comme des restrictions inadmissibles de la responsabilité du producteur.
L'arrêt attaqué ne contient pas de constatations sur le déroulement même de l'accident. En effet, la cour cantonale a considéré que les causes de l'explosion ne pouvaient être déterminées avec certitude. Pour sa part, la demanderesse, qui était seule à la cuisine à ce moment-là, a déclaré avoir posé la carafe remplie de café chaud sur le plan de travail en stratifié imitation marbre, puis avoir placé le couvercle; c'est alors que le récipient a explosé.
4.2.2
Il appartenait à la demanderesse de prouver le défaut, ce qui impliquait notamment en l'espèce de démontrer les circonstances de l'accident.
En principe, un fait est tenu pour établi lorsque le juge a pu se convaincre de la vérité d'une allégation. La loi, la doctrine et la jurisprudence ont apporté des exceptions à cette règle d'appréciation des preuves. L'allégement de la preuve est alors justifié par un "état de nécessité en matière de preuve" (
Beweisnot
), qui se rencontre lorsque, par la nature même de l'affaire, une preuve stricte n'est pas possible ou ne peut être raisonnablement exigée, en particulier si les faits allégués par la partie qui supporte le fardeau de la preuve ne peuvent être établis qu'indirectement et par des indices (
ATF 132 III 715
consid. 3.1 p. 720;
ATF 130 III 321
consid. 3.2 p. 324 et les références). Tel peut être le cas de la survenance d'un sinistre en matière d'assurance-vol (
ATF 130 III 321
consid. 3.2 p. 325 et les arrêts cités) ou de l'existence d'un lien de causalité naturelle, respectivement hypothétique (
ATF 132 III 715
consid. 3.2 p. 720 et les arrêts cités). Le degré de preuve requis se limite alors à la vraisemblance prépondérante (
die überwiegende Wahrscheinlichkeit
), qui est soumise à des
BGE 133 III 81 S. 89
exigences plus élevées que la simple vraisemblance (
die Glaubhaftmachung
). La vraisemblance prépondérante suppose que, d'un point de vue objectif, des motifs importants plaident pour l'exactitude d'une allégation, sans que d'autres possibilités ne revêtent une importance significative ou n'entrent raisonnablement en considération (
ATF 132 III 715
consid. 3.1 p. 720;
ATF 130 III 321
consid. 3.3 p. 325).
En vertu de l'
art. 8 CC
, la partie qui n'a pas la charge de la preuve a le droit d'apporter une contre-preuve. Elle cherchera ainsi à démontrer des circonstances propres à faire naître chez le juge des doutes sérieux sur l'exactitude des allégations formant l'objet de la preuve principale. Pour que la contre-preuve aboutisse, il suffit que la preuve principale soit ébranlée, de sorte que les allégations principales n'apparaissent plus comme les plus vraisemblables (
ATF 130 III 321
consid. 3.4 p. 326).
4.2.3
Lorsqu'un accident survient en rapport avec l'usage d'un produit, le consommateur ne disposera souvent au mieux que de ses propres déclarations pour reconstituer le déroulement des faits. Dans ces circonstances, il n'est raisonnablement pas possible d'exiger du lésé une preuve stricte de l'enchaînement ayant conduit à la survenance du dommage. En principe, le juge appréciera donc les faits allégués par la victime sous l'angle de la vraisemblance prépondérante.
Cela signifie en l'espèce que la cour cantonale a méconnu le droit fédéral en imposant à la demanderesse d'établir les faits avec certitude. Par conséquent, il y a lieu d'admettre le recours, d'annuler l'arrêt attaqué et de renvoyer l'affaire à la Cour de justice afin qu'elle procède à une nouvelle appréciation des preuves sous l'angle de la vraisemblance prépondérante. Pour ce faire, elle disposera des déclarations de la demanderesse sur la survenance du dommage, ainsi que des témoignages - en partie indirects - des époux D. et de E. Pour sa part, la défenderesse pourra exercer son droit à la contre-preuve et chercher ainsi à démontrer que la version des faits présentée par la victime n'apparaît pas comme la plus vraisemblable. | mixed |
19fcc26a-ac69-4755-b553-e0d676a946ca | 291 1 Legge federale sul diritto internazionale privato (LDIP) del 18 dicembre 1987 (Stato 1° luglio 2022) L’Assemblea federale della Confederazione Svizzera, data la competenza della Confederazione in materia di politica estera1, visto l’articolo 64 della Costituzione federale2 (Cost.), visto il messaggio del Consiglio federale del 10 novembre 19823,4 decreta: Capitolo 1: Disposizioni comuni Sezione 1: Campo di applicazione Art. 1 1 La presente legge disciplina nell’ambito internazionale: a. la competenza dei tribunali e delle autorità svizzeri; b. il diritto applicabile; c. i presupposti del riconoscimento e dell’esecuzione di decisioni straniere; d. il fallimento e il concordato; e. l’arbitrato. 2 Sono fatti salvi i trattati internazionali. Sezione 2: Competenza Art. 2 Se la presente legge non prevede un foro speciale, sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del domicilio del convenuto. RU 1988 1776; FF 1983 I 239 1 Questa definizione di competenza trova riscontro nell’art. 54 cpv. 1 della Cost. del 18 apr. 1999 (RS 101). 2 [CS 1 3]. Questa disp. corrisponde all’art. 122 della Cost. del 18 apr. 1999 (RS 101). 3 FF 1983 I 239 4 Nuovo testo giusta l’all. n. 1 della LF dell’8 ott. 1999 sui lavoratori distaccati in Svizzera, in vigore dal 1° giu. 2004 (RU 2003 1370; FF 1999 5092). 291 I. In genere Diritto internazionale privato 2 291 Art. 3 Se la presente legge non prevede alcun foro in Svizzera e un procedi- mento all’estero non è possibile o non può essere ragionevolmente preteso, sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del luogo con cui la fattispecie denota sufficiente connessione. Art. 4 Se la presente legge non prevede altro foro in Svizzera, l’azione di convalida del sequestro può essere promossa nel luogo svizzero del sequestro. Art. 5 1 Le parti possono pattuire il foro per una controversia esistente o futura in materia di pretese patrimoniali derivanti da un determinato rapporto giuridico. Il patto può essere stipulato per scritto, per tele- gramma, telex, facsimile o altro mezzo di trasmissione che ne consenta la prova per testo. Salvo diversa stipulazione, il foro prorogato è esclu- sivo. 2 La proroga di foro è inefficace se una parte si trova abusivamente privata di un foro previsto dal diritto svizzero. 3 Il tribunale pattuito non può declinare la propria competenza se: a. una parte ha il domicilio, la dimora abituale o una stabile orga- nizzazione nel Cantone del tribunale pattuito o b. giusta la presente legge, all’oggetto litigioso dev’essere appli- cato il diritto svizzero. Art. 6 Nelle controversie patrimoniali, l’incondizionata costituzione in giu- dizio del convenuto comporta competenza del tribunale svizzero adito, sempreché quest’ultimo non possa declinare la propria competenza giusta l’articolo 5 capoverso 3. Art. 7 Se le parti hanno pattuito di sottoporre ad arbitrato una controversia compromettibile, il tribunale svizzero adito declina la propria compe- tenza, eccetto che: a. il convenuto si sia incondizionatamente costituito in giudizio; b. il tribunale accerti la caducità, l’inefficacia o l’inadempibilità del patto d’arbitrato, ovvero II. Foro di necessità III. Convalida del sequestro IV. Proroga di foro V. Costituzione in giudizio del convenuto VI. Patto d’arbitrato Diritto internazionale privato. LF 3 291 c. il tribunale arbitrale non possa essere costituito per motivi ma- nifestamente imputabili al convenuto nel procedimento arbi- trale. Art. 8 Il tribunale presso cui è pendente la domanda principale giudica anche sulla domanda riconvenzionale se le due sono materialmente connesse. Art. 8a5 1 Se l’azione è diretta contro più litisconsorti che possono essere con- venuti in giudizio in Svizzera in virtù della presente legge, il tribunale svizzero competente per un convenuto lo è anche per gli altri. 2 Se contro un convenuto sono fatte valere più pretese materialmente connesse che possono essere dedotte in giudizio in Svizzera in virtù della presente legge, il tribunale svizzero competente per una di esse lo è anche per le altre. Art. 8b6 Per l’azione di chiamata in causa è competente il tribunale svizzero del processo principale, sempreché nei confronti del terzo chiamato in causa sussista un foro in Svizzera in virtù della presente legge. Art. 8c7 Se pretese di diritto civile possono essere fatte valere in via adesiva in un procedimento penale, il tribunale svizzero investito del procedi- mento penale è competente anche per l’azione civile, sempreché per tale azione sussista un foro in Svizzera in virtù della presente legge. Art. 9 1 Se un’azione concernente lo stesso oggetto è già pendente all’estero tra le stesse parti, il tribunale svizzero sospende il procedimento lad- dove sia presumibile che il tribunale estero prenda, entro congruo ter- mine, una decisione riconoscibile in Svizzera. 5 Introdotto dall’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 6 Introdotto dall’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 7 Introdotto dall’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 8 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). VII. Domanda riconvenzionale VIII. Litiscon- sorzio e cumulo di azioni IX. Azione di chiamata in causa X. Azione in via adesiva nel processo penale XI. Liti- spendenza8 Diritto internazionale privato 4 291 2 Determinante per la litispendenza in Svizzera è il momento del primo atto procedurale necessario all’introduzione dell’azione. A tal fine, basta l’apertura della procedura di conciliazione. 3 Il tribunale svizzero stralcia la causa dal ruolo appena gli sia presen- tata una decisione straniera riconoscibile in Svizzera. Art. 109 Sono competenti a prendere provvedimenti cautelari: a. i tribunali e le autorità svizzeri competenti nel merito; oppure b. i tribunali e le autorità svizzeri del luogo in cui dev’essere ese- guito il provvedimento. Art. 1111 L’assistenza giudiziaria da e verso la Svizzera avviene per il tramite dell’Ufficio federale di giustizia. Art. 11a13 1 Gli atti d’assistenza giudiziaria che devono essere compiuti in Sviz- zera sono eseguiti giusta il diritto svizzero. 2 Ad istanza dell’autorità richiedente, si possono applicare o considera- re anche forme procedurali estere in quanto necessario per l’attuazione di una pretesa giuridica all’estero e sempreché non vi ostino motivi gravi inerenti all’interessato. 3 I tribunali e le autorità svizzeri possono stilare documenti secondo le forme del diritto straniero o ricevere la dichiarazione giurata di un richiedente qualora una forma prevista dal diritto svizzero non sia riconosciuta all’estero e quivi non si possa pertanto attuare una pretesa degna di protezione. 4 Alle rogatorie di notifica o di assunzioni di prove in Svizzera e dalla Svizzera è applicabile la Convenzione dell’Aia del 1° marzo 195414 relativa alla procedura civile. 9 Nuovo testo giusta l’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 10 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 11 Nuovo testo giusta l’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 12 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 13 Introdotto dall’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 14 RS 0.274.12 XII. Provvedi- menti cautelari10 XIII. Assistenza giudiziaria 1. Mediazione per l’assistenza giudiziaria12 2. Diritto applicabile Diritto internazionale privato. LF 5 291 Art. 11b15 L’anticipazione delle spese e la cauzione per le spese ripetibili sono regolate dal Codice di procedura civile del 19 dicembre 200816 (CPC). Art. 11c17 Alle persone con domicilio all’estero è concesso il gratuito patrocinio alle stesse condizioni delle persone domiciliate in Svizzera. Art. 1218 Sezione 3: Diritto applicabile Art. 13 Laddove la presente legge richiami un diritto straniero, il rinvio si riferisce a tutte le disposizioni che, giusta tale diritto, si applicano alla fattispecie. Il carattere di diritto pubblico attribuito a una disposizione del diritto straniero non ne inficia l’applicabilità. Art. 14 1 Se il diritto applicabile richiama a sua volta il diritto svizzero o un altro diritto straniero, il rinvio dev’essere osservato qualora la presente legge lo preveda. 2 In questioni di statuto personale o familiare, il rinvio di ritorno al diritto svizzero dev’essere osservato. Art. 15 1 Il diritto richiamato dalla presente legge è, per eccezione, inapplica- bile qualora dall’insieme delle circostanze risulti manifesto che la fatti- specie gli è esiguamente connessa, ma più strettamente connessa con un altro. 2 La presente disposizione non si applica nel caso in cui il diritto applicabile sia stato scelto dalle parti. 15 Introdotto dall’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 16 RS 272 17 Introdotto dall’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 18 Abrogato dall’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008, con effetto dal 1° gen. 2011 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). 3. Anticipazione delle spese e cauzione per le spese ripetibili 4. Gratuito patrocinio I. Estensione del rinvio II. Rinvio di ritorno e rinvio altrove III. Clausola d’eccezione Diritto internazionale privato 6 291 Art. 16 1 Il contenuto del diritto straniero applicabile è accertato d’ufficio. A tal fine può essere chiesta la collaborazione delle parti. In caso di pre- tese patrimoniali, la prova può essere accollata alle parti. 2 Se il contenuto del diritto straniero applicabile non può essere accer- tato, si applica il diritto svizzero. Art. 17 L’applicazione di disposizioni del diritto straniero è esclusa se dovesse condurre a un esito incompatibile con l’ordine pubblico svizzero. Art. 18 Sono fatte salve le disposizioni del diritto svizzero che, dato il loro scopo particolare, devono essere imperativamente applicate indipen- dentemente dal diritto richiamato dalla presente legge. Art. 19 1 Può essere tenuto conto di una norma di applicazione necessaria di un diritto diverso da quello richiamato dalla presente legge qualora, secondo la concezione giuridica svizzera, interessi degni di protezione e manifestamente preponderanti di una parte lo richiedano e la fatti- specie sia strettamente connessa con tale diritto. 2 Per stabilire se si debba tener conto di tale norma, se ne esaminerà lo scopo e le conseguenze per una decisione equanime secondo la con- cezione giuridica svizzera. Sezione 4: Domicilio, sede e cittadinanza Art. 20 1 Giusta la presente legge, la persona fisica ha: a. il domicilio nello Stato dove dimora con l’intenzione di stabili- rvisi durevolmente; b. la dimora abituale nello Stato dove vive per una certa durata, anche se tale durata è limitata a priori; c. la stabile organizzazione nello Stato dove si trova il centro del- la sua attività economica. 2 Nessuno può avere contemporaneamente il suo domicilio in più luo- ghi. In mancanza di domicilio, fa stato la dimora abituale. Le disposi- IV. Accerta- mento del diritto straniero V. Clausola di riserva VI. Norme svizzere d’applicazione necessaria VII. Considera- zione di norme straniere d’applicazione necessaria I. Domicilio, dimora abituale e stabile organiz- zazione delle persone fisiche Diritto internazionale privato. LF 7 291 zioni del Codice civile svizzero19 concernenti il domicilio e la dimora non sono applicabili. Art. 2120 1 Per le società e per i trust ai sensi dell’articolo 149a la sede vale domicilio. 2 È considerato sede di una società il luogo designato nello statuto o nel contratto di società. Se manca una tale designazione, è considerato sede il luogo in cui la società è amministrata effettivamente. 3 È considerato sede di un trust il luogo della sua amministrazione designato nelle disposizioni del trust in forma scritta o altra forma che ne consenta la prova per testo. Se manca una tale designazione, è considerato sede il luogo in cui il trust è amministrato effettivamente. 4 La stabile organizzazione di una società o di un trust si trova nello Stato dove la società o il trust ha la sede o in uno degli Stati dove vi è una sua succursale. Art. 22 La cittadinanza di una persona rispetto a uno Stato è determinata secondo il diritto del medesimo. Art. 23 1 Se una persona, oltre alla cittadinanza svizzera, ha una o più cittadi- nanze straniere, solo la cittadinanza svizzera è determinante per stabi- lire la competenza del foro di origine. 2 Salvo diversa disposizione della presente legge, il diritto applicabile al pluricittadino è determinato in base allo Stato di origine con cui esso è più strettamente legato. 3 Se la cittadinanza di una persona è il presupposto per il riconosci- mento di una decisione straniera in Svizzera, per il pluricittadino è sufficiente tener conto di una delle sue cittadinanze. Art. 24 1 Una persona è considerata apolide se tale qualità le spetta in virtù della convenzione di Nuova York del 28 settembre 195421 sullo statuto degli apolidi o le cui relazioni con lo Stato di origine sono a tal punto allentate da poter essere equiparate all’apolidia. 19 RS 210 20 Nuovo testo giusta l’art. 2 del DF del 20 dic. 2006 che approva e traspone nel diritto svizzero la Conv. dell’Aia relativa alla L applicabile ai trust ed al loro riconoscimento, in vigore dal 1° lug. 2007 (RU 2007 2849; FF 2006 517). 21 RS 0.142.40 II. Sede e stabile organizzazione delle società e dei trust III. Cittadinanza IV. Pluricittadi- nanza V. Apolidi e rifugiati Diritto internazionale privato 8 291 2 Una persona è considerata rifugiato se tale qualità le spetta in virtù della legge federale sull’asilo del 5 ottobre 197922. 3 Laddove la presente legge parla di cittadinanza, per gli apolidi e i rifugiati fa stato il domicilio. Sezione 5: Riconoscimento e esecuzione di decisioni straniere Art. 25 Una decisione straniera è riconosciuta in Svizzera se: a. vi era competenza dei tribunali o delle autorità dello Stato in cui fu pronunciata; b. non può più essere impugnata con un rimedio giuridico ordina- rio o è definitiva e c. non sussiste alcun motivo di rifiuto giusta l’articolo 27. Art. 26 È data la competenza dell’autorità estera se: a. una disposizione della presente legge la prevede o, in man- canza di una tale disposizione, il convenuto era domiciliato nello Stato del giudizio; b. in caso di controversie patrimoniali, le parti, con pattuizione valida secondo la presente legge, si sono sottoposte alla com- petenza dell’autorità che ha pronunciato la decisione; c. in caso di controversie patrimoniali, il convenuto si è costituito incondizionatamente in giudizio; d. in caso di domanda riconvenzionale, l’autorità che ha pronun- ciato la decisione era competente a giudicare la domanda prin- cipale e le due domande sono materialmente connesse. Art. 27 1 Non è riconosciuta in Svizzera la decisione straniera il cui ricono- scimento sia manifestamente incompatibile con l’ordine pubblico sviz- zero. 2 La decisione straniera non è inoltre riconosciuta qualora una parte provi che: 22 [RU 1980 1718, 1986 2062, 1987 1674, 1990 938 1587 art. 3 cpv. 1, 1994 1634 n. I 8.1 2876, 1995 146 n. II 1 4356, 1997 2372 2394, 1998 1582. RU 1999 2262 art. 120 lett. a]. Vedi ora la L del 26 giu. 1998 (RS 142.31). I. Riconosci- mento 1. Principio 2. Competenza dell’autorità estera 3. Motivi di rifiuto Diritto internazionale privato. LF 9 291 a. non è stata citata regolarmente, né secondo il diritto del suo domicilio né secondo il diritto della sua dimora abituale, eccet- to che si sia incondizionatamente costituita in giudizio; b. la decisione è stata presa in violazione di principi fondamentali del diritto procedurale svizzero, segnatamente in dispregio del proprio diritto d’essere sentita; c. una causa tra le stesse parti e sullo stesso oggetto è già stata introdotta o decisa in Svizzera, ovvero precedentemente decisa in uno Stato terzo, sempreché per tale decisione siano adempiti i presupposti del riconoscimento. 3 Per altro, la decisione straniera non può essere riesaminata nel meri- to. Art. 28 La decisione riconosciuta secondo gli articoli 25 a 27 è dichiarata ese- cutiva ad istanza della parte interessata. Art. 29 1 L’istanza di riconoscimento o di esecuzione dev’essere proposta all’autorità competente del Cantone in cui è fatta valere la decisione straniera. All’istanza vanno allegati: a. un esemplare completo e autenticato della decisione; b. un documento attestante che la decisione non può più essere impugnata con un rimedio giuridico ordinario od è definitiva e, c. in caso di sentenza contumaciale, un documento dal quale ri- sulti che la parte contumace è stata citata regolarmente ed in tempo congruo per presentare le proprie difese. 2 La parte che si oppone all’istanza di riconoscimento o di esecuzione dev’essere sentita; essa può produrre le proprie prove. 3 Se una decisione è fatta valere in via pregiudiziale, l’autorità adita può procedere essa stessa al giudizio di delibazione. Art. 30 Gli articoli 25 a 29 si applicano anche alla transazione giudiziale che, nello Stato in cui fu stipulata, sia equiparata a una decisione giudizia- ria. Art. 31 Gli articoli 25 a 29 si applicano per analogia al riconoscimento e all’esecuzione di decisioni o documenti della giurisdizione volontaria. II. Esecuzione III. Procedura IV. Transazione giudiziale V. Giurisdizione volontaria Diritto internazionale privato 10 291 Art. 32 1 La decisione o il documento stranieri concernenti lo stato civile sono iscritti nei registri dello stato civile se così dispone l’autorità cantonale di vigilanza. 2 L’iscrizione è autorizzata se sono adempiute le condizioni di cui agli articoli 25 a 27. 3 Se non è certo che nello Stato estero del giudizio siano stati suffi- cientemente rispettati i diritti procedurali delle parti, gli interessati devono essere sentiti prima dell’iscrizione. Capitolo 2: Persone fisiche Art. 33 1 Salvo diversa disposizione della presente legge, in materia di rapporti di diritto delle persone sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del domicilio; essi applicano il diritto del domicilio. 2 In caso di pretese derivanti da lesioni arrecate alla personalità, si applicano le disposizioni della presente legge in materia di atti illeciti (art. 129 segg.). Art. 34 1 La capacità giuridica è regolata dal diritto svizzero. 2 Inizio e fine della personalità sono regolati dal diritto cui sottostà il rapporto giuridico che presuppone la capacità giuridica. Art. 35 La capacità di agire è regolata dal diritto del domicilio. Il cambiamento di domicilio non tange, acquisita che sia, la capacità di agire. Art. 36 1 Chi abbia compiuto un negozio giuridico benché incapace di agire giusta il diritto del proprio domicilio non può appellarsi a questa sua incapacità se, giusta il diritto dello Stato in cui il negozio fu compiuto, fosse stato capace di agire, eccetto che l’altra parte abbia saputo o dovuto sapere di tale incapacità. 2 La presente disposizione non si applica ai negozi giuridici del diritto di famiglia e del diritto successorio, né a quelli concernenti diritti reali su fondi. VI. Iscrizione nei registri dello stato civile I. Principio II. Capacità giuridica III. Capacità di agire 1. Principio 2. Protezione del commercio giuridico Diritto internazionale privato. LF 11 291 Art. 37 1 Il nome di una persona domiciliata in Svizzera è regolato dal diritto svizzero; quello di una persona domiciliata all’estero, dal diritto ri- chiamato dalle norme di diritto internazionale privato dello Stato di domicilio. 2 Una persona può tuttavia esigere che il suo nome sia regolato dal diritto nazionale. Art. 38 1 Competenti per il cambiamento del nome sono le autorità svizzere del domicilio dell’instante. 2 Lo svizzero non domiciliato in Svizzera può chiedere il cambiamento del nome all’autorità del suo Cantone di origine. 3 Presupposti ed effetti del cambiamento del nome sono regolati dal diritto svizzero. Art. 39 Il cambiamento del nome avvenuto all’estero è riconosciuto in Svizze- ra se valido nello Stato di domicilio o di origine dell’instante. Art. 40 Il nome è iscritto nei registri dello stato civile giusta i principi svizzeri sulla tenuta dei registri. Art. 40a23 Gli articoli 37‒40 si applicano per analogia al sesso di una persona. Art. 41 1 Competenti per la dichiarazione di scomparsa sono i tribunali o le autorità svizzeri dell’ultimo domicilio noto dello scomparso. 2 I tribunali o le autorità svizzeri sono inoltre competenti per dichiarare la scomparsa qualora un interesse degno di protezione lo giustifichi. 3 Presupposti ed effetti della dichiarazione di scomparsa sono regolati dal diritto svizzero. 23 Introdotto dal n. II della LF del 18 dic. 2020 (Cambiamento del sesso nel registro dello stato civile), in vigore dal 1° gen. 2022 (RU 2021 668; FF 2020 737). IV. Nome 1. Principio 2. Cambiamento del nome 3. Cambiamento del nome all’estero 4. Iscrizione nei registri dello stato civile IVa. Sesso V. Dichiarazione di scomparsa 1. Competenza e diritto applicabile Diritto internazionale privato 12 291 Art. 42 La dichiarazione estera di scomparsa o di morte è riconosciuta in Sviz- zera se pronunciata nello Stato dell’ultimo domicilio noto o nello Stato di origine dello scomparso. Capitolo 3: Diritto matrimoniale Sezione 1: Celebrazione del matrimonio Art. 43 1 Le autorità svizzere sono competenti a celebrare il matrimonio se uno degli sposi è domiciliato in Svizzera o ne ha la cittadinanza. 2 Gli sposi stranieri non domiciliati in Svizzera possono nondimeno essere autorizzati dall’autorità competente a contrarre matrimonio in Svizzera se il medesimo vien riconosciuto nello Stato di domicilio o di origine di ambedue. 3 L’autorizzazione non può essere rifiutata per il solo motivo che un divorzio pronunciato o riconosciuto in Svizzera non sarebbe ricono- sciuto all’estero. Art. 4424 La celebrazione del matrimonio in Svizzera è regolata dal diritto svizzero. Art. 45 1 Il matrimonio celebrato validamente all’estero è riconosciuto in Sviz- zera. 2 Se uno degli sposi è cittadino svizzero o se entrambi sono domiciliati in Svizzera, il matrimonio celebrato all’estero è riconosciuto qualora la celebrazione all’estero non sia stata manifestamente voluta per eludere le norme del diritto svizzero sulla nullità del matrimonio.25 3 ...26 24 Nuovo testo giusta il n. I 5 della LF del 15 giu. 2012 sulle misure contro i matrimoni forzati, in vigore dal 1° lug. 2013 (RU 2013 1035; FF 2011 1987). 25 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 26 giu. 1998, in vigore dal 1° gen. 2000 (RU 1999 1118; FF 1996 I 1). 26 Introdotto dall’all. n. 17 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata (RU 2005 5685; FF 2003 1165). Abrogato dall’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), con effetto dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 2. Dichiarazione estera di scom- parsa e di morte I. Competenza II. Diritto applicabile III. Matrimonio celebrato all’estero Diritto internazionale privato. LF 13 291 Art. 45a27 1 Per le azioni di nullità del matrimonio sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio di uno dei coniugi o, se non è dato un domicilio in Svizzera, quelli del luogo di celebrazione del matrimonio o del luogo d’origine di uno dei coniugi. 2 L’azione è regolata dal diritto svizzero. 3 Gli articoli 62–64 si applicano per analogia ai provvedimenti cautela- ri e agli effetti accessori. 4 Le decisioni straniere che constatano la nullità di un matrimonio sono riconosciute in Svizzera se sono state pronunciate nello Stato in cui è stato celebrato il matrimonio. L’articolo 65 si applica per analogia se l’azione è stata promossa da uno dei coniugi. Sezione 2: Effetti del matrimonio in generale Art. 46 Per le azioni o i provvedimenti concernenti i diritti e i doveri coniugali sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale di uno dei coniugi. Art. 47 Se i coniugi non hanno né domicilio né dimora abituale in Svizzera ed uno di loro è cittadino svizzero, per le azioni o i provvedimenti con- cernenti i diritti e i doveri coniugali sono competenti i tribunali o le autorità del luogo di origine, sempreché sia impossibile proporre l’azione o l’istanza nel luogo di domicilio o di dimora abituale di uno dei coniugi o non lo si possa ragionevolmente pretendere. Art. 48 1 I diritti e i doveri coniugali sono regolati dal diritto dello Stato di domicilio dei coniugi. 2 Se i coniugi non sono domiciliati nello stesso Stato, i diritti e i doveri coniugali sono regolati dal diritto dello Stato di domicilio più stretta- mente connesso con la fattispecie. 3 Se competenti giusta l’articolo 47, i tribunali o le autorità svizzeri del luogo di origine applicano il diritto svizzero. 27 Introdotto dal n. II 2 della LF del 7 ott. 1994 (RU 1995 1126; FF 1993 I 921). Nuovo testo giusta il n. I 5 della LF del 15 giu. 2012 sulle misure contro i matrimoni forzati, in vigore dal 1° lug. 2013 (RU 2013 1035; FF 2011 1987). IV. Nullità del matrimonio I. Competenza 1. Principio 2. Foro di origine II. Diritto applicabile 1. Principio Diritto internazionale privato 14 291 Art. 49 L’obbligo di mantenimento tra i coniugi è regolato dalla convenzione dell’Aia del 2 ottobre 197328 sulla legge applicabile alle obbligazioni alimentari. Art. 5029 Le decisioni o i provvedimenti stranieri concernenti i diritti e i doveri coniugali sono riconosciuti in Svizzera se: a. sono stati pronunciati nello Stato di domicilio o di dimora abi- tuale di uno dei coniugi; o b. sono stati pronunciati nello Stato di celebrazione del matrimo- nio e la proposizione dell’azione in uno degli Stati di cui alla lettera a non era possibile o ragionevolmente esigibile. Sezione 3: Regime dei beni fra i coniugi Art. 51 Per le azioni o i provvedimenti concernenti i rapporti patrimoniali tra i coniugi sono competenti: a. per la liquidazione del regime dei beni in caso di morte di un coniuge, i tribunali o le autorità svizzeri competenti a liquidare la successione (art. 86 a 89); b.30 per la liquidazione del regime dei beni in caso di scioglimento giudiziale del matrimonio o di separazione, i tribunali svizzeri competenti in merito (art. 59, 60, 60a, 63, 64); c. negli altri casi, i tribunali o le autorità svizzeri competenti per le azioni o per i provvedimenti concernenti gli effetti del matri- monio (art. 46 e 47). Art. 52 1 I rapporti patrimoniali sono regolati dal diritto scelto dai coniugi. 2 I coniugi possono scegliere fra: a. il diritto dello Stato in cui sono ambedue domiciliati o lo saran- no dopo la celebrazione del matrimonio; b. il diritto del luogo di celebrazione del matrimonio; e 28 RS 0.211.213.01 29 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 30 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 2. Obbligo di mantenimento III. Decisioni o provvedimenti stranieri I. Competenza II. Diritto applicabile 1. Scelta del diritto applicabile a. Principio Diritto internazionale privato. LF 15 291 c. il diritto di uno dei loro Stati di origine.31 3 L’articolo 23 capoverso 2 non è applicabile.32 Art. 53 1 La scelta del diritto applicabile dev’essere pattuita per scritto o risul- tare univocamente dalla convenzione matrimoniale. Per altro, è regola- ta dal diritto scelto. 2 La scelta può essere fatta o modificata in ogni momento. Se poste- riore alla celebrazione del matrimonio, è retroattivamente efficace, salvo diversa pattuizione delle parti, dal momento della celebrazione del matrimonio. 3 Il diritto scelto rimane applicabile fintanto che i coniugi non ne scel- gano un altro o non revochino la scelta medesima. Art. 54 1 I rapporti patrimoniali dei coniugi che non abbiano scelto il diritto applicabile sono regolati: a. dal diritto dello Stato in cui ambedue sono simultaneamente domiciliati o, se ciò non è il caso; b. dal diritto dello Stato in cui ambedue erano da ultimo simulta- neamente domiciliati. 2 Se i coniugi non sono mai stati simultaneamente domiciliati nello stesso Stato, si applica il loro diritto nazionale comune. 3 Se i coniugi non sono mai stati simultaneamente domiciliati nello stesso Stato né hanno cittadinanza comune, si applica il regime della separazione dei beni giusta il diritto svizzero. Art. 55 1 Se i coniugi trasferiscono il loro domicilio in un altro Stato, il diritto del nuovo Stato di domicilio si applica retroattivamente dal momento della celebrazione del matrimonio. I coniugi possono escludere la retroattività mediante pattuizione scritta. 2 Il cambiamento di domicilio non influisce sul diritto applicabile qualora le parti abbiano pattuito per scritto l’ulteriore vigenza del dirit- to precedente o siano legate da una convenzione matrimoniale. 31 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 32 Introdotto dall’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). b. Modalità 2. Omessa scelta del diritto applicabile a. Principio b. Mutabilità e retroattività in caso di cambiamento di domicilio Diritto internazionale privato 16 291 Art. 56 La convenzione matrimoniale è formalmente valida se conforme al diritto applicabile per materia o al diritto del luogo di stipulazione. Art. 57 1 Gli effetti del regime dei beni sul rapporto giuridico tra un coniuge e un terzo sono regolati dal diritto dello Stato in cui questo coniuge era domiciliato al momento della nascita del rapporto giuridico. 2 Se, in tale momento, il terzo era o doveva essere a conoscenza del diritto regolatore dei rapporti patrimoniali tra i coniugi, si applica quest’ultimo diritto. Art. 58 1 Le decisioni straniere concernenti i rapporti patrimoniali tra i coniugi sono riconosciute in Svizzera se: a. sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato di domicilio del coniuge convenuto; b. sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato di domicilio del coniuge attore, presupposto che il coniuge con- venuto non fosse domiciliato in Svizzera; c. sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato il cui diritto è applicabile secondo la presente legge o d. concernono fondi e sono state pronunciate o vengano ricono- sciute nello Stato di situazione dei medesimi. 2 Per le decisioni in materia di rapporti patrimoniali pronunciate in connessione con provvedimenti a tutela dell’unione coniugale od in seguito a morte, dichiarazione di nullità del matrimonio, divorzio o separazione, il riconoscimento è retto dalle disposizioni della presente legge concernenti gli effetti del matrimonio in generale, il divorzio o le successioni (art. 50, 65 e 96). Sezione 4: Divorzio e separazione Art. 59 Per le azioni di divorzio o separazione sono competenti: a. i tribunali svizzeri del domicilio del convenuto; b. i tribunali svizzeri del domicilio dell’attore se questi dimora in Svizzera da almeno un anno od è cittadino svizzero. 3. Forma della convenzione matrimoniale 4. Rapporti giuridici con i terzi III. Decisioni straniere I. Competenza 1. Principio Diritto internazionale privato. LF 17 291 Art. 60 Se i coniugi non sono domiciliati in Svizzera ed uno di loro è cittadino svizzero, per le azioni di divorzio o separazione sono competenti i tri- bunali del luogo di origine sempreché sia impossibile proporre l’azione nel domicilio di uno dei coniugi o non lo si possa ragione- volmente pretendere. Art. 60a33 Se i coniugi non sono domiciliati in Svizzera e nessuno di loro è citta- dino svizzero, per le azioni di divorzio o separazione sono competenti i tribunali svizzeri del luogo di celebrazione del matrimonio, sempreché sia impossibile proporre l’azione nel domicilio di uno dei coniugi o non lo si possa ragionevolmente pretendere. Art. 6134 Divorzio e separazione sono regolati dal diritto svizzero . Art. 62 1 Il tribunale svizzero presso cui è pendente un’azione di divorzio o di separazione può prendere provvedimenti cautelari sempreché la sua incompetenza a giudicare l’azione non sia manifesta o non sia stata accertata con decisione cresciuta in giudicato. 2 I provvedimenti cautelari sono regolati dal diritto svizzero. 3 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti l’obbligo di mantenimento dei coniugi (art. 49), gli effetti della filia- zione (art. 82 e 83) e la protezione dei minori (art. 85). Art. 63 1 I tribunali svizzeri competenti per le azioni di divorzio o separazione sono competenti anche a regolare gli effetti accessori. Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti la protezione dei minori (art. 85).35 33 Introdotto dall’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 34 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 19 giu. 2015 (Conguaglio della previdenza professionale in caso di divorzio), in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 2313; FF 2013 4151). 35 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 21 giu. 2013 (Autorità parentale), in vigore dal 1° lug. 2014 (RU 2014 357; FF 2011 8025). 2. Foro di origine 3. Foro del luogo di celebrazione del matrimonio II. Diritto applicabile III. Provvedi- menti cautelari IV. Effetti accessori Diritto internazionale privato 18 291 1bis Essi sono esclusivamente competenti per il conguaglio delle pre- tese di previdenza professionale nei confronti di un istituto svizzero di previdenza professionale.36 2 Gli effetti accessori del divorzio o della separazione sono regolati dal diritto svizzero.37 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti il nome (art. 37 a 40), l’obbligo di mantenimento dei coniugi (art. 49), il regime dei beni (art. 52 a 57), gli effetti della filiazione (art. 82 e 83) e la protezione dei minori (art. 85). Art. 64 1 I tribunali svizzeri sono competenti per le azioni di completamento o modificazione di decisioni in materia di divorzio o separazione se hanno pronunciato essi stessi tali decisioni o se la loro competenza discende dagli articoli 59, 60 o 60a.38 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti la protezione dei minori (art. 85). 1bis I tribunali svizzeri sono esclusivamente competenti per il congua- glio delle pretese di previdenza professionale nei confronti di un istituto svizzero di previdenza professionale. Se non vi è competenza ai sensi del capoverso 1, sono competenti i tribunali svizzeri della sede dell’istituto di previdenza.39 2 Il completamento o la modificazione di una sentenza di divorzio o di separazione è regolato dal diritto svizzero.40 Sono fatte salve le dispo- sizioni della presente legge concernenti il nome (art. 37 a 40), l’obbligo di mantenimento dei coniugi (art. 49), il regime dei beni (art. 52 a 57), gli effetti della filiazione (art. 82 e 83) e la protezione dei minori (art. 85). Art. 65 1 Le decisioni straniere in materia di divorzio o separazione sono rico- nosciute in Svizzera se: a. sono state pronunciate nello Stato di domicilio, di dimora abi- tuale o di origine di uno dei coniugi; 36 Introdotto dall’all. n. 3 della LF del 19 giu. 2015 (Conguaglio della previdenza professionale in caso di divorzio), in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 2313; FF 2013 4151). 37 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 19 giu. 2015 (Conguaglio della previdenza professionale in caso di divorzio), in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 2313; FF 2013 4151). 38 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 39 Introdotto dall’all. n. 3 della LF del 19 giu. 2015 (Conguaglio della previdenza professionale in caso di divorzio), in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 2313; FF 2013 4151). 40 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 19 giu. 2015 (Conguaglio della previdenza professionale in caso di divorzio), in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 2313; FF 2013 4151). V. Completa- mento o modificazione di una decisione VI. Decisioni straniere Diritto internazionale privato. LF 19 291 b. sono riconosciute in uno degli Stati di cui alla lettera a; o c. sono state pronunciate nello Stato di celebrazione del matri- monio e la proposizione dell’azione in uno degli Stati di cui al- la lettera a non era possibile o ragionevolmente esigibile.41 2 Tuttavia, la decisione pronunciata in uno Stato di cui nessuno dei coniugi o soltanto il coniuge attore sia cittadino, è riconosciuta in Svizzera soltanto se: a. all’atto dell’introduzione dell’azione, almeno un coniuge era domiciliato o dimorava abitualmente in detto Stato e il coniuge convenuto non era domiciliato in Svizzera; b. il coniuge convenuto ha accettato incondizionatamente la competenza del tribunale straniero o c. il coniuge convenuto è d’accordo con il riconoscimento della decisione in Svizzera. Capitolo 3a:42 Unione domestica registrata Art. 65a43 Le disposizioni del capitolo 3 si applicano per analogia all’unione domestica registrata. Art. 65b44 Art. 65c45 Se il diritto applicabile in virtù delle disposizioni del capitolo 3 non prevede norme concernenti l’unione domestica registrata, si applicano le disposizioni del diritto matrimoniale. Art. 65d46 41 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 42 Introdotto dall’all. n. 17 della L del 18 giu. 2004 sull’unione domestica registrata, in vigore dal 1° gen. 2007 (RU 2005 5685; FF 2003 1165). 43 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 44 Abrogato dall’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), con effetto dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 45 Nuovo testo giusta l’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), in vigore dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). 46 Abrogato dall’all. n. 2 della LF del 18 dic. 2020 (Matrimonio per tutti), con effetto dal 1° lug. 2022 (RU 2021 747; FF 2019 7151; 2020 1135). I. Applicazione del capitolo 3 II. Diritto applicabile Diritto internazionale privato 20 291 Capitolo 4: Filiazione Sezione 1: Filiazione per discendenza Art. 66 Per le azioni di accertamento o contestazione della filiazione sono competenti i tribunali svizzeri della dimora abituale del figlio o del domicilio di un genitore. Art. 67 Ove i genitori non siano domiciliati in Svizzera ed il figlio non vi dimori abitualmente, per le azioni di accertamento o contestazione della filiazione sono competenti i tribunali del luogo di origine sviz- zero di un genitore se è impossibile proporre l’azione nel domicilio di un genitore o nella dimora abituale del figlio ovvero non lo si possa ragionevolmente pretendere. Art. 68 1 Il sorgere, l’accertamento e la contestazione della filiazione sono regolati dal diritto della dimora abituale del figlio. 2 Tuttavia, se nessuno dei genitori è domiciliato nello Stato di dimora abituale del figlio, ma tutti e tre hanno la stessa cittadinanza, si applica il loro diritto nazionale comune. Art. 69 1 Il momento della nascita del figlio determina il diritto applicabile al sorgere, all’accertamento e alla contestazione della filiazione. 2 Per l’accertamento o la contestazione giudiziale della filiazione, il momento determinante è tuttavia quello in cui l’azione è proposta, sempreché un interesse preponderante del figlio lo richieda. Art. 70 Le decisioni straniere concernenti l’accertamento o la contestazione della filiazione sono riconosciute in Svizzera se pronunciate nello Stato di dimora abituale o di origine del figlio o nello Stato di domici- lio o di origine di un genitore. I. Competenza 1. Principio 2. Foro di origine II. Diritto applicabile 1. Principio 2. Momento determinante III. Decisioni straniere Diritto internazionale privato. LF 21 291 Sezione 2: Riconoscimento di figlio Art. 71 1 Sono competenti a ricevere il riconoscimento le autorità svizzere del luogo di nascita o di dimora abituale del figlio, nonché quelle del domicilio o del luogo di origine di un genitore. 2 Se avviene nell’ambito di un procedimento giudiziario in cui la filia- zione ha rilevanza giuridica, il riconoscimento può essere ricevuto anche dal giudice adito. 3 I tribunali competenti in materia di accertamento o contestazione della filiazione (art. 66 e 67) lo sono anche per la contestazione del riconoscimento. Art. 72 1 Il riconoscimento in Svizzera può avvenire giusta il diritto della dimora abituale o il diritto nazionale del figlio o giusta il diritto del domicilio o il diritto nazionale di un genitore. Determinante è il mo- mento del riconoscimento. 2 La forma del riconoscimento in Svizzera è regolata dal diritto sviz- zero. 3 La contestazione del riconoscimento è regolata dal diritto svizzero. Art. 73 1 Il riconoscimento all’estero è riconosciuto in Svizzera se valido giu- sta il diritto della dimora abituale o il diritto nazionale del figlio o giusta il diritto del domicilio o il diritto nazionale di un genitore. 2 Le decisioni straniere in materia di contestazione del riconoscimento sono riconosciute in Svizzera se pronunciate in uno Stato di cui al capoverso 1. Art. 74 L’articolo 73 si applica per analogia al riconoscimento di una legitti- mazione avvenuta all’estero. Sezione 3: Adozione Art. 75 1 Sono competenti a pronunciare l’adozione i tribunali o le autorità svizzeri del domicilio dell’adottante o dei coniugi adottanti. I. Competenza II. Diritto applicabile III. Riconosci- mento all’estero e contestazione IV. Legittima- zione I. Competenza 1. Principio Diritto internazionale privato 22 291 2 I tribunali competenti in materia di accertamento o contestazione della filiazione (art. 66 e 67) lo sono anche per la contestazione dell’adozione. Art. 76 Ove l’adottante o i coniugi adottanti non siano domiciliati in Svizzera e uno di loro sia cittadino svizzero, per l’adozione sono competenti i tribunali o le autorità del luogo di origine se è impossibile attuare l’adozione nel loro domicilio o non lo si possa ragionevolmente pre- tendere. Art. 77 1 I presupposti dell’adozione in Svizzera sono regolati dal diritto sviz- zero. 2 Ove risulti che un’adozione non sarebbe riconosciuta nello Stato di domicilio o di origine dell’adottante o dei coniugi adottanti, con con- seguente grave pregiudizio per il figlio, l’autorità tiene conto anche dei presupposti giusta il diritto di detto Stato. Se anche in tal caso il rico- noscimento non sembri assicurato, l’adozione non può essere pronun- ciata. 3 La contestazione di un’adozione pronunciata in Svizzera è regolata dal diritto svizzero. L’adozione pronunciata all’estero può essere con- testata in Svizzera soltanto se ne sussista un motivo anche secondo il diritto svizzero. Art. 78 1 Le adozioni straniere sono riconosciute in Svizzera se pronunciate nello Stato di domicilio o di origine dell’adottante o dei coniugi adot- tanti. 2 Le adozioni straniere o atti analoghi esteri che hanno effetti essen- zialmente divergenti dal rapporto di filiazione nel senso del diritto svizzero sono riconosciuti in Svizzera soltanto con gli effetti conferiti loro nello Stato in cui sono avvenuti. Sezione 4: Effetti della filiazione Art. 79 1 Per le azioni concernenti i rapporti tra genitori e figlio, segnatamente per l’azione di mantenimento del figlio, sono competenti i tribunali svizzeri della dimora abituale del figlio ovvero quelli del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del genitore conve- nuto. 2. Foro di origine II. Diritto applicabile III. Adozioni e atti analoghi stranieri I. Competenza 1. Principio Diritto internazionale privato. LF 23 291 2 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti il nome (art. 33 e 37 a 40), la protezione dei minori (art. 85) e il diritto successorio (art. 86 a 89). Art. 80 Se né il figlio né il genitore convenuto hanno il domicilio o la dimora abituale in Svizzera ed uno di loro è cittadino svizzero, sono compe- tenti i tribunali del luogo di origine. Art. 81 I tribunali svizzeri competenti giusta gli articoli 79 e 80 decidono parimente sulle pretese: a. di autorità che hanno fatto anticipazioni per il mantenimento del figlio; b. della madre per il mantenimento e per il rimborso delle spese insorte con il parto. Art. 82 1 I rapporti tra genitori e figlio sono regolati dal diritto della dimora abituale del figlio. 2 Tuttavia, se nessuno dei genitori è domiciliato nello Stato di dimora abituale del figlio, ma ambedue ed il figlio hanno la stessa cittadi- nanza, si applica il loro diritto nazionale comune. 3 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti il nome (art. 33 e 37 a 40), la protezione dei minori (art. 85) e il diritto successorio (art. 90 a 95). Art. 83 1 L’obbligo di mantenimento tra genitori e figlio è regolato dalla con- venzione dell’Aia del 2 ottobre 197347 sulla legge applicabile alle obbligazioni alimentari. 2 In quanto non disciplini le pretese della madre per il mantenimento e per il rimborso delle spese insorte con il parto, la convenzione si applica per analogia. Art. 84 1 Le decisioni straniere concernenti i rapporti tra genitori e figlio sono riconosciute in Svizzera se pronunciate nello Stato di dimora abituale 47 RS 0.211.213.01 2. Foro di origine 3. Pretese di terzi II. Diritto applicabile 1. Principio 2. Obbligo di mantenimento III. Decisioni straniere Diritto internazionale privato 24 291 del figlio o in quello di domicilio o di dimora abituale del genitore convenuto. 2 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge concernenti il nome (art. 39), la protezione dei minori (art. 85) e il diritto successorio (art. 96). Capitolo 5: Tutela, protezione degli adulti e altri provvedimenti protettivi48 Art. 8549 1 In materia di protezione dei minori, la competenza dei tribunali o delle autorità svizzeri, il diritto applicabile, il riconoscimento e l’esecuzione di decisioni o provvedimenti stranieri sono regolati dalla Convenzione dell’Aia del 19 ottobre 199650 sulla competenza, la legge applicabile, il riconoscimento, l’esecuzione e la cooperazione in mate- ria di responsabilità genitoriale e di misure di protezione dei minori. 2 In materia di protezione degli adulti, la competenza dei tribunali o delle autorità svizzeri, il diritto applicabile, il riconoscimento e l’esecuzione di decisioni o provvedimenti stranieri sono regolati dalla Convenzione dell’Aia del 13 gennaio 200051 sulla protezione interna- zionale degli adulti. 3 I tribunali o le autorità svizzeri sono inoltre competenti se lo esige la protezione di una persona o dei suoi beni. 4 I provvedimenti adottati in uno Stato che non è parte alle Convenzio- ni menzionate nei capoversi 1 e 2 sono riconosciuti se sono stati adot- tati o sono riconosciuti nello Stato di dimora abituale del minore o dell’adulto.52 48 Nuovo testo giusta l’all. n. 13 della LF del 19 dic. 2008 (Protezione degli adulti, diritto delle persone e diritto della filiazione), in vigore dal 1° gen. 2013 (RU 2011 725; FF 2006 6391). 49 Nuovo testo giusta l’art. 15 della LF del 21 dic. 2007 sul rapimento internazionale dei minori e sulle Conv. dell’Aia sulla protezione dei minori e degli adulti, in vigore dal 1° lug. 2009 (RU 2009 3077; FF 2007 2369). 50 RS 0.211.231.011 51 RS 0.211.232.1 52 Nuovo testo giusta l’all. n. 3 della LF del 21 giu. 2013 (Autorità parentale), in vigore dal 1° lug. 2014 (RU 2014 357; FF 2011 8025). Diritto internazionale privato. LF 25 291 Capitolo 6: Diritto successorio Art. 86 1 Per il procedimento successorio e le controversie ereditarie sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri dell’ultimo domicilio dell’ereditando. 2 È riservata la competenza dello Stato che la rivendica a titolo esclu- sivo per i fondi situati sul suo territorio. Art. 87 1 Se l’ereditando era un cittadino svizzero con ultimo domicilio all’estero, sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del luogo di origine, sempreché l’autorità estera non si occupi della successione. 2 I tribunali o le autorità svizzeri del luogo di origine sono sempre competenti se un cittadino svizzero con ultimo domicilio all’estero ha, per testamento o contratto successorio, sottoposto alla competenza o al diritto svizzeri i suoi beni situati in Svizzera o l’intera successione. È fatto salvo l’articolo 86 capoverso 2. Art. 88 1 Se l’ereditando era uno straniero con ultimo domicilio all’estero, per i beni situati in Svizzera sono competenti i tribunali o le autorità sviz- zeri del luogo di situazione, sempreché le autorità estere non se ne occupino. 2 Se i beni sono situati in più luoghi, sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri aditi per primi. Art. 89 Se l’ereditando con ultimo domicilio all’estero lascia beni in Svizzera, le autorità svizzere del luogo di situazione ordinano i necessari prov- vedimenti d’urgenza a loro tutela. Art. 90 1 La successione di una persona con ultimo domicilio in Svizzera è regolata dal diritto svizzero. 2 Tuttavia, lo straniero può, per testamento o contratto successorio, sottoporre la successione ad uno dei suoi diritti nazionali. Tale sua disposizione è inefficace se, al momento della morte, non era più cit- tadino di quello Stato o se è divenuto cittadino svizzero. I. Competenza 1. Principio 2. Foro di origine 3. Foro del luogo di situazione 4. Provvedimenti conservativi II. Diritto applicabile 1. Ultimo domicilio in Svizzera Diritto internazionale privato 26 291 Art. 91 1 La successione di una persona con ultimo domicilio all’estero è rego- lata dal diritto richiamato dalle norme di diritto internazionale privato dello Stato di domicilio. 2 In quanto i tribunali o le autorità svizzeri del luogo di origine siano competenti giusta l’articolo 87, la successione di uno svizzero con ultimo domicilio all’estero è regolata dal diritto svizzero, eccetto che, per testamento o contratto successorio, l’ereditando abbia riservato espressamente il diritto del suo ultimo domicilio. Art. 92 1 Il diritto applicabile alla successione determina che cosa appartiene alla successione, chi e in qual misura vi ha diritto, chi ne sopporta i debiti, quali rimedi giuridici e provvedimenti sono ammissibili e a quali condizioni possono essere presi. 2 L’attuazione dei singoli provvedimenti è regolata dal diritto del luogo di sede dell’autorità competente. Questo diritto si applica in particolare ai provvedimenti conservativi e alla liquidazione della successione, inclusa l’esecuzione testamentaria. Art. 93 1 La forma del testamento è regolata dalla convenzione dell’Aia del 5 ottobre 196153 sui conflitti di leggi relativi alla forma delle disposi- zioni testamentarie. 2 La convenzione si applica per analogia anche alla forma di altre disposizioni a causa di morte. Art. 94 Una persona può disporre a causa di morte se, al momento della dispo- sizione, ne ha la capacità giusta il diritto del domicilio o della dimora abituale o giusta un suo diritto nazionale. Art. 95 1 Il contratto successorio è regolato dal diritto del domicilio del dispo- nente al momento della stipulazione. 2 Se il disponente sottopone contrattualmente l’intera successione al suo diritto nazionale, quest’ultimo surroga quello domiciliare. 3 Le disposizioni reciproche a causa di morte devono corrispondere al diritto del domicilio di ciascun disponente ovvero al diritto nazionale comune da loro scelto. 53 RS 0.211.312.1 2. Ultimo domicilio all’estero 3. Estensione dello stato successorio e liquidazione della successione 4. Forma 5. Capacità di disporre 6. Contratti successori e disposizioni reciproche a causa di morte Diritto internazionale privato. LF 27 291 4 Sono fatte salve le disposizioni della presente legge sulla forma e sulla capacità di disporre (art. 93 e 94). Art. 96 1 Le decisioni, i provvedimenti e i documenti stranieri concernenti la successione, come anche i diritti derivanti da una successione aperta all’estero sono riconosciuti in Svizzera se: a. sono stati pronunciati, stilati o accertati oppure vengano rico- nosciuti nello Stato d’ultimo domicilio dell’ereditando o nello Stato di cui egli ha scelto il diritto o b. concernono fondi e sono stati pronunciati, stilati o accertati oppure vengano riconosciuti nello Stato di situazione dei me- desimi. 2 Se uno Stato rivendica la competenza esclusiva per i fondi dell’eredi- tando situati sul suo territorio, sono riconosciute soltanto le decisioni, i provvedimenti e i documenti di questo Stato. 3 I provvedimenti conservativi dello Stato di situazione dei beni dell’ereditando sono riconosciuti in Svizzera. Capitolo 7: Diritti reali Art. 97 Per le azioni concernenti diritti reali su fondi in Svizzera sono esclu- sivamente competenti i tribunali del luogo di situazione. Art. 98 1 Per le azioni concernenti diritti reali su cose mobili sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del convenuto. 2 Sono inoltre competenti i tribunali svizzeri del luogo di situazione della cosa.54 Art. 98a55 Per le azioni di rimpatrio di beni culturali secondo l’articolo 9 della legge del 20 giugno 200356 sul trasferimento dei beni culturali è com- 54 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 55 Introdotto dall’art. 32 n. 3 della L del 20 giu. 2003 sul trasferimento dei beni culturali, in vigore dal 1° giu. 2005 (RU 2005 1869; FF 2002 457). 56 RS 444.1 III. Decisioni, provvedimenti, documenti e diritti stranieri I. Competenza 1. Fondi 2. Cose mobili 3. Beni culturali Diritto internazionale privato 28 291 petente il giudice del domicilio o della sede del convenuto o il giudice del luogo di situazione dei beni. Art. 99 1 I diritti reali su fondi sono regolati dal diritto del luogo di situazione. 2 Per le pretese derivanti da immissioni da un fondo si applicano le disposizioni della presente legge sugli atti illeciti (art. 138). Art. 100 1 L’acquisto e la perdita di diritti reali su cose mobili sono regolati dal diritto dello Stato di situazione al momento dell’antefatto da cui deri- vano. 2 Contenuto e esercizio dei diritti reali su cose mobili sono regolati dal diritto del luogo di situazione. Art. 101 L’acquisto e la perdita negoziali di diritti reali su cose in transito sono regolati dal diritto dello Stato di destinazione. Art. 102 1 Se una cosa mobile giunge in Svizzera senza che l’acquisto o la per- dita di un diritto reale su di essa sia già avvenuto all’estero, gli antefat- ti all’estero sono considerati avvenuti in Svizzera. 2 La riserva di proprietà costituita validamente all’estero su una cosa mobile che giunge in Svizzera è quivi valida per soli tre mesi se non conforme alle esigenze del diritto svizzero. 3 L’esistenza di una siffatta riserva non è opponibile al terzo di buona fede. Art. 103 La riserva della proprietà su una cosa mobile destinata all’esportazione è regolata dal diritto dello Stato di destinazione. Art. 104 1 Le parti possono sottoporre l’acquisto e la perdita di diritti reali su cose mobili al diritto dello Stato di partenza o dello Stato di destina- zione ovvero al diritto regolatore del negozio giuridico di base. 2 La scelta del diritto applicabile non è opponibile ai terzi. II. Diritto applicabile 1. Fondi 2. Cose mobili a. Principio b. Cose in transito c. Cose che giungono in Svizzera d. Riserva della proprietà su cose esportate e. Scelta del diritto applicabile Diritto internazionale privato. LF 29 291 Art. 105 1 La costituzione in pegno di crediti, di titoli di credito (cartevalori) e di altri diritti è regolata dal diritto scelto dalle parti. La scelta del dirit- to applicabile non è opponibile ai terzi. 2 Se le parti non hanno scelto il diritto applicabile, la costituzione in pegno di crediti è regolata dal diritto della dimora abituale del credito- re pignoratizio. Lo stesso vale per la costituzione in pegno di altri di- ritti, in quanto siano rappresentati da un diritto valore, un titolo di credito o un titolo equivalente; altrimenti la loro costituzione in pegno è regolata dal diritto loro applicabile.57 3 Il diritto opponibile al debitore è unicamente quello regolatore del diritto costituito in pegno. Art. 10658 1 Il diritto designato nell’articolo 145a capoverso 1 determina se un titolo rappresenta una merce. 2 I diritti reali sul titolo materiale rappresentante merci e sulla merce medesima sono regolati dal diritto applicabile al titolo in quanto cosa mobile. 3 Se più parti fanno valere diritti reali sulla merce, le une direttamente e le altre sulla scorta di un titolo, la priorità è decisa giusta il diritto applicabile alla merce medesima. Art. 107 Sono fatte salve le disposizioni di altre leggi federali in materia di diritti reali su navi, aeromobili e altri mezzi di trasporto. Art. 108 1 Le decisioni straniere concernenti diritti reali su fondi sono ricono- sciute in Svizzera se sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato di situazione dei fondi. 2 Le decisioni straniere concernenti diritti reali su cose mobili sono riconosciute in Svizzera se pronunciate: a. nello Stato di domicilio del convenuto; 57 Nuovo testo giusta il n. I 3 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° feb. 2021 (RU 2021 33; FF 2020 221). 58 Nuovo testo giusta il n. I 3 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° feb. 2021 (RU 2021 33; FF 2020 221). 3. Norme speciali a. Costituzione in pegno di crediti, di titoli di credito e di altri diritti b. Titoli rappresentanti merci e titoli equivalenti c. Mezzi di trasporto III. Decisioni straniere Diritto internazionale privato 30 291 b. nello Stato di situazione della cosa, sempreché il convenuto vi dimori abitualmente; c.59 ... Capitolo 7a:60 Strumenti finanziari detenuti presso un intermediario Art. 108a Per strumenti finanziari detenuti presso un intermediario finanziario si intendono quelli ai sensi della Convenzione dell’Aia del 5 luglio 200661 sulla legge applicabile ad alcuni diritti su strumenti finanziari detenuti presso un intermediario. Art. 108b 1 Per le azioni derivanti da strumenti finanziari detenuti presso un intermediario finanziario sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del con- venuto. 2 Per le azioni derivanti da strumenti finanziari detenuti presso un intermediario finanziario fondate sull’attività di una stabile organizza- zione in Svizzera sono inoltre competenti i tribunali del luogo dell’organizzazione medesima. Art. 108c Agli strumenti finanziari detenuti presso un intermediario finanziario si applica la Convenzione dell’Aia del 5 luglio 200662 sulla legge applicabile ad alcuni diritti su strumenti finanziari detenuti presso un intermediario. Art. 108d Le decisioni straniere in materia di strumenti finanziari detenuti presso un intermediario finanziario sono riconosciute in Svizzera se pronun- ciate: 59 Abrogata dall’art. 2 del DF del 3 ott. 2008 che approva e traspone nel diritto svizzero la Conv. dell’Aia sulla L applicabile ad alcuni diritti su strumenti finanziari detenuti presso un intermediario, con effetto dal 1° gen. 2010 (RU 2009 6579; FF 2006 8533). 60 Introdotto dall’art. 2 del DF del 3 ott. 2008 che approva e traspone nel diritto svizzero la Conv. dell’Aia sulla L applicabile ad alcuni diritti su strumenti finanziari detenuti presso un intermediario, in vigore dal 1° gen. 2010 (RU 2009 6579; FF 2006 8533). 61 RS 0.221.556.1 62 RS 0.221.556.1 I. Definizione II. Competenza III. Diritto applicabile IV. Decisioni straniere Diritto internazionale privato. LF 31 291 a. nello Stato in cui il convenuto era domiciliato o dimorava abi- tualmente; o b. nello Stato in cui il convenuto aveva la stabile organizzazione, qualora concernano le pretese derivanti dalla gestione di tale organizzazione. Capitolo 8: Diritti immateriali Art. 10963 1 Per le azioni concernenti la validità o l’iscrizione di diritti immateria- li in Svizzera sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio del convenuto. Se il convenuto non è domiciliato in Svizzera, sono compe- tenti i tribunali svizzeri della sede commerciale del rappresentante iscritto nel registro o, se manca un tale rappresentante, quelli della sede dell’autorità svizzera del registro. 2 Per le azioni concernenti la violazione di diritti immateriali sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio del convenuto o, in man- canza di domicilio, quelli del luogo di dimora abituale del convenuto. Inoltre sono competenti i tribunali svizzeri del luogo dell’atto o dell’evento e, per le azioni concernenti l’attività di una stabile organiz- zazione in Svizzera, i tribunali della sede di tale organizzazione. 2bis Il capoverso 2 si applica per analogia alle azioni concernenti i diritti al compenso previsti dalla legge per l’utilizzazione lecita di un bene immateriale.64 3 ...65 Art. 110 1 I diritti immateriali sono regolati dal diritto dello Stato per il quale si chiede la protezione del bene immateriale. 2 Per le pretese derivanti dalla violazione di diritti immateriali, le parti, verificatosi l’evento dannoso, possono sempre pattuire l’applicazione del diritto del foro. 3 Ai contratti concernenti i diritti immateriali si applicano le disposi- zioni della presente legge relative ai contratti (art. 122). 63 Nuovo testo giusta l’all. n. 5 della LF del 22 giu. 2007, in vigore dal 1° lug. 2008 (RU 2008 2551; FF 2006 1). 64 Introdotto dal n. 2 della LF del 27 set. 2019, in vigore il 1° apr. 2020 (RU 2020 1003; FF 2018 505). 65 Abrogato dall’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), con effetto dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). I. Competenza II. Diritto applicabile Diritto internazionale privato 32 291 Art. 111 1 Le decisioni straniere in materia di diritti immateriali sono ricono- sciute in Svizzera se pronunciate: a. nello Stato di domicilio del convenuto; o b. nel luogo dell’atto o dell’evento, sempre che il convenuto non fosse domiciliato in Svizzera.66 2 Le decisioni straniere concernenti la validità o l’iscrizione di diritti immateriali sono riconosciute soltanto se sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato per il quale è chiesta la protezione. Capitolo 9: Diritto delle obbligazioni Sezione 1: Contratti Art. 112 1 Per le azioni derivanti da contratto sono competenti i tribunali sviz- zeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del convenuto. 2 Per le azioni fondate sull’attività di una stabile organizzazione in Svizzera sono inoltre competenti i tribunali del luogo dell’organizza- zione medesima. Art. 11368 Se la prestazione caratteristica del contratto dev’essere eseguita in Svizzera, l’azione può essere proposta anche al tribunale svizzero del luogo di adempimento di tale prestazione. Art. 114 1 Le azioni del consumatore derivanti da contratti per i quali sono adempiute le condizioni di cui all’articolo 120 capoverso 1 devono essere proposte, a scelta del consumatore, ai tribunali svizzeri: a. del domicilio o della dimora abituale del consumatore o b. del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abi- tuale del fornitore. 66 Nuovo testo giusta l’all. n. 5 della LF del 22 giu. 2007, in vigore dal 1° lug. 2008 (RU 2008 2551; FF 2006 1). 67 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 68 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). III. Decisioni straniere I. Competenza 1. Domicilio e stabile organiz- zazione67 2. Luogo di adempimento 3. Contratti con consumatori Diritto internazionale privato. LF 33 291 2 Il consumatore non può rinunciare a priori al foro del suo domicilio o della sua dimora abituale. Art. 115 1 Per le azioni derivanti dal contratto di lavoro sono competenti i tri- bunali svizzeri del domicilio del convenuto o del luogo in cui il lavo- ratore compie abitualmente il suo lavoro. 2 Per le azioni del lavoratore sono inoltre competenti i tribunali sviz- zeri del suo domicilio o della sua dimora abituale. 3 Per le azioni concernenti le condizioni di lavoro e di salario applica- bili alla prestazione lavorativa sono inoltre competenti i tribunali svizzeri del luogo in cui il lavoratore è stato distaccato per un periodo di tempo limitato e per svolgere tutta o una parte del suo lavoro all’estero.69 Art. 116 1 Il contratto è regolato dal diritto scelto dalle parti. 2 La scelta del diritto applicabile dev’essere esplicita o risultare uni- vocamente dal contratto o dalle circostanze. Per altro, è regolata dal diritto scelto. 3 La scelta può avvenire o essere modificata in ogni tempo. Se fatta o modificata dopo la stipulazione del contratto, è retroattivamente effi- cace dal momento della stipulazione. Sono riservati i diritti dei terzi. Art. 117 1 Se le parti non hanno scelto il diritto applicabile, il contratto è rego- lato dal diritto dello Stato con il quale è più strettamente connesso. 2 Si presume che la connessione più stretta sia quella con lo Stato in cui la parte che deve eseguire la prestazione caratteristica ha la dimora abituale o, se ha concluso il contratto in base a un’attività professio- nale o commerciale, in cui ha la stabile organizzazione. 3 È segnatamente prestazione caratteristica: a. nei contratti di alienazione, la prestazione dell’alienante; b. nei contratti di cessione d’uso, la prestazione della parte che cede l’uso di una cosa o di un diritto; c. nel mandato, nell’appalto o in analoghi contratti di prestazione di servizi, la prestazione del servizio; d. nei contratti di deposito, la prestazione del depositario; 69 Introdotto dall’all. n. 1 della LF dell’8 ott. 1999 sui lavoratori distaccati in Svizzera, in vigore dal 1° giu. 2004 (RU 2003 1370; FF 1999 5092). 4. Contratti di lavoro II. Diritto applicabile 1. In genere a. Scelta del diritto applicabile b. Omessa scelta del diritto applicabile Diritto internazionale privato 34 291 e. nei contratti di garanzia o fideiussione, la prestazione del ga- rante o fideiussore. Art. 118 1 La compravendita di cose mobili corporee è regolata dalla conven- zione dell’Aia del 15 giugno 195570 concernente la legge applicabile ai contratti di compravendita a carattere internazionale di cose mobili corporee. 2 È fatto salvo l’articolo 120. Art. 119 1 I contratti concernenti i fondi o il loro uso sono regolati dal diritto dello Stato di situazione. 2 Le parti possono scegliere il diritto applicabile. 3 La forma è regolata dal diritto dello Stato di situazione del fondo, eccetto ch’esso consenta l’applicazione di un altro diritto. Se il fondo è situato in Svizzera, la forma è regolata dal diritto svizzero. Art. 120 1 I contratti concernenti una prestazione di consumo corrente destinata all’uso personale o familiare del consumatore e non connessa con l’attività professionale o commerciale di costui sono regolati dal diritto dello Stato di dimora abituale del consumatore se: a. il fornitore ha ricevuto l’ordinazione in questo Stato; b. la stipulazione del contratto è stata preceduta in questo Stato da un’offerta o da una pubblicità e il consumatore vi ha com- piuto gli atti giuridici necessari per la stipulazione medesima o c. il fornitore ha indotto il consumatore a recarsi all’estero per fare l’ordinazione. 2 Le parti non possono scegliere il diritto applicabile. Art. 121 1 Il contratto di lavoro è regolato dal diritto dello Stato in cui il lavora- tore compie abitualmente il suo lavoro. 2 Se il lavoratore compie abitualmente il suo lavoro in più Stati, il contratto è regolato dal diritto dello Stato della stabile organizzazione o, in subordine, di domicilio o di dimora abituale del datore di lavoro. 70 RS 0.221.211.4 2. In particolare a. Compraven- dita di cose mobili corporee b. Fondi c. Contratti con consumatori d. Contratti di lavoro Diritto internazionale privato. LF 35 291 3 Le parti possono sottoporre il contratto di lavoro al diritto dello Stato di dimora abituale del lavoratore ovvero della stabile organizzazione, di domicilio o di dimora abituale del datore di lavoro. Art. 122 1 I contratti concernenti i diritti immateriali sono regolati dal diritto dello Stato di dimora abituale di colui che trasferisce il diritto imma- teriale o ne conferisce l’uso. 2 Le parti possono scegliere il diritto applicabile. 3 I contratti tra datore di lavoro e lavoratore concernenti diritti su beni immateriali creati dal lavoratore nell’ambito stipulato nel contratto di lavoro sono regolati dal diritto applicabile al contratto di lavoro. Art. 123 La parte che non risponde a una proposta di concludere un contratto può, per gli effetti del suo silenzio, appellarsi al diritto dello Stato dove dimora abitualmente. Art. 124 1 Il contratto è formalmente valido se conforme al diritto che gli è applicabile o al diritto del luogo di stipulazione. 2 Se, al momento della stipulazione, le parti si trovano in diversi Stati, è sufficiente la conformità al diritto di uno di essi. 3 Se il diritto applicabile al contratto prescrive l’osservanza di una forma a tutela di una parte, la validità formale è regolata esclusiva- mente da questo diritto, a meno ch’esso non ammetta l’applicazione di un altro diritto. Art. 125 Le modalità di adempimento e di verifica sono regolate dal diritto dello Stato in cui si svolgono effettivamente. Art. 126 1 In caso di rappresentanza negoziale, il rapporto tra rappresentato e rappresentante è regolato dal diritto applicabile al loro contratto. 2 Le condizioni alle quali un atto del rappresentante vincola il rappre- sentato nei confronti del terzo sono regolate dal diritto dello Stato in cui il rappresentante ha la stabile organizzazione o, se tale organizza- zione manca o non è riconoscibile per il terzo, dello Stato in cui egli agisce principalmente nel caso concreto. e. Contratti concernenti diritti immateriali 3. Disposizioni comuni a. Silenzio su una proposta b. Forma c. Modalità di adempimento e di verifica d. Rappresen- tanza Diritto internazionale privato 36 291 3 Se il rappresentante è vincolato al rappresentato da un rapporto di lavoro e non possiede un proprio domicilio di affari, il luogo della sua stabile organizzazione è quello di sede del rappresentato. 4 Il diritto applicabile secondo il capoverso 2 regola anche il rapporto tra il rappresentante non autorizzato ed il terzo. Sezione 2: Indebito arricchimento Art. 12771 Per le azioni derivanti da indebito arricchimento sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del convenuto. Inoltre, per le azioni concernenti l’attività di una stabile organizzazione in Svizzera, sono competenti i tribunali della sede di tale organizzazione. Art. 128 1 Le pretese derivanti da indebito arricchimento sottostanno al diritto regolatore del rapporto giuridico, esistente o presunto, in base al quale è avvenuto l’arricchimento. 2 In mancanza di tale rapporto, le pretese derivanti da indebito arric- chimento sono regolate dal diritto dello Stato in cui si è prodotto l’ar- ricchimento; le parti possono pattuire l’applicazione del diritto del foro. Sezione 3: Atti illeciti Art. 129 1 Per le azioni derivanti da atto illecito sono competenti i tribunali svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abi- tuale del convenuto. Inoltre sono competenti i tribunali svizzeri del luogo dell’atto o dell’evento e, per le azioni concernenti l’attività di una stabile organizzazione in Svizzera, i tribunali della sede di tale organizzazione.72 2 ...73 71 Nuovo testo giusta l’all. n. 5 della LF del 22 giu. 2007, in vigore dal 1° lug. 2008 (RU 2008 2551; FF 2006 1). 72 Nuovo testo giusta l’all. n. 5 della LF del 22 giu. 2007, in vigore dal 1° lug. 2008 (RU 2008 2551; FF 2006 1). 73 Abrogato dall’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), con effetto dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). I. Competenza II. Diritto applicabile I. Competenza 1. Principio Diritto internazionale privato. LF 37 291 Art. 13074 1 La competenza per le azioni in materia di incidenti nucleari è retta dalla Convenzione del 29 luglio 196075 sulla responsabilità civile nel campo dell’energia nucleare, emendata dal Protocollo addizionale del 28 gennaio 1964, dal Protocollo del 16 novembre 1982 e dal pro- tocollo del 12 febbraio 2004 (Convenzione di Parigi). 2 Se secondo la Convenzione di Parigi sono competenti i tribunali svizzeri, l’azione deve essere promossa nel Cantone in cui si è prodot- to l’incidente oppure, se il luogo dell’incidente si trova fuori dal terri- torio delle Parti contraenti o non può essere determinato con certezza, nel Cantone in cui è situato l’impianto nucleare dell’esercente civil- mente responsabile. Se risultano competenti più fori, l’azione deve essere promossa nel Cantone che presenta il legame più stretto con l’incidente e ne subisce maggiormente le conseguenze ai sensi dell’ar- ticolo 13 paragrafo (f) capoverso (ii) della Convenzione di Parigi. 3 L’ordinamento delle competenze di cui al capoverso 2 si applica per analogia anche alle azioni in materia di incidenti nucleari alle quali non è applicabile la Convenzione di Parigi. Se, in un siffatto caso, né il luogo del sinistro nucleare né l’impianto nucleare si trovano in Svizze- ra, l’azione può essere proposta nel Cantone in cui si è prodotto il danno. Se si sono prodotti danni in più di un Cantone, è competente il Cantone che subisce maggiormente le conseguenze dell’incidente. Art. 130a76 Per le azioni intese a dare esecuzione al diritto d’accesso nei confronti del titolare di una collezione di dati sono competenti i tribunali men- zionati nell’articolo 129 oppure i tribunali svizzeri del luogo nel quale la collezione di dati è gestita o utilizzata. Art. 131 Per le azioni fondate su un diritto di credito diretto nei confronti dell’assicuratore della responsabilità civile, sono competenti i tribunali svizzeri del luogo della stabile organizzazione dell’assicuratore o di quello dove l’atto è stato commesso o ha prodotto i suoi effetti. 74 Nuovo testo giusta l’all. n. II 3 della LF del 13 giu. 2008 sulla responsabilità civile in materia nucleare, in vigore dal 1° gen. 2022, pubblicato il 27 gen. 2022 (RU 2022 43; FF 2007 4957). 75 RS 0.732.44 76 Introdotto dall’all. n. II 3 della LF del 13 giu. 2008 sulla responsabilità civile in materia nucleare, in vigore dal 1° gen. 2022, pubblicato il 27 gen. 2022 (RU 2022 43; FF 2007 4957). 2. In particolare a. Incidenti nucleari b. Diritto d’accesso in relazione a collezioni di dati 3. Diritto di credito diretto Diritto internazionale privato 38 291 Art. 132 Verificatosi l’evento dannoso, le parti possono sempre pattuire l’appli- cazione del diritto del foro. Art. 133 1 Se danneggiatore e danneggiato hanno la dimora abituale nel mede- simo Stato, le pretese derivanti da atto illecito sono regolate dal diritto di questo Stato. 2 Se danneggiatore e danneggiato non hanno la dimora abituale nel medesimo Stato, si applica il diritto dello Stato in cui l’atto è stato commesso. Se l’effetto non si produce nello Stato in cui l’atto è stato commesso, si applica il diritto dello Stato in cui l’effetto si produce, sempreché il danneggiatore dovesse presumere che l’effetto si sarebbe prodotto in questo Stato. 3 Nonostante i capoversi 1 e 2, ove l’atto illecito sia lesivo di un rap- porto giuridico esistente tra danneggiatore e danneggiato, le pretese che ne derivano sottostanno al diritto regolatore di tale rapporto. Art. 134 Le pretese derivanti da incidenti della circolazione stradale sono rego- late dalla convenzione dell’Aia del 4 maggio 197177 sulla legge appli- cabile in materia di incidenti della circolazione stradale. Art. 135 1 Le pretese derivanti da vizi o da una descrizione viziata di un prodot- to sono regolate, a scelta del danneggiato: a. dal diritto dello Stato della stabile organizzazione o, in man- canza di stabile organizzazione, della dimora abituale del dan- neggiatore o b. dal diritto dello Stato in cui il prodotto è stato acquistato, sem- preché il danneggiatore non provi che il prodotto vi è stato messo in commercio senza il suo consenso. 2 Le pretese derivanti da vizi o da una descrizione viziata di un prodot- to, se regolate da un diritto straniero, possono essere soddisfatte in Svizzera soltanto nella misura prevista in simili casi dal diritto sviz- zero. 77 RS 0.741.31 II. Diritto applicabile 1. In genere a. Per scelta delle parti b. Senza scelta delle parti 2. In particolare a. Incidenti della circolazione stradale b. Vizi di un prodotto Diritto internazionale privato. LF 39 291 Art. 136 1 Le pretese derivanti da concorrenza sleale sono regolate dal diritto dello Stato sul cui mercato si esplicano gli effetti dell’atto sleale. 2 Se la lesione concerne esclusivamente gli interessi aziendali del dan- neggiato, si applica il diritto dello Stato in cui si trova la stabile orga- nizzazione interessata. 3 È fatto salvo l’articolo 133 capoverso 3. Art. 137 1 Le pretese derivanti da ostacoli alla concorrenza sono regolate dal diritto dello Stato sul cui mercato il danneggiato è direttamente col- pito. 2 Le pretese derivanti da ostacoli alla concorrenza, se regolate da un diritto straniero, possono essere soddisfatte in Svizzera soltanto nella misura prevista in simili casi dal diritto svizzero. Art. 138 Le pretese derivanti da immissioni nocive da un fondo sono regolate, a scelta del danneggiato, dal diritto dello Stato di situazione del fondo o dello Stato in cui si produce l’effetto. Art. 138a78 1 Le pretese derivanti da un incidente nucleare sottostanno al diritto svizzero. 2 Se l’impianto nucleare dell’esercente civilmente responsabile è situato nel territorio di una Parte contraente della Convenzione di Parigi79, il diritto di tale Stato determina: a. se il campo d’applicazione dell’obbligo di risarcimento dei danni nucleari dell’esercente è più ampio di quello di cui all’articolo 2 paragrafo (b) della Convenzione di Parigi; b. se e in quale misura è risarcito un danno nucleare nei casi di cui all’articolo 9 della Convenzione di Parigi. 3 Il capoverso 2 si applica per analogia all’esercente di un impianto nucleare situato in uno Stato non Parte contraente della Convenzione di Parigi, in quanto tale Stato preveda una regolamentazione almeno equivalente a quella della Svizzera. 78 Introdotto dall’all. n. II 3 della LF del 13 giu. 2008 sulla responsabilità civile in materia nucleare, in vigore dal 1° gen. 2022, pubblicato il 27 gen. 2022 (RU 2022 43; FF 2007 4957). 79 RS 0.732.44 c. Concorrenza sleale d. Ostacoli alla concorrenza e. Immissioni ebis. Incidenti nucleari Diritto internazionale privato 40 291 Art. 139 1 Le pretese derivanti da una lesione arrecata alla personalità tramite i mezzi di comunicazione sociale, segnatamente tramite la stampa, la radio, la televisione o altri mezzi di pubblica informazione, sono regolate, a scelta del danneggiato: a. dal diritto dello Stato di dimora abituale del danneggiato, sem- preché l’autore della lesione dovesse presumere che l’effetto si sarebbe prodotto in questo Stato; b. dal diritto dello Stato della stabile organizzazione o della di- mora abituale dell’autore della lesione o c. dal diritto dello Stato in cui l’atto lesivo esplica effetto, sem- preché l’autore dovesse presumere che l’effetto si sarebbe pro- dotto in questo Stato. 2 Il diritto di risposta nei confronti dei mezzi di comunicazione sociale periodici è regolato esclusivamente dal diritto dello Stato in cui è apparsa la pubblicazione o è stata diffusa l’emissione radiofonica o televisiva. 3 Il capoverso 1 si applica anche alle pretese per lesione della persona- lità risultante da un trattamento di dati personali come pure per pregiu- dizio arrecato al diritto d’accesso ai dati personali.80 Art. 140 Se più persone hanno partecipato all’atto illecito, il diritto applicabile a ciascuna di loro è determinato separatamente, indipendentemente dal genere della loro partecipazione. Art. 141 Il danneggiato può far valere direttamente la sua pretesa contro l’assi- curatore della persona civilmente responsabile se il diritto applicabile all’atto illecito o al contratto di assicurazione lo prevede. Art. 142 1 Il diritto applicabile all’atto illecito determina in particolare la capa- cità a delinquere, le condizioni e l’estensione della responsabilità, come anche la persona civilmente responsabile. 2 Va tenuto conto delle norme di sicurezza e di condotta nel luogo di commissione dell’atto. 80 Introdotto dall’all. n. 3 della LF del 19 giu. 1992 sulla protezione dei dati, in vigore dal 1° lug. 1993 (RU 1993 1945; FF 1988 II 353). f. Lesione della personalità 3. Disposizioni speciali a. Responsabilità di più persone b. Diritto di credito diretto 4. Campo di applicazione Diritto internazionale privato. LF 41 291 Sezione 4: Disposizioni comuni Art. 143 Se il creditore ha pretese contro più debitori, le conseguenze giuridiche sottostanno al diritto regolatore del rapporto giuridico esistente tra il creditore e il debitore escusso. Art. 144 1 Un debitore può esercitare il regresso verso un altro debitore, diret- tamente o subentrando nelle ragioni del creditore, in quanto i diritti regolatori di ambo i debiti lo consentano. 2 L’esercizio del regresso è regolato dal diritto applicabile al debito dell’obbligato in via di regresso. Le questioni concernenti unicamente il rapporto tra il creditore e l’autorizzato al regresso sono regolate dal diritto applicabile al debito di quest’ultimo. 3 La legittimazione al regresso di un’istituzione che adempie compiti pubblici è regolata dal diritto applicabile a questa istituzione. Per l’ammissibilità e l’esercizio del regresso si applicano i capoversi 1 e 2. Art. 145 1 La cessione contrattuale di un credito è regolata dal diritto scelto dalle parti o, in mancanza di scelta, da quello applicabile al credito. La scelta operata dalle parti è inefficace nei confronti del debitore che non vi acconsenta. 2 Per la cessione del credito del lavoratore, la scelta del diritto appli- cabile è efficace soltanto nella misura in cui l’articolo 121 capoverso 3 l’ammetta per il contratto di lavoro. 3 La forma della cessione è regolata esclusivamente dal diritto appli- cabile al contratto di cessione. 4 Le questioni concernenti unicamente il rapporto tra cedente e ces- sionario sono regolate dal diritto applicabile al rapporto giuridico su cui si fonda la cessione. Art. 145a81 1 Il diritto designato in un titolo che ha forma cartacea o equivalente determina se un credito è rappresentato e trasmesso mediante tale titolo. In mancanza di tale designazione si applica il diritto dello Stato in cui l’emittente ha la sede o, in mancanza di questa, la dimora abitua- le. 81 Introdotto dal n. I 3 della LF del 25 set. 2020 sull’adeguamento del diritto federale agli sviluppi della tecnologia di registro distribuito, in vigore dal 1° feb. 2021 (RU 2021 33; FF 2020 221). I. Pluralità di debitori 1. Pretese contro più debitori 2. Regresso tra debitori II. Trasmissione di crediti 1. Cessione per contratto 1a. Trasmissione mediante un titolo Diritto internazionale privato 42 291 2 Per quanto riguarda i diritti reali su un titolo materiale sono fatte salve le disposizioni del capitolo 7. Art. 146 1 La trasmissione di un credito per legge sottostà al diritto regolatore del rapporto giuridico di base esistente tra il vecchio e il nuovo credi- tore o, in mancanza di tale rapporto, al diritto regolatore del credito. 2 Sono fatte salve le disposizioni del diritto regolatore del credito a tutela del debitore. Art. 147 1 La moneta si definisce giusta il diritto dello Stato di emissione. 2 Gli effetti che una moneta esplica sull’ammontare di un debito sono determinati giusta il diritto applicabile a quest’ultimo. 3 Il pagamento è fatto nella moneta determinata dal diritto dello Stato in cui deve avvenire. Art. 148 1 La prescrizione e l’estinzione di un credito sono regolate dal diritto applicabile a quest’ultimo. 2 In caso di compensazione, l’estinzione è regolata dal diritto applica- bile al credito che s’intende estinguere in tal modo. 3 La novazione, il contratto di remissione e quello di compensazione sono regolati dalle disposizioni della presente legge concernenti il diritto applicabile ai contratti (art. 116 segg.). Sezione 5: Decisioni straniere Art. 149 1 Le decisioni straniere concernenti pretese in materia di obbligazioni sono riconosciute in Svizzera se sono state pronunciate: a. nello Stato in cui il convenuto era domiciliato o b. nello Stato in cui il convenuto dimorava abitualmente, sempre- ché le pretese siano connesse con un’attività svolta in tale Sta- to. 2 La decisione straniera è inoltre riconosciuta se: 2. Trasmissione per legge III. Moneta IV. Prescrizione e estinzione di un credito Diritto internazionale privato. LF 43 291 a.82 concerne una prestazione contrattuale, è stata pronunciata nello Stato di adempimento della prestazione caratteristica e il con- venuto non era domiciliato in Svizzera; b. concerne pretese derivanti da contratti con consumatori, è stata pronunciata nel domicilio o nella dimora abituale del consuma- tore e sono adempiute le condizioni di cui all’articolo 120 ca- poverso 1; c. concerne pretese derivanti da un contratto di lavoro, è stata pronunciata nel luogo di lavoro o dell’azienda e il lavoratore non era domiciliato in Svizzera; d. concerne pretese derivanti dall’esercizio di una stabile organiz- zazione ed è stata pronunciata nella sede della medesima; e. concerne pretese derivanti da indebito arricchimento, è stata pronunciata nel luogo di commissione o di effetto dell’atto e il convenuto non era domiciliato in Svizzera, o f.83 concerne pretese derivanti da atto illecito, è stata pronunciata nel luogo di commissione o di effetto dell’atto oppure, in caso di incidente nucleare, nel luogo in cui è situato l’impianto nu- cleare dell’esercente civilmente responsabile e il convenuto non era domiciliato in Svizzera. Capitolo 9a:84 Trust Art. 149a Per trust s’intendono i trust istituiti con atto giuridico ai sensi della Convenzione dell’Aia del 1° luglio 198585 relativa alla legge applica- bile ai trust e al loro riconoscimento, indipendentemente dal fatto che siano stati provati per scritto conformemente all’articolo 3 della Con- venzione. Art. 149b 1 In materia di trust è determinante la proroga di foro conformemente alle disposizioni del trust. La scelta o una relativa abilitazione contenu- ta in tali disposizioni va osservata soltanto se effettuata in forma scritta 82 Nuovo testo giusta l’art. 3 n. 3 del DF dell’11 dic. 2009 (approvazione ed esecuzione della Conv. di Lugano), in vigore dal 1° gen. 2011 (RU 2010 5601; FF 2009 1435). 83 Nuovo testo giusta l’all. n. II 3 della LF del 13 giu. 2008 sulla responsabilità civile in materia nucleare, in vigore dal 1° gen. 2022, pubblicato il 27 gen. 2022 (RU 2022 43; FF 2007 4957). 84 Introdotto dall’art. 2 del DF del 20 dic. 2006 che approva e traspone nel diritto svizzero la Conv. dell’Aia relativa alla L applicabile ai trust ed al loro riconoscimento, in vigore dal 1° lug. 2007 (RU 2007 2849; FF 2006 517). 85 RS 0.221.371 I. Definizione II. Competenza Diritto internazionale privato 44 291 o altra forma che ne consenta la prova per testo. Salvo diversa stipula- zione, il foro prorogato è esclusivo. L’articolo 5 capoverso 2 si applica per analogia. 2 Il tribunale pattuito non può declinare la propria competenza se: a. una parte, il trust o un trustee ha il domicilio, la dimora abitua- le o una stabile organizzazione nel Cantone del tribunale pat- tuito; o b. una parte rilevante dei beni posti in trust si trova in Svizzera. 3 In assenza di una proroga di foro valida o se in base a quest’ultima al tribunale pattuito non spetta la competenza esclusiva, sono competenti i tribunali svizzeri: a. del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abitua- le del convenuto; b. della sede del trust; o c. del luogo della stabile organizzazione, per le azioni fondate sull’attività di una stabile organizzazione in Svizzera. 4 In caso di controversie inerenti alla responsabilità in seguito ad emis- sione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti è inoltre possibile proporre azione presso i tribunali svizzeri del luogo di emissione. Questa competenza non può essere esclusa mediante proroga di foro. Art. 149c 1 Il diritto applicabile ai trust è regolato dalla Convenzione dell’Aia del 1° luglio 198586 relativa alla legge applicabile ai trust ed al loro rico- noscimento. 2 Il diritto applicabile designato dalla Convenzione è determinante anche per i trust per i quali, in virtù dell’articolo 5 della Convenzione, la stessa non è applicabile o, in virtù dell’articolo 13 della Conven- zione, non vi è obbligo di riconoscimento. Art. 149d 1 Se i beni in trust sono iscritti a nome dei trustee nel registro fondia- rio, nel registro del naviglio o nel registro aeronautico, l’esistenza di un rapporto di trust può essere oggetto di una menzione. 2 I rapporti di trust inerenti a diritti immateriali registrati in Svizzera sono iscritti su domanda nei rispettivi registri. 3 Se non è menzionato né iscritto, il rapporto di trust è inefficace nei confronti dei terzi in buona fede. 86 RS 0.221.371 III. Diritto applicabile IV. Disposizioni speciali concernenti la pubblicità Diritto internazionale privato. LF 45 291 Art. 149e 1 Le decisioni straniere in materia di trust sono riconosciute in Sviz- zera se: a. sono state pronunciate da un tribunale validamente pattuito ai sensi dell’articolo 149b capoverso 1; b. sono state pronunciate nello Stato di domicilio, di dimora abi- tuale o della stabile organizzazione del convenuto; c. sono state pronunciate nello Stato di sede del trust; d. sono state pronunciate nello Stato al cui diritto è assoggettato il trust; o e. sono riconosciute nello Stato di sede del trust e il convenuto non era domiciliato in Svizzera. 2 L’articolo 165 capoverso 2 si applica per analogia alle decisioni stra- niere concernenti pretese derivanti dall’emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti per mezzo di prospetti, circolari o analoghe pubblicazioni. Capitolo 10: Società Art. 150 1 Sono società nel senso della presente legge le unioni di persone e le unità patrimoniali, organizzate. 2 Le società semplici che non si son dotate di un’organizzazione sono regolate dal diritto applicabile ai contratti (art. 116 segg.). Art. 151 1 Nelle controversie societarie, i tribunali svizzeri della sede della società sono competenti per le azioni contro la società, contro i soci o contro le persone responsabili in virtù del diritto societario. 2 Per le azioni contro un socio o contro una persona responsabile in virtù del diritto societario sono competenti anche i tribunali svizzeri del domicilio o, in mancanza di domicilio, della dimora abituale del convenuto. 3 Per le azioni di responsabilità in seguito ad emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti sono inoltre competenti i tribunali svizzeri del luogo di emissione. Questa competenza non può essere esclusa con una proroga di foro. V. Decisioni straniere I. Definizioni II. Competenza 1. Principio Diritto internazionale privato 46 291 4 ...87 Art. 152 Per le azioni contro le persone responsabili giusta l’articolo 159, come anche contro la società estera per la quale esse agiscono, sono compe- tenti: a. i tribunali svizzeri del domicilio o, mancanza di domicilio, del- la dimora abituale del convenuto o b. i tribunali svizzeri del luogo in cui la società è amministrata effettivamente. Art. 153 Per misure a tutela di beni situati in Svizzera di società con sede all’estero sono competenti i tribunali o le autorità svizzeri del luogo di situazione. Art. 154 1 Le società sono regolate dal diritto dello Stato giusta il quale sono organizzate, se ne adempiono le prescrizioni in materia di pubblicità o registrazione o, in mancanza di tali prescrizioni, si sono organizzate giusta il diritto di questo Stato. 2 La società che non adempie tali condizioni sottostà al diritto dello Stato in cui è amministrata effettivamente. Art. 155 Fatti salvi gli articoli 156 a 161, il diritto applicabile alla società de- termina in particolare: a. la natura giuridica; b. la costituzione e lo scioglimento; c. la capacità giuridica e la capacità di agire; d. il nome o la ditta; e. l’organizzazione; f. i rapporti interni, segnatamente quelli tra la società ed i mem- bri; g. la responsabilità in caso di violazione delle norme del diritto societario; 87 Introdotto dall’all. 1 n. II 18 del Codice di procedura civile del 19 dic. 2008 (RU 2010 1739; FF 2006 6593). Abrogato dal n. II 2 della LF del 28 set. 2012, con effetto dal 1° mag. 2013 (RU 2013 1103; FF 2011 6109). 2. Responsabilità per società estere 3. Misure protettive III. Diritto applicabile 1. Principio 2. Estensione Diritto internazionale privato. LF 47 291 h. la responsabilità per i debiti societari; i. la rappresentanza delle persone che agiscono per la società in virtù della sua organizzazione. Art. 156 Le pretese derivanti dall’emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti per mezzo di prospetti, circolari od analoghe pubblicazioni possono essere fatte valere giusta il diritto applicabile alla società ovvero giusta il diritto dello Stato di emissione. Art. 157 1 La protezione del nome o della ditta di una società iscritta nel regi- stro svizzero di commercio è regolata dal diritto svizzero se il pregiu- dizio è stato arrecato in Svizzera. 2 Se la società non è iscritta nel registro svizzero di commercio, la protezione del nome o della ditta è regolata dal diritto applicabile alla concorrenza sleale (art. 136) o alla lesione della personalità (art. 132, 133 e 139). Art. 158 La società non può invocare la limitazione del potere di rappresentanza di un organo o di un rappresentante se tale limitazione non è prevista dal diritto dello Stato della stabile organizzazione o della dimora abituale dell’altra parte, eccetto che quest’ultima sapesse o dovesse sapere di tale limitazione. Art. 159 Se gli affari di una società costituita giusta il diritto straniero sono gestiti in Svizzera o a partire dalla Svizzera, la responsabilità delle persone che agiscono per essa è regolata dal diritto svizzero. Art. 160 1 Una società con sede all’estero può avere una succursale in Svizzera. Tale succursale è regolata dal diritto svizzero. 2 Il potere di rappresentanza della succursale è regolato dal diritto svizzero. Almeno una persona con potere di rappresentanza dev’essere domiciliata in Svizzera ed iscritta nel registro svizzero di commercio. 3 Il Consiglio federale disciplina i particolari inerenti all’obbligo d’iscrizione nel registro di commercio. IV. Collegamenti speciali 1. Pretese derivanti dall’emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti 2. Protezione del nome e della ditta 3. Limitazione del potere di rappresentanza 4. Responsabilità per società straniere V. Succursali in Svizzera di società straniere Diritto internazionale privato 48 291 Art. 161 1 La società straniera può, senza liquidazione né nuova costituzione, sottoporsi al diritto svizzero se il diritto straniero lo consente, se essa medesima adempie le condizioni poste dal diritto straniero e se l’adat- tamento a una forma prevista dal diritto svizzero è possibile. 2 Il Consiglio federale può autorizzare la sottomissione al diritto sviz- zero anche senza tener conto del diritto straniero, segnatamente se interessi svizzeri rilevanti lo richiedano. Art. 162 1 La società tenuta a farsi iscrivere nel registro di commercio giusta il diritto svizzero è regolata da quest’ultimo appena provi che il suo cen- tro di attività è stato trasferito in Svizzera e ch’essa si è adattata al diritto svizzero. 2 La società non tenuta a farsi iscrivere nel registro di commercio giu- sta il diritto svizzero è regolata da quest’ultimo appena sia chiaramente riconoscibile ch’essa intende sottoporvisi, sussista una sufficiente con- nessione con la Svizzera ed essa si sia adattata al diritto svizzero. 3 Prima di farsi iscrivere nel registro di commercio, la società di capi- tali deve provare, mediante una relazione di un perito revisore abilitato ai sensi della legge del 16 dicembre 200590 sui revisori, che il capitale sociale è coperto secondo il diritto svizzero.91 Art. 16392 1 Una società svizzera può, senza liquidazione né nuova costituzione, sottoporsi al diritto straniero se sono adempiute le condizioni poste dal diritto svizzero e se continua a sussistere giusta il diritto straniero. 2 I creditori devono essere pubblicamente diffidati a far valere i loro crediti, facendo loro presente l’imminente modifica dello statuto societario. L’articolo 46 della legge del 3 ottobre 200393 sulla fusione si applica per analogia. 3 Sono fatte salve le disposizioni sulle misure preventive di protezione in caso di conflitti internazionali ai sensi dell’articolo 61 della legge 88 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 89 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 90 RS 221.302 91 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 16 dic. 2005 (Diritto della società a garanzia limitata; adeguamento del diritto della società anonima, della società cooperativa, del registro di commercio e delle ditte commerciali), in vigore dal 1° gen. 2008 (RU 2007 4791; FF 2002 2841, 2004 3545). 92 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 93 RS 221.301 VI. Trasferimen- to, fusione, scissione e trasferimento di patrimonio 1. Trasferimento della società dall’estero in Svizzera a. Principio88 b. Momento determinante89 2. Trasferimento della società dalla Svizzera all’estero Diritto internazionale privato. LF 49 291 federale dell’8 ottobre 198294 sull’approvvigionamento economico del Paese. Art. 163a 95 1 Se il diritto applicabile alla società straniera lo permette e le condi- zioni poste da tale diritto sono adempiute, una società svizzera può assumere una società straniera (incorporazione mediante immigrazio- ne) o unirsi a essa in una nuova società svizzera (combinazione me- diante immigrazione). 2 Per il rimanente la fusione soggiace al diritto svizzero. Art. 163b 96 1 Una società straniera può assumere una società svizzera (incorpo- razione mediante emigrazione) o unirsi a essa in una nuova società straniera (combinazione mediante emigrazione) se la società svizzera prova che: a. con la fusione tutti i suoi passivi e attivi sono trasferiti alla so- cietà straniera; e b. le quote sociali e i diritti societari sono adeguatamente salva- guardati in seno alla società straniera. 2 La società svizzera deve ottemperare a tutte le disposizioni del diritto svizzero applicabili alla società trasferente. 3 In Svizzera, i creditori devono essere pubblicamente diffidati a notificare i loro crediti, facendo loro presente l’imminente fusione. L’articolo 46 della legge del 3 ottobre 200397 sulla fusione si applica per analogia. 4 Per il rimanente la fusione soggiace al diritto della società assuntrice straniera. Art. 163c98 1 Il contratto di fusione deve ottemperare alle disposizioni imperative degli ordinamenti giuridici applicabili alle società partecipanti alla fusione, incluse le prescrizioni di forma. 94 [RU 1983 931; 1992 288 all. n. 24; 1995 1018, 1794; 1996 3371 all. 2 n. 1; 2001 1439; 2006 2197 all. n. 48; 2010 1881 all. 1 n. II 18; 2012 3655 I 15. RU 2017 3097 all. 2 n. I]. Vedi ora la Legge del 17 giu. 2016 (RS 531). 95 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 96 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 97 RS 221.301 98 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 3. Fusione a. Fusione con una società svizzera b. Fusione con una società straniera c. Contratto di fusione Diritto internazionale privato 50 291 2 Per il rimanente, il contratto è disciplinato dal diritto scelto dalle parti. In caso di omessa scelta del diritto applicabile, il contratto di fusione è regolato dal diritto dello Stato con il quale è più strettamente connesso. Si presume che la connessione più stretta sia quella con lo Stato il cui ordinamento giuridico disciplina la società assuntrice. Art. 163d99 1 Le disposizioni della presente legge relative alla fusione si applicano per analogia alla scissione e al trasferimento di patrimonio a cui parte- cipano una società svizzera e una società straniera. L’articolo 163b capoverso 3 non si applica al trasferimento di patrimonio. 2 Per il rimanente, la scissione e il trasferimento di patrimonio sono regolati dal diritto applicabile alla società che opera la scissione o che trasferisce il suo patrimonio a un altro soggetto giuridico. 3 Per quanto concerne il contratto di scissione, se le condizioni di cui all’articolo 163c capoverso 2 sono soddisfatte, si presume che esso sia disciplinato dal diritto applicabile alla società che opera la scissione. Tali norme si applicano per analogia al contratto di trasferimento. Art. 164100 1 Una società iscritta nel registro di commercio svizzero può essere cancellata soltanto se la relazione di un perito revisore abilitato attesta che i creditori hanno ottenuto garanzie, sono stati soddisfatti confor- memente all’articolo 46 della legge del 3 ottobre 2003101 sulla fusione o consentono alla cancellazione.102 2 Se una società straniera assume una società svizzera, se si unisce a quest’ultima in una nuova società straniera o se una società svizzera opera una scissione in società straniere, è inoltre necessario: a. provare che la fusione o la scissione ha acquisito validità giu- ridica secondo il diritto applicabile alla società straniera; e b.103 che un perito revisore abilitato attesti che la società straniera ha attribuito ai soci della società svizzera le quote sociali o i 99 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 100 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 101 RS 221.301 102 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 16 dic. 2005 (Diritto della società a garanzia limitata; adeguamento del diritto della società anonima, della società cooperativa, del registro di commercio e delle ditte commerciali), in vigore dal 1° gen. 2008 (RU 2007 4791; FF 2002 2841, 2004 3545). 103 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 16 dic. 2005 (Diritto della società a garanzia limitata; adeguamento del diritto della società anonima, della società cooperativa, del registro di commercio e delle ditte commerciali), in vigore dal 1° gen. 2008 (RU 2007 4791; FF 2002 2841, 2004 3545). 4. Scissione e trasferimento di patrimonio 5. Disposizioni comuni a. Cancellazione dal registro di commercio Diritto internazionale privato. LF 51 291 diritti societari cui hanno diritto oppure ha versato o garantito un conguaglio o un’indennità eventuali. Art. 164a104 1 Se una società straniera assume una società svizzera, se si unisce a quest’ultima in una nuova società straniera o se una società svizzera opera una scissione in società straniere, l’azione tendente al controllo delle quote sociali e dei diritti societari di cui all’articolo 105 della legge del 3 ottobre 2003105 sulla fusione può essere promossa anche presso la sede svizzera del soggetto giuridico trasferente. 2 Il luogo dell’esecuzione e il foro svizzeri sussistono dopo la cancel- lazione fino a quando i creditori o i titolari di quote siano stati sod- disfatti o i loro crediti garantiti. Art. 164b106 La validità dell’assoggettamento di una società svizzera a un altro ordinamento giuridico straniero e della fusione, della scissione, della trasformazione e del trasferimento di patrimonio tra società straniere è riconosciuta in Svizzera se tali operazioni sono valide secondo i rispet- tivi ordinamenti giuridici. Art. 165 1 Le decisioni straniere concernenti pretese inerenti al diritto societario sono riconosciute in Svizzera se: a. sono state pronunciate o vengano riconosciute nello Stato di sede della società e il convenuto non era domiciliato in Sviz- zera o b. sono state pronunciate nello Stato di domicilio o di dimora abi- tuale del convenuto. 2 Le decisioni straniere concernenti pretese derivanti dall’emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti per mezzo di prospetti, circolari od analoghe pubblicazioni sono riconosciute in Svizzera se sono state pronunciate nello Stato di emissione e il convenuto non era domiciliato in Svizzera. 104 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 105 RS 221.301 106 Introdotto dall’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). 107 Nuovo testo giusta l’all. n. 4 della LF del 3 ott. 2003 sulla fusione, in vigore dal 1° lug. 2004 (RU 2004 2617; FF 2000 3765). b. Luogo dell’esecuzione e foro c. Trasferimento, fusione, scissione e trasferimento di patrimonio all’estero VII. Decisioni straniere107 Diritto internazionale privato 52 291 Capitolo 11: Fallimento e concordato Art. 166108 1 Il decreto straniero di fallimento è riconosciuto ad istanza dell’am- ministrazione straniera del fallimento, del debitore o di un creditore se: a. è esecutivo nello Stato in cui è stato pronunciato; b. non sussiste alcun motivo di rifiuto giusta l’articolo 27; e c. è stato pronunciato: 1. nello Stato di domicilio del debitore, o 2. nello Stato nel quale era situato il centro degli interessi principali del debitore, a condizione che questi non fosse domiciliato in Svizzera nel momento dell’apertura della procedura straniera. 2 Se il debitore ha una succursale in Svizzera, i procedimenti previsti dall’articolo 50 capoverso 1 della legge federale dell’11 aprile 1889109 sulla esecuzione e sul fallimento (LEF) sono ammissibili fino alla pubblicazione del riconoscimento secondo l’articolo 169 della presente legge. 3 Se è già stato aperto un procedimento secondo l’articolo 50 capo- verso 1 LEF e il termine secondo l’articolo 250 LEF non è ancora scaduto, il procedimento è sospeso dopo il riconoscimento del decreto straniero di fallimento. I crediti già insinuati sono menzionati nella graduatoria della procedura di fallimento ancillare conformemente all’articolo 172. Le spese procedurali accumulate sono riportate nella procedura di fallimento ancillare. Art. 167 1 Se il debitore ha in Svizzera una succursale iscritta nel registro di commercio, l’istanza di riconoscimento del decreto straniero di falli- mento dev’essere proposta al tribunale competente della sede della succursale. In tutti gli altri casi, l’istanza deve essere proposta al tribunale competente del luogo di situazione dei beni in Svizzera. L’articolo 29 è applicabile per analogia.110 2 Se il debitore ha più succursali o se i beni si trovano in più luoghi, è competente il tribunale adito per primo.111 108 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 109 RS 281.1 110 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 111 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). I. Riconosci- mento II. Procedura 1. Competenza Diritto internazionale privato. LF 53 291 3 I crediti del fallito sono considerati situati nel luogo di domicilio del suo debitore. Art. 168 Proposta l’istanza di riconoscimento del decreto straniero di falli- mento, il tribunale può, su richiesta dell’instante, ordinare i provvedi- menti conservativi di cui agli articoli 162 a 165 e 170 LEF112 113. Art. 169 1 La decisione di riconoscimento del decreto straniero di fallimento è pubblicata. 2 Essa è comunicata all’ufficio di esecuzione, all’ufficio dei fallimenti, all’ufficio del registro fondiario e al registro di commercio del luogo di situazione dei beni, come anche, se è il caso, all’Istituto federale della proprietà intellettuale114. La stessa norma vale per la chiusura e la sospensione della procedura di fallimento ancillare, per la revoca del fallimento e per la rinuncia all’esecuzione di una procedura di falli- mento ancillare.115 Art. 170 1 Salvo che la presente legge disponga altrimenti, il riconoscimento del decreto straniero di fallimento comporta, per i beni del debitore situati in Svizzera, le conseguenze giuridiche del fallimento previste dal diritto svizzero. 2 I termini giusta il diritto svizzero decorrono dalla pubblicazione della decisione di riconoscimento. 3 La massa è liquidata con la procedura sommaria, sempreché né l’am- ministrazione straniera del fallimento né un creditore secondo l’articolo 172 capoverso 1 chiedano all’ufficio dei fallimenti, prima della ripartizione della somma ricavata, che si proceda secondo la procedura ordinaria di fallimento, fornendo una garanzia sufficiente per le spese presumibilmente non coperte.116 112 RS 281.1 113 Nuova espr. giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). Di detta mod. é tenuto conto in tutto il presente testo. 114 Nuova denominazione giusta il DCF non pubblicato del 19 dic. 1997. 115 Nuovo testo del per. giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 116 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 2. Provvedimenti conservativi 3. Pubblicazione III. Conseguenze giuridiche 1. In genere Diritto internazionale privato 54 291 Art. 171 1 L’azione revocatoria è regolata dagli articoli 285 a 292 LEF117. Può essere proposta anche dall’amministrazione straniera del fallimento o da un creditore del fallito legittimato a tal fine. 2 Per il computo dei termini di cui agli articoli 285–288a e 292 LEF è determinante il momento dell’apertura del fallimento all’estero.118 Art. 172 1 Nella graduatoria sono menzionati soltanto: a. i crediti garantiti da pegno giusta l’articolo 219 LEF119; b. i crediti non garantiti da pegno, ma privilegiati, di creditori domiciliati in Svizzera; e c. i crediti connessi con obbligazioni assunte per conto di una succursale del debitore iscritta nel registro di commercio.120 2 L’azione di impugnazione della graduatoria giusta l’articolo 250 LEF può essere proposta soltanto dai creditori di cui al capoverso 1 e dall’amministrazione straniera del fallimento.121 3 Se un creditore è già stato parzialmente tacitato in un procedimento estero connesso con il fallimento, tale parte, dedotte le spese, è impu- tata al dividendo che gli spetta nel procedimento svizzero. Art. 173 1 Tacitati i creditori giusta l’articolo 172 capoverso 1, l’eventuale saldo è messo a disposizione dell’amministrazione straniera del fallimento o dei creditori legittimati. 2 Il saldo può essere messo a disposizione soltanto se la graduatoria straniera è stata riconosciuta. 3 Per il riconoscimento della graduatoria straniera è competente il tri- bunale svizzero che ha riconosciuto il decreto straniero di fallimento. Il tribunale esamina in particolare se tale graduatoria tenga adeguata- mente conto dei crediti di persone domiciliate in Svizzera. Questi cre- ditori devono essere sentiti. 117 RS 281.1 118 Introdotto dal n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 119 RS 281.1 120 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 121 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 2. Azione revocatoria 3. Graduatoria 4. Ripartizione a. Riconosci- mento della graduatoria straniera Diritto internazionale privato. LF 55 291 Art. 174 1 Se la graduatoria straniera non viene riconosciuta, il saldo è ripartito fra i creditori della terza classe giusta l’articolo 219 capoverso 4 LEF122, domiciliati in Svizzera.123 2 La stessa norma vale se la graduatoria non è esibita per la delibazione entro il termine fissato dal giudice. Art. 174a124 1 Ad istanza dell’amministrazione straniera del fallimento si può ri- nunciare a eseguire una procedura di fallimento ancillare se non sono stati insinuati crediti secondo l’articolo 172 capoverso 1. 2 Se vi sono creditori con domicilio in Svizzera che hanno insinuato crediti diversi da quelli menzionati nell’articolo 172 capoverso 1, il tribunale può rinunciare a eseguire una procedura di fallimento ancilla- re se la procedura straniera tiene adeguatamente conto di questi crediti. Questi creditori devono essere sentiti. 3 Il tribunale può vincolare la rinuncia a condizioni e oneri. 4 Se il tribunale ha rinunciato a eseguire una procedura di fallimento ancillare, l’amministrazione straniera del fallimento può, a condizione di rispettare il diritto svizzero, esercitare tutte le competenze che le spettano secondo il diritto dello Stato in cui il fallimento è stato aperto; può in particolare trasferire beni all’estero e stare in giudizio. Queste competenze non comprendono l’esercizio di attività sovrane, l’applicazione di mezzi coercitivi o il diritto di pronunciare sulle controversie. Art. 174b125 Nelle procedure materialmente connesse, le autorità e gli organi in- teressati possono coordinare i loro atti tra loro nonché con le autorità e gli organi stranieri. 122 RS 281.1 123 Nuovo testo giusta l’all. n. 22 della LF del 16 dic. 1994, in vigore dal 1° gen. 1997 (RU 1995 1227; FF 1991 III 1). 124 Introdotto dal n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 125 Introdotto dal n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). b. Negato rico- noscimento della graduatoria straniera 5. Rinuncia all’esecuzione di una procedura di fallimento ancillare IIIbis. Coordina- mento Diritto internazionale privato 56 291 Art. 174c126 Se sono strettamente connesse con un decreto di fallimento riconosciu- to in Svizzera, le decisioni straniere sulle azioni revocatorie e su altri atti che danneggiano il creditore sono riconosciute secondo gli artico- li 25–27, a condizione che siano state prese o riconosciute nello Stato da cui emana il decreto di fallimento e il convenuto non sia domiciliato in Svizzera. Art. 175 Se pronunciato dall’autorità competente, il decreto straniero che omo- loga il concordato o un analogo procedimento è riconosciuto in Svizz- era. Gli articoli 166–170 e 174a–174c si applicano per analogia.127 I creditori domiciliati in Svizzera devono essere sentiti. Capitolo 12: Arbitrato internazionale Art. 176 1 Le disposizioni del presente capitolo si applicano ai tribunali arbitrali con sede in Svizzera sempreché, al momento della stipulazione, alme- no una parte al patto di arbitrato non avesse né domicilio, né dimora abituale, né sede in Svizzera.128 2 Le parti possono escludere l’applicabilità del presente capitolo me- diante una dichiarazione nel patto di arbitrato o in un accordo succes- sivo e convenire di applicare la parte terza del CPC129. Tale dichiara- zione richiede la forma prevista dall’articolo 178 capoverso 1.130 3 La sede del tribunale arbitrale è designata dalle parti o dall’istitu- zione arbitrale da loro indicata, altrimenti dagli arbitri medesimi. Art. 177 1 Può essere oggetto di arbitrato qualsiasi pretesa patrimoniale. 2 Uno Stato, un’impresa dominata da uno Stato o un’organizzazione controllata da uno Stato non può, in quanto parte, invocare il proprio diritto per contestare la compromettibilità della causa oggetto del patto 126 Introdotto dal n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 127 Nuovo testo del per. giusta il n. I della LF del 16 mar. 2018, in vigore dal 1° gen. 2019 (RU 2018 3263; FF 2017 3531). 128 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 129 RS 272 130 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). IIIter. Ricono- scimento di decisioni straniere su azioni revocato- rie e di decisioni analoghe IV. Riconosci- mento di concor- dati e di analoghi procedimenti stranieri I. Campo di applicazione. Sede del tribunale arbitrale II. Comprometti- bilità Diritto internazionale privato. LF 57 291 di arbitrato o la propria capacità di essere parte nel procedimento arbi- trale. Art. 178 1 Il patto di arbitrato dev’essere fatto per scritto o in un’altra forma che consenta la prova per testo.132 2 Il patto è materialmente valido se conforme al diritto scelto dalle parti, al diritto applicabile all’oggetto litigioso, segnatamente a quello applicabile al contratto principale, o al diritto svizzero. 3 Contro il patto di arbitrato non può essere eccepita la nullità del con- tratto principale od il fatto ch’esso si riferisca a una lite non ancora sorta. 4 Alle clausole di arbitrato previste in negozi giuridici unilaterali o in statuti si applicano per analogia le disposizioni del presente capito- lo.133 Art. 179134 1 Gli arbitri sono nominati o sostituiti giusta quanto pattuito fra le parti. Salvo diversa pattuizione delle parti, il tribunale arbitrale si compone di tre membri: ciascuna parte nomina un arbitro e questi, a voto unanime, eleggono il terzo quale presidente. 2 Se tale pattuizione manca o se gli arbitri non possono essere nominati o sostituiti per altri motivi, può essere adito il giudice del luogo di sede del tribunale arbitrale. Se le parti non hanno determinato la sede o hanno semplicemente convenuto che il tribunale arbitrale ha sede in Svizzera, è competente il giudice adito per primo. 3 Il giudice cui è stata affidata la nomina o la sostituzione di un arbitro soddisfa tale richiesta eccetto che, da un esame sommario, risulti che le parti non sono legate da un patto di arbitrato. 4 Ad istanza di parte, il giudice adotta i provvedimenti necessari alla costituzione del tribunale arbitrale se le parti o gli arbitri non adem- piono i loro obblighi entro 30 giorni da quando ne sono stati richiesti. 5 In caso di arbitrato concernente più parti, il giudice può nominare tutti gli arbitri. 131 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 132 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 133 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 134 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). III. Patto e clausole di arbitrato131 IV. Arbitri 1. Nomina e sostituzione Diritto internazionale privato 58 291 6 La persona proposta quale arbitro deve rivelare senza indugio l’e- sistenza di circostanze che potrebbero far dubitare legittimamente della sua indipendenza o imparzialità. Tale obbligo sussiste durante l’intero procedimento. Art. 180 1 Un arbitro può essere ricusato se: a. non soddisfa ai requisiti convenuti dalle parti; b.136 vi è un motivo di ricusa contemplato dall’ordinamento proce- durale convenuto dalle parti; o c.137 vi sono circostanze tali da far dubitare legittimamente della sua indipendenza o imparzialità. 2 Una parte può ricusare un arbitro da lei nominato, o alla cui nomina ha partecipato, unicamente per motivi di cui, nonostante abbia usato la dovuta attenzione, è venuta a conoscenza soltanto dopo la nomina.138 3 ...139 Art. 180a140 1 Salvo diversa pattuizione delle parti e purché il procedimento arbitra- le non sia ancora concluso, l’istanza di ricusa, scritta e motivata, dev’essere proposta all’arbitro ricusato e comunicata agli altri arbitri entro 30 giorni dal momento in cui l’instante è venuto a conoscenza del motivo di ricusa o avrebbe potuto venirne a conoscenza usando la dovuta attenzione. 2 Entro 30 giorni dal deposito dell’istanza di ricusa, l’instante può chiedere la ricusa al giudice. Questi decide definitivamente. 3 Salvo diversa pattuizione delle parti, durante la procedura di ricusa il tribunale arbitrale può continuare il procedimento fino e compresa la pronuncia del lodo, senza escludere l’arbitro ricusato. 135 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 136 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 137 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 138 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 139 Abrogato dal n. I della LF del 19 giu. 2020, con effetto dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 140 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 2. Ricusa a. Motivi135 b. Procedura Diritto internazionale privato. LF 59 291 Art. 180b141 1 Ciascun arbitro può essere destituito per accordo tra le parti. 2 Se un arbitro non si dimostra in grado di adempiere i suoi compiti in un termine utile o di agire con la cura richiesta dalle circostanze, una parte può, salvo diversa pattuizione, chiederne la destituzione al giu- dice con istanza scritta e motivata. Il giudice decide definitivamente. Art. 181 Il procedimento arbitrale è pendente appena una parte adisca l’arbitro o gli arbitri designati nel patto d’arbitrato o, in mancanza di tale desi- gnazione, appena una parte avvii la procedura di costituzione del tri- bunale arbitrale. Art. 182 1 Le parti possono regolare la procedura arbitrale direttamente o me- diante richiamo di un ordinamento procedurale arbitrale; possono an- che dichiarare applicabile un diritto procedurale di loro scelta. 2 Se non regolata dalle parti medesime, la procedura, per quanto neces- sario, è stabilita dal tribunale arbitrale, sia direttamente sia con riferi- mento a una legge o a un ordinamento procedurale arbitrale. 3 Indipendentemente dalla procedura scelta, il tribunale arbitrale deve garantire in ogni caso la parità di trattamento delle parti, nonché il loro diritto d’essere sentite in contraddittorio. 4 La parte che prosegue il procedimento arbitrale senza eccepire im- mediatamente una violazione di regole procedurali che ha constatato o che avrebbe potuto constatare usando la dovuta attenzione, non può più invocarla in un secondo tempo.142 Art. 183 1 Salvo diversa pattuizione delle parti, il tribunale arbitrale può, ad istanza di parte, ordinare provvedimenti cautelari o conservativi. 2 Se la parte contro cui è ordinato il provvedimento non vi si sottopone spontaneamente, il tribunale arbitrale o una parte può chiedere la collaborazione del giudice competente; questi applica il suo proprio diritto.143 141 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 142 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 143 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 3. Destituzione V. Litispendenza VI. Procedura 1. Principio 2. Provvedimenti cautelari e conservativi Diritto internazionale privato 60 291 3 Il tribunale arbitrale o il giudice possono subordinare l’attuazione dei provvedimenti cautelari o conservativi alla prestazione di adeguate garanzie. Art. 184 1 Il tribunale arbitrale procede lui stesso all’assunzione delle prove. 2 Se per l’esecuzione della procedura probatoria è necessaria l’assi- stenza delle autorità giudiziarie dello Stato, il tribunale arbitrale o, con il suo consenso, una parte può chiedere la collaborazione del giudice del luogo di sede del tribunale arbitrale.144 3 Il giudice applica il suo proprio diritto. Ad istanza di parte può appli- care o considerare altre forme procedurali.145 Art. 185 Se è necessaria un’ulteriore collaborazione giudiziale, il giudice com- petente è quello del luogo di sede del tribunale arbitrale. Art. 185a146 1 Un tribunale arbitrale con sede all’estero o una parte a un procedi- mento arbitrale estero può chiedere la collaborazione del giudice del luogo in cui deve essere eseguito un provvedimento cautelare o con- servativo. L’articolo 183 capoversi 2 e 3 si applica per analogia. 2 Un tribunale arbitrale con sede all’estero o, con il suo consenso, una parte a un procedimento arbitrale estero può chiedere la collaborazione del giudice del luogo in cui si deve procedere all’assunzione delle prove. L’articolo 184 capoversi 2 e 3 si applica per analogia. Art. 186 1 Il tribunale arbitrale decide da sé sulla propria competenza. 1bis Il tribunale arbitrale decide sulla propria competenza anche quando un’azione concernente lo stesso oggetto è già pendente tra le stesse parti dinanzi a un tribunale statale o a un altro tribunale arbitrale, salvo che seri motivi richiedano una sospensione della procedura.147 2 L’eccezione d’incompetenza dev’essere proposta prima di qualsiasi atto difensivo nel merito. 144 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 145 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 146 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 147 Introdotto dal n. I della LF del 6 ott. 2006 (Arbitrato. Competenza), in vigore dal 1° mar. 2007 (RU 2007 387; FF 2006 4295 4309). 3. Assunzione delle prove 4. Ulteriore collaborazione del giudice 5. Collaborazio- ne del giudice in procedimenti arbitrali esteri VII. Competenza Diritto internazionale privato. LF 61 291 3 Sulla propria competenza il tribunale arbitrale decide di regola in via pregiudiziale. Art. 187 1 Il tribunale arbitrale decide la controversia secondo le norme giuridi- che scelte dalle parti o, in subordine, secondo le norme giuridiche con cui la fattispecie è più strettamente connessa.149 2 Le parti possono autorizzare il tribunale arbitrale a decidere secondo equità. Art. 188 Salvo diversa pattuizione delle parti, il tribunale arbitrale può emettere decisioni parziali. Art. 189 1 Il lodo è prolato secondo la procedura e la forma pattuite dalle parti. 2 In mancanza di un tale pattuizione, il lodo è emesso a maggioranza di voti o, in subordine, dal presidente del tribunale arbitrale. È steso per scritto, motivato, datato e firmato. La firma del presidente è suffi- ciente. Art. 189a151 1 Salvo diversa pattuizione delle parti, ciascuna parte può chiedere al tribunale arbitrale, entro 30 giorni dalla notificazione del lodo, di rettificare errori di redazione e di calcolo nel lodo, interpretarne deter- minate parti o emanare un lodo complementare su pretese che, pur fatte valere nel procedimento arbitrale, non sono state oggetto di trattazione nel lodo. Entro lo stesso termine il tribunale arbitrale può procedere di sua iniziativa a rettifiche, interpretazioni o completa- menti. 2 La richiesta non sospende i termini d’impugnazione. Per la parte del lodo rettificata, interpretata o completata decorre un nuovo termine d’impugnazione. 148 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 149 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 150 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 151 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). VIII. Lodo 1. Diritto applicabile148 2. Decisione parziale 3. Procedura e forma150 4. Rettifica, interpretazione e completamento Diritto internazionale privato 62 291 Art. 190 1 Notificato che sia, il lodo è definitivo. 2 Il lodo può essere impugnato soltanto se: a. l’arbitro unico è stato nominato irregolarmente o il tribunale arbitrale è stato costituito irregolarmente; b. il tribunale arbitrale si è dichiarato, a torto, competente o in- competente; c. il tribunale arbitrale ha deciso punti litigiosi che non gli erano stati sottoposti o ha omesso di giudicare determinate conclu- sioni; d. è stato violato il principio della parità di trattamento delle parti o il loro diritto di essere sentite; e. è incompatibile con l’ordine pubblico. 3 Le decisioni pregiudiziali possono essere impugnate soltanto in virtù del capoverso 2 lettere a e b; il termine di ricorso decorre dalla notifi- cazione della decisione. 4 Il termine di ricorso è di 30 giorni dalla notificazione del lodo.153 Art. 190a154 1 Una parte può chiedere la revisione di un lodo se: a. ha successivamente appreso fatti rilevanti o trovato mezzi di prova decisivi che non ha potuto allegare nella procedura pre- cedente nonostante abbia usato la dovuta attenzione, esclusi i fatti e mezzi di prova sorti dopo la pronuncia del lodo; b. da un procedimento penale risulta che il lodo a lei sfavorevole è stato influenzato da un crimine o da un delitto; non occorre che sia stata pronunciata una condanna dal giudice penale; se il procedimento penale non può essere esperito, la prova può es- sere addotta in altro modo; c. nonostante sia stata usata la dovuta attenzione, un motivo di ricusa ai sensi dell’articolo 180 capoverso 1 lettera c è stato scoperto soltanto dopo la chiusura del procedimento arbitrale e non si dispone di un altro rimedio giuridico. 2 La domanda di revisione dev’essere presentata entro 90 giorni dalla scoperta del motivo di revisione. Dopo dieci anni dal passaggio in 152 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 153 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 154 Introdotto dal n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). IX. Carattere definitivo, impugnazione, revisione 1. Impugnazio- ne152 2. Revisione Diritto internazionale privato. LF 63 291 giudicato del lodo, la revisione non può più essere chiesta, salvo nel caso di cui al capoverso 1 lettera b. Art. 191155 L’unica autorità di ricorso e di revisione è il Tribunale federale. Le procedure sono rette dagli articoli 77 e 119a della legge del 17 giugno 2005156 sul Tribunale federale. Art. 192 1 Qualora non abbiano il domicilio, la dimora abituale o la sede in Svizzera, mediante una dichiarazione nel patto di arbitrato o in un accordo successivo, le parti possono escludere parzialmente o comple- tamente l’impugnazione delle decisioni arbitrali; non possono tuttavia escludere una revisione secondo l’articolo 190a capoverso 1 lettera b. L’accordo richiede la forma prevista dall’articolo 178 capoverso 1.157 2 Se le parti hanno escluso completamente l’impugnabilità di una decisione e questa dev’essere eseguita in Svizzera, si applica per analogia la convenzione di Nuova York del 10 giugno 1958158 concer- nente il riconoscimento e l’esecuzione delle sentenze arbitrali estere. Art. 193 1 Ogni parte può, a sue spese, depositare un esemplare del lodo presso il giudice del luogo di sede del tribunale arbitrale.159 2 Ad istanza di una parte, il giudice del luogo di sede del tribunale arbitrale attesta l’esecutività.160 3 Ad istanza di una parte, il tribunale arbitrale attesta che il lodo è stato pronunciato secondo le disposizioni della presente legge; siffatta atte- stazione equivale a deposito giudiziale. Art. 194 Il riconoscimento e l’esecuzione di lodi stranieri sono regolati dalla convenzione di Nuova York del 10 giugno 1958161 concernente il riconoscimento e l’esecuzione delle sentenze arbitrali estere. 155 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 156 RS 173.110 157 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 158 RS 0.277.12 159 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 160 Nuovo testo giusta il n. I della LF del 19 giu. 2020, in vigore dal 1° gen. 2021 (RU 2020 4179; FF 2018 6019). 161 RS 0.277.12 3. Autorità di ricorso e di revisione X. Rinuncia all’impugna- zione XI. Deposito e attestazione dell’esecutività XII. Lodi stranieri Diritto internazionale privato 64 291 Capitolo 13: Disposizioni finali Sezione 1: Abrogazioni e modificazioni Art. 195 Le abrogazioni e modificazioni del diritto federale vigente sono date nell’allegato, parte integrante della presente legge. Sezione 2: Disposizioni transitorie Art. 196 1 Gli effetti giuridici di fatti o atti giuridici sorti e conclusi prima dell’entrata in vigore della presente legge sono regolati dal diritto pre- vigente. 2 Gli effetti giuridici di fatti o atti giuridici sorti prima, ma che perdu- rano dopo l’entrata in vigore della presente legge, sono regolati, fino a detta entrata in vigore, dal diritto previgente. Dall’entrata in vigore della presente legge, sono regolati dal nuovo diritto. Art. 197 1 Per le azioni od istanze pendenti al momento dell’entrata in vigore della presente legge rimangono competenti i tribunali o le autorità svizzeri aditi, anche se non più competenti in virtù della presente legge. 2 Le azioni od istanze respinte, per difetto di competenza, da tribunali o autorità svizzeri prima dell’entrata in vigore della presente legge possono essere riproposte ove la presente legge preveda una tale com- petenza e la pretesa giuridica possa essere ancora fatta valere. Art. 198 Il diritto applicabile alle azioni od istanze pendenti in prima istanza al momento dell’entrata in vigore della presente legge è determinato da quest’ultima. Art. 199 Se l’istanza di riconoscimento o esecuzione di una decisione straniera è pendente al momento dell’entrata in vigore della presente legge, i presupposti per il riconoscimento o l’esecuzione sono regolati dalla presente legge. I. Irretroattività II. Diritto transitorio 1. Competenza 2. Diritto applicabile 3. Ricono- scimento e esecuzione di decisioni straniere Diritto internazionale privato. LF 65 291 Sezione 3: Referendum ed entrata in vigore Art. 200 1 La presente legge sottostà al referendum facoltativo. 2 Il Consiglio federale ne determina l’entrata in vigore. Data dell’entrata in vigore: 1° gennaio 1989162 162 DCF del 27 ott. 1988. Diritto internazionale privato 66 291 Allegato Abrogazione e modifica di atti legislativi I. Abrogazioni Sono abrogati: a. la legge federale del 25 giugno 1891163 sui rapporti di diritto civile dei domi- ciliati e dei dimoranti; b. l’articolo 418b capoverso 2 del Codice delle obbligazioni164; c. l’articolo 14 delle disposizioni finali e transitorie dei titoli XXIV a XXXIII del Codice delle obbligazioni; d. l’articolo 85 della legge federale del 19 dicembre 1958165 sulla circolazione stradale; e. l’articolo 30 della legge federale 26 settembre 1890166 sulla protezione delle marche di fabbrica e di commercio, delle indicazioni di provenienza di merci e delle distinzioni industriali; f. l’articolo 14 capoverso 3 della legge federale del 30 marzo 1900167 sui dise- gni e modelli industriali; g. l’articolo 41 capoverso 2 della legge federale del 20 marzo 1975168 sulla protezione delle nuove piante. II. Modifiche ...169 163 [CS 2 723; RU 1972 2653 n. II 1, 1977 237 n. II 1, 1986 122 n. II 1] 164 RS 220 165 RS 741.01 166 [CS 2 829; RU 1951 931 art. 1, 1971 1617, 1992 288 all. n. 8. RS 232.11 art. 74] 167 [CS 2 857; RU 1962 479, 1988 1776 all. n. I lett. f, 1992 288 all. n. 9, 1995 1784 5050 all. n. 3. RU 2002 1456 all. n. 1]. 168 RS 232.16 169 Le mod. possono essere consultate alla RU 1988 1776. Capitolo 1: Disposizioni comuni Sezione 1: Campo di applicazione Art. 1 Sezione 2: Competenza Art. 2 I. In genere Art. 3 II. Foro di necessità Art. 4 III. Convalida del sequestro Art. 5 IV. Proroga di foro Art. 6 V. Costituzione in giudizio del convenuto Art. 7 VI. Patto d’arbitrato Art. 8 VII. Domanda riconvenzionale Art. 8a VIII. Litisconsorzio e cumulo di azioni Art. 8b IX. Azione di chiamata in causa Art. 8c X. Azione in via adesiva nel processo penale Art. 9 XI. Liti- spendenza Art. 10 XII. Provvedimenti cautelari Art. 11 XIII. Assistenza giudiziaria 1. Mediazione per l’assistenza giudiziaria Art. 11a 2. Diritto applicabile Art. 11b 3. Anticipazione delle spese e cauzione per le spese ripetibili Art. 11c 4. Gratuito patrocinio Art. 12 Sezione 3: Diritto applicabile Art. 13 I. Estensione del rinvio Art. 14 II. Rinvio di ritorno e rinvio altrove Art. 15 III. Clausola d’eccezione Art. 16 IV. Accertamento del diritto straniero Art. 17 V. Clausola di riserva Art. 18 VI. Norme svizzere d’applicazione necessaria Art. 19 VII. Considerazione di norme straniere d’applicazione necessaria Sezione 4: Domicilio, sede e cittadinanza Art. 20 I. Domicilio, dimora abituale e stabile organizzazione delle persone fisiche Art. 21 II. Sede e stabile organizzazione delle società e dei trust Art. 22 III. Cittadinanza Art. 23 IV. Pluricittadinanza Art. 24 V. Apolidi e rifugiati Sezione 5: Riconoscimento e esecuzione di decisioni straniere Art. 25 I. Riconoscimento 1. Principio Art. 26 2. Competenza dell’autorità estera Art. 27 3. Motivi di rifiuto Art. 28 II. Esecuzione Art. 29 III. Procedura Art. 30 IV. Transazione giudiziale Art. 31 V. Giurisdizione volontaria Art. 32 VI. Iscrizione nei registri dello stato civile Capitolo 2: Persone fisiche Art. 33 I. Principio Art. 34 II. Capacità giuridica Art. 35 III. Capacità di agire 1. Principio Art. 36 2. Protezione del commercio giuridico Art. 37 IV. Nome 1. Principio Art. 38 2. Cambiamento del nome Art. 39 3. Cambiamento del nome all’estero Art. 40 4. Iscrizione nei registri dello stato civile Art. 40a IVa. Sesso Art. 41 V. Dichiarazione di scomparsa 1. Competenza e diritto applicabile Art. 42 2. Dichiarazione estera di scomparsa e di morte Capitolo 3: Diritto matrimoniale Sezione 1: Celebrazione del matrimonio Art. 43 I. Competenza Art. 44 II. Diritto applicabile Art. 45 III. Matrimonio celebrato all’estero Art. 45a IV. Nullità del matrimonio Sezione 2: Effetti del matrimonio in generale Art. 46 I. Competenza 1. Principio Art. 47 2. Foro di origine Art. 48 II. Diritto applicabile 1. Principio Art. 49 2. Obbligo di mantenimento Art. 50 III. Decisioni o provvedimenti stranieri Sezione 3: Regime dei beni fra i coniugi Art. 51 I. Competenza Art. 52 II. Diritto applicabile 1. Scelta del diritto applicabile a. Principio Art. 53 b. Modalità Art. 54 2. Omessa scelta del diritto applicabile a. Principio Art. 55 b. Mutabilità e retroattività in caso di cambiamento di domicilio Art. 56 3. Forma della convenzione matrimoniale Art. 57 4. Rapporti giuridici con i terzi Art. 58 III. Decisioni straniere Sezione 4: Divorzio e separazione Art. 59 I. Competenza 1. Principio Art. 60 2. Foro di origine Art. 60a 3. Foro del luogo di celebrazione del matrimonio Art. 61 II. Diritto applicabile Art. 62 III. Provvedimenti cautelari Art. 63 IV. Effetti accessori Art. 64 V. Completamento o modificazione di una decisione Art. 65 VI. Decisioni straniere Capitolo 3a: Unione domestica registrata Art. 65a I. Applicazione del capitolo 3 Art. 65b Art. 65c II. Diritto applicabile Art. 65d Capitolo 4: Filiazione Sezione 1: Filiazione per discendenza Art. 66 I. Competenza 1. Principio Art. 67 2. Foro di origine Art. 68 II. Diritto applicabile 1. Principio Art. 69 2. Momento determinante Art. 70 III. Decisioni straniere Sezione 2: Riconoscimento di figlio Art. 71 I. Competenza Art. 72 II. Diritto applicabile Art. 73 III. Riconoscimento all’estero e contestazione Art. 74 IV. Legittimazione Sezione 3: Adozione Art. 75 I. Competenza 1. Principio Art. 76 2. Foro di origine Art. 77 II. Diritto applicabile Art. 78 III. Adozioni e atti analoghi stranieri Sezione 4: Effetti della filiazione Art. 79 I. Competenza 1. Principio Art. 80 2. Foro di origine Art. 81 3. Pretese di terzi Art. 82 II. Diritto applicabile 1. Principio Art. 83 2. Obbligo di mantenimento Art. 84 III. Decisioni straniere Capitolo 5: Tutela, protezione degli adulti e altri provvedimenti protettivi Art. 85 Capitolo 6: Diritto successorio Art. 86 I. Competenza 1. Principio Art. 87 2. Foro di origine Art. 88 3. Foro del luogo di situazione Art. 89 4. Provvedimenti conservativi Art. 90 II. Diritto applicabile 1. Ultimo domicilio in Svizzera Art. 91 2. Ultimo domicilio all’estero Art. 92 3. Estensione dello stato successorio e liquidazione della successione Art. 93 4. Forma Art. 94 5. Capacità di disporre Art. 95 6. Contratti successori e disposizioni reciproche a causa di morte Art. 96 III. Decisioni, provvedimenti, documenti e diritti stranieri Capitolo 7: Diritti reali Art. 97 I. Competenza 1. Fondi Art. 98 2. Cose mobili Art. 98a 3. Beni culturali Art. 99 II. Diritto applicabile 1. Fondi Art. 100 2. Cose mobili a. Principio Art. 101 b. Cose in transito Art. 102 c. Cose che giungono in Svizzera Art. 103 d. Riserva della proprietà su cose esportate Art. 104 e. Scelta del diritto applicabile Art. 105 3. Norme speciali a. Costituzione in pegno di crediti, di titoli di credito e di altri diritti Art. 106 b. Titoli rappresentanti merci e titoli equivalenti Art. 107 c. Mezzi di trasporto Art. 108 III. Decisioni straniere Capitolo 7a: Strumenti finanziari detenuti presso un intermediario Art. 108a I. Definizione Art. 108b II. Competenza Art. 108c III. Diritto applicabile Art. 108d IV. Decisioni straniere Capitolo 8: Diritti immateriali Art. 109 I. Competenza Art. 110 II. Diritto applicabile Art. 111 III. Decisioni straniere Capitolo 9: Diritto delle obbligazioni Sezione 1: Contratti Art. 112 I. Competenza 1. Domicilio e stabile organizzazione Art. 113 2. Luogo di adempimento Art. 114 3. Contratti con consumatori Art. 115 4. Contratti di lavoro Art. 116 II. Diritto applicabile 1. In genere a. Scelta del diritto applicabile Art. 117 b. Omessa scelta del diritto applicabile Art. 118 2. In particolare a. Compravendita di cose mobili corporee Art. 119 b. Fondi Art. 120 c. Contratti con consumatori Art. 121 d. Contratti di lavoro Art. 122 e. Contratti concernenti diritti immateriali Art. 123 3. Disposizioni comuni a. Silenzio su una proposta Art. 124 b. Forma Art. 125 c. Modalità di adempimento e di verifica Art. 126 d. Rappresentanza Sezione 2: Indebito arricchimento Art. 127 I. Competenza Art. 128 II. Diritto applicabile Sezione 3: Atti illeciti Art. 129 I. Competenza 1. Principio Art. 130 2. In particolare a. Incidenti nucleari Art. 130a b. Diritto d’accesso in relazione a collezioni di dati Art. 131 3. Diritto di credito diretto Art. 132 II. Diritto applicabile 1. In genere a. Per scelta delle parti Art. 133 b. Senza scelta delle parti Art. 134 2. In particolare a. Incidenti della circolazione stradale Art. 135 b. Vizi di un prodotto Art. 136 c. Concorrenza sleale Art. 137 d. Ostacoli alla concorrenza Art. 138 e. Immissioni Art. 138a ebis. Incidenti nucleari Art. 139 f. Lesione della personalità Art. 140 3. Disposizioni speciali a. Responsabilità di più persone Art. 141 b. Diritto di credito diretto Art. 142 4. Campo di applicazione Sezione 4: Disposizioni comuni Art. 143 I. Pluralità di debitori 1. Pretese contro più debitori Art. 144 2. Regresso tra debitori Art. 145 II. Trasmissione di crediti 1. Cessione per contratto Art. 145a 1a. Trasmissione mediante un titolo Art. 146 2. Trasmissione per legge Art. 147 III. Moneta Art. 148 IV. Prescrizione e estinzione di un credito Sezione 5: Decisioni straniere Art. 149 Capitolo 9a: Trust Art. 149a I. Definizione Art. 149b II. Competenza Art. 149c III. Diritto applicabile Art. 149d IV. Disposizioni speciali concernenti la pubblicità Art. 149e V. Decisioni straniere Capitolo 10: Società Art. 150 I. Definizioni Art. 151 II. Competenza 1. Principio Art. 152 2. Responsabilità per società estere Art. 153 3. Misure protettive Art. 154 III. Diritto applicabile 1. Principio Art. 155 2. Estensione Art. 156 IV. Collegamenti speciali 1. Pretese derivanti dall’emissione pubblica di titoli di partecipazione e di prestiti Art. 157 2. Protezione del nome e della ditta Art. 158 3. Limitazione del potere di rappresentanza Art. 159 4. Responsabilità per società straniere Art. 160 V. Succursali in Svizzera di società straniere Art. 161 VI. Trasferimento, fusione, scissione e trasferimento di patrimonio 1. Trasferimento della società dall’estero in Svizzera a. Principio Art. 162 b. Momento determinante Art. 163 2. Trasferimento della società dalla Svizzera all’estero Art. 163a 3. Fusione a. Fusione con una società svizzera Art. 163b b. Fusione con una società straniera Art. 163c c. Contratto di fusione Art. 163d 4. Scissione e trasferimento di patrimonio Art. 164 5. Disposizioni comuni a. Cancellazione dal registro di commercio Art. 164a b. Luogo dell’esecuzione e foro Art. 164b c. Trasferimento, fusione, scissione e trasferimento di patrimonio all’estero Art. 165 VII. Decisioni straniere Capitolo 11: Fallimento e concordato Art. 166 I. Riconoscimento Art. 167 II. Procedura 1. Competenza Art. 168 2. Provvedimenti conservativi Art. 169 3. Pubblicazione Art. 170 III. Conseguenze giuridiche 1. In genere Art. 171 2. Azione revocatoria Art. 172 3. Graduatoria Art. 173 4. Ripartizione a. Riconoscimento della graduatoria straniera Art. 174 b. Negato riconoscimento della graduatoria straniera Art. 174a 5. Rinuncia all’esecuzione di una procedura di fallimento ancillare Art. 174b IIIbis. Coordinamento Art. 174c IIIter. Riconoscimento di decisioni straniere su azioni revocatorie e di decisioni analoghe Art. 175 IV. Riconoscimento di concordati e di analoghi procedimenti stranieri Capitolo 12: Arbitrato internazionale Art. 176 I. Campo di applicazione. Sede del tribunale arbitrale Art. 177 II. Compromettibilità Art. 178 III. Patto e clausole di arbitrato Art. 179 IV. Arbitri 1. Nomina e sostituzione Art. 180 2. Ricusa a. Motivi b. Procedura 3. Destituzione Art. 181 V. Litispendenza Art. 182 VI. Procedura 1. Principio Art. 183 2. Provvedimenti cautelari e conservativi Art. 184 3. Assunzione delle prove Art. 185 4. Ulteriore collaborazione del giudice 5. Collaborazione del giudice in procedimenti arbitrali esteri Art. 186 VII. Competenza Art. 187 VIII. Lodo 1. Diritto applicabile Art. 188 2. Decisione parziale Art. 189 3. Procedura e forma Art. 189a 4. Rettifica, interpretazione e completamento Art. 190 IX. Carattere definitivo, impugnazione, revisione 1. Impugnazione Art. 190a 2. Revisione Art. 191 3. Autorità di ricorso e di revisione Art. 192 X. Rinuncia all’impugnazione Art. 193 XI. Deposito e attestazione dell’esecutività Art. 194 XII. Lodi stranieri Capitolo 13: Disposizioni finali Sezione 1: Abrogazioni e modificazioni Art. 195 Sezione 2: Disposizioni transitorie Art. 196 I. Irretroattività Art. 197 II. Diritto transitorio 1. Competenza Art. 198 2. Diritto applicabile Art. 199 3. Ricono- scimento e esecuzione di decisioni straniere Sezione 3: Referendum ed entrata in vigore Art. 200 Allegato Abrogazione e modifica di atti legislativi I. Abrogazioni II. Modifiche | mixed |
dbfc2d3d-1a70-4c2c-9921-3b74ac03e3aa | 291 1 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 (Stand am 1. Juli 2022) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten1 und auf Artikel 64 der Bundesverfassung2, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 10. November 19823,4 beschliesst: 1. Kapitel: Gemeinsame Bestimmungen 1. Abschnitt: Geltungsbereich Art. 1 1 Dieses Gesetz regelt im internationalen Verhältnis: a. die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behör- den; b. das anzuwendende Recht; c. die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen; d. den Konkurs und den Nachlassvertrag; e. die Schiedsgerichtsbarkeit. 2 Völkerrechtliche Verträge sind vorbehalten. AS 1988 1776 1 Dieser Zuständigkeitsumschreibung entspricht Art. 54 Abs. 1 der neuen Bundesver- fassung vom 18. April 1999 (SR 101). 2 [BS 1 3]. Dieser Bestimmung entspricht Art. 122 der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101). 3 BBl 1983 I 263 4 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 des BG vom 8. Okt. 1999 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in Kraft seit 1. Juni 2004 (AS 2003 1370; BBl 1999 6128). 291 Internationales Privatrecht 2 291 2. Abschnitt: Zuständigkeit Art. 2 Sieht dieses Gesetz keine besondere Zuständigkeit vor, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz des Beklag- ten zuständig. Art. 3 Sieht dieses Gesetz keine Zuständigkeit in der Schweiz vor und ist ein Verfahren im Ausland nicht möglich oder unzumutbar, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Ort zuständig, mit dem der Sachverhalt einen genügenden Zusammenhang aufweist. Art. 4 Sieht dieses Gesetz keine andere Zuständigkeit in der Schweiz vor, so kann die Klage auf Prosequierung des Arrestes am schweizeri- schen Arrestort erhoben werden. Art. 5 1 Für einen bestehenden oder für einen zukünftigen Rechtsstreit über vermögensrechtliche Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsver- hältnis können die Parteien einen Gerichtsstand vereinbaren. Die Vereinbarung kann schriftlich, durch Telegramm, Telex, Telefax oder in einer anderen Form der Übermittlung, die den Nachweis der Vereinbarung durch Text ermöglicht, erfolgen. Geht aus der Verein- barung nichts anderes hervor, so ist das vereinbarte Gericht aus- schliesslich zuständig. 2 Die Gerichtsstandsvereinbarung ist unwirksam, wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweizerischen Rechts missbräuchlich entzo- gen wird. 3 Das vereinbarte Gericht darf seine Zuständigkeit nicht ablehnen: a. wenn eine Partei ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Auf- enthalt oder eine Niederlassung im Kanton des vereinbarten Gerichts hat, oder b. wenn nach diesem Gesetz auf den Streitgegenstand schwei- zerisches Recht anzuwenden ist. Art. 6 In vermögensrechtlichen Streitigkeiten begründet die vorbehaltlose Einlassung die Zuständigkeit des angerufenen schweizerischen Gerichtes, sofern dieses nach Artikel 5 Absatz 3 seine Zuständigkeit nicht ablehnen kann. I. Im Allgemeinen II. Notzuständig- keit III. Arrest- prosequierung IV. Gerichts- standsverein- barung V. Einlassung Internationales Privatrecht. BG 3 291 Art. 7 Haben die Parteien über eine schiedsfähige Streitsache eine Schieds- vereinbarung getroffen, so lehnt das angerufene schweizerische Gericht seine Zuständigkeit ab, es sei denn: a. der Beklagte habe sich vorbehaltlos auf das Verfahren einge- lassen; b. das Gericht stelle fest, die Schiedsvereinbarung sei hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar, oder c. das Schiedsgericht könne nicht bestellt werden aus Gründen, für die der im Schiedsverfahren Beklagte offensichtlich ein- zustehen hat. Art. 8 Das Gericht, bei dem die Hauptklage hängig ist, beurteilt auch die Widerklage, sofern zwischen Haupt- und Widerklage ein sachlicher Zusammenhang besteht. Art. 8a5 1 Richtet sich eine Klage gegen mehrere Streitgenossen, die nach diesem Gesetz in der Schweiz verklagt werden können, so ist das für eine beklagte Partei zuständige schweizerische Gericht für alle beklagten Parteien zuständig. 2 Stehen mehrere Ansprüche gegen eine beklagte Partei, die nach diesem Gesetz in der Schweiz eingeklagt werden können, in einem sachlichen Zusammenhang, so ist jedes schweizerische Gericht zuständig, das für einen der Ansprüche zuständig ist. Art. 8b6 Für die Streitverkündung mit Klage ist das schweizerische Gericht des Hauptprozesses zuständig, sofern gegen die streitberufene Partei ein Gerichtsstand in der Schweiz nach diesem Gesetz besteht. Art. 8c7 Kann ein zivilrechtlicher Anspruch in einem Strafprozess adhäsi- onsweise geltend gemacht werden, so ist das mit dem Strafprozess befasste schweizerische Gericht auch für die zivilrechtliche Klage 5 Eingefügt durch Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 6 Eingefügt durch Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 7 Eingefügt durch Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). VI. Schieds- vereinbarung VII. Widerklage VIII. Streitge- nossenschaft und Klagenhäufung IX. Streitver- kündungsklage X. Adhäsions- klage Internationales Privatrecht 4 291 zuständig, sofern bezüglich dieser Klage ein Gerichtsstand in der Schweiz nach diesem Gesetz besteht. Art. 9 1 Ist eine Klage über denselben Gegenstand zwischen denselben Par- teien zuerst im Ausland hängig gemacht worden, so setzt das schwei- zerische Gericht das Verfahren aus, wenn zu erwarten ist, dass das ausländische Gericht in angemessener Frist eine Entscheidung fällt, die in der Schweiz anerkennbar ist. 2 Zur Feststellung, wann eine Klage in der Schweiz hängig gemacht worden ist, ist der Zeitpunkt der ersten, für die Klageeinleitung not- wendigen Verfahrenshandlung massgebend. Als solche genügt die Einleitung des Sühneverfahrens. 3 Das schweizerische Gericht weist die Klage zurück, sobald ihm eine ausländische Entscheidung vorgelegt wird, die in der Schweiz anerkannt werden kann. Art. 109 Zuständig zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen sind: a. die schweizerischen Gerichte oder Behörden, die in der Hauptsache zuständig sind; oder b. die schweizerischen Gerichte und Behörden am Ort, an dem die Massnahme vollstreckt werden soll. Art. 1111 Die Rechtshilfe zwischen der Schweiz und anderen Staaten wird durch das Bundesamt für Justiz vermittelt. Art. 11a13 1 Rechtshilfehandlungen, die in der Schweiz durchzuführen sind, werden nach schweizerischem Recht vorgenommen. 8 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 9 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 10 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 11 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 12 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 13 Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). XI. Rechts- hängigkeit8 XII. Vorsorgli- che Massnah- men10 XIII. Rechtshilfe 1. Vermittlung der Rechtshilfe12 2. Anwendbares Recht Internationales Privatrecht. BG 5 291 2 Auf Begehren der ersuchenden Behörde können auch ausländische Verfahrensformen angewendet oder berücksichtigt werden, wenn es für die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs im Ausland notwendig ist und nicht wichtige Gründe auf Seiten des Betroffenen entgegen- stehen. 3 Die schweizerischen Gerichte oder Behörden können Urkunden nach einer Form des ausländischen Rechts ausstellen oder einem Gesuchsteller die eidesstattliche Erklärung abnehmen, wenn eine Form nach schweizerischem Recht im Ausland nicht anerkannt wird und deshalb ein schützenswerter Rechtsanspruch dort nicht durchge- setzt werden könnte. 4 Bei Rechtshilfeersuchen um Zustellung oder um Beweiserhebung in die Schweiz und aus der Schweiz ist die Haager Übereinkunft vom 1. März 195414 betreffend Zivilprozessrecht anwendbar. Art. 11b15 Der Kostenvorschuss und die Sicherheit für die Parteientschädigung richten sich nach der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200816 (ZPO). Art. 11c17 Den Personen mit Wohnsitz im Ausland wird die unentgeltliche Rechtspflege unter den gleichen Voraussetzungen gewährt wie den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Art. 1218 3. Abschnitt: Anwendbares Recht Art. 13 Die Verweisung dieses Gesetzes auf ein ausländisches Recht umfasst alle Bestimmungen, die nach diesem Recht auf den Sachverhalt anwendbar sind. Die Anwendbarkeit einer Bestimmung des auslän- dischen Rechts ist nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass ihr ein öffentlichrechtlicher Charakter zugeschrieben wird. 14 SR 0.274.12 15 Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 16 SR 272 17 Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 18 Aufgehoben durch Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). 3. Kostenvor- schuss und Sicherheit für die Parteientschädi- gung 4. Unentgeltliche Rechtspflege I. Umfang der Verweisung Internationales Privatrecht 6 291 Art. 14 1 Sieht das anwendbare Recht eine Rückverweisung auf das schwei- zerische Recht oder eine Weiterverweisung auf ein anderes auslän- disches Recht vor, so ist sie zu beachten, wenn dieses Gesetz sie vor- sieht. 2 In Fragen des Personen- oder Familienstandes ist die Rückverwei- sung auf das schweizerische Recht zu beachten. Art. 15 1 Das Recht, auf das dieses Gesetz verweist, ist ausnahmsweise nicht anwendbar, wenn nach den gesamten Umständen offensichtlich ist, dass der Sachverhalt mit diesem Recht in nur geringem, mit einem anderen Recht jedoch in viel engerem Zusammenhang steht. 2 Diese Bestimmung ist nicht anwendbar, wenn eine Rechtswahl vor- liegt. Art. 16 1 Der Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts ist von Amtes wegen festzustellen. Dazu kann die Mitwirkung der Parteien verlangt werden. Bei vermögensrechtlichen Ansprüchen kann der Nachweis den Parteien überbunden werden. 2 Ist der Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts nicht fest- stellbar, so ist schweizerisches Recht anzuwenden. Art. 17 Die Anwendung von Bestimmungen eines ausländischen Rechts, ist ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar ist. Art. 18 Vorbehalten bleiben Bestimmungen des schweizerischen Rechts, die wegen ihres besonderen Zweckes, unabhängig von dem durch dieses Gesetz bezeichneten Recht, zwingend anzuwenden sind. Art. 19 1 Anstelle des Rechts, das durch dieses Gesetz bezeichnet wird, kann die Bestimmung eines andern Rechts, die zwingend angewandt sein will, berücksichtigt werden, wenn nach schweizerischer Rechtsauf- fassung schützenswerte und offensichtlich überwiegende Interessen einer Partei es gebieten und der Sachverhalt mit jenem Recht einen engen Zusammenhang aufweist. II. Rück- und Weiterverwei- sung III. Ausnahme- klausel IV. Feststellung ausländischen Rechts V. Vorbehalts- klausel VI. Zwingende Anwendung des schweizerischen Rechts VII. Berück- sichtigung zwingender Bestimmungen eines aus- ländischen Rechts Internationales Privatrecht. BG 7 291 2 Ob eine solche Bestimmung zu berücksichtigen ist, beurteilt sich nach ihrem Zweck und den daraus sich ergebenden Folgen für eine nach schweizerischer Rechtsauffassung sachgerechte Entscheidung. 4. Abschnitt: Wohnsitz, Sitz und Staatsangehörigkeit Art. 20 1 Im Sinne dieses Gesetzes hat eine natürliche Person: a. ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; b. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem sie wäh- rend längerer Zeit lebt, selbst wenn diese Zeit zum vornher- ein befristet ist; c. ihre Niederlassung in dem Staat, in dem sich der Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit befindet. 2 Niemand kann an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben. Hat eine Person nirgends einen Wohnsitz, so tritt der gewöhnliche Auf- enthalt an die Stelle des Wohnsitzes. Die Bestimmungen des Zivil- gesetzbuches19 über Wohnsitz und Aufenthalt sind nicht anwendbar. Art. 2120 1 Bei Gesellschaften und bei Trusts nach Artikel 149a gilt der Sitz als Wohnsitz. 2 Als Sitz einer Gesellschaft gilt der in den Statuten oder im Gesell- schaftsvertrag bezeichnete Ort. Fehlt eine solche Bezeichnung, so gilt als Sitz der Ort, an dem die Gesellschaft tatsächlich verwaltet wird. 3 Als Sitz eines Trusts gilt der in den Bestimmungen des Trusts schriftlich oder in anderer Form durch Text nachweisbar bezeichnete Ort seiner Verwaltung. Fehlt eine solche Bezeichnung, so gilt als Sitz der tatsächliche Ort seiner Verwaltung. 4 Die Niederlassung einer Gesellschaft oder eines Trusts befindet sich in dem Staat, in dem der Sitz liegt, oder in einem der Staaten, in dem sich eine Zweigniederlassung befindet. 19 SR 210 20 Fassung gemäss Art. 2 des BB vom 20. Dez. 2006 über die Genehmigung und Um- setzung des Haager Übereink. über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung, in Kraft seit 1. Juli 2007 (AS 2007 2849; BBl 2006 551). I. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und Niederlassung einer natürlichen Person II. Sitz und Niederlassung von Gesell- schaften und Trusts Internationales Privatrecht 8 291 Art. 22 Die Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person bestimmt sich nach dem Recht des Staates, zu dem die Staatsangehörigkeit in Frage steht. Art. 23 1 Besitzt eine Person neben der schweizerischen eine andere Staats- angehörigkeit, so ist für die Begründung eines Heimatgerichtsstan- des ausschliesslich die schweizerische Staatsangehörigkeit mass- gebend. 2 Besitzt eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten, so ist, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, für die Bestimmung des an- wendbaren Rechts die Angehörigkeit zu dem Staat massgebend, mit dem die Person am engsten verbunden ist. 3 Ist die Staatsangehörigkeit einer Person Voraussetzung für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in der Schweiz, so genügt die Beachtung einer ihrer Staatsangehörigkeiten. Art. 24 1 Eine Person gilt als staatenlos, wenn ihr diese Eigenschaft im Sinne des New Yorker Übereinkommens vom 28. September 195421 über die Rechtsstellung der Staatenlosen zukommt oder wenn ihre Bezie- hung zum Heimatstaat so gelockert ist, dass dies einer Staatenlosig- keit gleichkommt. 2 Eine Person gilt als Flüchtling, wenn ihr diese Eigenschaft im Sinne des Asylgesetzes vom 5. Oktober 197922 zukommt. 3 Ist dieses Gesetz auf Staatenlose oder Flüchtlinge anzuwenden, so gilt der Wohnsitz an Stelle der Staatsangehörigkeit. 5. Abschnitt: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Art. 25 Eine ausländische Entscheidung wird in der Schweiz anerkannt: 21 SR 0.142.40 22 [AS 1980 1718; 1986 2062; 1987 1674; 1990 938, 1587 Art. 3 Abs. 1; 1994 1634 Ziff. I 8.1, 2876, 1995 146 Ziff. II 1, 4356; 1997 2372, 2394; 1998 1582. AS 1999 2262 Art. 120 Bst. a]. Heute: BG vom 26. Juni 1998 (SR 142.31). III. Staats- angehörigkeit IV. Mehrfache Staatsangehörig- keit V. Staatenlose und Flüchtlinge I. Anerkennung 1. Grundsatz Internationales Privatrecht. BG 9 291 a. wenn die Zuständigkeit der Gerichte oder Behörden des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, begründet war; b. wenn gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist, und c. wenn kein Verweigerungsgrund im Sinne von Artikel 27 vorliegt. Art. 26 Die Zuständigkeit ausländischer Behörden ist begründet: a. wenn eine Bestimmung dieses Gesetzes sie vorsieht oder, falls eine solche fehlt, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Urteilsstaat hatte; b. wenn in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Parteien sich durch eine nach diesem Gesetz gültige Vereinbarung der Zuständigkeit der Behörde unterworfen haben, welche die Entscheidung getroffen hat; c. wenn sich der Beklagte in einer vermögensrechtlichen Strei- tigkeit vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hat; d. wenn im Falle einer Widerklage die Behörde, die die Ent- scheidung getroffen hat, für die Hauptklage zuständig war und zwischen Haupt- und Widerklage ein sachlicher Zusam- menhang besteht. Art. 27 1 Eine im Ausland ergangene Entscheidung wird in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre. 2 Eine im Ausland ergangene Entscheidung wird ebenfalls nicht anerkannt, wenn eine Partei nachweist: a. dass sie weder nach dem Recht an ihrem Wohnsitz noch nach dem am gewöhnlichen Aufenthalt gehörig geladen wurde, es sei denn, sie habe sich vorbehaltlos auf das Ver- fahren eingelassen; b. dass die Entscheidung unter Verletzung wesentlicher Grund- sätze des schweizerischen Verfahrensrechts zustande gekom- men ist, insbesondere dass ihr das rechtliche Gehör verwei- gert worden ist; c. dass ein Rechtsstreit zwischen denselben Parteien und über denselben Gegenstand zuerst in der Schweiz eingeleitet oder in der Schweiz entschieden worden ist oder dass er in einem 2. Zuständigkeit ausländischer Behörden 3. Verweige- rungsgründe Internationales Privatrecht 10 291 Drittstaat früher entschieden worden ist und dieser Entscheid in der Schweiz anerkannt werden kann. 3 Im Übrigen darf die Entscheidung in der Sache selbst nicht nach- geprüft werden. Art. 28 Eine nach den Artikeln 25–27 anerkannte Entscheidung wird auf Begehren der interessierten Partei für vollstreckbar erklärt. Art. 29 1 Das Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ist an die zuständige Behörde des Kantons zu richten, in dem die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird. Dem Begehren sind beizulegen: a. eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung der Entschei- dung; b. eine Bestätigung, dass gegen die Entscheidung kein ordent- liches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder dass sie endgültig ist, und c. im Falle eines Abwesenheitsurteils eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass die unterlegene Partei gehörig und so recht- zeitig geladen worden ist, dass sie die Möglichkeit gehabt hatte, sich zu verteidigen. 2 Im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist die Partei, die sich dem Begehren widersetzt, anzuhören; sie kann ihre Beweismit- tel geltend machen. 3 Wird eine Entscheidung vorfrageweise geltend gemacht, so kann die angerufene Behörde selber über die Anerkennung entscheiden. Art. 30 Die Artikel 25–29 gelten auch für den gerichtlichen Vergleich, sofern er in dem Staat, in dem er abgeschlossen worden ist, einer gerichtlichen Entscheidung gleichgestellt wird. Art. 31 Die Artikel 25–29 gelten sinngemäss für die Anerkennung und Voll- streckung einer Entscheidung oder einer Urkunde der freiwilligen Gerichtsbarkeit. II. Vollstreckung III. Verfahren IV. Gerichtlicher Vergleich V. Freiwillige Gerichtsbarkeit Internationales Privatrecht. BG 11 291 Art. 32 1 Eine ausländische Entscheidung oder Urkunde über den Zivilstand wird aufgrund einer Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde in die Zivilstandsregister eingetragen. 2 Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der Arti- kel 25–27 erfüllt sind. 3 Die betroffenen Personen sind vor der Eintragung anzuhören, wenn nicht feststeht, dass im ausländischen Urteilsstaat die verfahrens- mässigen Rechte der Parteien hinreichend gewahrt worden sind. 2. Kapitel: Natürliche Personen Art. 33 1 Sieht dieses Gesetz nichts anderes vor, so sind für personenrecht- liche Verhältnisse die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz zuständig; sie wenden das Recht am Wohnsitz an. 2 Für Ansprüche aus Persönlichkeitsverletzung gelten die Bestim- mungen dieses Gesetzes über unerlaubte Handlungen (Art. 129 ff.). Art. 34 1 Die Rechtsfähigkeit untersteht schweizerischem Recht. 2 Beginn und Ende der Persönlichkeit unterstehen dem Recht des Rechtsverhältnisses, das die Rechtsfähigkeit voraussetzt. Art. 35 Die Handlungsfähigkeit untersteht dem Recht am Wohnsitz. Ein Wechsel des Wohnsitzes berührt die einmal erworbene Handlungs- fähigkeit nicht. Art. 36 1 Wer ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, obwohl er nach dem Recht an seinem Wohnsitz handlungsunfähig war, kann sich auf seine Handlungsunfähigkeit nicht berufen, wenn er nach dem Recht des Staates, in dem er das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, hand- lungsfähig gewesen wäre, es sei denn, die andere Partei habe seine Handlungsunfähigkeit gekannt oder hätte sie kennen müssen. 2 Diese Bestimmung ist auf familien- und erbrechtliche Rechts- geschäfte sowie auf Rechtsgeschäfte über dingliche Rechte an Grundstücken nicht anwendbar. VI. Eintragung in die Zivil- standsregister I. Grundsatz II. Rechts- fähigkeit III. Handlungs- fähigkeit 1. Grundsatz 2. Verkehrs- schutz Internationales Privatrecht 12 291 Art. 37 1 Der Name einer Person mit Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht; der Name einer Person mit Wohnsitz im Ausland untersteht dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist. 2 Eine Person kann jedoch verlangen, dass ihr Name dem Heimat- recht untersteht. Art. 38 1 Für eine Namensänderung sind die schweizerischen Behörden am Wohnsitz des Gesuchstellers zuständig. 2 Ein Schweizer Bürger ohne Wohnsitz in der Schweiz kann bei der Behörde seines Heimatkantons eine Namensänderung verlangen. 3 Voraussetzungen und Wirkungen der Namensänderung unterstehen schweizerischem Recht. Art. 39 Eine im Ausland erfolgte Namensänderung wird in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Wohnsitz- oder im Heimatstaat des Gesuch- stellers gültig ist. Art. 40 Der Name wird nach den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung in die Zivilstandsregister eingetragen. Art. 40a23 Die Artikel 37–40 sind sinngemäss auf das Geschlecht einer Person anwendbar. Art. 41 1 Für die Verschollenerklärung sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am letzten bekannten Wohnsitz der verschwundenen Person zuständig. 2 Die schweizerischen Gerichte oder Behörden sind überdies für eine Verschollenerklärung zuständig, wenn hierfür ein schützenswertes Interesse besteht. 23 Eingefügt durch Ziff. II des BG vom 18. Dez. 2020 (Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister), in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 668; BBl 2020 799). IV. Name 1. Grundsatz 2. Namens- änderung 3. Namens- änderung im Ausland 4. Eintragung in die Zivilstands- register IVa. Geschlecht V. Verschollen- erklärung 1. Zuständigkeit und anwendbares Recht Internationales Privatrecht. BG 13 291 3 Voraussetzungen und Wirkungen der Verschollenerklärung unter- stehen schweizerischem Recht. Art. 42 Eine im Ausland ausgesprochene Verschollen- oder Todeserklärung wird in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des letzten be- kannten Wohnsitzes oder im Heimatstaat der verschwundenen Per- son ergangen ist. 3. Kapitel: Eherecht 1. Abschnitt: Eheschliessung Art. 43 1 Die schweizerischen Behörden sind für die Eheschliessung zustän- dig, wenn einer der Verlobten in der Schweiz Wohnsitz oder das Schweizer Bürgerrecht hat.24 2 Ausländischen Verlobten ohne Wohnsitz in der Schweiz kann durch die zuständige Behörde die Eheschliessung in der Schweiz auch bewilligt werden, wenn die Ehe im Wohnsitz- oder im Heimatstaat beider Verlobten anerkannt wird.25 3 Die Bewilligung darf nicht allein deshalb verweigert werden, weil eine in der Schweiz ausgesprochene oder anerkannte Scheidung im Ausland nicht anerkannt wird. Art. 4426 Die Eheschliessung in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht. Art. 45 1 Eine im Ausland gültig geschlossene Ehe wird in der Schweiz anerkannt. 2 Ist einer der Verlobten Schweizer Bürger oder haben beide Wohn- sitz in der Schweiz, so wird die im Ausland geschlossene Ehe aner- kannt, wenn der Abschluss nicht in der offenbaren Absicht ins Aus- 24 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 25 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 26 Fassung gemäss Ziff. I 5 des BG vom 15. Juni 2012 über Massnahmen gegen Zwangs- heiraten, in Kraft seit 1. Juli 2013 (AS 2013 1035; BBl 2011 2185). 2. Verschollen- und Todes- erklärung im Ausland I. Zuständigkeit II. Anwendbares Recht III. Eheschlies- sung im Ausland Internationales Privatrecht 14 291 land verlegt worden ist, die Vorschriften des schweizerischen Rechts über die Eheungültigkeit zu umgehen.27 3 …28 Art. 45a29 1 Für Klagen auf Ungültigerklärung der Ehe sind die schweizeri- schen Gerichte am Wohnsitz eines Ehegatten oder, wenn ein Wohn- sitz in der Schweiz fehlt, am Eheschliessungsort oder am Heimatort eines Ehegatten zuständig. 2 Die Klage untersteht schweizerischem Recht. 3 Für vorsorgliche Massnahmen und Nebenfolgen gelten die Arti- kel 62–64 sinngemäss. 4 Ausländische Entscheidungen, welche die Ungültigkeit einer Ehe feststellen, werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind, in dem die Ehe geschlossen wurde. Ist die Klage durch einen Ehegatten eingereicht worden, gilt Artikel 65 sinnge- mäss. 2. Abschnitt: Wirkungen der Ehe im Allgemeinen Art. 46 Für Klagen oder Massnahmen betreffend die ehelichen Rechte und Pflichten sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt eines der Ehegatten zuständig. Art. 47 Haben die Ehegatten weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz und ist einer von ihnen Schweizer Bürger, so sind für Klagen oder Massnahmen betreffend die ehelichen Rechte und Pflichten die Gerichte oder Behörden am Heimatort zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Klage oder das Begehren am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt eines der Ehegatten zu erheben. 27 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 28 Eingefügt durch Anhang Ziff. 17 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), mit Wirkung seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 29 Eingefügt durch Ziff. II 2 des BG vom 7. Okt. 1994 (AS 1995 1126; BBl 1993 I 1169). Fassung gemäss Ziff. I 5 des BG vom 15. Juni 2012 über Massnahmen gegen Zwangs- heiraten, in Kraft seit 1. Juli 2013 (AS 2013 1035; BBl 2011 2185). IV. Ungültig- erklärung der Ehe I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Heimat- zuständigkeit Internationales Privatrecht. BG 15 291 Art. 48 1 Die ehelichen Rechte und Pflichten unterstehen dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren Wohnsitz haben. 2 Haben die Ehegatten ihren Wohnsitz nicht im gleichen Staat, so unterstehen die ehelichen Rechte und Pflichten dem Recht des Wohnsitzstaates, mit dem der Sachverhalt in engerem Zusammen- hang steht. 3 Sind nach Artikel 47 die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Heimatort zuständig, so wenden sie schweizerisches Recht an. Art. 49 Für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten gilt das Haager Über- einkommen vom 2. Oktober 197330 über das auf die Unterhalts- pflichten anzuwendende Recht. Art. 5031 Ausländische Entscheidungen oder Massnahmen über die ehelichen Rechte und Pflichten werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie: a. im Staat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Ehegatten ergangen sind; oder b. im Staat der Eheschliessung ergangen sind und es unmöglich oder unzumutbar war, die Klage in einem der in Buchstabe a bezeichneten Staaten zu erheben. 3. Abschnitt: Ehegüterrecht Art. 51 Für Klagen oder Massnahmen betreffend die güterrechtlichen Ver- hältnisse sind zuständig: a. für die güterrechtliche Auseinandersetzung im Falle des To- des eines Ehegatten die schweizerischen Gerichte oder Be- hörden, die für die erbrechtliche Auseinandersetzung zustän- dig sind (Art. 86–89); b.32 für die güterrechtliche Auseinandersetzung im Falle einer gerichtlichen Auflösung oder Trennung der Ehe die schwei- 30 SR 0.211.213.01 31 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 32 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz 2. Unterhalts- pflicht III. Ausländische Entscheidungen oder Mass- nahmen I. Zuständigkeit Internationales Privatrecht 16 291 zerischen Gerichte, die hierfür zuständig sind (Art. 59, 60, 60a, 63, 64); c. in den übrigen Fällen die schweizerischen Gerichte oder Be- hörden, die für Klagen oder Massnahmen betreffend die Wir- kungen der Ehe zuständig sind (Art. 46, 47). Art. 52 1 Die güterrechtlichen Verhältnisse unterstehen dem von den Ehe- gatten gewählten Recht. 2 Die Ehegatten können wählen zwischen: a. dem Recht des Staates, in dem beide ihren Wohnsitz haben oder nach der Eheschliessung haben werden; b. dem Recht des Ortes der Eheschliessung; und c. dem Recht eines ihrer Heimatstaaten.33 3 Artikel 23 Absatz 2 ist nicht anwendbar.34 Art. 53 1 Die Rechtswahl muss schriftlich vereinbart sein oder sich eindeutig aus dem Ehevertrag ergeben. Im Übrigen untersteht sie dem gewähl- ten Recht. 2 Die Rechtswahl kann jederzeit getroffen oder geändert werden. Wird sie nach Abschluss der Ehe getroffen, so wirkt sie, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, auf den Zeitpunkt der Ehe- schliessung zurück. 3 Das gewählte Recht bleibt anwendbar, bis die Ehegatten ein ande- res Recht wählen oder die Rechtswahl aufheben. Art. 54 1 Haben die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen, so unterstehen die güterrechtlichen Verhältnisse: a. dem Recht des Staates, in dem beide gleichzeitig ihren Wohnsitz haben, oder, wenn dies nicht der Fall ist, b. dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten zuletzt gleichzeitig ihren Wohnsitz hatten. 2 Hatten die Ehegatten nie gleichzeitig Wohnsitz im gleichen Staat, so ist ihr gemeinsames Heimatrecht anwendbar. 33 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 34 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). II. Anwendbares Recht 1. Rechtswahl a. Grundsatz b. Modalitäten 2. Fehlen einer Rechtswahl a. Grundsatz Internationales Privatrecht. BG 17 291 3 Hatten die Ehegatten nie gleichzeitig Wohnsitz im gleichen Staat und haben sie auch keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so gilt die Gütertrennung des schweizerischen Rechts. Art. 55 1 Verlegen die Ehegatten ihren Wohnsitz von einem Staat in einen anderen, so ist das Recht des neuen Wohnsitzstaates rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschliessung anzuwenden. Die Ehegatten kön- nen durch schriftliche Vereinbarung die Rückwirkung ausschliessen. 2 Der Wohnsitzwechsel hat keine Wirkung auf das anzuwendende Recht, wenn die Parteien die Weitergeltung des früheren Rechts schriftlich vereinbart haben oder wenn zwischen ihnen ein Ehever- trag besteht. Art. 56 Der Ehevertrag ist formgültig, wenn er dem auf den Ehevertrag anwendbaren Recht oder dem Recht am Abschlussort entspricht. Art. 57 1 Die Wirkungen des Güterstandes auf das Rechtsverhältnis zwi- schen einem Ehegatten und einem Dritten unterstehen dem Recht des Staates, in dem dieser Ehegatte im Zeitpunkt der Entstehung des Rechtsverhältnisses seinen Wohnsitz hat. 2 Hat der Dritte im Zeitpunkt der Entstehung des Rechtsverhältnisses das Recht, dem die güterrechtlichen Verhältnisse unterstanden, gekannt oder hätte er es kennen müssen, so ist dieses anzuwenden. Art. 58 1 Ausländische Entscheidungen über güterrechtliche Verhältnisse werden in der Schweiz anerkannt: a. wenn sie im Wohnsitzstaat des beklagten Ehegatten ergan- gen sind oder wenn sie dort anerkannt werden; b. wenn sie im Wohnsitzstaat des klagenden Ehegatten ergan- gen sind oder dort anerkannt werden, vorausgesetzt, der be- klagte Ehegatte hatte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz; c. wenn sie im Staat, dessen Recht nach diesem Gesetz an- wendbar ist, ergangen sind oder wenn sie dort anerkannt werden, oder d. wenn sie Grundstücke betreffen und am Ort der gelegenen Sache ergangen sind oder dort anerkannt werden. b. Wandelbarkeit und Rück- wirkung bei Wohnsitz- wechsel 3. Form des Ehe- vertrages 4. Rechtsverhält- nisse mit Dritten III. Ausländische Entscheidungen Internationales Privatrecht 18 291 2 Für Entscheidungen über güterrechtliche Verhältnisse, die im Zusammenhang mit Massnahmen zum Schutz der ehelichen Ge- meinschaft oder infolge Tod, Nichtigerklärung, Scheidung oder Trennung ergangen sind, richtet sich die Anerkennung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes über das Ehe-, Ehescheidungs- oder Erbrecht (Art. 50, 65 und 96). 4. Abschnitt: Scheidung und Trennung Art. 59 Für Klagen auf Scheidung oder Trennung sind zuständig: a. die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten; b. die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Klägers, wenn dieser sich seit einem Jahr in der Schweiz aufhält oder wenn er Schweizer Bürger ist. Art. 60 Haben die Ehegatten keinen Wohnsitz in der Schweiz und ist einer von ihnen Schweizer Bürger, so sind die Gerichte am Heimatort für Klagen auf Scheidung oder Trennung der Ehe zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Klage am Wohnsitz eines der Ehegatten zu erheben. Art. 60a35 Haben die Ehegatten keinen Wohnsitz in der Schweiz und ist keiner von ihnen Schweizer Bürger, so sind die schweizerischen Gerichte am Ort der Eheschliessung für Klagen auf Scheidung oder Trennung zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Klage am Wohnsitz eines der Ehegatten zu erheben. Art. 6136 Scheidung und Trennung unterstehen schweizerischem Recht. Art. 62 1 Das schweizerische Gericht, bei dem eine Scheidungs- oder Tren- nungsklage hängig ist, kann vorsorgliche Massnahmen treffen, 35 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 36 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887). I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Heimat- zuständigkeit 3. Zuständigkeit am Eheschlies- sungsort II. Anwendbares Recht III. Vorsorgliche Massnahmen Internationales Privatrecht. BG 19 291 sofern seine Unzuständigkeit zur Beurteilung der Klage nicht offen- sichtlich ist oder nicht rechtskräftig festgestellt wurde. 2 Die vorsorglichen Massnahmen unterstehen schweizerischem Recht. 3 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. Art. 63 1 Die für Klagen auf Scheidung oder Trennung zuständigen schwei- zerischen Gerichte sind auch für die Regelung der Nebenfolgen zuständig. Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Minderjäh- rigenschutz (Art. 85) bleiben vorbehalten.37 1bis Für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge sind sie ausschliesslich zuständig.38 2 Die Nebenfolgen der Scheidung oder Trennung unterstehen schweizerischem Recht.39 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 37–40), die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), das eheliche Güterrecht (Art. 52–57), die Wirkungen des Kin- desverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. Art. 64 1 Die schweizerischen Gerichte sind für Klagen auf Ergänzung oder Abänderung von Entscheidungen über die Scheidung oder die Tren- nung zuständig, wenn sie diese selbst ausgesprochen haben oder wenn sie nach Artikel 59, 60 oder 60a zuständig sind.40 Die Be- stimmungen dieses Gesetzes über den Minderjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. 1bis Für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge sind die schweizerischen Gerichte ausschliesslich zuständig. Fehlt eine Zuständigkeit nach Absatz 1, so sind die schweizerischen Gerichte am Sitz der Vorsorgeeinrichtung zuständig.41 37 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des BG vom 21. Juni 2013 (Elterliche Sorge), in Kraft seit 1. Juli 2014 (AS 2014 357; BBl 2011 9077). 38 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887). 39 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887). 40 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 41 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887). IV. Nebenfolgen V. Ergänzung oder Abänderung einer Entschei- dung Internationales Privatrecht 20 291 2 Die Ergänzung oder Abänderung eines Trennungs- oder Schei- dungsurteils untersteht schweizerischem Recht.42 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 37–40), die Unterhaltspflicht der Ehegatten (Art. 49), das eheliche Güterrecht (Art. 52–57), die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 82 und 83) und den Min- derjährigenschutz (Art. 85) sind vorbehalten. Art. 65 1 Ausländische Entscheidungen über die Scheidung oder Trennung werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie: a. im Staat des Wohnsitzes, des gewöhnlichen Aufenthalts oder im Heimatstaat eines der Ehegatten ergangen sind; b. in einem der in Buchstabe a bezeichneten Staaten anerkannt werden; oder c. im Staat der Eheschliessung ergangen sind und es unmöglich oder unzumutbar war, die Klage in einem der in Buchstabe a bezeichneten Staaten zu erheben.43 2 Ist jedoch die Entscheidung in einem Staat ergangen, dem kein oder nur der klagende Ehegatte angehört, so wird sie in der Schweiz nur anerkannt: a. wenn im Zeitpunkt der Klageeinleitung wenigstens ein Ehe- gatte in diesem Staat Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufent- halt hatte und der beklagte Ehegatte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte; b. wenn der beklagte Ehegatte sich der Zuständigkeit des aus- ländischen Gerichts vorbehaltlos unterworfen hat, oder c. wenn der beklagte Ehegatte mit der Anerkennung der Ent- scheidung in der Schweiz einverstanden ist. 42 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887). 43 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). VI. Ausländische Entscheidungen Internationales Privatrecht. BG 21 291 3a. Kapitel:44 Eingetragene Partnerschaft45 Art. 65a46 Die Bestimmungen des dritten Kapitels gelten für die eingetragene Partnerschaft sinngemäss. Art. 65b47 Art. 65c48 Kennt das nach den Bestimmungen des dritten Kapitels anwendbare Recht keine Regeln über die eingetragene Partnerschaft, so ist dessen Eherecht anwendbar. Art. 65d49 4. Kapitel: Kindesrecht 1. Abschnitt: Entstehung des Kindesverhältnisses durch Abstammung Art. 66 Für Klagen auf Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnis- ses sind die schweizerischen Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder am Wohnsitz der Mutter oder des Vaters zuständig. Art. 67 Haben die Eltern keinen Wohnsitz und das Kind keinen gewöhn- lichen Aufenthalt in der Schweiz, so sind die Gerichte am schweize- rischen Heimatort der Mutter oder des Vaters für Klagen auf Fest- stellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Klage am Wohnsitz der 44 Eingefügt durch Anhang Ziff. 17 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 45 Fassung gemäss Ziff. I 5 des BG vom 15. Juni 2012 über Massnahmen gegen Zwangs- heiraten, in Kraft seit 1. Juli 2013 (AS 2013 1035; BBl 2011 2185). 46 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 47 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), mit Wirkung seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 48 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). 49 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 18. Dez. 2020 (Ehe für alle), mit Wirkung seit 1. Juli 2022 (AS 2021 747; BBl 2019 8595; 2020 1273). I. Anwendung des dritten Kapitels II. Anwendbares Recht I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Heimat- zuständigkeit Internationales Privatrecht 22 291 Mutter oder des Vaters oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu erheben. Art. 68 1 Die Entstehung des Kindesverhältnisses sowie dessen Feststellung oder Anfechtung unterstehen dem Recht am gewöhnlichen Aufent- halt des Kindes. 2 Haben jedoch weder die Mutter noch der Vater Wohnsitz im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, besitzen aber die Eltern und das Kind die gleiche Staatsangehörigkeit, so ist ihr gemeinsames Heimatrecht anzuwenden. Art. 69 1 Für die Bestimmung des auf die Entstehung, Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses anwendbaren Rechts ist der Zeitpunkt der Geburt massgebend. 2 Bei gerichtlicher Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhält- nisses ist jedoch der Zeitpunkt der Klageerhebung massgebend, wenn ein überwiegendes Interesse des Kindes es erfordert. Art. 70 Ausländische Entscheidungen betreffend die Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses werden in der Schweiz aner- kannt, wenn sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, in dessen Heimatstaat oder im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der Mutter oder des Vaters ergangen sind. 2. Abschnitt: Anerkennung Art. 71 1 Für die Entgegennahme der Anerkennung sind die schweizerischen Behörden am Geburtsort oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Kin- des, sowie die Behörden am Wohnsitz oder am Heimatort der Mutter oder des Vaters zuständig. 2 Erfolgt die Anerkennung im Rahmen eines gerichtlichen Verfah- rens, in dem die Abstammung rechtserheblich ist, so kann auch der mit der Klage befasste Richter die Anerkennung entgegennehmen. 3 Für die Anfechtung der Anerkennung sind die gleichen Gerichte zuständig wie für die Feststellung oder Anfechtung des Kindesver- hältnisses (Art. 66 und 67). II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz 2. Massgeblicher Zeitpunkt III. Ausländische Entscheidungen I. Zuständigkeit Internationales Privatrecht. BG 23 291 Art. 72 1 Die Anerkennung in der Schweiz kann nach dem Recht am ge- wöhnlichen Aufenthalt des Kindes, nach dessen Heimatrecht, nach dem Recht am Wohnsitz oder nach dem Heimatrecht der Mutter oder des Vaters erfolgen. Massgebend ist der Zeitpunkt der Anerkennung. 2 Die Form der Anerkennung in der Schweiz untersteht schweizeri- schem Recht. 3 Die Anfechtung der Anerkennung untersteht schweizerischem Recht. Art. 73 1 Die im Ausland erfolgte Anerkennung eines Kindes wird in der Schweiz anerkannt, wenn sie nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, nach dessen Heimatrecht, nach dem Recht am Wohnsitz oder nach dem Heimatrecht der Mutter oder des Vaters gültig ist. 2 Ausländische Entscheidungen über die Anfechtung einer Anerken- nung werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie in einem der in Absatz 1 genannten Staaten ergangen sind. Art. 74 Für die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Legitimation gilt Artikel 73 sinngemäss. 3. Abschnitt: Adoption Art. 75 1 Die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Wohnsitz der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten sind zustän- dig, die Adoption auszusprechen. 2 Für die Anfechtung der Adoption sind die gleichen Gerichte zu- ständig wie für die Feststellung oder die Anfechtung des Kindesver- hältnisses (Art. 66 und 67). Art. 76 Haben die adoptierende Person oder die adoptierenden Ehegatten keinen Wohnsitz in der Schweiz und ist einer von ihnen Schweizer Bürger, so sind die Gerichte oder Behörden am Heimatort für die Adoption zuständig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, die Adoption an ihrem Wohnsitz durchzuführen. II. Anwendbares Recht III. Ausländische Anerkennung und Anfechtung der Anerkennung IV. Legitimation I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Heimat- zuständigkeit Internationales Privatrecht 24 291 Art. 77 1 Die Voraussetzungen der Adoption in der Schweiz unterstehen schweizerischem Recht. 2 Zeigt sich, dass eine Adoption im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten nicht anerkannt und dem Kind daraus ein schwerwiegender Nachteil erwachsen würde, so berücksichtigt die Behörde auch die Vorausset- zungen des Rechts des betreffenden Staates. Erscheint die Anerken- nung auch dann nicht als gesichert, so darf die Adoption nicht ausge- sprochen werden. 3 Die Anfechtung einer in der Schweiz ausgesprochenen Adoption untersteht schweizerischem Recht. Eine im Ausland ausgesprochene Adoption kann in der Schweiz nur angefochten werden, wenn auch ein Anfechtungsgrund nach schweizerischem Recht vorliegt. Art. 78 1 Ausländische Adoptionen werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden sind. 2 Ausländische Adoptionen oder ähnliche Akte, die von einem Kin- desverhältnis im Sinne des schweizerischen Rechts wesentlich abweichende Wirkungen haben, werden in der Schweiz nur mit den Wirkungen anerkannt, die ihnen im Staat der Begründung zukom- men. 4. Abschnitt: Wirkungen des Kindesverhältnisses Art. 79 1 Für Klagen betreffend die Beziehungen zwischen Eltern und Kind, insbesondere betreffend den Unterhalt des Kindes, sind die schwei- zerischen Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, am gewöhnlichen Aufenthalt des beklagten Elternteils zuständig. 2 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 33, 37– 40), den Schutz Minderjähriger (Art. 85) und das Erbrecht (Art. 86– 89) sind vorbehalten. Art. 80 Hat weder das Kind noch der beklagte Elternteil Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz und ist einer von ihnen Schweizer Bürger, so sind die Gerichte am Heimatort zuständig. II. Anwendbares Recht III. Ausländische Adoptionen und ähnliche Akte I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Heimat- zuständigkeit Internationales Privatrecht. BG 25 291 Art. 81 Die nach Artikel 79 und 80 zuständigen schweizerischen Gerichte entscheiden ebenfalls: a. über Ansprüche von Behörden, die für den Unterhalt des Kindes Vorschuss geleistet haben; b. über Ansprüche der Mutter auf Unterhalt und Ersatz der durch die Geburt entstandenen Kosten. Art. 82 1 Die Beziehungen zwischen Eltern und Kind unterstehen dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. 2 Haben jedoch weder die Mutter noch der Vater Wohnsitz im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, besitzen aber die Eltern und das Kind die gleiche Staatsangehörigkeit, so ist ihr gemeinsames Heimatrecht anzuwenden. 3 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 33, 37– 40), den Schutz Minderjähriger (Art. 85) und das Erbrecht (Art. 90– 95) sind vorbehalten. Art. 83 1 Für die Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kind gilt das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 197350 über das auf Unterhalts- pflichten anzuwendende Recht. 2 Soweit das Übereinkommen die Ansprüche der Mutter auf Unter- halt und Ersatz der durch die Geburt entstandenen Kosten nicht regelt, gilt es sinngemäss. Art. 84 1 Ausländische Entscheidungen betreffend die Beziehungen zwi- schen Eltern und Kind werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Auf- enthalt oder der beklagte Elternteil seinen Wohnsitz oder gewöhn- lichen Aufenthalt hat. 2 Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 39), den Schutz Minderjähriger (Art. 85) und das Erbrecht (Art. 96) sind vor- behalten. 50 SR 0.211.213.01 3. Ansprüche Dritter II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz 2. Unterhalts- pflicht III. Ausländische Entscheidungen Internationales Privatrecht 26 291 5. Kapitel: Vormundschaft, Erwachsenenschutz und andere Schutzmassnahmen51 Art. 8552 1 Für den Schutz von Kindern gilt in Bezug auf die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behörden, auf das anwendbare Recht sowie auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Ent- scheidungen oder Massnahmen das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 199653 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern. 2 Für den Schutz von Erwachsenen gilt in Bezug auf die Zuständig- keit der schweizerischen Gerichte oder Behörden, auf das anwend- bare Recht sowie auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländi- scher Entscheidungen oder Massnahmen das Haager Übereinkom- men vom 13. Januar 200054 über den internationalen Schutz von Erwachsenen. 3 Die schweizerischen Gerichte oder Behörden sind ausserdem zuständig, wenn es für den Schutz einer Person oder von deren Vermögen unerlässlich ist. 4 Massnahmen, die in einem Staat ergangen sind, der nicht Vertrags- staat der in den Absätzen 1 und 2 erwähnten Übereinkommen ist, werden anerkannt, wenn sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder des Erwachsenen ergangen sind oder dort anerkannt werden. 6. Kapitel: Erbrecht Art. 86 1 Für das Nachlassverfahren und die erbrechtlichen Streitigkeiten sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am letzten Wohn- sitz des Erblassers zuständig. 2 Vorbehalten ist die Zuständigkeit des Staates, der für Grundstücke auf seinem Gebiet die ausschliessliche Zuständigkeit vorsieht. 51 Fassung gemäss Anhang Ziff. 13 des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Per- sonenrecht und Kindesrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 2006 7001). 52 Fassung gemäss Art. 15 des BG vom 21. Dez. 2007 über internationale Kindesentfüh- rung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen, in Kraft seit 1. Juli 2009 (AS 2009 3077; BBl 2007 2595). 53 SR 0.211.231.011 54 SR 0.211.232.1 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Internationales Privatrecht. BG 27 291 Art. 87 1 War der Erblasser Schweizer Bürger mit letztem Wohnsitz im Ausland, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Heimatort zuständig, soweit sich die ausländische Behörde mit sei- nem Nachlass nicht befasst. 2 Sie sind stets zuständig wenn ein Schweizer Bürger mit letztem Wohnsitz im Ausland sein in der Schweiz gelegenes Vermögen oder seinen gesamten Nachlass durch letztwillige Verfügung oder Erbver- trag der schweizerischen Zuständigkeit oder dem schweizerischen Recht unterstellt hat. Artikel 86 Absatz 2 ist vorbehalten. Art. 88 1 War der Erblasser Ausländer mit letztem Wohnsitz im Ausland, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Ort der gelege- nen Sache für den in der Schweiz gelegenen Nachlass zuständig, soweit sich die ausländischen Behörden damit nicht befassen. 2 Befindet sich Vermögen an mehreren Orten, so sind die zuerst angerufenen schweizerischen Gerichte oder Behörden zuständig. Art. 89 Hinterlässt der Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland Vermö- gen in der Schweiz, so ordnen die schweizerischen Behörden am Ort der gelegenen Sache die zum einstweiligen Schutz der Vermögens- werte notwendigen Massnahmen an. Art. 90 1 Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht. 2 Ein Ausländer kann jedoch durch letztwillige Verfügung oder Erb- vertrag den Nachlass einem seiner Heimatrechte unterstellen. Diese Unterstellung fällt dahin, wenn er im Zeitpunkt des Todes diesem Staat nicht mehr angehört hat oder wenn er Schweizer Bürger ge- worden ist. Art. 91 1 Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland unter- steht dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitz- staates verweist. 2 Soweit nach Artikel 87 die schweizerischen Gerichte oder Behör- den am Heimatort zuständig sind, untersteht der Nachlass eines Schweizers mit letztem Wohnsitz im Ausland schweizerischem Recht, es sei denn, der Erblasser habe in der letztwilligen Verfügung 2. Heimat- zuständigkeit 3. Zuständigkeit am Ort der gelegenen Sache 4. Sichernde Massnahmen II. Anwendbares Recht 1. Letzter Wohnsitz in der Schweiz 2. Letzter Wohnsitz im Ausland Internationales Privatrecht 28 291 oder im Erbvertrag ausdrücklich das Recht an seinem letzten Wohn- sitz vorbehalten. Art. 92 1 Das auf den Nachlass anwendbare Recht bestimmt, was zum Nach- lass gehört, wer in welchem Umfang daran berechtigt ist, wer die Schulden des Nachlasses trägt, welche Rechtsbehelfe und Massnah- men zulässig sind und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können. 2 Die Durchführung der einzelnen Massnahmen richtet sich nach dem Recht am Ort der zuständigen Behörde. Diesem Recht unterste- hen namentlich die sichernden Massnahmen und die Nachlassab- wicklung mit Einschluss der Willensvollstreckung. Art. 93 1 Für die Form der letztwilligen Verfügung gilt das Haager Überein- kommen vom 5. Oktober 196155 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht. 2 Dieses Übereinkommen gilt sinngemäss auch für die Form anderer Verfügungen von Todes wegen. Art. 94 Eine Person kann von Todes wegen verfügen, wenn sie im Zeitpunkt der Verfügung nach dem Recht am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt oder nach dem Recht eines ihrer Heimatstaaten verfü- gungsfähig ist. Art. 95 1 Der Erbvertrag untersteht dem Recht am Wohnsitz des Erblassers zur Zeit des Vertragsabschlusses. 2 Unterstellt ein Erblasser im Vertrag den ganzen Nachlass seinem Heimatrecht, so tritt dieses an die Stelle des Wohnsitzrechts. 3 Gegenseitige Verfügungen von Todes wegen müssen dem Wohn- sitzrecht jedes Verfügenden oder dem von ihnen gewählten gemein- samen Heimatrecht entsprechen. 4 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Form und die Verfügungsfähigkeit (Art. 93 und 94). 55 SR 0.211.312.1 3. Umfang des Erbstatuts und Nachlass- abwicklung 4. Form 5. Verfügungs- fähigkeit 6. Erbverträge und gegenseitige Verfügungen von Todes wegen Internationales Privatrecht. BG 29 291 Art. 96 1 Ausländische Entscheidungen, Massnahmen und Urkunden, die den Nachlass betreffen, sowie Rechte aus einem im Ausland eröffne- ten Nachlass werden in der Schweiz anerkannt: a. wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie in einem dieser Staaten anerkannt werden, oder b. wenn sie Grundstücke betreffen und in dem Staat, in dem sie liegen, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie dort anerkannt werden. 2 Beansprucht ein Staat für die in seinem Gebiet liegenden Grund- stücke des Erblassers die ausschliessliche Zuständigkeit, so werden nur dessen Entscheidungen, Massnahmen und Urkunden anerkannt. 3 Sichernde Massnahmen des Staates, in dem Vermögen des Erb- lassers liegt, werden in der Schweiz anerkannt. 7. Kapitel: Sachenrecht Art. 97 Für Klagen betreffend dingliche Rechte an Grundstücken in der Schweiz sind die Gerichte am Ort der gelegenen Sache ausschliess- lich zuständig. Art. 98 1 Für Klagen betreffend dingliche Rechte an beweglichen Sachen sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz oder, wenn ein sol- cher fehlt, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten zuständig. 2 Überdies sind die schweizerischen Gerichte am Ort der gelegenen Sache zuständig.56 Art. 98a57 Für Klagen auf Rückführung von Kulturgut nach Artikel 9 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200358 ist das Gericht am 56 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 57 Eingefügt durch Art. 32 Ziff. 3 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Juni 2005 (AS 2005 1869; BBl 2002 535). 58 SR 444.1 III. Ausländische Entscheidungen, Massnahmen, Urkunden und Rechte I. Zuständigkeit 1. Grundstücke 2. Bewegliche Sachen 3. Kulturgut Internationales Privatrecht 30 291 Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem das Kulturgut sich befindet, zuständig. Art. 99 1 Dingliche Rechte an Grundstücken unterstehen dem Recht am Ort der gelegenen Sache. 2 Für Ansprüche aus Immissionen, die von einem Grundstück aus- gehen, gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes über unerlaubte Handlungen (Art. 138). Art. 100 1 Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen unterstehen dem Recht des Staates, in dem die Sache im Zeitpunkt des Vorgangs, aus dem der Erwerb oder der Verlust hergeleitet wird, liegt. 2 Inhalt und Ausübung dinglicher Rechte an beweglichen Sachen unterstehen dem Recht am Ort der gelegenen Sache. Art. 101 Rechtsgeschäftlicher Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an Sachen im Transit unterstehen dem Recht des Bestimmungsstaates. Art. 102 1 Gelangt eine bewegliche Sache in die Schweiz und ist der Erwerb oder der Verlust eines dinglichen Rechts an ihr nicht bereits im Aus- land erfolgt, so gelten die im Ausland eingetretenen Vorgänge als in der Schweiz erfolgt. 2 Gelangt eine bewegliche Sache in die Schweiz und ist an ihr im Ausland ein Eigentumsvorbehalt gültig begründet worden, der den Anforderungen des schweizerischen Rechts nicht genügt, so bleibt der Eigentumsvorbehalt in der Schweiz noch während drei Monaten gültig. 3 Dem gutgläubigen Dritten kann der Bestand eines solchen Eigen- tumsvorbehalts nicht entgegengehalten werden. Art. 103 Der Eigentumsvorbehalt an einer zur Ausfuhr bestimmten beweg- lichen Sache untersteht dem Recht des Bestimmungsstaates. II. Anwendbares Recht 1. Grundstücke 2. Bewegliche Sachen a. Grundsatz b. Sachen im Transit c. Sachen, die in die Schweiz gelangen d. Eigentumsvor- behalt an Sachen, die aus- geführt werden Internationales Privatrecht. BG 31 291 Art. 104 1 Die Parteien können den Erwerb und den Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Abgangs- oder des Bestim- mungsstaates oder dem Recht unterstellen, dem das zugrundelie- gende Rechtsgeschäft untersteht. 2 Die Rechtswahl kann Dritten nicht entgegengehalten werden. Art. 105 1 Die Verpfändung von Forderungen, Wertpapieren und anderen Rechten untersteht dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl kann Dritten nicht entgegengehalten werden. 2 Fehlt eine Rechtswahl, so untersteht die Verpfändung von Forde- rungen dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Pfandgläubi- gers. Für die Verpfändung anderer Rechte gilt dasselbe, sofern diese durch ein Wertrecht, ein Wertpapier oder einen gleichwertigen Titel vertreten werden; andernfalls untersteht ihre Verpfändung dem auf sie anwendbaren Recht.59 3 Dem Schuldner kann nur das Recht entgegengehalten werden, dem das verpfändete Recht untersteht. Art. 10660 1 Das in Artikel 145a Absatz 1 bezeichnete Recht bestimmt, ob ein Titel Waren vertritt. 2 Vertritt ein physischer Titel die Ware, so unterstehen die dingli- chen Rechte am Titel und an der Ware dem Recht, das auf den Titel als bewegliche Sache anwendbar ist. 3 Machen verschiedene Parteien dingliche Rechte an der Ware geltend, die einen unmittelbar, die anderen aufgrund eines Titels, so entscheidet über den Vorrang das auf die Ware selbst anwendbare Recht. Art. 107 Die Bestimmungen anderer Gesetze über dingliche Rechte an Schif- fen, Luftfahrzeugen und anderen Transportmitteln sind vorbehalten. 59 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 60 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). e. Rechtswahl 3. Besondere Regeln a. Verpfändung von Forderun- gen, Wert- papieren und anderen Rechten b. Warenpapiere und gleichwerti- ge Titel c. Transport- mittel Internationales Privatrecht 32 291 Art. 108 1 Ausländische Entscheidungen über dingliche Rechte an Grund- stücken werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat, in dem sie liegen, ergangen sind oder wenn sie dort anerkannt werden. 2 Ausländische Entscheidungen über dingliche Rechte an beweg- lichen Sachen werden in der Schweiz anerkannt: a. wenn sie im Staat ergangen sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat; oder b. wenn sie im Staat, in dem die Sache liegt, ergangen sind, so- fern der Beklagte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. c.61 … 7a. Kapitel:62 Intermediärverwahrte Wertpapiere Art. 108a63 Der Begriff der intermediärverwahrten Wertpapiere ist im Sinne des Haager Übereinkommens vom 5. Juli 200664 über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung zu verstehen. Art. 108b 1 Für Klagen betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthalt zuständig. 2 Für Klagen betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz sind überdies die Gerichte am Ort der Niederlassung zuständig. 61 Aufgehoben durch Art. 2 des BB vom 3. Okt. 2008 über die Genehmigung und die Um- setzung des Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung, mit Wirkung seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 6579; BBl 2006 9315). 62 Eingefügt durch Art. 2 des BB vom 3. Okt. 2008 über die Genehmigung und die Um- setzung des Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 6579; BBl 2006 9315). 63 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 64 SR 0.221.556.1 III. Ausländische Entscheidungen I. Begriff II. Zuständigkeit Internationales Privatrecht. BG 33 291 Art. 108c Für intermediärverwahrte Wertpapiere gilt das Haager Überein- kommen vom 5. Juli 200665 über die auf bestimmte Rechte an inter- mediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung. Art. 108d Ausländische Entscheidungen über intermediärverwahrte Wert- papiere werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie: a. im Staat ergangen sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; oder b. im Staat ergangen sind, in dem der Beklagte seine Nieder- lassung hatte, und sie Ansprüche aus dem Betrieb dieser Niederlassung betreffen. 8. Kapitel: Immaterialgüterrecht Art. 10966 1 Für Klagen betreffend die Gültigkeit oder die Eintragung von Immaterialgüterrechten in der Schweiz sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten zuständig. Hat der Beklagte keinen Wohnsitz in der Schweiz, so sind die schweizerischen Ge- richte am Geschäftssitz des im Register eingetragenen Vertreters oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen am Sitz der schweizerischen Registerbehörde zuständig. 2 Für Klagen betreffend Verletzung von Immaterialgüterrechten sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufent- haltsort zuständig. Überdies sind die schweizerischen Gerichte am Handlungs- und Erfolgsort sowie für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz die Gerichte am Ort der Nieder- lassung zuständig. 2bis Für Klagen betreffend gesetzliche Vergütungsansprüche für die rechtmässige Nutzung eines Immaterialguts gilt Absatz 2 sinnge- mäss.67 3 …68 65 SR 0.221.556.1 66 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Juli 2008 (AS 2008 2551; BBl 2006 1). 67 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 27. Sept. 2019, in Kraft seit 1. April 2020 (AS 2020 1003; BBl 2018 591). 68 Aufgehoben durch Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). III. Anwendba- res Recht IV. Ausländische Entscheidungen I. Zuständigkeit Internationales Privatrecht 34 291 Art. 110 1 Immaterialgüterrechte unterstehen dem Recht des Staates, für den der Schutz der Immaterialgüter beansprucht wird. 2 Für Ansprüche aus Verletzung von Immaterialgüterrechten können die Parteien nach Eintritt des schädigenden Ereignisses stets verein- baren, dass das Recht am Gerichtsort anzuwenden ist. 3 Verträge über Immaterialgüterrechte unterstehen den Bestimmun- gen dieses Gesetzes über das auf obligationenrechtliche Verträge anzuwendende Recht (Art. 122). Art. 111 1 Ausländische Entscheidungen betreffend Immaterialgüterrechte werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie: a. im Staat ergangen sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hatte; oder b. am Handlungs- oder Erfolgsort ergangen sind und der Be- klagte keinen Wohnsitz in der Schweiz hatte.69 2 Ausländische Entscheidungen betreffend Gültigkeit oder Eintra- gung von Immaterialgüterrechten werden nur anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind, für den der Schutz beansprucht wird, oder wenn sie dort anerkannt werden. 9. Kapitel: Obligationenrecht 1. Abschnitt: Verträge Art. 112 1 Für Klagen aus Vertrag sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthalt zuständig. 2 Für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz sind überdies die Gerichte am Ort der Niederlassung zu- ständig. 69 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Juli 2008 (AS 2008 2551; BBl 2006 1). 70 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). II. Anwendbares Recht III. Ausländische Entscheidungen I. Zuständigkeit 1. Wohnsitz und Niederlassung70 Internationales Privatrecht. BG 35 291 Art. 11371 Ist die für den Vertrag charakteristische Leistung in der Schweiz zu erbringen, so kann auch beim schweizerischen Gericht am Erfül- lungsort dieser Leistung geklagt werden. Art. 114 1 Für die Klagen eines Konsumenten aus einem Vertrag, der den Voraussetzungen von Artikel 120 Absatz 1 entspricht, sind nach Wahl des Konsumenten die schweizerischen Gerichte zuständig: a. am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Konsu- menten, oder b. am Wohnsitz des Anbieters oder, wenn ein solcher fehlt, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt. 2 Der Konsument kann nicht zum voraus auf den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz oder an seinem gewöhnlichen Aufenthalt verzich- ten. Art. 115 1 Für Klagen aus Arbeitsvertrag sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder am Ort zuständig, wo der Arbeit- nehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. 2 Für Klagen des Arbeitnehmers sind überdies die schweizerischen Gerichte an seinem Wohnsitz oder an seinem gewöhnlichen Aufent- halt zuständig. 3 Für Klagen bezüglich der auf die Arbeitsleistung anzuwendenden Arbeits- und Lohnbedingungen sind zudem die Schweizer Gerichte am Ort zuständig, an den der Arbeitnehmer für einen begrenzten Zeitraum und zur Verrichtung auch nur eines Teils seiner Arbeit aus dem Ausland entsandt worden ist.72 Art. 116 1 Der Vertrag untersteht dem von den Parteien gewählten Recht. 2 Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich eindeutig aus dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben. Im Übrigen unter- steht sie dem gewählten Recht. 3 Die Rechtswahl kann jederzeit getroffen oder geändert werden. Wird sie nach Vertragsabschluss getroffen oder geändert, so wirkt 71 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 72 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 8. Okt. 1999 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in Kraft seit 1. Juni 2004 (AS 2003 1370; BBl 1999 6128). 2. Erfüllungsort 3. Verträge mit Konsumenten 4. Arbeits- verträge II. Anwendbares Recht 1. Im Allgemeinen a. Rechtswahl Internationales Privatrecht 36 291 sie auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück. Die Rechte Dritter sind vorbehalten. Art. 117 1 Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. 2 Es wird vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung er- bringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet. 3 Als charakteristische Leistung gilt namentlich: a. bei Veräusserungsverträgen die Leistung des Veräusserers; b. bei Gebrauchsüberlassungsverträgen die Leistung der Partei, die eine Sache oder ein Recht zum Gebrauch überlässt; c. bei Auftrag, Werkvertrag und ähnlichen Dienstleistungsver- trägen die Dienstleistung; d. bei Verwahrungsverträgen die Leistung des Verwahrers; e. bei Garantie- oder Bürgschaftsverträgen die Leistung des Garanten oder des Bürgen. Art. 118 1 Für den Kauf beweglicher körperlicher Sachen gilt das Haager Übereinkommen vom 15. Juni 195573 betreffend das auf internatio- nale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwen- dende Recht. 2 Artikel 120 ist vorbehalten. Art. 119 1 Verträge über Grundstücke oder deren Gebrauch unterstehen dem Recht des Staates, in dem sich die Grundstücke befinden. 2 Eine Rechtswahl ist zulässig. 3 Die Form untersteht dem Recht des Staates, in dem sich das Grund- stück befindet, es sei denn, dieses Recht lasse die Anwendung eines anderen Rechts zu. Für ein Grundstück in der Schweiz richtet sich die Form nach schweizerischem Recht. 73 SR 0.221.211.4 b. Fehlen einer Rechtswahl 2. Im Besonde- ren a. Kauf beweg- licher körperli- cher Sachen b. Grundstücke Internationales Privatrecht. BG 37 291 Art. 120 1 Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für den per- sönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten bestimmt sind und nicht im Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Konsumenten stehen, unterstehen dem Recht des Staa- tes, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat: a. wenn der Anbieter die Bestellung in diesem Staat entgegen- genommen hat; b. wenn in diesem Staat dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Konsument in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, oder c. wenn der Anbieter den Konsumenten veranlasst hat, sich ins Ausland zu begeben und seine Bestellung dort abzugeben. 2 Eine Rechtswahl ist ausgeschlossen. Art. 121 1 Der Arbeitsvertrag untersteht dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. 2 Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in mehreren Staaten, so untersteht der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung oder, wenn eine solche fehlt, der Wohn- sitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitgebers befindet. 3 Die Parteien können den Arbeitsvertrag dem Recht des Staates unterstellen, in dem der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Aufent- halt hat oder in dem der Arbeitgeber seine Niederlassung, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 122 1 Verträge über Immaterialgüterrechte unterstehen dem Recht des Staates, in dem derjenige, der das Immaterialgüterrecht überträgt oder die Benutzung an ihm einräumt, seinen gewöhnlichen Aufent- halt hat. 2 Eine Rechtswahl ist zulässig. 3 Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Rechte an Immaterialgütern, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrages geschaffen hat, unterstehen dem auf den Ar- beitsvertrag anwendbaren Recht. c. Verträge mit Konsumenten d. Arbeits- verträge e. Verträge über Immaterial- güterrechte Internationales Privatrecht 38 291 Art. 123 Schweigt eine Partei auf einen Antrag zum Abschluss eines Ver- trages, so kann sie sich für die Wirkungen des Schweigens auf das Recht des Staates berufen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 124 1 Der Vertrag ist formgültig, wenn er dem auf den Vertrag anwend- baren Recht oder dem Recht am Abschlussort entspricht. 2 Befinden sich die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in verschiedenen Staaten, so genügt es, wenn die Form dem Recht eines dieser Staaten entspricht. 3 Schreibt das auf den Vertrag anwendbare Recht die Beachtung einer Form zum Schutz einer Partei vor, so richtet sich die Formgül- tigkeit ausschliesslich nach diesem Recht, es sei denn, dieses lasse die Anwendung eines anderen Rechts zu. Art. 125 Erfüllungs- und Untersuchungsmodalitäten unterstehen dem Recht des Staates, in dem sie tatsächlich erfolgen. Art. 126 1 Bei rechtsgeschäftlicher Vertretung untersteht das Verhältnis zwi- schen dem Vertretenen und dem Vertreter dem auf ihren Vertrag anwendbaren Recht. 2 Die Voraussetzungen, unter denen eine Handlung des Vertreters den Vertretenen gegenüber dem Dritten verpflichtet, unterstehen dem Recht des Staates, in dem der Vertreter seine Niederlassung hat oder, wenn eine solche fehlt oder für den Dritten nicht erkennbar ist, dem Recht des Staates, in dem der Vertreter im Einzelfall haupt- sächlich handelt. 3 Steht der Vertreter in einem Arbeitsverhältnis zum Vertretenen und besitzt er keine eigene Geschäftsniederlassung, so befindet sich der Ort seiner Niederlassung am Sitz des Vertretenen. 4 Das nach Absatz 2 anwendbare Recht gilt auch für das Verhältnis zwischen dem nicht ermächtigten Vertreter und dem Dritten. 3. Gemeinsame Bestimmungen a. Schweigen auf einen Antrag b. Form c. Erfüllungs- und Untersu- chungsmodali- täten d. Stellvertretung Internationales Privatrecht. BG 39 291 2. Abschnitt: Ungerechtfertigte Bereicherung Art. 12774 Für Klagen aus ungerechtfertigter Bereicherung sind die schweizeri- schen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständig. Überdies sind für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz die Gerichte am Ort der Niederlassung zuständig. Art. 128 1 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung unterstehen dem Recht, dem das bestehende oder das vermeintliche Rechtsverhältnis unterstellt ist, aufgrund dessen die Bereicherung stattgefunden hat. 2 Besteht kein Rechtsverhältnis, so unterstehen die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung dem Recht des Staates, in dem die Bereicherung eingetreten ist; die Parteien können vereinbaren, dass das Recht am Gerichtsort anzuwenden ist. 3. Abschnitt: Unerlaubte Handlungen Art. 12975 1 Für Klagen aus unerlaubter Handlung sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständig. Über- dies sind die schweizerischen Gerichte am Handlungs- oder Erfolg- sort sowie für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz die Gerichte am Ort der Niederlassung zuständig. 2 …76 Art. 13077 1 Für die Zuständigkeit für Klagen aus nuklearen Ereignissen gilt das Übereinkommen vom 29. Juli 196078 über die Haftung gegenüber 74 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Juli 2008 (AS 2008 2551; BBl 2006 1). 75 Fassung gemäss Anhang Ziff. 5 des BG vom 22. Juni 2007, in Kraft seit 1. Juli 2008 (AS 2008 2551; BBl 2006 1). 76 Aufgehoben durch Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 77 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 3 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 13. Juni 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2022, veröffentlicht am 27. Jan. 2022 (AS 2022 43; BBl 2007 5397). 78 SR 0.732.44 I. Zuständigkeit II. Anwendbares Recht I. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Im Besonderen a. Nukleare Ereignisse Internationales Privatrecht 40 291 Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatz- protokolls vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004 (Pariser Überein- kommen). 2 Sind nach diesem Übereinkommen die schweizerischen Gerichte zuständig, so ist die Klage in dem Kanton einzureichen, auf dessen Gebiet das Ereignis eingetreten ist, oder, wenn der Ort des Ereignis- ses ausserhalb der Hoheitsgebiete der Vertragsparteien liegt oder nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, in demjenigen Kanton, auf dessen Gebiet sich die Kernanlage des haftpflichtigen Inhabers befindet. Bestehen nach diesen Regeln mehrere Gerichtsstände, so ist die Klage in demjenigen Kanton einzureichen, der im Sinne von Artikel 13 Absatz (f) Ziffer (ii) des Übereinkommens die engste Verbindung zum Ereignis aufweist und am meisten von seinen Auswirkungen betroffen ist. 3 Die Zuständigkeitsordnung nach Absatz 2 gilt sinngemäss auch für Klagen aus nuklearen Ereignissen, auf die das Übereinkommen nicht anwendbar ist. Befinden sich bei einer solchen Klage weder der Ort des Ereignisses noch die Kernanlage in der Schweiz, so kann auch in demjenigen Kanton geklagt werden, auf dessen Gebiet der geltend gemachte Schaden eingetreten ist. Ist in mehreren Kantonen ein Schaden eingetreten, ist derjenige Kanton zuständig, der am meisten von den Auswirkungen des Ereignisses betroffen ist. Art. 130a79 Klagen zur Durchsetzung des Auskunftsrechts gegen den Inhaber einer Datensammlung können bei den in Artikel 129 genannten Gerichten oder bei den schweizerischen Gerichten am Ort, wo die Datensammlung geführt oder verwendet wird, eingereicht werden. Art. 131 Für Klagen aufgrund eines unmittelbaren Forderungsrechts gegen den Haftpflichtversicherer sind die schweizerischen Gerichte am Ort der Niederlassung des Versicherers oder diejenigen am Handlungs- oder am Erfolgsort zuständig. Art. 132 Die Parteien können nach Eintritt des schädigenden Ereignisses stets vereinbaren, dass das Recht am Gerichtsort anzuwenden ist. 79 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 3 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 13. Juni 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2022, veröffentlicht am 27. Jan. 2022 (AS 2022 43; BBl 2007 5397). b. Auskunfts- recht im Zusammen- hang mit Datensamm- lungen 3. Unmittelbares Forderungsrecht II. Anwendbares Recht 1. Im Allgemeinen a. Rechtswahl Internationales Privatrecht. BG 41 291 Art. 133 1 Haben Schädiger und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gleichen Staat, so unterstehen Ansprüche aus unerlaubter Hand- lung dem Recht dieses Staates. 2 Haben Schädiger und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im gleichen Staat, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist. Tritt der Erfolg nicht in dem Staat ein, in dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Erfolg eintritt, wenn der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolges in diesem Staat rechnen musste. 3 Wird durch eine unerlaubte Handlung ein zwischen Schädiger und Geschädigtem bestehendes Rechtsverhältnis verletzt, so unterstehen Ansprüche aus unerlaubter Handlung, ungeachtet der Absätze 1 und 2, dem Recht, dem das vorbestehende Rechtsverhältnis unterstellt ist. Art. 134 Für Ansprüche aus Strassenverkehrsunfällen gilt das Haager Über- einkommen vom 4. Mai 197180 über das auf Strassenverkehrsunfälle anwendbare Recht. Art. 135 1 Ansprüche aus Mängeln oder mangelhafter Beschreibung eines Produktes unterstehen nach Wahl des Geschädigten: a. dem Recht des Staates, in dem der Schädiger seine Nieder- lassung oder, wenn eine solche fehlt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b. dem Recht des Staates, in dem das Produkt erworben worden ist, sofern der Schädiger nicht nachweist, dass es in diesem Staat ohne sein Einverständnis in den Handel gelangt ist. 2 Unterstehen Ansprüche aus Mängeln oder mangelhafter Beschrei- bung eines Produktes ausländischem Recht, so können in der Schweiz keine weitergehenden Leistungen zugesprochen werden, als nach schweizerischem Recht für einen solchen Schaden zuzuspre- chen wären. Art. 136 1 Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb unterstehen dem Recht des Staates, auf dessen Markt die unlautere Handlung ihre Wirkung ent- faltet. 80 SR 0.741.31 b. Fehlen einer Rechtswahl 2. Im Besonde- ren a. Strassen- verkehrsunfälle b. Produkte- mängel c. Unlauterer Wettbewerb Internationales Privatrecht 42 291 2 Richtet sich die Rechtsverletzung ausschliesslich gegen betrieb- liche Interessen des Geschädigten, so ist das Recht des Staates anzu- wenden, in dem sich die betroffene Niederlassung befindet. 3 Artikel 133 Absatz 3 ist vorbehalten. Art. 137 1 Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung unterstehen dem Recht des Staates, auf dessen Markt der Geschädigte von der Behinderung unmittelbar betroffen ist. 2 Unterstehen Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung ausländi- schem Recht, so können in der Schweiz keine weitergehenden Leis- tungen zugesprochen werden als nach schweizerischem Recht für eine unzulässige Wettbewerbsbehinderung zuzusprechen wären. Art. 138 Ansprüche aus schädigenden Einwirkungen, die von einem Grund- stück ausgehen, unterstehen nach Wahl des Geschädigten dem Recht des Staates, in dem das Grundstück liegt, oder dem Recht des Staa- tes, in dem der Erfolg einer Einwirkung eintritt. Art. 138a81 1 Ansprüche aus nuklearen Ereignissen unterstehen schweizerischem Recht. 2 Ist die Kernanlage des haftpflichtigen Inhabers in einem Vertrags- staat des Pariser Übereinkommens82 gelegen, so bestimmt sich nach dem Recht dieses Vertragsstaates: a. ob sich die Ersatzpflicht des Inhabers für nukleare Schäden über den in Artikel 2 Absatz (b) des Übereinkommens ge- nannten Anwendungsbereich hinaus erstreckt; b. ob und inwieweit ein nuklearer Schaden in den Fällen von Artikel 9 des Übereinkommens ersetzt wird. 3 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar auf den Inhaber einer Kernan- lage, die nicht in einem Vertragsstaat des Pariser Übereinkommens gelegen ist, sofern dieser Staat der Schweiz gegenüber eine mindes- tens gleichwertige Regelung vorsieht. 81 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 3 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 13. Juni 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2022, veröffentlicht am 27. Jan. 2022 (AS 2022 43; BBl 2007 5397). 82 SR 0.732.44 d. Wettbewerbs- behinderung e. Immissionen ebis. Nukleare Ereignisse Internationales Privatrecht. BG 43 291 Art. 139 1 Ansprüche aus Verletzung der Persönlichkeit durch Medien, ins- besondere durch Presse, Radio, Fernsehen oder durch andere Infor- mationsmittel in der Öffentlichkeit unterstehen nach Wahl des Ge- schädigten: a. dem Recht des Staates, in dem der Geschädigte seinen ge- wöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolges in diesem Staat rechnen musste; b. dem Recht des Staates, in dem der Urheber der Verletzung seine Niederlassung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c. dem Recht des Staates, in dem der Erfolg der verletzenden Handlung eintritt, sofern der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolges in diesem Staat rechnen musste. 2 Das Gegendarstellungsrecht gegenüber periodisch erscheinenden Medien richtet sich ausschliesslich nach dem Recht des Staates, in dem das Druckerzeugnis erschienen ist oder von dem aus die Radio- oder Fernsehsendung verbreitet wurde. 3 Absatz 1 ist auch anwendbar auf Ansprüche aus Verletzung der Persönlichkeit durch das Bearbeiten von Personendaten sowie aus Beeinträchtigung des Rechts auf Auskunft über Personendaten.83 Art. 140 Sind mehrere Personen an einer unerlaubten Handlung beteiligt, so ist für jede von ihnen das anwendbare Recht gesondert zu bestim- men, unabhängig von der Art ihrer Beteiligung. Art. 141 Der Geschädigte kann seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer des Haftpflichtigen geltend machen, wenn das auf die unerlaubte Handlung oder auf den Versicherungsvertrag anwendbare Recht es vorsieht. Art. 142 1 Das auf die unerlaubte Handlung anwendbare Recht bestimmt ins- besondere die Deliktsfähigkeit, die Voraussetzungen und den Um- fang der Haftung sowie die Person des Haftpflichtigen. 2 Sicherheits- und Verhaltensvorschriften am Ort der Handlung sind zu berücksichtigen. 83 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz, in Kraft seit 1. Juli 1993 (AS 1993 1945; BBl 1988 II 413). f. Persönlich- keitsverletzung 3. Besondere Bestimmungen a. Mehrfache Haftpflichtige b. Unmittelbares Forderungsrecht 4. Geltungs- bereich Internationales Privatrecht 44 291 4. Abschnitt: Gemeinsame Bestimmungen Art. 143 Hat der Gläubiger Ansprüche gegen mehrere Schuldner, so unterste- hen die Rechtsfolgen daraus dem Recht, dem das Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem in Anspruch genommenen Schuldner unterstellt ist. Art. 144 1 Ein Schuldner kann auf einen anderen Schuldner unmittelbar oder durch Eintritt in die Rechtsstellung des Gläubigers insoweit Rück- griff nehmen, als es die Rechte zulassen, denen die entsprechenden Schulden unterstehen. 2 Die Durchführung des Rückgriffs untersteht dem gleichen Recht wie die Schuld des Rückgriffsverpflichteten. Fragen, die nur das Verhältnis zwischen Gläubiger und Rückgriffsberechtigtem betref- fen, unterstehen dem Recht, das auf die Schuld des Rückgriffs- berechtigten anwendbar ist. 3 Ob einer Einrichtung, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ein Rückgriffsrecht zusteht, bestimmt sich nach dem auf diese Einrich- tung anwendbaren Recht. Für die Zulässigkeit und die Durchführung des Rückgriffes gelten die Absätze 1 und 2. Art. 145 1 Die Abtretung einer Forderung durch Vertrag untersteht dem von den Parteien gewählten Recht oder, wenn ein solches fehlt, dem auf die Forderung anzuwendenden Recht. Die Rechtswahl ist gegenüber dem Schuldner ohne dessen Zustimmung unwirksam. 2 Für die Abtretung einer Forderung des Arbeitnehmers ist die Rechtswahl nur insoweit wirksam, als Artikel 121 Absatz 3 sie für den Arbeitsvertrag zulässt. 3 Die Form der Abtretung untersteht ausschliesslich dem auf den Abtretungsvertrag anwendbaren Recht. 4 Fragen, die nur das Verhältnis zwischen den Parteien des Abtre- tungsvertrages betreffen, unterstehen dem Recht, welches auf das der Abtretung zugrundeliegende Rechtsverhältnis anwendbar ist. I. Mehrheit von Schuldnern 1. Ansprüche gegen mehrere Schuldner 2. Rückgriff zwischen Schuldnern II. Übergang einer Forderung 1. Abtretung durch Vertrag Internationales Privatrecht. BG 45 291 Art. 145a84 1 Ob eine Forderung durch einen Titel in Papier- oder gleichwertiger Form vertreten und mittels dieses Titels übertragen wird, bestimmt das darin bezeichnete Recht. Ist im Titel kein Recht bezeichnet, so gilt das Recht des Staates, in dem der Aussteller seinen Sitz oder, wenn ein solcher fehlt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2 Betreffend dingliche Rechte an einem physischen Titel bleiben die Bestimmungen des siebten Kapitels vorbehalten. Art. 146 1 Der Übergang einer Forderung kraft Gesetzes untersteht dem Recht des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zwischen altem und neuem Gläubiger oder, wenn ein solches fehlt, dem Recht der Forde- rung. 2 Vorbehalten sind die Bestimmungen des Rechts der Forderung, die den Schuldner schützen. Art. 147 1 Was unter einer Währung zu verstehen ist, bestimmt das Recht des Staates, dessen Währung in Frage steht. 2 Die Wirkungen einer Währung auf die Höhe einer Schuld unter- stehen dem Recht, das auf die Schuld anwendbar ist. 3 In welcher Währung zu zahlen ist, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem die Zahlung zu erfolgen hat. Art. 148 1 Verjährung und Erlöschen einer Forderung unterstehen dem auf die Forderung anwendbaren Recht. 2 Bei der Verrechnung untersteht das Erlöschen dem Recht der For- derung, deren Tilgung mit der Verrechnung bezweckt ist. 3 Die Neuerung, der Erlass- und der Verrechnungsvertrag richten sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes über das auf Verträge anwendbare Recht (Art. 116 ff.). 84 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 25. Sept. 2020 zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, in Kraft seit 1. Febr. 2021 (AS 2021 33; BBl 2020 233). 1a. Übertragung mittels eines Titels 2. Übergang kraft Gesetzes III. Währung IV. Verjährung und Erlöschen einer Forderung Internationales Privatrecht 46 291 5. Abschnitt: Ausländische Entscheidungen Art. 149 1 Ausländische Entscheidungen über obligationenrechtliche Ansprü- che werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind: a. in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hatte, oder b. in dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und die Ansprüche mit einer Tätigkeit an diesem Ort zusam- menhängen. 2 Eine ausländische Entscheidung wird ferner anerkannt: a.85 wenn sie eine vertragliche Leistung betrifft, im Staat der Er- füllung der charakteristischen Leistung ergangen ist und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte; b. wenn sie Ansprüche aus Verträgen mit Konsumenten betrifft und am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Konsumenten ergangen ist, und die Voraussetzungen von Artikel 120 Absatz 1 erfüllt sind; c. wenn sie Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag betrifft, am Arbeits- oder Betriebsort ergangen ist und der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte; d. wenn sie Ansprüche aus dem Betrieb einer Niederlassung betrifft und am Sitz dieser Niederlassung ergangen ist; e. wenn sie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung be- trifft, am Handlungs- oder am Erfolgsort ergangen ist und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte; oder f.86 wenn sie Ansprüche aus unerlaubter Handlung betrifft, am Handlungs- oder am Erfolgsort oder, bei nuklearen Ereignis- sen, am Ort, an dem sich die Kernanlage des haftpflichtigen Inhabers befindet, ergangen ist und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte. 85 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 3 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umset- zung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777). 86 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 3 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 13. Juni 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2022, veröffentlicht am 27. Jan. 2022 (AS 2022 43; BBl 2007 5397). Internationales Privatrecht. BG 47 291 9a. Kapitel:87 Trusts Art. 149a Als Trusts gelten rechtsgeschäftlich errichtete Trusts im Sinne des Haager Übereinkommens vom 1. Juli 198588 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung, unabhängig davon, ob sie im Sinne von Artikel 3 des Übereinkommens schrift- lich nachgewiesen sind. Art. 149b 1 In trustrechtlichen Angelegenheiten ist die Gerichtsstandswahl gemäss den Bestimmungen des Trusts massgebend. Die Wahl oder eine Ermächtigung dazu in den Bestimmungen ist nur zu beachten, wenn sie schriftlich erfolgt ist oder in einer anderen Form, die ihren Nachweis durch Text ermöglicht. Ist nichts anderes bestimmt, so ist das bezeichnete Gericht ausschliesslich zuständig. Artikel 5 Absatz 2 gilt sinngemäss. 2 Das bezeichnete Gericht darf seine Zuständigkeit nicht ablehnen, wenn: a. eine Partei, der Trust oder ein Trustee Wohnsitz, gewöhn- lichen Aufenthalt oder eine Niederlassung im Kanton dieses Gerichts hat, oder b. ein Grossteil des Trustvermögens sich in der Schweiz befin- det. 3 Fehlt eine gültige Gerichtsstandswahl oder ist nach ihr das be- zeichnete Gericht nicht ausschliesslich zuständig, so sind die schweizerischen Gerichte zuständig: a. am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, am gewöhnlichen Aufenthalt der beklagten Partei; b. am Sitz des Trusts; oder c. für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz, am Ort dieser Niederlassung. 4 Bei Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit infolge öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen kann ausserdem bei den schweizerischen Gerichten am Ausgabeort geklagt werden. Diese Zuständigkeit kann durch eine Gerichtsstandswahl nicht aus- geschlossen werden. 87 Eingefügt durch Art. 2 des BB vom 20. Dez. 2006 über die Genehmigung und Umsetzung des Haager Übereink. über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung, in Kraft seit 1. Juli 2007 (AS 2007 2849; BBl 2006 551). 88 SR 0.221.371 I. Begriff II. Zuständigkeit Internationales Privatrecht 48 291 Art. 149c 1 Für das auf Trusts anwendbare Recht gilt das Haager Überein- kommen vom 1. Juli 198589 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung. 2 Das vom Übereinkommen bezeichnete anwendbare Recht ist auch dort massgebend, wo nach Artikel 5 des Übereinkommens dieses nicht anzuwenden ist oder wo nach Artikel 13 des Übereinkommens keine Verpflichtung zur Anerkennung eines Trusts besteht. Art. 149d 1 Bei Trustvermögen, das auf den Namen von Trustees im Grund- buch, im Schiffsregister oder im Luftfahrzeugbuch eingetragen ist, kann auf das Trustverhältnis durch eine Anmerkung hingewiesen werden. 2 Trustverhältnisse, die in der Schweiz registrierte Immaterialgüter- rechte betreffen, werden auf Antrag im jeweiligen Register eingetra- gen. 3 Ein nicht angemerktes oder eingetragenes Trustverhältnis ist gut- gläubigen Dritten gegenüber unwirksam. Art. 149e 1 Ausländische Entscheidungen in trustrechtlichen Angelegenheiten werden in der Schweiz anerkannt, wenn: a. sie von einem nach Artikel 149b Absatz 1 gültig bezeichne- ten Gericht getroffen worden sind; b. sie im Staat ergangen sind, in dem die beklagte Partei ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Nieder- lassung hatte; c. sie im Staat ergangen sind, in dem der Trust seinen Sitz hat- te; d. sie im Staat ergangen sind, dessen Recht der Trust untersteht, oder e. sie im Staat anerkannt werden, in dem der Trust seinen Sitz hat, und die beklagte Partei ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte. 2 Für ausländische Entscheidungen über Ansprüche aus öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen aufgrund von Prospekten, Zirkularen und ähnlichen Bekanntmachungen gilt sinn- gemäss Artikel 165 Absatz 2. 89 SR 0.221.371 III. Anwend- bares Recht IV. Besondere Vorschriften betreffend Publizität V. Ausländische Entscheidungen Internationales Privatrecht. BG 49 291 10. Kapitel: Gesellschaftsrecht Art. 150 1 Als Gesellschaften im Sinne dieses Gesetzes gelten organisierte Personenzusammenschlüsse und organisierte Vermögenseinheiten. 2 Für einfache Gesellschaften, die sich keine Organisation gegeben haben, gilt das auf Verträge anwendbare Recht (Art. 116 ff.). Art. 151 1 In gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten sind die schweizerischen Gerichte am Sitz der Gesellschaft zuständig für Klagen gegen die Gesellschaft, die Gesellschafter oder die aus gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit haftenden Personen. 2 Für Klagen gegen einen Gesellschafter oder gegen eine aus gesell- schaftsrechtlicher Verantwortlichkeit haftende Person sind auch die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten zuständig. 3 Für Klagen aus Verantwortlichkeit infolge öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen sind ausserdem die schwei- zerischen Gerichte am Ausgabeort zuständig. Diese Zuständigkeit kann durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht ausgeschlossen werden. 4 …90 Art. 152 Für Klagen gegen die nach Artikel 159 haftenden Personen oder gegen die ausländische Gesellschaft, für die sie handeln, sind zustän- dig: a. die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz oder, wenn ein solcher fehlt, diejenigen am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten, oder b. die schweizerischen Gerichte am Ort, an dem die Gesell- schaft tatsächlich verwaltet wird. Art. 153 Für Massnahmen zum Schutze des in der Schweiz gelegenen Vermö- gens von Gesellschaften mit Sitz im Ausland sind die schweizeri- 90 Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 18 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221). Aufgehoben durch Ziff. II 2 des BG vom 28. Sept. 2012, mit Wirkung seit 1. Mai 2013 (AS 2013 1103; BBl 2011 6873). I. Begriffe II. Zuständigkeit 1. Grundsatz 2. Haftung für ausländische Gesellschaften 3. Schutzmass- nahmen Internationales Privatrecht 50 291 schen Gerichte oder Behörden am Ort des zu schützenden Vermö- genswertes zuständig. Art. 154 1 Gesellschaften unterstehen dem Recht des Staates, nach dessen Vorschriften sie organisiert sind, wenn sie die darin vorgeschriebe- nen Publizitäts- oder Registrierungsvorschriften dieses Rechts erfül- len oder, falls solche Vorschriften nicht bestehen, wenn sie sich nach dem Recht dieses Staates organisiert haben. 2 Erfüllt eine Gesellschaft diese Voraussetzungen nicht, so untersteht sie dem Recht des Staates, in dem sie tatsächlich verwaltet wird. Art. 155 Unter Vorbehalt der Artikel 156–161 bestimmt das auf die Gesell- schaft anwendbare Recht insbesondere: a. die Rechtsnatur; b. die Entstehung und den Untergang; c. die Rechts- und Handlungsfähigkeit; d. den Namen oder die Firma; e. die Organisation; f. die internen Beziehungen, namentlich diejenigen zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern; g. die Haftung aus Verletzung gesellschaftsrechtlicher Vor- schriften; h. die Haftung für ihre Schulden; i. die Vertretung der aufgrund ihrer Organisation handelnden Personen. Art. 156 Ansprüche aus öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen aufgrund von Prospekten, Zirkularen und ähnlichen Be- kanntmachungen können nach dem auf die Gesellschaft anwendba- ren Recht oder nach dem Recht des Staates geltend gemacht werden, in dem die Ausgabe erfolgt ist. Art. 157 1 Wird in der Schweiz der Name oder die Firma einer im schweizeri- schen Handelsregister eingetragenen Gesellschaft verletzt, so richtet sich deren Schutz nach schweizerischem Recht. III. Anwend- bares Recht 1. Grundsatz 2. Umfang IV. Sonderan- knüpfungen 1. Ansprüche aus öffentlicher Aus- gabe von Beteili- gungspapieren und Anleihen 2. Namens- und Firmenschutz Internationales Privatrecht. BG 51 291 2 Ist eine Gesellschaft nicht im schweizerischen Handelsregister ein- getragen, so richtet sich der Schutz ihres Namens oder ihrer Firma nach dem auf den unlauteren Wettbewerb (Art. 136) oder nach dem auf die Persönlichkeitsverletzung anwendbaren Recht (Art. 132, 133 und 139). Art. 158 Eine Gesellschaft kann sich nicht auf die Beschränkung der Vertre- tungsbefugnis eines Organs oder eines Vertreters berufen, die dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Niederlas- sung der anderen Partei unbekannt ist, es sei denn, die andere Partei habe diese Beschränkung gekannt oder hätte sie kennen müssen. Art. 159 Werden die Geschäfte einer Gesellschaft, die nach ausländischem Recht gegründet worden ist, in der Schweiz oder von der Schweiz aus geführt, so untersteht die Haftung der für sie handelnden Perso- nen schweizerischem Recht. Art. 160 1 Eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland kann in der Schweiz eine Zweigniederlassung haben. Diese untersteht schweizerischem Recht. 2 Die Vertretungsmacht einer solchen Zweigniederlassung richtet sich nach schweizerischem Recht. Mindestens eine zur Vertretung befugte Person muss in der Schweiz Wohnsitz haben und im Han- delsregister eingetragen sein. 3 Der Bundesrat erlässt die näheren Vorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister. Art. 161 1 Eine ausländische Gesellschaft kann sich ohne Liquidation und Neugründung dem schweizerischen Recht unterstellen, wenn das ausländische Recht es gestattet, die Gesellschaft die Voraussetzun- gen des ausländischen Rechts erfüllt und die Anpassung an eine schweizerische Rechtsform möglich ist. 2 Der Bundesrat kann die Unterstellung unter das schweizerische Recht auch ohne Berücksichtigung des ausländischen Rechts zulas- sen, insbesondere wenn erhebliche schweizerische Interessen es erfordern. 91 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 3. Beschränkung der Vertretungs- befugnis 4. Haftung für ausländische Gesellschaften V. Zweignieder- lassung auslän- discher Gesell- schaften in der Schweiz VI. Verlegung, Fusion, Spaltung und Vermögens- übertragung 1. Verlegung der Gesellschaft vom Ausland in die Schweiz a. Grundsatz91 Internationales Privatrecht 52 291 Art. 162 1 Eine Gesellschaft, die nach schweizerischem Recht eintragungs- pflichtig ist, untersteht schweizerischem Recht, sobald sie nachweist, dass sie den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit in die Schweiz ver- legt und sich dem schweizerischen Recht angepasst hat. 2 Eine Gesellschaft, die nach schweizerischem Recht nicht eintra- gungspflichtig ist, untersteht dem schweizerischen Recht, sobald der Wille, dem schweizerischen Recht zu unterstehen, deutlich erkenn- bar ist, eine genügende Beziehung zur Schweiz besteht und die Anpassung an das schweizerische Recht erfolgt ist. 3 Eine Kapitalgesellschaft hat vor der Eintragung durch den Bericht eines zugelassenen Revisionsexperten im Sinne des Revisions- aufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 200593 nachzuweisen, dass ihr Grundkapital nach schweizerischem Recht gedeckt ist.94 Art. 16395 1 Eine schweizerische Gesellschaft kann sich ohne Liquidation und Neugründung dem ausländischen Recht unterstellen, wenn die Voraussetzungen nach schweizerischem Recht erfüllt sind und sie nach dem ausländischen Recht fortbesteht. 2 Die Gläubiger sind unter Hinweis auf die bevorstehende Änderung des Gesellschaftsstatuts öffentlich zur Anmeldung ihrer Forderungen aufzufordern. Artikel 46 des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 200396 findet sinngemäss Anwendung. 3 Die Bestimmungen über vorsorgliche Schutzmassnahmen im Falle internationaler Konflikte im Sinne von Artikel 61 des Landesversor- gungsgesetzes vom 8. Oktober 198297 sind vorbehalten. 92 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 93 SR 221.302 94 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 16. Dez. 2005 (GmbH-Recht sowie Anpas- sungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4791; BBl 2002 3148, 2004 3969). 95 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 96 SR 221.301 97 [AS 1983 931, 1992 288 Anhang Ziff. 24, 1995 1018 1794, 1996 3371 Anhang 2 Ziff. 1, 2001 1439, 2006 2197 Anhang Ziff. 48, 2010 1881 Anhang 1 Ziff. II 18, 2012 3655 Ziff. I 15. AS 2017 3097 Anhang 2 Ziff. I]. Siehe heute: das Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 2016 (SR 531). b. Massgeblicher Zeitpunkt92 2. Verlegung der Gesellschaft von der Schweiz ins Ausland Internationales Privatrecht. BG 53 291 Art. 163a98 1 Eine schweizerische Gesellschaft kann eine ausländische Gesell- schaft übernehmen (Immigrationsabsorption) oder sich mit ihr zu einer neuen schweizerischen Gesellschaft zusammenschliessen (Immigrationskombination), wenn das auf die ausländische Gesell- schaft anwendbare Recht dies gestattet und dessen Voraussetzungen erfüllt sind. 2 Im Übrigen untersteht die Fusion dem schweizerischen Recht. Art. 163b99 1 Eine ausländische Gesellschaft kann eine schweizerische Gesell- schaft übernehmen (Emigrationsabsorption) oder sich mit ihr zu einer neuen ausländischen Gesellschaft zusammenschliessen (Emig- rationskombination), wenn die schweizerische Gesellschaft nach- weist, dass: a. mit der Fusion ihre Aktiven und Passiven auf die ausländi- sche Gesellschaft übergehen; und b. die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in der ausländischen Gesellschaft angemessen gewahrt bleiben. 2 Die schweizerische Gesellschaft hat alle Vorschriften des schwei- zerischen Rechts zu erfüllen, die für die übertragende Gesellschaft gelten. 3 Die Gläubiger sind unter Hinweis auf die bevorstehende Fusion in der Schweiz öffentlich zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufor- dern. Artikel 46 des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 2003100 findet sinngemäss Anwendung. 4 Im Übrigen untersteht die Fusion dem Recht der übernehmenden ausländischen Gesellschaft. Art. 163c101 1 Der Fusionsvertrag hat den zwingenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der auf die beteiligten Gesellschaften anwendbaren Rechte mit Einschluss der Formvorschriften zu entsprechen. 2 Im Übrigen untersteht der Fusionsvertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Fusi- onsvertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusam- 98 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 99 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 100 SR 221.301 101 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 3. Fusion a. Fusion vom Ausland in die Schweiz b. Fusion von der Schweiz ins Ausland c. Fusionsvertrag Internationales Privatrecht 54 291 menhängt. Es wird vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, dessen Rechtsordnung die übernehmende Gesellschaft untersteht. Art. 163d102 1 Auf die Spaltung und die Vermögensübertragung, an welchen eine schweizerische und eine ausländische Gesellschaft beteiligt sind, finden die Vorschriften dieses Gesetzes über die Fusion sinngemäss Anwendung. Artikel 163b Absatz 3 findet keine Anwendung auf die Vermögensübertragung. 2 Im Übrigen unterstehen die Spaltung und die Vermögensübertra- gung dem Recht der sich spaltenden oder der ihr Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragenden Gesellschaft. 3 Auf den Spaltungsvertrag findet unter den Voraussetzungen von Artikel 163c Absatz 2 vermutungsweise das Recht der sich spalten- den Gesellschaft Anwendung. Das gilt sinngemäss auch für den Übertragungsvertrag. Art. 164103 1 Eine im schweizerischen Handelsregister eingetragene Gesellschaft kann nur gelöscht werden, wenn durch einen Bericht eines zugelas- senen Revisionsexperten bestätigt wird, dass die Forderungen der Gläubiger im Sinne von Artikel 46 des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 2003104 sichergestellt oder erfüllt worden sind oder dass die Gläubiger mit der Löschung einverstanden sind.105 2 Übernimmt eine ausländische Gesellschaft eine schweizerische, schliesst sie sich mit ihr zu einer neuen ausländischen Gesellschaft zusammen oder spaltet sich eine schweizerische Gesellschaft in ausländische Gesellschaften auf, so muss überdies: a. nachgewiesen werden, dass die Fusion oder die Spaltung gemäss dem auf die ausländische Gesellschaft anwendbaren Recht rechtsgültig geworden ist; und b.106 ein zugelassener Revisionsexperte bestätigen, dass die aus- ländische Gesellschaft den anspruchsberechtigten Gesell- 102 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 103 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 104 SR 221.301 105 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 16. Dez. 2005 (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4791; BBl 2002 3148, 2004 3969). 106 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 16. Dez. 2005 (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 4791; BBl 2002 3148, 2004 3969). 4. Spaltung und Vermögens- übertragung 5. Gemeinsame Bestimmungen a. Löschung im Handelsregister Internationales Privatrecht. BG 55 291 schaftern der schweizerischen Gesellschaft die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte eingeräumt oder eine allfällige Aus- gleichszahlung oder Abfindung ausgerichtet oder sicherge- stellt hat. Art. 164a107 1 Übernimmt eine ausländische Gesellschaft eine schweizerische, schliesst sie sich mit ihr zu einer neuen ausländischen Gesellschaft zusammen oder spaltet sich eine schweizerische Gesellschaft in ausländische Gesellschaften auf, so kann die Klage auf Überprüfung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gemäss Artikel 105 des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 2003108 auch am schweizerischen Sitz des übertragenden Rechtsträgers erhoben werden. 2 Der bisherige Betreibungsort und Gerichtsstand in der Schweiz bleibt bestehen, bis die Forderungen der Gläubiger oder Anteilsin- haber sichergestellt oder befriedigt sind. Art. 164b109 Die Unterstellung einer ausländischen Gesellschaft unter eine andere ausländische Rechtsordnung und die Fusion, Spaltung und Vermö- gensübertragung zwischen ausländischen Gesellschaften werden in der Schweiz als gültig anerkannt, wenn sie nach den beteiligten Rechtsordnungen gültig sind. Art. 165 1 Ausländische Entscheidungen über gesellschaftsrechtliche Ansprü- che werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind: a. in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, oder wenn sie dort an- erkannt werden und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte, oder b. in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhn- lichen Aufenthalt hat. 2 Ausländische Entscheidungen über Ansprüche aus öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen aufgrund von Pro- spekten, Zirkularen und ähnlichen Bekanntmachungen werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat ergangen sind, in dem der 107 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 108 SR 221.301 109 Eingefügt durch Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). 110 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337). b. Betreibungsort und Gerichts- stand c. Verlegung, Fusion, Spaltung und Vermögens- übertragung im Ausland VII. Aus- ländische Ent- scheidungen110 Internationales Privatrecht 56 291 Ausgabeort der Beteiligungspapiere oder Anleihen liegt und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte. 11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag Art. 166111 1 Ein ausländisches Konkursdekret wird auf Antrag der ausländi- schen Konkursverwaltung, des Schuldners oder eines Konkursgläu- bigers anerkannt, wenn: a. das Dekret im Staat, in dem es ergangen ist, vollstreckbar ist; b. kein Verweigerungsgrund nach Artikel 27 vorliegt; und c. es ergangen ist: 1. im Wohnsitzstaat des Schuldners, oder 2. im Staat des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interes- sen des Schuldners, vorausgesetzt, dieser hatte im Zeit- punkt der Eröffnung des ausländischen Verfahrens sei- nen Wohnsitz nicht in der Schweiz. 2 Hat der Schuldner eine Zweigniederlassung in der Schweiz, so ist ein Verfahren nach Artikel 50 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889112 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bis zur Veröffentlichung der Anerkennung nach Artikel 169 dieses Gesetzes zulässig. 3 Ist ein Verfahren nach Artikel 50 Absatz 1 SchKG bereits eröffnet und die Frist nach Artikel 250 SchKG nicht abgelaufen, so wird dieses Verfahren nach der Anerkennung des ausländischen Kon- kursdekrets eingestellt. Bereits angemeldete Forderungen werden nach Massgabe von Artikel 172 in den Kollokationsplan des Hilfs- konkursverfahrens aufgenommen. Die aufgelaufenen Verfahrenskos- ten werden dem Hilfskonkursverfahren zugeschlagen. Art. 167 1 Hat der Schuldner in der Schweiz eine im Handelsregister einge- tragene Zweigniederlassung, so ist der Antrag auf Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets an das zuständige Gericht an ihrem Sitz zu richten. In allen anderen Fällen ist der Antrag an das Gericht am Ort des Vermögens in der Schweiz zu richten. Artikel 29 ist sinngemäss anwendbar.113 111 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 112 SR 281.1 113 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). I. Anerkennung II. Verfahren 1. Zuständigkeit Internationales Privatrecht. BG 57 291 2 Hat der Schuldner mehrere Zweigniederlassungen oder befindet sich Vermögen an mehreren Orten, so ist das zuerst angerufene Gericht zuständig.114 3 Forderungen des Gemeinschuldners gelten als dort gelegen, wo der Schuldner des Gemeinschuldners seinen Wohnsitz hat. Art. 168 Sobald die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets bean- tragt ist, kann das Gericht auf Begehren des Antragstellers die si- chernden Massnahmen nach den Artikeln 162–165 und 170 SchKG115 116 anordnen. Art. 169 1 Die Entscheidung über die Anerkennung des ausländischen Kon- kursdekrets wird veröffentlicht. 2 Diese Entscheidung wird dem Betreibungsamt, dem Konkursamt, dem Grundbuchamt und dem Handelsregister am Ort des Vermögens sowie gegebenenfalls dem eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum117 mitgeteilt. Das Gleiche gilt für den Abschluss und die Einstellung des Hilfskonkursverfahrens, für den Widerruf des Kon- kurses sowie für den Verzicht auf die Durchführung eines Hilfskon- kursverfahrens.118 Art. 170 1 Die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zieht, soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelege- ne Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich. 2 Die Fristen nach schweizerischem Recht beginnen mit der Ver- öffentlichung der Entscheidung über die Anerkennung. 3 Der Konkurs wird im summarischen Verfahren durchgeführt, sofern nicht die ausländische Konkursverwaltung oder ein Gläubiger nach Artikel 172 Absatz 1 vor der Verteilung des Erlöses beim 114 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 115 SR 281.1 116 Ausdruck gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). Die Änd. wurde im ganzen Text berücksichtigt. 117 Bezeichnung gemäss nicht veröffentlichtem BRB vom 19. Dez. 1997. 118 Fassung des Satzes gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 2. Sichernde Massnahmen 3. Veröffent- lichung III. Rechtsfolgen 1. Im Allgemeinen Internationales Privatrecht 58 291 Konkursamt das ordentliche Verfahren verlangt und für die voraus- sichtlich ungedeckten Kosten hinreichende Sicherheit leistet.119 Art. 171 1 Die Anfechtungsklage untersteht den Artikeln 285–292 SchKG120. Sie kann auch durch die ausländische Konkursverwaltung oder durch einen dazu berechtigten Konkursgläubiger erhoben werden. 2 Massgebend für die Berechnung der Fristen nach den Artikeln 285–288a und 292 SchKG ist der Zeitpunkt der ausländischen Kon- kurseröffnung.121 Art. 172 1 In den Kollokationsplan werden nur aufgenommen: a. die pfandgesicherten Forderungen nach Artikel 219 SchKG122; b. die nicht pfandgesicherten, aber privilegierten Forderungen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz; und c. die Forderungen aus Verbindlichkeiten, die auf Rechnung einer im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung des Schuldners eingegangen worden sind.123 2 Zur Kollokationsklage nach Artikel 250 SchKG sind nur Gläubiger nach Absatz 1 sowie die ausländische Konkursverwaltung berech- tigt.124 3 Ist ein Gläubiger in einem ausländischen Verfahren, das mit dem Konkurs in Zusammenhang steht, teilweise befriedigt worden, so ist dieser Teil nach Abzug der ihm entstandenen Kosten im schweizeri- schen Verfahren auf die Konkursdividende anzurechnen. Art. 173 1 Bleibt nach Befriedigung der Gläubiger gemäss Artikel 172 Ab- satz 1 dieses Gesetzes ein Überschuss, so wird dieser der ausländi- schen Konkursverwaltung oder den berechtigten Konkursgläubigern zur Verfügung gestellt. 119 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 120 SR 281.1 121 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 122 SR 281.1 123 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 124 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 2. Anfechtungs- klage 3. Kollokations- plan 4. Verteilung a. Anerkennung des ausländi- schen Kollokati- onsplanes Internationales Privatrecht. BG 59 291 2 Der Überschuss darf erst zur Verfügung gestellt werden, wenn der ausländische Kollokationsplan anerkannt worden ist. 3 Für die Anerkennung des ausländischen Kollokationsplanes ist das schweizerische Gericht zuständig, welches das ausländische Kon- kursdekret anerkannt hat. Es überprüft insbesondere, ob die Forde- rungen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz im ausländi- schen Kollokationsplan angemessen berücksichtigt worden sind. Diese Gläubiger werden angehört. Art. 174 1 Wird der ausländische Kollokationsplan nicht anerkannt, so ist ein Überschuss an die Gläubiger der dritten Klasse mit Wohnsitz in der Schweiz gemäss Artikel 219 Absatz 4 SchKG125 zu verteilen.126 2 Das Gleiche gilt, wenn der Kollokationsplan nicht innert der vom Richter angesetzten Frist zur Anerkennung vorgelegt wird. Art. 174a127 1 Auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung kann auf die Durchführung eines Hilfskonkursverfahrens verzichtet werden, wenn keine Forderungen nach Artikel 172 Absatz 1 angemeldet wurden. 2 Haben Gläubiger, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, andere als die in Artikel 172 Absatz 1 erwähnten Forderungen angemeldet, so kann das Gericht auf die Durchführung eines Hilfskonkursverfah- rens verzichten, wenn die Forderungen dieser Gläubiger im ausländi- schen Verfahren angemessen berücksichtigt werden. Diese Gläubi- ger werden angehört. 3 Das Gericht kann den Verzicht mit Bedingungen und Auflagen versehen. 4 Wird auf die Durchführung eines Hilfskonkursverfahrens verzich- tet, so darf die ausländische Konkursverwaltung unter Beachtung des schweizerischen Rechts sämtliche Befugnisse ausüben, die ihr nach dem Recht des Staates der Konkurseröffnung zustehen; sie darf insbesondere Vermögenswerte ins Ausland verbringen und Prozesse führen. Diese Befugnisse umfassen nicht die Vornahme hoheitlicher Handlungen, die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht, Streitigkeiten zu entscheiden. 125 SR 281.1 126 Fassung gemäss Anhang Ziff. 22 des BG vom 16. Dez. 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1995 1227; BBl 1991 III 1). 127 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). b. Nichtaner- kennung des aus- ländischen Kollokations- planes 5. Verzicht auf Durchführung eines Hilfskon- kursverfahrens Internationales Privatrecht 60 291 Art. 174b128 Bei Verfahren, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen, können die beteiligten Behörden und Organe ihre Handlungen unter- einander sowie mit ausländischen Behörden und Organen koordinie- ren. Art. 174c129 Ausländische Entscheidungen über Anfechtungsansprüche und andere gläubigerschädigende Handlungen, die in einem engen Zu- sammenhang mit einem in der Schweiz anerkannten Konkursdekret stehen, werden nach den Artikeln 25–27 anerkannt, wenn sie im Ursprungsstaat des Konkursdekrets ergangen sind oder in diesem Staat anerkannt werden und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte. Art. 175 Eine von der zuständigen ausländischen Behörde ausgesprochene Genehmigung eines Nachlassvertrages oder eines ähnlichen Verfah- rens wird in der Schweiz anerkannt. Die Artikel 166–170 und 174a– 174c gelten sinngemäss.130 Die Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz werden angehört. 12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Art. 176 1 Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten für Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz, sofern wenigstens eine Partei der Schiedsver- einbarung beim Abschluss ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz nicht in der Schweiz hatte.131 2 Die Parteien können die Geltung dieses Kapitels durch eine Erklä- rung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung des dritten Teils der ZPO132 128 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 129 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 130 Fassung des Satzes gemäss Ziff. I des BG vom 16. März 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 3263; BBl 2017 4125). 131 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 132 SR 272 IIIbis. Koordi- nation IIIter. Anerken- nung ausländi- scher Entschei- dungen über Anfechtungs- ansprüche und ähnlicher Entscheidungen IV. Anerken- nung aus- ländischer Nachlassverträge und ähnlicher Verfahren I. Geltungs- bereich. Sitz des Schiedsgerichts Internationales Privatrecht. BG 61 291 vereinbaren. Die Erklärung bedarf der Form gemäss Artikel 178 Absatz 1.133 3 Der Sitz des Schiedsgerichts wird von den Parteien oder der von ihnen benannten Schiedsgerichtsinstitution, andernfalls vom Schiedsgericht134 bezeichnet. Art. 177 1 Gegenstand eines Schiedsverfahrens kann jeder vermögensrecht- liche Anspruch sein. 2 Ist eine Partei ein Staat, ein staatlich beherrschtes Unternehmen oder eine staatlich kontrollierte Organisation, so kann sie nicht unter Berufung auf ihr eigenes Recht ihre Parteifähigkeit im Schiedsver- fahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage stellen, die Gegenstand der Schiedsvereinbarung ist. Art. 178 1 Die Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht.136 2 Die Schiedsvereinbarung ist im Übrigen gültig, wenn sie dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht entspricht. 3 Gegen eine Schiedsvereinbarung kann nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig oder die Schiedsvereinbarung beziehe sich auf einen noch nicht entstandenen Streit. 4 Für eine Schiedsklausel, die in einem einseitigen Rechtsgeschäft oder in Statuten vorgesehen ist, gelten die Bestimmungen dieses Kapitels sinngemäss.137 133 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 134 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 135 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 136 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 137 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). II. Schiedsfähig- keit III. Schieds- vereinbarung und Schieds- klausel135 Internationales Privatrecht 62 291 Art. 179138 1 Die Mitglieder des Schiedsgerichts werden gemäss Vereinbarung der Parteien ernannt oder ersetzt. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, besteht das Schiedsgericht aus drei Mitgliedern, wobei die Parteien je ein Mitglied ernennen; die Mitglieder wählen ein- stimmig eine Präsidentin oder einen Präsidenten. 2 Fehlt eine Vereinbarung oder können die Mitglieder des Schiedsge- richts aus anderen Gründen nicht ernannt oder ersetzt werden, so kann das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts angerufen werden. Haben die Parteien keinen Sitz bestimmt oder lediglich vereinbart, dass der Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz liegt, ist das zuerst angerufene staatliche Gericht zuständig. 3 Ist ein staatliches Gericht mit der Ernennung oder Ersetzung eines Mitglieds des Schiedsgerichts betraut, so muss es diesem Begehren stattgeben, es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht. 4 Das staatliche Gericht trifft auf Antrag einer Partei die erforderli- chen Massnahmen zur Bestellung des Schiedsgerichts, wenn die Parteien oder Mitglieder des Schiedsgerichts ihren Pflichten nicht innert 30 Tagen seit einer entsprechenden Aufforderung nachkom- men. 5 Im Falle einer Mehrparteienschiedssache kann das staatliche Ge- richt alle Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen. 6 Eine Person, der ein Schiedsrichteramt angetragen wird, hat das Vorliegen von Umständen, die berechtigte Zweifel an ihrer Unab- hängigkeit oder Unparteilichkeit wecken können, unverzüglich offenzulegen. Diese Pflicht bleibt während des ganzen Verfahrens bestehen. Art. 180 1 Ein Mitglied des Schiedsgerichts kann abgelehnt werden:140 a. wenn es nicht den von den Parteien vereinbarten Anforde- rungen entspricht; b. wenn ein in der von den Parteien vereinbarten Verfah- rensordnung enthaltener Ablehnungsgrund vorliegt, oder 138 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 139 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 140 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). IV. Mitglieder des Schieds- gerichts 1. Ernennung und Ersetzung 2. Ablehnung a. Gründe139 Internationales Privatrecht. BG 63 291 c.141 wenn Umstände vorliegen, die Anlass zu berechtigten Zwei- feln an seiner Unabhängigkeit oder seiner Unparteilichkeit geben. 2 Eine Partei kann ein Mitglied des Schiedsgerichts, das sie ernannt hat oder an dessen Ernennung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, von denen sie trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach dessen Ernennung Kenntnis erhalten hat.142 3 …143 Art. 180a144 1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart und ist das Schieds- verfahren noch nicht abgeschlossen, so ist das Ablehnungsgesuch schriftlich und begründet innert 30 Tagen seit die gesuchstellende Partei Kenntnis vom Ablehnungsgrund hat oder bei gehöriger Auf- merksamkeit haben konnte an das abgelehnte Mitglied des Schieds- gerichts zu richten und den übrigen Mitgliedern des Schiedsgerichts mitzuteilen. 2 Die gesuchstellende Partei kann innert 30 Tagen seit Einreichung des Ablehnungsgesuchs beim staatlichen Gericht die Ablehnung ver- langen. Das staatliche Gericht entscheidet endgültig. 3 Während des Ablehnungsverfahrens kann das Schiedsgericht das Verfahren ohne Ausschluss des abgelehnten Mitglieds bis und mit Entscheid weiterführen, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Art. 180b145 1 Jedes Mitglied des Schiedsgerichts kann durch Vereinbarung der Parteien abberufen werden. 2 Ist ein Mitglied des Schiedsgerichts ausser Stande, seine Aufgaben innert nützlicher Frist oder mit gehöriger Sorgfalt zu erfüllen, und haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann eine Partei schriftlich und begründet beim staatlichen Gericht die Abberufung verlangen. Das staatliche Gericht entscheidet endgültig. 141 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 142 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 143 Aufgehoben durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 144 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 145 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). b. Verfahren 3. Abberufung Internationales Privatrecht 64 291 Art. 181146 Das Schiedsverfahren ist hängig, sobald eine Partei mit einem Rechtsbegehren das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Mit- glied oder die darin bezeichneten Mitglieder des Schiedsgerichts anruft oder, wenn die Vereinbarung kein Mitglied des Schiedsge- richts bezeichnet, sobald eine Partei das Verfahren zur Bestellung des Schiedsgerichts einleitet. Art. 182 1 Die Parteien können das schiedsgerichtliche Verfahren selber oder durch Verweis auf eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung regeln; sie können es auch einem Verfahrensrecht ihrer Wahl unter- stellen.147 2 Haben die Parteien das Verfahren nicht selber geregelt, so wird die- ses, soweit nötig, vom Schiedsgericht festgelegt, sei es direkt, sei es durch Bezugnahme auf ein Gesetz oder eine schiedsgerichtliche Ver- fahrensordnung. 3 Unabhängig vom gewählten Verfahren muss das Schiedsgericht in allen Fällen die Gleichbehandlung der Parteien sowie ihren An- spruch auf rechtliches Gehör in einem kontradiktorischen Verfahren gewährleisten. 4 Eine Partei, die das Schiedsverfahren fortsetzt, ohne einen erkann- ten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbaren Verstoss gegen die Verfahrensregeln unverzüglich zu rügen, kann diesen später nicht mehr geltend machen.148 Art. 183 1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schieds- gericht auf Antrag einer Partei vorsorgliche oder sichernde Mass- nahmen anordnen. 2 Unterzieht sich die betroffene Partei nicht freiwillig der angeordne- ten Massnahme, so kann das Schiedsgericht oder eine Partei das staatliche Gericht um Mitwirkung ersuchen; dieses wendet sein eigenes Recht an.149 146 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 147 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 148 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 149 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). V. Rechts- hängigkeit VI. Verfahren 1. Grundsatz 2. Vorsorgliche und sichernde Massnahmen Internationales Privatrecht. BG 65 291 3 Das Schiedsgericht oder das staatliche Gericht150 können die An- ordnung vorsorglicher oder sichernder Massnahmen von der Leis- tung angemessener Sicherheiten abhängig machen. Art. 184 1 Das Schiedsgericht nimmt die Beweise selber ab. 2 Ist für die Durchführung des Beweisverfahrens staatliche Rechts- hilfe erforderlich, so kann das Schiedsgericht oder eine Partei mit Zustimmung des Schiedsgerichts das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts um Mitwirkung ersuchen.151 3 Das staatliche Gericht wendet sein eigenes Recht an. Auf Antrag kann es andere Verfahrensformen anwenden oder berücksichti- gen.152 Art. 185 Ist eine weitere Mitwirkung des staatlichen Gerichts erforderlich, so ist der Richter am Sitz des Schiedsgerichts zuständig. Art. 185a153 1 Ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder eine Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens kann das staatliche Gericht am Ort, an dem eine vorsorgliche oder sichernde Massnahme vollstreckt werden soll, um Mitwirkung ersuchen. Artikel 183 Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss. 2 Ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder eine Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens mit Zustimmung des Schiedsge- richts kann das staatliche Gericht am Ort, an dem die Beweisauf- nahme erfolgen soll, um Mitwirkung ersuchen. Artikel 184 Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss. Art. 186 1 Das Schiedsgericht entscheidet selbst über seine Zuständigkeit. 1bis Es entscheidet über seine Zuständigkeit ungeachtet einer bereits vor einem staatlichen Gericht oder einem anderen Schiedsgericht hängigen Klage über denselben Gegenstand zwischen denselben 150 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). Die Änd. wurde im ganzen Text berücksichtigt. 151 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 152 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 153 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 3. Beweisauf- nahme 4. Weitere Mitwirkung des staatlichen Richters 5. Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei ausländischen Schiedsverfahren VII. Zuständig- keit Internationales Privatrecht 66 291 Parteien, es sei denn, dass beachtenswerte Gründe ein Aussetzen des Verfahrens erfordern.154 2 Die Einrede der Unzuständigkeit ist vor der Einlassung auf die Hauptsache zu erheben. 3 Das Schiedsgericht entscheidet über seine Zuständigkeit in der Regel durch Vorentscheid. Art. 187 1 Das Schiedsgericht entscheidet die Streitsache nach den von den Parteien gewählten Rechtsregeln oder, bei Fehlen einer Rechtswahl, nach den Rechtsregeln, mit denen die Streitsache am engsten zusam- menhängt.156 2 Die Parteien können das Schiedsgericht ermächtigen, nach Billig- keit zu entscheiden. Art. 188 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schieds- gericht Teilentscheide treffen. Art. 189 1 Der Entscheid ergeht nach dem Verfahren und in der Form, welche die Parteien vereinbart haben. 2 Fehlt eine solche Vereinbarung, so wird er mit Stimmenmehrheit gefällt oder, falls sich keine Stimmenmehrheit ergibt, durch die Präsidentin oder den Präsidenten158 des Schiedsgerichts. Der Ent- scheid ist schriftlich abzufassen, zu begründen, zu datieren und zu unterzeichnen. Es genügt die Unterschrift der Präsidentin oder des Präsidenten. 154 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 6. Okt. 2006 (Schiedsgerichtsbarkeit. Zuständig- keit), in Kraft seit 1. März 2007 (AS 2007 387; BBl 2006 4677 4691). 155 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 156 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 157 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 158 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). Diese Änd. wurde in der in der AS genannten Bestimmung vorgenommen. VIII. Schiedsent- scheid 1. Anwendbares Recht155 2. Teilentscheid 3. Verfahren und Form157 Internationales Privatrecht. BG 67 291 Art. 189a159 1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, kann jede Partei beim Schiedsgericht innert 30 Tagen seit Eröffnung des Entscheids bean- tragen, dass dieses Redaktions- und Rechnungsfehler im Entscheid berichtigt, bestimmte Teile des Entscheids erläutert oder einen ergänzenden Schiedsentscheid über Ansprüche fällt, die im Schieds- verfahren zwar geltend gemacht wurden, im Entscheid aber nicht be- handelt worden sind. Innert gleicher Frist kann das Schiedsgericht von sich aus eine Berichtigung, Erläuterung oder Ergänzung vor- nehmen. 2 Der Antrag hemmt die Rechtsmittelfristen nicht. Bezüglich des berichtigten, erläuterten oder ergänzten Teils des Entscheids läuft die Rechtsmittelfrist von Neuem. Art. 190 1 Mit der Eröffnung ist der Entscheid endgültig. 2 Der Entscheid kann nur angefochten werden: a. wenn die Einzelschiedsrichterin oder der Einzelschiedsrich- ter161 vorschriftswidrig ernannt oder das Schiedsgericht vor- schriftswidrig zusammengesetzt wurde; b. wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat; c. wenn das Schiedsgericht über Streitpunkte entschieden hat, die ihm nicht unterbreitet wurden oder wenn es Rechtsbegeh- ren unbeurteilt gelassen hat; d. wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde; e. wenn der Entscheid mit dem Ordre public unvereinbar ist. 3 Vorentscheide können nur aus den in Absatz 2, Buchstaben a und b genannten Gründen angefochten werden; die Beschwerdefrist be- ginnt mit der Zustellung des Vorentscheides. 4 Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage ab Eröffnung des Ent- scheids.162 159 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 160 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 161 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 162 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 4. Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung IX. Endgültig- keit, Anfechtung, Revision 1. Anfechtung160 Internationales Privatrecht 68 291 Art. 190a163 1 Eine Partei kann die Revision eines Entscheids verlangen, wenn: a. sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entschei- dende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren trotz gehöriger Aufmerksamkeit nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Schiedsentscheid entstanden sind; b. ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Schiedsentscheid eingewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich; ist das Strafver- fahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden; c. ein Ablehnungsgrund gemäss Artikel 180 Absatz 1 Buchsta- be c trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wurde und kein anderes Rechts- mittel zur Verfügung steht. 2 Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen. Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser im Falle von Absatz 1 Buchstabe b. Art. 191164 Einzige Rechtsmittelinstanz ist das schweizerische Bundesgericht. Die Verfahren richten sich nach den Artikeln 77 und 119a des Bun- desgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005165. Art. 192 1 Hat keine der Parteien ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Auf- enthalt oder ihren Sitz in der Schweiz, so können sie durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Über- einkunft Rechtsmittel gegen Schiedsentscheide vollständig oder teilweise ausschliessen; auf eine Revision gemäss Artikel 190a Absatz 1 Buchstabe b kann nicht verzichtet werden. Die Überein- kunft bedarf der Form gemäss Artikel 178 Absatz 1.166 2 Haben die Parteien eine Anfechtung der Entscheide vollständig ausgeschlossen und sollen die Entscheide in der Schweiz vollstreckt 163 Eingefügt durch Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 164 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 165 SR 173.110 166 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 2. Revision 3. Einzige Rechtsmittel- instanz X. Verzicht auf Rechtsmittel Internationales Privatrecht. BG 69 291 werden, so gilt das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958167 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sinngemäss. Art. 193 1 Jede Partei kann auf ihre Kosten beim staatlichen Gericht am Sitz des Schiedsgerichts eine Ausfertigung des Entscheides hinterle- gen.169 2 Auf Antrag einer Partei stellt das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung aus.170 3 Auf Antrag einer Partei bescheinigt das Schiedsgericht, dass der Schiedsspruch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ergangen ist; eine solche Bescheinigung ist der gerichtlichen Hinterlegung gleichwertig. Art. 194 Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprü- che gilt das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958171 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. 13. Kapitel: Schlussbestimmungen 1. Abschnitt: Aufhebung und Änderung des geltenden Bundesrechts Art. 195 Die Aufhebung und Änderung des geltenden Bundesrechts stehen im Anhang; dieser ist Bestandteil des Gesetzes. 167 SR 0.277.12 168 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 169 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 170 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 171 SR 0.277.12 XI. Hinterlegung und Vollstreck- barkeitsbe- scheinigung168 XII. Aus- ländische Schiedssprüche Internationales Privatrecht 70 291 2. Abschnitt: Übergangsbestimmungen Art. 196 1 Die rechtlichen Wirkungen von Sachverhalten oder Rechtsvorgän- gen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden und abgeschlos- sen sind, beurteilen sich nach bisherigem Recht. 2 Die rechtlichen Wirkungen von Sachverhalten oder Rechtsvorgän- gen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden, aber auf Dauer angelegt sind, beurteilen sich nach bisherigem Recht. Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes richtet sich die Wirkung nach neuem Recht. Art. 197 1 Für Klagen oder Begehren, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, bleiben die angerufenen schweizerischen Gerichte oder Behörden zuständig, auch wenn nach diesem Gesetz ihre Zuständig- keit nicht mehr begründet ist. 2 Klagen oder Begehren, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von schweizerischen Gerichten oder Behörden mangels Zuständig- keit zurückgewiesen wurden, können nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erneut erhoben werden, wenn nach diesem Gesetz eine Zuständigkeit begründet ist und der Rechtsanspruch noch geltend gemacht werden kann. Art. 198 Für Klagen oder Begehren, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in erster Instanz hängig sind, bestimmt sich das anwendbare Recht nach diesem Gesetz. Art. 199 Für Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheide, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, rich- ten sich die Voraussetzungen der Anerkennung oder Vollstreckung nach diesem Gesetz. 3. Abschnitt: Referendum und Inkrafttreten Art. 200 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. I. Nichtrück- wirkung II. Übergangs- recht 1. Zuständigkeit 2. Anwendbares Recht 3. Anerkennung und Voll- streckung ausländischer Entscheidungen Internationales Privatrecht. BG 71 291 Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1989172 172 BRB vom 27. Okt. 1988 Internationales Privatrecht 72 291 Anhang Aufhebung und Änderung des geltenden Bundesrechts I. Aufhebung des geltenden Bundesrechts Es werden aufgehoben: a. das Bundesgesetz vom 25. Juni 1891173 betreffend die zivilrechtlichen Ver- hältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter; b. Artikel 418b Absatz 2 des Obligationenrechts174; c. Artikel 14 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zum Obligationen- recht; d. Artikel 85 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958175; e. Artikel 30 des Bundesgesetzes vom 26. September 1890176 betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, der Auszeichnungen; f. Artikel 14 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 30. März 1900177 betreffend die gewerblichen Muster und Modelle; g. Artikel 41 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 20. März 1975178 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen. II. Änderung des geltenden Bundesrechts …179 173 [BS 2 737; AS 1972 2819 Ziff. II 1; 1977 237 Ziff. II 1; 1986 122 Ziff. II 1] 174 SR 220 175 SR 741.01 176 [BS 2 845; AS 1951 903 Art. 1; 1971 1617; 1992 288 Anhang Ziff. 8. AS 1993 274 Art. 74] 177 [BS 2 881; AS 1962 459; 1988 1776 Anhang Ziff. I Bst. f; 1992 288 Anhang Ziff. 9; 1995 1784, 5050 Anhang Ziff. 3. AS 2002 1456 Anhang Ziff. 1] 178 SR 232.16 179 Die Änderungen können unter AS 1988 1776 konsultiert werden. 1. Kapitel: Gemeinsame Bestimmungen 1. Abschnitt: Geltungsbereich Art. 1 2. Abschnitt: Zuständigkeit Art. 2 I. Im Allgemeinen Art. 3 II. Notzuständigkeit Art. 4 III. Arrestprosequierung Art. 5 IV. Gerichtsstandsvereinbarung Art. 6 V. Einlassung Art. 7 VI. Schiedsvereinbarung Art. 8 VII. Widerklage Art. 8a VIII. Streitgenossenschaft und Klagenhäufung Art. 8b IX. Streitver- kündungsklage Art. 8c X. Adhäsionsklage Art. 9 XI. Rechtshängigkeit Art. 10 XII. Vorsorgliche Massnahmen Art. 11 XIII. Rechtshilfe 1. Vermittlung der Rechtshilfe Art. 11a 2. Anwendbares Recht Art. 11b 3. Kostenvorschuss und Sicherheit für die Parteientschädigung Art. 11c 4. Unentgeltliche Rechtspflege Art. 12 3. Abschnitt: Anwendbares Recht Art. 13 I. Umfang der Verweisung Art. 14 II. Rück- und Weiterverweisung Art. 15 III. Ausnahmeklausel Art. 16 IV. Feststellung ausländischen Rechts Art. 17 V. Vorbehaltsklausel Art. 18 VI. Zwingende Anwendung des schweizerischen Rechts Art. 19 VII. Berücksichtigung zwingender Bestimmungen eines ausländischen Rechts 4. Abschnitt: Wohnsitz, Sitz und Staatsangehörigkeit Art. 20 I. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und Niederlassung einer natürlichen Person Art. 21 II. Sitz und Niederlassung von Gesellschaften und Trusts Art. 22 III. Staatsangehörigkeit Art. 23 IV. Mehrfache Staatsangehörigkeit Art. 24 V. Staatenlose und Flüchtlinge 5. Abschnitt: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Art. 25 I. Anerkennung 1. Grundsatz Art. 26 2. Zuständigkeit ausländischer Behörden Art. 27 3. Verweigerungsgründe Art. 28 II. Vollstreckung Art. 29 III. Verfahren Art. 30 IV. Gerichtlicher Vergleich Art. 31 V. Freiwillige Gerichtsbarkeit Art. 32 VI. Eintragung in die Zivilstandsregister 2. Kapitel: Natürliche Personen Art. 33 I. Grundsatz Art. 34 II. Rechtsfähigkeit Art. 35 III. Handlungsfähigkeit 1. Grundsatz Art. 36 2. Verkehrsschutz Art. 37 IV. Name 1. Grundsatz Art. 38 2. Namensänderung Art. 39 3. Namensänderung im Ausland Art. 40 4. Eintragung in die Zivilstandsregister Art. 40a IVa. Geschlecht Art. 41 V. Verschollenerklärung 1. Zuständigkeit und anwendbares Recht Art. 42 2. Verschollen- und Todeserklärung im Ausland 3. Kapitel: Eherecht 1. Abschnitt: Eheschliessung Art. 43 I. Zuständigkeit Art. 44 II. Anwendbares Recht Art. 45 III. Eheschliessung im Ausland Art. 45a IV. Ungültigerklärung der Ehe 2. Abschnitt: Wirkungen der Ehe im Allgemeinen Art. 46 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 47 2. Heimatzuständigkeit Art. 48 II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz Art. 49 2. Unterhaltspflicht Art. 50 III. Ausländische Entscheidungen oder Massnahmen 3. Abschnitt: Ehegüterrecht Art. 51 I. Zuständigkeit Art. 52 II. Anwendbares Recht 1. Rechtswahl a. Grundsatz Art. 53 b. Modalitäten Art. 54 2. Fehlen einer Rechtswahl a. Grundsatz Art. 55 b. Wandelbarkeit und Rückwirkung bei Wohnsitzwechsel Art. 56 3. Form des Ehevertrages Art. 57 4. Rechtsverhältnisse mit Dritten Art. 58 III. Ausländische Entscheidungen 4. Abschnitt: Scheidung und Trennung Art. 59 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 60 2. Heimatzuständigkeit Art. 60a 3. Zuständigkeit am Eheschliessungsort Art. 61 II. Anwendbares Recht Art. 62 III. Vorsorgliche Massnahmen Art. 63 IV. Nebenfolgen Art. 64 V. Ergänzung oder Abänderung einer Entscheidung Art. 65 VI. Ausländische Entscheidungen 3a. Kapitel: Eingetragene Partnerschaft Art. 65a I. Anwendung des dritten Kapitels Art. 65b Art. 65c II. Anwendbares Recht Art. 65d 4. Kapitel: Kindesrecht 1. Abschnitt: Entstehung des Kindesverhältnisses durch Abstammung Art. 66 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 67 2. Heimatzuständigkeit Art. 68 II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz Art. 69 2. Massgeblicher Zeitpunkt Art. 70 III. Ausländische Entscheidungen 2. Abschnitt: Anerkennung Art. 71 I. Zuständigkeit Art. 72 II. Anwendbares Recht Art. 73 III. Ausländische Anerkennung und Anfechtung der Anerkennung Art. 74 IV. Legitimation 3. Abschnitt: Adoption Art. 75 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 76 2. Heimatzuständigkeit Art. 77 II. Anwendbares Recht Art. 78 III. Ausländische Adoptionen und ähnliche Akte 4. Abschnitt: Wirkungen des Kindesverhältnisses Art. 79 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 80 2. Heimatzuständigkeit Art. 81 3. Ansprüche Dritter Art. 82 II. Anwendbares Recht 1. Grundsatz Art. 83 2. Unterhaltspflicht Art. 84 III. Ausländische Entscheidungen 5. Kapitel: Vormundschaft, Erwachsenenschutz und andere Schutzmassnahmen Art. 85 6. Kapitel: Erbrecht Art. 86 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 87 2. Heimatzuständigkeit Art. 88 3. Zuständigkeit am Ort der gelegenen Sache Art. 89 4. Sichernde Massnahmen Art. 90 II. Anwendbares Recht 1. Letzter Wohnsitz in der Schweiz Art. 91 2. Letzter Wohnsitz im Ausland Art. 92 3. Umfang des Erbstatuts und Nachlassabwicklung Art. 93 4. Form Art. 94 5. Verfügungsfähigkeit Art. 95 6. Erbverträge und gegenseitige Verfügungen von Todes wegen Art. 96 III. Ausländische Entscheidungen, Massnahmen, Urkunden und Rechte 7. Kapitel: Sachenrecht Art. 97 I. Zuständigkeit 1. Grundstücke Art. 98 2. Bewegliche Sachen Art. 98a 3. Kulturgut Art. 99 II. Anwendbares Recht 1. Grundstücke Art. 100 2. Bewegliche Sachen a. Grundsatz Art. 101 b. Sachen im Transit Art. 102 c. Sachen, die in die Schweiz gelangen Art. 103 d. Eigentumsvorbehalt an Sachen, die ausgeführt werden Art. 104 e. Rechtswahl Art. 105 3. Besondere Regeln a. Verpfändung von Forderungen, Wertpapieren und anderen Rechten Art. 106 b. Warenpapiere und gleichwertige Titel Art. 107 c. Transportmittel Art. 108 III. Ausländische Entscheidungen 7a. Kapitel: Intermediärverwahrte Wertpapiere Art. 108a I. Begriff Art. 108b II. Zuständigkeit Art. 108c III. Anwendbares Recht Art. 108d IV. Ausländische Entscheidungen 8. Kapitel: Immaterialgüterrecht Art. 109 I. Zuständigkeit Art. 110 II. Anwendbares Recht Art. 111 III. Ausländische Entscheidungen 9. Kapitel: Obligationenrecht 1. Abschnitt: Verträge Art. 112 I. Zuständigkeit 1. Wohnsitz und Niederlassung Art. 113 2. Erfüllungsort Art. 114 3. Verträge mit Konsumenten Art. 115 4. Arbeitsverträge Art. 116 II. Anwendbares Recht 1. Im Allgemeinen a. Rechtswahl Art. 117 b. Fehlen einer Rechtswahl Art. 118 2. Im Besonderen a. Kauf beweg- licher körperlicher Sachen Art. 119 b. Grundstücke Art. 120 c. Verträge mit Konsumenten Art. 121 d. Arbeitsverträge Art. 122 e. Verträge über Immaterialgüterrechte Art. 123 3. Gemeinsame Bestimmungen a. Schweigen auf einen Antrag Art. 124 b. Form Art. 125 c. Erfüllungs- und Untersu- chungsmodali- täten Art. 126 d. Stellvertretung 2. Abschnitt: Ungerechtfertigte Bereicherung Art. 127 I. Zuständigkeit Art. 128 II. Anwendbares Recht 3. Abschnitt: Unerlaubte Handlungen Art. 129 I. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 130 2. Im Besonderen a. Nukleare Ereignisse Art. 130a b. Auskunftsrecht im Zusammenhang mit Datensammlungen Art. 131 3. Unmittelbares Forderungsrecht Art. 132 II. Anwendbares Recht 1. Im Allgemeinen a. Rechtswahl Art. 133 b. Fehlen einer Rechtswahl Art. 134 2. Im Besonderen a. Strassenverkehrsunfälle Art. 135 b. Produktemängel Art. 136 c. Unlauterer Wettbewerb Art. 137 d. Wettbewerbsbehinderung Art. 138 e. Immissionen Art. 138a ebis. Nukleare Ereignisse Art. 139 f. Persönlichkeitsverletzung Art. 140 3. Besondere Bestimmungen a. Mehrfache Haftpflichtige Art. 141 b. Unmittelbares Forderungsrecht Art. 142 4. Geltungsbereich 4. Abschnitt: Gemeinsame Bestimmungen Art. 143 I. Mehrheit von Schuldnern 1. Ansprüche gegen mehrere Schuldner Art. 144 2. Rückgriff zwischen Schuldnern Art. 145 II. Übergang einer Forderung 1. Abtretung durch Vertrag Art. 145a 1a. Übertragung mittels eines Titels Art. 146 2. Übergang kraft Gesetzes Art. 147 III. Währung Art. 148 IV. Verjährung und Erlöschen einer Forderung 5. Abschnitt: Ausländische Entscheidungen Art. 149 9a. Kapitel: Trusts Art. 149a I. Begriff Art. 149b II. Zuständigkeit Art. 149c III. Anwendbares Recht Art. 149d IV. Besondere Vorschriften betreffend Publizität Art. 149e V. Ausländische Entscheidungen 10. Kapitel: Gesellschaftsrecht Art. 150 I. Begriffe Art. 151 II. Zuständigkeit 1. Grundsatz Art. 152 2. Haftung für ausländische Gesellschaften Art. 153 3. Schutzmassnahmen Art. 154 III. Anwendbares Recht 1. Grundsatz Art. 155 2. Umfang Art. 156 IV. Sonderanknüpfungen 1. Ansprüche aus öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen Art. 157 2. Namens- und Firmenschutz Art. 158 3. Beschränkung der Vertretungsbefugnis Art. 159 4. Haftung für ausländische Gesellschaften Art. 160 V. Zweigniederlassung ausländischer Gesellschaften in der Schweiz Art. 161 VI. Verlegung, Fusion, Spaltung und Vermögensübertragung 1. Verlegung der Gesellschaft vom Ausland in die Schweiz a. Grundsatz Art. 162 b. Massgeblicher Zeitpunkt Art. 163 2. Verlegung der Gesellschaft von der Schweiz ins Ausland Art. 163a 3. Fusion a. Fusion vom Ausland in die Schweiz Art. 163b b. Fusion von der Schweiz ins Ausland Art. 163c c. Fusionsvertrag Art. 163d 4. Spaltung und Vermögensübertragung Art. 164 5. Gemeinsame Bestimmungen a. Löschung im Handelsregister Art. 164a b. Betreibungsort und Gerichtsstand Art. 164b c. Verlegung, Fusion, Spaltung und Vermögensübertragung im Ausland Art. 165 VII. Ausländische Entscheidungen 11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag Art. 166 I. Anerkennung Art. 167 II. Verfahren 1. Zuständigkeit Art. 168 2. Sichernde Massnahmen Art. 169 3. Veröffentlichung Art. 170 III. Rechtsfolgen 1. Im Allgemeinen Art. 171 2. Anfechtungsklage Art. 172 3. Kollokationsplan Art. 173 4. Verteilung a. Anerkennung des ausländischen Kollokationsplanes Art. 174 b. Nichtanerkennung des ausländischen Kollokationsplanes Art. 174a 5. Verzicht auf Durchführung eines Hilfskonkursverfahrens Art. 174b IIIbis. Koordination Art. 174c IIIter. Anerkennung ausländischer Entscheidungen über Anfechtungs-ansprüche und ähnlicher Entscheidungen Art. 175 IV. Anerkennung ausländischer Nachlassverträge und ähnlicher Verfahren 12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Art. 176 I. Geltungsbereich. Sitz des Schiedsgerichts Art. 177 II. Schiedsfähigkeit Art. 178 III. Schiedsvereinbarung und Schiedsklausel Art. 179 IV. Mitglieder des Schiedsgerichts 1. Ernennung und Ersetzung Art. 180 2. Ablehnung a. Gründe Art. 180a b. Verfahren Art. 180b 3. Abberufung Art. 181 V. Rechtshängigkeit Art. 182 VI. Verfahren 1. Grundsatz Art. 183 2. Vorsorgliche und sichernde Massnahmen Art. 184 3. Beweisaufnahme Art. 185 4. Weitere Mitwirkung des staatlichen Richters Art. 185a 5. Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei ausländischen Schiedsverfahren Art. 186 VII. Zuständigkeit Art. 187 VIII. Schiedsentscheid 1. Anwendbares Recht Art. 188 2. Teilentscheid Art. 189 3. Verfahren und Form Art. 189a 4. Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung Art. 190 IX. Endgültigkeit, Anfechtung, Revision 1. Anfechtung Art. 190a 2. Revision Art. 191 3. Einzige Rechtsmittelinstanz Art. 192 X. Verzicht auf Rechtsmittel Art. 193 XI. Hinterlegung und Vollstreckbarkeitsbescheinigung Art. 194 XII. Ausländische Schiedssprüche 13. Kapitel: Schlussbestimmungen 1. Abschnitt: Aufhebung und Änderung des geltenden Bundesrechts Art. 195 2. Abschnitt: Übergangsbestimmungen Art. 196 I. Nichtrückwirkung Art. 197 II. Übergangsrecht 1. Zuständigkeit Art. 198 2. Anwendbares Recht Art. 199 3. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3. Abschnitt: Referendum und Inkrafttreten Art. 200 Anhang Aufhebung und Änderung des geltenden Bundesrechts I. Aufhebung des geltenden Bundesrechts II. Änderung des geltenden Bundesrechts | mixed |
e9a0806c-281a-4695-9570-bc6116e83754 | 291 1 Loi fédérale sur le droit international privé (LDIP) du 18 décembre 1987 (Etat le 1er juillet 2022) L’Assemblée fédérale de la Confédération suisse, vu la compétence de la Confédération en matière de relations extérieures1, vu l’art. 64 de la constitution2, vu le message du Conseil fédéral du 10 novembre 19823,4 arrête: Chapitre 1 Dispositions communes Section 1 Champ d’application Art. 1 1 La présente loi régit, en matière internationale: a. la compétence des autorités judiciaires ou administratives suis- ses; b. le droit applicable; c. les conditions de la reconnaissance et de l’exécution des déci- sions étrangères; d. la faillite et le concordat; e. l’arbitrage. 2 Les traités internationaux sont réservés. Section 2 Compétence Art. 2 Sauf dispositions spéciales de la présente loi, les autorités judiciaires ou administratives suisses du domicile du défendeur sont compétentes. RO 1988 1776 1 Cette compétence se fonde sur l’art. 54, al. 1, de la Cst. du 18 avr. 1999 (RS 101). 2 [RS 1 3]. A la disp. mentionnée correspond actuellement l’art. 122 de la Cst. du 18 avr. 1999 (RS 101). 3 FF 1983 I 255 4 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 1 de la LF du 8 oct. 1999 sur les travailleurs détachés, en vigueur depuis le 1er juin 2004 (RO 2003 1370; FF 1999 5440). 291 I. En général Droit international privé 2 291 Art. 3 Lorsque la présente loi ne prévoit aucun for en Suisse et qu’une procé- dure à l’étranger se révèle impossible ou qu’on ne peut raisonnable- ment exiger qu’elle y soit introduite, les autorités judiciaires ou admi- nistratives suisses du lieu avec lequel la cause présente un lien suffi- sant sont compétentes. Art. 4 Lorsque la présente loi ne prévoit aucun autre for en Suisse, l’action en validation de séquestre peut être introduite au for suisse du séquestre. Art. 5 1 En matière patrimoniale, les parties peuvent convenir du tribunal appelé à trancher un différend né ou à naître à l’occasion d’un rapport de droit déterminé. La convention peut être passée par écrit, télé- gramme, télex, télécopieur ou tout autre moyen de communication qui permet d’en établir la preuve par un texte. Sauf stipulation contraire, l’élection de for est exclusive. 2 L’élection de for est sans effet si elle conduit à priver d’une manière abusive une partie de la protection que lui assure un for prévu par le droit suisse. 3 Le tribunal élu ne peut décliner sa compétence: a. si une partie est domiciliée, a sa résidence habituelle ou un éta- blissement dans le canton où il siège, ou b. si, en vertu de la présente loi, le droit suisse est applicable au litige. Art. 6 En matière patrimoniale, le tribunal devant lequel le défendeur procède au fond sans faire de réserve est compétent, à moins qu’il ne décline sa compétence dans la mesure où l’art. 5, al. 3, le lui permet. Art. 7 Si les parties ont conclu une convention d’arbitrage visant un différend arbitrable, le tribunal suisse saisi déclinera sa compétence à moins que: a. le défendeur n’ait procédé au fond sans faire de réserve; b. le tribunal ne constate que la convention d’arbitrage est cadu- que, inopérante ou non susceptible d’être appliquée, ou que c. le tribunal arbitral ne puisse être constitué pour des raisons manifestement dues au défendeur à l’arbitrage. II. For de nécessité III. Validation de séquestre IV. Élection de for V. Acceptation tacite VI. Convention d’arbitrage Droit international privé. LF 3 291 Art. 8 Le tribunal saisi de la demande principale connaît aussi de la demande reconventionnelle s’il y a connexité entre les deux demandes. Art. 8a5 1 Lorsque l’action est intentée contre des consorts pouvant être pour- suivis en Suisse en vertu de la présente loi, le tribunal suisse compé- tent à l’égard d’un défendeur l’est à l’égard des autres. 2 Lorsque des prétentions présentant un lien de connexité entre elles peuvent être élevées en Suisse en vertu de la présente loi contre un même défendeur, chaque tribunal suisse compétent pour connaître de l’une d’elles l’est pour l’ensemble. Art. 8b6 Le tribunal suisse compétent pour connaître de l’action principale connaît aussi de l’appel en cause pour autant qu’un tribunal soit com- pétent en Suisse pour l’appelé en cause en vertu de la présente loi. Art. 8c7 Lorsque il est possible de faire valoir des prétentions civiles par adhé- sion à une procédure pénale, le tribunal suisse saisi de la procédure pénale est également compétent pour l’action civile pour autant qu’un for existe en Suisse pour cette action en vertu de la présente loi. Art. 9 1 Lorsqu’une action ayant le même objet est déjà pendante entre les mêmes parties à l’étranger, le tribunal suisse suspend la cause s’il est à prévoir que la juridiction étrangère rendra, dans un délai convenable, une décision pouvant être reconnue en Suisse. 2 Pour déterminer quand une action a été introduite en Suisse, la date du premier acte nécessaire pour introduire l’instance est décisive. La citation en conciliation suffit. 3 Le tribunal suisse se dessaisit dès qu’une décision étrangère pouvant être reconnue en Suisse lui est présentée. 5 Introduit par l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 6 Introduit par l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 7 Introduit par l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 8 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). VII. Demande reconvention- nelle VIII. Consorité et cumul d’actions IX. Appel en cause X. Conclusions civiles XI. Litispen- dance8 Droit international privé 4 291 Art. 109 Sont compétents pour prononcer des mesures provisoires: a. soit les tribunaux ou les autorités suisses qui sont compétents au fond; b. soit les tribunaux ou les autorités suisses du lieu de l’exécution de la mesure. Art. 1111 Les demandes d’entraide judiciaire émanant de la Suisse ou adressées à elle sont traitées par l’Office fédéral de la justice. Art. 11a13 1 Les actes d’entraide judiciaire qui doivent être exécutés en Suisse le sont conformément au droit suisse. 2 Des formes de procédure étrangères peuvent aussi être observées ou prises en considération à la demande des autorités requérantes si cela est nécessaire pour faire reconnaître un droit à l’étranger et qu’aucun juste motif tenant à l’intéressé ne s’y oppose. 3 Lorsqu’une procédure conforme au droit suisse mais non reconnue à l’étranger empêcherait d’y admettre une prétention juridique digne de protection, les autorités judiciaires ou administratives suisses peuvent établir des documents officiels ou recevoir la déclaration sous serment d’un requérant selon les formes du droit étranger. 4 La convention de La Haye du 1er mars 1954 relative à la procédure civile14 s’applique aux demandes d’entraide concernant la notification ou l’obtention de preuves émanant de Suisse ou adressées à elle. 9 Nouvelle teneur selon le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 10 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 11 Nouvelle teneur selon le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 12 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 13 Introduit par le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 14 RS 0.274.12 XII. Mesures provisoires10 XIII. Actes d’entraide judiciaire 1. Transmis- sion12 2. Droit appli- cable Droit international privé. LF 5 291 Art. 11b15 L’avance de frais et les sûretés en garantie des dépens sont régies par le code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC)16. Art. 11c17 L’assistance judiciaire est accordée aux personnes domiciliées à l’étranger aux mêmes conditions qu’aux personnes domiciliées en Suisse. Art. 1218 Section 3 Droit applicable Art. 13 La désignation d’un droit étranger par la présente loi comprend toutes les dispositions qui d’après ce droit sont applicables à la cause. L’application du droit étranger n’est pas exclue du seul fait qu’on attribue à la disposition un caractère de droit public. Art. 14 1 Lorsque le droit applicable renvoie au droit suisse ou à un autre droit étranger, ce renvoi n’est pris en considération que si la présente loi le prévoit. 2 En matière d’état civil, le renvoi de la loi étrangère au droit suisse est accepté. Art. 15 1 Le droit désigné par la présente loi n’est exceptionnellement pas applicable si, au regard de l’ensemble des circonstances, il est mani- feste que la cause n’a qu’un lien très lâche avec ce droit et qu’elle se trouve dans une relation beaucoup plus étroite avec un autre droit. 2 Cette disposition n’est pas applicable en cas d’élection de droit. 15 Introduit par le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 16 RS 272 17 Introduit par le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 18 Abrogé par le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008, avec effet au 1er janv. 2011 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). 3. Avance de frais et sûretés en garantie des dépens 4. Assistance judiciaire I. Portée de la règle de conflit II. Renvoi III. Clause d’exception Droit international privé 6 291 Art. 16 1 Le contenu du droit étranger est établi d’office. À cet effet, la colla- boration des parties peut être requise. En matière patrimoniale, la preuve peut être mise à la charge des parties. 2 Le droit suisse s’applique si le contenu du droit étranger ne peut pas être établi. Art. 17 L’application de dispositions du droit étranger est exclue si elle con- duit à un résultat incompatible avec l’ordre public suisse. Art. 18 Sont réservées les dispositions impératives du droit suisse qui, en rai- son de leur but particulier, sont applicables quel que soit le droit dési- gné par la présente loi. Art. 19 1 Lorsque des intérêts légitimes et manifestement prépondérants au regard de la conception suisse du droit l’exigent, une disposition impé- rative d’un droit autre que celui désigné par la présente loi peut être prise en considération, si la situation visée présente un lien étroit avec ce droit. 2 Pour juger si une telle disposition doit être prise en considération, on tiendra compte du but qu’elle vise et des conséquences qu’aurait son application pour arriver à une décision adéquate au regard de la con- ception suisse du droit. Section 4 Domicile, siège et nationalité Art. 20 1 Au sens de la présente loi, une personne physique: a. a son domicile dans l’État dans lequel elle réside avec l’inten- tion de s’y établir; b. a sa résidence habituelle dans l’État dans lequel elle vit pen- dant une certaine durée, même si cette durée est de prime abord limitée; c. a son établissement dans l’État dans lequel se trouve le centre de ses activités professionnelles ou commerciales. 2 Nul ne peut avoir en même temps plusieurs domiciles. Si une per- sonne n’a nulle part de domicile, la résidence habituelle est détermi- IV. Constatation du droit étranger V. Réserve de l’ordre public suisse VI. Application de dispositions impératives du droit suisse VII. Prise en considération de dispositions impératives du droit étranger I. Domicile, résidence habituelle et établissement d’une personne physique Droit international privé. LF 7 291 nante. Les dispositions du code civil suisse19 relatives au domicile et à la résidence ne sont pas applicables. Art. 2120 1 Pour les sociétés et pour les trusts au sens de l’art. 149a, le siège vaut domicile. 2 Le siège d’une société est réputé se trouver au lieu désigné dans les statuts ou dans le contrat de société. À défaut de désignation, le siège d’une société se trouve au lieu où la société est administrée en fait. 3 Le siège d’un trust est réputé se trouver au lieu de son administration désigné dans les termes du trust par écrit ou sous une autre forme qui permet d’en établir la preuve par un texte. À défaut de désignation, le siège se trouve au lieu où le trust est administré en fait. 4 L’établissement d’une société ou d’un trust se trouve dans l’État dans lequel se trouve son siège ou dans un État dans lequel se trouve une de ses succursales. Art. 22 La nationalité d’une personne physique se détermine d’après le droit de l’État dont la nationalité est en cause. Art. 23 1 Lorsqu’une personne a une ou plusieurs nationalités étrangères en sus de la nationalité suisse, seule la nationalité suisse est retenue pour déterminer la compétence du for d’origine. 2 Lorsqu’une personne a plusieurs nationalités, celle de l’État avec lequel elle a les relations les plus étroites est seule retenue pour déter- miner le droit applicable, à moins que la présente loi n’en dispose autrement. 3 Si la reconnaissance d’une décision étrangère en Suisse dépend de la nationalité d’une personne, la prise en considération d’une de ses nationalités suffit. Art. 24 1 Une personne est réputée apatride lorsqu’elle est reconnue comme telle en vertu de la convention de New York du 28 septembre 1954 relative au statut des apatrides21 ou lorsque les relations de cette per- 19 RS 210 20 Nouvelle teneur selon l’art. 2 de l’AF du 20 déc. 2006 portant approbation et mise en oeuvre de la Conv. de la Haye relative à la loi applicable au trust et à sa reconnaissance, en vigueur depuis le 1er juil. 2007 (RO 2007 2849; FF 2006 561). 21 RS 0.142.40 II. Siège et établissement des sociétés et des trusts III. Nationalité IV. Pluralité de nationalités V. Apatrides et réfugiés Droit international privé 8 291 sonne avec son État national sont rompues au point que sa situation équivaut à celle d’un apatride. 2 Une personne est réputée réfugiée lorsqu’elle est reconnue comme telle en vertu de la loi du 5 octobre 1979 sur l’asile22. 3 Lorsque la présente loi s’applique aux apatrides et aux réfugiés, le domicile remplace la nationalité. Section 5 Reconnaissance et exécution des décisions étrangères Art. 25 Une décision étrangère est reconnue en Suisse: a. si la compétence des autorités judiciaires ou administratives de l’État dans lequel la décision a été rendue était donnée; b. si la décision n’est plus susceptible de recours ordinaire ou si elle est définitive, et c. s’il n’y a pas de motif de refus au sens de l’art. 27. Art. 26 La compétence des autorités étrangères est donnée: a. si elle résulte d’une disposition de la présente loi ou, à défaut d’une telle disposition, si le défendeur était domicilié dans l’État dans lequel la décision a été rendue; b. si, en matière patrimoniale, les parties se sont soumises par une convention valable selon la présente loi à la compétence de l’autorité qui a rendu la décision; c. si, en matière patrimoniale, le défendeur a procédé au fond sans faire de réserve, ou d. si, en cas de demande reconventionnelle, l’autorité qui a rendu la décision était compétente pour connaître de la demande principale et s’il y a connexité entre les deux demandes. Art. 27 1 La reconnaissance d’une décision étrangère doit être refusée en Suisse si elle est manifestement incompatible avec l’ordre public suisse. 22 [RO 1980 1718, 1986 2062, 1987 1674, 1990 938 1587 art. 3 al. 1, 1994 1634 ch. I 8.1 2876, 1995 146 ch. II 1126 ch. II 1 4356, 1997 2372 2394, 1998 1582. RO 1999 2262 art. 120 let. a]. Voir actuellement la loi du 26 juin 1998 (RS 142.31). I. Reconnais- sance 1. Principe 2. Compétence des autorités étrangères 3. Motifs de refus Droit international privé. LF 9 291 2 La reconnaissance d’une décision doit également être refusée si une partie établit: a. qu’elle n’a été citée régulièrement, ni selon le droit de son do- micile, ni selon le droit de sa résidence habituelle, à moins qu’elle n’ait procédé au fond sans faire de réserve; b. que la décision a été rendue en violation de principes fonda- mentaux ressortissant à la conception suisse du droit de procé- dure, notamment que ladite partie n’a pas eu la possibilité de faire valoir ses moyens; c. qu’un litige entre les mêmes parties et sur le même objet a déjà été introduit en Suisse ou y a déjà été jugé, ou qu’il a précé- demment été jugé dans un État tiers, pour autant que cette der- nière décision remplisse les conditions de sa reconnaissance. 3 Au surplus, la décision étrangère ne peut faire l’objet d’une révision au fond. Art. 28 Une décision reconnue en vertu des art. 25 à 27 est déclarée exécutoire à la requête de l’intéressé. Art. 29 1 La requête en reconnaissance ou en exécution sera adressée à l’autorité compétente du canton où la décision étrangère est invoquée. Elle sera accompagnée: a. d’une expédition complète et authentique de la décision; b. d’une attestation constatant que la décision n’est plus suscepti- ble de recours ordinaire ou qu’elle est définitive, et c. en cas de jugement par défaut, d’un document officiel établis- sant que le défaillant a été cité régulièrement et qu’il a eu la possibilité de faire valoir ses moyens. 2 La partie qui s’oppose à la reconnaissance et à l’exécution est enten- due dans la procédure; elle peut y faire valoir ses moyens. 3 Lorsqu’une décision étrangère est invoquée à titre préalable, l’auto- rité saisie peut statuer elle-même sur la reconnaissance. Art. 30 Les art. 25 à 29 s’appliquent à la transaction judiciaire qui est assimi- lée à une décision judiciaire dans l’État où elle a été passée. II. Caractère exécutoire III. Procédure IV. Transaction judiciaire Droit international privé 10 291 Art. 31 Les art. 25 à 29 s’appliquent par analogie à la reconnaissance et à l’exécution d’une décision ou d’un acte de la juridiction gracieuse. Art. 32 1 Une décision ou un acte étranger concernant l’état civil est transcrit dans les registres de l’état civil en vertu d’une décision de l’autorité cantonale de surveillance en matière d’état civil. 2 La transcription est autorisée lorsque les conditions fixées aux art. 25 à 27 sont remplies. 3 Les personnes concernées sont entendues préalablement s’il n’est pas établi que, dans l’État étranger où la décision a été rendue, les droits des parties ont été suffisamment respectés au cours de la procédure. Chapitre 2 Personnes physiques Art. 33 1 Lorsque la présente loi ne contient pas de dispositions spéciales, les autorités judiciaires ou administratives suisses du domicile sont com- pétentes en matière de droit des personnes; elles appliquent le droit du domicile. 2 Toutefois, les atteintes aux intérêts personnels sont régies par les dis- positions de la présente loi relatives aux actes illicites (art. 129 ss). Art. 34 1 La jouissance des droits civils est régie par le droit suisse. 2 Le droit applicable au rapport juridique qui présuppose la jouissance des droits civils régit le commencement et la fin de la personnalité. Art. 35 L’exercice des droits civils est régi par le droit du domicile. Un chan- gement de domicile n’affecte pas l’exercice des droits civils une fois que celui-ci a été acquis. Art. 36 1 La partie à un acte juridique qui est incapable selon le droit de l’État de son domicile ne peut pas invoquer cette incapacité si elle était capa- ble selon le droit de l’État où l’acte a été accompli, à moins que l’autre partie n’ait connu ou dû connaître cette incapacité. V. Juridiction gracieuse VI. Transcription à l’état civil I. Principe II. Jouissance des droits civils III. Exercice des droits civils 1. Principe 2. Sécurité des transactions Droit international privé. LF 11 291 2 Cette règle ne s’applique pas aux actes juridiques relevant du droit de la famille, du droit successoral ou des droits réels immobiliers. Art. 37 1 Le nom d’une personne domiciliée en Suisse est régi par le droit suisse, celui d’une personne domiciliée à l’étranger par le droit que désignent les règles de droit international privé de l’État dans lequel cette personne est domiciliée. 2 Toutefois, une personne peut demander que son nom soit régi par son droit national. Art. 38 1 Les autorités suisses du domicile du requérant sont compétentes pour connaître d’une demande en changement de nom. 2 Les Suisses sans domicile en Suisse peuvent demander un change- ment de nom à l’autorité de leur canton d’origine. 3 Les conditions et les effets d’un changement de nom sont régis par le droit suisse. Art. 39 Un changement de nom intervenu à l’étranger est reconnu en Suisse s’il est valable dans l’État du domicile ou dans l’État national du requérant. Art. 40 La transcription du nom dans les registres de l’état civil a lieu confor- mément aux principes suisses sur la tenue des registres. Art. 40a23 Les art. 37 à 40 s’appliquent par analogie au sexe d’une personne. Art. 41 1 Les tribunaux suisses du dernier domicile connu d’une personne dis- parue sont compétents pour prononcer la déclaration d’absence. 2 Les tribunaux suisses sont en outre compétents pour prononcer la déclaration d’absence si un intérêt légitime le justifie. 23 Introduit par le ch. II de la LF du 18 déc. 2020 (Changement de sexe à l’état civil), en vigueur depuis le 1er janv. 2022 (RO 2021 668; FF 2020 779). IV. Nom 1. En général 2. Changement de nom 3. Changement de nom interve- nu à l’étranger 4. Transcription à l’état civil IVa. Sexe V. Déclaration d’absence 1. Compétence et droit applicable Droit international privé 12 291 3 Les conditions et les effets de la déclaration d’absence sont régis par le droit suisse. Art. 42 Une déclaration d’absence ou de décès prononcée à l’étranger est reconnue en Suisse, lorsqu’elle émane de l’État du dernier domicile connu ou de l’État national de la personne disparue. Chapitre 3 Mariage Section 1 Célébration du mariage Art. 43 1 Les autorités suisses sont compétentes pour célébrer le mariage si l’un des fiancés est domicilié en Suisse ou a la nationalité suisse. 2 Les fiancés étrangers non domiciliés en Suisse peuvent aussi être autorisés à s’y marier par l’autorité compétente lorsque le mariage est reconnu dans l’État de leur domicile ou dans leur État national. 3 L’autorisation ne peut pas être refusée pour le seul motif qu’un divorce prononcé ou reconnu en Suisse n’est pas reconnu à l’étranger. Art. 4424 La célébration du mariage en Suisse est régie par le droit suisse. Art. 45 1 Un mariage valablement célébré à l’étranger est reconnu en Suisse. 2 Si un des fiancés est suisse ou si tous deux ont leur domicile en Suisse, le mariage célébré à l’étranger est reconnu, à moins qu’ils ne l’aient célébré à l’étranger dans l’intention manifeste d’éluder les dispositions sur l’annulation du mariage prévues par le droit suisse.25 3 …26 24 Nouvelle teneur selon le ch. I 5 de la LF du 15 juin 2012 concernant les mesures de lutte contre les mariages forcés, en vigueur depuis le 1er juil. 2013 (RO 2013 1035; FF 2011 2045). 25 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 26 Introduit par l’annexe ch. 17 de la LF du 18 juin 2004 sur le partenariat (RO 2005 5685; FF 2003 1192). Abrogé par l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), avec effet au 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 2. Déclaration d’absence et de décès intervenue à l’étranger I. Compétence II. Droit applicable III. Mariage célébré à l’étranger Droit international privé. LF 13 291 Art. 45a27 1 Les tribunaux suisses du domicile d’un époux ou, à défaut de domi- cile, ceux du lieu de conclusion du mariage ou du lieu d’origine d’un des époux sont compétents pour connaître d’une demande d’annulation du mariage. 2 L’action est régie par le droit suisse. 3 Les art. 62 à 64 s’appliquent par analogie aux mesures provisoires et aux effets accessoires. 4 Les décisions étrangères d’annulation d’un mariage sont reconnues en Suisse lorsqu’elles ont été rendues dans l’État où le mariage a été conclu. L’art. 65 s’applique par analogie si le demandeur est l’un des époux. Section 2 Effets généraux du mariage Art. 46 Les autorités judiciaires ou administratives suisses du domicile ou, à défaut de domicile, celles de la résidence habituelle de l’un des époux sont compétentes pour connaître des actions ou ordonner les mesures relatives aux effets du mariage. Art. 47 Lorsque les époux n’ont ni domicile ni résidence habituelle en Suisse et que l’un d’eux est suisse, les autorités judiciaires ou administratives du lieu d’origine sont compétentes pour connaître des actions ou ordonner les mesures relatives aux effets du mariage, si l’action ne peut être intentée ou la requête déposée devant l’autorité du domicile ou de la résidence habituelle de l’un des époux, ou si l’on ne peut rai- sonnablement exiger qu’elle le soit. Art. 48 1 Les effets du mariage sont régis par le droit de l’État dans lequel les époux sont domiciliés. 2 Lorsque les époux ne sont pas domiciliés dans le même État, les effets du mariage sont régis par le droit de l’État du domicile avec lequel la cause présente le lien le plus étroit. 27 Introduit par le ch. II 2 de la LF du 7 oct. 1994 (RO 1995 1126; FF 1993 I 1093). Nouvelle teneur selon le ch. I 5 de la LF du 15 juin 2012 concernant les mesures de lutte contre les mariages forcés, en vigueur depuis le 1er juil. 2013 (RO 2013 1035; FF 2011 2045). IV. Annulation du mariage I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine II. Droit applicable 1. Principe Droit international privé 14 291 3 Lorsque les autorités judiciaires ou administratives suisses du lieu d’origine sont compétentes en vertu de l’art. 47, elles appliquent le droit suisse. Art. 49 L’obligation alimentaire entre époux est régie par la convention de La Haye du 2 octobre 1973 sur la loi applicable aux obligations alimen- taires28. Art. 5029 Les décisions ou mesures étrangères relatives aux effets du mariage sont reconnues en Suisse lorsqu’elles: a. ont été rendues dans l’État du domicile ou de la résidence habi- tuelle de l’un des époux; b. ont été rendues dans l’État de célébration du mariage et que l’action ne pouvait être intentée dans un des États désignés à la let. a ou qu’on ne pouvait raisonnablement exiger qu’elle le soit. Section 3 Régimes matrimoniaux Art. 51 Sont compétentes pour connaître des actions ou ordonner les mesures relatives aux régimes matrimoniaux: a. lors de la dissolution du régime matrimonial consécutive au décès d’un des époux, les autorités judiciaires ou administrati- ves suisses compétentes pour liquider la succession (art. 86 à 89); b.30 lors de la dissolution du régime matrimonial consécutive à la dissolution judiciaire du lien conjugal ou à la séparation de corps, les autorités judiciaires suisses compétentes à cet effet (art. 59, 60, 60a, 63, 64); c. dans les autres cas, les autorités judiciaires ou administratives suisses compétentes pour statuer sur les effets du mariage (art. 46, 47). 28 RS 0.211.213.01 29 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 30 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 2. Obligation alimentaire III. Décisions ou mesures étrangères I. Compétence Droit international privé. LF 15 291 Art. 52 1 Le régime matrimonial est régi par le droit choisi par les époux. 2 Les époux peuvent choisir: a. le droit de l’État dans lequel ils sont tous deux domiciliés ou seront domiciliés après la célébration du mariage; b. le droit de l’État dans lequel le mariage a été célébré, ou c. le droit d’un État dont l’un d’eux a la nationalité.31 3 L’art. 23, al. 2, n’est pas applicable.32 Art. 53 1 L’élection de droit doit faire l’objet d’une convention écrite ou res- sortir d’une façon certaine des dispositions du contrat de mariage; en outre, elle est régie par le droit choisi. 2 L’élection de droit peut être faite ou modifiée en tout temps. Si elle est postérieure à la célébration du mariage, elle rétroagit au jour du mariage, sauf convention contraire. 3 Le droit choisi reste applicable tant que les époux n’ont pas modifié ou révoqué ce choix. Art. 54 1 À défaut d’élection de droit, le régime matrimonial est régi: a. par le droit de l’État dans lequel les deux époux sont domici- liés en même temps ou, si tel n’est pas le cas; b. par le droit de l’État dans lequel, en dernier lieu, les deux époux ont été domiciliés en même temps. 2 Si les époux n’ont jamais été domiciliés en même temps dans le même État, leur droit national commun est applicable. 3 Les époux qui n’ont jamais été domiciliés dans le même État et n’ont pas de nationalité commune sont soumis au régime suisse de la sépa- ration de biens. Art. 55 1 En cas de transfert du domicile des époux d’un État dans un autre, le droit du nouveau domicile est applicable et rétroagit au jour du ma- riage. Les époux peuvent convenir par écrit d’exclure la rétroactivité. 31 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 32 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). II. Droit applicable 1. Élection de droit a. Principe b. Modalités 2. À défaut d’élection de droit a. Principe b. Mutabilité et rétroactivité lors de changement de domicile Droit international privé 16 291 2 Le changement de domicile n’a pas d’effet sur le droit applicable lorsque les époux sont convenus par écrit de maintenir le droit anté- rieur ou lorsqu’ils sont liés par un contrat de mariage. Art. 56 Le contrat de mariage est valable quant à la forme s’il satisfait aux conditions du droit applicable au fond ou du droit du lieu où l’acte a été passé. Art. 57 1 Les effets du régime matrimonial sur un rapport juridique entre un époux et un tiers sont régis par le droit de l’État dans lequel cet époux était domicilié au moment où ce rapport a pris naissance. 2 Toutefois, ces effets sont régis par le droit applicable au régime matrimonial si le tiers connaissait ou devait connaître ce droit au moment où le rapport juridique a pris naissance. Art. 58 1 Les décisions étrangères relatives au régime matrimonial sont recon- nues en Suisse: a. lorsqu’elles ont été rendues ou qu’elles sont reconnues dans l’État du domicile de l’époux défendeur; b. lorsqu’elles ont été rendues ou qu’elles sont reconnues dans l’État du domicile de l’époux demandeur et que l’époux défen- deur n’était pas domicilié en Suisse; c. lorsqu’elles ont été rendues ou qu’elles sont reconnues dans l’État dont, en vertu de la présente loi, le droit s’applique au régime matrimonial, ou d. dans la mesure où elles concernent des immeubles, lorsqu’elles ont été rendues ou qu’elles sont reconnues dans l’État dans le- quel ces immeubles sont situés. 2 La reconnaissance de décisions relatives au régime matrimonial pri- ses dans le cadre de mesures protectrices de l’union conjugale ou à la suite d’un décès, d’une déclaration de nullité du mariage, d’un divorce ou d’une séparation de corps est régie par les dispositions de la pré- sente loi relatives aux effets généraux du mariage, au divorce ou aux successions (art. 50, 65 et 96). 3. Forme du contrat de mariage 4. Rapports juridiques avec les tiers III. Décisions étrangères Droit international privé. LF 17 291 Section 4 Divorce et séparation de corps Art. 59 Sont compétents pour connaître d’une action en divorce ou en sépara- tion de corps: a. les tribunaux suisses du domicile de l’époux défendeur; b. les tribunaux suisses du domicile de l’époux demandeur, si ce- lui-ci réside en Suisse depuis une année ou est suisse. Art. 60 Lorsque les époux ne sont pas domiciliés en Suisse et que l’un d’eux est suisse, les tribunaux du lieu d’origine sont compétents pour con- naître d’une action en divorce ou en séparation de corps, si l’action ne peut être intentée au domicile de l’un des époux ou si l’on ne peut rai- sonnablement exiger qu’elle le soit. Art. 60a33 Lorsque les époux ne sont pas domiciliés en Suisse et qu’aucun d’eux n’est suisse, les tribunaux suisses du lieu de célébration du mariage sont compétents pour connaître d’une action en divorce ou en sépara- tion de corps, si l’action ne peut être intentée devant le tribunal du domicile de l’un des époux, ou si l’on ne peut raisonnablement exiger qu’elle le soit. Art. 6134 Le divorce et la séparation de corps sont régis par le droit suisse. Art. 62 1 Le tribunal suisse saisi d’une action en divorce ou en séparation de corps est compétent pour ordonner des mesures provisoires, sauf si son incompétence pour statuer au fond est manifeste ou a été constatée par une décision ayant force de chose jugée. 2 Les mesures provisoires sont régies par le droit suisse. 3 Sont réservées les dispositions de la présente loi sur l’obligation ali- mentaire entre époux (art. 49), les effets de la filiation (art. 82 et 83) et la protection des mineurs (art. 85). 33 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 34 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 2015 (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 2313; FF 2013 4341). I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine 3. For au lieu de célébration du mariage II. Droit applicable III. Mesures provisoires Droit international privé 18 291 Art. 63 1 Les tribunaux suisses compétents pour connaître d’une action en divorce ou en séparation de corps le sont également pour se prononcer sur les effets accessoires. Les dispositions de la présente loi sur la protection des mineurs (art. 85) sont réservées.35 1bis Pour connaître du partage de prétentions de prévoyance profes- sionnelle envers une institution suisse de prévoyance professionnelle, la compétence des tribunaux suisses est exclusive.36 2 Le droit suisse régit les effets accessoires du divorce et de la sépara- tion de corps.37 Sont réservées les dispositions de la présente loi rela- tives au nom (art. 37 à 40), à l’obligation alimentaire entre époux (art. 49), au régime matrimonial (art. 52 à 57), aux effets de la filiation (art. 82 et 83) et à la protection des mineurs (art. 85). Art. 64 1 Les tribunaux suisses sont compétents pour connaître d’une action en complément ou en modification d’un jugement de divorce ou de sépa- ration de corps s’ils ont prononcé ce jugement ou s’ils sont compétents en vertu des art. 59, 60 ou 60a.38 Sont réservées les dispositions de la présente loi sur la protection des mineurs (art. 85). 1bis Pour connaître du partage de prétentions de prévoyance profes- sionnelle envers une institution suisse de prévoyance professionnelle, la compétence des tribunaux suisses est exclusive. En l’absence de compétence au sens de l’al. 1, les tribunaux suisses du siège de l’institution de prévoyance sont compétents.39 2 Le droit suisse régit l’action en complément ou en modification du divorce ou de la séparation de corps.40 Sont réservées les dispositions de la présente loi relatives au nom (art. 37 à 40), à l’obligation alimen- taire entre époux (art. 49), au régime matrimonial (art. 52 à 57), aux effets de la filiation (art. 82 et 83) et à la protection des mineurs (art. 85). 35 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 21 juin 2013 (Autorité parentale), en vigueur depuis le 1er juil. 2014 (RO 2014 357; FF 2011 8315). 36 Introduit par l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 2015 (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 2313; FF 2013 4341). 37 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 2015 (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 2313; FF 2013 4341). 38 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 39 Introduit par l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 2015 (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 2313; FF 2013 4341). 40 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 2015 (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 2313; FF 2013 4341). IV. Effets accessoires V. Complément ou modification d’une décision Droit international privé. LF 19 291 Art. 65 1 Les décisions étrangères de divorce ou de séparation de corps sont reconnues en Suisse lorsqu’elles: a. ont été rendues dans l’État du domicile ou de la résidence habi- tuelle ou dans l’État national de l’un des époux; b. sont reconnues dans l’un des États visés à la let. a, ou c. ont été rendues dans l’État de célébration du mariage et que l’action ne pouvait être intentée dans un des États désignés à la let. a ou qu’on ne pouvait raisonnablement exiger qu’elle le soit.41 2 Toutefois, la décision rendue dans un État dont aucun des époux ou seul l’époux demandeur a la nationalité n’est reconnue en Suisse que: a. lorsque, au moment de l’introduction de la demande, au moins l’un des époux était domicilié ou avait sa résidence habituelle dans cet État et que l’époux défendeur n’était pas domicilié en Suisse; b. lorsque l’époux défendeur s’est soumis sans faire de réserve à la compétence du tribunal étranger, ou c. lorsque l’époux défendeur a expressément consenti à la recon- naissance de la décision en Suisse. Chapitre 3a42 Partenariat enregistré Art. 65a43 Les dispositions du chap. 3 s’appliquent par analogie au partenariat enregistré. Art. 65b44 41 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 42 Introduit par l’annexe ch. 17 de la LF du 18 juin 2004 sur le partenariat, en vigueur depuis le 1er janv. 2007 (RO 2005 5685; FF 2003 1192). 43 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 44 Abrogé par l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), avec effet au 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). VI. Décisions étrangères I. Application du chap. 3 Droit international privé 20 291 Art. 65c45 Lorsque le droit applicable en vertu du chap. 3 ne connaît pas de dis- positions applicables au partenariat enregistré, les dispositions sur le mariage sont applicables. Art. 65d46 Chapitre 4 Filiation Section 1 Filiation par naissance Art. 66 Les tribunaux suisses de la résidence habituelle de l’enfant ou ceux du domicile de l’un des parents sont compétents pour connaître d’une action relative à la constatation ou à la contestation de la filiation. Art. 67 Lorsque les parents ne sont pas domiciliés en Suisse et que l’enfant n’y a pas de résidence habituelle, les tribunaux du lieu d’origine suisse de l’un des parents sont compétents pour connaître d’une action relative à la constatation ou à la contestation de la filiation, si l’action ne peut être intentée, ni au domicile de l’un des parents, ni à la résidence habi- tuelle de l’enfant, ou si l’on ne peut raisonnablement exiger qu’elle le soit. Art. 68 1 L’établissement, la constatation et la contestation de la filiation sont régis par le droit de l’État de la résidence habituelle de l’enfant. 2 Toutefois, si aucun des parents n’est domicilié dans l’État de la rési- dence habituelle de l’enfant et si les parents et l’enfant ont la nationa- lité d’un même État, le droit de cet État est applicable. Art. 69 1 Pour déterminer le droit applicable à l’établissement, à la constata- tion ou à la contestation de la filiation, on se fondera sur la date de la naissance. 45 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), en vigueur depuis le 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). 46 Abrogé par l’annexe ch. 2 de la LF du 18 déc. 2020 (Mariage pour tous), avec effet au 1er juil. 2022 (RO 2021 747; FF 2019 8127; 2020 1223). II. Droit applicable I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine II. Droit applicable 1. Principe 2. Moment déterminant Droit international privé. LF 21 291 2 Toutefois, en cas de constatation ou de contestation judiciaires de la filiation, on se fondera sur la date de l’action si un intérêt prépondérant de l’enfant l’exige. Art. 70 Les décisions étrangères relatives à la constatation ou à la contestation de la filiation sont reconnues en Suisse lorsqu’elles ont été rendues dans l’État de la résidence habituelle de l’enfant ou dans son État national ou dans l’État du domicile ou dans l’État national de la mère ou du père. Section 2 Reconnaissance Art. 71 1 Sont compétentes pour recevoir une reconnaissance d’enfant les autorités suisses du lieu de la naissance ou de la résidence habituelle de l’enfant, ainsi que celles du domicile ou du lieu d’origine de la mère ou du père. 2 Lorsqu’elle intervient au cours d’une procédure judiciaire, dans laquelle la filiation a une portée juridique, le juge saisi de l’action peut aussi recevoir la reconnaissance. 3 Les tribunaux compétents pour connaître d’une action relative à la constatation ou à la contestation de la filiation sont aussi compétents pour juger de la contestation de la reconnaissance (art. 66 et 67). Art. 72 1 La reconnaissance en Suisse peut être faite conformément au droit de l’État de la résidence habituelle de l’enfant, au droit de son État natio- nal, au droit du domicile ou au droit de l’État national de la mère ou du père. La date de la reconnaissance est déterminante. 2 La forme de la reconnaissance en Suisse est régie par le droit suisse. 3 La contestation de la reconnaissance est régie par le droit suisse. Art. 73 1 La reconnaissance d’un enfant intervenue à l’étranger est reconnue en Suisse lorsqu’elle est valable dans l’État de la résidence habituelle de l’enfant, dans son État national, dans l’État du domicile ou encore dans l’État national de la mère ou du père. 2 Les décisions étrangères sur la contestation de la reconnaissance sont reconnues en Suisse lorsqu’elles ont été rendues dans l’un des États mentionnés à l’al. 1. III. Décisions étrangères I. Compétence II. Droit applicable III. Reconnais- sance intervenue ou contestée à l’étranger Droit international privé 22 291 Art. 74 L’art. 73 s’applique par analogie en matière de légitimation étrangère. Section 3 Adoption Art. 75 1 Sont compétentes pour prononcer l’adoption les autorités judiciaires ou administratives suisses du domicile de l’adoptant ou des époux adoptants. 2 Les tribunaux compétents pour connaître d’une action relative à la constatation ou à la contestation de la filiation sont aussi compétents pour juger de la contestation de l’adoption (art. 66 et 67). Art. 76 Sont compétentes pour prononcer l’adoption les autorités judiciaires ou administratives du lieu d’origine, lorsque l’adoptant ou les époux adoptants ne sont pas domiciliés en Suisse et que l’un d’eux est suisse et lorsqu’ils ne peuvent pas adopter à leur domicile à l’étranger, ou que l’on ne saurait raisonnablement exiger qu’ils y engagent une procédure d’adoption. Art. 77 1 Les conditions de l’adoption prononcée en Suisse sont régies par le droit suisse. 2 Lorsqu’il apparaît qu’une adoption ne serait pas reconnue dans l’État du domicile ou dans l’État national de l’adoptant ou des époux adop- tants et qu’il en résulterait un grave préjudice pour l’enfant, l’autorité tient compte en outre des conditions posées par le droit de l’État en question. Si, malgré cela, la reconnaissance ne paraît pas assurée, l’adoption ne doit pas être prononcée. 3 L’action en annulation d’une adoption prononcée en Suisse est régie par le droit suisse. Une adoption prononcée à l’étranger ne peut être annulée en Suisse que s’il existe aussi un motif d’annulation en droit suisse. Art. 78 1 Les adoptions intervenues à l’étranger sont reconnues en Suisse lors- qu’elles ont été prononcées dans l’État du domicile ou dans l’État national de l’adoptant ou des époux adoptants. IV. Légitimation I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine II. Droit applicable III. Adoptions et institutions semblables du droit étranger Droit international privé. LF 23 291 2 Les adoptions ou les institutions semblables du droit étranger qui ont des effets essentiellement différents du lien de filiation au sens du droit suisse ne sont reconnues en Suisse qu’avec les effets qui leur sont atta- chés dans l’État dans lequel elles ont été prononcées. Section 4 Effets de la filiation Art. 79 1 Les tribunaux suisses de la résidence habituelle de l’enfant ou ceux du domicile et, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du parent défendeur sont compétents pour connaître d’une action relative aux relations entre parents et enfant, notamment d’une action relative à l’entretien de l’enfant. 2 Les dispositions de la présente loi relatives au nom (art. 33, 37 à 40), à la protection des mineurs (art. 85) et aux successions (art. 86 à 89) sont réservées. Art. 80 Lorsque ni l’enfant ni le parent défendeur n’ont de domicile ou de rési- dence habituelle en Suisse et que l’un d’eux est suisse, les tribunaux du lieu d’origine sont compétents. Art. 81 Les tribunaux suisses désignés aux art. 79 et 80 sont aussi compétents pour connaître: a. des demandes en prestations alimentaires émanant des autori- tés qui ont fourni des avances; b. des demandes de la mère en prestations d’entretien et en rem- boursement des dépenses occasionnées par la naissance. Art. 82 1 Les relations entre parents et enfant sont régies par le droit de l’État de la résidence habituelle de l’enfant. 2 Toutefois, si aucun des parents n’est domicilié dans l’État de la rési- dence habituelle de l’enfant et si les parents et l’enfant ont la nationa- lité d’un même État, le droit de cet État est applicable. 3 Les dispositions de la présente loi relatives au nom (art. 33, 37 à 40), à la protection des mineurs (art. 85) et aux successions (art. 90 à 95) sont réservées. I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine 3. Prétentions de tiers II. Droit applicable 1. Principe Droit international privé 24 291 Art. 83 1 L’obligation alimentaire entre parents et enfant est régie par la con- vention de La Haye du 2 octobre 1973 sur la loi applicable aux obli- gations alimentaires47. 2 Dans la mesure où les droits à l’entretien de la mère et le rembour- sement des dépenses occasionnées par la naissance ne sont pas réglés par ladite convention, ses dispositions s’appliquent par analogie. Art. 84 1 Les décisions étrangères relatives aux relations entre parents et enfant sont reconnues en Suisse lorsqu’elles ont été rendues dans l’État de la résidence habituelle de l’enfant ou dans l’État du domicile ou de la résidence habituelle du parent défendeur. 2 Les dispositions de la présente loi relatives au nom (art. 39), à la protection des mineurs (art. 85) et aux successions (art. 96) sont réser- vées. Chapitre 5 Tutelle, protection de l’adulte et autres mesures protectrices48 Art. 8549 1 En matière de protection des enfants, la compétence des autorités judiciaires ou administratives suisses, la loi applicable ainsi que la reconnaissance et l’exécution des décisions ou mesures étrangères sont régies par la Convention de La Haye du 19 octobre 1996 concernant la compétence, la loi applicable, la reconnaissance, l’exécution et la coopération en matière de responsabilité parentale et de mesures de protection des enfants50. 2 En matière de protection des adultes, la compétence des autorités judiciaires ou administratives suisses, la loi applicable ainsi que la reconnaissance et l’exécution des décisions ou mesures étrangères sont régies par la Convention de La Haye du 13 janvier 2000 sur la protec- tion internationale des adultes51. 47 RS 0.211.213.01 48 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 13 de la LF du 19 déc. 2008 (Protection de l’adulte, droit des personnes et droit de la filiation), en vigueur depuis le 1er janv. 2013 (RO 2011 725; FF 2006 6635). 49 Nouvelle teneur selon l’art. 15 de la LF du 21 déc. 2007 sur l’enlèvement international d’enfants et les Conv. de la Haye sur la protection des enfants et des adultes, en vigueur depuis le 1er juil. 2009 (RO 2009 3077; FF 2007 2433). 50 RS 0.211.231.011 51 RS 0.211.232.1 2. Obligation alimentaire III. Décisions étrangères Droit international privé. LF 25 291 3 Les autorités judiciaires ou administratives suisses sont en outre compétentes lorsque la protection d’une personne ou de ses biens l’exige. 4 Les mesures ordonnées dans un État qui n’est pas partie aux conven- tions mentionnées aux al. 1 et 2 sont reconnues si elles ont été ordon- nées ou si elles sont reconnues dans l’État de la résidence habituelle de l’enfant ou de l’adulte.52 Chapitre 6 Successions Art. 86 1 Les autorités judiciaires ou administratives suisses du dernier domi- cile du défunt sont compétentes pour prendre les mesures nécessaires au règlement de la succession et connaître des litiges successoraux. 2 Est réservée la compétence exclusive revendiquée par l’État du lieu de situation des immeubles. Art. 87 1 Les autorités judiciaires ou administratives du lieu d’origine du défunt sont compétentes pour régler la succession d’un Suisse domici- lié à l’étranger à son décès dans la mesure où les autorités étrangères ne s’en occupent pas. 2 Les autorités du lieu d’origine sont toujours compétentes lorsque, par un testament ou un pacte successoral, un Suisse ayant eu son dernier domicile à l’étranger soumet à la compétence ou au droit suisse l’ensemble de sa succession ou la part de celle-ci se trouvant en Suisse. L’art. 86, al. 2, est réservé. Art. 88 1 Si un étranger, domicilié à l’étranger à son décès, laisse des biens en Suisse, les autorités judiciaires ou administratives suisses du lieu de situation sont compétentes pour régler la part de succession sise en Suisse dans la mesure où les autorités étrangères ne s’en occupent pas. 2 S’il y a des biens en différents lieux, l’autorité suisse saisie la pre- mière est compétente. 52 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 3 de la LF du 21 juin 2013, en vigueur depuis le 1er juil. 2014 (RO 2014 357; FF 2011 8315). I. Compétence 1. Principe 2. For d’origine 3. For du lieu de situation Droit international privé 26 291 Art. 89 Si le défunt avait son dernier domicile à l’étranger et laisse des biens en Suisse, les autorités suisses du lieu de situation de ces biens pren- nent les mesures nécessaires à la protection provisionnelle de ceux-ci. Art. 90 1 La succession d’une personne qui avait son dernier domicile en Suisse est régie par le droit suisse. 2 Un étranger peut toutefois soumettre sa succession par testament ou pacte successoral au droit de l’un de ses États nationaux. Ce choix est caduc si, au moment de son décès, le disposant n’avait plus cette nationalité ou avait acquis la nationalité suisse. Art. 91 1 La succession d’une personne qui a eu son dernier domicile à l’étran- ger est régie par le droit que désignent les règles de droit international privé de l’État dans lequel le défunt était domicilié. 2 Dans la mesure où les autorités judiciaires ou administratives suisses sont compétentes en vertu de l’art. 87, la succession d’un défunt suisse qui a eu son dernier domicile à l’étranger est régie par le droit suisse à moins que, par testament ou pacte successoral, le défunt n’ait réservé expressément le droit de son dernier domicile. Art. 92 1 Le droit applicable à la succession détermine en quoi consiste la suc- cession, qui est appelé à succéder, pour quelle part et qui répond des dettes successorales, quelles institutions de droit successoral peuvent être invoquées, quelles mesures peuvent être ordonnées et à quelles conditions. 2 Les modalités d’exécution sont régies par le droit de l’État dont l’autorité est compétente. Ce droit régit notamment les mesures con- servatoires et la liquidation, y compris l’exécution testamentaire. Art. 93 1 La validité des testaments est régie quant à la forme par la conven- tion de La Haye du 5 octobre 1961 sur les conflits de lois en matière de forme des dispositions testamentaires53. 2 Cette convention s’applique par analogie à la forme d’autres disposi- tions pour cause de mort. 53 RS 0.211.312.1 4. Mesures conservatoires II. Droit applicable 1. Dernier domicile en Suisse 2. Dernier domicile à l’étranger 3. Domaine du statut successoral et de la liquida- tion 4. Forme Droit international privé. LF 27 291 Art. 94 Une personne peut disposer pour cause de mort si, au moment de dis- poser, elle en a la capacité en vertu du droit de l’État de son domicile ou de sa résidence habituelle, ou en vertu du droit de l’un de ses États nationaux. Art. 95 1 Le pacte successoral est régi par le droit de l’État dans lequel le dis- posant est domicilié au moment de la conclusion du pacte. 2 Si, dans le pacte, un disposant soumet toute sa succession au droit de son État national, ce droit s’applique en lieu et place du droit du domi- cile. 3 Les dispositions réciproques pour cause de mort sont valables si elles sont conformes au droit du domicile de chacun des disposants ou au droit d’un État national commun qu’ils ont choisi. 4 Sont réservées les dispositions de la présente loi sur la forme et la capacité de disposer (art. 93 et 94). Art. 96 1 Les décisions, les mesures ou les documents relatifs à une succes- sion, de même que les droits qui dérivent d’une succession ouverte à l’étranger, sont reconnus en Suisse: a. lorsqu’ils ont été rendus, pris, dressés ou constatés dans l’État du dernier domicile du défunt ou dans l’État au droit duquel le défunt a soumis sa succession ou s’ils sont reconnus dans un de ces États, ou b. lorsqu’ils se rapportent à des immeubles et ont été rendus, pris, dressés ou constatés dans l’État dans lequel ces biens sont si- tués ou s’ils sont reconnus dans cet État. 2 S’agissant d’un immeuble sis dans un État qui revendique une com- pétence exclusive, seuls les décisions, mesures ou documents émanant de cet État sont reconnus. 3 Les mesures conservatoires prises dans l’État du lieu de situation des biens du défunt sont reconnues en Suisse. 5. Capacité de disposer 6. Pactes successoraux et autres dispositions réciproques pour cause de mort III. Décisions, mesures, documents et droits étrangers Droit international privé 28 291 Chapitre 7 Droits réels Art. 97 Les tribunaux du lieu de situation des immeubles en Suisse sont exclu- sivement compétents pour connaître des actions réelles immobilières. Art. 98 1 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont compétents pour connaître des actions réelles mobilières. 2 Les tribunaux suisses du lieu où se trouvent les biens sont en outre compétents.54 Art. 98a55 Le tribunal du domicile ou du siège du défendeur ou le tribunal du lieu où se trouve le bien culturel est compétent pour connaître des actions en retour au sens de l’art. 9 de la loi du 20 juin 2003 sur le transfert des biens culturels56. Art. 99 1 Les droits réels immobiliers sont régis par le droit du lieu de situation de l’immeuble. 2 Les prétentions résultant d’immissions provenant d’un immeuble sont régies par les dispositions de la présente loi relatives aux actes illicites (art. 138). Art. 100 1 L’acquisition et la perte de droits réels mobiliers sont régies par le droit du lieu de situation du meuble au moment des faits sur lesquels se fonde l’acquisition ou la perte. 2 Le contenu et l’exercice de droits réels mobiliers sont régis par le droit du lieu de situation du meuble. 54 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 55 Introduit par l’art. 32 ch. 3 de la LF du 20 juin 2003 sur le transfert des biens culturels, en vigueur depuis le 1er juin 2005 (RO 2005 1869; FF 2002 505). 56 RS 444.1 I. Compétence 1. Immeubles 2. Meubles 3. Biens culturels II. Droit applicable 1. Immeubles 2. Meubles a. Principe Droit international privé. LF 29 291 Art. 101 L’acquisition et la perte, par des actes juridiques, de droits réels sur des biens en transit sont régies par le droit de l’État de destination. Art. 102 1 Lorsqu’un bien meuble est transporté de l’étranger en Suisse et que l’acquisition ou la perte de droits réels n’est pas encore intervenue à l’étranger, les faits survenus à l’étranger sont réputés s’être réalisés en Suisse. 2 Lorsque parvient en Suisse un bien sur lequel a été valablement constituée à l’étranger une réserve de propriété qui ne répond pas aux exigences du droit suisse, cette réserve de propriété conserve néan- moins sa validité pendant trois mois. 3 Le tiers de bonne foi ne pourra se voir opposer l’existence de pareille réserve de propriété constituée à l’étranger. Art. 103 La réserve de propriété constituée sur une chose mobilière destinée à l’exportation est régie par le droit de l’État de destination. Art. 104 1 Les parties peuvent soumettre l’acquisition et la perte de droits réels mobiliers au droit de l’État d’expédition ou de destination ou au droit qui régit l’acte juridique de base. 2 L’élection de droit n’est pas opposable aux tiers. Art. 105 1 La mise en gage de créances, de papiers-valeurs ou d’autres droits, est régie par le droit choisi par les parties. Cette élection de droit n’est pas opposable aux tiers. 2 À défaut d’élection de droit, la mise en gage de créances est régie par le droit de l’État de la résidence habituelle du créancier gagiste. Il en est de même de la mise en gage d’autres droits s’ils sont représentés par un droit-valeur, un papier-valeur ou un titre équivalent; dans le cas contraire, leur mise en gage est régie par le droit qui s’applique aux droits eux-mêmes.57 3 Le débiteur ne peut se voir opposer un droit autre que celui qui régit le droit mis en gage. 57 Nouvelle teneur selon le ch. I 3 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur depuis le 1er fév. 2021 (RO 2021 33; FF 2020 223). b. Biens en transit c. Biens transportés en Suisse d. Réserve de propriété d’un bien destiné à l’exportation e. Élection de droit 3. Règles spéciales a. Mise en gage de créances, de papiers-valeurs ou d’autres droits Droit international privé 30 291 Art. 10658 1 Le droit désigné à l’art. 145a, al. 1, détermine si un titre représente une marchandise. 2 Lorsqu’un titre physique représente la marchandise, les droits réels relatifs au titre et à la marchandise sont régis par le droit applicable au titre en tant que bien mobilier. 3 Lorsque plusieurs personnes font valoir des droits réels sur la mar- chandise, les unes directement, les autres en vertu d’un titre, le droit applicable à la marchandise même détermine lequel de ces droits pré- vaut. Art. 107 Sont réservées celles des dispositions d’autres lois qui sont relatives aux droits réels sur les navires, aéronefs ou autres moyens de transport. Art. 108 1 Les décisions étrangères en matière de droits réels immobiliers sont reconnues en Suisse lorsqu’elles ont été rendues dans l’État dans lequel le bien est situé ou lorsqu’elles sont reconnues dans cet État. 2 Les décisions étrangères en matière de droits réels mobiliers sont reconnues en Suisse: a. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État du domicile du défen- deur; b. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État dans lequel les biens sont situés, pour autant que le défendeur y ait eu sa résidence habituelle. c. 59 ... 58 Nouvelle teneur selon le ch. I 3 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur depuis le 1er fév. 2021 (RO 2021 33; FF 2020 223). 59 Abrogée par l’art. 2 de l’AF du 3 oct. 2008 portant approbation et mise en œuvre de la Conv. de La Haye sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenus auprès d’un intermédiaire, avec effet au 1er janv. 2010 (RO 2009 6579; FF 2006 8817). b. Titres représentatifs de marchandises c. Moyens de transport III. Décisions étrangères Droit international privé. LF 31 291 Chapitre 7a60 Titres intermédiés Art. 108a On entend par titres intermédiés les titres détenus auprès d’un intermé- diaire au sens de la Convention de La Haye du 5 juillet 2006 sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenus auprès d’un intermé- diaire61. Art. 108b 1 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont compétents pour connaître des actions relatives à des titres intermédiés. 2 Les tribunaux suisses du lieu où le défendeur a son établissement sont aussi compétents pour connaître des actions relatives à des titres intermédiés découlant de l’exploitation de cet établissement. Art. 108c Le droit applicable aux titres intermédiés est régi par la Convention de La Haye du 5 juillet 2006 sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenus auprès d’un intermédiaire62. Art. 108d Les décisions étrangères rendues en relation avec une action relative à des titres intermédiés sont reconnues en Suisse: a. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État du domicile ou de la résidence habituelle du défendeur; b. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État de l’établissement du défendeur et que la prétention résulte de l’exploitation de cet établissement. 60 Introduit par l’art. 2 de l’AF du 3 oct. 2008 portant approbation et mise en œuvre de la Conv. de La Haye sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenus auprès d’un intermédiaire, en vigueur depuis le 1er janv. 2010 (RO 2009 6579; FF 2006 8817). 61 RS 0.221.556.1 62 RS 0.221.556.1 I. Définition II. Compétence III. Droit applicable IV. Décisions étrangères Droit international privé 32 291 Chapitre 8 Propriété intellectuelle Art. 10963 1 Les tribunaux suisses du domicile du défendeur sont compétents pour connaître des actions portant sur la validité ou l’inscription en Suisse de droits de propriété intellectuelle. Si le défendeur n’a pas de domi- cile en Suisse, ces actions peuvent être intentées devant les tribunaux suisses du siège commercial du mandataire inscrit au registre, ou, à défaut, devant les tribunaux du lieu où l’autorité qui tient le registre a son siège. 2 Les actions portant sur la violation de droits de propriété intellec- tuelle peuvent être intentées devant les tribunaux suisses du domicile du défendeur ou, à défaut, ceux de sa résidence habituelle. Sont en outre compétents les tribunaux suisses du lieu de l’acte ou du résultat et, pour connaître des actions relatives à l’activité de l’établissement en Suisse, les tribunaux du lieu de l’établissement. 2bis L’al. 2 s’applique par analogie aux actions portant sur les droits à rémunération prescrits par la loi pour l’utilisation licite d’un bien de propriété intellectuelle.64 3 ...65 Art. 110 1 Les droits de la propriété intellectuelle sont régis par le droit de l’État pour lequel la protection de la propriété intellectuelle est revendiquée. 2 En ce qui concerne les prétentions consécutives à un acte illicite, les parties peuvent toujours convenir, après l’événement dommageable, de l’application du droit du for. 3 Les contrats portant sur la propriété intellectuelle sont régis par les dispositions de la présente loi relatives aux contrats (art. 122). Art. 111 1 Les décisions étrangères relatives à la violation de droits de propriété intellectuelle sont reconnues en Suisse: a. lorsque la décision a été rendue dans l’État du domicile du dé- fendeur, ou 63 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 22 juin 2007, en vigueur depuis le 1er juil. 2008 (RO 2008 2551; FF 2006 1). 64 Introduit par l’annexe ch. 2 de la LF du 27 sept. 2019, en vigueur depuis le 1er avr. 2020 (RO 2020 1003; FF 2018 559). 65 Abrogé par l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), avec effet au 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). I. Compétence II. Droit applicable III. Décisions étrangères Droit international privé. LF 33 291 b. lorsque la décision a été rendue au lieu de l’acte ou du résultat et que le défendeur n’était pas domicilié en Suisse.66 2 Les décisions étrangères portant sur l’existence, la validité ou l’ins- cription de droits de propriété intellectuelle ne sont reconnues que si elles ont été rendues dans un État pour lequel la protection de la pro- priété intellectuelle est revendiquée ou si elles y sont reconnues. Chapitre 9 Droit des obligations Section 1 Contrats Art. 112 1 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont compétents pour connaître des actions découlant d’un contrat. 2 Les tribunaux suisses du lieu où le défendeur a son établissement sont aussi compétents pour connaître des actions relatives à une obli- gation découlant de l’exploitation de cet établissement. Art. 11368 Lorsque la prestation caractéristique du contrat doit être exécutée en Suisse, l’action peut aussi être portée devant le tribunal suisse du lieu où elle doit être exécutée. Art. 114 1 Dans les contrats qui répondent aux conditions énoncées par l’art. 120, al. 1, l’action intentée par un consommateur peut être portée, au choix de ce dernier, devant le tribunal suisse; a. de son domicile ou de sa résidence habituelle, ou b. du domicile ou, à défaut de domicile, de la résidence habituelle du fournisseur. 2 Le consommateur ne peut pas renoncer d’avance au for de son domi- cile ou de sa résidence habituelle. 66 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 22 juin 2007, en vigueur depuis le 1er juil. 2008 (RO 2008 2551; FF 2006 1). 67 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 68 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). I. Compétence 1. Domicile et établissement67 2. Lieu d’exécution 3. Contrats conclus avec des consommateurs Droit international privé 34 291 Art. 115 1 Les tribunaux suisses du domicile du défendeur ou du lieu dans lequel le travailleur accomplit habituellement son travail sont compé- tents pour connaître des actions relatives au contrat de travail. 2 L’action intentée par un travailleur peut, de surcroît, être portée au for de son domicile ou de sa résidence habituelle en Suisse. 3 Les tribunaux suisses du lieu dans lequel un travailleur en prove- nance de l’étranger est détaché, pour une période limitée et pour y exé- cuter tout ou partie de sa prestation de travail, sont également compé- tents pour connaître des actions relatives aux conditions de travail et de salaire devant s’appliquer à cette prestation.69 Art. 116 1 Le contrat est régi par le droit choisi par les parties. 2 L’élection de droit doit être expresse ou ressortir de façon certaine des dispositions du contrat ou des circonstances; en outre, elle est régie par le droit choisi. 3 L’élection de droit peut être faite ou modifiée en tout temps. Si elle est postérieure à la conclusion du contrat, elle rétroagit au moment de la conclusion du contrat. Les droits des tiers sont réservés. Art. 117 1 À défaut d’élection de droit, le contrat est régi par le droit de l’État avec lequel il présente les liens les plus étroits. 2 Ces liens sont réputés exister avec l’État dans lequel la partie qui doit fournir la prestation caractéristique a sa résidence habituelle ou, si le contrat est conclu dans l’exercice d’une activité professionnelle ou commerciale, son établissement. 3 Par prestation caractéristique, on entend notamment: a. la prestation de l’aliénateur, dans les contrats d’aliénation; b. la prestation de la partie qui confère l’usage, dans les contrats portant sur l’usage d’une chose ou d’un droit; c. la prestation de service dans le mandat, le contrat d’entreprise et d’autres contrats de prestation de service; d. la prestation du dépositaire, dans le contrat de dépôt; e. la prestation du garant ou de la caution, dans les contrats de garantie ou de cautionnement. 69 Introduit par l’annexe ch. 1 de la LF du 8 oct. 1999 sur les travailleurs détachés, en vigueur depuis le 1er juin 2004 (RO 2003 1370; FF 1999 5440). 4. Contrats de travail II. Droit applicable 1. En général a. Élection de droit b. À défaut d’élection de droit Droit international privé. LF 35 291 Art. 118 1 Les ventes mobilières sont régies par la convention de La Haye du 15 juin 1955 sur la loi applicable aux ventes à caractère international d’objets mobiliers corporels70. 2 L’art. 120 est réservé. Art. 119 1 Les contrats relatifs aux immeubles ou à leur usage sont régis par le droit du lieu de leur situation. 2 L’élection de droit est admise. 3 Toutefois, la forme du contrat est régie par le droit de l’État dans lequel l’immeuble est situé, à moins que celui-ci n’admette l’applica- tion d’un autre droit. Pour l’immeuble sis en Suisse, la forme est régie par le droit suisse. Art. 120 1 Les contrats portant sur une prestation de consommation courante destinée à un usage personnel ou familial du consommateur et qui n’est pas en rapport avec l’activité professionnelle ou commerciale du consommateur sont régis par le droit de l’État de la résidence habi- tuelle du consommateur: a. si le fournisseur a reçu la commande dans cet État; b. si la conclusion du contrat a été précédée dans cet État d’une offre ou d’une publicité et que le consommateur y a accompli les actes nécessaires à la conclusion du contrat, ou c. si le consommateur a été incité par son fournisseur à se rendre dans un État étranger aux fins d’y passer la commande. 2 L’élection de droit est exclue. Art. 121 1 Le contrat de travail est régi par le droit de l’État dans lequel le tra- vailleur accomplit habituellement son travail. 2 Si le travailleur accomplit habituellement son travail dans plusieurs États, le contrat de travail est régi par le droit de l’État de l’établisse- ment ou, à défaut d’établissement, du domicile ou de la résidence habi- tuelle de l’employeur. 3 Les parties peuvent soumettre le contrat de travail au droit de l’État dans lequel le travailleur a sa résidence habituelle ou dans lequel l’em- ployeur a son établissement, son domicile ou sa résidence habituelle. 70 RS 0.221.211.4 2. En particulier a. Vente mobilière b. Immeubles c. Contrats conclus avec des consommateurs d. Contrats de travail Droit international privé 36 291 Art. 122 1 Les contrats portant sur la propriété intellectuelle sont régis par le droit de l’État dans lequel celui qui transfert ou concède le droit de propriété intellectuelle a sa résidence habituelle. 2 L’élection de droit est admise. 3 Les contrats passés entre un employeur et un travailleur, qui concer- nent des droits de propriété intellectuelle sur des inventions que le tra- vailleur a réalisées dans le cadre de l’accomplissement de son travail, sont régis par le droit applicable au contrat de travail. Art. 123 La partie qui ne répond pas à l’offre de conclure un contrat peut de- mander que les effets de son silence soient régis par le droit de l’État dans lequel elle a sa résidence habituelle. Art. 124 1 Le contrat est valable quant à la forme s’il satisfait aux conditions fixées par le droit applicable au contrat ou par le droit du lieu de con- clusion. 2 La forme d’un contrat conclu entre personnes qui se trouvent dans des États différents est valable si elle satisfait aux conditions fixées par le droit de l’un de ces États. 3 La forme du contrat est exclusivement régie par le droit applicable au contrat lui-même lorsque, pour protéger une partie, ce droit prescrit le respect d’une forme déterminée, à moins que ce droit n’admette l’application d’un autre droit. Art. 125 Les modalités d’exécution ou de vérification sont régies par le droit de l’État dans lequel elles sont effectivement prises. Art. 126 1 Lorsque la représentation repose sur un contrat, les rapports entre représenté et représentant sont régis par le droit applicable à leur con- trat. 2 Les conditions auxquelles les actes du représentant lient le représenté et le tiers contractant sont régies par le droit de l’État de l’établisse- ment du représentant ou, si un tel établissement fait défaut ou encore n’est pas reconnaissable pour le tiers contractant, par le droit de l’État dans lequel le représentant déploie son activité prépondérante dans le cas d’espèce. e. Contrats en matière de propriété intellectuelle 3. Dispositions communes a. Silence après réception d’une offre b. Forme c. Modalités d’exécution ou de vérification d. Représenta- tion Droit international privé. LF 37 291 3 Lorsque le représentant est lié au représenté par un contrat de travail et n’a pas d’établissement commercial propre, son établissement est réputé se trouver au siège du représenté. 4 Le droit désigné à l’al. 2 régit également les rapports entre le repré- sentant sans pouvoir et le tiers. Section 2 Enrichissement illégitime Art. 12771 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont compétents pour connaître des actions pour cause d’enrichissement illégitime. En outre, les tribunaux du lieu de l’établissement en Suisse sont compétents pour connaître des actions relatives à l’activité de l’établissement. Art. 128 1 Les prétentions pour cause d’enrichissement illégitime sont régies par le droit qui régit le rapport juridique, existant ou supposé, en vertu duquel l’enrichissement s’est produit. 2 À défaut d’un tel rapport, ces prétentions sont régies par le droit de l’État dans lequel l’enrichissement s’est produit; les parties peuvent convenir de l’application de la loi du for. Section 3 Actes illicites Art. 12972 1 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont compétents pour connaître des actions fondées sur un acte illicite. Sont en outre compétents les tribunaux suisses du lieu de l’acte ou du résultat et, pour connaître des actions relatives à l’activité de l’établissement en Suisse, les tribunaux du lieu de l’établissement. 2 ... 73 71 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 22 juin 2007, en vigueur depuis le 1er juil. 2008 (RO 2008 2551; FF 2006 1). 72 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 5 de la LF du 22 juin 2007, en vigueur depuis le 1er juil. 2008 (RO 2008 2551; FF 2006 1). 73 Abrogé par l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), avec effet au 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). I. Compétence II. Droit applicable I. Compétence 1. Principe Droit international privé 38 291 Art. 13074 1 La compétence pour connaître des actions relatives à des accidents nucléaires est régie par la Convention du 29 juillet 1960 sur la respon- sabilité civile dans le domaine de l’énergie nucléaire amendée par le protocole additionnel du 28 janvier 1964, par le protocole du 16 no- vembre 1982 et par le protocole du 12 février 2004 (Convention de Paris)75. 2 Si les tribunaux suisses sont compétents aux termes de cette conven- tion, l’action doit être intentée dans le canton sur le territoire duquel l’accident est survenu ou, si le lieu de l’accident se trouve en dehors du territoire des Etats parties à la convention ou ne peut être déterminé avec certitude, dans le canton sur le territoire duquel se trouve l’installation nucléaire de l’exploitant responsable. S’il existe plusieurs fors selon les règles qui précèdent, l’action doit être intentée dans le canton le plus étroitement lié à l’accident et le plus affecté par ses conséquences au sens de l’art. 13, par. (f), ch. (ii), de la Convention de Paris. 3 Les règles de compétence prévues à l’al. 2 s’appliquent par analogie aux actions qui ne relèvent pas de la Convention de Paris. Dans un tel cas, si ni le lieu de l’accident ni l’installation nucléaire ne se situent en Suisse, l’action peut également être intentée dans le canton sur le territoire duquel le dommage est survenu. Si des dommages se sont produits dans différents cantons, le plus affecté par les conséquences de l’accident est compétent. Art. 130a76 Les actions en exécution du droit d’accès dirigées contre le maître du fichier peuvent être intentées devant les tribunaux mentionnés à l’art. 129 ou devant les tribunaux suisses du lieu où le fichier est géré ou utilisé. Art. 131 L’action directe contre l’assureur de la responsabilité civile peut être portée devant les tribunaux suisses, soit du lieu de l’établissement de l’assureur en Suisse, soit du lieu de l’acte ou du résultat. 74 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 3 de la LF du 13 juin 2008 sur la responsabilité civile en matière nucléaire, en vigueur depuis le 1er janv. 2022, publiée le 27 janv. 2022 (RO 2022 43; FF 2007 5125). 75 RS 0.732.44 76 Introduit par l’annexe ch. II 3 de la LF du 13 juin 2008 sur la responsabilité civile en matière nucléaire, en vigueur depuis le 1er janv. 2022, publiée le 27 janv. 2022 (RO 2022 43; FF 2007 5125). 2. En particulier a. Accidents nucléaires b. Droit d’accès à un fichier de données 3. Action directe contre l’assureur Droit international privé. LF 39 291 Art. 132 Les parties peuvent, après l’événement dommageable, convenir à tout moment de l’application du droit du for. Art. 133 1 Lorsque l’auteur et le lésé ont leur résidence habituelle dans le même État, les prétentions fondées sur un acte illicite sont régies par le droit de cet État. 2 Lorsque l’auteur et le lésé n’ont pas de résidence habituelle dans le même État, ces prétentions sont régies par le droit de l’État dans lequel l’acte illicite a été commis. Toutefois, si le résultat s’est produit dans un autre État, le droit de cet État est applicable si l’auteur devait pré- voir que le résultat s’y produirait. 3 Nonobstant les alinéas précédents, lorsqu’un acte illicite viole un rapport juridique existant entre auteur et lésé, les prétentions fondées sur cet acte sont régies par le droit applicable à ce rapport juridique. Art. 134 Les prétentions résultant d’accidents de la circulation routière sont régies par la convention de La Haye du 4 mai 1971 sur la loi applica- ble en matière d’accidents de la circulation routière77. Art. 135 1 Les prétentions fondées sur un défaut ou une description défectueuse d’un produit sont régies au choix du lésé: a. par le droit de l’État dans lequel l’auteur a son établissement ou, à défaut d’établissement, sa résidence habituelle, ou b. par le droit de l’État dans lequel le produit a été acquis, sauf si l’auteur prouve que le produit a été commercialisé dans cet État sans son consentement. 2 Si des prétentions fondées sur un défaut ou une description défec- tueuse d’un produit sont régies par le droit étranger, on ne peut en Suisse accorder d’autres indemnités que celles qui seraient allouées pour un tel dommage en vertu du droit suisse. Art. 136 1 Les prétentions fondées sur un acte de concurrence déloyale sont régies par le droit de l’État sur le marché duquel le résultat s’est pro- duit. 77 RS 0.741.31 II. Droit applicable 1. En général a. Élection de droit b. À défaut d’élection de droit 2. En particulier a. Accidents de la circulation routière b. Responsabilité du fait d’un produit c. Concurrence déloyale Droit international privé 40 291 2 Si l’acte affecte exclusivement les intérêts d’entreprise d’un concur- rent déterminé, le droit applicable sera celui du siège de l’établisse- ment lésé. 3 L’art. 133, al. 3, est réservé. Art. 137 1 Les prétentions fondées sur une entrave à la concurrence sont régies par le droit de l’État sur le marché duquel l’entrave produit directe- ment ses effets sur le lésé. 2 Si des prétentions fondées sur une entrave à la concurrence sont régies par le droit étranger, on ne peut, en Suisse, accorder d’autres indemnités que celles qui seraient allouées pour une entrave à la con- currence en vertu du droit suisse. Art. 138 Les prétentions résultant des immissions dommageables provenant d’un immeuble sont régies, au choix du lésé, par le droit de l’État dans lequel l’immeuble est situé ou par le droit de l’État dans lequel le résultat s’est produit. Art. 138a78 1 Les droits découlant d’un accident nucléaire relèvent du droit suisse. 2 Lorsque l’installation nucléaire de l’exploitant responsable se trouve dans un Etat membre de la Convention de Paris79, le droit de cet Etat détermine: a. si le devoir de réparation des dommages nucléaires imposé à l’exploitant a un champ d’application plus large qu’indiqué à l’art. 2, par. (b), de la convention; b. si et dans quelle mesure un dommage nucléaire fait l’objet d’une indemnité dans les cas visés à l’art. 9 de la convention. 3 L’al. 2 s’applique par analogie à l’exploitant d’une installation nu- cléaire se trouvant dans un Etat non membre de la Convention de Paris si cet Etat prévoit une réglementation au moins équivalente à l’égard de la Suisse. 78 Introduit par l’annexe ch. II 3 de la LF du 13 juin 2008 sur la responsabilité civile en matière nucléaire, en vigueur depuis le 1er janv. 2022, publiée le 27 janv. 2022 (RO 2022 43; FF 2007 5125). 79 RS 0.732.44 d. Entrave à la concurrence e. Immissions ebis. Accidents nucléaires Droit international privé. LF 41 291 Art. 139 1 Les prétentions fondées sur une atteinte à la personnalité par les médias, notamment par la voie de la presse, de la radio, de la télévision ou de tout autre moyen public d’information, sont régies, au choix du lésé: a. par le droit de l’État dans lequel le lésé a sa résidence habi- tuelle, pour autant que l’auteur du dommage ait dû s’attendre à ce que le résultat se produise dans cet État; b. par le droit de l’État dans lequel l’auteur de l’atteinte a son éta- blissement ou sa résidence habituelle, ou c. par le droit de l’État dans lequel le résultat de l’atteinte se pro- duit, pour autant que l’auteur du dommage ait dû s’attendre à ce que le résultat se produise dans cet État. 2 Le droit de réponse à l’encontre de médias à caractère périodique est exclusivement régi par le droit de l’État dans lequel la publication a paru ou l’émission a été diffusée. 3 L’al. 1 s’applique également aux atteintes à la personnalité résultant du traitement de données personnelles ainsi qu’aux entraves mises à l’exercice du droit d’accès aux données personnelles.80 Art. 140 Si plusieurs personnes ont participé à un acte illicite, le droit applica- ble sera déterminé séparément pour chacune d’elles, quel qu’ait été leur rôle. Art. 141 Le lésé peut diriger l’action directement contre l’assureur du respon- sable si le droit applicable à l’acte illicite ou le droit applicable au contrat d’assurance le prévoit. Art. 142 1 Le droit applicable à l’acte illicite détermine notamment la capacité délictuelle, les conditions et l’étendue de la responsabilité, ainsi que la personne du responsable. 2 Les règles de sécurité et de comportement en vigueur au lieu de l’acte sont prises en considération. 80 Introduit par l’annexe ch. 3 de la LF du 19 juin 1992 sur la protection des données, en vigueur depuis le 1er juil. 1993 (RO 1993 1945; FF 1988 II 421). f. Atteinte à la personnalité 3. Règles spéciales a. Pluralité d’auteurs b. Action directe contre l’assureur 4. Domaine du droit applicable Droit international privé 42 291 Section 4 Dispositions communes Art. 143 Lorsque le créancier peut faire valoir sa créance contre plusieurs débi- teurs, les conséquences juridiques se déterminent en vertu du droit qui régit les rapports entre le créancier et le débiteur recherché. Art. 144 1 Un débiteur n’a un droit de recours contre un codébiteur, directement ou par subrogation, que dans la mesure où les droits régissant les deux dettes l’admettent. 2 L’exercice du recours contre un codébiteur est régi par le droit appli- cable à la dette de ce codébiteur envers le créancier. Les questions qui concernent exclusivement les rapports entre le créancier et le débiteur recourant sont régies par le droit applicable à la dette de ce dernier. 3 La faculté pour une institution chargée d’une tâche publique d’exer- cer un recours est déterminée par le droit applicable à cette institution. L’admissibilité et l’exercice du recours sont régis par les deux alinéas précédents. Art. 145 1 La cession contractuelle de créances est régie par le droit choisi par les parties ou, à défaut de choix, par le droit applicable à la créance cédée; le choix fait par le cédant et le cessionnaire n’est pas opposable au débiteur sans son approbation. 2 L’élection de droit relative à la cession d’une créance d’un travailleur n’est valable que dans la mesure où l’art. 121, al. 3, relatif au contrat de travail, l’admet. 3 La forme de la cession est exclusivement régie par le droit applicable au contrat de cession. 4 Les questions concernant exclusivement les relations entre cédant et cessionnaire sont régies par le droit applicable au rapport juridique à la base de la cession. Art. 145a81 1 Le droit désigné dans un titre revêtant la forme d’un papier ou une forme équivalente détermine si ce titre représente une créance et si le transfert de la créance se fait par l’intermédiaire de ce titre. À défaut 81 Introduit par le ch. I 3 de la LF du 25 sept. 2020 sur l’adaptation du droit fédéral aux développements de la technologie des registres électroniques distribués, en vigueur depuis le 1er fév. 2021 (RO 2021 33; FF 2020 223). I. Pluralité de débiteurs 1. Prétentions contre plusieurs débiteurs 2. Recours entre codébiteurs II. Transfert de créances 1. Cession contractuelle 1a. Transfert d’une créance par l’intermédiai re d’un titre Droit international privé. LF 43 291 d’une telle désignation, la question est régie par le droit de l’État dans lequel l’émetteur a son siège ou, faute de siège, sa résidence habituelle. 2 En ce qui concerne les droits réels relatifs à un titre physique, les dispositions du chapitre 7 sont réservées. Art. 146 1 La cession légale de créances est régie par le droit qui règle le rapport originaire entre l’ancien et le nouveau créancier et, en l’absence d’un tel rapport, par le droit qui régit la créance. 2 Les dispositions du droit régissant la créance qui sont destinées à protéger le débiteur sont réservées. Art. 147 1 La monnaie est définie par le droit de l’État d’émission. 2 Les effets qu’une monnaie exerce sur l’ampleur d’une dette sont déterminés par le droit applicable à la dette. 3 Le droit de l’État dans lequel le paiement doit être effectué détermine dans quelle monnaie ce paiement doit être fait. Art. 148 1 Le droit applicable à la créance en régit la prescription et l’extinction. 2 En cas d’extinction par compensation, le droit applicable est celui qui régit la créance à laquelle la compensation est opposée. 3 La novation, la remise de dette et le contrat de compensation sont régis par les dispositions de la présente loi relatives au droit applicable en matière de contrats (art. 116 ss). Section 5 Décisions étrangères Art. 149 1 Les décisions étrangères relatives à une créance relevant du droit des obligations seront reconnues en Suisse: a. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État du domicile du défen- deur, ou b. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État de la résidence habi- tuelle du défendeur, pour autant que les créances se rapportent à une activité exercée dans cet État. 2. Cession légale III. Monnaie IV. Prescription et extinction des créances Droit international privé 44 291 2 Elles sont en outre reconnues: a.82 lorsque la décision porte sur une obligation contractuelle, qu’elle a été rendue dans l’État de l’exécution de la prestation caractéristique et que le défendeur n’était pas domicilié en Suisse; b. lorsque la décision porte sur une prétention relative à un con- trat conclu avec un consommateur, qu’elle a été rendue au do- micile ou à la résidence habituelle du consommateur et que les conditions prévues à l’art. 120, al. 1, sont remplies; c. lorsque la décision porte sur une prétention relevant d’un con- trat de travail et qu’elle a été rendue, soit au lieu de l’exploita- tion, soit au lieu de travail, et que le travailleur n’était pas do- micilié en Suisse; d. lorsque la décision porte sur une prétention résultant de l’ex- ploitation d’un établissement et qu’elle a été rendue au siège de l’établissement; e. lorsque la décision porte sur un enrichissement illégitime, qu’elle a été rendue au lieu de l’acte ou au lieu du résultat et que le défendeur n’était pas domicilié en Suisse, ou f.83 lorsque la décision porte sur une obligation délictuelle, qu’elle a été rendue au lieu de l’acte ou au lieu du résultat ou, en cas d’accident nucléaire, au lieu de situation de l’installation nu- cléaire de l’exploitant responsable et que le défendeur n’était pas domicilié en Suisse. Chapitre 9a84 Trusts Art. 149a On entend par trusts les trusts constitués par acte juridique au sens de la Convention de La Haye du 1er juillet 1985 relative à la loi applicable au trust et à sa reconnaissance85, indépendamment du fait que la preuve de ces trusts est apportée ou non par écrit au sens de l’art. 3 de ladite convention. 82 Nouvelle teneur selon l’art. 3 ch. 3 de l’AF du 11 déc. 2009 (Approbation et mise en oeuvre de la Conv. de Lugano), en vigueur depuis le 1er janv. 2011 (RO 2010 5601; FF 2009 1497). 83 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. II 3 de la LF du 13 juin 2008 sur la responsabilité civile en matière nucléaire, en vigueur depuis le 1er janv. 2022, publiée le 27 janv. 2022 (RO 2022 43; FF 2007 5125). 84 Introduit par l’art. 2 de l’AF du 20 déc. 2006 portant approbation et mise en oeuvre de la Conv. de la Haye relative à la loi applicable au trust et à sa reconnaissance, en vigueur depuis le 1er juil. 2007 (RO 2007 2849; FF 2006 561). 85 RS 0.221.371 I. Définition Droit international privé. LF 45 291 Art. 149b 1 Dans les affaires relevant du droit des trusts, l’élection de for selon les termes du trust est déterminante. L’élection de for ou l’autorisation d’élire le for prévue dans les termes du trust ne doit être observée que si elle a eu lieu par écrit ou sous une autre forme qui permet d’en établir la preuve par un texte. Sauf stipulation contraire, l’élection de for est exclusive. L’art. 5, al. 2, s’applique par analogie. 2 Le tribunal élu ne peut décliner sa compétence: a. si l’une des parties, le trust ou un trustee est domicilié, a sa ré- sidence habituelle ou un établissement dans le canton où ce tribunal siège, ou b. si une grande partie du patrimoine du trust se trouve en Suisse. 3 À défaut d’une élection de for valable ou lorsque l’élection de for n’est pas exclusive, un des tribunaux suisses suivants est compétent: a. le tribunal du domicile ou, à défaut de domicile, celui de la ré- sidence habituelle de la partie défenderesse; b. le tribunal du siège du trust; c. pour les actions découlant de l’exploitation d’un établissement en Suisse, le tribunal du lieu de cet établissement. 4 En cas de litige portant sur la responsabilité suite à l’émission pu- blique de titres de participation et d’emprunts, une action peut en outre être intentée devant les tribunaux suisses du lieu d’émission. Cette compétence ne peut être exclue par une élection de for. Art. 149c 1 Le droit applicable aux trusts est régi par la Convention de La Haye du 1er juillet 1985 relative à la loi applicable au trust et à sa recon- naissance86. 2 Le droit désigné par ladite convention est également déterminant dans les cas où, conformément à son art. 5, elle n’est pas applicable, et où, conformément à son art. 13, l’État n’est pas tenu de reconnaître un trust. Art. 149d 1 Lorsque les biens d’un trust sont inscrits au nom d’un trustee dans le registre foncier, le registre des bateaux ou le registre des aéronefs, le lien avec un trust peut faire l’objet d’une mention. 86 RS 0.221.371 II. Compétence III. Droit applicable IV. Dispositions spéciales concernant la publicité Droit international privé 46 291 2 Le lien avec un trust portant sur des droits de propriété intellectuelle enregistrés en Suisse est, sur demande, inscrit dans le registre perti- nent. 3 Le lien avec un trust qui n’a pas fait l’objet d’une mention ou qui n’a pas été inscrit n’est pas opposable aux tiers de bonne foi. Art. 149e 1 Les décisions étrangères dans des affaires relevant du droit des trusts sont reconnues en Suisse lorsque: a. elles ont été rendues par un tribunal valablement désigné selon l’art. 149b, al. 1; b. elles ont été rendues dans l’État du domicile, de la résidence habituelle ou de l’établissement de la partie défenderesse; c. elles ont été rendues dans l’État du siège du trust; d. elles ont été rendues dans l’État dont le droit régit le trust, ou e. elles sont reconnues dans l’État du siège du trust et la partie défenderesse n’était pas domiciliée en Suisse. 2 L’art. 165, al. 2, est applicable par analogie aux décisions étrangères relatives aux prétentions liées à l’émission publique de titres de parti- cipation et d’emprunts au moyen de prospectus, circulaires ou autres publications analogues. Chapitre 10 Sociétés Art. 150 1 Au sens de la présente loi, on entend par société toute société de per- sonne organisée et tout patrimoine organisé. 2 Les sociétés simples qui ne se sont pas dotées d’une organisation sont régies par les dispositions de la présente loi relatives au droit applicable en matière de contrats (art. 116 ss). Art. 151 1 Lors de différends relevant du droit des sociétés, les tribunaux suis- ses du siège de la société sont compétents pour connaître des actions contre la société, les sociétaires ou les personnes responsables en vertu du droit des sociétés. 2 Les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur sont également compétents pour connaître des actions contre un sociétaire ou une autre personne res- ponsable en vertu du droit des sociétés. V. Décisions étrangères I. Notions II. Compétence 1. Principe Droit international privé. LF 47 291 3 Nonobstant une élection de for, les tribunaux suisses du lieu d’émis- sion publique sont en outre compétents lorsque l’action en responsa- bilité est intentée pour cause d’émission de titres de participation et d’emprunts. 4 ...87 Art. 152 Sont compétents pour connaître des actions dirigées contre une per- sonne responsable en vertu de l’art. 159 ou contre la société étrangère pour laquelle cette personne agit: a. les tribunaux suisses du domicile ou, à défaut de domicile, ceux de la résidence habituelle du défendeur, ou b. les tribunaux suisses du lieu où la société est administrée en fait. Art. 153 Les mesures destinées à protéger les biens sis en Suisse de sociétés qui ont leur siège à l’étranger ressortissent aux autorités judiciaires ou administratives suisses du lieu de situation des biens à protéger. Art. 154 1 Les sociétés sont régies par le droit de l’État en vertu duquel elles sont organisées si elles répondent aux conditions de publicité ou d’en- registrement prescrites par ce droit ou, dans le cas où ces prescriptions n’existent pas, si elles se sont organisées selon le droit de cet État. 2 La société qui ne remplit pas ces conditions est régie par le droit de l’État dans lequel elle est administrée en fait. Art. 155 Sous réserve des art. 156 à 161, le droit applicable à la société régit notamment: a. la nature juridique de la société; b. la constitution et la dissolution; c. la jouissance et l’exercice des droits civils; d. le nom ou la raison sociale; e. l’organisation; 87 Introduit par le ch. II 18 de l’annexe 1 au CPC du 19 déc. 2008 (RO 2010 1739; FF 2006 6841). Abrogé par le ch. II 2 de la LF du 28 sept. 2012, avec effet au 1er mai 2013 (RO 2013 1103; FF 2011 6329). 2. Responsabilité pour une société étrangère 3. Mesures de protection III. Droit applicable 1. Principe 2. Domaine du droit applicable Droit international privé 48 291 f. les rapports internes, en particulier les rapports entre la société et ses membres; g. la responsabilité pour violation des prescriptions du droit des sociétés; h. la responsabilité pour les dettes de la société; i. le pouvoir de représentation des personnes agissant pour la so- ciété, conformément à son organisation. Art. 156 Les prétentions qui dérivent de l’émission de titres de participation et d’emprunts au moyen de prospectus, circulaires ou autres publications analogues, sont régies soit par le droit applicable à la société, soit par le droit de l’État d’émission. Art. 157 1 La protection du nom et de la raison sociale des sociétés inscrites au registre suisse du commerce contre les atteintes portées en Suisse est régie par le droit suisse. 2 À défaut d’inscription au registre suisse du commerce, la protection du nom et de la raison sociale est régie par le droit applicable à la con- currence déloyale (art. 136) ou aux atteintes à la personnalité (art. 132, 133 et 139). Art. 158 La société ne peut pas invoquer des restrictions du pouvoir de repré- sentation d’un organe ou d’un représentant qui sont inconnues du droit de l’État de l’établissement ou de la résidence habituelle de l’autre par- tie, à moins que celle-ci n’ait connu ou dû connaître ces restrictions. Art. 159 Lorsque les activités d’une société créée en vertu du droit étranger sont exercées en Suisse ou à partir de la Suisse, la responsabilité des per- sonnes qui agissent au nom de cette société est régie par le droit suisse. Art. 160 1 Une société qui a son siège à l’étranger peut avoir une succursale en Suisse. Cette succursale est régie par le droit suisse. 2 Le droit suisse régit la représentation d’une telle succursale. L’une au moins des personnes autorisées à représenter ces succursales doit être domiciliée en Suisse et être inscrite au registre du commerce. IV. Rattache- ments spéciaux 1. Prétentions découlant de l’émission publique de titres de participation et d’emprunts 2. Protection du nom et de la raison sociale 3. Restriction des pouvoirs de représentation 4. Responsabilité pour une société étrangère V. Succursales en Suisse de sociétés étran- gères Droit international privé. LF 49 291 3 Le Conseil fédéral fixe les modalités concernant l’inscription obliga- toire au registre du commerce. Art. 161 1 Si le droit étranger qui la régit le permet, une société étrangère peut, sans procéder à une liquidation ni à une nouvelle fondation, se sou- mettre au droit suisse. Elle doit satisfaire aux conditions fixées par le droit étranger et pouvoir s’adapter à l’une des formes d’organisation du droit suisse. 2 Le Conseil fédéral peut autoriser le changement de statut juridique même si les conditions fixées par le droit étranger ne sont pas réunies, notamment si des intérêts suisses importants sont en jeu. Art. 162 1 Une société tenue, en vertu du droit suisse, de se faire inscrire au registre du commerce est régie par le droit suisse dès qu’elle a apporté la preuve que son centre d’affaires a été transféré en Suisse et qu’elle s’est adaptée à l’une des formes d’organisation du droit suisse. 2 Une société qui, en vertu du droit suisse, n’est pas tenue de se faire inscrire au registre du commerce est régie par le droit suisse dès qu’ap- paraît clairement sa volonté d’être régie par celui-ci, qu’elle a un lien suffisant avec la Suisse et qu’elle s’est adaptée à l’une des formes d’organisation du droit suisse. 3 Avant de s’inscrire, une société de capitaux est tenue de prouver, en produisant un rapport délivré par un expert-réviseur agréé au sens de la loi du 16 décembre 2005 sur la surveillance de la révision90, que son capital est couvert conformément au droit suisse.91 Art. 16392 1 Une société suisse peut, sans procéder à une liquidation ni à une nouvelle fondation, se soumettre au droit étranger si elle satisfait aux conditions fixées par le droit suisse et si elle continue d’exister en vertu du droit étranger. 88 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 89 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 90 RS 221.302 91 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 16 déc. 2005 (Droit de la société à responsabilité limitée; adaptation des droits de la société anonyme, de la société coopérative, du registre du commerce et des raisons de commerce), en vigueur depuis le 1er janv. 2008 (RO 2007 4791; FF 2002 2949, 2004 3745). 92 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). VI. Transfert, fusion, scission et transfert de patrimoine 1. Transfert d’une société de l’étranger en Suisse a. Principe88 b. Moment déterminant89 2. Transfert d’une société de la Suisse à l’étranger Droit international privé 50 291 2 Les créanciers doivent être sommés de produire leurs créances par un appel public les informant du changement projeté de statut juridique. L’art. 46 de la loi du 3 octobre 2003 sur la fusion93 s’applique par analogie. 3 Sont réservées les dispositions relatives aux mesures conservatoires en cas de conflits internationaux au sens de l’art. 61 de la loi fédérale du 8 octobre 1982 sur l’approvisionnement du pays94. Art. 163a95 1 Une société suisse peut reprendre une société étrangère (absorption par immigration) ou s’unir à elle pour fonder une nouvelle société suisse (combinaison par immigration) si le droit applicable à la société étrangère l’autorise et si les conditions fixées par ce droit sont réunies. 2 Pour le reste, la fusion est régie par le droit suisse. Art. 163b96 1 Une société étrangère peut reprendre une société suisse (absorption par émigration) ou s’unir à elle pour fonder une nouvelle société étrangère (combinaison par émigration) si la société suisse prouve: a. que l’ensemble de ses actifs et passifs seront transférés à la so- ciété étrangère; b. que les parts sociales ou les droits de sociétariat seront mainte- nus de manière adéquate au sein de la société étrangère. 2 La société suisse doit respecter toutes les dispositions du droit suisse applicables à la société transférante. 3 Les créanciers sont sommés de produire leurs créances par un appel public en Suisse les informant de la fusion projetée. L’art. 46 de la loi du 3 octobre 2003 sur la fusion97 s’applique par analogie. 4 Pour le reste, la fusion est régie par le droit applicable à la société étrangère reprenante. 93 RS 221.301 94 [RO 1983 931, 1992 288 annexe ch. 24, 1995 1018 1794, 1996 3371 annexe 2 ch. 1, 2001 1439, 2006 2197 annexe ch. 48, 2010 1881 annexe 1 ch. II 18, 2012 3655 ch. I 15. RO 2017 3097 annexe 2 ch. I]. Voir actuellement la Loi du 17 juin 2016 (RS 531). 95 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 96 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 97 RS 221.301 3. Fusion a. Fusion de l’étranger vers la Suisse b. Fusion de la Suisse vers l’étranger Droit international privé. LF 51 291 Art. 163c98 1 Le contrat de fusion doit respecter les dispositions impératives des droits des sociétés applicables aux sociétés qui fusionnent, y compris les règles de forme. 2 Pour le reste, le contrat de fusion est régi par le droit choisi par les parties. À défaut d’élection de droit, le contrat de fusion est régi par le droit de l’État avec lequel il présente les liens les plus étroits. Ces liens sont présumés exister avec l’État dont l’ordre juridique régit la société reprenante. Art. 163d99 1 Les dispositions de la présente loi concernant la fusion s’appliquent par analogie à la scission et au transfert de patrimoine auxquels sont parties une société suisse et une société étrangère. L’art. 163b, al. 3, ne s’applique pas au transfert de patrimoine. 2 Pour le reste, la scission et le transfert de patrimoine sont régis par le droit applicable à la société qui se scinde ou qui transfère son patri- moine à un autre sujet. 3 Le droit applicable à la société qui se scinde est présumé s’appliquer au contrat de scission si les conditions fixées à l’art. 163c, al. 2, sont réunies. Ces règles valent par analogie pour le contrat de transfert. Art. 164100 1 Une société inscrite au registre du commerce en Suisse ne peut être radiée que si le rapport d’un expert-réviseur agréé atteste que les créanciers ont obtenu des sûretés ou ont été désintéressés conformé- ment à l’art. 46 de la loi du 3 octobre 2003 sur la fusion101 ou encore qu’ils consentent à la radiation.102 2 Lorsqu’une société étrangère reprend une société suisse, qu’elle s’unit à elle pour fonder une nouvelle société étrangère ou qu’une société suisse se scinde au profit de sociétés étrangères, il convient en outre: 98 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 99 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 100 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 101 RS 221.301 102 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 16 déc. 2005 (Droit de la société à responsabilité limitée; adaptation des droits de la société anonyme, de la société coopérative, du registre du commerce et des raisons de commerce), en vigueur depuis le 1er janv. 2008 (RO 2007 4791; FF 2002 2949, 2004 3745). c. Contrat de fusion 4. Scission et transfert de patrimoine 5. Dispositions communes a. Radiation du registre du commerce Droit international privé 52 291 a. de prouver que la fusion ou la scission est devenue juridique- ment valable en vertu du droit applicable à la société étrangère; b.103 qu’un expert-réviseur agréé atteste que la société étrangère a attribué aux associés de la société suisse les parts sociales ou les droits de sociétariat auxquels ils ont droit, ou qu’elle a ver- sé ou garanti une éventuelle soulte ou un éventuel dédomma- gement. Art. 164a104 1 Lorsqu’une société étrangère reprend une société suisse, qu’elle s’unit à elle pour fonder une nouvelle société étrangère ou qu’une société suisse se scinde au profit de sociétés étrangères, l’action de- mandant l’examen des parts sociales ou des droits de sociétariat con- formément à l’art. 105 de la loi du 3 octobre 2003 sur la fusion105 peut également être introduite au siège suisse du sujet transférant. 2 Le lieu de la poursuite et le for en Suisse subsistent aussi longtemps que les créanciers ou les titulaires de parts n’ont pas été désintéressés ou que leurs créances n’ont pas été garanties. Art. 164b106 La soumission d’une société étrangère à un autre ordre juridique étran- ger ainsi que la fusion, la scission et le transfert de patrimoine entre sociétés étrangères sont reconnues comme valables en Suisse si elles sont valables en vertu des ordres juridiques concernés. Art. 165 1 Les décisions étrangères relatives à une prétention relevant du droit des sociétés sont reconnues en Suisse: a. lorsqu’elles ont été rendues ou qu’elles sont reconnues dans l’État du siège de la société et que le défendeur n’était pas do- micilié en Suisse, ou b. lorsqu’elles ont été rendues dans l’État du domicile ou de la résidence habituelle du défendeur. 103 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 16 déc. 2005 (Droit de la société à responsabilité limitée; adaptation des droits de la société anonyme, de la société coopérative, du registre du commerce et des raisons de commerce), en vigueur depuis le 1er janv. 2008 (RO 2007 4791; FF 2002 2949, 2004 3745). 104 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 105 RS 221.301 106 Introduit par l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). 107 Nouvelle teneur selon l’annexe ch. 4 de la LF du 3 oct. 2003 sur la fusion, en vigueur depuis le 1er juil. 2004 (RO 2004 2617; FF 2000 3995). b. Lieu de la poursuite et for c. Transfert, fusion, scission et transfert de patrimoine à l’étranger VII. Décisions étrangères107 Droit international privé. LF 53 291 2 Les décisions étrangères relatives aux prétentions liées à l’émission publique de titres de participation et d’emprunts au moyen de prospec- tus, circulaires ou autres publications analogues sont reconnues en Suisse, lorsqu’elles ont été rendues dans l’État dans lequel l’émission publique de titres de participation ou d’emprunts a été faite et que le défendeur n’était pas domicilié en Suisse. Chapitre 11 Faillite et concordat Art. 166108 1 Une décision de faillite étrangère est reconnue en Suisse à la requête de l’administration de la faillite étrangère, du débiteur ou d’un créancier: a. si la décision est exécutoire dans l’État où elle a été rendue; b. s’il n’y a pas de motif de refus au sens de l’art. 27, et c. si la décision a été rendue: 1. dans l’État du domicile du débiteur, ou 2. dans l’État où est situé le centre des intérêts principaux du débiteur, si celui-ci n’était pas domicilié en Suisse au mo- ment de l’ouverture de la procédure étrangère. 2 Si le débiteur a une succursale en Suisse, la procédure prévue à l’art. 50, al. 1, de la loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP)109 est admissible jusqu’à la publication de la décision de reconnaissance au sens de l’art. 169 de la présente loi. 3 Si une procédure au sens de l’art. 50, al. 1, LP est déjà ouverte et que le délai prévu à l’art. 250 LP n’est pas écoulé, la procédure est suspen- due après la reconnaissance de la décision de faillite étrangère. Les créances qui ont déjà été produites sont admises à l’état de collocation de la procédure de faillite ancillaire conformément à l’art. 172. Les frais de procédure sont reportés sur la procédure de faillite ancillaire. Art. 167 1 Si le débiteur a en Suisse une succursale inscrite au registre du com- merce, la requête en reconnaissance de la décision de faillite rendue à l’étranger est portée devant le tribunal du lieu où la succursale a son siège. Dans tous les autres cas, la requête est portée devant le tribunal du lieu de situation des biens en Suisse. L’art. 29 est applicable par analogie.110 108 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 109 RS 281.1 110 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). I. Reconnais- sance II. Procédure 1. Compétence Droit international privé 54 291 2 Si le débiteur a plusieurs succursales ou des biens dans plusieurs lieux, le tribunal saisi le premier est seul compétent.111 3 Les créances du débiteur failli sont réputées sises au domicile du débiteur du failli. Art. 168 Dès le dépôt de la requête en reconnaissance de la décision de faillite rendue à l’étranger, le tribunal peut, à la demande de la partie requé- rante, ordonner les mesures conservatoires prévues aux art. 162 à 165 et 170 LP112. Art. 169 1 La décision reconnaissant la faillite prononcée à l’étranger est pu- bliée. 2 Cette décision est communiquée à l’office des poursuites et des fail- lites, au conservateur du registre foncier, au préposé au registre du commerce du lieu de situation des biens et, le cas échéant, à l’Institut fédéral de la Propriété intellectuelle113. Il en va de même de la clôture et de la suspension de la procédure de faillite ancillaire, de la révoca- tion de la faillite ainsi que de la renonciation à la procédure de faillite ancillaire.114 Art. 170 1 Pour le patrimoine du débiteur sis en Suisse, la reconnaissance de la décision de faillite rendue à l’étranger a, sauf dispositions contraires de la présente loi, les effets de la faillite tels que les prévoit le droit suisse. 2 Les délais fixés par le droit suisse commencent à courir dès la publi- cation de la décision de la reconnaissance. 3 Il est procédé à la liquidation sommaire de la faillite, à moins que l’administration de la faillite étrangère ou un créancier au sens de l’art. 172, al. 1, ne demande à l’office des faillites, avant la distribution des deniers et en fournissant une sûreté suffisante pour les frais qui ne seront probablement pas couverts, que la liquidation ait lieu en la forme ordinaire.115 111 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 112 RS 281.1. Nouvelle expression selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). Il a été tenu compte de cette mod. dans tout le texte. 113 Nouvelle dénomination selon l’ACF du 19 déc. 1997 (non publié). 114 Nouvelle teneur de la phrase selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 115 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 2. Mesures conservatoires 3. Publication III. Effets juridiques 1. En général Droit international privé. LF 55 291 Art. 171 1 L’action révocatoire est régie par les art. 285 à 292 LP116. Elle peut également être intentée par l’administration de la faillite étrangère ou par l’un des créanciers qui en ont le droit. 2 L’ouverture de la faillite à l’étranger est déterminante pour le calcul des délais visés aux art. 285 à 288a et 292 LP.117 Art. 172 1 Seules sont admises à l’état de collocation: a. les créances garanties par gage désignées à l’art. 219 LP118; b. les créances non garanties par gage de créanciers privilégiés ayant leur domicile en Suisse, et c. les créances liées à une succursale du débiteur inscrite au re- gistre du commerce.119 2 Seuls les créanciers au sens de l’al. 1 et l’administration de la faillite étrangère peuvent intenter une action en contestation de l’état de collocation au sens de l’art. 250 LP.120 3 Lorsqu’un créancier a déjà été partiellement désintéressé dans une procédure étrangère liée à la faillite, le montant qu’il a obtenu est imputé, après déduction des frais encourus, sur le dividende qui lui revient dans la procédure suisse. Art. 173 1 Après distribution des deniers au sens de l’art. 172, al. 1, un solde éventuel est remis à la masse en faillite étrangère ou à ceux des créan- ciers qui y ont droit. 2 Ce solde ne peut être remis qu’après reconnaissance de l’état de col- location étranger. 3 Le tribunal suisse compétent pour la reconnaissance de la décision de faillite étrangère l’est aussi pour la reconnaissance de l’état de colloca- tion étranger. Il examine notamment si les créanciers domiciliés en Suisse ont été admis équitablement à l’état de collocation étranger. Les créanciers concernés sont entendus. 116 RS 281.1 117 Introduit par le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 118 RS 281.1 119 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 120 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 2. Action révocatoire 3. Collocation 4. Distribution a. Reconnais- sance de l’état de collocation étranger Droit international privé 56 291 Art. 174 1 Lorsque l’état de collocation étranger ne peut pas être reconnu, le solde est réparti entre les créanciers de la troisième classe121, selon l’art. 219, al. 4, LP122, s’ils sont domiciliés en Suisse. 2 Il en va de même lorsque l’état de collocation n’est pas déposé aux fins de reconnaissance dans le délai fixé par le juge. Art. 174a123 1 À la demande de l’administration de la faillite étrangère, il est pos- sible de renoncer à la procédure de faillite ancillaire si aucune créance au sens de l’art. 172, al. 1, n’a été produite. 2 Si des créanciers domiciliés en Suisse produisent des créances autres que celles désignées à l’art. 172, al. 1, le tribunal peut renoncer à la procédure de faillite ancillaire à condition que la procédure étrangère prenne dûment en compte leurs créances. Les créanciers concernés sont entendus. 3 Le tribunal peut assortir la renonciation de conditions et de charges. 4 Si le tribunal a renoncé à la procédure de faillite ancillaire, l’admi- nistration de la faillite étrangère peut, dans les limites du droit suisse, exercer l’ensemble des pouvoirs que lui confère le droit de l’État où la faillite est ouverte; elle peut notamment transférer les biens à l’étran- ger et intenter des procès. Ces pouvoirs n’incluent pas l’accomplisse- ment d’actes de souveraineté, l’emploi de moyens de contrainte, ni le règlement de litiges. Art. 174b124 Dans les procédures présentant un lien de connexité, les autorités et les organes impliqués peuvent coordonner leurs actions entre eux et avec les autorités et les organes étrangers. 121 Nouvelle classe selon l’annexe ch. 22 de la LF du 16 déc. 1994, en vigueur depuis le 1er janv. 1997 (RO 1995 1227; FF 1991 III 1). 122 RS 281.1 123 Introduit par le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 124 Introduit par le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). b. Non- reconnaissance de l’état de collocation étranger 5. Renonciation à la procédure de faillite ancillaire IIIbis. Coordina- tion Droit international privé. LF 57 291 Art. 174c125 Les décisions étrangères étroitement liées à une décision de faillite reconnue en Suisse qui concernent des actions révocatoires et d’autres actes préjudiciables aux créanciers sont reconnues en vertu des art. 25 à 27 si elles ont été rendues ou reconnues dans l’État dont émane la décision de faillite et que le défendeur n’avait pas son domicile en Suisse. Art. 175 Un concordat ou une procédure analogue homologué par une juridic- tion étrangère est reconnu en Suisse. Les art. 166 à 170 et 174a à 174c sont applicables par analogie.126 Les créanciers domiciliés en Suisse sont entendus. Chapitre 12 Arbitrage international Art. 176 1 Les dispositions du présent chapitre s’appliquent à tout arbitrage si le siège du tribunal arbitral se trouve en Suisse et si au moins l’une des parties à la convention d’arbitrage n’avait, au moment de la conclusion de celle-ci, ni son domicile, ni sa résidence habituelle, ni son siège en Suisse.127 2 Les parties peuvent, par une déclaration dans la convention d’arbi- trage ou dans une convention ultérieure, exclure l’application du présent chapitre et convenir de l’application de la troisième partie du CPC128. La déclaration doit satisfaire aux conditions de forme de l’art. 178, al. 1.129 3 Les parties en cause ou l’institution d’arbitrage désignée par elles ou, à défaut, les arbitres déterminent le siège du tribunal arbitral. Art. 177 1 Toute cause de nature patrimoniale peut faire l’objet d’un arbitrage. 2 Si une partie à la convention d’arbitrage est un État, une entreprise dominée ou une organisation contrôlée par lui, cette partie ne peut 125 Introduit par le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 126 Nouvelle teneur de la phrase selon le ch. I de la LF du 16 mars 2018, en vigueur depuis le 1er janv. 2019 (RO 2018 3263; FF 2017 3863). 127 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 128 RS 272 129 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). IIIter. Reconnais- sance de déci- sions étrangères concernant des actions révoca- toires et d’autres décisions similaires IV. Concordat et procédure analogue. Reconnaissance I. Champ d’application; siège du tribunal arbitral II. Arbitrabilité Droit international privé 58 291 invoquer son propre droit pour contester l’arbitrabilité d’un litige ou sa capacité d’être partie à un arbitrage. Art. 178 1 La convention d’arbitrage est valable si elle est passée en la forme écrite ou par tout autre moyen permettant d’en établir la preuve par un texte.131 2 Quant au fond, elle est valable si elle répond aux conditions que pose soit le droit choisi par les parties, soit le droit régissant l’objet du litige et notamment le droit applicable au contrat principal, soit encore le droit suisse. 3 La validité d’une convention d’arbitrage ne peut pas être contestée pour le motif que le contrat principal ne serait pas valable ou que la convention d’arbitrage concernerait un litige non encore né. 4 Les dispositions du présent chapitre s’appliquent par analogie à une clause d’arbitrage prévue dans un acte juridique unilatéral ou des statuts.132 Art. 179133 1 Les arbitres sont nommés ou remplacés conformément à la conven- tion des parties. Sauf convention contraire, les arbitres sont au nombre de trois, dont deux sont désignés par chacune des parties et le troi- sième est choisi à l’unanimité par les deux premiers en qualité de président. 2 À défaut de convention ou si, pour d’autres raisons, les arbitres ne peuvent être nommés ou remplacés, le juge du siège du tribunal arbi- tral peut être saisi. Si les parties n’ont pas déterminé de siège ou si elles ont seulement convenu que le siège du tribunal arbitral est en Suisse, le premier juge saisi est compétent. 3 Lorsqu’un juge est appelé à nommer ou à remplacer un arbitre, il donne suite à la demande qui lui est adressée, à moins qu’un examen sommaire ne démontre qu’il n’existe entre les parties aucune conven- tion d’arbitrage. 4 À la demande d’une partie, le juge prend les mesures nécessaires à la constitution du tribunal arbitral si les parties ou les arbitres ne s’acquit- 130 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 131 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 132 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 133 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). III. Convention et clause d’arbitrage130 IV. Arbitres 1. Nomination et remplacement Droit international privé. LF 59 291 tent pas de leurs obligations dans les 30 jours à compter de celui où ils ont été appelés à le faire. 5 Le juge peut nommer tous les arbitres en cas d’arbitrage multipartite. 6 Toute personne à laquelle est proposé un mandat d’arbitre doit révé- ler sans retard l’existence des faits qui pourraient éveiller des doutes légitimes sur son indépendance ou son impartialité. Cette obligation perdure jusqu’à la clôture de la procédure arbitrale. Art. 180 1 Un arbitre peut être récusé: a. lorsqu’il ne répond pas aux qualifications convenues par les parties; b.135 lorsqu’existe un motif de récusation prévu par le règlement d’arbitrage adopté par les parties, ou c.136 lorsque les circonstances permettent de douter légitimement de son indépendance ou de son impartialité. 2 Une partie ne peut récuser un arbitre qu’elle a nommé ou qu’elle a contribué à nommer que pour un motif dont, bien qu’ayant fait preuve de la diligence requise, elle n’a pas eu connaissance avant cette nomi- nation.137 3 ...138 Art. 180a139 1 Si aucune procédure n’a été convenue et que la procédure arbitrale n’est pas encore terminée, la demande de récusation, écrite et motivée, doit être adressée à l’arbitre dont la récusation est demandée dans les 30 jours qui suivent celui où la partie requérante a pris connaissance du motif de récusation ou aurait pu en prendre connaissance si elle avait fait preuve de la diligence requise; la demande est communiquée aux autres arbitres dans le même délai. 134 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 135 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 136 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 137 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 138 Abrogé par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, avec effet au 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 139 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 2. Récusation a. Motifs134 b. Procédure Droit international privé 60 291 2 La partie requérante peut, dans les 30 jours qui suivent le dépôt de la demande de récusation, demander au juge de récuser l’arbitre. Le juge statue définitivement. 3 Sauf convention contraire des parties, le tribunal arbitral peut, pen- dant la procédure de récusation, continuer la procédure et rendre une sentence avec la participation de l’arbitre visé par la récusation. Art. 180b140 1 Tout arbitre peut être révoqué par convention des parties. 2 Sauf convention contraire des parties, lorsqu’un arbitre n’est pas en mesure d’accomplir ses tâches en temps utile ou ne s’en acquitte pas avec la diligence requise, une partie peut demander au juge sa révoca- tion par demande écrite et motivée. Le juge statue définitivement. Art. 181 L’instance arbitrale est pendante dès le moment où l’une des parties saisit le ou les arbitres désignés dans la convention d’arbitrage ou, à défaut d’une telle désignation, dès que l’une des parties engage la pro- cédure de constitution du tribunal arbitral. Art. 182 1 Les parties peuvent, directement ou par référence à un règlement d’arbitrage, régler la procédure arbitrale; elles peuvent aussi soumettre celle-ci à la loi de procédure de leur choix. 2 Si les parties n’ont pas réglé la procédure, celle-ci sera, au besoin, fixée par le tribunal arbitral, soit directement, soit par référence à une loi ou à un règlement d’arbitrage. 3 Quelle que soit la procédure choisie, le tribunal arbitral doit garantir l’égalité entre les parties et leur droit d’être entendues en procédure contradictoire. 4 Une partie qui poursuit la procédure d’arbitrage sans faire valoir immédiatement une violation des règles de procédure qu’elle a consta- tée ou qu’elle aurait pu constater en faisant preuve de la diligence requise ne peut plus se prévaloir de cette violation ultérieurement.141 140 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 141 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 3. Révocation V. Litispendance VI. Procédure 1. Principe Droit international privé. LF 61 291 Art. 183 1 Sauf convention contraire, le tribunal arbitral peut ordonner des mesures provisionnelles ou des mesures conservatoires à la demande d’une partie. 2 Si la partie concernée ne s’y soumet pas volontairement, le tribunal arbitral ou une partie peut requérir le concours du juge; celui-ci ap- plique son propre droit.142 3 Le tribunal arbitral ou le juge peuvent subordonner les mesures pro- visionnelles ou les mesures conservatoires qu’ils ont été requis d’or- donner à la fourniture de sûretés appropriées. Art. 184 1 Le tribunal arbitral procède lui-même à l’administration des preuves. 2 Si l’aide des autorités judiciaires de l’État est nécessaire à l’admi- nistration des preuves, le tribunal arbitral, ou une partie d’entente avec lui, peut requérir le concours du juge du siège du tribunal arbitral.143 3 Le juge applique son propre droit. Sur demande, il peut observer ou prendre en considération d’autres formes de procédures.144 Art. 185 Si l’aide de l’autorité judiciaire est nécessaire dans d’autres cas, on requerra le concours du juge du siège du tribunal arbitral. Art. 185a145 1 Un tribunal arbitral siégeant à l’étranger ou une partie à une procé- dure arbitrale étrangère peut requérir le concours du juge du lieu où est exécutée une mesure provisionnelle ou une mesure conservatoire. L’art. 183, al. 2 et 3, s’applique par analogie. 2 Un tribunal arbitral siégeant à l’étranger, ou une partie à une procé- dure arbitrale étrangère d’entente avec lui, peut requérir le concours du juge du lieu de l’administration des preuves. L’art. 184, al. 2 et 3, s’applique par analogie. 142 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 143 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 144 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 145 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 2. Mesures provisionnelles et mesures conservatoires 3. Administra- tion des preuves 4. Autres cas du concours du juge 5. Concours du juge à des procédures arbitrales étrangères Droit international privé 62 291 Art. 186 1 Le tribunal arbitral statue sur sa propre compétence. 1bis Il statue sur sa compétence sans égard à une action ayant le même objet déjà pendante entre les mêmes parties devant un autre tribunal étatique ou arbitral, sauf si des motifs sérieux commandent de sus- pendre la procédure.146 2 L’exception d’incompétence doit être soulevée préalablement à toute défense sur le fond. 3 En général, le tribunal arbitral statue sur sa compétence par une déci- sion incidente. Art. 187 1 Le tribunal arbitral statue selon les règles de droit choisies par les parties ou, à défaut de choix, selon les règles de droit avec lesquelles la cause présente les liens les plus étroits. 2 Les parties peuvent autoriser le tribunal arbitral à statuer en équité. Art. 188 Sauf convention contraire, le tribunal arbitral peut rendre des sentences partielles. Art. 189 1 La sentence arbitrale est rendue dans la procédure et selon la forme convenues par les parties. 2 À défaut d’une telle convention, la sentence est rendue à la majorité ou, à défaut de majorité, par le président seul. Elle est écrite, motivée, datée et signée. La signature du président suffit. Art. 189a149 1 Sauf convention contraire, toute partie peut demander au tribunal arbitral dans les 30 jours qui suivent la communication de la sentence de rectifier toute erreur de calcul ou erreur rédactionnelle entachant la sentence, d’interpréter certains passages de la sentence ou de rendre une sentence additionnelle sur des prétentions exposées au cours de la 146 Introduit par le ch. I de la LF du 6 oct. 2006 (Arbitrage. Compétence), en vigueur depuis le 1er mars 2007 (RO 2007 387; FF 2006 4469 4481). 147 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 148 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 149 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). VII. Compétence VIII. Sentence arbitrale 1. Droit appli- cable147 2. Sentence partielle 3. Procédure et forme148 4. Rectification et interprétation de la sentence; sentence additionnelle Droit international privé. LF 63 291 procédure arbitrale, mais omises dans la sentence. Le tribunal arbitral peut, de son propre chef et dans le même délai, rectifier ou interpréter la sentence ou rendre une sentence additionnelle. 2 La demande ne suspend pas les délais de recours. Un nouveau délai de recours commence à courir pour le passage de la sentence qui a été rectifié ou interprété et pour la sentence additionnelle. Art. 190 1 La sentence est définitive dès sa communication. 2 Elle ne peut être attaquée que: a. lorsque l’arbitre unique a été irrégulièrement désigné ou le tri- bunal arbitral irrégulièrement composé; b. lorsque le tribunal arbitral s’est déclaré à tort compétent ou in- compétent; c. lorsque le tribunal arbitral a statué au-delà des demandes dont il était saisi ou lorsqu’il a omis de se prononcer sur un des chefs de la demande; d. lorsque l’égalité des parties ou leur droit d’être entendues en procédure contradictoire n’a pas été respecté; e. lorsque la sentence est incompatible avec l’ordre public. 3 En cas de décision incidente, seul le recours pour les motifs prévus à l’al. 2, let. a et b, est ouvert; le délai court dès la communication de la décision. 4 Le délai de recours est de 30 jours à compter de la communication de la sentence.151 Art. 190a152 1 Une partie peut demander la révision d’une sentence: a. si elle découvre après coup des faits pertinents ou des moyens de preuve concluants qu’elle n’a pu invoquer dans la procédure précédente bien qu’elle ait fait preuve de la diligence requise; les faits ou moyens de preuve postérieurs à la sentence sont exclus; b. si une procédure pénale établit que la sentence a été influencée au préjudice du recourant par un crime ou un délit, même si 150 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 151 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 152 Introduit par le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). IX. Caractère définitif; recours; révision 1. Recours150 2. Révision Droit international privé 64 291 aucune condamnation n’est intervenue; si l’action pénale n’est pas possible, la preuve peut être administrée d’une autre ma- nière; c. si, bien que les parties aient fait preuve de la diligence requise, un motif de récusation au sens de l’art. 180, al. 1, let. c, n’est découvert qu’après la clôture de la procédure arbitrale et qu’aucune autre voie de droit n’est ouverte. 2 La demande de révision est déposée dans les 90 jours à compter de la découverte du motif de révision. Le droit de demander la révision se périme par dix ans à compter de l’entrée en force de la sentence, à l’exception des cas prévus à l’al. 1, let. b. Art. 191153 L’unique instance de recours et de révision est le Tribunal fédéral. Les procédures sont régies par les art. 77 et 119a de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral154. Art. 192 1 Si les parties n’ont ni domicile, ni résidence habituelle, ni siège en Suisse, elles peuvent, par une déclaration dans la convention d’arbi- trage ou dans une convention ultérieure, exclure tout ou partie des voies de droit contre les sentences du tribunal arbitral; elles ne peuvent exclure la révision au sens de l’art. 190a, al. 1, let. b. La convention doit satisfaire aux conditions de forme de l’art. 178, al. 1.155 2 Lorsque les parties ont exclu tout recours contre les sentences et que celles-ci doivent être exécutées en Suisse, la convention de New York du 10 juin 1958 pour la reconnaissance et l’exécution des sentences arbitrales étrangères156 s’applique par analogie. Art. 193 1 Chaque partie peut déposer, à ses frais, une expédition de la sentence auprès du juge du siège du tribunal arbitral.157 2 Le juge du siège du tribunal arbitral certifie, sur requête d’une partie, que la sentence est exécutoire.158 153 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 154 RS 173.110 155 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 156 RS 0.277.12 157 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 158 Nouvelle teneur selon le ch. I de la LF du 19 juin 2020, en vigueur depuis le 1er janv. 2021 (RO 2020 4179; FF 2018 7153). 3. Autorité de recours et de révision X. Renonciation au recours XI. Dépôt et certificat de force exécutoire Droit international privé. LF 65 291 3 À la requête d’une partie, le tribunal arbitral certifie que la sentence a été rendue conformément aux dispositions de la présente loi; un tel certificat vaut dépôt. Art. 194 La reconnaissance et l’exécution des sentences arbitrales étrangères sont régies par la convention de New York du 10 juin 1958 pour la reconnaissance et l’exécution des sentences arbitrales étrangères159. Chapitre 13 Dispositions finales Section 1 Abrogation et modification du droit en vigueur Art. 195 Les abrogations et modifications du droit en vigueur figurent en an- nexe; celle-ci fait partie intégrante de la présente loi. Section 2 Dispositions transitoires Art. 196 1 Les faits ou actes juridiques qui ont pris naissance et produit tous leurs effets avant l’entrée en vigueur de la présente loi sont régis par l’ancien droit. 2 Les faits ou actes juridiques qui ont pris naissance avant l’entrée en vigueur de la présente loi, mais qui continuent de produire des effets juridiques, sont régis par l’ancien droit pour la période antérieure à cette date. Ils le sont, quant à leurs effets, par le nouveau droit pour la période postérieure. Art. 197 1 Les autorités judiciaires ou administratives suisses saisies d’actions et requêtes avant l’entrée en vigueur de la présente loi le restent, même si leur compétence n’est plus établie par cette loi. 2 Les actions ou requêtes écartées faute de compétence, par des autori- tés judiciaires ou administratives suisses avant l’entrée en vigueur de la présente loi, peuvent à nouveau être introduites après son entrée en vigueur, si la compétence d’une autorité suisse est dorénavant établie par la nouvelle loi et si la prétention litigieuse peut encore être invo- quée. 159 RS 0.277.12 XII. Sentences arbitrales étrangères I. Non- rétroactivité II. Droit transitoire 1. Compétence Droit international privé 66 291 Art. 198 La présente loi détermine le droit applicable aux actions et requêtes qui sont pendantes en première instance à la date de son entrée en vigueur. Art. 199 Les requêtes en reconnaissance ou en exécution d’une décision étran- gère qui étaient pendantes lors de l’entrée en vigueur de la présente loi sont régies par celle-ci en ce qui concerne les conditions de la recon- naissance et de l’exécution. Section 3 Référendum et entrée en vigueur Art. 200 1 La présente loi est sujette au référendum facultatif. 2 Le Conseil fédéral fixe la date de l’entrée en vigueur. Date de l’entrée en vigueur: 1er janvier 1989160 160 ACF du 27 oct. 1988 2. Droit appli- cable 3. Reconnais- sance et exécution Droit international privé. LF 67 291 Annexe Abrogation et modification du droit en vigueur I. Abrogation du droit en vigueur Sont abrogées dès l’entrée en vigueur de la présente loi: a. la loi fédérale du 25 juin 1891 sur les rapports de droit civil des citoyens éta- blis ou en séjour161; b. l’art. 418b, al. 2, du code des obligations162; c. l’art. 14 des dispositions finales et transitoires du code des obligations163; d. l’art. 85 de la loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière164; e. l’art. 30 de la loi fédérale du 26 septembre 1890 concernant la protection des marques de fabrique et de commerce, des indications de provenance et des mentions de récompenses industrielles165; f. l’art. 14, al. 3, de la loi fédérale du 30 mars 1900 sur les dessins et modèles industriels166; g. l’art. 41, al. 2, de la loi fédérale du 20 mars 1975 sur la protection des obten- tions végétales167. II. Modifications du droit en vigueur ...168 161 [RS 2 727; RO 1972 2873 ch. II 1, 1977 237 ch. II 1, 1986 122 ch. II 1] 162 RS 220 163 RS 220 164 RS 741.01 165 [RS 2 837; RO 1951 906 art. 1, 1971 1617, 1992 288 annexe ch. 8. RO 1993 274 art. 74] 166 [RS 2 866; RO 1956 861 art. 1, 1962 479, 1988 1776 annexe ch. 1 let. f, 1992 288 annexe ch. 9, 1995 1784 5050 annexe ch. 3. RO 2002 1456 annexe ch. I] 167 RS 232.16 168 Les mod. peuvent être consultées au RO 1988 1776. Droit international privé 68 291 Chapitre 1 Dispositions communes Section 1 Champ d’application Art. 1 Section 2 Compétence Art. 2 I. En général Art. 3 II. For de nécessité Art. 4 III. Validation de séquestre Art. 5 IV. Élection de for Art. 6 V. Acceptation tacite Art. 7 VI. Convention d’arbitrage Art. 8 VII. Demande reconventionnelle Art. 8a VIII. Consorité et cumul d’actions Art. 8b IX. Appel en cause Art. 8c X. Conclusions civiles Art. 9 XI. Litispendance Art. 10 XII. Mesures provisoires Art. 11 XIII. Actes d’entraide judiciaire 1. Transmission Art. 11a 2. Droit applicable Art. 11b 3. Avance de frais et sûretés en garantie des dépens Art. 11c 4. Assistance judiciaire Art. 12 Section 3 Droit applicable Art. 13 I. Portée de la règle de conflit Art. 14 II. Renvoi Art. 15 III. Clause d’exception Art. 16 IV. Constatation du droit étranger Art. 17 V. Réserve de l’ordre public suisse Art. 18 VI. Application de dispositions impératives du droit suisse Art. 19 VII. Prise en considération de dispositions impératives du droit étranger Section 4 Domicile, siège et nationalité Art. 20 I. Domicile, résidence habituelle et établissement d’une personne physique Art. 21 II. Siège et établissement des sociétés et des trusts Art. 22 III. Nationalité Art. 23 IV. Pluralité de nationalités Art. 24 V. Apatrides et réfugiés Section 5 Reconnaissance et exécution des décisions étrangères Art. 25 I. Reconnaissance 1. Principe Art. 26 2. Compétence des autorités étrangères Art. 27 3. Motifs de refus Art. 28 II. Caractère exécutoire Art. 29 III. Procédure Art. 30 IV. Transaction judiciaire Art. 31 V. Juridiction gracieuse Art. 32 VI. Transcription à l’état civil Chapitre 2 Personnes physiques Art. 33 I. Principe Art. 34 II. Jouissance des droits civils Art. 35 III. Exercice des droits civils 1. Principe Art. 36 2. Sécurité des transactions Art. 37 IV. Nom 1. En général Art. 38 2. Changement de nom Art. 39 3. Changement de nom intervenu à l’étranger Art. 40 4. Transcription à l’état civil Art. 40a IVa. Sexe Art. 41 V. Déclaration d’absence 1. Compétence et droit applicable Art. 42 2. Déclaration d’absence et de décès intervenue à l’étranger Chapitre 3 Mariage Section 1 Célébration du mariage Art. 43 I. Compétence Art. 44 II. Droit applicable Art. 45 III. Mariage célébré à l’étranger Art. 45a IV. Annulation du mariage Section 2 Effets généraux du mariage Art. 46 I. Compétence 1. Principe Art. 47 2. For d’origine Art. 48 II. Droit applicable 1. Principe Art. 49 2. Obligation alimentaire Art. 50 III. Décisions ou mesures étrangères Section 3 Régimes matrimoniaux Art. 51 I. Compétence Art. 52 II. Droit applicable 1. Élection de droit a. Principe Art. 53 b. Modalités Art. 54 2. À défaut d’élection de droit a. Principe Art. 55 b. Mutabilité et rétroactivité lors de changement de domicile Art. 56 3. Forme du contrat de mariage Art. 57 4. Rapports juridiques avec les tiers Art. 58 III. Décisions étrangères Section 4 Divorce et séparation de corps Art. 59 I. Compétence 1. Principe Art. 60 2. For d’origine Art. 60a 3. For au lieu de célébration du mariage Art. 61 II. Droit applicable Art. 62 III. Mesures provisoires Art. 63 IV. Effets accessoires Art. 64 V. Complément ou modification d’une décision Art. 65 VI. Décisions étrangères Chapitre 3a Partenariat enregistré Art. 65a I. Application du chap. 3 Art. 65b Art. 65c II. Droit applicable Art. 65d Chapitre 4 Filiation Section 1 Filiation par naissance Art. 66 I. Compétence 1. Principe Art. 67 2. For d’origine Art. 68 II. Droit applicable 1. Principe Art. 69 2. Moment déterminant Art. 70 III. Décisions étrangères Section 2 Reconnaissance Art. 71 I. Compétence Art. 72 II. Droit applicable Art. 73 III. Reconnaissance intervenue ou contestée à l’étranger Art. 74 IV. Légitimation Section 3 Adoption Art. 75 I. Compétence 1. Principe Art. 76 2. For d’origine Art. 77 II. Droit applicable Art. 78 III. Adoptions et institutions semblables du droit étranger Section 4 Effets de la filiation Art. 79 I. Compétence 1. Principe Art. 80 2. For d’origine Art. 81 3. Prétentions de tiers Art. 82 II. Droit applicable 1. Principe Art. 83 2. Obligation alimentaire Art. 84 III. Décisions étrangères Chapitre 5 Tutelle, protection de l’adulte et autres mesures protectrices Art. 85 Chapitre 6 Successions Art. 86 I. Compétence 1. Principe Art. 87 2. For d’origine Art. 88 3. For du lieu de situation Art. 89 4. Mesures conservatoires Art. 90 II. Droit applicable 1. Dernier domicile en Suisse Art. 91 2. Dernier domicile à l’étranger Art. 92 3. Domaine du statut successoral et de la liquidation Art. 93 4. Forme Art. 94 5. Capacité de disposer Art. 95 6. Pactes successoraux et autres dispositions réciproques pour cause de mort Art. 96 III. Décisions, mesures, documents et droits étrangers Chapitre 7 Droits réels Art. 97 I. Compétence 1. Immeubles Art. 98 2. Meubles Art. 98a 3. Biens culturels Art. 99 II. Droit applicable 1. Immeubles Art. 100 2. Meubles a. Principe Art. 101 b. Biens en transit Art. 102 c. Biens transportés en Suisse Art. 103 d. Réserve de propriété d’un bien destiné à l’exportation Art. 104 e. Élection de droit Art. 105 3. Règles spéciales a. Mise en gage de créances, de papiers-valeurs ou d’autres droits Art. 106 b. Titres représentatifs de marchandises Art. 107 c. Moyens de transport Art. 108 III. Décisions étrangères Chapitre 7a Titres intermédiés Art. 108a I. Définition Art. 108b II. Compétence Art. 108c III. Droit applicable Art. 108d IV. Décisions étrangères Chapitre 8 Propriété intellectuelle Art. 109 I. Compétence Art. 110 II. Droit applicable Art. 111 III. Décisions étrangères Chapitre 9 Droit des obligations Section 1 Contrats Art. 112 I. Compétence 1. Domicile et établissement Art. 113 2. Lieu d’exécution Art. 114 3. Contrats conclus avec des consommateurs Art. 115 4. Contrats de travail Art. 116 II. Droit applicable 1. En général a. Élection de droit Art. 117 b. À défaut d’élection de droit Art. 118 2. En particulier a. Vente mobilière Art. 119 b. Immeubles Art. 120 c. Contrats conclus avec des consommateurs Art. 121 d. Contrats de travail Art. 122 e. Contrats en matière de propriété intellectuelle Art. 123 3. Dispositions communes a. Silence après réception d’une offre Art. 124 b. Forme Art. 125 c. Modalités d’exécution ou de vérification Art. 126 d. Représentation Section 2 Enrichissement illégitime Art. 127 I. Compétence Art. 128 II. Droit applicable Section 3 Actes illicites Art. 129 I. Compétence 1. Principe Art. 130 2. En particulier a. Accidents nucléaires Art. 130a b. Droit d’accès à un fichier de données Art. 131 3. Action directe contre l’assureur Art. 132 II. Droit applicable 1. En général a. Élection de droit Art. 133 b. À défaut d’élection de droit Art. 134 2. En particulier a. Accidents de la circulation routière Art. 135 b. Responsabilité du fait d’un produit Art. 136 c. Concurrence déloyale Art. 137 d. Entrave à la concurrence Art. 138 e. Immissions Art. 138a ebis. Accidents nucléaires Art. 139 f. Atteinte à la personnalité Art. 140 3. Règles spéciales a. Pluralité d’auteurs Art. 141 b. Action directe contre l’assureur Art. 142 4. Domaine du droit applicable Section 4 Dispositions communes Art. 143 I. Pluralité de débiteurs 1. Prétentions contre plusieurs débiteurs Art. 144 2. Recours entre codébiteurs Art. 145 II. Transfert de créances 1. Cession contractuelle Art. 145a 1a. Transfert d’une créance par l’intermédiaire d’un titre Art. 146 2. Cession légale Art. 147 III. Monnaie Art. 148 IV. Prescription et extinction des créances Section 5 Décisions étrangères Art. 149 Chapitre 9a Trusts Art. 149a I. Définition Art. 149b II. Compétence Art. 149c III. Droit applicable Art. 149d IV. Dispositions spéciales concernant la publicité Art. 149e V. Décisions étrangères Chapitre 10 Sociétés Art. 150 I. Notions Art. 151 II. Compétence 1. Principe Art. 152 2. Responsabilité pour une société étrangère Art. 153 3. Mesures de protection Art. 154 III. Droit applicable 1. Principe Art. 155 2. Domaine du droit applicable Art. 156 IV. Rattachements spéciaux 1. Prétentions découlant de l’émission publique de titres de participation et d’emprunts Art. 157 2. Protection du nom et de la raison sociale Art. 158 3. Restriction des pouvoirs de représentation Art. 159 4. Responsabilité pour une société étrangère Art. 160 V. Succursales en Suisse de sociétés étrangères Art. 161 VI. Transfert, fusion, scission et transfert de patrimoine 1. Transfert d’une société de l’étranger en Suisse a. Principe Art. 162 b. Moment déterminant Art. 163 2. Transfert d’une société de la Suisse à l’étranger Art. 163a 3. Fusion a. Fusion de l’étranger vers la Suisse Art. 163b b. Fusion de la Suisse vers l’étranger Art. 163c c. Contrat de fusion Art. 163d 4. Scission et transfert de patrimoine Art. 164 5. Dispositions communes a. Radiation du registre du commerce Art. 164a b. Lieu de la poursuite et for Art. 164b c. Transfert, fusion, scission et transfert de patrimoine à l’étranger Art. 165 VII. Décisions étrangères Chapitre 11 Faillite et concordat Art. 166 I. Reconnaissance Art. 167 II. Procédure 1. Compétence Art. 168 2. Mesures conservatoires Art. 169 3. Publication Art. 170 III. Effets juridiques 1. En général Art. 171 2. Action révocatoire Art. 172 3. Collocation Art. 173 4. Distribution a. Reconnaissance de l’état de collocation étranger Art. 174 b. Non-reconnaissance de l’état de collocation étranger Art. 174a 5. Renonciation à la procédure de faillite ancillaire Art. 174b IIIbis. Coordination Art. 174c IIIter. Reconnaissance de décisions étrangères concernant des actions révocatoires et d’autres décisions similaires Art. 175 IV. Concordat et procédure analogue. Reconnaissance Chapitre 12 Arbitrage international Art. 176 I. Champ d’application; siège du tribunal arbitral Art. 177 II. Arbitrabilité Art. 178 III. Convention et clause d’arbitrage Art. 179 IV. Arbitres 1. Nomination et remplacement Art. 180 2. Récusation a. Motifs Art. 180a b. Procédure Art. 180b 3. Révocation Art. 181 V. Litispendance Art. 182 VI. Procédure 1. Principe Art. 183 2. Mesures provisionnelles et mesures conservatoires Art. 184 3. Administration des preuves Art. 185 4. Autres cas du concours du juge Art. 185a 5. Concours du juge à des procédures arbitrales étrangères Art. 186 VII. Compétence Art. 187 VIII. Sentence arbitrale 1. Droit applicable Art. 188 2. Sentence partielle Art. 189 3. Procédure et forme Art. 189a 4. Rectification et interprétation de la sentence; sentence additionnelle Art. 190 IX. Caractère définitif; recours; révision 1. Recours Art. 190a 2. Révision Art. 191 3. Autorité de recours et de révision Art. 192 X. Renonciation au recours Art. 193 XI. Dépôt et certificat de force exécutoire Art. 194 XII. Sentences arbitrales étrangères Chapitre 13 Dispositions finales Section 1 Abrogation et modification du droit en vigueur Art. 195 Section 2 Dispositions transitoires Art. 196 I. Non-rétroactivité Art. 197 II. Droit transitoire 1. Compétence Art. 198 2. Droit applicable Art. 199 3. Reconnaissance et exécution Section 3 Référendum et entrée en vigueur Art. 200 Annexe Abrogation et modification du droit en vigueur I. Abrogation du droit en vigueur II. Modifications du droit en vigueur | mixed |
e4b63e3e-e967-4a96-a769-9d4e2f63e29d | Sachverhalt
ab Seite 446
BGE 133 III 446 S. 446
A.
En 2001, dame B. a requis contre la communauté des héritiers de feu X. une poursuite portant sur une créance de 620'344 fr. 30. Un commandement de payer a été notifié en mains de dame A. et frappé d'opposition.
BGE 133 III 446 S. 447
Le 10 janvier 2003, le Tribunal de première instance de Genève a provisoirement levé cette opposition, à concurrence de 203'765 fr. avec intérêts à 4,26 % dès le 1
er
janvier 2001 et de 27'387 fr. 60 (intérêts échus).
B.
Le 3 février 2003, la succession de feu X., prise en la personne de dame A. (ci-après: la Succession) a ouvert action en libération de dette, concluant à la constatation de l'inexistence des dettes faisant l'objet du jugement de mainlevée provisoire et à l'arrêt de la poursuite pour dettes.
Par jugement du 30 mars 2006, le Tribunal de première instance a débouté la demanderesse de toutes ses conclusions et a prononcé que la poursuite irait sa voie à concurrence de 203'765 fr. avec intérêts au taux de 4,26 % l'an dès le 1
er
janvier 2001 et de la somme de 27'387 fr. 60.
Saisie par la Succession et statuant par arrêt du 19 janvier 2007, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement de première instance.
C.
La Succession forme un recours en matière civile contre l'arrêt du 19 janvier 2007. Elle conclut, avec suite de frais et dépens, à la réforme de celui-ci et demande au Tribunal fédéral de dire qu'elle n'est pas débitrice envers dame B. des sommes de 203'765 fr. avec intérêts à 4,26 % l'an dès le 1
er
janvier 2001 et de 27'387 fr. 60. Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
Le recours en matière civile peut être formé pour violation du droit fédéral (art. 95 let. a de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral [LTF; RS 173.110]), y compris les droits constitutionnels (cf. Message du 28 février 2001 relatif à la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 p. 4000 ss, 4132). Il permet également de faire valoir que la décision attaquée n'a pas appliqué le droit étranger désigné par le droit international privé suisse (
art. 96 let. a LTF
) ou, dans les affaires non pécuniaires, que le droit étranger désigné par le droit international privé suisse a été appliqué de manière erronée (
art. 96 let. b LTF
). Dans les contestations qui portent sur un droit de nature pécuniaire, il n'est en revanche pas possible d'y soulever le grief relatif à l'application erronée du droit étranger (
art. 96 let. b LTF
a contrario); dans ce cas, la décision cantonale ne peut alors être attaquée que pour violation de l'
art. 9 Cst.
, soit pour
BGE 133 III 446 S. 448
application arbitraire du droit étranger (
art. 95 let. a LTF
) et pour autant que la valeur litigieuse de 30'000 fr. soit atteinte (
art. 74 al. 1 let. b LTF
). Si cette valeur litigieuse n'est pas atteinte, le grief d'application arbitraire du droit étranger doit être invoqué dans un recours constitutionnel subsidiaire (cf. DENIS TAPPY, Le recours en matière civile, in La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, 2007, p. 51 ss, 97). L'avis de SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH (Bundesgerichtsgesetz, 2007, n. 14 ad
art. 96 LTF
) et de RAINER SCHWEIZER (Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach dem neuen Bundesgerichtsgesetz, in Reorganisation der Bundesrechtspflege, p. 225 s.) qui soutiennent que le grief de l'application arbitraire du droit étranger ne peut être soulevé dans le cadre du recours en matière civile, mais dans un recours constitutionnel subsidiaire quelle que soit la valeur litigieuse, ne peut être partagé. Ces auteurs perdent de vue que le choix entre les deux voies de droit dépend de la nature de l'affaire et, si elle est pécuniaire, de la valeur litigieuse. Au vu de ce qui précède, le grief de l'application arbitraire du droit français soulevé par la recourante est recevable dans le cadre du recours en matière civile. | mixed |
c69ce1cc-a136-46d4-b076-1125b0941c28 | Sachverhalt
ab Seite 486
BGE 136 III 486 S. 486
A.
A. SA est une société anonyme enregistrée au Luxembourg, où elle a son siège social; elle a une succursale à Genève, auparavant à Zurich, inscrite sur le registre du commerce. Elle se consacre surtout à la prise de participations dans d'autres entreprises. M. et N. ont assumé les fonctions d'administrateurs de la succursale et O. l'a représentée avec droit de signature individuelle.
B. SA, en liquidation, a son siège à Genève. M. et P. ont été ses administrateurs.
B.
Le 5 décembre 2007, X. a ouvert action contre ces deux sociétés devant le Tribunal de première instance du canton de Genève. Elles devaient être condamnées à lui rendre compte du ou des mandats de gestion de biens que, selon ses allégations, elles avaient reçus de son défunt père, W.
Les défenderesses ont contesté les relations de mandat alléguées par la demanderesse; A. SA a excipé de l'incompétence à raison du lieu.
BGE 136 III 486 S. 487
Le Tribunal de première instance a d'abord rejeté cette exception au motif qu'elle était tardive, puis la Cour de justice a annulé ce premier jugement.
Le tribunal s'est derechef prononcé sur l'exception d'incompétence le 1
er
octobre 2009. Il l'a rejetée et s'est jugé compétent au regard des faits allégués dans la demande, dont la preuve devait être renvoyée à la suite de l'instance.
La Cour de justice a statué le 16 avril 2010 sur l'appel de la défenderesse; elle a confirmé le jugement.
C.
Agissant par la voie du recours en matière civile, la défenderesse A. SA a requis le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Cour de justice et de prononcer que les tribunaux genevois sont incompétents. Des conclusions subsidiaires tendaient à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à la Cour de justice pour nouvelle décision.
La demanderesse a conclu principalement à l'irrecevabilité du recours et subsidiairement à son rejet.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable. Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
En règle générale, selon la jurisprudence, le juge saisi doit examiner sa compétence sur la base des allégués, moyens et conclusions de la demande, sans tenir compte des objections de la partie défenderesse. Les faits déterminants pour la compétence, seulement, doivent être prouvés, s'ils sont contestés, avant une éventuelle décision séparée sur la compétence, tandis que la preuve des faits déterminants pour la compétence et pour le bien-fondé de l'action - faits doublement pertinents ou de double pertinence - est renvoyée à la suite de l'instance.
D'après certains arrêts du Tribunal fédéral, la preuve des faits doublements pertinents n'est ainsi différée que s'ils sont allégués "avec une certaine vraisemblance" (
ATF 135 V 373
consid. 3.2 p. 377;
ATF 133 III 282
consid. 3.2 p. 286;
ATF 131 III 153
consid. 5.1 p. 157, consid. 6.4 p. 162;
ATF 128 III 50
consid. 2b/aa;
ATF 121 III 495
consid. 6d p. 503), tandis que d'autres arrêts ne mentionnent pas cette condition (
ATF 134 III 27
consid. 6.2.1 p. 34;
ATF 133 III 295
consid. 6.2 p. 298;
ATF 122 III 249
consid. 3b/bb-cc p. 252;
ATF 119 II 66
). En doctrine, un auteur explique que ladite condition est étrangère à la théorie des faits de double
BGE 136 III 486 S. 488
pertinence à l'origine de la jurisprudence actuelle du Tribunal fédéral, issue du droit allemand, et qu'elle ne se justifie pas (URS HOFFMANN-NOWOTNY, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, 2010, p. 120 n
os
190 et 191; voir aussi, également critique, ANDREAS BUCHER, L'examen de la compétence internationale par le juge suisse, 2007, SJ 2007 II 153 p. 158/159).
Dès ses premières décisions relatives au for des réclamations personnelles, alors garanti par l'
art. 59 al. 1 aCst.
, le Tribunal fédéral a jugé que la compétence se détermine d'après la nature et le contenu de la demande, sans égard aux objections élevées contre elle, et cela même dans le cas où cette demande apparaîtrait d'emblée inconsistante (ATF 9 p. 30 consid. 1 et 2; voir aussi
ATF 24 I 657
consid. 2 p. 660;
45 I 302
consid. 2 p. 307;
74 II 187
consid. 2 p. 188). Il a réservé l'éventualité où la demande serait présentée sous une forme destinée à en déguiser la nature véritable et à éluder la règle de for applicable (
ATF 22 I 32
consid. 2 p. 37;
22 I 50
consid. 2 p. 58/59;
66 II 179
consid. 2 p. 183; voir aussi ATF 3 p. 626 consid. 3). Plus tard, dans une cause où la partie demanderesse cumulait deux actions, l'une d'elles est apparue manifestement mal fondée au regard d'un élément introduit par l'autre partie, incontesté et confirmé par le dossier; le Tribunal fédéral a alors admis que la règle de for régissant l'autre action se trouvait éludée (
ATF 91 I 121
consid. 5 p. 122). Dans un arrêt de 2007, il a réservé l'éventualité d'allégués "manifestement faux" (
ATF 134 III 27
consid. 6.4 in fine p. 37).
L'exigence d'une "certaine vraisemblance", selon le libellé de quelques arrêts du Tribunal fédéral, ne fait référence qu'à ces hypothèses exceptionnelles où la thèse de la demande apparaît d'emblée spécieuse ou incohérente, ou, sinon, se trouve réfutée immédiatement et sans équivoque par la réponse et les documents de la partie défenderesse. Cette exigence protège cette partie-ci, le cas échéant, contre une tentative abusive, qui procéderait d'un abus de droit, de l'attraire au for choisi par l'autre partie (sur l'interdiction de l'abus de droit au regard de la théorie des faits de double pertinence: HOFFMANN-NOWOTNY, op. cit., p. 124 n° 195, avec références à d'autres auteurs). Il demeure donc que même au degré de la simple vraisemblance, la preuve des faits doublement pertinents n'est pas requise au stade d'une décision séparée sur la compétence.
5.
En l'espèce, la Cour de justice aurait donc pu se dispenser de rechercher s'il est vraisemblable, d'après les pièces du dossier, que le
BGE 136 III 486 S. 489
personnel de la succursale de Genève ait accepté au nom de la défenderesse A. SA un mandat ayant pour objet la gestion de biens provenant de W. Il suffisait de constater qu'une pareille éventualité ne présente en elle-même rien d'impossible et que rien, non plus, ne dénote une tentative d'attraire abusivement la défenderesse devant les tribunaux genevois. Pour ce motif déjà, quant à l'ajournement de la preuve, la décision critiquée se révèle conforme aux règles fédérales du droit de procédure civile international (cf.
ATF 133 III 295
consid. 6.1 p. 298;
ATF 122 III 249
consid. 3a in fine p. 251).
Au surplus, les déductions que le juge opère sur la base d'indices relèvent de l'appréciation des preuves, de sorte qu'en principe, avec la constatation des faits, elles échappent au contrôle du Tribunal fédéral (
ATF 117 II 256
consid. 2b p. 258;
ATF 128 III 390
consid. 4.3.3 in fine p. 398;
ATF 126 III 10
consid. 2b p. 12/13). Seules les déductions exclusivement fondées sur l'expérience générale de la vie se rattachent à l'application du droit (
ATF 126 III 10
consid. 2b p. 12;
ATF 115 II 440
consid. 5b p. 448/449;
ATF 107 II 269
consid. 2b p. 274). En conséquence, il n'appartient de toute manière pas au Tribunal fédéral de revoir l'appréciation que la Cour de justice a effectuée sur la base des pièces du dossier quant à la vraisemblance du mandat allégué par la demanderesse. A cette appréciation, A. SA n'oppose que de simples dénégations, quoiqu'elle les développe longuement et sur chacun des indices relevés dans la décision; cela ne constitue pas une argumentation suffisante au regard de la jurisprudence précitée relative à l'
art. 97 al. 1 LTF
. | mixed |
72345401-674c-40c8-afe8-0e4d65e70cec | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 117 Ia 69 S. 69
Frau M. wurde im Oktober 1989 unter dem dringenden Tatverdacht, ein Tötungsdelikt begangen zu haben, in Untersuchungshaft gesetzt. Nachdem sie im November 1990 ein Haftentlassungsgesuch
BGE 117 Ia 69 S. 70
gestellt hatte, erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Anklage wegen vorsätzlicher Tötung. Die Anklage wurde zusammen mit dem Haftentlassungsbegehren der Anklagekammer des Obergerichtes überwiesen. Die Anklagekammer liess Frau M. in Sicherheitshaft versetzen, wogegen Frau M. an die II. Zivilkammer des Obergerichtes rekurrierte.
Gegen den ablehnenden Rekursentscheid hat Frau M. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit und von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
und macht geltend, die kantonale Instanz habe zu Unrecht das Bestehen von Fluchtgefahr angenommen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Gemäss § 49 in Verbindung mit § 52 der zürcherischen Strafprozessordnung darf Sicherheitshaft angeordnet oder aufrechterhalten werden, wenn der Angeklagte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und überdies entweder Kollusions- oder Fluchtgefahr vorliegt. Die Beschwerdeführerin beanstandet nicht, dass die kantonale Instanz den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Hingegen macht sie geltend, das Obergericht habe in verfassungs- und konventionswidriger Weise angenommen, es bestehe Fluchtgefahr.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, die mit jener des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte übereinstimmt, braucht es für die Annahme der Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Verhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (
BGE 108 Ia 67
E. 3;
BGE 107 Ia 6
E. 5;
BGE 106 Ia 407
E. 4c;
BGE 102 Ia 381
;
BGE 95 I 242
). Die Erwägung des Obergerichtes, wonach die vorliegend mögliche Zuchthausstrafe von nicht unter fünf Jahren (
Art. 111 StGB
) "an sich schon" die Annahme der Fluchtgefahr rechtfertige, widerspricht krass der erwähnten Bundesgerichtspraxis und ist als verfassungswidrig zu beurteilen.
BGE 117 Ia 69 S. 71
b) Es fragt sich, ob ausser der Höhe der drohenden Strafe konkrete Umstände vorliegen, welche die Annahme der Fluchtgefahr rechtfertigen. Das Gutachten der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Rheinau vom 24. Oktober 1990 attestiert der Beschwerdeführerin eine erhebliche Neigung zu Affekt- und Impulsdurchbrüchen aggressiver und autoaggressiver Art. Mit Recht kann daher von einer zumindest latenten psychischen Labilität der Beschwerdeführerin gesprochen werden. - Das psychiatrische Gutachten lässt demgegenüber den Schluss nicht zu, die festgestellte psychische Konstitution wirke sich im vorliegenden Fall in einer erhöhten Fluchtbereitschaft aus: Der Experte weist besonders darauf hin, dass sich die Neigung zu affektiven und impulsiven Handlungen dann manifestiere, wenn eine soziale Bindung zerreisst oder zu zerreissen droht. Die Beschwerdeführerin engagiere sich in ihren familiären Beziehungen mit derartiger Hilfs- und Aufopferungsbereitschaft, dass Trennungs- und Verlassungserlebnisse zwangsweise eine Flut von Emotionen, Affekten und Triebstrebungen nach sich zögen. Gerade mit ihren beiden (zehn- bzw. dreizehnjährigen) Kindern verbindet die Beschwerdeführerin auf Grund der aktenkundigen Untersuchungsergebnisse eine innige Beziehung, welche von grossem Einsatz und von Fürsorge, nicht zuletzt gegenüber der POS-kranken Tochter X., zeugt. Besonders die Zuwendung zu ihren Kindern hilft der Beschwerdeführerin gemäss Expertise, im seelischen Gleichgewicht zu bleiben. Damit erscheint der psychiatrische Befund aber gerade nicht geeignet, zusätzliche konkrete Anzeichen für eine Fluchtgefahr zu begründen. - Es weist gerade nichts darauf hin, dass die Beschwerdeführerin, einmal aus der Sicherheitshaft entlassen, sich ausgerechnet die Möglichkeit verbauen sollte, den Kontakt mit ihren bei ihrer Schwester untergebrachten Kindern pflegen zu können; genau dies wäre aber die Konsequenz einer Flucht der Beschwerdeführerin ins Ausland oder auch nur eines "Untertauchens", wie es die kantonale Instanz befürchtet.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die angeordnete Sicherheitshaft allein gestützt auf die Höhe der in Frage kommenden Freiheitsstrafe nicht aufrechterhalten werden kann. Wie die kantonale Instanz ausdrücklich festgehalten hat, liegt nach Abschluss der Untersuchung und Anklageerhebung sowie angesichts der Geständigkeit der Beschwerdeführerin ebensowenig Kollusionsgefahr vor. Diese Auffassung muss zwar angesichts des im Verfahren vor Geschworenengericht geltenden Unmittelbarkeitsprinzips und der
BGE 117 Ia 69 S. 72
damit verbundenen Gefahr einer Einflussnahme auf die Geschworenen auf gewisse Bedenken stossen, das Bundesgericht hat indessen keine Veranlassung, vorliegend entgegen der Auffassung beider Parteien von sich aus auf Kollusionsgefahr zu schliessen (vgl. zur bundesgerichtlichen Zurückhaltung bei der Substitution von Motiven etwa
BGE 106 Ia 315
E. 1b). In der Konsequenz gebietet das Verfassungsrecht in diesem speziellen Haftfall, der durchaus als Grenzfall zu betrachten ist, die Beschwerdeführerin aus der Sicherheitshaft zu entlassen und dem Fluchtrisiko mit weniger einschneidenden Massnahmen (Meldepflicht, Pass- und Schriftensperre) zu begegnen. | mixed |
48d8caee-6ef9-43e7-9db7-ff91a3f8ef16 | Sachverhalt
ab Seite 161
BGE 143 IV 160 S. 161
A.
X. befindet sich seit dem 13. November 2012 in Untersuchungshaft und seit dem 14. Mai 2013 im vorzeitigen Strafvollzug. Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte ihn am 18. August 2016 zweitinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 4 1⁄2 Jahren und ordnete eine ambulante Massnahme an. Im Übrigen wies es "das an der Verhandlung gestellte Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug ab". Dem Entscheid lässt sich weiter entnehmen, dass das Bezirksgericht Kulm "im Anschluss an die Urteilseröffnung" beschlossen hatte, "der Beschuldigte gehe (zur Sicherung des Massnahmevollzugs) zurück in den vorzeitigen Strafvollzug".
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhob gegen das Urteil vom 18. August 2016 Beschwerde in Strafsachen und beantragte die Anordnung der Verwahrung anstelle der obergerichtlich angeordneten ambulanten Massnahme. Mit Entscheid heutigen Datums weist das Bundesgericht die Beschwerde ab (Verfahren 6B_1203/2016).
B.
X. stellte am 19. Oktober, 17. November und 30. November 2016 beim Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau Gesuche um bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug; subsidiär beantragte er die Gewährung von (begleiteten) Urlauben zwecks Vorbereitung von Vollzugslockerungen. Das Amt für Justizvollzug leitete die Eingaben am 2. Dezember 2016 an das Obergericht weiter. Der Verfahrensleiter des Strafgerichts am Obergericht des Kantons Aargau wies am 21. Dezember 2016 "das Gesuch des Beschuldigten um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug" und um Vollzugsöffnungen in der Form von Urlaub ab.
C.
X. erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, die Verfügung vom 21. Dezember 2016 aufzuheben und das Verfahren an das Amt für Justizvollzug zurückzuweisen, eventualiter ihn bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen, subeventualiter Vollzugslockerungen zu gewähren.
Die Vorinstanz verzichtete auf eine Beschwerdeantwort. Die Oberstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde. X. nahm davon Kenntnis.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 236 StPO
kann die Verfahrensleitung der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende
BGE 143 IV 160 S. 162
Massnahmen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt (Abs. 1). Mit dem Eintritt in die Vollzugsanstalt tritt die beschuldigte Person ihre Strafe oder Massnahme an; sie untersteht von diesem Zeitpunkt an dem Vollzugsregime, wenn der Zweck der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft dem nicht entgegensteht (Abs. 4).
2.1
Der vorzeitige Straf- oder Massnahmenantritt stellt seiner Natur nach eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar (
BGE 133 I 270
E. 3.2.1). Damit soll schon vor Erlass des rechtskräftigen Strafurteils ein Haftregime ermöglicht werden, das auf die persönliche Situation der beschuldigten Person zugeschnitten ist; ausserdem können erste Erfahrungen mit der voraussichtlich sachlich gebotenen Vollzugsform gesammelt werden (
BGE 126 I 172
E. 3a). Für eine Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzugs muss weiterhin mindestens ein besonderer Haftgrund (analog zu
Art. 221 StPO
;
BGE 133 I 270
E. 3.2.1) vorliegen. Sodann muss der vorzeitige Strafvollzug verhältnismässig sein (Urteil 1B_69/2016 vom 21. März 2016 E. 2.1).
Der vorzeitige Strafantritt betrifft nur das Vollzugsregime. Die strafprozessuale Haft wird nicht wie üblich in einer Haftanstalt vollzogen, die diesem Zweck vorbehalten ist (vgl.
Art. 234 Abs. 1 StPO
). Mit dem vorzeitigen Antritt der Strafe ändern sich allein die Vollzugsmodalitäten, indem das Regime der Vollzugsanstalt zur Anwendung gelangt. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich beim vorzeitigen Strafantritt um nichts anderes als um eine Variante der strafprozessualen Haft handelt. Das Erfordernis einer klaren gesetzlichen Grundlage für den mit dem vorzeitigen Strafantritt verbundenen Freiheitsentzug bleibt davon unberührt.
2.2
Nach
Art. 31 Abs. 1 BV
darf die Freiheit einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. Vor dem Eintritt der Rechtskraft und damit dem Vollzug eines Urteils verlangt das Gesetz für die Anordnung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft (inklusive Ersatzmassnahmen) einerseits einen dringenden Tatverdacht und andererseits das Vorliegen eines besonderen Haftgrunds (
Art. 221 StPO
). Die Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt ändert daran grundsätzlich nichts. Sie entbindet die Strafbehörden lediglich davon, das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Anordnung und Prüfung der strafprozessualen Haft (
Art. 224 ff. StPO
) einzuhalten. Mit seiner ausdrücklichen Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt
BGE 143 IV 160 S. 163
verzichtet die beschuldigte Person auf die ihr durch Verfassung und EMRK garantierten und in der Strafprozessordnung konkretisierten Garantien; denn ohne ihre Einwilligung müssten diese zwingend eingehalten werden (
BGE 117 Ia 72
E. 1c).
2.3
Das Bundesgericht hatte in
BGE 104 Ib 24
E. 3b noch entschieden, dass nach erfolgter Zustimmung zum Strafantritt nicht mehr auf die Frage der Untersuchungshaft zurückgekommen werden könne, weil die Einwilligung unwiderruflich sei. In
BGE 117 Ia 72
E. 1d präzisierte es seine Rechtsprechung dahingehend, dass die beschuldigte Person berechtigt sein muss, jederzeit ein Begehren um Entlassung aus der Haft bzw. dem vorzeitigen Strafantritt zu stellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Freiheitsentzug gegen den Willen des Betroffenen nur so lange gerechtfertigt sein könne, als die Haftvoraussetzungen gegeben seien. Nicht beantwortet wurde jedoch die Frage, im Rahmen welchen Verfahrens diese Haftprüfung zu erfolgen hat. Dabei bleibt indessen zu berücksichtigen, dass die erwähnte Rechtsprechung in einer Zeit entwickelt wurde, in der in den Kantonen selbstständige Zwangsmassnahmegerichte noch nicht bekannt waren und das Verfahren in aller Regel gesetzlich nur rudimentär in den kantonalen Strafprozessordnungen geregelt war (vgl.
BGE 117 Ia 199
E. 4 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR
Huber gegen Schweiz
vom 23. Oktober 1990, Verfahren 12794/87). Mit diesem Urteil setzte bezüglich der verfahrensrechtlichen Garantien der Haftanordnung und -überprüfung ein Umdenkprozess ein, jedoch regelte erst die StPO die verfahrensrechtliche Ebene des Haftrechts in einem umfassenden Sinn und führte für die von einem strafprozessualen Freiheitsentzug Betroffenen weitreichende Garantien ein.
Dies muss berücksichtigt werden, wenn sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen eines Widerrufs der Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt stellt. Reicht die beschuldigte Person, die vorzeitig die Strafe angetreten hat, ein Haftentlassungsgesuch ein, ist unbestritten, dass ein weiterer Freiheitsentzug nur gerechtfertigt ist, wenn nach den massgebenden Bestimmungen der Strafprozessordnung die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft gegeben sind. Mit ihrem Haftentlassungsgesuch bringt sie aber auch klar zum Ausdruck, dass sie nicht nur die materiellen Voraussetzungen der Haft bestreitet, sondern im Hinblick auf einen allfälligen weiteren Freiheitsentzug nicht mehr länger auf die ihr nach der Strafprozessordnung zustehenden Verfahrensgarantien verzichtet. Mit einer blossen Abweisung des Haftentlassungsgesuchs im
BGE 143 IV 160 S. 164
Rahmen eines mehr oder weniger formlosen Verfahrens - wie im vorliegenden Fall etwa durch das Bezirksgericht und das Obergericht im Rahmen des Sachurteils - kann es deshalb nicht sein Bewenden haben. Vielmehr hat die mit der Behandlung des Haftentlassungsgesuchs befasste Behörde nach den für die Haftprüfung geltenden Verfahrensregeln zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft nach wie vor gegeben sind. Verneint sie diese, hat sie die Haftentlassung zu verfügen. Bejaht sie die Voraussetzungen, hat sie formell die Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft anzuordnen, da nur so die zur Begründung eines rechtmässigen Freiheitsentzugs bestehenden Garantien eingehalten werden können. Der Vollzugsort bleibt davon grundsätzlich unberührt, da auch die Untersuchungs- und Sicherheitshaft in einer Vollzugsanstalt vollzogen werden können.
3.
3.1
Zuständig zur Behandlung des Haftentlassungsgesuchs ist die Verfahrensleitung des Strafgerichts des Obergerichts des Kantons Aargau, da die Vollstreckung des (möglicherweise) in Teilrechtskraft erwachsenen Urteils bis heute noch nicht angeordnet wurde. Sie bleibt deshalb gestützt auf
Art. 233 StPO
zum Entscheid über das Haftentlassungsgesuch zuständig, auch wenn die Staatsanwaltschaft in der Zwischenzeit gegen das Urteil vom 18. August 2016 Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erhoben hat (vgl. Urteil 6B_135/2012 vom 18. April 2012 E. 1.6).
3.2
Art. 233 StPO
verlangt, dass die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts über Haftentlassungsgesuche innert 5 Tagen entscheidet. Diese Bestimmung gilt auch für Gesuche um Entlassung aus dem vorzeitigen Sanktionenvollzug (Urteil 1B_116/2013 vom 12. April 2013 E. 2.1) und ist Ausdruck des strafprozessualen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (Urteil 1B_608/2011 vom 10. November 2011 E. 2.6). Indem die Vorinstanz über die Gesuche des Beschwerdeführers vom 19. Oktober, 17. November und 30. November 2016 (oben Sachverhalt Bst. B) erst am 21. Dezember 2016 entschieden hat, hat sie die Frist von 5 Tagen nicht respektiert und damit das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt.
4.
4.1
Zur Begründung der Abweisung des Entlassungsgesuchs beruft sich die Vorinstanz im Hauptstandpunkt auf
Art. 86 Abs. 1 StGB
und macht geltend, dass die Voraussetzung der fehlenden schlechten Legalprognose für die bedingte Entlassung des
BGE 143 IV 160 S. 165
Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug nicht vorliege. Die Vorinstanz übersieht dabei offensichtlich, dass sie nicht über die bedingte Entlassung aus dem rechtmässig angeordneten Vollzug einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe zu entscheiden hat, sondern sich allein die Frage nach dem Vorliegen von strafprozessualen Haftgründen stellt.
Nach
Art. 212 Abs. 3 StPO
dürfen Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (
BGE 139 IV 270
E. 3.1; Urteil 1B_283/2016 vom 26. August 2016 E. 5.2). Liegt bereits ein richterlicher Entscheid über das Strafmass vor, stellt dieser ein wichtiges Indiz für die mutmassliche Dauer der tatsächlich zu verbüssenden Strafe dar (Urteile 1B_209/2014 vom 30. Juni 2014 E. 2.1; 1B_43/2013 vom 1. März 2013 E. 4.1 und 1B_406/2012 vom 31. Juli 2012 E. 2.5). Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Haft im Verfahren des Berufungsgerichts hat der Haftrichter aber auch zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft mit der Berufung eine Strafverschärfung verlangt (
BGE 139 IV 270
E. 3.1). Dies muss auch gelten, wenn die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine höhere Bestrafung oder eine freiheitsbeschränkendere Massnahme beantragt. Die blosse Tatsache, dass aufgrund eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft eine Sanktionsverschärfung möglich erscheint, genügt aber nicht; ansonsten hätte es die Staatsanwaltschaft in der Hand, mit der blossen Ergreifung eines Rechtsmittels den Ausgang des Haftprüfungsverfahrens zu präjudizieren. Andererseits müssen aber auch die Erfolgsaussichten des hängigen Rechtsmittels nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sein. In Anlehnung an den dringenden Tatverdacht von
Art. 221 Abs. 1 StPO
muss aber verlangt werden, dass aufgrund der gesamten Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verschärfung der von der Vorinstanz ausgefällten und nun angefochtenen Sanktion erwartet werden kann (
BGE 139 IV 270
E. 3.1).
Im Eventualstandpunkt verweist die Vorinstanz zwar auf die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft mit Beschwerde in Strafsachen die Anordnung der Verwahrung beantragt hat. Sie äussert sich aber mit keinem Wort zu den Erfolgsaussichten dieser Beschwerde, sondern beschränkt sich darauf, einige Gründe zu nennen, welche auf Fluchtgefahr hindeuten, um es dann bei der Feststellung bewenden zu lassen: "Bei einer Flucht würde der Zweck der bundesgerichtlichen Überprüfung des Berufungsurteils mit Blick auf die von der Oberstaatsanwaltschaft angestrebte Verwahrung des Beschuldigten vereitelt." Sie verzichtet sogar ausdrücklich darauf, den Haftgrund der
BGE 143 IV 160 S. 166
Wiederholungsgefahr zu prüfen, obwohl gerade der Gefahr weiterer Tatbegehung unter dem Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten der von der Staatsanwaltschaft angestrebten Verwahrung (vgl.
Art. 64 Abs. 1 lit. a und b StGB
) entscheidende Bedeutung zukäme. Unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Verhältnismässigkeit, aber auch - wie noch darzulegen sein wird, demjenigen der Fluchtgefahr - ist deshalb einstweilen auf die vom Obergericht ausgefällte Freiheitsstrafe von 4 1⁄2 Jahren und die von ihr angeordnete ambulante Massnahme abzustellen.
4.2
Nach der Rechtsprechung ist bei der Prüfung der zulässigen Haftdauer der Umstand, dass die in Aussicht stehende Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen werden kann, wie auch die Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (
BGE 133 I 270
E. 3.4.2 S. 281 f.;
BGE 125 I 60
E. 3d).
Was die bedingte Entlassung anbelangt, hängt deren Gewährung vom Verhalten des Gefangenen im Strafvollzug und von der Prognose hinsichtlich seines zukünftigen Verhaltens in Freiheit ab (
Art. 86 Abs. 1 StGB
). Diese Fragen fallen in das Ermessen der zuständigen Behörde (
Art. 86 Abs. 2 StGB
) und es liegt in der Regel nicht am Haftrichter, eine solche Prognose anzustellen (Urteile 1B_330/2013 vom 16. Oktober 2013 E. 2.1 und 1B_641/2011 vom 25. November 2011 E. 3.1). Vom Grundsatz der Nichtberücksichtigung der Möglichkeit einer bedingten Entlassung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung indes dann eine Ausnahme zu machen, wenn es die konkreten Umstände des Einzelfalls gebieten (Urteile 1B_153/2013 vom 17. Mai 2013 E. 2.4 und 1B_51/2008 vom 19. März 2008 E. 4.1), insbesondere wenn absehbar ist, dass eine bedingte Entlassung mit grosser Wahrscheinlichkeit erfolgen dürfte (Urteil 1B_122/2009 vom 10. Juni 2009 E. 2.3).
Die Vorinstanz geht davon aus, dass in Berücksichtigung der vorausgegangenen Untersuchungshaft und des vorzeitigen Strafantritts die Freiheitsstrafe im Mai 2017 endet. Die konkreten Umstände des Falles gebieten es nicht, vom Grundsatz der Nichtberücksichtigung einer möglichen Entlassung abzuweichen. Es kann diesbezüglich auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden, in welchem die Vorinstanz eine ungünstige Legalprognose mit nachvollziehbaren Gründen bejaht.
4.3
Die Annahme von Fluchtgefahr setzt ernsthafte Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person sich durch Flucht dem
BGE 143 IV 160 S. 167
Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entziehen könnte (
Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO
). Im Vordergrund steht dabei eine mögliche Flucht ins Ausland, denkbar ist jedoch auch ein Untertauchen im Inland (Urteil 1B_387/2016 vom 17. November 2016 E. 5.2). Bei der Bewertung, ob Fluchtgefahr besteht, sind die gesamten konkreten Verhältnisse zu berücksichtigen. Es müssen Gründe bestehen, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Schwere der drohenden Strafe ist zwar ein Indiz für Fluchtgefahr, genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen (
BGE 125 I 60
E. 3a; Urteil 1B_368/2016 vom 1. November 2016 E. 2.2). Miteinzubeziehen sind die familiären und sozialen Bindungen, die berufliche und finanzielle Situation und die Kontakte zum Ausland. Selbst bei einer befürchteten Reise in ein Land, welches die beschuldigte Person grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (Urteile 1B_387/2016 vom 17. November 2016 E. 5.2; 1B_157/2015 vom 27. Mai 2015 E. 3.1 und 1B_325/2014 vom 16. Oktober 2014 E. 3.1). Die Wahrscheinlichkeit einer Flucht nimmt in der Regel mit zunehmender Verfahrens- bzw. Haftdauer ab, da sich auch die Dauer des allenfalls noch abzusitzenden strafrechtlichen Freiheitsentzugs mit der bereits geleisteten prozessualen Haft, die auf die mutmassliche Freiheitsstrafe anzurechnen wäre (
Art. 51 StGB
), kontinuierlich verringert (Urteil 1B_281/2015 vom 15. September 2015 E. 2.2).
Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 13. November 2012 in Untersuchungshaft und damit bereits seit annähernd 4 1⁄2 Jahren in Haft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug. Mit Blick auf die zweitinstanzlich ausgesprochene Freiheitsstrafe von 4 1⁄2 Jahren hat die Fluchtgefahr, soweit sie mit der drohenden Strafe begründet wird, erheblich abgenommen. Auch wenn die von der Vorinstanz angeführten konkreten Umstände mitberücksichtigt werden, lässt sich angesichts eines noch drohenden Strafrestes von zwei Monaten eine weitere Aufrechterhaltung der Haft nicht mehr rechtfertigen. Sie lässt sich aber auch - wie unter E. 4.1 dargelegt wurde - nicht mit dem pauschalen Hinweis darauf begründen, dass bei einer Haftentlassung "der Zweck der bundesgerichtlichen Überprüfung des Berufungsurteils mit Blick auf die von der Oberstaatsanwaltschaft angestrebte Verwahrung des Beschuldigten vereitelt" würde.
4.4
Andere Haftgründe macht die Vorinstanz nicht geltend; und es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, deren allfällige Voraussetzungen von Amtes wegen zu prüfen. (...) | mixed |
54b128b7-83af-490d-a019-a06501187d4f | Sachverhalt
ab Seite 32
BGE 123 I 31 S. 32
A.-
W. befindet sich aufgrund einer Verfügung der Haftrichterin am Bezirksgericht Zürich seit dem 18. Dezember 1996 in Untersuchungshaft.
BGE 123 I 31 S. 33
Am 16. Januar 1997 reichte er ein Haftentlassungsgesuch ein. Die Haftrichterin am Bezirksgericht Zürich erliess am 21. Januar 1997 folgende Verfügung:
"1. Das Haftentlassungsgesuch vom 16. Januar 1997 wird abgewiesen.
2. Die Haft dauert fort bis 19. März 1997.
3. Dem Angeschuldigten wird die Auflage erteilt, bis zum 19. März 1997 kein neues Gesuch um Aufhebung der Haft zu stellen, widrigenfalls nicht darauf eingetreten wird.
4. ... (Mitteilung)
5. Dieser Entscheid ist endgültig."
Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich verdächtigen W. dringend des Betruges. Sie nehmen ausserdem Kollusionsgefahr und Fluchtgefahr an.
B.-
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 27. Januar 1997 stellt W. folgende Anträge:
"1. Es sei das Bezirksgericht Zürich anzuweisen, den Beschwerdeführer sofort auf freien Fuss zu setzen.
Eventuell:
2. Es seien Ziff. 2 und 3 der Verfügung des Haftrichters vom 21.1.1997 (Haftanordnung bis 19.3. 1997/kein weiteres Gesuch bis dahin) aufzuheben
und
3. Es sei den zürcherischen Behörden eine kurze Frist zur Vornahme der allenfalls noch erforderlichen Untersuchungshandlungen anzusetzen, mit der Androhung, dass im Säumnisfall der Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen sei."
Die Bezirksanwaltschaft Zürich und die Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerdeschrift an mehreren Stellen, die angefochtene Verfügung sei ungenügend begründet, weshalb sein Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei.
b) Die Verfügung des Haftrichters enthält keine Darstellung des Tatverdachts und im Zusammenhang mit der Kollusionsgefahr keinen Hinweis darauf, welche Untersuchungsmassnahmen noch getroffen werden müssen; der blosse Hinweis, weitere Geschädigte müssten noch überprüft werden, genügt für sich allein nicht, um die
BGE 123 I 31 S. 34
Annahme der Kollusionsgefahr zu begründen. Der Haftrichter verweist aber unter anderem auf den Antrag der Bezirksanwaltschaft auf Ablehnung des Haftentlassungsgesuches und Fortsetzung der Untersuchungshaft vom 17. Januar 1997.
c) Das rechtliche Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung eines Entscheids muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann (
BGE 112 Ia 109
E. b, mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 114 Ia 242
E. 2d). Das Bundesgericht entschied mehrmals, die aus
Art. 4 BV
abgeleitete Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs verleihe den Parteien keinen Anspruch auf eine ausführliche schriftliche Urteilsbegründung. So sei es grundsätzlich zulässig, dass das angefochtene Urteil auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils verweise. Die Parteien könnten ein Urteil sachgerecht anfechten, wenn sie die Urteilsmotive wenigstens im vorinstanzlichen Urteil nachlesen könnten. Ein blosser Hinweis auf "die Akten" im zweitinstanzlichen Urteil genüge jedoch in keinem Fall als Begründung und verletze
Art. 4 BV
(
BGE 111 Ia 4
E. 4a mit Hinweisen;
BGE 103 Ia 409
E. 3a;
98 Ia 464
E. 5a).
d) Die Bezirksanwaltschaft begründete in ihrem Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vom 17. Januar 1997 den dringenden Tatverdacht zusammengefasst damit, der Beschwerdeführer habe in deutschen Tageszeitungen Kreditinteressenten gesucht, die interessierten Personen in Zürich unter einem falschen Namen getroffen und sie in stundenweise gemieteten Büroräumen in Zürich zusammen mit X. veranlasst, Honorare und Kautionen in unbestimmter, sicher aber Fr. 60'000.-- übersteigender Höhe zu bezahlen. Zwei der geschädigten Personen seien bisher den Strafverfolgungsbehörden bekannt (Y. und P.), der Beschwerdeführer habe aber mit Sicherheit gegenüber weiteren Personen entsprechend gehandelt, was von einer Zeugin beobachtet worden sei und aus Unterlagen des Beschwerdeführers hervorgehe. Die Kollusionsgefahr ergebe sich daraus, dass der Beschwerdeführer nach einer Freilassung mit seinem mutmasslichen Mittäter X. und den zum Teil noch unbekannten Geschädigten Kontakt aufnehmen könnte. Fluchtgefahr müsse angenommen werden, weil der Beschwerdeführer nach einer Freilassung zu seiner Familie nach Deutschland ausreisen wolle.
BGE 123 I 31 S. 35
Diese Ausführungen genügen in formeller Hinsicht als Begründung dafür, den Beschwerdeführer vorläufig nicht aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Der Beschwerdeführer konnte die Verfügung des Haftrichters sachgerecht anfechten, was er mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde auch getan hat. Seine Rüge, der Haftrichter habe die Begründungspflicht verletzt und ihm damit das rechtliche Gehör verweigert, erweist sich als unbegründet.
3.
a) Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei. Soweit jedoch reine Verfahrensfragen zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur bei Willkür ein (
BGE 117 Ia 74
E. 1;
BGE 115 Ia 297
E. 1b, je mit Hinweisen).
b) Gemäss § 58 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess (Strafprozessordnung; StPO) darf Untersuchungshaft nur angeordnet werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, er werde sich der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen (Ziff. 1), Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden (Ziff. 2), oder nachdem er bereits zahlreiche Verbrechen oder erhebliche Vergehen verübt hat, erneut solche Straftaten begehen (Ziff. 3).
c) Die in
§ 58 Abs. 1 Ziff. 2 StPO
erwähnte Kollusion bedeutet, dass sich der Beschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst. Die Untersuchungshaft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass ein Angeschuldigter die Freiheit oder einen Urlaub dazu missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhaltes zu vereiteln oder zu gefährden. Jedoch genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, nicht, um die Fortsetzung der Haft oder die Nichtgewährung von Urlauben unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für eine solche Gefahr sprechen (
BGE 117 Ia 257
E. 4b, 4c, mit Hinweisen auf unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts).
BGE 123 I 31 S. 36
Der Beschwerdeführer hält der Darstellung der Bezirksanwaltschaft zunächst entgegen, nach X. werde weder von den schweizerischen noch von den deutschen Strafverfolgungsbehörden gefahndet. Den deutschen Behörden sei sein Aufenthaltsort bekannt. Der Beschwerdeführer unterlässt es jedoch, für seine Behauptung irgendeinen Beweis oder Beleg zu nennen. Die Behauptung des Beschwerdeführers erfüllt deshalb die Anforderungen an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
nicht, weshalb insoweit nicht darauf einzutreten ist.
Der Beschwerdeführer verweist zutreffend auf den Umstand, dass ausser Y. und P. keine weiteren Geschädigten bekannt sind. Wie die Bezirksanwaltschaft ausführt, steht aber fest, dass der Beschwerdeführer gegen mehrere weitere Personen in der gleichen Weise vorgegangen ist wie gegen Y. und P.. In der Strafuntersuchung wird es in der nächsten Zeit darum gehen, die weiteren geschädigten Personen zu ermitteln. Unter diesen Umständen muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, d.h. es bestehen konkrete Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer, würde er jetzt freigelassen, mit einzelnen oder mit allen bisher unbekannten Geschädigten in Kontakt treten und sie davon abhalten könnte, sich gegenüber den Behörden als Geschädigte zu bekennen. Zumindest in dieser Hinsicht besteht weiterhin Kollusionsgefahr, und die entsprechende Rüge erweist sich als unbegründet, soweit sie zulässig ist.
d) Die kantonalen Behörden nehmen ausser Kollusionsgefahr auch Fluchtgefahr an. Der Beschwerdeführer erklärt selbst in seiner Beschwerdeschrift, er wolle nach einer Freilassung sofort nach Deutschland zurückkehren, um seine in Not geratene Familie nach Kräften zu unterstützen.
Gestützt auf den Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland zu Art. 6 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1, S. 14) ist die Auslieferung eines Deutschen aus der Bundesrepublik Deutschland an einen andern Staat nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig und muss daher in jedem Fall abgelehnt werden. Gemäss
Art. 6 Ziff. 2 EAUe
ist die Bundesrepublik Deutschland aber verpflichtet, die Strafsache ihren eigenen Behörden zu unterbreiten. Voraussetzung dafür ist ein förmliches Rechtshilfegesuch der schweizerischen Behörden.
Nach der bisher nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts lehnt das Bundesgericht die Lehrmeinung (s. Martin Schubarth, Die Rechte des Beschuldigten
BGE 123 I 31 S. 37
im Untersuchungsverfahren, insbesondere bei Untersuchungshaft, Bern 1973, S. 85) ab, wonach die blosse Fluchtgefahr die Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen vermag, wenn als Ziel der Flucht nur oder vor allem ein Land in Betracht fällt, das nötigenfalls die Auslieferung bewilligen oder selbst die Beurteilung der Sache übernehmen würde. Dem Staat, welchem die Strafhoheit zusteht, ist es nicht zuzumuten, auf die Sicherung der Person des Angeschuldigten zu verzichten und bei dessen Flucht den langwierigen Weg des Auslieferungsbegehrens oder eines Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung zu beschreiten. Ob in einem bestimmten Fall Fluchtgefahr besteht, ist demnach grundsätzlich in bezug auf das in der Schweiz geführte Strafverfahren (und allenfalls Vollzugsverfahren) zu überprüfen (vgl. das auszugsweise in SJIR 1985 S. 285 veröffentliche Urteil des Bundesgerichts vom 11. Dezember 1984 i.S. Kühnis, E. 2b).
Die vom Beschwerdeführer selbst zugegebene Absicht, nach einer Entlassung aus der Haft nach Deutschland zu reisen, genügt für die Annahme der Fluchtgefahr, obwohl die Bundesrepublik Deutschland allenfalls selbst ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer durchführen müsste. Die Behörden des Kantons Zürich erkannten deshalb zu Recht, es bestehe Fluchtgefahr im Sinne von
§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO
. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich auch in dieser Beziehung als unbegründet.
4.
a) Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die in Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung angeordnete Sperrfrist von fast zwei Monaten, um ein neues Gesuch um Haftentlassung zu stellen. Er beruft sich auf einen Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte in EuGRZ 15 (1988) 506 sowie auf die Recommandation No R (80) 11 des Europarates vom 27. Juni 1980 und macht geltend, eine Sperrfrist, welche 30 Tage überschreite, verstosse gegen
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
.
b) Gemäss
§ 64 StPO
kann der Angeschuldigte "jederzeit" ein Gesuch um Aufhebung der Untersuchungshaft stellen. Vorbehalten wird allerdings
§ 66 StPO
. Dieser lautet wie folgt:
"Der Haftrichter kann bei Anordnung der Untersuchungshaft und bei Abweisung eines Gesuches um Aufhebung der Haft einen Zeitpunkt bestimmen, bis zu welchem kein beziehungsweise kein neues Gesuch zugelassen wird."
c) Nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren
BGE 123 I 31 S. 38
zu beantragen, in dem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird (vgl. auch die analoge Bestimmung in Art. 9 Ziff. 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 [UNO-Pakt II; SR 0.103.2, AS 1993 750]). Ist die Entscheidung, mit der dem Betroffenen die Freiheit entzogen wird, von einem Verwaltungsorgan getroffen worden, kann dieser ohne weiteres eine gerichtliche Prüfung der Rechtmässigkeit der Haft verlangen; wenn ursprünglich der Entscheid über die Freiheitsentziehung von einem Gericht ausgeht, kann es angesichts der Natur des in Frage stehenden Freiheitsentzuges notwendig sein, dass die Rechtmässigkeit in vernünftigen Abständen überprüft wird (
BGE 116 Ia 60
E. 2, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung der Strassburger Instanzen).
Der Angeschuldigte hat schon gestützt auf die persönliche Freiheit das Recht, jederzeit oder zumindest "in vernünftigen Abständen" ein Haftentlassungsgesuch zu stellen und nötigenfalls eine richterliche Haftprüfung zu beantragen. Dabei muss er insbesondere das Vorliegen ausreichender Haftgründe und die Verhältnismässigkeit der Haft überprüfen lassen können (
BGE 117 Ia 72
E. 1d, 372 E. 3a;
BGE 116 Ia 60
E. 2). Für die Frage, welche Abstände zwischen periodischen Haftprüfungen als "vernünftig" anzusehen sind, kommt es auf die Verhältnisse des konkreten Falles und auf die Besonderheiten der anwendbaren Prozessvorschriften an (VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, S. 307, N. 350; MANFRED NOWAK, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll - CCPR-Kommentar, Kehl etc. 1989, N 45 zu Art. 9; vgl. auch die Recommandation No R [80] 11 des Ministerkomitees des Europarates, Ziff. 14, die von "intervalles assez courts" spricht). Während relativ lange Abstände angebracht und zulässig sind, wenn es sich um die Unterbringung eines Geisteskranken handelt, dürfen diese Abstände nur verhältnismässig kurz sein, wenn der Betroffene sich unter dem Verdacht der Begehung einer Straftat in Untersuchungshaft befindet. Eine Sperrfrist von einem Monat, um ein neues Gesuch um Entlassung aus der Untersuchungshaft zu stellen, verstösst grundsätzlich nicht gegen
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
(Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 15. November 1996 i.S. Silva Rocha gegen Portugal, E. 31, 32, 82/1995/588/674, und vom 25. Oktober 1989 i.S. Bezicheri gegen Italien, Serie A Nr. 164, E. 21; Bericht der
BGE 123 I 31 S. 39
Europäischen Kommission für Menschenrechte in derselben Sache vom 10. März 1988, E. 38, veröffentlicht auch in EuGRZ 15 [1988] 506; vgl. auch Stefan Trechsel, Liberty and Security of Person, in: MACDONALD/MATSCHER/PETZOLD, The European System for the Protection of Human Rights, Dordrecht etc. 1993, S. 277-344, S. 323).
d)
§ 66 StPO
sagt über die zulässige Höchstdauer der Sperrfrist für neue Haftentlassungsgesuche nach zürcherischem Strafprozessrecht nichts aus. Auch die Gründe für die Anordnung einer Sperrfrist werden im Gesetz nicht genannt. Die neue Literatur zum zürcherischen Strafprozessrecht hält eine Sperrfrist von einem Monat für zulässig. Eine längere Sperrfrist sei nur ausnahmsweise bei besonderen Umständen gerechtfertigt, nämlich dann, wenn den im Verlaufe des Verfahrens sich wandelnden tatsächlichen Verhältnissen mit Blick auf den Tatverdacht wie den besonderen Haftgrund auch so ausreichend Rechnung getragen werden könne. Möglich sei dies beispielsweise nach einem glaubwürdigen, zumindest teilweise überprüften Geständnis des Angeschuldigten, sofern die Flucht-Kollusions- oder Wiederholungsgefahr aller Voraussicht nach auch in Zukunft unverändert gross sei. Eine drei Monate übersteigende Sperrfrist sei generell konventions- und verfassungswidrig (DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996, § 66 N. 8). Dem Interesse des Untersuchungsgefangenen an einer Überprüfung der Untersuchungshaft in regelmässigen, vernünftigen Abständen steht das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Nichtzulassung rechtsmissbräuchlicher, trölerischer oder offensichtlich unzulässiger Gesuche entgegen. Das Interesse der Strafverfolgungsbehörden ist indessen grundsätzlich geringer zu bewerten, denn es steht dem Haftrichter frei, auf rechtsmissbräuchliche, trölerische oder offensichtlich unzulässige Gesuche nicht einzutreten oder offensichtlich unbegründete Gesuche mit bloss summarischer Begründung abzuweisen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom 8. April 1994 i.S. A., E. 3b, in EuGRZ 21 [1994] 491).
e) Im vorliegenden Fall begründete die Haftrichterin die zweimonatige Sperrfrist allein damit, der Beschwerdeführer habe innerhalb eines Monats drei Gesuche um Haftentlassung gestellt und damit die Strafuntersuchung unnötig behindert. Diese Begründung nimmt keinen Bezug auf den Stand der Strafuntersuchung. Auch lässt sich daraus nicht entnehmen, ob die weiteren noch erforderlichen Untersuchungshandlungen frühestens nach zwei Monaten abgeschlossen sein werden und ob die Flucht- oder die Kollusionsgefahr noch so
BGE 123 I 31 S. 40
lange andauern werden. Die Sperrfrist von zwei Monaten für die Einreichung eines neuen Gesuchs um Entlassung aus der Untersuchungshaft erweist sich unter diesen Umständen als übersetzt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in dieser Hinsicht begründet. Die angefochtene Verfügung ist deshalb soweit aufzuheben, als die Untersuchungshaft bis mindestens am 19. März 1997 verlängert und eine Sperrfrist bis zum gleichen Datum angeordnet wurde.
5.
Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich, den kantonalen Behörden sei eine kurze Frist anzusetzen, innerhalb welcher sie die allenfalls noch erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen hätten; die Fristansetzung sei mit der Androhung zu verbinden, dass im Säumnisfall der Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen sei.
Beim gegenwärtigen Stand der Untersuchung lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen, wieviel Zeit für die noch erforderlichen Untersuchungshandlungen nötig sein wird. Weil das Bundesgericht die von der Haftrichterin angeordnete Sperrfrist aufhebt, kann der Beschwerdeführer die Untersuchungshaft jederzeit überprüfen lassen, gegebenenfalls auch durch das Bundesgericht. Damit erübrigt es sich, den kantonalen Behörden eine Frist anzusetzen, bis zu welcher sie die noch erforderlichen Untersuchungen vornehmen müssen. | mixed |
b52d0b96-73a2-45ca-813e-7a55bcab5d8f | Sachverhalt
ab Seite 316
BGE 143 IV 316 S. 316
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, eröffnete am 26. Januar 2017 gegen A., der in der Schweiz Asyl beantragt und mehrere Wochen in einem Durchgangszentrum für Asylsuchende gewohnt hatte, eine Strafuntersuchung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (
Art. 264a StGB
), eventuell an
BGE 143 IV 316 S. 317
derer noch zu bestimmender Verbrechen. Er wird verdächtigt, als ehemaliger Innenminister der Republik Gambia unter dem Regime von Yahya Jammeh zwischen 2006 und September 2016 für Folterhandlungen in Gambia durch ihm unterstellte Polizeikräfte, ihm unterstelltes Gefängnispersonal oder diesen nahestehende Gruppen (namentlich die sog. "Junglers") verantwortlich zu sein.
B.
Am 28. Januar 2017 ordnete das regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland Untersuchungshaft bis zum 25. April 2017 an. Am 3. Februar 2017 übernahm die Bundesanwaltschaft (BA) die Strafuntersuchung. Die gegen die Anordnung der Untersuchungshaft erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht am 24. Februar 2017 ab; dieser Beschluss blieb unangefochten.
C.
Mit Haftverlängerungsgesuch vom 21. April 2017 beantragte die Bundesanwaltschaft beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern die Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 25. Juli 2017 wegen Verdachts der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schwerer Körperverletzung (
Art. 122 StGB
) sowie Gefährdung des Lebens (
Art. 129 StGB
) u.a. Das Gesuch wurde am 2. Mai 2017 gutgeheissen. Die von A. dagegen erhobene Beschwerde wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Beschluss vom 31. Mai 2017 ab.
D.
A. führt gegen die bis zum 25. Juli 2017 bewilligte Verlängerung der Untersuchungshaft Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 31. Mai 2017 aufzuheben und ihn umgehend aus der Haft zu entlassen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
Das Bundesstrafgericht beantragt unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Zwangsmassnahmengericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Bundesanwaltschaft beantragt mit Stellungnahme vom 12. Juli 2017 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, unter Kostenfolge zu Lasten des Beschwerdeführers. Dazu hat sich der Beschwerdeführer mit Replik vom 21. Juli 2017 geäussert. Er hält vollumfänglich an seinen Anträgen fest.
E.
Am 21. Juli 2017 beantragte die Bundesanwaltschaft die Haftverlängerung um weitere drei Monate bis zum 25. Oktober 2017. Das Zwangsmassnahmengericht hiess das Gesuch am 31. Juli 2017 gut.
BGE 143 IV 316 S. 318 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Untersuchungshaft ist nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und zudem ein besonderer Haftgrund (Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr) gegeben ist (
Art. 221 Abs. 1 StPO
; zur Präventivhaft vgl.
Art. 221 Abs. 2 StPO
). Die Untersuchungshaft muss verhältnismässig sein (
Art. 197 Abs. 1 lit. c und d StPO
) und darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (
Art. 212 Abs. 3 StPO
).
Der Beschwerdeführer bringt vor, es bestehe kein dringender Tatverdacht. Die Kollusions- und Fluchtgefahr wird von ihm nicht bestritten. Die Vorinstanz hat das Vorliegen dieser beiden besonderen Haftgründe bejaht. Es besteht kein Anlass, von dieser Beurteilung abzuweichen.
3.
3.1
Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes (Art. 221 Abs. 1 Ingress StPO) keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder Vergehen und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen, die Justizbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das untersuchte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (vgl.
BGE 137 IV 122
E. 3.2 S. 126;
BGE 116 Ia 143
E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (
Art. 31 Abs. 3-4 BV
,
Art. 5 Abs. 2 StPO
) lässt hier nur wenig Raum für Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts bzw. zur Schuldfrage hat das Bundesgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen noch dem erkennenden Strafrichter vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (vgl.
BGE 137 IV 122
E. 3.2 S. 126 f.;
BGE 124 I 208
E. 3 S. 210 mit Hinweisen).
3.2
Bei Beginn der Strafuntersuchung sind die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht geringer als in späteren Stadien. Im
BGE 143 IV 316 S. 319
Laufe des Strafverfahrens ist ein immer strengerer Massstab an die Erheblichkeit und Konkretheit des Tatverdachts zu stellen. Nach Durchführung der in Betracht kommenden Untersuchungshandlungen muss eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheinen (
BGE 137 IV 122
E. 3.1 und 3.3 S. 126 f. mit Hinweis; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, Rz. 902).
3.3
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (
Art. 10 Abs. 2,
Art. 31 BV
) wegen strafprozessualer Haft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung der StPO frei.
Art. 98 BGG
gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung (
BGE 140 IV 57
E. 2.2 S. 60;
BGE 138 IV 186
E. 1.2 S. 189;
BGE 137 IV 122
E. 2 S. 125,
BGE 137 IV 340
E. 2.4 S. 346). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG
beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m.
Art. 105 Abs. 2 BGG
;
BGE 135 I 71
E. 2.5 S. 73 f.).
4.
Der Beschwerdeführer bringt vor, es fehlten hinreichende Anhaltspunkte, die einen dringenden Tatverdacht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach
Art. 264a StGB
zu begründen vermöchten. Insbesondere bestehe kein Verdacht eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung Gambias zwischen 2006 und September 2016.
4.1
Das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 trat für die Schweiz am 1. Juli 2002 in Kraft (SR 0.312.1; nachfolgend: IStGH-Statut). Der Gerichtshof ist zuständig für die Verfolgung und Beurteilung von "schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren" (Präambel Abs. 4 und 9 IStGH-Statut), d.h. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (Art. 6-8 IStGH-Statut) sowie Verbrechen der Aggression (Art. 8
bis
IStGH-Statut; für die Schweiz in Kraft seit 10. September 2016; AS 2015 3825), wobei er gemäss dem Grundsatz der Komplementarität nur tätig wird, wenn die für die Strafverfolgung in erster Linie zuständigen innerstaatlichen Behörden eines Vertragsstaats nicht willens oder nicht in der Lage sind, eines der oben genannten Verbrechen, das auf ihrem Hoheitsgebiet oder von einem ihrer Staatsangehörigen begangen wird, ernsthaft zu verfolgen (Präambel Abs. 10, Art. 1 und Art. 17 IStGH-Statut;
BGE 143 IV 316 S. 320
Botschaft vom 23. April 2008 über die Änderung zur Umsetzung des Römer Statuts [...], BBl 2008 3870 Ziff. 1.1.1; vgl., je mit weiteren Nachweisen,KAI AMBOS, Internationales Strafrecht, 4. Aufl. 2014, § 8 N. 10 ff.; WILLIAMS/SCHABAS, in: Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, Triffterer/Ambos [Hrsg.],3. Aufl. 2016, N. 1 ff. zu Art. 17 IStGH-Statut; KÄLIN/KÜNZLI, Universeller Menschenrechtsschutz, 3. Aufl. 2013, Rz. 592 ff.).
4.2
Da die schweizerische Rechtsordnung keinen ausdrücklichen Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit kannte (BBl 2008 3920 f. Ziff. 2.1.4.2; CP, Code pénal, Dupuis/Moreillon und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, N. 1 zu
Art. 264a StGB
), wurde in der Folge mit dem Bundesgesetz vom 18. Juni 2010 zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (AS 2010 4963; BBl 2008 3863 ff.; in Kraft seit 1. Januar 2011) der Besondere Teil des StGB um
Art. 264a StGB
(Verbrechen gegen die Menschlichkeit) ergänzt sowie um zwei neue Titel betreffend Kriegsverbrechen (
Art. 264b-264j StGB
) und gemeinsame Bestimmungen (
Art. 264k-264n StGB
) erweitert (zu sonstigen Änderungen vgl. HANS VEST, in: Die völkerstrafrechtlichen Bestimmungen des StGB - Kommentar [nachfolgend: Kommentar], Vest und andere [Hrsg.], 2014, Systematische Einleitung, N. 5). Durch die Schliessung materieller Strafrechtslücken wurde unter anderem das Risiko verringert, dass aufgrund ungenügender innerstaatlicher Gesetzesgrundlagen die Verfahrenshoheit an den IStGH übergeht und dass eine Person, die im Ausland Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begangen hat, die Schweiz als Zufluchtsort missbraucht (BBl 2008 3879 Ziff. 1.3.1.1 und 3894 Ziff. 1.3.2.2; vgl. zum Ganzen VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 10 zu
Art. 264a StGB
; LAURENT MOREILLON, La Suisse et les crimes contre l'humanité, in: Droit pénal humanitaire, Moreillon/Bichovsky/Massrouri [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, S. 467 ff., 481 ff.).
4.3
Der objektive Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Massenverbrechen, die gegen die Zivilbevölkerung begangen werden, setzt die Verwirklichung von (mindestens) einer der in
Art. 264a Abs. 1 lit. a bis j StGB
beschriebenen Handlungen (Einzeltaten) voraus (DONATSCH/WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl. 2011, S. 268; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 16 zu
Art. 264a StGB
). Im vorliegenden Fall wird dem Beschwerdeführer Folter vorgeworfen (
Art. 264a Abs. 1 lit. f StGB
; dazu nachfolgend E. 4.6). Diese Einzeltaten werden zu Verbrechen gegen die
BGE 143 IV 316 S. 321
Menschlichkeit, wenn sie
im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung
(Gesamttaten) erfolgen (dazu im Einzelnen E. 4.5). Im
Zusammenhang
mit den Gesamttaten (Kontextelemente) erlangen die Einzeltaten eine "neue Unrechtsdimension" (GERHARD WERLE, Völkerstrafrecht, 3. Aufl. 2012, N. 860) und betreffen nicht allein die einzelnen Opfer, sondern durch das Infragestellen oder Negieren internationaler Standards der Menschlichkeit bzw. grundlegender Menschenrechte sowie durch die Bedrohung von Frieden und Sicherheit auch überindividuelle Interessen und kollektive Rechtsgüter und insoweit die Völkergemeinschaft als Ganzes (vgl.
BVGE 2010/43
E. 5.3.3.2; AMBOS, a.a.O., § 7 N. 173; ROBERT KOLB, in: Droit international pénal, Kolb/Scalia [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, S. 99 ff.; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 15 zu
Art. 264a StGB
; WEHRENBERG/EHLERT, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 10 zu
Art. 264a StGB
; GISELA MANSKE, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verbrechen an der Menschheit, 2003, S. 332 ff.; je mit weiteren Nachweisen). Menschlichkeitsverbrechen erweisen sich insoweit sowohl als "Individualverbrechen mit kriminellem systemischem Hintergrund" als auch als "Systemdelikte mit kriminellem aktionalem Vordergrund" (ERNST-JOACHIM LAMPE, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in: Festschrift Günter Kohlmann, 2003, S. 159 ff. und 168 ff. [zit. nach VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 17 zu
Art. 264a StGB
]).
4.4
In subjektiver Hinsicht muss die Gesamttat vom Vorsatz des Täters umfasst sein (vgl. auch Art. 30 IStGH-Statut; WERLE, a.a.O., N. 893). Der Täter muss in Kenntnis des Angriffs gegen die Zivilbevölkerung gehandelt haben, wobei es genügt, dass er sich zumindest bewusst war, ohne jedoch notwendigerweise Einzelheiten der Planung der Politik des Staates oder der Organisation zu kennen (AMBOS, a.a.O., N. 198), dass die Begehung seines Verbrechens Teil der grösseren Dimension eines Angriffs gegen die Zivilbevölkerung war; das Wissen kann auch aus den Tatumständen abgeleitet werden (BBl 2008 3922 Ziff. 2.1.4.2 mit Hinweis).
4.5
4.5.1
Zu den allgemeinen Tatbestandselementen von
Art. 264a Abs. 1 StGB
(sog. Chapeauelemente oder
chapeau
) gilt es Folgendes zu präzisieren:
4.5.2
Unter einem
Angriff
ist die Begehung (oder das absichtliche Nichtverhindern der Begehung; so ausdrücklich BBl 2008 3921 f. Ziff. 2.1.4.2) der in
Art. 264a Abs. 1 lit. a-j StGB
genannten
BGE 143 IV 316 S. 322
Handlungen gegen die Zivilbevölkerung zu verstehen. Dabei ist unbeachtlich, ob er in Friedens- oder Kriegszeiten bzw. inner- oder ausserhalb eines bewaffneten Konflikts erfolgt. Dem Angriff liegt regelmässig ein planmässiges Vorgehen bzw. die Politik eines Staates oder einer Organisation zu Grunde, welche die Begehung der einzelnen Tat erleichtert und die Gegenwehr erschwert (BBl 2008 3921 Ziff. 2.1.4.2; vgl. auch Art. 7 Abs. 2 Bst. a IStGH-Statut; DUPUIS/MOREILLON UND ANDERE, A.A.O., N. 7 ZU
ART. 264A STGB
; DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 268 [mit Hinweisen zur Rechtsprechung der
Ad-hoc
-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien, ICTY, und Ruanda, ICTR];WEHRENBERG/EHLERT, a.a.O., N. 22 ff. zu
Art. 264a StGB
; vgl. VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 32 ff. zu
Art. 264a StGB
; je mit weiteren Nachweisen). Beim Angriff gegen die Zivilbevölkerung (insbesondere der eigenen; AMBOS, a.a.O., § 7 N. 189 ff.) handelt es sich nicht um einen militärischen Angriff im Sinne des Kriegsvölkerrechts (VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 35 und 65 zu
Art. 264a StGB
mit weiteren Nachweisen); er setzt nicht zwingend Gewaltanwendung voraus (BBl 2008 3921 Ziff. 2.1.4.2; DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 269 mit weiteren Nachweisen).
4.5.3
Die Einzelhandlung muss
im Rahmen
des ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung erfolgen. Sie muss den Angriff gegen die Zivilbevölkerung fördern und insoweit in einem
Zusammenhang
(sog. Nexus) zur Gesamttat stehen (BBl 2008 3922 Ziff. 2.1.4.2; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 23 zu
Art. 264a StGB
; WEHRENBERG/EHLERT, a.a.O., N. 33 zu
Art. 264a StGB
). Bei isolierten Akten ohne Bezug zur Gesamttat liegt kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor (BBl 2008 3922 Ziff. 2.1.4.2; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 59 ff. zu
Art. 264a StGB
). Hingegen wird nicht vorausgesetzt, dass die Einzeltat selbst ausgedehnt oder systematisch ist; unter Umständen kann daher auch eine Einzeltat, sofern sie sich in die Gesamttat einfügt, den Tatbestand von
Art. 264a Abs. 1 StGB
erfüllen (statt vieler KOLB, a.a.O., S. 99; AMBOS, a.a.O., N. 184). Insoweit ist eine mehrfache Tatbegehung gegenüber einer Opfermehrheit nicht vorausgesetzt (BBl 2008 3922 Ziff. 2.1.4.2).
4.5.4
Der Angriff muss
ausgedehnt oder systematisch
sein. Dieser ist alternativ durch seinen Umfang (eine Vielzahl von Opfern; quantitatives Element) oder durch seinen Organisationsgrad gekennzeichnet (qualitatives Element), wobei sich diese Elemente überschneiden können (BBl 2008 3922 Ziff. 2.1.4.2; zum Ganzen AMBOS, a.a.O.,
BGE 143 IV 316 S. 323
N. 184 ff.; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 60 ff. zu
Art. 264a StGB
; WEHRENBERG/EHLERT, a.a.O., N. 29 ff. zu
Art. 264a StGB
; je mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des ICTY).
4.5.5
Der Begriff der
Zivilbevölkerung
erfordert in quantitativer Hinsicht eine Mehrheit von Personen, die gezielt angegriffen werden (z.B. Bewohner eines bestimmten geographischen Gebiets; VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 71 zu
Art. 264a StGB
). Damit scheiden isolierte Delikte gegen Einzelpersonen aus; die Zivilbevölkerung i.S.v.
Art. 264a Abs. 1 StGB
muss nicht die gesamte Bevölkerung eines Gebiets umfassen (VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 67 ff. zu
Art. 264a StGB
; WEHRENBERG/EHLERT, a.a.O., N. 24 zu
Art. 264a StGB
; WERLE, a.a.O., N. 862). Geschützt ist sowohl die gegnerische als auch die eigene Zivilbevölkerung. Die angegriffene Bevölkerung bleibt ziviler Natur, auch wenn sich einzelne Kombattanten unter eine Gruppe mischen (DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 269 f.). Im Schrifttum wird zudem die Auffassung vertreten, dass Polizeipersonen sowie - in Friedenszeiten - Militärpersonen der Zivilbevölkerung zuzuordnen seien (AMBOS, a.a.O., N. 191; differenzierend VEST, in: Komentar, a.a.O., N. 77 zu
Art. 264a StGB
). Dies spricht für eine weite Auslegung des Begriffs der Zivilbevölkerung.
4.6
Das schweizerische Recht kannte bis anhin keinen eigenen Foltertatbestand; in der Praxis behalf man sich mit einer Kombination der Freiheitsberaubung mit einer Körperverletzung und einer Nötigung (BBl 2008 3927 zu Art. 264a Abs. 1 Bst. b). Nach
Art. 264a Abs. 1 lit. f StGB
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung einem unter seinem Gewahrsam oder seiner Kontrolle stehenden Menschen
grosse Leiden oder eine schwere Schädigung des Körpers oder der physischen oder psychischen Gesundheit
zufügt. Im Unterschied zum Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105; für die Schweiz in Kraft seit 26. Juni 1987) setzt
Art. 264a Abs. 1 lit. f StGB
nicht voraus, dass die Folter einem Zweck gedient haben muss und der Täter in offizieller Funktion gehandelt hat (VEST/SUTTER, in: Kommentar, a.a.O., N. 365 ff. zu
Art. 254a StGB
; WEHRENBERG/EHLERT, a.a.O., N. 58 zu
Art. 264a StGB
). Das Leiden oder die Schädigung durch Folter (zu den Formen im Einzelnen vgl. DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 275; VEST/SUTTER, in: Kommentar, a.a.O., N. 391 ff. zu
Art. 254a StGB
) kann durch Tun oder Unterlassen hervorgerufen
BGE 143 IV 316 S. 324
werden. Dabei sind die konkreten Beweggründe oder Motive des Täters ohne Belang. In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft oder der Täter grausam handelt, kann eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ausgesprochen werden (
Art. 264a Abs. 2 StGB
); in weniger schweren Fällen von Folter kann auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr erkannt werden (
Art. 264a Abs. 3 StGB
).
4.7
Gemäss
Art. 264k StGB
wird nach der gleichen Strafandrohung wie der Täter der Vorgesetzte bestraft, der weiss, dass eine ihm unterstellte Person eine Tat nach
Art. 264-264j StGB
begeht oder begehen wird, und der nicht angemessene Massnahmen ergreift, um diese Tat zu verhindern (Abs. 1). Verhindert der Vorgesetzte die Tat fahrlässig nicht, so ist die Sanktion Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Abs. 2). Vorgesetzte i.S.v.
Art. 264k StGB
sind Kommandanten (para-)militärischer Einheiten, sowie Militär- und Zivilpersonen, die faktisch als Befehlshaber (para-)militärischer Einheiten fungieren oder die als Führungspersonen in Wirtschaft oder Verwaltung Führungsaufgaben innerhalb von Organisationen, Betrieben und Behörden bzw. eine vergleichbare Position innehaben und über Kontrollgewalt und Durchsetzungsmacht ("effektive Kontrolle") verfügen (STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3. Aufl. 2013, N. 2 zu
Art. 264k StGB
; vgl. zum Ganzen ausführlich VEST, in: Kommentar, a.a.O., N. 60 und 67 ff. zu
Art. 264k StGB
).
5.
5.1
Die Vorinstanz hat den dringenden Tatverdacht auf Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf Grund einer umfassenden Würdigung bejaht. Dabei mass sie dem unabhängigen Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter, Juan E. Méndez, vom 16. März 2015 betreffend Gambia (A/HRC/28/68/Add. 4; nachfolgend: UN-Folterbericht), sowie dem unabhängigen Bericht des UN-Sonderberichterstatters über aussergerichtliche, willkürliche oder im Schnellverfahren beschlossene Hinrichtungen, Christof Heyns, vom 11. Mai 2015 betreffend Gambia (A/HRC/29/37/Add. 2), besondere Beachtung bei. Die Berichte würden glaubhaft und stark dafür sprechen, dass in der Zeit, in welcher der Beschwerdeführer Innenminister von Gambia war, zahlreiche Menschen in Gambia Opfer von Folterhandlungen geworden seien. Sie würden auch nahelegen, dass die Anwendung von Folter nicht in isolierten Einzelakten vorgekommen, sondern von der Regierung planmässig als Mittel
BGE 143 IV 316 S. 325
eingesetzt worden sei, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Opposition zu unterdrücken. Die Regierung habe für die Ausführung offenbar verschiedene Organisationen und Gruppen gebildet und beauftragt (insbesondere die National Intelligence Agency, aber auch die "Bulldozers" oder "Junglers"), die der Polizei jedenfalls nahegestanden seien. Dem UN-Folterbericht könne entnommen werden, dass die Polizei in einigen Fällen selbst Folterhandlungen begangen habe. Es sei auch festgestellt worden, dass die Ahnungslosigkeit der Polizei über die Anwendung von Folter durch Polizeiorgane oder ihr nahestehende Gruppen vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft erscheine.
5.2
Weiter führte die Vorinstanz aus, die detaillierten Aussagen von B., einem Offizier der gambischen Armee, der von der National Intelligence Agency sowie von "Junglers" mehrmals gefoltert worden sein soll, und der Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern vom 18. April 2017, in dem festgehalten werde, dass der von der Bundesanwaltschaft gehörte Zeuge am Rücken, am rechten Oberarm, am rechten Unterschenkel sowie an den Sprunggelenken Vernarbungen aufweise, liessen die Verdachtslage - wenn auch nicht erheblich - erhärtet erscheinen. Angesichts des nach wie vor frühen Verfahrensstadium sowie der von der Bundesanwaltschaft mittlerweile vorgenommenen und noch bevorstehenden Ermittlungen und Zeugenbefragungen (ein Rechtshilfeersuchen an Gambia ist derzeit noch hängig) bestehe ein dringender Verdacht gegen den Beschwerdeführer, Verbrechen gegen die Menschlichkeit i.S.v.
Art. 264a StGB
begangen zu haben. Insoweit müsse die Frage des dringenden Tatverdachts in Bezug auf weitere Tatbestände wie der schweren Körperverletzung (
Art. 122 StGB
) sowie der Gefährdung des Lebens (
Art. 129 StGB
) nicht weiter geprüft werden.
6.
6.1
Den Akten kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer ab 2003 Kommandant der Präsidentengarde, von September bis November 2006 Polizeichef und vom 22. November 2006 bis zum 16. September 2016 Innenminister Gambias gewesen war. Zudem wurde er 2012 zum Botschafter in Spanien und Venezuela ernannt, wobei er nach eigenen Aussagen dieses Amt nie angetreten habe.
6.2
Der Beschwerdeführer bringt vor, es könne vorliegend von einem ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung auf Grundlage eines planmässigen Vorgehens bzw. der
BGE 143 IV 316 S. 326
Politik eines Staates oder einer Organisation keine Rede sein. Gemäss den Feststellungen des UN-Folterberichts lägen gerade keine Beweise vor, dass Folterhandlungen der Polizei in einigen individuellen Fällen während der Festnahme oder während des Transfers zu Polizeistationen Teil eines verbreiteten Musters oder einer systematischen Praxis der Polizei gewesen wären.
Der an die Vorinstanz gerichtete Vorwurf, sie verkenne den Tatbestand von
Art. 264a StGB
vollkommen und würdige den UN-Folterbericht einseitig oder gar voreingenommen, ist unbegründet, zumal sie bereits anlässlich der Überprüfung der Haftanordnung im Beschluss BH.2017.1 vom 24. Februar 2017 (in E. 5.3.5) die vom Beschwerdeführer zitierte Passage ausdrücklich berücksichtigt hat.
Damals, wie auch im Rahmen des hier angefochtenen Haftverlängerungsentscheids, gelangte die Vorinstanz zutreffend zum Ergebnis, dass die Aussage des UN-Folterberichts, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, an der Gesamtbeurteilung, dass die Anwendung von Folter von der Regierung planmässig als Mittel eingesetzt worden sei, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Opposition zu unterdrücken, nichts zu ändern vermöge. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich bei den vorinstanzlichen Ausführungen um keine verzerrte Wiedergabe des UN-Folterberichts, der im Wesentlichen zum Schluss gelangte, dass während des Regimes von Yahya Jammeh (unter anderem) die Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte in Gambia im rechtsfreien Raum agierten ("operate without any legal oversight") und ungestraft Menschenrechtsverletzungen begehen konnten, insbesondere Folter, die namentlich im Anfangsstadium von Untersuchungshaft weit verbreitet war und zur Routine gehörte ("prevalent and routine"; vgl. Ziff. 97 f. des UN-Folterberichts). Abgesehen von dieser allgemeinen Einschätzung der Lage in Gambia sind einzelne Aussagen des UN-Folterberichts, der, wie UN-Sonderberichterstatter Méndez ausdrücklich und mit Bedauern hervorhebt, nur unter ausserordentlich schwierigen Umständen erstellt werden konnte, mit einer gewissen Zurückhaltung zu würdigen. Insbesondere wurde den beiden Berichterstattern der Zugang zu dem offenbar für Folterhandlungen an der Zivilbevölkerung berüchtigten Mile 2 Central Prison verweigert. Wie sodann UN-Sonderberichterstatter Heyns in seinem Bericht betont, herrschte eine Atmosphäre der Angst seitens der Zivilbevölkerung (vgl. Ziff. 80). Beide Sonderberichterstatter gaben in ihren Berichten zu verstehen, dass sie über weitergehende Dokumente und Informationen
BGE 143 IV 316 S. 327
verfügen. Die Bundesanwaltschaft hat bereits im März 2017 zwei Rechtshilfeersuchen an den Menschenrechtsbeauftragten der Vereinten Nationen (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) gestellt mit dem Begehren um Einvernahme der beiden UN-Sonderberichtserstatter Méndez und Heyns, die sich im Rahmen ihres Aufenthalts in Gambia 2015 auch mit dem Beschwerdeführer in seiner damaligen Funktion als Innenminister getroffen haben. Es ist anzunehmen, dass die Aussagen dieser Diplomaten zu einer Klärung des dringenden Tatverdachts betreffend Menschlichkeitsverbrechen beitragen können. Das OHCHR hat eine baldige Antwort zugesichert.
6.3
Der Beschwerdeführer wendet weiter ein, der von der Bundesanwaltschaft befragte Zeuge B. sei damals wie heute Angehöriger der Armee. Der Angriff i.S.v.
Art. 264a Abs. 1 StGB
müsse sich jedoch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet haben. Dies sei hier nicht der Fall. B. habe sich als Militärperson an einem Putschversuch gegen das Regime von Yahya Jammeh beteiligt.
Die Vorinstanz hebt zutreffend hervor, dass der Zeuge nicht nur von der Verfolgung von Angehörigen der Armee berichte, sondern auch von Zivilisten. Sodann ist den beiden UN-Berichten zu entnehmen, dass der Angriff überwiegend die Zivilbevölkerung betraf. Wie bereits ausgeführt (E. 4.5.5. hiervor), schliesst der Umstand, dass sich der Angriff auch gegen Angehörige der Armee richtete, eine Subsumtion unter
Art. 264a StGB
nicht aus, zumal der Begriff der Zivilbevölkerung weit auszulegen ist. Insoweit zielen die Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere.
6.4
Der Beschwerdeführer rügt, die ihm vorgeworfenen Handlungen seien weder bestimmt noch individualisiert. Dem angefochtenen Entscheid könne nicht entnommen werden, an welchen Handlungen er, der Beschwerdeführer, in irgendeiner Weise persönlich beteiligt gewesen sei. Es fehle an einer Analyse der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vorgesetzten i.S.v.
Art. 264k StGB
. Der blosse Umstand, dass er einen Ministerposten bekleidet habe, genüge jedenfalls nicht. Dem UN-Folterbericht könne entnommen werden, dass Yahya Jammeh alle Entscheide selber getroffen habe. Die "Junglers" seien dem (ehemaligen) Präsidenten direkt unterstellt gewesen. Als Innenminister habe der Beschwerdeführer keine effektive Kontrolle über die Verwaltung Gambias ausgeübt; sodann habe sich das Folteropfer B. niemals unter seinem Gewahrsam oder seiner Kontrolle befunden.
BGE 143 IV 316 S. 328
Es ist nicht Aufgabe des vorliegenden Verfahrens, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen einer abschliessenden rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Zu prüfen ist hier ausschliesslich, ob ein dringender Tatverdacht gegenüber dem Beschwerdeführer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit besteht. Angesichts des frühen Verfahrensstadiums, der internationalen Dimension der Untersuchung und des spezifischen Tatvorwurfs der Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann, wie die Vorinstanz zu Recht hervorhebt, nicht verlangt werden, dass dem Beschwerdeführer bereits im Einzelnen genau bestimmte Handlungen vorgeworfen werden. Ob diese auch in zeitlicher Hinsicht, d.h. nach Inkrafttreten des
Art. 264a StGB
am 1. Januar 2011, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifiziert werden können, wird im Laufe der Untersuchung noch zu klären sein. Dazu hat die Bundesanwaltschaft ausgeführt, die Ermittlungen würden sich auf Taten zwischen 2006 bis 2016 konzentrieren. Dass sie (bisher) nur Taten angeführt hat, die sich vor dem 1. Januar 2011 ereignet haben sollen (z.B. die Zeugenaussage von B. betreffend Handlungen im Jahr 2006), vermag, wie sogleich auszuführen sein wird, den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften, und kann - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - für sich allein, jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstadium, auch nicht zu einer Haftentlassung führen.
Der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft vom 12. Juli 2017 sowie den weiteren Akten kann entnommen werden, dass die Behörde intensiv ermittelt. Inzwischen erfolgten Rechtshilfeersuchen an Gambia und an internationale Behörden (wobei insbesondere die gambischen Behörden eine baldige Übermittlung der von der Bundesanwaltschaft ersuchten Informationen in Aussicht gestellt haben; zum Verfahrensstand beim OHCHR vgl. bereits E. 6.2 hiervor). Abgesehen von der Befragung von B. wurden sodann zwischenzeitlich weitere Zeugen und Privatkläger einvernommen (zudem sind weitere Befragungen geplant). Es ist zu erwarten, dass deren Ergebnisse zu einer Klärung des Tatverdachts beitragen werden. Ohne der weiteren Untersuchung vorzugreifen, ist jedenfalls festzustellen, dass die Bundesanwaltschaft bereits im jetzigen frühen Verfahrensstadium konkrete Hinweise auf ein systematisches Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen politische Oppositionelle bzw. Kritiker des Regimes von Yahya Jammeh, vorgelegt hat. In Bezug auf die Rolle des Beschwerdeführers haben die Bundesanwaltschaft und die Vorinstanz, gestützt auf die gambische Gesetzgebung
BGE 143 IV 316 S. 329
(Prison Act), dargelegt, dass die generelle Verantwortung über die Gefängnisse, den Strafvollzug und den Umgang mit den Gefängnisinsassen dem Innenministerium oblag. Es ist jedenfalls keineswegs von vorherein ausgeschlossen, sondern vielmehr naheliegend, dass der Beschwerdeführer als Innenminister Einfluss auf die Handlungen der National Intelligence Agency und der "Junglers" nehmen konnte. Nach den Aussagen des Zeugen B. habe der stellvertretende Gefängnisdirektor des Mile 2 Central Prison erklärt, was immer an jenem Ort getan werde, beruhe auf einer Führungsdirektive; er, der stellvertretende Direktor, nehme Befehle von seinem Direktor entgegen, welcher wiederum Befehle vom Innenminister entgegennehme. Diese Zeugenaussage stellt die Behauptung des Beschwerdeführers, von systematischen Folterungen in Gefängnissen - ungeachtet seiner Position als Innenminister und rechte Hand von Yahya Jammeh während des Zeitraums von 2006 bis 2016 - keine Kenntnis gehabt zu haben, klarerweise in Frage. Im derzeitigen Verfahrensstadium vermag dies einen dringenden Tatverdacht zu begründen, auch wenn sich dieser im weiteren Verlauf der Strafuntersuchung noch wesentlich verdichten muss. Im Übrigen geht aus dem Haftverlängerungsentscheid vom 31. Juli 2017 (vgl. Sachverhalt Bst. E hiervor) hervor, dass die zwischenzeitlich durchgeführten Einvernahmen von Zeugen und Privatklägern zu einer weiteren Verdichtung des Tatverdachts geführt haben.
Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers, es sei weder behauptet worden, dass er persönlich gehandelt, noch, dass er sich in irgendeiner Form an Handlungen beteiligt habe, als unbegründet. Entgegen seiner Auffassung hat die Vorinstanz die Strafbarkeit des Vorgesetzten i.S.v.
Art. 264k StGB
sehr wohl thematisiert, soweit dies im Rahmen des derzeitigen Verfahrensstadiums und der bisher gewonnenen Erkenntnisse möglich ist. Dass diesbezüglich keine Untersuchungshandlungen vorgenommen wurden, geht nach dem Dargelegten offensichtlich fehl.
6.5
Soweit der Beschwerdeführer schliesst, wegen dem seines Erachtens fehlenden dringenden Tatverdacht der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestehe keine schweizerische Gerichtsbarkeit, ist ihm nicht zu folgen. Nachdem der dringende Tatverdacht i.S.v.
Art. 264a StGB
nach dem Ausgeführten zu bejahen ist, ergibt sich die schweizerische Gerichtsbarkeit aus
Art. 264m StGB
. Eine vertiefte Auseinandersetzung muss im vorliegenden Haftprüfungsverfahren nicht erfolgen; über allfällige Zuständigkeitsfragen wird das Sachgericht endgültig zu befinden haben.
BGE 143 IV 316 S. 330
6.6
Die angeordnete Untersuchungshaft erscheint in zeitlicher Hinsicht verhältnismässig. Es droht keine Überhaft.
6.7
Im Ergebnis hält der angefochtene Entscheid ohne Weiteres auch vor Verfassungs- und Konventionsrecht stand (
Art. 10 und 31 Abs. 1 BV
sowie
Art. 5 EMRK
und
Art. 9 UNO-Pakt II
[SR 0.103.2]). Mit Blick auf die Schwere der Vorwürfe, das frühe Verfahrensstadium des Strafverfahrens und die von der Bundesanwaltschaft noch vorzunehmenden Untersuchungshandlungen, von denen zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit zur Klärung des Tatverdachts führen werden, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist sie abzuweisen. | mixed |
031e2d94-0d78-4099-b7a7-a6917cc50e49 | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 125 I 60 S. 61
S. wurde am 2. April 1998 von der Kantonspolizei Thurgau aufgrund eines Haftbefehls der Bezirksanwaltschaft Winterthur wegen des Verdachts, verschiedene Einbruchdiebstähle begangen zu haben, verhaftet und tags darauf vom Haftrichter des Bezirksgerichts Winterthur in Untersuchungshaft gesetzt. In der Folge wurde das Strafverfahren vom Bezirksamt Bischofszell (Thurgau) übernommen. Dieses liess sich S. zuführen und setzte ihn am 20. Juli 1998 in Untersuchungshaft. Am 25. Juli 1998 wies der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau ein Haftentlassungsgesuch von S. ab. Am 17. August 1998 bewilligte die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau die Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 31. Oktober 1998.
Am 16. September 1998 wies das Bezirksamt Bischofszell ein Haftentlassungsgesuch von S. ab und überwies die Sache dem Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau zur Prüfung. Dieser erkannte mit Entscheid vom 22. September 1998:
"1. Die vom Bezirksamt Bischofszell am 20. Juli 1998 angeordnete
Untersuchungshaft war zulässig und es wird festgestellt, dass die
Haftgründe der Flucht- und Fortsetzungsgefahr im Sinne von § 106 Absatz 1
Ziffer 1 und 3 StPO nach wie vor gegeben sind."
Am 30. September 1998 verfügte das Bezirksamt Bischofszell die Entlassung von S. aus der Untersuchungshaft und seine Überweisung in den vorzeitigen Strafvollzug auf den 1. Oktober 1998.
Mit Eingabe vom 13. Oktober 1998 erhebt S. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
gegen den Entscheid des Präsidenten der Anklagekammer vom 22. September 1998 mit dem Antrag, er sei aufzuheben. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Untersuchungs- und, nach Abschluss der Untersuchung, Sicherheitshaft kann im Kanton Thurgau (u.a.) verhängt werden, wenn der Angeschuldigte eines Vergehens oder Verbrechens dringend verdächtig ist und Flucht- oder Fortsetzungsgefahr besteht (§ 105 Abs. 2 i.V.m. § 106 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 und Abs. 3 der Strafprozessordnung vom 30. Juni 1970/5. November 1991;
BGE 125 I 60 S. 62
StPO/TG). Die Untersuchungshaft darf nur solange aufrechterhalten werden, als ein Haftgrund besteht und sie die Dauer der dem Angeschuldigten drohenden Freiheitsstrafe nicht überschreitet (
§ 106 Abs. 2 StPO
/TG). Eine unter diesen Voraussetzungen angeordnete Inhaftierung ist auch unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit grundsätzlich nicht zu beanstanden.
b) Nicht umstritten ist, dass der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist. Der Beschwerdeführer hat im Laufe des Verfahrens zugegeben, an einer Serie von Einbruchdiebstählen mit einer Deliktssumme in der Grössenordnung von über 100'000 Franken beteiligt gewesen zu sein.
3.
Der Beschwerdeführer macht indessen geltend, es bestehe weder Flucht- noch Fortsetzungsgefahr.
a) Die Anordnung von Untersuchungshaft wegen Fortsetzungsgefahr ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verhältnismässig, wenn einerseits die Rückfallprognose sehr ungünstig und anderseits die zu befürchtenden Delikte von schwerer Natur sind. Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen dagegen nicht aus, um eine Präventivhaft zu begründen (
BGE 123 I 268
S. 270 unten).
Für die Annahme von Fluchtgefahr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Höhe der dem Angeschuldigten drohenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der drohenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (
BGE 117 Ia 69
E. 4a;
BGE 108 Ia 64
E. 3;
BGE 107 Ia 3
E. 6).
b) Der Präsident der Anklagekammer hat im angefochtenen Entscheid im Wesentlichen Fortsetzungsgefahr bejaht, weil der Beschwerdeführer, nachdem er vom 6. bis zum 9. Februar 1998 wegen eines Einbruchdiebstahls in Untersuchungshaft war, bereits in der Nacht vom 15. zum 16. Februar 1998 wieder straffällig wurde und anschliessend bis zu seiner erneuten Verhaftung am 2. April 1998 die ihm nun vorgeworfene Diebstähle beging.
Das ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer konnte sich mit den Lebensbedingungen, wie sie ihm in der Schweiz angeboten wurden, offensichtlich nicht abfinden. So beklagte er sich am
BGE 125 I 60 S. 63
10. September 1998 gegenüber dem Vize-Statthalter des Bezirksamtes Bischofszell in der Untersuchung über die ungenügende Höhe der Unterstützung und fügte auf den anschliessenden Vorhalt, es gebe in der Schweiz viele Asylbewerber, die mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld auskämen, hinzu: "Ich glaube, es gibt nicht viele Asylbewerber, die nicht irgendetwas machen, um den Lebensstandard zu verbessern". Damit hat der Beschwerdeführer nicht nur deutlich gemacht, dass er die ihm zur Verfügung gestellte Unterstützung von monatlich Fr. 480.-- unzumutbar tief findet. Er hat auch gezeigt, dass er willens und fähig ist, diese auf kriminelle Weise aufzubessern und sich davon auch durch eine Strafuntersuchung nicht abhalten lässt. Auf jeden Fall hat er mit der nahtlosen Fortsetzung seiner Straftaten trotz der eingeleiteten Untersuchung und der ersten Untersuchungshaft eine Unverfrorenheit an den Tag gelegt, die gegenwärtig nicht erlaubt anzunehmen, er lasse sich durch die inzwischen erlittene längere Untersuchungshaft von weiteren Straftaten abhalten. Seine ökonomische Situation ist nach wie vor die gleiche, und nachdem sein Asylgesuch inzwischen abgewiesen und ihm eine Ausreisefrist angesetzt wurde, hat er in der Schweiz praktisch nichts mehr zu verlieren und ist die Warnwirkung eines Freiheitsentzuges entsprechend gering. Daran vermag nichts zu ändern, dass er bei der oben angeführten Einvernahme dann anführte, er sehe jetzt ein, dass er auf dem falschen Weg sei. Es besteht daher nicht bloss die hypothetische Möglichkeit eines Rückfalls; die Rückfallprognose erscheint vielmehr als sehr ungünstig. Angesichts der ihm zur Last gelegten Höhe der Deliktssumme sind auch Delikte schwerer Natur zu befürchten, weshalb die Bejahung der Fortsetzungsgefahr seine verfassungsmässigen Rechte nicht verletzt.
c) Der aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer kam nach seinen eigenen Angaben mit gefälschten slowenischen Reisepapieren nach Italien und danach am 18. Februar 1997 als Asylbewerber in die Schweiz. Sein Asylgesuch wurde, wie erwähnt, inzwischen abgewiesen und das Bundesamt für Flüchtlinge setzte ihm am 4. Dezember 1997 eine Ausreisefrist an, die in der Zwischenzeit abgelaufen ist. Es ist somit kein plausibler Grund ersichtlich, der ihn von einer Flucht abhalten und veranlassen könnte, eine allfällige Freiheitsstrafe freiwillig anzutreten. Der Umstand, dass sein Bruder in Winterthur lebt, ist jedenfalls dazu nicht geeignet, schon weil eine allfällige Flucht des Beschwerdeführers die Beziehung der beiden Brüder keineswegs auf Dauer unterbinden müsste. Da er zudem, wie seine Einreise zeigt, offensichtlich auch gewillt und in der Lage ist,
BGE 125 I 60 S. 64
sich nötigenfalls gefälschte Reisedokumente zu beschaffen, hat der Präsident der Anklagekammer im angefochtenen Entscheid Fluchtgefahr ohne Verfassungsverletzung bejaht.
d) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Staatsanwaltschaft beantrage eine Strafe von unter 18 Monaten, sodass er mit dem bedingten Strafvollzug rechnen könne. Die weitere Inhaftierung sei daher willkürlich.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit rund 7 Monaten in Haft. Er tut nicht dar, dass der voraussichtliche Strafantrag von rund 18 Monaten überrissen wäre, und das ist auch nicht ersichtlich. Es kann daher vorläufig noch nicht die Rede davon sein, die erstandene Untersuchungshaft rücke in grosse Nähe der dem Beschwerdeführer drohenden Strafe. Dass bei diesem Strafantrag die Gewährung des bedingten Strafvollzugs möglich ist, ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (
BGE 124 I 208
E. 6). Im Übrigen ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass der bedingte Strafvollzug auch einem Ersttäter nicht in jedem Fall zu gewähren ist, sondern nur, wenn ihm eine gute Prognose gestellt werden kann (
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
). Das steht in seinem Fall nach dem unter b) Gesagten jedenfalls keineswegs von vornherein fest. | mixed |
a1c84f67-b2ce-480e-a1a1-92123cfbe091 | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 133 I 27 S. 28
A., ressortissant russe né le 26 décembre 1960, a été arrêté le 8 juin 2005 et placé en détention préventive dans le cadre d'une enquête de police judiciaire ouverte contre lui et son frère par le Ministère public de la Confédération pour blanchiment d'argent.
A. a été libéré le 24 juillet 2006 après avoir versé une caution de 300'000 fr., déposé ses pièces d'identité et signé une élection de domicile en l'étude de son conseil.
Le 21 septembre 2006, il a sollicité la restitution de son passeport pour une durée de 30 jours afin de se rendre en Europe et en Russie pour des raisons professionnelles et administratives.
Le Juge d'instruction fédéral a écarté cette demande le 26 septembre 2006. La Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (ci-après: la Cour des plaintes) a confirmé cette décision sur plainte de A. par arrêt du 25 octobre 2006.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours formé par A. contre cet arrêt. Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Le recourant conteste en premier lieu la légalité de la saisie de son passeport. La question de savoir s'il n'est pas déchu du droit de faire valoir ce grief, comme l'affirme le Ministère public de la Confédération, peut demeurer indécise, car le recours est de toute manière infondé sur ce point.
3.1
La confiscation de papiers d'identité représente une restriction à la liberté personnelle garantie à l'
art. 10 al. 2 Cst.
en tant qu'elle a pour effet de circonscrire le droit de leur détenteur de circuler librement aux limites du territoire helvétique (
ATF 130 I 234
consid. 2.2 p. 236). Elle n'est admissible qu'à la triple condition de reposer sur une base légale, de répondre à un intérêt public et de respecter le principe de la proportionnalité (art. 36 al. 1 à 3 Cst.;
art. 12 al. 3 Pacte ONU II
; cf.
ATF 130 I 65
consid. 3.1 p. 67 et les arrêts cités). Par ailleurs, la liberté personnelle, en tant qu'institution fondamentale de
BGE 133 I 27 S. 29
l'ordre juridique, ne saurait être complètement supprimée ou vidée de son contenu par les restrictions légales qui peuvent lui être apportées dans l'intérêt public (
art. 36 al. 4 Cst.
). La saisie du passeport peut, dans certaines circonstances, également représenter une ingérence dans l'exercice du droit au respect de la vie privée garanti à l'
art. 8 CEDH
, dont l'admissibilité est soumise aux mêmes conditions que celles posées à l'
art. 36 Cst.
(arrêts de la CourEDH dans les causes
Iletmis contre Turquie
du 6 décembre 2005, par. 42-43, et
Smirnova contre Fédération de Russie
du 24 juillet 2003,
Recueil CourEDH 2003-IX p. 253
, par. 97; décision de la Commission européenne des droits de l'homme du 6 mars 1984 dans la cause
M. contre Allemagne
, DR 37 p. 113).
3.2
La loi fédérale sur la procédure pénale permet d'assortir la mise en liberté d'un inculpé détenu préventivement à la fourniture de sûretés (
art. 53 PPF
) et à l'engagement écrit d'obtempérer à tout mandat de comparution qui lui serait notifié au domicile élu (
art. 50 PPF
). Elle n'envisage en revanche pas expressément la saisie du passeport ou des papiers d'identité comme alternative à la détention préventive. Cela ne signifie pas encore qu'une telle mesure serait illégale. Lorsqu'une détention se prolonge uniquement en raison de la crainte de voir l'accusé se soustraire par la fuite à sa comparution ultérieure devant ses juges, il échet d'élargir l'intéressé s'il peut fournir des garanties adéquates de représentation (
art. 5 par. 3 CEDH
;
art. 9 al. 3 Pacte ONU II
; arrêts de la CourEDH dans les causes
Wemhoff contre Allemagne
du 27 juin 1968, Série A, vol. 7, par. 15, et
Letellier contre France
du 26 juin 1991, Série A, vol. 207, par. 46). Ces garanties ne se limitent pas au versement d'une caution financière; elles peuvent également consister en des mesures de contrôle judiciaire, telles que l'obligation de se présenter à une autorité déterminée ou le dépôt du passeport ou des papiers d'identité, lorsque ces mesures sont propres à assurer la présence du prévenu aux actes d'instruction et aux débats (arrêt 1P.797/1999 du 7 janvier 2000, consid. 4a; décision de la Commission européenne des droits de l'homme du 9 juillet 1985 dans la cause
Schmid contre Autriche
, DR 44 p. 195; SYLVA FISNAR, Ersatzanordnungen für Untersuchungshaft und Sicherheitshaft im zürcherischen Strafprozess, thèse Zurich 1997, p. 56; WALTER GOLLWITZER, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Kommentar, Berlin 2005, n. 118, p. 255/ 256; JENS MEYER-LADEWIG, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2
e
éd., Baden-Baden 2006, n. 36b ad
art. 5 CEDH
, p. 95).
BGE 133 I 27 S. 30
En tant qu'elles emportent une atteinte moins grave à la liberté personnelle que la détention préventive, de telles mesures s'imposent même en l'absence d'une base légale expresse, que ce soit directement en vertu du droit du prévenu à être libéré moyennant des garanties, tel qu'il est garanti à l'
art. 5 par. 3 CEDH
(arrêt P.703/1987 du 17 juin 1987, consid. 2c, qui cite STEFAN TRECHSEL, Die europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozessrechte, Berne 1974, p. 263 et 370), du principe "in maiore minus" (ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6
e
éd., Bâle 2005, § 68, n. 45, p. 339; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2
e
éd., Berne 2005, ch. 21.7.1, n. 1120, p. 491 et les auteurs cités par FRANZ RIKLIN, Postulate zur Reform des Untersuchungshaft, RPS 104/1987 p. 73), du principe de la subsidiarité de la détention préventive (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4
e
éd., Zurich 2004, § 44, ch. 3.1, n. 717, p. 260), du principe de la proportionnalité (BRUNO FÄSSLER, Die Anordnung der Untersuchungshaft im Kanton Zurich, thèse Zurich 1992, p. 54; FRANZ RIKLIN, op. cit., p. 67 et 72; MARTIN SCHUBARTH, Die Rechte des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren, besonders bei Untersuchungshaft, Berne 1973, p. 133; ANDRÉ HÄNNI, Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft, thèse Zurich 1980, p. 36; JOSI BATTAGLIA, Die Zwangsmittel im bündnerischen Untersuchungsverfahren, thèse Zurich 1976, p. 75) ou encore de l'obligation pour les organes étatiques de garantir le respect des libertés individuelles (MARKUS MEYER, Der Schutz der persönlichen Freiheit im rechtsstaatlichen Strafprozess, thèse Zurich 1962, p. 172; contra: SYLVA FISNAR, op. cit., p. 89, pour qui toute atteinte portée à la liberté personnelle doit reposer sur une base légale). Cette solution est dans l'intérêt du prévenu, car si l'autorité devait ne pas estimer suffisant le versement d'une caution pour pallier à tout risque de fuite, l'alternative ne consisterait pas nécessairement dans la libération immédiate de l'intéressé, mais dans le maintien de la détention préventive. L'autorité est tenue d'examiner d'office si la mise en liberté provisoire peut intervenir moyennant des mesures de substitution (GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2
e
éd., Zurich 2006, § 112, n° 870, p. 565).
3.3
Les mesures alternatives à l'incarcération du prévenu ne sont admissibles que pour autant qu'il subsiste un motif de détention préventive (
ATF 107 Ia 206
consid. 2b p. 208/209;
ATF 95 I 202
consid. 2 p. 204). Pour le recourant, cette condition ne serait pas réalisée car
BGE 133 I 27 S. 31
le risque de fuite aurait si ce n'est disparu, du moins diminué dans une mesure telle que la saisie de ses pièces d'identité ne se justifierait plus.
Selon la jurisprudence, lorsque le danger de fuite est invoqué non pas comme motif de détention, mais comme condition au prononcé d'une mesure alternative moins contraignante, on peut être moins exigeant quant à la vraisemblance d'un tel danger (arrêt 1P.244/ 1990 du 27 juin 1990, consid. 4e, confirmé en dernier lieu dans l'arrêt 1P.704/2004 du 29 décembre 2004, consid. 4.1 in fine). Le recourant ne fait valoir aucun élément nouveau dans sa situation personnelle qui permettrait d'apprécier différemment le risque de fuite tel que le Tribunal fédéral l'a retenu dans son arrêt rendu le 13 février 2006 (cause 1S.1/2006). Par ailleurs, la gravité des charges qui pèsent sur lui ne s'est pas atténuée depuis lors. Elle paraît même s'être renforcée au vu des résultats du rapport d'analyse financière versé au dossier le 5 juillet 2006 qui précise le cheminement suivant lequel les fonds publics prétendument détournés en Russie seraient parvenus en partie sur les comptes bancaires personnels du frère du recourant et dont ce dernier a lui-même bénéficié. Le risque de fuite reste donc toujours aussi important en l'état de la procédure. Le fait que le recourant n'ait pas cherché à quitter le pays ou à se soustraire d'une manière ou d'une autre à l'instruction depuis sa libération provisoire intervenue le 24 juillet 2006 n'est à cet égard pas déterminant. Le Juge d'instruction fédéral pouvait d'autant plus redouter que A. ne revienne pas en Suisse, si celui-ci était autorisé à se rendre provisoirement en Russie, que son frère a également présenté une demande en ce sens.
3.4
Le recourant soutient que la saisie de son passeport porterait une atteinte disproportionnée à ses intérêts en l'empêchant de renouer les contacts nécessaires à la reprise des activités commerciales de la société X., dont il tirait l'essentiel de ses revenus avant son incarcération. Selon lui, le versement d'une caution de 300'000 fr. constituerait une garantie suffisante qu'il retournera en Suisse au terme des 30 jours dont il estime avoir besoin pour rétablir ces contacts professionnels. Il devrait enfin pouvoir se rendre personnellement en Russie afin de renouveler son passeport dont la validité a expiré, selon le droit russe, au lendemain de son 45
e
anniversaire.
Le recourant n'explique pas en quoi sa présence en Europe et en Russie serait absolument indispensable à la reprise des relations
BGE 133 I 27 S. 32
commerciales de la société X., qu'il a développée avec son frère, au point de considérer la mesure attaquée comme disproportionnée. Le Juge d'instruction fédéral a estimé que les contacts nécessaires avec les partenaires commerciaux étrangers de cette société pouvaient parfaitement être créés, voire entretenus, par le neveu du recourant, dont la liberté de mouvement n'est pas restreinte. Le recourant ne fournit aucun élément qui permettrait de réfuter cette motivation. Il n'a donné aucune liste des personnes qu'il entendait rencontrer durant son séjour à l'étranger. Il ne prétend pas occuper des fonctions spécifiques au sein de l'entreprise X. qui exigeraient qu'il entreprenne personnellement le voyage en Europe et en Russie en lieu et place de son neveu ou d'un tiers mandaté à cette fin. Comme le relève le Juge d'instruction fédéral, le recourant peut communiquer librement par téléphone, par téléfax ou par tout autre moyen de télécommunication moderne avec les anciens clients commerciaux de X. et ceux-ci peuvent se rendre en Suisse si des contacts personnels devaient se révéler indispensables. De même, A. n'a nullement établi la nécessité de se rendre sans désemparer en Russie pour renouveler son passeport interne arrivé à échéance à la date de son 45
e
anniversaire; il n'avait d'ailleurs nullement évoqué ce motif devant la Cour des plaintes pour justifier l'octroi d'une autorisation provisoire de quitter la Suisse. Quoi qu'il en soit, il s'agit d'un inconvénient dont il doit s'accommoder au regard de la gravité des infractions qui lui sont reprochées et du risque de fuite qui en découle.
3.5
Lorsqu'une mesure alternative à la détention préventive ne suffit pas pour pallier au risque de fuite, elle peut s'accompagner d'autres mesures. Dans le cas particulier, la Cour des plaintes pouvait à juste titre admettre que le versement d'une caution de 300'000 fr. et l'engagement écrit du recourant de répondre aux convocations qui lui seraient notifiées à son domicile élu ne constituaient pas des garanties suffisantes pour parer au risque concret de fuite existant et qu'il convenait de compléter cette mesure par le dépôt des papiers d'identité valables (cf. BRUNO FÄSSLER, op. cit., p. 55, et GÉRARD PIQUEREZ, op. cit., § 112, n° 878, p. 569, qui admettent expressément le cumul de ces mesures). Au demeurant, on observera que le recourant n'est pas assigné à résidence, mais qu'il peut se déplacer librement en Suisse avec sa famille. La saisie des pièces d'identité n'équivaut dès lors nullement à une privation de liberté qui tomberait sous le coup de l'
art. 5 par. 1 let
. c CEDH. | mixed |
79de365c-13db-4639-8428-fce8fb8114cd | Sachverhalt
ab Seite 287
BGE 138 V 286 S. 287
A.
S. ist bei der Bundesverwaltung angestellt. Für seinen 1989 geborenen Sohn, welcher am 19. Juni 2009 die Matura abgeschlossen (Schuljahresende per 31. August 2009) und anschliessend die Rekrutenschule (29. Juni bis 20. November 2009) besucht hatte, bezog er eine Ausbildungszulage bis und mit August 2009. Am 24. Oktober 2009 ersuchte er um Ausbildungszulagen u.a. für seinen Sohn. Dieser absolvierte vom 8. März 2010 bis 31. März 2011 ein Praktikum, um danach die Lehre als Tierpfleger zu beginnen. Die Eidgenössische Ausgleichskasse (nachfolgend: EAK) sprach S. mit Verfügung vom 12. November 2010 für seinen Sohn ab dem 1. März 2010 eine Ausbildungszulage zu, verneinte jedoch einen Anspruch für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Januar 2011 fest.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. Juli 2011 ab.
C.
S. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und es seien ihm für seinen Sohn für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 Ausbildungszulagen auszurichten.
Die EAK schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D.
Mit Eingabe vom 25. April 2012 hält S. an seinem Begehren fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Streitig ist, ob dem Sohn des Beschwerdeführers auch der Zeitraum vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 als Ausbildungszeit anzuerkennen ist und demnach ein Anspruch auf eine Ausbildungszulage besteht.
BGE 138 V 286 S. 288
4.
4.1
Nach
Art. 3 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz, FamZG; SR 836.2)
werden Ausbildungszulagen ab Ende des Monats, in welchem das Kind das 16. Altersjahr vollendet, bis zum Abschluss der Ausbildung ausgerichtet, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in welchem das Kind das 25. Altersjahr vollendet. Sowohl im Parlament wie zuvor auch schon in den Kommissionen gab es zum Begriff der Ausbildung in
Art. 3 Abs. 1 FamZG
keine einlässlichen Diskussionen (vgl. etwa AB 2005 N 288 und AB 2005 S 714; Protokoll der nationalrätlichen Kommission vom 30. Juni bis 2. Juli 2004, S. 14 und der ständerätlichen Kommission vom 2./3. Mai 2005, S. 25). Aus den Materialien zum FamZG ergeben sich demnach keine Hinweise auf eine selbstständige Auslegung des Begriffs Ausbildung und deren Unterbrechung oder Beendigung.
4.2
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über die Familienzulagen (Familienzulagenverordnung, FamZV; SR 836.21) statuiert, dass ein Anspruch auf eine Ausbildungszulage für jene Kinder besteht, die eine Ausbildung im Sinne des
Art. 25 Abs. 5 AHVG
absolvieren.
4.2.1
Art. 25 Abs. 5 Satz 2 AHVG
beauftragt den Bundesrat, den Begriff der Ausbildung zu regeln, was dieser mit den auf den 1. Januar 2011 in Kraft getretenen
Art. 49
bis
und 49
ter
AHVV
(SR 831.101) getan hat. Entgegen der Darlegung im vorinstanzlichen Entscheid kommen daher
Art. 49
bis
und 49
ter
AHVV
nicht zur Anwendung, da sie im massgebenden Zeitpunkt (September 2009 bis Februar 2010) noch nicht in Kraft standen. Gleichwohl können die Materialien zu
Art. 49
bis
und 49
ter
AHVV
beigezogen werden, da sie vornehmlich den zuvor von Verwaltungs- und Gerichtspraxis entwickelten allgemeinen Grundsätzen entsprechen. Das BSV hat in seinen Erläuterungen zu diesen beiden neuen Verordnungsnormen festgehalten, angesichts des heute doch beachtlichen Erwerbsersatzes, den bereits Rekruten während ihres Dienstes erhalten, rechtfertige es sich, während Ausbildungsunterbrüchen wegen Zivil- oder Militärdienstes grundsätzlich keine Waisen- und Kinderrenten mehr fliessen zu lassen; eine Ausnahme sei nur dann zuzulassen, wenn die Dienstzeit in die unterrichtsfreie Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gelegt werde, so dass eine am Stück absolvierte Rekrutenschule nur noch ausnahmsweise als Ausbildungszeit gelte. Abschliessend wird festgehalten,
Art. 49
ter
AHVV
begrenze die Leistungspflicht auf
BGE 138 V 286 S. 289
objektiv notwendige Ausbildungsunterbrüche, was grundsätzlich der bisherigen Praxis entspreche.
4.2.2
Es kann somit für die nähere Bestimmung des Begriffes Ausbildung sowie deren Unterbrechung und Beendigung auf die Gerichts- und Verwaltungspraxis, namentlich die Weisungen des BSV (hier: Wegleitung zum Bundesgesetz über die Familienzulagen FamZG [FamZWL]
www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3635/lang:deu/category:103/lang:deu
in Verbindung mit der Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, [RWL]
www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:23/lang:deu
) abgestellt werden (vgl. dazu auch KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen, 2010, N. 36 zu
Art. 3 FamZG
). Danach gelten Personen, welche während der Ausbildung Militär- oder Zivildienst leisten, weiterhin als in Ausbildung begriffen, wenn sie sich bis zum Eintritt in den Militär- oder Zivildienst in Ausbildung befanden und diese nach dem geleisteten Dienst bei nächstmöglicher Gelegenheit fortsetzen (Rz. 3370 RWL in der von 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung). So liegt keine Unterbrechung der Ausbildung vor, wenn ein Maturand das Hochschulstudium infolge Absolvierung des obligatorischen Militärdienstes hinausschiebt, weil die Ausbildung mit der Matura in der Regel nicht abgeschlossen wird; dies gilt selbst für den Fall der Aufnahme einer lückenfüllenden Erwerbstätigkeit (
BGE 100 V 164
). Die Rechtsprechung hat auch zwischen Unterbruch einer Ausbildung und Abbruch einer Ausbildung mit Aufnahme einer anderen Ausbildung unterschieden, wobei nur in solchen Fällen der Anspruch nicht verloren ging, in welchen die begonnene Ausbildung wieder aufgenommen oder zumindest durch eine solche abgelöst wurde, welche eine normale Fortsetzung der Ausbildung darstellte (
BGE 102 V 208
E. 3 in fine S. 211, auch in: ZAK 1977 S. 265).
4.2.3
Das BSV hat sich auch in seinen Erläuterungen zur FamZV (
www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=15365
) zum Begriff der Ausbildung in Zusammenhang mit den Ausbildungszulagen geäussert. Unter den Begriff der Ausbildung fallen danach ordentliche Lehrverhältnisse sowie Tätigkeiten zum Erwerb von Vorkenntnissen für ein Lehrverhältnis, aber auch Kurs- und Schulbesuche, wenn sie der berufsbezogenen Vorbereitung auf eine Ausbildung oder der späteren Berufsausübung dienen. Bei Kurs- und
BGE 138 V 286 S. 290
Schulbesuchen sind Art der Lehranstalt und Ausbildungsziel unerheblich, soweit diese im Rahmen eines ordnungsgemässen, (faktisch oder rechtlich) anerkannten Lehrganges eine systematische Vorbereitung auf das jeweilige Ziel bieten. Danach gilt nur als Bestandteil der Ausbildung, wenn zwischen diesem und dem Berufsziel ein Zusammenhang besteht.
4.3
Mit der Erlangung der Matura ist in der Regel die Ausbildung nicht abgeschlossen, sondern sie ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Hochschulstudium (vgl. dazu etwa
BGE 100 V 164
; Urteil der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 13. Juli 1993, in: SVR 1994 KZ Nr. 5 S. 9, oder Urteil 9C_910/2008 vom 28. Januar 2009). Wird nach der Matura kein Studium aufgenommen, sondern eine Berufslehre absolviert, so kann die Matura insofern als erster Schritt einer kontinuierlichen Ausbildung betrachtet werden, wenn sie im Rahmen der weiteren Ausbildung wenigstens eine gewisse Anerkennung findet. Dies trifft zu, wenn sie auf die weitere Ausbildung einen konkreten Einfluss hat. Somit liegt ein Unterbruch in der Ausbildung vor, wenn sich die Matura als erster Schritt einer planmässigen Ausbildung auf diese auswirkt, etwa indem sie anstelle einer bereits abgeschlossenen ersten Berufslehre Voraussetzung für den Beginn eines Ausbildungsziels ist (z.B. bei Berufen in Gesundheitswesen oder Hotellerie) oder wenn sich die Ausbildungsdauer infolge der Matura verkürzt; hingegen liegen ein Abbruch und eine Wiederaufnahme der Ausbildung vor, wenn die Matura, welche zwar ein gute Allgemeinbildung vermittelt, keinen Niederschlag im Ablauf oder in der Dauer der Ausbildung findet.
4.4
Die ordentliche Lehre als Tierpfleger setzt eine abgeschlossene Grundschule voraus und dauert drei Jahre, wobei nebst der praktischen Ausbildung im Lehrbetrieb der Besuch der Berufsfachschule sowie von überbetrieblichen Kursen obligatorisch ist. Eine verkürzte Lehre von ein bis zwei Jahren ist möglich, sofern die auszubildende Person über einen Abschluss in einem verwandten Beruf verfügt. Bei "Quereinsteigern" beträgt die Ausbildungsdauer ein bis drei Jahre, wobei die praktische Ausbildung im Rahmen eines Praktikums oder in einem Lehrbetrieb absolviert wird und der Besuch der Berufsfachschule sowie der überbetrieblichen Kurse freiwillig erfolgt; Voraussetzung für "Quereinsteiger" sind ein Berufsabschluss (Lehre oder Matura), fünf Jahre Berufserfahrung (einschliesslich der Lehre) sowie drei Jahre Erfahrung in der Tierpflege im Zeitpunkt der Abschlussprüfung.
BGE 138 V 286 S. 291
4.5
Für die hier vorzunehmende Abgrenzung zwischen Unterbruch einer (kontinuierlichen) Ausbildung einerseits und Abbruch einer Ausbildung und Aufnahme einer neuen Ausbildung andererseits spielt der Grund der "Lücke" in der Ausbildung keine Rolle. Insofern ist unerheblich, ob diese "Lücke" durch die Absolvierung der Rekrutenschule entsteht oder aus anderen Gründen. Denn ein Leistungsanspruch während der Absolvierung von Militär- oder Zivildienst besteht nach konstanter Praxis nicht grundsätzlich, sondern nur, wenn die begonnene Ausbildung nach Leistung des Militär- oder Zivildienstes bei der nächstmöglichen Gelegenheit fortgesetzt wird (vgl. etwa Urteil 9C_283/2010 vom 17. Dezember 2010 E. 3.2 mit Verweis auf ZAK 1967 S. 550, I 141/67). Dabei ist unbeachtlich, ob die Ausbildung nach der Matura mit einem Hochschulstudium oder einem anderen Lehrgang fortgesetzt wird; massgebend ist jedoch, dass es sich insgesamt um eine kontinuierliche Ausbildung handelt (vgl. E. 4.3 sowie Urteil 9C_910/2008 vom 28. Januar 2009 E. 3, wo von der "erforderlichen Kontinuität der Ausbildung" die Rede ist).
5.
Die vom Sohn des Beschwerdeführers begonnene Lehre als Tierpfleger dauert drei Jahre und umfasst nebst der praktischen Tätigkeit im Lehrbetrieb auch den Besuch der berufsspezifischen Fächer der Berufsschule; hingegen ist er vom Besuch der allgemeinbildenden Fächer angesichts der bestandenen Matura dispensiert. Somit profitiert der Sohn des Beschwerdeführers von seiner Matura insofern, als ihm ein Teil der schulischen Ausbildung während der Lehre erlassen wird. An der gesamten Ausbildungszeit ändert sich jedoch nichts, da er - zusätzlich zu einem einjährigen Praktikum - die ordentliche Zeit von drei Jahren Lehre absolviert. Demnach unterscheidet sich seine Lehre nicht wesentlich von der ordentlichen Lehre zum Tierpfleger einer Person, die lediglich über einen Grundschulabschluss verfügt, und es kann nicht gesagt werden, er habe von seiner Vorbildung (Matura) erheblich profitiert, etwa durch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer, wie es angesichts der anwendbaren Bestimmungen grundsätzlich möglich und unter Berücksichtigung des einjährigen Praktikums im Lehrbetrieb vor Antritt der Lehre auch bezüglich der notwendigen praktischen Voraussetzungen zu erwarten wäre. Damit stellen die Matura und die Lehre zum Tierpfleger keine kontinuierliche Ausbildung dar, sondern es liegt ein Abbruch der Ausbildung mit Aufnahme einer neuen Ausbildung nach Absolvierung der Rekrutenschule vor. Dies wird denn auch dadurch bestätigt, dass der Beschwerdeführer in seinem
BGE 138 V 286 S. 292
Leistungsgesuch vom 24. Oktober 2009 kein Ausbildungsziel für seinen Sohn angeben konnte. Das Dahinfallen des Anspruchs auf Familienzulage ist denn auch nicht durch die Absolvierung des Militärdienstes begründet, sondern in der fehlenden Kontinuität der Ausbildung. Vorinstanz und Verwaltung haben demnach zu Recht einen Anspruch auf Ausbildungszulagen für die Zeit vom September 2009 bis Februar 2010 verneint. | mixed |
380326ec-7167-46be-b6af-3a0cb3544dfd | Sachverhalt
ab Seite 397
BGE 136 V 395 S. 397
A.
Die 1940 geborene F. ist bei der Publisana obligatorisch krankenpflegeversichert. Mitte 2007 wurde bei ihr Morbus Pompe diagnostiziert. Die Publisana erteilte im Oktober 2007 Kostengutsprache für eine sechsmonatige Behandlung mit dem Medikament Myozyme. Diese Behandlung wurde in der Folge bis Mai 2008 durchgeführt. Nachdem das Spital X. am 11. Juni 2008 um Fortführung der Kostengutsprache nachgesucht hatte, lehnte die Publisana mit Verfügung vom 22. Oktober 2008 und Einspracheentscheid vom 18. März 2009 die Kostenübernahme für die Therapie ab.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess mit Entscheid vom 23. Februar 2010 eine von F. erhobene Beschwerde gut und verpflichtete die Publisana, die Kosten der Behandlung vorerst für die Dauer von zwei Jahren zu übernehmen.
C.
Die Publisana erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, die Kosten für das Arzneimittel Myozyme zu übernehmen.
F. lässt Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet in seiner Vernehmlassung auf einen förmlichen Antrag.
In einer weiteren Eingabe äussert sich F. zur Stellungnahme des BAG.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(...)
1.6
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur die Fortführung der Therapie über das erste halbe Jahr hinaus für weitere eineinhalb Jahre, nicht aber die bereits durchgeführte und bezahlte Therapie für das erste halbe Jahr.
(...)
3.
Unbestritten ist, dass die Beschwerdegegnerin an Morbus Pompe leidet, dass es sich dabei um eine seltene Krankheit (Orphan Disease) handelt, dass das streitige Medikament Myozyme nicht auf der Spezialitätenliste steht und dass es kein alternatives Arzneimittel zur Behandlung der Krankheit gibt.
4.
4.1
Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist das Arzneimittel Myozyme durch Swissmedic zugelassen. Die Beschwerdeführerin
BGE 136 V 395 S. 398
bestreitet dies nicht grundsätzlich, bringt allerdings vor, diese Zulassung gelte nicht für die hier vorliegende adulte Form des Morbus Pompe.
4.2
Myozyme ist im vereinfachten Verfahren zugelassen als wichtiges Arzneimittel für seltene Krankheiten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) bzw. Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV; SR 812.212.23; sog. Orphan Drug; vgl. SCHMID/UHLMANN, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2000, N. 13 ff. zu
Art. 14 HMG
). Gemäss der Homepage von Swissmedic (
http://www.swissmedic.ch/zulassungen/00171/00181/00182/index.html
; besucht am 23. November 2010) wurde das Präparat Myozyme
TM
mit dem Wirkstoff Alglucosidase alfa am 22. Mai 2008 für folgende Indikation zugelassen: "Myozyme
TM
ist für die langfristige Enzymersatztherapie bei Patienten mit gesichertem Morbus Pompe (Mangel an saurer ?-Glucosidase) indiziert. Für die positive Wirkung von Myozyme
TM
bei Patienten mit Morbus Pompe in später Verlaufsform ist bisher eine klinische Wirksamkeit nicht nachgewiesen (siehe Pharmakodynamik, Klinische Wirksamkeit)." Eine ausdrückliche Beschränkung der Zulassung auf die infantile oder juvenile Form der Krankheit ist in dieser Aussage nicht enthalten. So oder so ist aber die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Kassenpflichtigkeit nicht ausschlaggebend (PASCAL LACHENMEIER, Die Anwendung "nicht zugelassener" Arzneimittel in der Krebstherapie nach schweizerischem Recht ["off-label-use"], Jusletter vom 11. Mai 2009, Rz. 56).
5.
5.1
Die gesetzliche Ordnung (
Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG
;
Art. 34 und 64 ff. KVV
[SR 832.102];
Art. 30 ff. der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31]
) schliesst die Übernahme der Kosten von nicht auf der - abschliessenden und verbindlichen - Spezialitätenliste aufgeführten Arzneimitteln durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung grundsätzlich aus (
BGE 134 V 83
E. 4.1 S. 85 ff.;
131 V 349
E. 2.2 S. 351 mit Hinweis). Die Kosten für ein in der Spezialitätenliste enthaltenes Medikament werden nur übernommen, wenn
BGE 136 V 395 S. 399
das Arzneimittel für von Swissmedic gemäss
Art. 9 ff. HMG
zugelassene medizinische Indikationen verschrieben wird (
BGE 130 V 532
E. 3.2.2 S. 538 und E. 3.4 S. 540). Diese Regelung bezweckt einerseits, dass nur Arzneimittel über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgerechnet werden, welche nach heilmittelrechtlichen Grundsätzen sicher und wirksam sind. Andererseits wird damit im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots (
Art. 32 KVG
) eine Kostenbegrenzung erreicht, indem die auf der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimittel höchstens nach den darin festgelegten Preisen verrechnet werden dürfen (
Art. 52 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 KVG
;
Art. 67 KVV
;
Art. 34 ff. KLV
; GEBHARD EUGSTER, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, N. 7 zu
Art. 52 KVG
; UELI KIESER, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und im Sozialversicherungsrecht, AJP 2007 S. 1042 ff., 1049). Diese Preiskontrolle geht über eine reine Missbrauchskontrolle hinaus und bezweckt die Sicherstellung eines angemessenen Preis-/Nutzen-Verhältnisses (
BGE 109 V 207
E. 4 S. 212 ff.;
BGE 127 V 275
E. 2 S. 277 ff.; BRIGITTE PFIFFNER RAUBER, Das Recht auf Krankheitsbehandlung und Pflege, 2003, S. 162 f.).
5.2
Nach der Rechtsprechung sind ausnahmsweise die Kosten für ein Arzneimittel auch zu übernehmen, wenn es für eine Indikation abgegeben wird, für welche es keine Zulassung besitzt (sog. Off-Label-Use); Voraussetzung ist, dass ein sogenannter Behandlungskomplex vorliegt oder dass für eine Krankheit, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann, wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode verfügbar ist; diesfalls muss das Arzneimittel einen hohen therapeutischen (kurativen oder palliativen) Nutzen haben (
BGE 131 V 349
E. 2.3 S. 351;
BGE 130 V 532
E. 6.1 S. 544 f.). Ein wichtiger Anwendungsbereich für Ausnahmen von der Listenpflicht sind Medikamente gegen Krankheiten, die so selten sind, dass sich für die Hersteller das Zulassungsverfahren nicht lohnt (sog. Orphan Use bzw. Orphan Diseases; vgl. ARIANE AYER, Prise en charge des médicaments "hors étiquette", SZG 2005 Nr. 7 S. 7 ff.; LACHENMEIER, a.a.O., Rz. 51; FRANK TH. PETERMANN, Rechtliche Betrachtungen zum Off-Label-Use von Pharmazeutika, in: Health Insurance Liability Law [Hill], 2007, Fachartikel Nr. 2, Rz. 14). Für die Zulassung eines Off-Label-Use kann aber nicht jeglicher therapeutische Nutzen genügen, könnte doch sonst in jedem Einzelfall die Beurteilung des
BGE 136 V 395 S. 400
Nutzens an die Stelle des gesetzlichen Listensystems treten und dieses unterwandern (RKUV 2003 S. 299, K 63/02 E. 4.2.1; vgl. Urteil 2A.469/2003 vom 6. September 2004 E. 3.3). Da das gesetzliche System auch der Wirtschaftlichkeit dient, muss insbesondere vermieden werden, dass durch eine extensive Praxis der ordentliche Weg der Listenaufnahme durch Einzelfallbeurteilungen ersetzt und dadurch die mit der Spezialitätenliste verbundene Wirtschaftlichkeitskontrolle umgangen wird (SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3; Urteil 9C_305/2008 vom 5. November 2008 E. 1.3; vgl. zu dieser Befürchtung PETER BRAUNHOFER, Arzneimittel im Spannungsfeld zwischen HMG und KVG aus der Sicht des Krankenversicherers, in: Das neue Heilmittelgesetz, Eichenberger/Poledna [Hrsg.], 2004, S. 103 ff., 110 f.; PETERMANN, a.a.O., Rz. 59).
5.3
Anders als bei den befristeten Zulassungen nach
Art. 9 Abs. 4 HMG
wird für die vereinfachte Zulassung für Orphan Drugs nach
Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG
kein hoher therapeutischer Nutzen verlangt. Der Umstand, dass arzneimittelrechtlich die Orphan-Drug-Zulassung für Myozyme erfolgt ist (E. 4.2), bedeutet daher entgegen der offenbaren Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht automatisch, dass der Einsatz dieser Medikamente einen hohen therapeutischen Nutzen im Sinne der dargelegten krankenversicherungsrechtlichen Rechtsprechung darstellt.
6.
Umstritten und zu prüfen ist zunächst, ob ein hoher therapeutischer Nutzen im Sinne der dargelegten Rechtslage vorliegt.
6.1
Die Vorinstanz hat erwogen, die Krankheit verlaufe tödlich und es gebe bis anhin neben Myozyme kein alternatives Arzneimittel zur Behandlung der Krankheit. Ein hoher therapeutischer Nutzen sei nicht erst dann anzunehmen, wenn dieser über Jahre hinweg bestehe oder gar zunehme. Durch die Behandlung sei eine Stabilisierung der Befunde eingetreten und eine massgebliche Steigerung der Lebensqualität erreicht worden. Nach Absetzen der Behandlung habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert, so dass eine nächtliche Beatmung nötig geworden sei. Zudem habe die Patientin die Behandlung ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen. Gemäss der sog. LOTS-Studie (ANS T. VAN DER PLOEG UND ANDERE, A Randomized Study of Alglucosidase Alfa in Late-Onset Pompe's Disease, New England Journal of Medicine, 15. April 2010, S. 1396 ff.) habe sich unter Myozyme-Behandlung eine signifikante Verbesserung beim 6-Minuten-Gehtest (Steigerung der Gehstrecke um rund 30 Meter) und der pulmonalen Vitalkapazität (Verbesserung der
BGE 136 V 395 S. 401
Atmung, Verzicht auf künstliche Beatmung) ergeben. Dies sei als nicht geringer therapeutischer Effekt einzustufen. Unter Gesamtwürdigung der konkreten Umstände wie auch der allgemein beschriebenen Wirkungen sei im vorliegenden Fall von einem hohen therapeutischen Nutzen auszugehen.
6.2
Die Beschwerdeführerin bestreitet die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als solche nicht. Sie stellt auch die medizinische Indikation für den Einsatz von Myozyme nicht in Abrede und bestreitet nicht einen therapeutischen Nutzen, ist jedoch der Ansicht, die Wirksamkeit erreiche nicht nachweislich den Grad eines hohen therapeutischen Nutzens, weder in allgemeiner, grundsätzlicher Hinsicht noch im konkreten Behandlungsfall.
6.3
Ob ein therapeutischer Nutzen vorliegt, ist Tatfrage. Insoweit sind die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (
Art. 97 und 105 BGG
). Ob ein bestimmter Nutzen als "hoch" im Sinne der Rechtslage (E. 5.2) zu bezeichnen ist, ist hingegen Rechtsfrage.
6.4
Zwischen den Parteien ist umstritten, ob das Erfordernis der hohen therapeutischen Wirksamkeit nur bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen ist oder sowohl in allgemeiner Weise als auch im konkreten Einzelfall. Die Vorinstanz hat erwogen, es sei allein auf den konkreten Einzelfall abzustellen, und sich dazu e contrario auf die Aussage in SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3 gestützt, wonach es nicht angehen könne, bei nicht seltenen Krankheiten im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung Medikamente zu vergüten, welche aus ganz bestimmten Gründen nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen worden sind. Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Auffassung, Voraussetzung der Kostenübernahme sei auch bei Orphan Diseases, dass das Arzneimittel nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern auch in allgemeiner Weise wirksam und zweckmässig sei. Eine reine Einzelfallbeurteilung sei nicht statthaft.
6.5
Die Auffassung der Vorinstanz trifft in dem Sinne zu, als es bei einem Off-Label-Use gerade nicht um die Beurteilung gehen kann, ob das Medikament generell in die Spezialitätenliste aufzunehmen ist, sondern darum, ob in einem Einzelfall vom Listenerfordernis abzuweichen sei. Hingegen gelten auch für Orphan Drugs die allgemeinen Anforderungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen
BGE 136 V 395 S. 402
Methoden nachgewiesen sein muss (
Art. 32 KVG
), was eine ausschliesslich einzelfallbezogene Beurteilung ausschliesst (
BGE 133 V 115
E. 3.2.1 S. 118; RKUV 2000 S. 279, K 151/99 E. 2b; EUGSTER, KVG, a.a.O., N. 4 zu
Art. 32 KVG
). Das ergibt sich auch aus dem Zusammenhang mit dem Arzneimittelrecht: Der Begriff des hohen therapeutischen Nutzens (als Voraussetzung für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste) orientiert sich an der gleichlautenden Voraussetzung für eine befristete Bewilligung nicht zugelassener Arzneimittel im Sinne von
Art. 9 Abs. 4 HMG
(
BGE 130 V 532
E. 6.1 S. 544 f.; SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3). Für eine solche Zulassung ist vorausgesetzt, dass Zwischenergebnisse von klinischen Studien vorliegen, die darauf hinweisen, dass von der Anwendung ein grosser therapeutischer Nutzen zu erwarten ist (
Art. 19 Abs. 1 lit. c VAZV
). Der Beschwerdegegnerin ist darin zuzustimmen, dass bei Orphan Drugs infolge der Seltenheit der entsprechenden Krankheiten und des fehlenden ordentlichen Zulassungsverfahrens vielfach nicht gleich viele wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen wie für andere Medikamente. An den Nachweis der generellen Wirksamkeit können daher nicht die gleich strengen Anforderungen gestellt werden wie im Rahmen einer Aufnahme in die Spezialitätenliste (vgl. auch
Art. 26 Abs. 1 VAZV
). Liegen aber keine klinischen Studien vor, die eine therapeutische Wirksamkeit nachweisen, so kann eine solche nicht bejaht werden mit dem blossen Hinweis darauf, dass im Einzelfall eine Wirkung eingetreten sei. Dies würde auf die blosse Formel "post hoc propter hoc" hinauslaufen, was nicht angeht; denn eine Besserung kann auch spontan bzw. aus anderen Gründen eintreten (
BGE 130 V 299
E. 5.2 S. 303). In diesem Sinne ist die vorinstanzliche Aussage, bei der Beurteilung der Wirksamkeit sei
allein
auf den konkreten Einzelfall abzustellen, möglicherweise missverständlich. In Wirklichkeit hat aber die Vorinstanz mit Recht eine Gesamtbeurteilung vorgenommen und dabei neben den konkreten Umständen auch die allgemein beschriebenen Wirkungen des Arzneimittels berücksichtigt
.
6.6
Die Vorinstanz hat jedoch nicht näher ausgeführt, inwiefern der Nutzen auf die hier nicht streitige (E. 1.6), bereits durchgeführte Therapie des ersten halben Jahres zurückzuführen ist und inwiefern auf die hier zur Diskussion stehende weiterführende Therapie. Insoweit ist der Sachverhalt unvollständig festgestellt, so dass er durch das Bundesgericht zu vervollständigen ist (
Art. 105 Abs. 2 BGG
).
BGE 136 V 395 S. 403
6.7
Die inzwischen veröffentlichte LOTS-Studie, die in den wesentlichen Aussagen auch der Vorinstanz in nicht publizierter Form bereits vorlag, weist unter der Myozyme-Therapie folgenden therapeutischen Nutzen aus: Die 6-Minuten-Gehstrecke verbesserte sich bei der behandelten Gruppe innert 78 Wochen von 332,2 auf 357,9 Meter, bei der Placebo-Gruppe verschlechterte sie sich von 317,9 auf 313,1 Meter (S. 1401). Der therapiebedingte Unterschied beträgt rund 28 Meter. Zudem geht aus der Studie hervor, dass dieser Effekt praktisch vollständig in den ersten 26 Wochen eintritt und sich danach kaum mehr verändert. In Bezug auf die FVC (Forced Vital Capacity) der Lunge beträgt der Unterschied zwischen der Therapie-Gruppe und der Placebo-Gruppe 3,4 %, wobei der Effekt hauptsächlich in den ersten 38 Wochen eintrat (S. 1402). Diese Besserung ist statistisch signifikant, aber doch relativ bescheiden. Als Fazit wird denn in der Studie auch festgehalten, dass die Behandlung "a positive, if modest, effect on walking distance and pulmonary function" habe (S. 1405), und weiter festgestellt, dass die grösste Verbesserung in den ersten 26 Behandlungswochen eintrat (S. 1403), also während derjenigen Behandlungszeit, die vorliegend nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist (teilweise publ. E. 1).
6.8
Im konkreten Fall hat sich gemäss der Stellungnahme der Schweizerischen Arbeitsgruppe für lysosomale Speicherkrankheiten vom 4. Dezember 2008 der Zustand der Patientin nach Absetzen der Therapie massiv verschlechtert, so dass sie aktuell eine nächtliche CPAP-Beatmung benötige. Gemäss der Stellungnahme des Spitals X. vom 18. November 2008 ist anamnestisch hervorzuheben eine deutliche Verschlechterung der Lungenfunktion mit nächtlichen Orthopnoen und Luftnotanfällen, die im August 2008 im Rahmen einer Bronchitis deutlich exazerbiert ist und in der Notwendigkeit einer nächtlichen CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) seit dem 29. August 2008 mündete. Die Patientin berichte über ein- bis zweimal pro Jahr auftretende Bronchitiden, die jeweils unter langdauernder Antibiotikatherapie deutlich besser würden. Der Nachtschlaf sei unter der eingeleiteten Beatmung deutlich besser. Gleichwohl sei es im Verlauf des letzten Jahres zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Funktion gekommen. Die freie Gehstrecke betrage nur 200 Meter, darüber hinaus müsse die Patientin mit Gehstöcken gehen. Sie könne den Oberkörper nicht halten und müsse vornübergebeugt laufen (Kamptokormie). Nach mehr als 200 bis 400 Meter Gehen komme es zu einer deutlichen
BGE 136 V 395 S. 404
Schwäche und Schmerzen der autochthonen Rückenmuskulatur. Ferner müsse sie sich auch schon bei geringen Tätigkeiten im Haushalt abstützen. Die maximale Gehstrecke betrage ein Kilometer. Retrospektiv bemerke die Patientin eine Besserung nach der Enzymersatztherapie, insbesondere bezüglich der motorischen Funktionen, des geringeren Auftretens der Kamptokormie sowie des freien Sitzens und des Abstützens der Hände. Als Lungenfunktion wird ein Messwert FVC im Liegen von 42 % des Solls und im Sitzen von 78 % des Solls angegeben. Zusammenfassend habe sich ein halbes Jahr nach Absetzen der Therapie ein deutliches Voranschreiten der metabolischen Myopathie gezeigt, insbesondere hinsichtlich der pulmonalen Funktion. Die Patientin sei, wie befürchtet, nach einem pulmonalen Infekt in die nächtliche Beatmungspflicht gerutscht. Ferner komme es zu einer Verminderung der freien Gehstrecke und zunehmenden Beschwerden durch Kamptokormie durch eine Parese der autochthonen Rückenmuskulatur. Dieses rasche Voranschreiten der Symptomatik sei sicherlich sehr bedenklich und ein deutliches Zeichen für die zunehmende Erschöpfung und Reservekapazität der noch vorhandenen gesunden Muskulatur. Die zunehmende Glukogenspeicherung in der Muskulatur führe zu einem raschen Abfall der Muskelfunktion. Die Erkrankung verlaufe sicherlich schneller, nachdem die Myozyme-Ersatztherapie abgesetzt worden sei. Es sei zu befürchten, dass die Patientin kurz- bis mittelfristig einen Rollstuhl in Anspruch nehmen müsse. Zudem bestehe die Gefahr einer zunehmenden vitalen Bedrohung durch die sich verschlechternde Lungenfunktion (Abnahme der FVC im Sitzen um 200 ml und im Liegen um 400 ml im Verlauf eines Jahres). Ähnlich wird im Wiedererwägungsgesuch des Spitals X. vom 17. Dezember 2008 ausgeführt, gemäss der klinisch-neurologischen und spirometrischen Untersuchung habe sich der Gesundheitszustand der Patientin deutlich verschlechtert. Aufgrund eines interkurrenten broncho-pulmonalen Infekts im August 2008 sei es zur Exazerbation der nächtlichen Dyspnoe-Attacken gekommen, so dass sie seit dem 29. August 2008 nächtlich mit einer CPAP-Beatmung behandelt werden müsse. Selbstverständlich könne nicht zweifelsfrei belegt werden, dass der Abbruch der Therapie zu diesem Zustand geführt habe, doch könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die pulmonale Verschlechterung als Zeichen der Krankheitsprogression nicht durch eine Fortführung der Therapie hätte aufgehalten werden können. Ferner bestehe bei der Patientin eine ausgeprägte Kamptokormie und eine
BGE 136 V 395 S. 405
deutliche Reduktion der freien Gehstrecke; sie sei nicht mehr in der Lage, wesentliche Strecken ohne Gehstöcke zurückzulegen, da es zu einem Abknicken des Oberkörpers komme. Auch im Sitzen würde sie ohne fehlende Unterstützung der Arme immer wieder nach vorne sinken. Im Haushalt könne sie eine Bratpfanne oder einen Topf nur mit starker Unterstützung der freien Hand tragen, ansonsten würde sie nach vornüber kippen. Es drohe kurz- bis mittelfristig eine Rollstuhlpflichtigkeit. Im Schreiben vom 17. Dezember 2009 an die Vorinstanz beschreibt die Beschwerdegegnerin, nach der vierten Infusion habe sie eine eindeutige Besserung ihres Zustands festgestellt, sie habe besser und länger gehen und die Treppen hinaufsteigen und freier atmen können. Nach dem Absetzen der Therapie müsse sie mit langsamen Rückschritten des Gesundheitszustands fertig werden.
6.9
Insgesamt steht fest, dass rund drei Monate nach Absetzen der Therapie eine nächtliche CPAP-Beatmung durchgeführt werden musste. Allerdings hatte das Spital X. bereits im Kostengutsprachegesuch vom 11. Juni 2008 ausgeführt, es sei unter der Therapie gemäss den Lebensqualitätsfragebögen zu einer Besserung der Lebensqualität gekommen. Insbesondere die nächtlichen Dyspnoephasen hätten sich subjektiv unter der Therapie leicht verbessert, ferner hätten sich die Alltagsaktivitäten stabilisiert. Trotzdem soll die Patientin in Kürze einer nächtlichen CPAP-Beatmung zugeführt werden. War somit die CPAP-Beatmung auch bei Weiterführung der Therapie vorgesehen, erscheint als fraglich, ob das Absetzen der Therapie kausal war für die Notwendigkeit der Beatmung bzw. ob sich diese mit einer Weiterführung der Therapie hätte vermeiden lassen. Analoges gilt für die als solche unbestrittene Verschlechterung der Lungenfunktion und der Gehstrecke sowie die Zunahme der Kamptokormie: Es handelt sich dabei um die typischen Symptome von Morbus Pompe, deren Verlauf individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann
.
Es steht nicht fest, in welchem Ausmass die Weiterführung der Therapie diese Verschlechterung tatsächlich vermieden hätte. Die zu berücksichtigenden (nicht publ. E. 2.3; E. 6.5) Ergebnisse aus der LOTS-Studie (E. 6.7) lassen den Schluss zu, dass die Weiterführung der Therapie eine gewisse, wenn auch relativ bescheidene positive Wirkung gehabt hätte. Als mögliche Folge des Absetzens der Therapie wird zudem eine künftige Rollstuhlabhängigkeit bezeichnet, die indessen nach Lage der Akten bisher nicht eingetreten ist
.
Der Umstand, dass keine Nebenwirkungen
BGE 136 V 395 S. 406
aufgetaucht sind, stellt für sich allein keinen therapeutischen Nutzen dar. Eine lebensverlängernde Wirkung der Therapie ist weder in allgemeiner Weise noch im konkreten Fall dokumentiert. Die Beschwerdegegnerin kann mit Hilfe anderer Massnahmen (Beatmung, Gehstöcke) - wenn auch eingeschränkt - ihr Leben weiterführen. Im Übrigen könnte gemäss den Feststellungen der Vorinstanz die konkrete längerfristige Wirksamkeit erst nach einer zweijährigen Therapiedauer beurteilt werden, wobei die Dokumentation einer noch umstrittenen Wirksamkeit - wie das BAG mit Recht vorbringt - Aufgabe des Medikamentenherstellers und nicht der Krankenversicherung ist, würde doch diese sonst Forschung finanzieren.
6.10
Zusammenfassend hätte die streitige Therapie möglicherweise die weitere Reduktion der Lungenleistung und die nächtliche Beatmung sowie eine (nicht näher quantifizierte) Reduktion der Gehstrecke und zunehmende Kamptokormie verhindert oder verlangsamt, doch ist das Ausmass dieser Verbesserungen ungewiss und weder mit allgemeinen klinischen Studien noch im konkreten Fall verlässlich nachgewiesen. Ist mithin zwar ein therapeutischer Nutzen anzunehmen, aber der für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste erforderliche
hohe
therapeutische Nutzen zu verneinen, besteht keine Leistungspflicht der Beschwerdeführerin.
7.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, die Kosten der Therapie seien unverhältnismässig hoch im Vergleich zum therapeutischen Nutzen. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, die Frage der Wirtschaftlichkeit sei von der Vorinstanz nicht zu prüfen gewesen und auch die heutige Beschwerdeführerin habe sich im vorinstanzlichen Verfahren nicht dazu geäussert. Diese Frage sei daher auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfen.
7.1
Die Wirtschaftlichkeit der Behandlung ist gesetzliche Voraussetzung für die Kostenübernahme (
Art. 32 Abs. 1 KVG
). Bei den Listenmedikamenten wird sie in genereller Weise im Rahmen der Aufnahme in die Spezialitätenliste geprüft (
Art. 65-66a KVV
und
Art. 34 ff. KLV
, je in den bis 30. September 2009 gültig gewesenen Fassungen) und durch die Preisfestsetzung (
Art. 67 KVV
) sichergestellt (vorne E. 5.1). Bei Medikamenten, die nicht auf der Liste stehen, entfällt diese generelle Prüfung. Die Wirtschaftlichkeit ist daher im Rahmen der Beurteilung, ob ein nicht auf der Liste befindliches Medikament ausnahmsweise vergütet werden kann, im Einzelfall zu prüfen (SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 2.3 i.f.);
BGE 136 V 395 S. 407
denn sonst würde eine Wirtschaftlichkeitsprüfung überhaupt nie stattfinden, was
Art. 32 Abs. 1 KVG
widerspräche.
7.2
Die Gerichte haben das Recht von Amtes wegen anzuwenden (für die kantonalen Gerichte:
Art. 110 BGG
; für das Bundesgericht:
Art. 106 Abs. 1 BGG
) und daher auch von Amtes wegen die Wirtschaftlichkeit zu prüfen, zumindest wenn in den Akten und Rechtsschriften Anhaltspunkte dafür vorliegen. Die Beschwerdeführerin hat bereits in ihrer Verfügung vom 22. Oktober 2008 dargelegt, dass sie weitergehende Abklärungen deshalb getroffen hatte, weil die Therapiekosten pro Halbjahr entgegen ihrer Annahme nicht maximal Fr. 60'000.-, sondern rund Fr. 300'000.- betrugen. Sodann hatte sie in ihrer vorinstanzlichen Beschwerdeantwort vom 27. Mai 2009 sowie in den Eingaben vom 28. September und 3. Dezember 2009 die hohen Therapiekosten - wenn auch kurz - thematisiert; ebenso hatte der Vertrauensarzt, auf dessen Beurteilung sich die Beschwerdeführerin wesentlich abstützte, die hohen Kosten und ihr Verhältnis zum Nutzen in seinen der Vorinstanz vorliegenden Eingaben vom 20. Juni 2008 und vom 12. Januar 2009 an das BAG kritisiert.
7.3
Die Vorinstanz hat somit zu Unrecht die Wirtschaftlichkeit der Therapie nicht geprüft. Immerhin hat sie sachverhaltliche Grundlagen für diese Beurteilung insofern festgestellt, als die Arzneimittelkosten rund Fr. 500'000.- pro Jahr und Patient betragen. Im Übrigen sind die Kosten der ersten halbjährigen Therapie (rund Fr. 300'000.-) aktenkundig. Diese Angaben erlauben dem Bundesgericht, selber die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen (
Art. 105 Abs. 2 BGG
), auch ohne auf die von der Beschwerdegegnerin bestrittenen Angaben der Beschwerdeführerin abzustellen, wonach die Therapiekosten Fr. 700'000.- pro Jahr betragen.
7.4
Das Wirtschaftlichkeitserfordernis im Sinne von
Art. 32 Abs. 1 KVG
bezieht sich nach der Rechtsprechung auf die Wahl unter mehreren zweckmässigen Behandlungsalternativen: Bei vergleichbarem medizinischem Nutzen ist die kostengünstigste Variante bzw. diejenige mit dem besten Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu wählen (
BGE 130 V 532
E. 2.2 S. 535 f.;
BGE 127 V 43
E. 2b S. 46 f.;
BGE 124 V 196
E. 3 S. 200 f.;
BGE 121 V 216
E. 2a/bb S. 220 f.). Das bedeutet aber nicht, dass dort, wo es nur eine einzige Behandlungsmöglichkeit gibt, diese ungeachtet der Kosten in jedem Fall als wirtschaftlich zu betrachten wäre. Unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der
BGE 136 V 395 S. 408
Verhältnismässigkeit, die für das gesamte Staatshandeln gilt (
Art. 5 Abs. 2 BV
), ist eine Leistung zu verweigern, wenn zwischen Aufwand und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht (
BGE 109 V 41
E. 3 S. 44 f.;
BGE 118 V 107
E. 7b S. 115;
BGE 120 V 121
E. 4b S. 125; RKUV 2004 S. 109, K 156/01 E. 3.1.2; RKUV 2000 S. 279, K 151/99 E. 2d; ULRICH MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, 1985, S. 77; SIBYLLE SCHÜRCH, Rationierung in der Medizin als Straftat, 2000, S. 199), was eine Beurteilung des Verhältnisses von Kosten und Nutzen voraussetzt (EUGSTER, KVG, a.a.O., N. 12 zu
Art. 32 KVG
; GABRIELLE STEFFEN, Droit aux soins et rationnement, 2002, S. 156). Es können somit weder die hohe therapeutische Wirksamkeit noch die Wirtschaftlichkeit je getrennt voneinander betrachtet werden in dem Sinne, dass die Frage nach dem hohen therapeutischen Nutzen mit einem kategorialen Ja oder Nein beantwortet werden könnte und bejahendenfalls die Kosten in beliebiger Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Frage nach dem hohen therapeutischen Nutzen graduell und in Relation zu den Behandlungskosten zu beurteilen: Je höher der Nutzen ist, desto höhere Kosten sind gerechtfertigt. Das Verhältnis von Preis und Nutzen ist auch zu beachten für den Entscheid über die Listenaufnahme von Medikamenten (
Art. 34 Abs. 1 KLV
[in Kraft bis 30. September 2009];
BGE 127 V 275
E. 2b S. 279;
BGE 109 V 207
E. 4c S. 214 f.; SVR 2007 KV Nr. 13 S. 50, K 148/06 E. 6.1; RKUV 2001 S. 155, K 43/99 E. 2c und 5; PFIFFNER RAUBER, a.a.O., S. 162 f.). Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der ausnahmsweise Einsatz von Medikamenten, die nicht auf der Liste aufgeführt sind, stattdessen einzelfallweise beurteilt wird (vorne E. 5.2; SVR 2010 KV Nr. 3 S. 9, 9C_397/2009 E. 4.3).
7.5
Die Kostenfrage kann auch nicht auf die Seite geschoben werden mit der blossen Behauptung, es sei ethisch oder rechtlich unzulässig, Kostenüberlegungen anzustellen, wenn es um die menschliche Gesundheit gehe. Die finanziellen Mittel, die einer Gesellschaft zur Erfüllung gesellschaftlich erwünschter Aufgaben zur Verfügung stehen, sind nicht unendlich. Die Mittel, die für eine bestimmte Aufgabe verwendet werden, stehen nicht für andere ebenfalls erwünschte Aufgaben zur Verfügung. Deshalb kann kein Ziel ohne Rücksicht auf den finanziellen Aufwand angestrebt werden, sondern es ist das Kosten-/Nutzen- oder das Kosten-/Wirksamkeitsverhältnis zu bemessen. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung und die obligatorische Krankenpflegeversicherung, sowohl im Verhältnis zu
BGE 136 V 395 S. 409
anderen gesellschaftlichen Aufgaben als auch im Verhältnis zwischen verschiedenen medizinischen Massnahmen (RETO AUER UND ANDERE, Etudes coût-efficacité: ce que devraient retenir les médecins, Revue Médicale Suisse [RMS] 2009 S. 2402 ff., 2404; GEBHARD EUGSTER, Wirtschaftlichkeitskontrolle ambulanter ärztlicher Leistungen mit statistischen Methoden, 2003, S. 39; HANSPETER KUHN, Das Bundesgericht und die Illusion der absoluten Sicherheit in der Medizin, in: Rationierung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen, Zimmermann-Acklin/Halter [Hrsg.], 2007, S. 132 ff. [nachfolgend: Rationierung und Gerechtigkeit]; PFIFFNER RAUBER, a.a.O., S. 144; SCHÜRCH, a.a.O., S. 24; STEFFEN, a.a.O., S. 8 ff., 153; Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften [Hrsg.], Rationierung im Schweizer Gesundheitswesen: Einschätzung und Empfehlungen, Bericht der Arbeitsgruppe "Rationierung" im Auftrag der Steuerungsgruppe des Projekts "Zukunft Medizin Schweiz", 2007, S. 16, 20, 97 [Kurzfassung: Schweizerische Ärztezeitung (SÄZ) 2007 S. 1431 ff., 1436]). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung hat zum Ziel, eine zeitgemässe und umfassende medizinische Grundversorgung zu möglichst günstigen Kosten sicherzustellen (EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 402 f.). Dementsprechend übernimmt sie nicht sämtliche Behandlungsmassnahmen, die aus medizinischer Sicht möglich wären. Vielmehr enthält das geltende Recht vielfach Regelungen, welche den finanziellen Aufwand für das Gesundheitswesen begrenzen oder bestimmte Behandlungsmassnahmen, welche medizinisch möglich wären, von der Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ausschliessen (
Art. 25 ff. und 54 ff. KVG
; PFIFFNER RAUBER, a.a.O., S. 145 ff.). Insbesondere gehen
Art. 56 KVG
und die dazu ergangene Rechtsprechung davon aus, dass zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht alle denkbaren Behandlungen durchgeführt werden, sondern nur diejenigen, die sich innerhalb eines gewissen Rahmens bewegen. Auch die Positivlisten (
Art. 52 KVG
), namentlich das gesetzliche System der Spezialitätenliste (E. 5.1), beruhen auf einer Entscheidung, bestimmte Leistungen, die medizinisch möglich wären, nicht zu Lasten der Krankenversicherung zu übernehmen. Sodann ist allgemein- und gerichtsnotorisch, dass in der alltäglichen medizinischen Praxis die Kostenfrage eine erhebliche Rolle spielt und verbreitet eine Art implizite oder verdeckte Rationierung stattfindet (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, a.a.O., S. 67-84, mit Hinweisen auf
BGE 136 V 395 S. 410
verschiedene durchgeführte Studien; B. BRÜHWILER, Verdeckte Rationierung im klinischen Alltag, SÄZ 1999 S. 2645 ff.; SAMIA HURST UND ANDERE, Die Realität der ärztlichen Rationierung am Krankenbett am Beispiel von vier europäischen Ländern, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 67 ff.; GERHARD KOCHER, Zehn Jahre Rationierungsdebatten in der Schweiz, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 45 ff., 53 f.; J. POK LUNDQUIST, Verdeckte Rationierung im Spital?, SÄZ 1999 S. 2647 ff.; vgl. auch JÜRG H. SOMMER, Die implizite Rationierung bleibt notwendig, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 279 ff.). Zugleich fehlen aber allgemein anerkannte Kriterien für diese Beurteilung. Diese Situation ist unbefriedigend, weil sie für alle Beteiligten grosse Rechtsunsicherheit und zugleich Rechtsungleichheit schafft, indem bestimmte Behandlungen je nach dem Entscheid einzelner Ärzte oder Krankenkassen vorgenommen bzw. vergütet werden oder nicht (M. BAUMANN, Rationierung im Gesundheitswesen, Anmerkungen aus juristischer Sicht, SÄZ 1999 S. 2649 f.; MARKUS DÜRR, Die Medizin im Spannungsfeld zwischen Machbarkeit, Finanzierbarkeit und Ethik, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 303 ff., 305).
7.6
Die Rechtsprechung hat ansatzweise versucht, anstelle der bisher auf politischer Ebene nicht festgelegten Kriterien die Kosten-/Nutzen-Beziehung zu beurteilen.
7.6.1
So wurden in der mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot insgesamt eher zurückhaltend umgehenden Rechtsprechung (Hinweise in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 14 f.) als verhältnismässig oder jedenfalls nicht als grobes Missverhältnis betrachtet:
- Behandlungskosten von Fr. 8'000.- bis Fr. 30'000.- für eine Daumenrekonstruktion bei einem 24-jährigen Bauführer, wodurch die Funktionstüchtigkeit der Hand im gesamten Lebensbereich verbessert wurde, wenn auch voraussichtlich in geringem Ausmass (
BGE 109 V 41
).
- Kosten von Fr. 532.70 für eine rund dreimonatige Methadontherapie (
BGE 118 V 107
E. 7b S. 115 f.).
- Kosten von Fr. 6'000.- für eine Physiotherapie nach Bobath, mit welcher die Auswirkungen eines Down-Snydroms gelindert werden konnten (
BGE 119 V 446
).
- Kosten von Fr. 15'300.- für eine Geschlechtsumwandlungsoperation (
BGE 114 V 153
E. 4b S. 160).
BGE 136 V 395 S. 411
- Kosten von Fr. 60'000.- bis Fr. 80'000.- für eine Herztransplantation bei einem 46-Jährigen (
BGE 114 V 258
E. 4c/cc S. 264 f.).
- Im Entscheid
BGE 130 V 532
, wo die streitige Therapie das Leben um rund ein Jahr verlängerte, geht zwar nicht aus dem bundesgerichtlichen Urteil, aber aus dem damals angefochtenen Entscheid hervor, dass die Kosten ca. Fr. 26'000.- betrugen, was implizit als verhältnismässig beurteilt wurde.
- Kosten von rund Fr. 39'000.- für eine computergesteuerte Kniegelenksprothese als Hilfsmittelversorgung (
BGE 132 V 215
).
7.6.2
Demgegenüber hat das Eidg. Versicherungsgericht in einem nicht publ. (unfallversicherungsrechtlichen) Urteil U 77/81 vom 16. Dezember 1982 erkannt, eine an sich geeignete und zur Verbesserung des Zustands notwendige, aber komplizierte, kostspielige und riskante Handoperation sei angesichts des geringfügigen Defektzustands unwirtschaftlich und deshalb unverhältnismässig (zustimmend zitiert bei MEYER-BLASER, a.a.O., S. 77 ff.). Im Bereich der Pflegefinanzierung für Spitex-Leistungen wird als obere Grenze der Verhältnismässigkeit ein Aufwand bezeichnet, der ca. 3,5 mal höher liegt als der Aufwand in einem Pflegeheim und in absoluten Zahlen gegen Fr. 100'000.- pro Jahr beträgt (
BGE 126 V 334
E. 3b S. 342). Unverhältnismässig bzw. unwirtschaftlich sind Kosten, die vier- bis fünfmal höher sind als diejenigen im Pflegeheim und absolut über Fr. 100'000.- pro Jahr betragen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 95/03 vom 11. Mai 2004 E. 3.2). In SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 ging es um eine Therapie, die im Einzelfall Fr. 50'000.- bis Fr. 70'000.- kostete; unter Berücksichtigung der Behandlungswirksamkeit (Number Needed to Treat [NNT]) errechnete das Bundesgericht, dass zwischen 1,85 und 3,85 Mio. Franken ausgegeben werden müssten, um ein Menschenleben zu retten, was als schlechtes Kosten-/Wirksamkeitsverhältnis betrachtet wurde (E. 3.8). Selbst bei besserem Kosten-/Nutzen-Verhältnis scheine die Bejahung eines hohen therapeutischen Nutzens fraglich (E. 3.10).
7.6.3
Diese Betrachtungsweise stimmt überein mit in anderen Ländern verwendeten Kosten-Nutzen-Betrachtungen, wobei die Verhältnismässigkeit anhand des Aufwands pro gerettetes Menschenlebensjahr, allenfalls qualitätskorrigiert (QALYs [quality adjusted life years] oder ähnliche Konzepte), beurteilt wird (AUER UND ANDERE, a.a.O., S. 2404 f.; RUTH BAUMANN-HÖLZLE, Das "Manifest für eine faire Mittelverwendung im Gesundheitswesen", in: Rationierung
BGE 136 V 395 S. 412
und Gerechtigkeit, S. 34 ff., 37; SCHÜRCH, a.a.O., S. 31, 96; JÜRG H. SOMMER, Muddling Through Elegantly: Rationierung im Gesundheitswesen, 2001, S. 65 ff.; STEFFEN, a.a.O., S. 280 f.; SCHÖFFSKI/GREINER, Das QALY-Konzept als prominentester Vertreter der Kosten-Nutzwert-Analyse, Gesundheitsökonomische Evaluationen, 2007, passim; SCHÖFFSKI/SCHULENBURG, Gesundheitsökonomische Evaluationen, 2008, S. 95 ff.). In verschiedenen gesundheitsökonomischen Ansätzen werden Beträge in der Grössenordnung von maximal ca. Fr. 100'000.- pro gerettetes Menschenlebensjahr noch als angemessen betrachtet (SVR 2009 KV Nr. 1 S. 1, 9C_56/2008 E. 3.8 mit Hinweis; GEORG MARCKMANN, Kosteneffektivität als Allokationskriterium aus gesundheitsethischer Sicht, in: Rationierung und Gerechtigkeit, S. 213 ff., 220 ff.; THOMAS D. SZUCS, Gesundheitsökonomische Aspekte der chronischen Herzinsuffizienz, SÄZ 2003 S. 2431 ff., 2434). Das stimmt in der Grössenordnung überein mit den für Therapien in der Schweiz üblicherweise maximal aufgewendeten Kosten. So betragen die in der Schweiz maximal zugelassenen Therapiekosten in der Onkologie Fr. 7'000.- pro Monat bzw. Fr. 84'000.- pro Jahr (JÜRG NADIG, Verdeckte Rationierung dank Wirtschaftlichkeitsverfahren?, SÄZ 2008 S. 855 ff., 859 f.). Die Kosten der Osteoporosetherapie liegen in der Grössenordnung von etwa Fr. 60'000.- bis Fr. 70'000.-/QALY (LAMY/KRIEG, De la nécessité des études coût-efficacité en ostéoporose, RMS 2007 S. 1521 ff., 1524). Diese Grössenordnung ist auch im Vergleich mit anderen Bereichen stimmig, in denen es darum geht, bestimmte Aufwendungen zu treffen, um Menschenleben zu retten, z.B. im Bereich der Unfall-und Krankheitsprävention; soweit dafür in der Schweiz bisher explizite Kosten-/Wirksamkeitsüberlegungen angestellt wurden, werden Grenzkostenwerte zwischen 1 und maximal 20 Mio. Franken pro gerettetes Menschenleben bzw. zwischen Fr. 25'000.- und Fr. 500'000.- pro gerettetes Menschenlebensjahr als haltbar erachtet (HANSJÖRG SEILER, Risikobasiertes Recht, Wieviel Sicherheit wollen wir?, 2000, S. 153 f.). Dabei handelt es sich bei den höheren Werten um Bereiche, in denen es um die Prävention gegen Gefahrenquellen geht, welche von Menschen verursacht werden und völlig unbeteiligte andere Menschen bedrohen; aufgrund des generellen Verbots, andere an Leib und Leben zu schädigen, dürfte es sich rechtfertigen, in dieser Hinsicht höhere Aufwendungen zu Lasten des Verursachers zu fordern als im Bereich der von der Sozialversicherung bezahlten Behandlung gegen Krankheiten, die von niemandem verschuldet wurden.
BGE 136 V 395 S. 413
7.7
Eine Beurteilung der Verhältnismässigkeit bzw. Kosten-Wirksamkeit anhand verallgemeinerungsfähiger Kriterien drängt sich insbesondere aus Gründen der Rechtsgleichheit auf (
Art. 8 Abs. 1 BV
): Wie für die Beschaffung staatlicher Mittel (vgl. dazu
BGE 133 I 206
E. 7.4 S. 220 f.) stellt sich auch für die Erbringung staatlicher Leistungen die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit. Wo staatlich administrierte Güter nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, ist eine möglichst rechtsgleiche Verteilung anzustreben; es soll vermieden werden, dass die einen alles oder sehr viel und die anderen nichts oder fast nichts erhalten (
BGE 130 I 26
E. 6.3.3.2 S. 53; vgl. in Bezug auf den gesteigerten Gemeingebrauch öffentlicher Sachen
BGE 132 I 97
E. 2 S. 99 ff.;
BGE 121 I 279
E. 4 S. 284 f. und E. 6 S. 286 ff.; VINCENT MARTENET, Géométrie de l'égalité, 2003, S. 348 f.). Rechtsgleichheit setzt Verallgemeinerungsfähigkeit voraus. Verallgemeinerungsfähig ist nur, was allen, die sich in einer gleichen Situation befinden, in gleicher Weise angeboten werden kann (vgl. zur Gemeinverträglichkeit als Kriterium für die Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und gesteigertem Gemeingebrauch
BGE 135 I 302
E. 3.3 und 3.4 S. 309 f.;
BGE 126 I 133
E. 4c S. 139;
BGE 122 I 279
E. 2e/cc S. 286 f.; ZBl 107/2006 S. 254, 2P.191/2004 E. 2.4.1). Das muss insbesondere auch für staatliche Sozialleistungen und Leistungen der Sozialversicherungen gelten: Die Ressourcen müssen fair verteilt werden (BAUMANN-HÖLZLE, a.a.O., S. 37, 44). Ohne besondere Rechtfertigung wäre es mit der Rechtsgleichheit und der Gleichwertigkeit aller Menschen nicht vereinbar, einzelnen Versicherten Leistungen zu erbringen, die anderen Versicherten in gleicher Lage nicht erbracht würden (
BGE 122 I 343
E. 4d S. 350;
BGE 114 Ia 1
E. 8 S. 4 ff.; KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, 2002, S. 104 ff.; MARTENET, a.a.O., S. 551 f.; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 668 f.). Umgekehrt formuliert folgt daraus, dass in rechtsgleicher Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips für einzelne Versicherte nur so hohe Leistungen erbracht werden dürfen, wie sie in verallgemeinerungsfähiger Weise für alle anderen Personen in vergleichbarer Situation auch erbracht werden könnten. Leistungen zu erbringen, die nicht verallgemeinert werden können, verletzt die Rechtsgleichheit.
7.8
Im Lichte dieser Grundsätze müsste im zu beurteilenden Fall, selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, eine Leistungspflicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen, d.h. mangels eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Kosten - hier insgesamt
BGE 136 V 395 S. 414
rund Fr. 750'000.- bis Fr. 900'000.- (für die streitigen eineinhalb Jahre) - und dem Nutzen verneint werden. Die Beurteilung des Kosten-/Nutzen-Verhältnisses kann entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin auch nicht mit dem Argument umgangen werden, dass es sich um eine Einzelfallbeurteilung in einem Orphan-Disease-Fall handle. Denn es gibt zahlreiche Personen, die zwar nicht an Morbus Pompe, aber an anderen Krankheiten leiden, welche vergleichbare Einschränkungen der Lebensqualität zur Folge haben (z.B. chronisch-obstruktive Lungenkrankheit [COPD]). Statistisch sind beispielsweise 2,8 % der schweizerischen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren in ihrem Gehvermögen auf weniger als 200 m beschränkt (Stand 2007; Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2010, S. 323), was rund 180'000 Personen entspricht
,
die mit einer ähnlich eingeschränkten Lebensqualität wie die Beschwerdegegnerin leben müssen. Mit einem Aufwand von rund Fr. 500'000.- pro Jahr liesse sich möglicherweise bei den meisten dieser Menschen die Lebensqualität in vergleichbarem Ausmass wie bei der Beschwerdegegnerin verbessern, sei dies z.B. durch operative Massnahmen, die bisher aus Kostengründen nicht durchgeführt werden, durch gegenüber der bisherigen Rechtsprechung (E. 7.6.2) grosszügigere Gewährung von Pflegeleistungen oder schliesslich dadurch, dass - analog zum Off-Label-Use von Medikamenten - auch Mittel und Gegenstände abgegeben werden, die nicht in der grundsätzlich abschliessenden Mittel- und Gegenständeliste (
Art. 20 ff. KLV
;
BGE 136 V 84
E. 2.2 S. 86;
BGE 134 V 83
E. 4.1 S. 85 ff.) aufgeführt sind, aber doch die Lebensqualität signifikant erhöhen würden. Würde bei der Beschwerdegegnerin ein solcher Aufwand betrieben, wäre im Lichte der Rechtsgleichheit (vorne E. 7.7) kein Grund ersichtlich, allen anderen Patienten in vergleichbarer Lage einen gleichen Aufwand zu verweigern. Dadurch entstünden jährliche Kosten von rund 90 Mrd. Franken. Das ist rund das 1,6-Fache der gesamten Kosten des Gesundheitswesens (Stand 2007: rund 55,2 Mrd. Franken; Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2010, S. 340) oder etwas mehr als 17 % des gesamten Bruttoinlandprodukts der Schweiz (Stand 2007: rund 521 Mrd. Franken; Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2010, S. 124). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist offensichtlich nicht in der Lage, für die Linderung eines einzigen Beschwerdebildes einen derartigen Aufwand zu bezahlen. Ist der Aufwand nicht verallgemeinerungsfähig, so kann er aus Gründen der Rechtsgleichheit auch im Einzelfall nicht erbracht werden. | mixed |
b4c03b80-f351-475f-9059-06e0681d1ac8 | Sachverhalt
ab Seite 362
BGE 131 II 361 S. 362
En octobre 2001, l'Université de Fribourg (ci-après: l'Université) a fait paraître dans diverses publications l'annonce suivante:
"Dans le cadre des mesures fédérales en faveur de l'encouragement de la relève universitaire, la Faculté de droit de l'Université met au concours un poste de professeure associée ou de maître-assistante en droit public (droit européen et droit international public).
(...) En raison des critères fixés par le programme de relève universitaire, seules les candidatures féminines peuvent entrer en ligne de compte pour l'occupation de ce poste."
Le 1
er
novembre 2001, Tiziano Balmelli s'est porté candidat pour le poste mis au concours. Son dossier n'a pas été pris en considération par la commission chargée d'évaluer les candidatures, car le poste était réservé à une femme. Sur les trois autres candidatures, toutes féminines, reçues par l'Université, deux n'étaient pas conformes aux exigences requises pour le poste (les postulantes n'étaient pas titulaires d'un doctorat en droit), si bien que la commission d'évaluation n'a finalement présenté qu'un seul dossier de candidature au Conseil de Faculté. A 15 voix pour, 11 voix contre et une
BGE 131 II 361 S. 363
abstention, cette autorité a "élu" la candidate qui lui était proposée par la commission; cette candidate a ensuite été nommée comme professeure associée en droit public par la Conseillère d'Etat en charge de l'instruction publique.
Entre-temps, Tiziano Balmelli s'est inquiété du sort de sa candidature dont il était "officiellement sans nouvelles". Le Doyen de la Faculté lui a fait savoir (lettre du 4 janvier 2002) que son dossier n'avait pas été retenu, car le poste mis au concours était réservé aux candidatures féminines du fait des critères fixés par le programme fédéral d'encouragement de la relève universitaire (ci-après également cité: le programme ou le programme de relève).
Tiziano Balmelli a porté l'affaire devant la Commission de recours de l'Université de Fribourg (ci-après: la Commission). Il a demandé à cette autorité de constater que les motifs donnés par le Décanat pour écarter sa candidature consacraient une discrimination illicite à raison du sexe et de lui octroyer une indemnité d'un franc symbolique à titre de réparation.
Par décision du 20 mars 2002, le Président de la Commission a déclaré irrecevable le recours dont il était saisi, au motif, notamment, que la lettre précitée du Doyen du 4 janvier 2002 n'avait pas le caractère d'une décision attaquable.
Tiziano Balmelli a recouru contre cette décision au Tribunal administratif du canton de Fribourg (ci-après: le Tribunal administratif). Pour l'essentiel, il s'est plaint de déni de justice et a soutenu que la procédure suivie par l'Université pour l'engagement des nouveaux professeurs équivalait à l'instauration d'un système de quotas féminins fixes contraire aux principes constitutionnels de la légalité, de l'égalité et de la proportionnalité, ainsi qu'à la loi fédérale du 24 mars 1995 sur l'égalité entre femmes et hommes (Loi sur l'égalité, LEg; RS 151.1).
Le Conseil d'Etat a conclu au rejet du recours, après avoir expliqué que l'engagement d'une femme au poste litigieux s'imposait pour maintenir la part des femmes dans les postes de relève attribués à l'Université au-dessus du seuil de 40 % prévu dans le programme; à défaut, la Confédération n'accorderait pas les aides financières correspondantes.
Par arrêt du 31 mars 2004, le Tribunal administratif a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. En bref, les juges ont
BGE 131 II 361 S. 364
estimé que la loi sur l'égalité ne permettait pas à la victime d'une discrimination à l'embauche de demander le versement d'une indemnité d'un franc symbolique, vu la nature constatatoire d'une telle conclusion. Au surplus, ils ont considéré que les quotas féminins constituaient une mesure de discrimination positive fondée sur une base légale suffisante et conforme au principe de la proportionnalité.
Tiziano Balmelli interjette recours de droit administratif contre l'arrêt précité du Tribunal administratif dont il requiert implicitement l'annulation, en concluant derechef au versement d'une indemnité d'un franc symbolique pour la discrimination subie.
Le Tribunal administratif et la Commission renoncent à formuler des observations sur le recours, tandis que le Bureau fédéral de l'égalité entre femmes et hommes (ci-après: le Bureau de l'égalité) conclut à son rejet au terme d'une détermination circonstanciée.
A la demande du juge délégué, l'Université de Fribourg a fait parvenir au Tribunal fédéral les documents que la Conférence universitaire suisse (ci-après également citée: CUS) lui avait remis dans le cadre du programme de relève universitaire dont, en particulier, une lettre du 20 septembre 2000. Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis.
1.1
Selon l'
art. 97 OJ
en relation avec l'
art. 5 PA
, la voie du recours de droit administratif est ouverte contre les décisions fondées sur le droit public fédéral - ou qui auraient dû l'être -, à condition qu'elles émanent des autorités énumérées à l'
art. 98 OJ
et pour autant qu'aucune des exceptions prévues aux art. 99 à 102 OJ ou dans la législation spéciale ne soit réalisée (cf.
ATF 128 I 46
consid. 1b/aa p. 49).
La loi sur l'égalité n'est pas seulement une loi-cadre ou une loi limitée aux principes que le législateur cantonal devrait encore concrétiser; elle pose au contraire des règles et des principes directement déductibles en justice. Aussi bien, même lorsqu'elles concernent des rapports de travail soumis au droit public cantonal, les décisions de dernière instance cantonale (cf.
art. 13 al. 1 LEg
en relation avec l'
art. 98 let
. g OJ) prises en application de la loi sur
BGE 131 II 361 S. 365
l'égalité peuvent - comme en l'espèce - faire l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral (cf.
ATF 124 II 409
consid. 1 p. 411 ss).
1.2
Aux termes de l'
art. 103 let. a OJ
, a qualité pour recourir quiconque est atteint par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée. Cet intérêt consiste en l'utilité pratique que l'admission du recours apporterait au recourant en lui évitant de subir un préjudice de nature économique, idéale ou matérielle occasionné par la décision attaquée. L'intérêt doit être direct et concret, ce qui implique notamment que la personne concernée doit se trouver dans un rapport étroit avec la décision (cf.
ATF 130 V 196
consid. 3 p. 202/203 et les arrêts cités). Par ailleurs, le droit de recours suppose l'existence d'un intérêt actuel à obtenir l'annulation ou la modification de la décision attaquée (cf.
ATF 128 II 34
consid. 1b p. 36,
ATF 128 II 156
consid. 1c p. 159 et les arrêts cités).
Par la présente procédure, le recourant cherche essentiellement à faire constater que la décision par laquelle l'Université a écarté sans même l'examiner sa candidature constitue une discrimination à raison du sexe prohibée par la loi sur l'égalité (sur l'admissibilité d'une telle action constatatoire, cf. infra consid. 4). Comme l'Université a justifié sa décision par le système de quotas féminins prévu dans le programme fédéral de relève universitaire, le recours revient, en fin de compte, à remettre en cause, sinon le système de quotas lui-même, du moins la manière dont il a été appliqué au cas particulier. Se disant encore intéressé par la perspective d'entamer une carrière académique, le recourant souligne que, le concernant, l'utilité du recours tient surtout dans la possibilité de pouvoir mettre fin au système qu'il dénonce afin, le cas échéant, d'augmenter ses chances d'être engagé lors d'une éventuelle future postulation pour une place dans l'enseignement universitaire.
Dans la mesure où le programme de relève a été abandonné quelques mois après le prononcé de l'arrêt attaqué, à fin septembre 2004 (cf. infra consid. 6.2 in fine), on peut certes se demander si le recours n'est pas devenu sans objet, faute d'intérêt pratique actuel pour le recourant à faire constater l'invalidité d'un système qui n'a plus cours. La forte sous-représentation des femmes dans l'enseignement universitaire est toutefois toujours d'actualité, tout comme les moyens d'y remédier qui font l'objet de constantes
BGE 131 II 361 S. 366
discussions, ainsi que l'attestent les diverses mesures positives prises à différents échelons en vue de promouvoir l'égalité entre femmes et hommes en matière de formation et d'accès à l'enseignement supérieur (cf. PATRICIA SCHULZ, Droit de l'égalité en Suisse, Point de la situation et perspectives, in L'égalité entre femmes et hommes en Suisse et dans l'UE, Zurich 2004, p. 117 ss, 125/126). Au-delà de la question ici litigieuse, le recourant a donc un intérêt (actuel) à voir tracer un cadre à la constitutionnalité de telles mesures positives qui sont susceptibles de le toucher à nouveau à l'avenir. Au demeurant, on peut admettre qu'un intérêt à faire constater une discrimination à raison du sexe subsiste même si l'atteinte à la personnalité qui en découle a cessé et si le risque qu'une nouvelle atteinte se produise est quasi inexistant (cf. KATHRIN ARIOLI/FELICITAS FURRER ISELI, L'application de la loi sur l'égalité aux rapports de droit public, Bâle 2000, n. 119).
Par conséquent, Tiziano Balmelli, qui est directement touché par la décision attaquée, a la qualité pour recourir au sens de l'
art. 103 let. a OJ
.
1.3
Pour le surplus, déposé en temps utile et dans les formes requises, le recours de droit administratif est recevable à l'encontre de l'arrêt attaqué dans la mesure où, comme on l'a vu (supra consid. 1.1), celui-ci porte sur l'application de la loi sur l'égalité.
2.
Conformément à l'
art. 104 let. a OJ
, le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit fédéral, y compris l'excès et l'abus du pouvoir d'appréciation. Le Tribunal fédéral revoit d'office l'application du droit fédéral qui englobe notamment les droits constitutionnels du citoyen (
ATF 129 II 183
consid. 3.4 p. 188;
ATF 128 II 56
consid. 2b p. 60 et les arrêts cités). Comme il n'est pas lié par les motifs que les parties invoquent, il peut admettre le recours pour d'autres raisons que celles avancées par le recourant ou, au contraire, confirmer l'arrêt attaqué pour d'autres motifs que ceux retenus par l'autorité intimée (art. 114 al. 1 in fine OJ;
ATF 129 II 183
consid. 3.4 p. 188;
ATF 127 II 8
consid. 1b p. 12 et les arrêts cités).
En revanche, lorsque le recours est dirigé, comme en l'occurrence, contre la décision d'une autorité judiciaire, le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés dans la décision, sauf s'ils sont manifestement inexacts ou incomplets ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (
art. 104 let. b et 105 al. 2 OJ
;
BGE 131 II 361 S. 367
ATF 130 II 149
consid. 1.2 p. 154;
ATF 128 II 145
consid. 1.2.1 p. 150 et les arrêts cités). En outre, le Tribunal fédéral ne peut pas revoir l'opportunité de la décision entreprise, le droit fédéral ne prévoyant pas un tel examen en la matière (
art. 104 let
. c ch. 3 OJ).
3.
La loi sur l'égalité a pour but de promouvoir dans les faits l'égalité entre femmes et hommes (art. 1
er
LEg). S'appliquant aux rapports de travail régis par le code des obligations et par le droit public fédéral, cantonal ou communal (
art. 2 LEg
), elle interdit de discriminer les travailleurs à raison du sexe, soit directement, soit indirectement, notamment à l'embauche (
art. 3 al. 1 et 2 LEg
). Ne constituent pas une discrimination les mesures appropriées visant à promouvoir dans les faits l'égalité entre femmes et hommes (
art. 3 al. 3 LEg
).
Aux termes de l'
art. 5 al. 1 LEg
, quiconque subit ou risque de subir une discrimination au sens des
art. 3 et 4 LEg
peut requérir du tribunal compétent d'interdire la discrimination ou d'y renoncer si elle est imminente (let. a), de la faire cesser si elle persiste (let. b), d'en constater l'existence si le trouble qu'elle a créé subsiste (let. c), ou d'ordonner le paiement du salaire dû (let. d). Lorsque la discrimination porte sur un refus d'embauche, la personne lésée ne peut prétendre qu'au versement d'une indemnité par l'employeur. Celle-ci est fixée compte tenu de toutes les circonstances et calculée sur la base du salaire auquel la personne discriminée aurait vraisemblablement eu droit (
art. 5 al. 2 LEg
). Elle n'excédera pas le montant correspondant à trois mois de salaire. Lorsque plusieurs personnes prétendent au versement d'une indemnité pour refus d'embauche à un même poste, la somme totale des indemnités versées n'excédera pas non plus ce montant (
art. 5 al. 4 LEg
). Sont réservés les droits en dommages-intérêts et en réparation du tort moral, de même que les prétentions découlant de dispositions contractuelles plus favorables aux travailleurs (
art. 5 al. 5 Leg
).
4.
4.1
Après avoir relevé que la Commission de recours aurait dû transmettre l'affaire aux "autorités d'engagement du corps professoral", le Tribunal administratif a néanmoins admis sa compétence pour des motifs d'économie de procédure (il connaissait la position des autorités en question) et afin de tenir compte du "flou juridique" qui régnait à l'époque des faits. Il a cependant déclaré irrecevable le recours dont il était saisi, au motif que, selon la volonté
BGE 131 II 361 S. 368
du législateur, la victime d'une discrimination à l'embauche ne pourrait prétendre qu'au versement d'une indemnité "punitive", par opposition à une indemnité d'un franc à titre symbolique qui ne revêtirait qu'un caractère constatatoire.
Le recourant considère que les premiers juges ont appliqué et interprété de manière arbitraire et "excessivement formaliste" la loi sur l'égalité et commis un déni de justice formel au sens des
art. 29 Cst.
et 6 CEDH.
4.2
Selon la jurisprudence, la loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique). Le sens que prend la disposition dans son contexte est également important (
ATF 130 II 65
consid. 4.2 p. 71;
ATF 129 II 114
consid. 3.1 p. 118;
ATF 129 III 55
consid. 3.1.1 p. 56/57;
ATF 128 II 56
consid. 4 p. 62 et la jurisprudence citée).
4.3
D'après le Tribunal administratif, la formulation de l'
art. 5 al. 2 LEg
("la personne lésée ne peut prétendre qu'au versement d'une indemnité"; "die betroffene Person hat lediglich Anspruch auf eine Entschädigung"; "la persona lesa può pretendere soltanto un'indennità") vise à exclure toute prétention autre que celle tendant au versement d'une indemnité et, en particulier, à fermer au lésé les autres droits énumérés à l'
art. 5 al. 1 LEg
. Or, en requérant l'octroi d'une indemnité d'un franc symbolique, le recourant chercherait, en réalité, seulement à faire constater, au sens de l'
art. 5 al. 1 let
. c LEg, la discrimination dont il s'estime victime; toujours selon le Tribunal administratif, qui se réfère sur ce point à la volonté du législateur, l'indemnité prévue à l'
art. 5 al. 2 LEg
doit être de nature "punitive".
4.4
Il ressort des travaux préparatoires et, en particulier, du Message du 24 février 1993 concernant la loi fédérale sur l'égalité entre femmes et hommes (FF 1993 I 1163) que l'indemnité de l'
art. 5 al. 2 LEg
n'est pas subordonnée à la condition que le candidat à l'emploi discriminé ait subi un dommage ou que l'employeur ait
BGE 131 II 361 S. 369
commis une faute: elle se justifie dès que le refus d'embauche est discriminatoire; elle n'a donc le caractère ni de dommage-intérêts, ni d'une sanction pénale (message précité, p. 1214; MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, Commentaire de la loi sur l'égalité, Lausanne 2000, n. 24 ad
art. 5 LEg
; MONIQUE COSSALI SAUVAIN, La loi fédérale sur l'égalité entre femmes et hommes, in Journée 1995 du droit du travail et de la sécurité sociale, Zurich 1999, p. 57 ss, 72/ 73; KATHRIN ARIOLI/FELICITAS FURRER ISELI, op. cit., n. 138). Il s'agit plutôt d'une indemnité sui generis, proche d'une peine conventionnelle ou d'une "amende civile", qui revêt une double fonction, à la fois punitive et réparatrice (cf.
ATF 123 III 391
consid. 3c p. 394; COSSALI SAUVAIN, ibidem).
4.5
Lors des débats aux Chambres fédérales, le principe d'une indemnité en cas de discrimination à l'embauche a été fortement contesté. En première lecture, le Conseil national l'a même carrément refusé, en estimant que la lutte contre les discriminations devait se limiter aux situations dans lesquelles les parties étaient déjà liées par un contrat de travail; il fallait en effet éviter d'imposer aux employeurs, lors du recrutement de nouveaux collaborateurs, des contraintes dont l'efficacité n'était pas démontrée ou, du moins, n'était pas en rapport avec l'importance des possibles désagréments (tracasseries administratives, limitation de la liberté de choix des employeurs, risque de procès onéreux, ...) (cf. BO 1994 CN p. 257 ss, Ducret). En dépit de ces critiques, le Conseil des Etats a néanmoins estimé nécessaire d'interdire les discriminations à l'embauche, sous peine de vider la loi d'une bonne partie de son efficacité. En réponse aux craintes exprimées par le Conseil national, il a notamment souligné que l'interdiction de la discrimination à l'embauche n'enlevait rien à la liberté contractuelle des employeurs, en ce sens qu'un juge ne pouvait en aucun cas ordonner ou imposer l'engagement d'un employé contre la volonté d'un employeur. En revanche, contrairement au projet du Conseil fédéral, le Conseil des Etats a jugé que pareille interdiction ne devait pas s'appliquer aux offres d'emploi et qu'il fallait limiter à six mois de salaire le montant maximal de l'indemnité due par l'employeur en cas de discrimination à l'embauche, y compris lorsque plusieurs personnes faisaient valoir simultanément leurs droits dans le cadre d'une même procédure d'embauche (cf. BO 1994 CE p. 817 ss, 823). En seconde lecture, le Conseil national s'est finalement rallié, non sans hésitation, à cette proposition, après avoir cependant
BGE 131 II 361 S. 370
ramené la limite maximale de l'indemnité de six à trois mois de salaire (BO 1995 CN p. 185 ss), concession que le Conseil des Etats a jugée politiquement acceptable (BO 1995 CE p. 317 ss; cf. CLAUDIA KAUFMANN, Commentaire de la loi sur l'égalité, Lausanne 2000, Genèse de la loi, n. 55 ss, 97).
Par rapport au projet qui leur était soumis, les Chambres fédérales ont donc réduit à double titre l'importance de l'indemnité due en cas de discrimination à l'embauche: d'une part, en plafonnant son montant à trois mois de salaire (contre six mois dans le projet du Conseil fédéral) et, d'autre part, en prévoyant que ce plafond vaut également en cas de pluralité de demandes d'indemnisation. Indépendamment de ses conclusions, une victime peut ainsi, selon les circonstances, n'être indemnisée que d'un montant relativement faible, notamment en cas de pluralité de demandes d'indemnisation et/ou lorsque le poste mis au concours porte sur une activité peu rémunérée (par exemple une place de stage); sur ce point, il est d'ailleurs douteux que le système d'indemnisation voulu par le législateur suisse soit compatible avec la jurisprudence communautaire, comme la doctrine n'a pas manqué de le souligner (cf. FRANZ WERRO/MARJOLAINE VIRET, Egalité entre femmes et hommes: la responsabilité civile de l'employeur, in Egalité entre femmes et hommes en Suisse et dans l'UE, Zurich 2004, p. 89 ss, 113-115; BIGLER-EGGENBERGER, op. cit., n. 31 ad
art. 5 LEg
et n. 17 ss ad
art. 8 LEg
; PATRICIA SCHULZ, Die Anstellung, insbesondere Schutz vor Diskriminierung, in Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann, Saint-Gall 1996, p. 45 ss, 52/53; LUZIUS MADER, Das Gleichstellungsgesetz - Entstehung, Ziele und Instrumente, in Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann, Saint-Gall 1996, p. 9 ss, 29).
Cela étant, les discussions aux Chambres fédérales ont clairement mis en évidence que le législateur était davantage animé par le volonté de fixer un plafond au montant de l'indemnité en cas de discrimination à l'embauche que par le souci de lui assurer une certaine importance comme gage d'efficacité. Il ressort également de ces débats que c'est principalement en vue d'éviter qu'une victime ne puisse demander d'être engagée par la voie judiciaire et de préserver ainsi intacte la liberté contractuelle de l'employeur que le législateur a limité au versement d'une indemnité les prétentions du lésé en cas de discrimination à l'embauche (cf. aussi le Message concernant la loi fédérale sur l'égalité entre femmes et
BGE 131 II 361 S. 371
hommes, op. cit., p. 1214; PATRICIA SCHULZ, Die Anstellung, insbesondere Schutz vor Diskriminierung, in Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann, Saint-Gall 1996, p. 45 ss, 51; ARIOLI/FURRER ISELI, op. cit., n. 138). Contrairement à l'opinion du Tribunal administratif, l'interprétation historique de l'
art. 5 LEg
ne s'oppose donc pas à ce qu'une indemnité symbolique soit demandée en cas de discrimination à l'embauche, nonobstant le caractère davantage constatatoire que condamnatoire d'une telle prétention.
4.6
L'interprétation téléologique de la norme en cause ne vient pas davantage accréditer la thèse des premiers juges.
Conformément à l'art. 1
er
LEg, les droits des travailleurs énumérés à l'
art. 5 LEg
visent, d'une manière générale, à promouvoir dans les faits l'égalité entre femmes et hommes. L'indemnité prévue à l'
art. 5 al. 2 LEg
a plus spécifiquement pour but de prévenir les discriminations entre femmes et hommes à l'embauche, aussi bien par l'effet dissuasif qu'elle est censée exercer sur les employeurs qui seraient tentés de se livrer à des pratiques discriminatoires, que par l'effet éducatif qu'elle doit avoir sur ceux qui useraient de telles pratiques, en les dissuadant de recommencer (
fonction punitive et préventive
). Elle tend également à apporter une certaine forme de compensation aux victimes d'une discrimination à l'embauche (
fonction réparatrice
; cf. supra consid. 4.4). Afin de présenter quelque efficacité, l'indemnité doit donc, en principe, pouvoir aller au-delà d'un montant purement symbolique, suivant le voeu - dont on a cependant vu qu'il avait été mis à mal par le Parlement (supra consid. 4.5) - exprimé par le Conseil fédéral en prenant l'exemple du droit communautaire (cf. Message concernant la la loi fédérale sur l'égalité entre femmes et hommes, op. cit., p. 1214). Pour autant, l'octroi d'une indemnité symbolique dans un cas particulier n'est pas forcément incompatible avec la ratio legis de l'
art. 5 al. 2 LEg
.
D'une part, l'effet dissuasif de l'indemnité doit s'apprécier ex ante, c'est-à-dire avant que l'employeur ne se rende responsable d'une pratique discriminatoire: ce qui va dicter ou influencer son comportement, c'est en effet le montant maximal (ou abstrait) de l'indemnité qu'il s'expose à payer en cas d'infraction, étant entendu qu'il ne peut pas connaître par avance et qu'il n'a pas de prise sur le montant effectif (ou concret) qu'il pourrait être tenu de payer en cas de condamnation. L'effet dissuasif de la sanction dépend donc
BGE 131 II 361 S. 372
davantage de sa gravité abstraite que concrète. D'autre part, même symbolique, une éventuelle sanction n'est pas dépourvue d'effet éducatif: la seule constatation d'une discrimination est, en effet, de nature à amener un employeur raisonnable à prendre conscience du manquement et à changer de comportement à l'avenir, ne serait-ce que dans le but de préserver son image et sa réputation. Dans le cas particulier, l'effet dissuasif d'une éventuelle sanction tient d'ailleurs moins, comme le souligne justement le recourant, dans le montant de l'indemnité qui pourrait être mis à la charge de l'Université en cas de condamnation, que dans la constatation de la discrimination alléguée: en effet, quel qu'il puisse être, le montant alloué sera forcément relativement modeste par rapport à la taille et aux moyens de l'Université; en revanche, on peut partir de l'idée que, comme employeur public, cette institution est attachée au respect des règles communes et qu'une simple condamnation à payer une indemnité - fût-elle symbolique - aurait, le cas échéant, l'effet éducatif escompté.
Quant à la fonction réparatrice de l'indemnité, on peut concéder au recourant que la simple constatation d'une discrimination constitue pour lui une forme de réparation appropriée (cf.
ATF 129 V 411
consid. 3.4 p. 421). En effet, bien que le système qu'il dénonce, appliqué à l'échelle de l'ensemble des universités suisses jusqu'au 30 septembre 2004 (cf. infra consid. 6.2 in fine), ait depuis lors été abandonné, d'autres mesures positives destinées à augmenter la part des femmes dans l'enseignement universitaire ont été et doivent encore être prises (cf. SCHULZ, Droit de l'égalité en Suisse, op. cit., p. 125/126; pour des exemples de mesures, cf. infra consid. 6.5 in fine); or, de telles mesures requièrent elles aussi un cadre constitutionnel dont la définition représente davantage d'intérêt et d'utilité pratique pour l'intéressé, qui n'exclut pas une carrière académique, que l'éventuelle compensation financière de quelques milliers de francs à laquelle il pourrait prétendre (cf. supra consid. 1.2). Au demeurant, il serait contraire au bon sens voire choquant de refuser à la victime d'une discrimination à l'embauche l'accès à la justice au motif qu'elle ne réclame pas assez d'argent à l'employeur mis en cause.
Par conséquent, l'interprétation téléologique de la norme en cause incline plutôt à considérer comme admissible la possibilité de limiter les conclusions à une indemnité symbolique, du moins dans des circonstances telles qu'en l'espèce.
BGE 131 II 361 S. 373
4.7
Enfin, comme l'ont relevé les auteurs qui ont examiné le problème, une interprétation systématique (ou logique) de l'
art. 5 al. 2 LEg
postule également d'admettre, dans son principe, la voie de l'action en constatation de droit en cas de discrimination à l'embauche. En effet, quel qu'en soit le montant, une indemnité fondée sur cette disposition suppose logiquement que l'on puisse constater l'existence d'une discrimination, du moins à titre préjudiciel (cf. BIGLER-EGGENBERGER, op. cit., n. 15 et 16 ad
art. 8 LEg
; PIERRE DECOPPET, Indications concernant l'application et l'interprétation de la loi fédérale sur l'égalité entre femmes et hommes, éd. par l'Union syndicale suisse, 1996, n. 66 ad p. 26). De plus, il est possible que, dans certaines situations particulières, seule une action en constatation de droit soit envisageable, par exemple si le montant maximal de l'indemnité pouvant être mis à la charge de l'employeur est atteint après qu'un grand nombre de lésés ont demandé et obtenu une indemnisation (cf. THOMAS GEISER, Die Regeln über die Anstellungsdiskriminierung und die Beförderungsdiskriminierung im Gleichstellungsgesetz, in RJB 132/1996 p. 555 ss, 565/567).
4.8
En résumé, aucune des différentes méthodes d'interprétation ne vient confirmer la thèse du Tribunal administratif. Au contraire, le but et la systématique de la loi conduisent à reconnaître à la victime d'une discrimination à l'embauche le droit de demander une indemnisation symbolique dans certaines circonstances, notamment lorsque la constatation de l'infraction représente en elle-même déjà une sanction appropriée pour l'employeur et un mode de réparation adéquat pour le lésé. Or, tel est bien le cas en l'espèce, compte tenu du contexte particulier de l'affaire (utilité pratique de la question à trancher pour le recourant en raison du risque qu'une discrimination du genre de celle qu'il dénonce se reproduise; mise en cause d'une institution publique, ...).
Par conséquent, l'arrêt attaqué se révèle mal fondé dans la mesure où les premiers juges ont déclaré irrecevable le recours dont ils étaient saisis. Comme ils sont néanmoins entrés en matière sur le fond de la cause, il convient d'examiner la pertinence des motifs ayant conduit au rejet du recours.
5.
5.1
Le litige pose le délicat problème de la constitutionnalité des mesures positives qui peuvent être prises en vue d'augmenter la part des femmes dans le domaine de l'enseignement universitaire.
BGE 131 II 361 S. 374
Il s'agit plus précisément de déterminer si, et à quelles conditions, des règles de quotas sont admissibles à cette fin.
5.2
Jusqu'ici, le Tribunal fédéral n'a pas été confronté à la question des quotas féminins en matière d'accès à l'emploi. En revanche, il a dû se pencher, il y a quelques années, sur la constitutionnalité de deux initiatives cantonales, l'une soleuroise (
ATF 123 I 152
), l'autre uranaise (
ATF 125 I 21
), qui visaient à introduire des quotas destinés à garantir une meilleure représentation des femmes au sein des autorités cantonales. A ces occasions, il a rappelé que la première phrase de l'
art. 4 al. 2 aCst.
("l'homme et la femme sont égaux en droit") consacrait un droit constitutionnel subjectif directement applicable, interdisant toute différenciation juridique à raison du sexe, sous réserve de distinctions justifiées par des différences biologiques ou fonctionnelles excluant de manière absolue un traitement identique (égalité de droit ou formelle). Il a également réaffirmé que la deuxième phrase de la disposition en cause ("la loi pourvoit à l'égalité, en particulier dans les domaines de la famille, de l'instruction et du travail") donnait simplement mandat au législateur de concrétiser dans la réalité sociale le principe d'égalité (égalité de fait ou matérielle), sans toutefois conférer des droits, comme tels, aux particuliers.
Ces arrêts confirmaient la distinction établie depuis plusieurs années déjà par la jurisprudence (cf.
ATF 116 Ib 270
consid. 7 p. 282 ss) entre, d'une part, l'interdiction de discriminer en raison du sexe ("Diskriminierungsverbot"), conçue comme un droit constitutionnel subjectif à l'égalité juridique et, d'autre part, le mandat donné au législateur de traduire dans les faits le principe d'égalité ("Egalisierungsgebot"), non seulement dans les domaines explicitement énumérés (famille, formation et travail), mais dans tous les domaines de l'existence et à tous les échelons de l'Etat, le cas échéant par des mesures positives en faveur des femmes (
ATF 123 I 152
consid. 3 p. 155 ss).
5.3
Dans l'arrêt uranais, le Tribunal fédéral a précisé que, conformément à l'avis de la doctrine majoritaire, les mesures positives pouvant être prises par le législateur en vertu de l'
art. 4 al. 2 2
e
phrase aCst. (
art. 8 al. 3 2
e
phrase Cst.) ne concernent pas seulement celles qui visent à créer les conditions de base nécessaires à l'égalité des chances entre les sexes ("Gleichheit der Startbedingungen"), mais aussi celles qui tendent à obtenir une égalité de résultat
BGE 131 II 361 S. 375
("Ergebnisgleichheit") (
ATF 125 I 21
consid. 3d/aa p. 29 s.). Ainsi, cet arrêt n'excluait pas a priori des règles de quotas, comme mesure de promotion des femmes, même si elles pouvaient entrer en collision avec l'interdiction, en principe absolue, de discriminer à raison du critère du sexe. La tension ("Spannungsfeld") pouvant naître entre, d'une part, l'exigence d'égalité formelle et, d'autre part, les mesures législatives destinées à concrétiser l'égalité matérielle entre les sexes, devait être résolue selon le principe de la concordance pratique, qui implique de conférer à ces deux aspects du principe d'égalité la même valeur constitutionnelle, et de les départager, dans une situation donnée, au moyen d'une pesée des intérêts tenant compte de toutes les circonstances concrètes du cas (situation des femmes et des hommes dans le domaine considéré; intérêt et urgence à prendre des mesures; nature, intensité, efficacité, durée des mesures envisagées; possibilité de les remplacer par d'autres mesures moins incisives et tout aussi efficaces; ...). Ainsi envisagée, la constitutionnalité de mesures positives était étroitement liée à l'examen du principe de la proportionnalité considéré sous ses trois volets (aptitude, nécessité, et proportionnalité au sens étroit de la mesure en cause) (cf.
ATF 125 I 21
consid. 3d/cc p. 32). Le Tribunal fédéral a également précisé que la pesée des intérêts opérée dans ce cadre ne devait pas se limiter au rapport existant entre la première et la deuxième phrase de l'
art. 4 al. 2 aCst.
, mais qu'il fallait aussi tenir compte, si nécessaire, des autres droits fondamentaux susceptibles d'être lésés par la mesure envisagée, comme par exemple, en matière de quotas politiques, les garanties attachées au droit de vote des citoyens (cf.
ATF 125 I 21
consid. 3d/dd p. 32 ss).
Dans l'examen de la proportionnalité qu'il a été amené à effectuer dans les affaires soleuroises et uranaises, le Tribunal fédéral a pris soin de distinguer les quotas flexibles ou souples, qui donnent la préférence aux femmes à qualifications égales ou équivalentes à celles des hommes, des quotas fixes ou rigides, qui accordent la préférence aux femmes indépendamment de leurs qualifications, en raison du seul critère du sexe (cf.
ATF 123 I 152
consid. 4b p. 160 ss). L'initiative populaire mise en cause dans l'arrêt soleurois visait à assurer une représentation des femmes au sein des pouvoirs législatif, exécutif et judiciaire correspondant à leur proportion dans la population; elle établissait donc des quotas rigides qui ont été jugés contraires au principe de la proportionnalité (au
BGE 131 II 361 S. 376
sens étroit), notamment parce que les postes concernés requéraient des capacités et des qualifications importantes, soit des exigences qu'un système de quotas rigides tel que celui envisagé ne prenait, par définition, pas en compte (cf.
ATF 123 I 152
consid. 7b p. 169/ 170). Dans l'arrêt uranais, le Tribunal fédéral a admis la constitutionnalité de l'initiative populaire attaquée dans la mesure où elle imposait aux partis politiques de présenter autant de femmes que d'hommes sur les listes soumises au suffrage direct du peuple, en particulier parce qu'un tel quota ne portait pas gravement atteinte à la liberté de vote des citoyens et qu'il n'empêchait pas de tenir compte des qualités des candidats. L'initiative a également été jugée constitutionnelle s'agissant de l'obligation de réserver, dans les différentes autorités cantonales élues au suffrage indirect, au moins un tiers des sièges au sexe le moins bien représenté; le Tribunal fédéral a en effet notamment estimé qu'un tel quota n'était fixe que dans une mesure moindre et qu'il n'excluait pas de prendre en considération, au moins dans une certaine mesure, les compétences des candidats présentés (cf.
ATF 125 I 21
consid. 5b-c p. 37 ss).
5.4
La distinction entre quotas fixes et quotas souples est donc décisive, selon la jurisprudence, pour apprécier la proportionnalité de telles mesures (cf. SAMANTHA BESSON, L'égalité horizontale: l'égalité de traitement entre particuliers, thèse Fribourg 1999, n. 1717). Des règles de quotas fondées sur le critère du sexe sont admissibles, comme mesures de promotion des femmes au sens de l'
art. 8 al. 3 2
e
phrase, pour autant qu'elles soient de nature à atteindre le but qu'elles visent, soit traduire dans les faits le principe d'égalité (règle d'adéquation ou d'aptitude), qu'elles constituent le moyen le moins incisif pour atteindre ce but, en particulier par rapport à la situation des hommes ou d'autres personnes également touchées dans leurs droits fondamentaux (règle de nécessité), et qu'elles se présentent comme un moyen raisonnable d'atteindre le but visé au vu des intérêts en jeu (proportionnalité au sens étroit) (cf.
ATF 130 II 425
consid. 5.2 p. 438/439). Des règles de quotas fixes apparaissent difficilement admissibles, vu la gravité de l'atteinte qu'elles causent au regard de l'interdiction formelle de discriminer à raison du sexe.
6.
6.1
Dans le cas d'espèce, l'Université a justifié sa décision de ne pas entrer en matière sur l'offre de services du recourant par le système de quotas mis en place par le programme fédéral
BGE 131 II 361 S. 377
d'encouragement de la relève. Elle a en effet expliqué que, pour obtenir une aide financière de la Confédération, elle devait attribuer au moins 40 % des postes mis au concours dans le cadre du programme à des femmes; or, elle ne pouvait atteindre ce taux qu'en nommant une femme au poste de relève à repourvoir (professeur assistant ou maître associé en droit public).
6.2
Prévu dans l'ordonnance du Département fédéral de l'intérieur du 12 avril 2000 sur les contributions liées à des projets visant à encourager la relève dans les universités cantonales pendant les années 2001/02 à 2003/04 (ordonnance sur le programme d'encouragement de la relève, 3
e
phase, ci-après: ordonnance réglant la 3
e
phase du programme; RO 2000 p. 2097), le programme de relève permet à la Confédération de financer des postes temporaires supplémentaires dans le corps intermédiaire supérieur des universités (maîtres assistants et professeurs assistants) au titre des contributions liées à des projets au sens des
art. 13 al. 1 let
. c de la loi fédérale du 8 octobre 1999 sur l'aide aux universités et la coopération dans le domaine des hautes écoles (Loi sur l'aide aux universités, LAU; RS 414.20) et 45 à 47 de l'ordonnance du 13 mars 2000 relative à la loi sur l'aide aux universités (OAU; RS 414.201). Il vise à encourager la relève académique dans les universités suisses, à augmenter durablement la part des femmes dans le corps enseignant universitaire et à améliorer l'encadrement des étudiants (cf. art. 1
er
al. 1 de l'ordonnance réglant la 3
e
phase du programme).
Sous le titre de la promotion de l'égalité des chances entre les femmes et les hommes, l'art. 7 de l'ordonnance réglant la 3
e
phase du programme prévoit que chaque université doit, en principe, attribuer au moins 40 % des postes relevant du programme à des femmes (al. 1) et que la Conférence universitaire suisse veille à ce que la proportion soit atteinte en tout cas au niveau national (al. 2).
D'abord initié en 1992 avec l'objectif d'attribuer au moins 33 % des postes de relève à des femmes (RO 1992 p. 1182, 1184), puis reconduit en 1995 avec le même objectif (RO 1995 p. 2610, 4316), le programme a été reconduit une seconde fois en 2000 avec l'objectif d'attribuer 40 % des postes de relève à des femmes (RO 2000 p. 2097); il devait être poursuivi en 2004 avec ce même objectif jusqu'en 2007 (cf. Message relatif à l'encouragement de la formation, de la recherche et de la technologie pendant les années 2004 à 2007, du 29 novembre 2002, in FF 2003 p. 2067, 2205;
BGE 131 II 361 S. 378
ciaprès cité: Message 2002 relatif à l'encouragement de la formation); il a cependant été abandonné au 30 septembre 2004 (cf. RO 2005 p. 1041) avec l'adoption du programme d'allégement budgétaire 2003 et du programme d'abandon des tâches mis au point conjointement par la Confédération et le Comité de la Conférence suisse des directeurs cantonaux de l'instruction publique (Masterplan 2003; cf. rapport annuel de la CUS 2003, p. 16).
6.3
Selon le Message 2002 relatif à l'encouragement de la formation (op. cit., p. 2112/2113 et 2205) et les directives remises par la Conférence universitaire suisse aux établissements concernés, le programme de relève consacrait, sous couvert de l'art. 7 précité de l'ordonnance en réglant la 3
e
phase, un système impartissant aux universités d'attribuer un quota de 40 % des postes de relève à des femmes (33 % jusqu'en 2000), sous peine d'un refus des aides financières correspondantes. Les établissements qui, de manière provisoire, n'atteignaient pas ce taux, pouvaient néanmoins continuer à bénéficier des aides en cours si le quota de 40 % était atteint en moyenne nationale, c'est-à-dire sur l'ensemble des universités concernées; à défaut, ils devaient prendre à leur charge les postes de relève attribués à des hommes sur le quota réservé aux femmes, et ils ne pouvaient plus solliciter de financement pour de nouveaux postes de relève pour des hommes aussi longtemps que le quota de femmes prescrit n'était pas atteint (cf. lettre de la CUS à l'Université de Fribourg du 20 septembre 2000). L'application de cette règle a été stricte (cf. SCHULZ, Droit de l'égalité en Suisse, op. cit., p. 125). A fin 2003, 78 % des postes de relève mis à disposition par la Confédération avaient été attribués, à raison de 38 postes de professeurs assistants et de 100 postes de maîtres assistants; ils étaient occupés dans une proportion de 52 % par des femmes en équivalents plein-temps, contre 53 % une année plus tôt (rapport annuel de la CUS 2003, p. 15).
6.4
Destiné à augmenter la part des femmes dans le corps enseignant universitaire, le système de quotas prévu dans le programme de relève ne trouve pas de justification dans des différences biologiques ou fonctionnelles; il relève typiquement de la catégorie des mesures positives que peut prendre le législateur en vertu du mandat, autrefois déduit de l'
art. 4 al. 2 2
e
phrase aCst. et aujourd'hui repris à l'
art. 8 al. 3 2
e
phrase Cst., que lui confie la Constitution.
La manière dont les quotas ont été appliqués par la Conférence universitaire suisse et par l'Université équivaut à l'instauration d'un
BGE 131 II 361 S. 379
système de quotas fixes ou rigides. La candidature du recourant a en effet été d'emblée écartée, sans être examinée, en raison de la prise en compte du seul critère du sexe. Que la candidate choisie remplît les conditions requises pour le poste ne change rien à la qualification de la mesure, contrairement à l'opinion du Tribunal administratif; seul est décisif à cet égard le fait que le dossier du recourant n'ait à aucun moment été examiné et comparé à celui de sa rivale.
6.5
Afin de pouvoir porter un jugement sur la proportionnalité du système de quotas mis en place, il est utile de prendre connaissance de certaines conclusions d'un rapport d'évaluation du programme de relève (THOMAS MEYER/BETTINA NYFFELER, L'encouragement de la relève universitaire: entre la vocation et la chaire, rapport sur l'enquête qualitative 2000, Office fédéral de l'éducation et de la science, Berne 2001). Ce rapport a été effectué en 2000 sur la base notamment de réponses fournies par différents acteurs du programme, à savoir: les universités qui y ont pris part, 13 professeurs qui étaient responsables de l'encadrement des participants, et un échantillon composé de 24 personnes (12 femmes et 12 hommes) qui ont bénéficié du programme entre 1993 et 1998. Il ressort de cette évaluation que les objectifs visés par le programme de relève semblent n'avoir joué qu'un rôle secondaire dans les demandes de postes adressées par les universités, au moins dans la phase initiale du programme. Les établissements sondés ont en effet indiqué qu'ils avaient prioritairement recouru à ces postes pour compenser des manques de moyens et de ressources en personnel. Ainsi, entre 1993 et 1998, seul un poste de relève a été demandé par une université en vue d'assurer la succession d'un professeur proche de la retraite. Quant à la promotion des femmes, en tant que justification prioritaire pour les demandes de postes, elle n'a qu'à peine été mentionnée de manière explicite par les universités (rapport précité, p. 21/22).
Il apparaît également qu'entre 1993 et 2000, environ 20 % des bénéficiaires du programme - ou plutôt des personnes interrogées - ont été nommés à une chaire de professeur en Suisse ou à l'étranger. Les autres bénéficiaires se répartissaient comme suit: un tiers des personnes conservaient des chances de nomination intactes, un autre tiers avaient abandonné la carrière académique, tandis que le dernier tiers continuaient à occuper des postes "de corps intermédiaire à durée déterminée avec des perspectives de carrière peu claires" (rapport précité, p. 37).
BGE 131 II 361 S. 380
Par ailleurs, l'évaluation a révélé que la politique des quotas avait été appréciée de manière diverse, autant par les bénéficiaires du programme - hommes et femmes confondus - que par les professeurs chargés de l'appliquer (rapport précité, p. 24/27). Selon les auteurs de l'évaluation, même si la règle des quotas a favorisé l'engagement d'un "pourcentage de femmes beaucoup plus élevé que leur proportion dans les catégories correspondantes du personnel universitaire n'ayant pas bénéficié de mesures spéciales", elle a aussi montré des limites, en ce sens qu'elle n'a pas permis d'éliminer certaines "barrières structurelles liées à l'appartenance au sexe (dans certains cas accompagnées de discrimination objective)" (rapport précité, p. 48). Il semble que les rapporteurs fassent ici référence aux difficultés que les femmes doivent surmonter pour concilier leur carrière professionnelle et leur vie familiale, faute notamment de pouvoir disposer de structures adéquates dans les universités, telles des crèches (rapport précité, p. 16 ss et 24 ss). Sur ce dernier point, les auteurs du rapport sont d'avis qu'un autre programme fédéral mis en place au titre des contributions liées à des projets, baptisé "Egalité des chances", devrait être plus prometteur que le programme de relève s'il pouvait être renforcé d'un certain nombre de mesures d'accompagnements, comme par exemple la création de plus de postes à temps partiel pour augmenter la compatibilité entre la carrière universitaire et la fondation d'une famille (rapport précité, p. 48). Lancé en 2000, le programme "Egalité des chances" était doté d'une enveloppe budgétaire de 16 millions de francs pour la période 2000-2003 qui a été renouvelée pour la période 2004-2007. Il s'articule autour de trois axes: un système incitatif (module 1), qui consiste à répartir un crédit annuel de 1,35 million de francs entre les différentes universités parties au programme en proportion du nombre de femmes engagées par chacun des établissements; une action de "mentoring" (module 2), qui comprend la mise en place d'une structure destinée à soutenir et à mettre en réseau les femmes préparant un diplôme, un doctorat ou une habilitation (service de conseils; offre de possibilités de formation; dispense d'une partie des obligations d'enseignement; ...); et, enfin, des structures d'encadrement pour les enfants (module 3) qui sont destinées à aider les enseignants et les étudiants à concilier vie professionnelle et obligations familiales (pour des détails sur ce programme, cf. les informations disponibles sur le site internet de la CUS [www.cus.ch]; pour une
BGE 131 II 361 S. 381
approche critique de la constitutionnalité de ce programme, cf. les différents auteurs qui se sont exprimés in Kopfprämien für Professorinnen? Über Verfassungsmässigkeit, Opportunität und Nützlichkeit von Anreizsystem, éd. par Barbara Lischetti/Maya Widmer, Zurich 2004 [ci-après cité: Kopfprämien für Professorinnen?]).
6.6
Comme on l'a vu, plus de 50 % des postes de relève ont été attribués à des femmes, tandis qu'environ 20 % des bénéficiaires du programme de relève ont pu accéder à une chaire de professeur. Dans la mesure où l'on ignore quelle est la part des femmes dans ce dernier chiffre, il est difficile de se prononcer sur l'adéquation de la mesure. De durée limitée et faisant partie du "corps intermédiaire supérieur" des universités, les postes de relève ne répondent en effet à l'objectif visé, soit l'augmentation "durable" de la part des femmes dans le corps enseignant universitaire, que s'ils débouchent réellement sur un engagement définitif. De plus, il semble que le programme de relève n'a pas permis de lever les obstacles "structurels" qui freinent l'accession des femmes à l'enseignement universitaire. Sur ce point également, on peut donc s'interroger sur l'efficacité du système de quotas mis en place au vu de l'objectif visé.
Par ailleurs, les auteurs du rapport d'évaluation ont souligné que le programme "Egalité des chances" leur apparaissait plus "prometteur" que le programme de relève pour augmenter la part des femmes dans l'enseignement universitaire. Or, il ne fait pas de doute que les mesures mises en place dans le cadre de cet autre programme sont beaucoup moins incisives que le système de quotas litigieux, puisqu'elles ne portent qu'une atteinte limitée au principe d'égalité formelle: les structures d'encadrement pour les enfants bénéficient en effet indistinctement aux femmes et aux hommes (module 3), tandis que les actions de mentoring (module 2), bien que réservées aux femmes, ne les avantagent que très indirectement dans la perspective d'accéder à une chaire de professeur; quant aux primes d'incitation (module 1), à supposer que leur efficacité soit démontrée, elles sont en toute hypothèse moins discriminatoires à l'égard des hommes qu'un système de quotas fixes, dans la mesure où, en particulier, elles n'ont pas pour effet de les exclure d'emblée d'un poste mis au concours, sans tenir compte de leurs qualifications et de leurs compétences. La nécessité de la mesure attaquée prête donc à discussion.
BGE 131 II 361 S. 382
Mais c'est assurément sous l'angle de la proportionnalité au sens étroit que le système de quotas rigides mis en place pèche le plus. Certes, le Bureau de l'égalité objecte que la mesure était limitée dans le temps. Cet élément est assurément important pour juger de la proportionnalité d'une mesure positive, notamment si l'on veut pouvoir en tester l'aptitude ou l'adéquation par rapport au but visé. L'argument ne tient toutefois pas dans le cas d'espèce: introduit en 1992, le programme de relève a été régulièrement reconduit et devait être poursuivi jusqu'en 2007. On ne saurait donc sérieusement soutenir qu'il était de courte durée. Par ailleurs, même si le programme ne concernait pas des postes de professeur ordinaire, mais simplement des postes "temporaires dans le corps intermédiaire supérieur", il n'en reste pas moins que de tels postes représentaient un avantage comparatif non négligeable dans la perspective d'une carrière académique, puisque 20 % des bénéficiaires du programme ont pu accéder à une chaire de professeur. Enfin, il n'est pas non plus décisif, pour apprécier la gravité de l'atteinte, que 60 % des postes disponibles fussent laissés à des hommes (70 % jusqu'en 2000). Il est en effet inhérent à tout système de quotas fixes qu'une part significative - souvent proche de la parité - reste acquise au groupe dont on veut faire diminuer la représentation. Quoi qu'il en soit, cette proportion de 40 % n'a de sens que si elle peut être rapportée aux nombres respectifs des femmes et des hommes intéressés par la carrière académique et disposant des qualifications nécessaires pour les postes de relève proposés. A défaut, c'est-à-dire si, au moment où le quota est appliqué, un nombre bien plus important d'hommes que de femmes aspirent à la carrière académique et sont en position de se porter candidats aux postes de relève, la mesure leur cause alors une atteinte certaine. L'atteinte est d'autant plus grande en l'espèce que les postes disponibles dans l'enseignement universitaire sont relativement limités et que, selon la faculté ou la spécialisation considérées, il n'est pas rare de devoir attendre plusieurs années avant qu'une chaire ne se libère. Enfin et surtout, il n'est guère défendable, sous l'angle du simple bon sens et de l'intérêt public, de faire abstraction des compétences et des qualifications des candidats pour des postes aussi qualifiés que ceux de l'enseignement universitaire. En l'occurrence, une seule femme bénéficiant des compétences requises s'est portée candidate pour le poste litigieux.
BGE 131 II 361 S. 383
6.7
Dans ces conditions, il est pour le moins douteux que le système de quotas fixes litigieux soit conforme au principe de la proportionnalité. Les arrêts les plus récents de la Cour de justice des communautés européennes ne semblent pas conduire à une autre solution (cf., pour une comparaison des droits suisse et communautaire, ASTRID EPINEY, Das Recht der Gleichstellung von Mann und Frau im europäischen Gemeinschaftsrecht und schweizerischem Recht - Konvergenzen und Divergenzen, in SZS 2005 p. 37 ss). La question peut néanmoins rester ouverte, car le recours doit de toute façon être admis pour un autre motif.
7.
7.1
Dans les affaires précitées soleuroise et uranaise, le Tribunal fédéral a examiné la constitutionnalité des quotas féminins uniquement sous l'angle du principe de la proportionnalité ainsi qu'au regard de leur compatibilité avec les garanties attachées aux droits politiques. Saisi, dans les deux cas, d'un recours de droit public portant sur le contrôle abstrait des initiatives cantonales mises en cause - la première de rang législatif, la seconde de rang constitutionnel -, il n'avait en effet pas à s'exprimer spécifiquement sur les exigences requises en matière de base légale pour instaurer les quotas litigieux (cf. VINCENT MARTENET, Géométrie de l'égalité, Zurich/Bâle/Genève 2003, n. 773 et 776). Il n'en demeure pas moins que des mesures positives - empiétant sur le principe de l'égalité, au sens formel - doivent être prévues dans une loi; cette exigence est en effet une conséquence directe du rattachement constitutionnel de telles mesures à la deuxième phrase de l'
art. 8 al. 3 Cst.
(cf. ANDREAS AUER, "Combien de chameaux pour une professeure?": La constitutionnalité plus que douteuse du système des primes à la nomination, in Kopfprämien für Professorinnen?, op. cit., p. 13 ss, 17).
7.2
Le Bureau de l'égalité conteste cette interprétation, en renvoyant à l'opinion de CHRISTA TOBLER (notamment exposée à l'
ATF 125 I 21
consid. 3d/bb p. 30/31). Selon cet auteur, un traitement juridique différencié des femmes et des hommes peut également tirer sa justification de la première phrase de l'
art. 4 al. 2 aCst.
(art. 8 al. 3 première phrase Cst.), non seulement pour les motifs, admis par le Tribunal fédéral, tirés des différences biologiques ou fonctionnelles entre les sexes, mais encore en présence d'autres disparités - par exemple d'ordre structurel - qui ont notamment pour effet de discriminer les femmes dans la vie professionnelle,
BGE 131 II 361 S. 384
en particulier en matière d'accès à l'emploi (allant sensiblement dans le même sens, en plaidant pour une interprétation large des différences fonctionnelles, cf. MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, Et si la justice ôtait son bandeau?, La jurisprudence du Tribunal fédéral sur l'égalité entre femmes et hommes, Bâle 2003, n. 674 ss). Dans le cas présent, la forte sous-représentation des femmes dans l'enseignement universitaire suffirait, selon le Bureau de l'égalité, à attester l'existence de telles discriminations à leur égard en ce domaine et, partant, à justifier le traitement juridique différencié que leur assure la règle de quotas litigieuse: comprise comme une mesure qui traite de manière différente ce qui est dissemblable, une telle règle ne constituerait en effet pas une violation du principe de l'égalité formelle garanti à l'art. 8 al. 3 première phrase Cst., mais en serait au contraire la concrétisation; elle ne saurait donc être soumise à des conditions spécifiques, notamment en ce qui concerne l'exigence de la base légale.
Dans l'affaire précitée uranaise, le Tribunal fédéral a déjà précisé que cette argumentation achoppait à la volonté du constituant, selon laquelle le principe d'égalité formelle, ancré à l'art. 4 al. 2 première phrase aCst., ne souffrait pas d'autres exceptions que celles tirées des causes biologiques ou fonctionnelles (cf.
ATF 125 I 21
consid. 3d/bb p. 30/31 et les renvois aux travaux préparatoires relatifs à l'
art. 4 al. 2 aCst.
ainsi qu'à l'
ATF 108 Ia 22
consid. 5a p. 29). Or, la nouvelle Constitution fédérale ne remet pas en cause cette conception, comme la jurisprudence a déjà - du moins implicitement - eu l'occasion de le préciser (cf.
ATF 126 II 217
consid. 4a p. 219). L'
art. 8 al. 3 Cst.
reprend en effet pratiquement mot pour mot le texte de l'
art. 4 al. 2 aCst.
, si ce n'est qu'il précise que la loi pourvoit à l'égalité "de droit et de fait". Cette précision apparaît toutefois comme une simple formalisation de la conception dominante qui prévalait déjà au sujet de l'
art. 4 al. 2 aCst.
dans la jurisprudence et la doctrine (cf. Message du 20 novembre 1996 relatif à une nouvelle Constitution fédérale, tiré à part, p. 144/145; BEATRICE WEBER-DÜRLER, in Droit constitutionnel suisse, Zurich 2001, éd. par Thürer/Aubert/Müller, n. 31 ad § 41; JULIANNE KOKOTT/PATRICIA EGLI, Rechtsfragen zu positiven Massnahmen in Staat und Unternehmen, in PJA 2000 p. 1485 ss, 1487; ETIENNE GRISEL, Egalité, les garanties de la Constitution fédérale du 18 avril 1999, Berne 2000, n. 237), même si elle a donné lieu à des débats nourris et passionnés aux Chambres fédérales (cf. PASCAL
BGE 131 II 361 S. 385
MAHON, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zurich 2003, n. 18 ad
art. 8 Cst.
; GRISEL, op. cit., n. 236). La jurisprudence rendue à propos de l'
art. 4 al. 2 aCst.
garde donc toute sa valeur sous l'empire de l'
art. 8 al. 3 Cst.
(cf.
ATF 126 II 217
consid. 4a p. 219) et les quotas litigieux, comme toute mesure positive, ne peuvent tirer leur fondement que de la deuxième phrase de la disposition constitutionnelle précitée (cf. ELISABETH FREIVOGEL, Commentaire de la loi sur l'égalité, Lausanne 2000, n. 9 et 10 ad
art. 2 LEg
).
7.3
Pour l'essentiel, le Tribunal administratif a considéré que le système de quotas litigieux reposait sur une base légale suffisante, car il était prévu dans une loi et une ordonnance fédérales (la loi sur l'aide aux universités et l'ordonnance réglant la 3
e
phase du programme). Il a également laissé entendre que des mesures positives pouvaient de toute façon être prises sur la base de l'
art. 3 al. 3 LEg
.
Le recourant reproche au Tribunal administratif d'avoir méconnu la portée de l'
art. 3 al. 3 LEg
, en ce sens que le législateur a exclu la possibilité de fonder des mesures positives sur cette disposition.
Pour sa part, le Bureau de l'égalité soutient qu'en adoptant la loi sur l'aide aux universités, l'Assemblée fédérale a donné son aval au système de quotas litigieux, car le message relatif à cette loi y fait référence de manière explicite. Au demeurant, cet office estime qu'il ne faut pas poser "des exigences démesurées" concernant la base légale pour de telles mesures, limitées dans le temps, qui sont destinées à réaliser l'égalité matérielle entre femmes et hommes.
7.4
La doctrine s'accorde à reconnaître que les mesures positives nécessitent une base légale formelle lorsqu'elles revêtent une certaine intensité et qu'elles se traduisent par l'octroi d'avantages à un certain groupe de personnes, éventuellement au détriment d'un autre groupe (cf. MARTENET, op. cit., n. 702 et les références citées). D'une manière générale, cette exigence est d'autant plus élevée que les mesures sont contraignantes, qu'elles sont susceptibles d'affecter de manière importante les droits fondamentaux de tiers (cf. KATHARINA SIMONE ARIOLI, Frauenförderungsmassnahmen im Erwerbsleben, thèse Zurich 2002, p. 240/241; YVO HANGARTNER, Geschlechtergleichheit und Frauenquoten in der öffentlichen Verwaltung, in PJA 1992 p. 835 ss, 838; JACQUELINE ZWICKER,
BGE 131 II 361 S. 386
Geschlechterquoten, in Personalrecht des öffentlichen Dienstes, éd. par Peter Helbling/Thomas Poldena, Berne 1999, p. 308) et qu'elles sont controversées dans l'opinion publique; en ce dernier cas, leur adoption ne peut en effet que procéder d'un choix politique clair émanant du législateur formel, au risque de violer le principe de la séparation des pouvoirs (cf. AUER, op. cit., p. 17/18; GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, Rechtssetzung im Spannungsfeld von Gleichheit und Verhältnismässigkeit, in ZBl 91/1990 p. 306 ss, 309).
Etant certainement, parmi les différentes mesures positives envisageables, le moyen le plus direct et le plus radical pour établir une égalité de résultat entre les sexes, les quotas, surtout lorsqu'ils sont fixes, suscitent des débats de société souvent passionnés; ils n'ont jusqu'ici pas trouvé grâce en Suisse, les différents textes et initiatives proposant leur introduction dans des domaines aussi variés que la politique, la formation ou l'emploi, ayant tous été rejetés de manière assez nette par les urnes, que ce soit à l'occasion de scrutins fédéraux ou cantonaux (cf. AUER, op. cit., p. 17; REGULA MADER, Die Verfassungsmässigkeit von Quoten in der Politik anhand konkreter Modelle, in Frauenförderung durch Quoten, éd. par Kathrin Arioli, Bâle 1997, p. 279 ss, 290 ss). Certes, en matière d'accès à l'emploi dans le secteur public, des quotas souples ou flexibles peuvent être mis en place par une simple voie réglementaire ou administrative; ils mettent en effet en premier lieu l'accent sur les compétences des candidats et n'écartent pas d'entrée de jeu et de manière automatique les candidatures masculines (dans ce sens, cf. SIMONE ARIOLI et ZWICKER, loc. cit.; ARIOLI/FURRER ISELI, op. cit., n. 134; CLAUDIA KAUFMANN, Das Anreizsystem im Bundesprogramm Chancengleichheit, in Kopfprämien für Professorinnen?, op. cit., p. 31 ss, 39). C'est d'ailleurs cette voie qu'a notamment choisie le Conseil fédéral pour réaliser dans les faits l'égalité des chances et l'égalité de traitement entre les femmes et les hommes au sein du personnel de l'administration fédérale (cf. art. 6 de l'ordonnance du 3 juillet 2001 sur le personnel de la Confédération [OPers; RS 172.220.111.3]; voir aussi les instructions du Conseil fédéral du 22 janvier 2003 pour la réalisation de l'égalité des chances entre femmes et hommes dans l'administration fédérale [FF 2003 p. 1332]). Mais il en va tout autrement lorsque des procédures d'engagement du personnel sont soumises, dans le secteur public, à des quotas fixes ou rigides; vu l'importance de l'atteinte que de telles mesures sont susceptibles de causer aux candidats à
BGE 131 II 361 S. 387
l'emploi de l'autre sexe, elles apparaissent en effet difficilement concevables hors le cadre d'une loi formelle (cf. HANGARTNER, loc. cit.; MARTENET, op. cit., n. 776; SIMONE ARIOLI, op. cit., p. 243; REGULA MADER, op. cit., p. 306), si c'est n'est dans tous leurs détails, au moins quant à leur principe (cf. MARIANNE SCHWANDER CLAUS, Verfassungsmässigkeit von Frauenquoten, thèse Berne 1995, p. 174/ 175).
7.5
Comme on l'a vu (supra consid. 3), l'
art. 3 al. 3 LEg
prévoit que les mesures appropriées visant à promouvoir dans les faits l'égalité entre les femmes et les hommes ne constituent pas une discrimination. Selon le Message concernant la loi fédérale sur l'égalité entre femmes et hommes (op. cit.), cette disposition doit se comprendre comme une réserve; elle ne préjuge pas de la constitutionnalité d'éventuelles mesures adoptées par voie législative, ni ne constitue une base légale permettant d'adopter de telles mesures; elle tend surtout à éviter que les mesures prises par un employeur en vue d'améliorer la représentation des femmes dans son entreprise ne soient qualifiées de discriminatoires (message précité, p. 1212). Lors des débats aux Chambres fédérales, des députés se sont inquiétés de la portée de l'
art. 3 al. 3 LEg
; ils craignaient en effet que cette disposition ne soit la porte ouverte à une politique des quotas (cf. BO 1994 CN p. 258, Eggli; BO 1994 CE p. 819, Danioth). Le conseiller fédéral en charge du dossier a répondu à cette préoccupation en indiquant que la disposition en cause ne s'appliquait pas aux rapports de travail soumis au droit public, mais visait uniquement à rendre licites des mesures de promotion des femmes décidées par des employeurs privés (BO 1994 CN p. 261, Koller; BO 1994 CE p. 821, Koller). Au vu du champ d'application de la loi sur l'égalité (cf.
art. 2 LEg
), il est douteux que cette réponse soit exacte (cf. KOKOTT/EGLI, op. cit., p. 1488; KAUFMANN, Das Anreizsystem im Bundesprogramm Chancengleichheit, op. cit., n. 19, p. 37). Peu importe cependant. Les députés ont en effet clairement manifesté que l'
art. 3 al. 3 LEg
ne devait en aucun cas constituer une base légale pour la mise en oeuvre de mesures positives, telles des règles de quotas fixes (cf. BO 1994 CN p. 259 s., Bär, Nabholz, Comby, Stamm; BO 1994 CE p. 818, Meier). Il s'ensuit que, conformément à la volonté du législateur, de telles mesures requièrent une base légale spécifique (cf. BESSON, op. cit., n. 1702; ZWICKER, op. cit., p. 310; LUZIUS MADER, op. cit., p. 26; FREIVOGEL, op. cit., n. 154 ad
art. 3 LEg
; KATHRIN ARIOLI,
BGE 131 II 361 S. 388
Sind Quoten wirksame Mittel zur Frauenförderung?, in Frauen im Recht, Berne 2000, p. 61 ss, 69).
7.6
L'art. 7 précité de l'ordonnance réglant la 3
e
phase du programme ne prévoit pas de manière claire l'instauration d'un système de quotas: la part de 40 % des postes devant revenir à des femmes y est davantage présentée comme un objectif à atteindre que comme une règle de quotas, dans la mesure, notamment, où il n'est pas fait mention de sanction en cas de défaillance; de surcroît, rien ne permet d'interpréter la disposition en cause comme autorisant un système de quotas fixes ou rigides; la précision que les universités doivent "en principe" attribuer 40 % des postes de relève à des femmes incite même plutôt à penser le contraire; enfin, fût-il prévu avec suffisamment de précision dans l'ordonnance précitée, un tel système de quotas ne trouve de toute façon pas d'appui dans une loi formelle.
Certes, la loi sur l'aide aux universités indique, au titre des objectifs particuliers de la Confédération, que celle-ci encourage des mesures propres à réaliser l'égalité entre femmes et hommes à tous les échelons universitaires (
art. 2 al. 1 let. b LAU
); un objectif aussi vague ne saurait toutefois constituer une base légale suffisante pour déléguer à l'exécutif ou à une autorité administrative la compétence d'instaurer des quotas fixes. Pour comparaison, le quota de 33 % de femmes appliqué dans le cadre du programme de relève jusqu'en 2000 découlait d'un texte approuvé par l'Assemblée fédérale (cf. art. 3 de l'arrêté fédéral instituant des mesures spéciales visant à encourager la relève universitaire durant les années 1992 à 1995; RO 1992 p. 1182) que certains auteurs ont considéré comme pouvant constituer une base légale suffisante pour des quotas, sans toutefois que l'on sache s'ils étaient pleinement conscients du fait qu'il s'agissait de quotas fixes (cf. ZWICKER, op. cit., p. 312; YVO HANGARTNER, Gleicher Zugang von Männern und Frauen zu öffentlichen Ämtern: Bemerkungen zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Fall Kalanke, PJA 1995 p. 1554 ss, 1558).
Quant aux indications concernant le programme de relève contenues dans le Message du Conseil fédéral accompagnant la révision totale de la loi sur l'aide aux université (FF 1999 p. 271, 303), elles ne sauraient non plus pallier l'absence de base légale formelle: d'une part, c'est d'abord le texte de la loi qui fait foi quand il s'agit
BGE 131 II 361 S. 389
d'en déterminer le contenu; or, comme on l'a vu, la loi ne prévoit pas de mesure aussi incisive qu'un système de quotas fixes; d'autre part, le message lui-même n'est pas suffisamment précis, en ce sens que, s'il évoque la politique de quotas suivie, il n'indique pas que l'on a affaire, en réalité, au système de quotas fixes tel qu'il a été appliqué par les autorités compétentes (soit la Conférence universitaire suisse et l'Université).
7.7
Dans ces conditions, force est d'admettre que, telle que comprise et appliquée, la règle de quotas prévue dans le programme de relève ne repose pas sur une base légale suffisante; elle ne saurait dès lors être admise au titre d'une "mesure appropriée" visant à promouvoir dans les faits l'égalité entre femmes et hommes au sens de l'
art. 3 al. 3 LEg
. La décision de l'Université de ne pas entrer en matière sur la candidature du recourant doit donc être considérée comme contraire à l'interdiction de discriminer prévue à l'
art. 3 al. 1 et 2 LEg
. | mixed |
75eb7946-af2f-48ed-b1c8-fb1bb18e9521 | Sachverhalt
ab Seite 671
BGE 131 II 670 S. 671
Für ihre alljährliche Uhren- und Schmuckmesse BASELWORLD, die vom 3. bis 10. April 2003 erstmals zugleich in Basel und Zürich durchgeführt wurde, hatte die Veranstalterin MCH Messe Basel AG (im Folgenden: Messe Basel), eine Tochtergesellschaft der MCH Messe Schweiz AG (nachfolgend: Messe Schweiz), als Aussteller u.a. Personen aus dem asiatischen Raum eingeladen. Da dort zu jenem Zeitpunkt das als SARS bezeichnete Severe Acute Respiratory Syndrome (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom; eine neuartige Infektionskrankheit, wahrscheinlich viralen Ursprungs) seuchenartig aufgetreten war, erkundigte sich die Veranstalterin am 21. März 2003 beim Eidgenössischen Departement des Äussern über die Durchführbarkeit der Messe mit Ausstellern aus von SARS betroffenen Ländern. Das Departement verwies die Veranstalterin an das Bundesamt für Gesundheit (im Folgenden: Bundesamt), welches über seine eigens dafür eingerichtete SARS-Hotline mitteilte, dass keine Probleme erkennbar seien und es sich an die Empfehlungen der WHO halte.
Am 31. März 2003 gelangte die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich an das Bundesamt und verlangte die Absage der Messe.
BGE 131 II 670 S. 672
Noch am gleichen Tag begannen Verhandlungen mit Vertretern des Bundesamtes, der beiden Kantone Basel-Stadt und Zürich sowie der Veranstalterin. Gestützt auf deren Ergebnis erliess der Bundesrat auf Antrag des Bundesamtes in einer ausserordentlichen Sitzung die Verordnung vom 1. April 2003 betreffend Massnahmen des Bundesamtes für Gesundheit zur Prävention des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS) (SARS-Verordnung; AS 2003 S. 785). Diese hatte folgenden Wortlaut:
Art. 1 Zweck
Diese Verordnung soll Sofortmassnahmen zur Verminderung des Übertragungsrisikos von SARS ermöglichen.
Art. 2 Massnahmen
Das Bundesamt für Gesundheit wird ermächtigt, die zur Verminderung des Übertragungsrisikos von SARS notwendigen Sofortmassnahmen zu treffen und die entsprechenden Verfügungen zu erlassen. Insbesondere kann es verfügen, dass Personen, die nach dem 1. März 2003 aus gefährdeten Gebieten eingereist sind, keine beruflichen Tätigkeiten ausüben dürfen, die sie in Kontakt mit einer grösseren Anzahl Personen bringen.
Art. 3 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. April 2003 in Kraft und gilt bis zum 30. Juni 2003.
Noch am 1. April 2003 erliess das Bundesamt folgende, an die Messe Basel adressierte Verfügung:
1. Die Messe Schweiz muss sicherstellen, dass die Aussteller der Messe für Uhren und Schmuck in Basel und Zürich (BASELWORLD) keine Personen an der Messe beschäftigen, die sich nach dem 1. März 2003 in den Ländern China, Hongkong, Singapur oder Vietnam aufgehalten haben und von dort direkt oder indirekt in die Schweiz eingereist sind.
2. Die Messe Schweiz muss die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit vom 1. April 2003 zur Verhinderung von SARS-Verdachtsfällen an der BASELWORLD befolgen.
3. Die Messe Schweiz wird darauf hingewiesen, dass je nach weiterer Entwicklung von SARS weitergehende Massnahmen notwendig werden.
4. Die Kantone Basel-Stadt und Zürich werden mit der Überwachung der Massnahme gemäss Ziffern 1 und 2 dieser Verfügung beauftragt.
5. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung wird gemäss Artikel 35 Absatz 2 des Epidemiengesetzes (SR 818.101) mit Haft oder Busse bestraft.
6. Einer allfälligen Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung entzogen.
BGE 131 II 670 S. 673
Gegen diese Verfügung gelangten die Messe Schweiz und die Messe Basel am 14. Mai 2003 an das Eidgenössische Departement des Innern, welches ihre Beschwerde mit Entscheid vom 22. Dezember 2004 abwies.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 31. Januar 2005 beantragen die Messe Schweiz und die Messe Basel dem Bundesgericht, den Beschwerdeentscheid des Eidgenössischen Departements des Innern vom 22. Dezember 2004 aufzuheben.
Das Eidgenössische Departement des Innern beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Die Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit erging in Anwendung von Art. 2 der vom Bundesrat gestützt auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG; SR 818.101) erlassenen Verordnung vom 1. April 2003 betreffend Massnahmen des Bundesamtes für Gesundheit zur Prävention des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS) und damit in Anwendung von öffentlichem Recht des Bundes. Der angefochtene Entscheid des Departements unterliegt daher der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (
Art. 98 lit. b OG
in Verbindung mit
Art. 34 Abs. 1 EpG
); ein Ausschlussgrund im Sinne der
Art. 99 ff. OG
liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerinnen sind als Verfügungsadressatinnen und Veranstalterinnen der Messe aufgrund von
Art. 103 lit. a OG
grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert.
1.2
Die in Frage stehende Messe hat inzwischen stattgefunden, und die Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit, die sich einzig auf diese Veranstaltung bezog, entfaltete schon im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides des Departements keine Rechtswirkungen mehr. Zudem ist die dieser Verfügung zugrunde liegende SARS-Verordnung vom 1. April 2003, deren Geltung zum vornherein auf die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 30. Juni 2003 beschränkt war, heute nicht mehr in Kraft. Die Beschwerdeführerinnen haben damit an der Überprüfung der Rechtmässigkeit der streitigen Anordnung kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr.
BGE 131 II 670 S. 674
Das Bundesgericht sieht indessen vom Erfordernis des aktuellen Interesses dann ab, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen jeweils unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden könnte (
BGE 128 II 34
E. 1b S. 36 mit Hinweisen). Damit ist zugleich gesagt, dass die nachträgliche Überprüfung einer gegenstandslos gewordenen Anordnung sich auf die in Zukunft mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erneut stellenden Streitfragen zu beschränken hat; die Rechtsmittelinstanz beurteilt, unter Ausserachtlassen der zufälligen Modalitäten des obsolet gewordenen Falles, die streitigen Grundsatzfragen, wobei sich der Klärungsbedarf aber aufgrund der individuellen, potentiell wiederholbaren Situation des Beschwerdeführers bestimmt (
BGE 127 I 164
E. 1a und E. 6a S. 183; Urteile 2.P.34/ 1993 vom 28. Januar 1994, E. 5f., publ. in: ZBl 95/1994 S. 300, und 2A.258/2000 vom 27. Oktober 2000, E. 2b und c).
2.
2.1
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, sie führten in der Schweiz Messen, Kongresse und weitere Veranstaltungen durch, an denen jeweils internationale "Aussteller" teilnähmen. Sie könnten damit in Bezug auf solche Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung auch in Zukunft durch ähnliche Massnahmen des Bundesamtes für Gesundheit betroffen werden. Gemäss einer Medienmitteilung des Bundesamtes für Gesundheit vom 15. Januar 2004 stelle SARS immer noch eine ernstzunehmende Bedrohung dar, die zur Revision der einschlägigen Vorschriften geführt habe, um eingreifen zu können, sobald die Entwicklung von SARS entsprechende Massnahmen erfordere. Einem aktuellen Bericht des Bundesamtes für Gesundheit vom 26. Januar 2005 betreffend Vogelgrippe sei zu entnehmen, dass dieser Virus sich an den menschlichen Organismus adaptieren und alsdann eine weltweite Pandemie auslösen könnte. Da Beschwerden gegen diesbezügliche Anordnungen vom Bundesgericht nie rechtzeitig behandelt werden könnten, sei vom Erfordernis des aktuellen Interesses abzusehen und die Rechtmässigkeit der vorliegend ergangenen Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit zu überprüfen.
2.2
Dem ist vorab entgegenzuhalten, dass seuchenpolizeiliche Anordnungen, welche die Durchführung einer Messe behindern oder verunmöglichen können, nicht notwendigerweise in jedem Fall derart kurzfristig vor der betreffenden Veranstaltung ergehen, dass eine
BGE 131 II 670 S. 675
rechtzeitige Beurteilung durch das Bundesgericht zum vornherein immer ausgeschlossen ist. Es trifft jedoch zu, dass akute Interessenkollisionen und entsprechende Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung besonders dann zu erwarten sind, wenn kurz vor der Durchführung einer weitgehend bereits vorbereiteten Messeveranstaltung gesundheitspolizeiliche Anordnungen erforderlich werden, um der drohenden Ausweitung einer ansteckenden Krankheit zu begegnen. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass Sofort-Massnahmen der hier in Frage stehenden Art in der Regel nicht rechtzeitig höchstrichterlich überprüft werden können.
2.3
Was den Inhalt der - mit den Interessen der Messeveranstalter potentiell kollidierenden - gesundheitspolizeilichen Massnahmen anbelangt, so besteht jedoch wenig Wahrscheinlichkeit, dass sich die der Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit vom 1. April 2003 zugrunde liegende Sach- und Problemlage in gleicher oder ähnlicher Weise wiederholen wird. Im Zeitpunkt der genannten Verfügung bestand über die neu aufgetretene Infektionskrankheit SARS eine hohe Unsicherheit, und der Wissensstand insbesondere zu den Übertragungswegen und den zu ergreifenden Massnahmen befand sich gerade in den fraglichen Tagen in einer "dramatischen Entwicklungsphase". Die SARS-Verordnung vom 1. April 2003, welche die mit den fraglichen Messeveranstaltungen verbundenen Risiken erfassen wollte und als primäre Massnahme ein Beschäftigungsverbot für Personen aus gefährdeten Gebieten vorsah, war dementsprechend auf drei Monate befristet. Zur Verhinderung der Einschleppung von SARS und anderen neu auftretenden Infektionskrankheiten hat das Eidgenössische Departement des Innern am 15. Dezember 2003 eine Verordnung (SR 818.125.12) erlassen, welche die Flughafenbetreiber zu bestimmten Massnahmen verpflichtet. Falls künftig zusätzliche gezielte gesundheitspolizeiliche Abwehrmassnahmen gegen SARS im Zusammenhang mit der Durchführung internationaler Messen erneut erforderlich werden sollten, wird hierüber nach dem dannzumaligen Kenntnisstand zu befinden sein, und es versteht sich von selbst, dass dabei auch die im vorliegenden Fall gemachten Erfahrungen mit den organisatorischen Problemen der Messedurchführung sowie mit dem Verhalten der Messeteilnehmer zu berücksichtigen sein werden. Eine nachträgliche fachliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit das mit der Verfügung vom 1. April 2003 für einen bestimmten Personenkreis ausgesprochene
BGE 131 II 670 S. 676
Beschäftigungsverbot nach dem damaligen Wissensstand zweckmässig und verhältnismässig war oder ob andere Massnahmen - etwa "Screening" (Ausfüllen eines Fragebogens über Krankheitssymptome) oder die Pflicht zur Verwendung von Masken - ausgereicht hätten und ob die Inkubationszeit aufgrund der damals vorliegenden Informationen richtig eingeschätzt wurde, mag aus der Sicht der betroffenen Messeveranstalter einem verständlichen Bedürfnis entsprechen. Eine diesbezügliche retrospektive Beurteilung vermöchte aber zur rechtlichen Bewältigung künftiger Krisensituationen, wie sie sich im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten in mannigfacher und naturgemäss schwer voraussehbarer Art ergeben können, wenig beizutragen. Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die zur Zeit drohende Ausbreitung der Vogelgrippe, bei der es sich um eine von SARS verschiedene Infektionskrankheit mit anderen Übertragungseigenschaften handelt, vermag die vorstehende Überlegung nicht zu entkräften. Es ist in diesem Punkt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
3.
3.1
Grundsätzlicher Natur - und damit einer nachträglichen Beurteilung trotz Gegenstandslosigkeit des konkreten Streitfalles zugänglich - ist dagegen die in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Frage der Zuständigkeit des Bundesrates zu Massnahmen gemäss Art. 10 des Epidemiengesetzes. Gemäss
Art. 11 EpG
obliegt es den Kantonen, die zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erforderlichen Massnahmen zu treffen. Nach Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes kann jedoch, "wenn ausserordentliche Umstände es erfordern", der Bundesrat für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen treffen. In der Botschaft wird bezüglich der Abgrenzung der Kompetenzen ausgeführt, dass "für die üblichen Aufgaben der Vorbeugung unter normalen Verhältnissen und bei geringen Erkrankungszahlen" die kantonalen Anordnungen genügen sollten (BBl 1970 I/1 411). Nach Wortlaut und Sinn von Art. 10 des Epidemiengesetzes steht dem Bundesrat bei der Handhabung dieser Kompetenznorm, welche letztlich die polizeiliche Generalklausel konkretisiert, ein erheblicher Spielraum zu (vgl. auch AB 1970 N 566). Im vorliegenden Falle durfte der Bundesrat, nachdem die fraglichen Messen in zwei verschiedenen Kantonen durchgeführt wurden, seitens der Kantonsregierungen über die zu treffenden Massnahmen offenbar keine Einigkeit bestand und ein Einschleppen von SARS die gesamte schweizerische Bevölkerung
BGE 131 II 670 S. 677
bedroht hätte, zulässigerweise das Vorliegen ausserordentlicher Umstände im Sinne von
Art. 10 EpG
bejahen und alsdann anstelle der Kantone selber die geboten erscheinenden Abwehrmassnahmen beschliessen. Was die Beschwerdeführerinnen hiegegen vorbringen, ist nicht stichhaltig. Wohl trifft zu, dass das Epidemiengesetz zulässt, dass die Kantone zur Abwehr von übertragbaren Krankheiten allenfalls unterschiedliche Massnahmen treffen können; das ergibt sich aus der den Kantonen übertragenen Vollzugskompetenz und den damit verbundenen Spielräumen. Vorliegend bestand nach dem Gesagten aber eine besondere Problemlage, welche den üblichen Rahmen der den Kantonen zustehenden Vollzugsaufgaben klar sprengte und richtigerweise auf Bundesebene zu regeln war.
3.2
Die Beschwerdeführerinnen beanstanden im Weiteren, dass die SARS-Verordnung die Befugnis zum Erlass von Sofortmassnahmen zur Bekämpfung von SARS global an das Bundesamt für Gesundheit übertragen habe, was nach ihrer Meinung auch die Kompetenz des Amtes zum Erlass von einschneidenden Massnahmen wie körperliche Eingriffe, Anstaltseinweisung, Quarantäne, Beschränkung der Personenfreizügigkeit in sich schloss.
Das Gewicht der erfolgten Delegation lag klarerweise auf der in Art. 2 Satz 2 der SARS-Verordnung vorgesehenen, recht bestimmt umschriebenen Massnahme (Verbot der beruflichen Tätigkeit für Personen aus gefährdeten Gebieten), welche in der streitigen Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit vom 1. April 2003 für die hier in Frage stehende Messe angeordnet wurde. Dass der Bundesrat gestützt auf
Art. 10 EpG
dem Bundesamt für Gesundheit diese Befugnis übertragen durfte, steht ausser Frage. Was die in Art. 2 Satz 1 der SARS-Verordnung enthaltene Delegation anbelangt, so lässt sie sich ohne Zwang dahin interpretieren, dass das Bundesamt (anstelle oder neben den an sich zuständigen Kantonen) nötigenfalls die im Epidemiengesetz vorgesehenen Abwehrmassnahmen treffen durfte, wobei es sich nur um "Verfügungen" und nicht um generell-abstrakte Regelungen handeln konnte; weitergehende Sondermassnahmen hätten nach der Konzeption der SARS-Verordnung wohl vom Bundesrat ausgehen müssen.
3.3
An welche inhaltlichen Schranken der Bundesrat beim Erlass von Massnahmen nach
Art. 10 EpG
gebunden ist und wieweit er entsprechende Kompetenzen an nachgeordnete Stellen übertragen
BGE 131 II 670 S. 678
darf (vgl. dazu Art. 47 und 48 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 [RVOG; SR 172.010]), kann nicht abstrakt, d.h. losgelöst von einer bestimmten Bedrohungssituation, festgelegt werden. Jedenfalls hielt der Bundesrat sich mit der in Art. 2 Satz 2 der SARS-Verordnung vorgesehenen Massnahme (Beschäftigungsverbot für Personen aus gefährdeten Gebieten) im Rahmen der Kompetenzen, die ihm aufgrund von
Art. 10 EpG
zustanden, und es war grundsätzlich auch zulässig, dass er gestützt auf die genannte Gesetzesbestimmung den Vollzug dieser Regelung sowie die Zuständigkeit für weitere mögliche "Sofortmassnahmen" an das Bundesamt für Gesundheit übertrug (Art. 2 Satz 1). Wie bestimmt solche Delegationen und Ermächtigungen an nachgeordnete Bundesstellen sein müssen, braucht hier nicht allgemein untersucht zu werden. Die angefochtene Verfügung des Bundesamtes für Gesundheit vom 1. April 2003 enthielt neben dem Beschäftigungsverbot für bestimmte ausländische Personen keine zusätzlichen, die Messeveranstalter belastenden Anordnungen, für welche die SARS-Verordnung als Grundlage allenfalls nicht ausgereicht hätte; die Bedeutung der Verfügung erschöpfte sich im Wesentlichen im erwähnten Verbot, wofür die SARS-Verordnung (in Verbindung mit
Art. 10 EpG
) klarerweise eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellte.
4.
4.1
Zu prüfen bleibt schliesslich die Frage der Gewährung des rechtlichen Gehörs, soweit sie grundsätzliche Aspekte betrifft.
4.2
Es versteht sich von selbst, dass der von einer individuell-konkreten Anordnung betroffene Messeveranstalter in ausreichender und geeigneter Weise angehört werden muss. Falls die vorgängige Gewährung einer schriftlichen Äusserungsmöglichkeit wegen zeitlicher Dringlichkeit ausser Betracht fällt (vgl.
Art. 30 Abs. 2 lit. e VwVG
), soll die zuständige Behörde, soweit die Sachlage dies erlaubt, bei einschneidenden Eingriffen die Betroffenen vor Erlass der Verfügung wenigstens mündlich zu den ins Auge gefassten gesundheitspolizeilichen Massnahmen anhören, um ihren Entscheid auf möglichst zuverlässiger Grundlage fällen zu können. Das vom Bundesamt für Gesundheit vorliegend eingeschlagene Vorgehen lässt sich insoweit nicht beanstanden. Es konnte jedoch seinen Zweck nur richtig erfüllen, wenn die betroffenen Messeveranstalter in der Einladung zur mündlichen Verhandlung über die mögliche Tragweite der anzuordnenden Massnahmen ausreichend informiert
BGE 131 II 670 S. 679
wurden. Aus der Sitzungseinladung des Bundesamtes für Gesundheit vom 31. März 2003 war nicht ersichtlich, welche gesundheitspolizeilichen Massnahmen in Betracht gezogen wurden. Mit einem Beschäftigungsverbot für einen weiten Kreis ausländischer Personen hatten die Messeveranstalter offenbar nicht gerechnet. Auch der stellvertretende Leiter der Abteilung Epidemiologie und Infektionskrankheiten des Bundesamtes für Gesundheit hatte in einem Radiointerview am 31. März 2003 (von 13.00 bis 13.30 Uhr, d.h. kurz vor der Sitzung, die gleichentags auf 16.00 Uhr angesetzt worden war) - angesprochen auf die in Basel und Zürich stattfindende Uhren- und Schmuckmesse mit vielen Ausstellern und Besuchern aus Asien - noch erklärt, es seien diesbezüglich keine Sofortmassnahmen erforderlich; diese Leute seien aber zu informieren. Andererseits musste den Veranstaltern der Messe klar sein, dass die Situation seitens der Behörden als ernst betrachtet wurde, was die Möglichkeit einschneidender Massnahmen für den Messebetrieb zum vornherein in sich schloss. Es hätte unter diesen Umständen den Messeveranstaltern obgelegen, sich an der fraglichen Sitzung nicht durch eine "für das Bundesamt für Gesundheit erkennbar überforderte" "subalterne Vertreterin", welche sich telefonisch mehrmals mit der Geschäftsleitung in Verbindung zu setzen suchte, sondern durch eine über das nötige Wissen und Verhandlungserfahrung verfügende und mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattete Delegation vertreten zu lassen.
4.3
Das Erstellen eines schriftlichen Protokolls über derartige Verhandlungen ist an sich nicht vorgeschrieben. Aufgrund der möglichen Tragweite der ins Auge gefassten Massnahmen, deren Verhältnismässigkeit weitgehend auch von den seitens der Verhandlungsteilnehmer mündlich abgegebenen Erklärungen abhängen konnte, hätte jedoch vorliegend zur Wahrung der Parteirechte der Gang der Sitzung in geeigneter Form durch einen Vertreter der federführenden Behörde (Bundesamt für Gesundheit) protokolliert werden müssen. Ohne ein derartiges Verhandlungsprotokoll sind die betroffenen Parteien nicht ausreichend in der Lage, die der sie belastenden Massnahme zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen und Überlegungen nachzuvollziehen. Zudem vermag auch die Behörde, soweit sie sich auf Aussagen der Beteiligten stützen muss, ihre Begründungspflicht mangels schriftlicher Belege nicht richtig zu erfüllen. In diesem Teilpunkt ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen. | mixed |
80ba8737-5352-433c-8a1f-4d54a53e8a8a | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 135 II 94 S. 95
Der aus dem Kosovo stammende X., geb. 1964, lebte seit 1985 mit einer Saisonnierbewilligung und seit 1992 mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Nachdem die Bewilligung nicht mehr verlängert und ein Asylgesuch von X. abgelehnt worden waren, wurden er und seine Familienangehörigen am 13. September 2001 vorläufig aufgenommen. Am 11. Dezember 2003 verurteilte das Kreisgericht IV Aarwangen-Wangen X. unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung und der versuchten vorsätzlichen Tötung zu sieben Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Landesverweisung. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte dieses Urteil am 11. November 2004. Am 9. September 2003 hob das Bundesamt für Migration die vorläufige Aufnahme auf. Am 21. April 2008 erhielten die Ehefrau von X. und seine Kinder das Schweizer Bürgerrecht. Nachdem auf ein im Hinblick auf die Entlassung aus dem Strafvollzug eingereichtes Begehren um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an X. nicht eingetreten worden war, stellte dieser am 9. Oktober 2008 ein Asylgesuch. Am 12. Oktober 2008 wurde X. bedingt aus dem Strafvollzug entlassen und gleichentags in Vorbereitungshaft genommen. Die Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland prüfte und bestätigte die Haft am 15. Oktober 2008. Am 27. Oktober 2008 wies das Bundesamt für Migration das Asylgesuch ab. Dagegen erhob X. Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, die bis heute hängig ist.
Am 8. Januar 2009 wies die Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern- Mittelland einen Antrag des Ausländer- und Bürgerrechtsdienstes der Kantonspolizei Bern auf Umwandlung der Vorbereitungs- in Ausschaffungshaft ab, genehmigte jedoch gleichzeitig die Verlängerung der Vorbereitungshaft bis zum 11. April 2009. Auch dagegen erhob X. am 15. Januar 2009 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht.
Mit Verfügung vom 19. Januar 2009 setzte das präsidierende Mitglied der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern eine Frist, um einen Bericht zur Frage der Qualifikation des
BGE 135 II 94 S. 96
Haftgerichts III Bern-Mittelland als oberes kantonales Gericht im Sinne von
Art. 86 Abs. 2 BGG
einzureichen.
Mit Eingabe vom 27. Januar 2009 hält die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern dafür, dass beim Haftgericht III Bern-Mittelland ein Ausnahmefall vom Erfordernis eines oberen Gerichts als Vorinstanz vorliege, dass es sich aber selbst im Bedarfsfall um ein solches Gericht handle. Am 28. Januar 2009 reichte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme ein. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein und überweist die Sache an das Obergericht des Kantons Bern zur weiteren Behandlung der Beschwerde im Sinne der Erwägungen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (
Art. 29 Abs. 1 BGG
;
BGE 134 V 138
E. 1 Ingress S. 140 mit Hinweisen).
(...)
3.
3.1
Nach
Art. 86 Abs. 2 BGG
setzen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Gemäss
Art. 86 Abs. 3 BGG
können die Kantone für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen. Nach
Art. 130 Abs. 3 BGG
erlassen die Kantone innert zwei Jahren nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes unter anderem Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren der Vorinstanzen im Sinne von
Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG
. Bis zum Erlass der Ausführungsgesetzgebung können die Kantone die Ausführungsbestimmungen nötigenfalls und vorläufig in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse kleiden (
Art. 130 Abs. 4 BGG
).
3.2
Das Bundesgerichtsgesetz ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (vgl. AS 2006 1069). Die Frist nach
Art. 130 Abs. 3 BGG
lief damit am 31. Dezember 2008 ab. Die Übergangsregelung galt mithin vorliegend beim zweiten Haftverlängerungsentscheid vom 8. Januar 2009 nicht mehr. Bei der Frage, ob die gesetzlichen Anforderungen
BGE 135 II 94 S. 97
an die Vorinstanz erfüllt sind, handelt es sich um eine Eintretensvoraussetzung, die von Amtes wegen und mit freier Kognition zu prüfen ist (vgl. E. 1). Konkret stellt sich damit die Frage, ob das Haftgericht III Bern-Mittelland den Anforderungen von
Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG
genügt.
3.3
Nicht strittig und klarerweise erfüllt sind die allgemeinen Anforderungen an ein Gericht (vgl.
Art. 30 Abs. 1 BV
,
Art. 5 EMRK
,
Art. 191c BV
;
BGE 134 I 125
E. 3.5 S. 135; THOMAS HUGI YAR, § 10 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2009, Rz. 10.179; ESTHER TOPHINKE, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 13 zu
Art. 86 BGG
). Insbesondere verfügt das Haftgericht III Bern-Mittelland grundsätzlich über die notwendige institutionelle Unabhängigkeit und die erforderliche Kognition, namentlich die Befugnis, den Sachverhalt frei zu prüfen und das massgebende Recht von Amtes wegen anzuwenden. Auch die grundsätzlichen Verfahrensanforderungen (vgl.
Art. 29 ff. BV
,
Art. 5 EMRK
,
Art. 110-112 BGG
;
BGE 134 II 318
E. 4.4 S. 323) sind erfüllt.
3.4
Von keiner Seite wird sodann behauptet, dass es sich bei der richterlichen Überprüfung ausländerrechtlicher Administrativhaft um einen Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter im Sinne von
Art. 86 Abs. 3 BGG
handelt. Vielmehr geht es um einen Rechtsakt, auf den der fragliche Ausnahmetatbestand nicht anwendbar ist. Abgesehen davon dispensiert die Bestimmung in erster Linie vom Erfordernis einer gerichtlichen Instanz. Im Vordergrund steht nicht die Ausnahme von der Voraussetzung, dass es sich um ein oberes Gericht handeln muss. Ob
Art. 86 Abs. 3 BGG
auch davon eine Ausnahme setzen könnte, kann hier aber offenbleiben, da bereits die Grundvoraussetzung eines politischen Entscheides nicht erfüllt ist. Zu prüfen bleibt aber, ob das Haftgericht III Bern-Mittelland
Art. 86 Abs. 2 BGG
entspricht.
4.
4.1
Als obere kantonale Gerichte gemäss Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG, die als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts eingesetzt sind, kommen sowohl die höchsten kantonalen Gerichte in Verwaltungs-, Zivil- oder Strafsachen (Verwaltungs-, Kantons-, Appellationsgerichte usw.) als auch verwaltungsunabhängige besondere Justizbehörden (wie kantonale Rekurskommissionen oder -gerichte) in Frage. Ein doppelter Instanzenzug wird nicht verlangt; das
BGE 135 II 94 S. 98
obere Gericht braucht also nicht eine Rechtsmittelinstanz zu sein (
BGE 134 II 318
E. 4.4 S. 323 f.; YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire, 2008, N. 3010; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10.179; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz, Seiler/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], 2007, Rz. 15 zu
Art. 86 BGG
; TOPHINKE, a.a.O., N. 16 zu
Art. 86 BGG
). Genauso wenig ist ein einheitliches Gericht für sämtliche öffentlich-rechtlichen Materien erforderlich; besonders geeignete Spezialgerichtsbehörden wie ein Haftgericht sind also nicht ausgeschlossen (DONZALLAZ, a.a.O., N. 3011; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10.179; LUGON/POLTIER/TANQUEREL, Les conséquences de la réforme de la justice fédérale pour les cantons, in: Les nouveaux recours fédéraux en droit public, Bellanger/Tanquerel [Hrsg.], 2006, S. 114; SEILER, a.a.O., Rz. 17 zu
Art. 86 BGG
; TOPHINKE, a.a.O., N. 14 zu
Art. 86 BGG
). Hingegen setzt das Erfordernis eines oberen Gerichts voraus, dass die Justizbehörde für das ganze Kantonsgebiet zuständig und hierarchisch keiner anderen Gerichtsinstanz unterstellt ist (
BGE 134 I 125
E. 3.5 S. 135; vgl. DENISE BRÜHL-MOSER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 18 zu
Art. 130 BGG
; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10.179). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn gegen die Entscheide der fraglichen Justizbehörde noch eine ordentliche Beschwerde an eine andere kantonale Instanz erhoben werden kann (vgl. DONZALLAZ, a.a.O., N. 3011; RUTH HERZOG, Auswirkungen auf die Staats- und Verwaltungsrechtspflege in den Kantonen, in: Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, 2007, S. 79 ff.; LUGON/POLTIER/TANQUEREL, a.a.O., S. 114 f.; TOPHINKE, a.a.O., N. 14 und 16 zu
Art. 86 BGG
; vgl. zur erforderlichen hierarchischen Unabhängigkeit auch ETIENNE POLTIER, Le recours en matière de droit public, in: La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Urs Portmann [Hrsg.], 2007, S. 154 f.). Massgebend ist dabei nicht nur, dass der Gerichtsbehörde im gerade fraglichen Sachbereich Letztinstanzlichkeit zukommt, sondern dass ihre Entscheide allgemein, also auch in den übrigen Zuständigkeitsbereichen, nicht an eine höhere kantonale Instanz weitergezogen werden können (PIERRE MOOR, De l'accès au juge et de l'unification des recours, in: Les nouveaux recours fédéraux en droit public, Bellanger/Tanquerel [Hrsg.], 2006, S. 168). Ob die erforderliche hierarchische Unabhängigkeit auch gegeben ist, wenn eine Spezialjustizbehörde der Aufsicht eines anderen kantonalen Gerichts unterliegt, ohne dass gegen ihre Entscheide ein kantonales Rechtsmittel offensteht, erscheint ebenfalls fraglich, kann hier aber offenbleiben (vgl. dazu
BGE 135 II 94 S. 99
DONZALLAZ, a.a.O., N. 3011; HERZOG, a.a.O., S. 81; POLTIER, a.a.O., S. 154 f.; TOPHINKE, a.a.O., N. 14 zu
Art. 86 BGG
).
4.2
Im Kanton Bern ist das Haftgericht der Untersuchungsregion Bern-Mittelland als einziges und letztinstanzlich urteilendes Gericht für ausländerrechtliche Administrativhaft eingesetzt (vgl.
Art. 31 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. Oktober 1940 betreffend die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [EG StGB; BSG 311.1]
; Art. 76 Abs. 1 lit. e des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [in der Fassung vom 10. April 2008; VRPG; BSG 155.21]; Art. 18b der Verordnung vom 19. Juli 1972 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [BSG 122.21]; HERZOG/DAUM, Die Umsetzung der Rechtsweggarantie im bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, in: Bernische Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 2009 S. 14). Diese Zuständigkeitsordnung soll offenbar durch das bernische Einführungsgesetz zum Ausländergesetz und Asylgesetz (EG AuG und AsylG) bestätigt werden, das sich derzeit im Gesetzgebungsprozess befindet. Mit dem Inkrafttreten der neuen kantonalen Justizreform soll das Haftgericht dereinst (voraussichtlich per 1. Januar 2011) durch ein kantonales Zwangsmassnahmengericht abgelöst werden.
4.3
Zwar handelt es sich beim Haftgericht der Untersuchungsregion Bern-Mittelland in seinem übrigen Aufgabenbereich um eine regional organisierte Behörde. Im Bereich der ausländerrechtlichen Administrativhaft entscheidet es jedoch als gesamtkantonal zuständiges Gericht. Die Voraussetzung der Zuständigkeit für das ganze Kantonsgebiet ist daher erfüllt. Fraglich erscheint hingegen die erforderliche justizielle Unabhängigkeit. Gewiss können die Entscheide über ausländerrechtliche Administrativhaft im Kanton nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden. In den übrigen Zuständigkeitsbereichen ist das Haftgericht jedoch nicht kantonal letztinstanzlich tätig. Wie die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern in ihrem Bericht an das Bundesgericht einräumt, entscheidet das Haftgericht der Untersuchungsregion Bern-Mittelland in seiner sonstigen Funktion auf dem Gebiet der Strafverfolgung als Vorinstanz des Obergerichts des Kantons Bern. Es hat damit nur in einzelnen Sachbereichen letztinstanzliche Entscheidkompetenz, weshalb ihm bereits deshalb und unabhängig von der aufsichtsrechtlichen Organisation nicht die Stellung eines oberen kantonalen Gerichts nach Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG zukommt.
BGE 135 II 94 S. 100
5.
5.1
Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern beruft sich in ihrem Amtsbericht vorrangig auf den zweiten Halbsatz von
Art. 86 Abs. 2 BGG
und macht geltend, vorliegend sei jedenfalls dieser Ausnahmetatbestand erfüllt.
5.2
Nach Art. 86 Abs. 2 zweiter Halbsatz BGG müssen die Kantone kein oberes Gericht einsetzen, wenn ein Bundesgesetz vorsieht, dass eine untere richterliche Behörde unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts sein kann. In der bundesrätlichen Botschaft zum Bundesgerichtsgesetz wird als Beispiel Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) genannt (BBl 2001 4326 f.), wobei insofern freilich auch die sich aus dem Gebot der vertikalen Steuerharmonisierung ergebenden Besonderheiten zu beachten sind (vgl.
BGE 130 II 65
). In der Literatur wird überdies auf
Art. 62 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1)
verwiesen (vgl. etwa HERZOG, a.a.O., S. 82 f.; LUGON/POLTIER/TANQUEREL, a.a.O., S. 142 ff.; POLTIER, a.a.O, S. 155; TOPHINKE, a.a.O., N. 15 zu
Art. 86 BGG
). Dazu wird vereinzelt ausgeführt, dass es den Kantonen mit Blick auf ihre Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung von Bundesrecht (vgl. insbes.
Art. 46 Abs. 2 BV
) in jenen Fällen, in denen die Bundesgesetzgebung die Einrichtung einer einzelnen richterlichen Beschwerdeinstanz verlangt und deren Stellung in der Gerichtshierarchie nicht näher definiert, freigestellt bleiben muss, eine untere Justizbehörde einzusetzen (vgl. etwa HERZOG, a.a.O., S. 83; TOPHINKE, a.a.O., N. 15 zu
Art. 86 BGG
).
5.3
Eine solche Ausnahme liegt hier aber nicht vor.
Art. 146 DBG
und
Art. 62 Abs. 1 ATSG
sehen ausdrücklich die unmittelbare Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht vor. Eine analoge Bestimmung fehlt zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht.
Art. 78 Abs. 4 und
Art. 80 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20)
schreiben - wie dies weitgehend schon im alten Ausländerrecht zutraf (vgl. BBl 2002 3817) - einzig die erstinstanzliche richterliche Haftüberprüfung vor, ohne sich zu den Rechtsmitteln und schon gar nicht zur Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht zu äussern. Das Bundesrecht schliesst insbesondere ein kantonales Rechtsmittel, das der Beschwerde an das Bundesgericht vorgeschaltet wird, nicht aus (HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10.178), und verschiedene, vor allem
BGE 135 II 94 S. 101
grössere Kantone (so etwa seit geraumer Zeit der Kanton Waadt und seit kurzem der Kanton Zürich) haben ein solches Rechtsmittelsystem eingerichtet. Das unterstreicht, dass das Bundesgesetz nicht unabhängig von der Eigenschaft des Haftrichters als oberes kantonales Gericht eine direkte Beschwerde an das Bundesgericht gegen Haftrichterentscheide vorschreibt. Es kann daher nicht geschlossen werden, der Bundesgesetzgeber habe vom grundsätzlichen Erfordernis von Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG dispensieren wollen.
5.4
Das Gegenteil ergibt sich entgegen der Auffassung der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion auch nicht aus der von dieser angerufenen Regelung von Art. 17 des alten Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (altOpferhilfegesetz, aOHG; AS 1992 2465, 2469). Darin wurde den Kantonen zwar die Einrichtung einer einzigen, von der Verwaltung unabhängigen Beschwerdeinstanz vorgeschrieben. Dieselbe Vorschrift findet sich heute übrigens in
Art. 29 Abs. 3 des neuen Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5)
, in Kraft seit dem 1. Januar 2009. Ob damit eine Ausnahme vom Erfordernis eines oberen Gerichts verbunden ist, kann hier offenliegen. Jedenfalls unterscheidet sich die opferhilferechtliche Verfahrensregelung nur schon deshalb wesentlich von derjenigen der ausländerrechtlichen Administrativhaft, weil für jene eine einzige kantonale Instanz vorgeschrieben ist, während für diese keine solche Beschränkung gilt (vgl. E. 5.3). Damit entfällt jegliche Grundlage für irgendeine Analogie.
5.5
Im Übrigen verzichtete der Gesetzgeber darauf, die Rechtsmittel im Ausländerrecht im Zusammenhang mit der neuen Bundesrechtspflege besonders zu regeln. Die entsprechenden Art. 113 f. AuG, die sich noch auf die alte Verfahrensordnung des Bundes bezogen, wurden im Gegenteil mit Inkraftsetzen des Bundes- und des Verwaltungsgerichtsgesetzes aufgehoben (vgl. AS 2006 5599). In
Art. 112 Abs. 1 AuG
wird demgegenüber ausdrücklich festgehalten, dass sich das Verfahren der Bundesbehörden nach den allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege richtet. Das muss gleichermassen für die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht gelten. Obwohl es sich bei der ausländerrechtlichen Administrativhaft auch um die Vollziehungsvorkehr einer Entfernungsmassnahme handelt, ging das Bundesgericht (trotz Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 sowie
Art. 101 lit. c OG
) insbesondere aufgrund des schweren Eingriffs in die persönliche Freiheit des Häftlings seit jeher davon aus, die
BGE 135 II 94 S. 102
Beschwerde an das Bundesgericht sei zulässig (vgl.
BGE 125 II 369
E. 2b S. 371 mit Literaturhinweisen;
BGE 119 Ib 193
E. 1 S. 195 ff.; HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10.181). Die Beschwerde richtet sich aber ausschliesslich gegen den letztinstanzlichen kantonalen Gerichtsentscheid. Die Rechtsprechung zur alten Bundesrechtspflege über die Zuständigkeit des Bundesgerichts konnte insofern mangels Neuregelung (trotz
Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG
) auf die neue Gesetzesordnung übertragen werden. Ein Dispens vom Erfordernis eines oberen kantonalen Gerichts bzw. die direkte Anfechtbarkeit auch von Hafturteilen unterer Gerichte beim Bundesgericht ergibt sich daraus aber nicht. Denn das Ausländergesetz sagt gerade nichts darüber aus, wie viele kantonale Gerichtsinstanzen einzurichten sind und gegen welche Behörde Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden kann.
5.6
Daran ändert schliesslich auch nichts, dass das Bundesrecht in anderen Spezialerlassen das Erfordernis eines oberen Gerichts ausdrücklich vorschreibt. Das lässt nicht den Rückschluss zu, die Voraussetzung eines oberen Gerichts gelte nur dann, wenn sie in einem Spezialgesetz wiederholt wird. Ohnehin völlig anders ist die Ausgangslage beim von der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern angerufenen Art. 165 Abs. 2 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.411). Abgesehen davon, dass es sich dabei um Verordnungs- und nicht um Gesetzesrecht handelt, wird darin den Kantonen eine bestimmte kantonale Rechtsmittelordnung vorgeschrieben, nämlich die Einrichtung einer einzigen Beschwerdeinstanz als oberes Gericht. Inwiefern daraus abzuleiten wäre, dass dann, wenn ein Gesetz keine entsprechende Bestimmung enthält, einzig die direkte Beschwerde an das Bundesgericht offenstünde, ist nicht ersichtlich. Damit bleibt es bei den grundsätzlichen Anforderungen gemäss Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG.
6.
6.1
Erfüllt der Kanton Bern somit im Bereich der ausländerrechtlichen Administrativhaft die Voraussetzungen von
Art. 86 Abs. 2 BGG
nicht, fragt sich, welche Konsequenzen sich daraus für den vorliegenden Fall ergeben.
6.2
Bei der vergleichbaren Ausgangslage von
Art. 98a OG
, worin die Kantone unter der Geltung der alten Bundesrechtspflege verpflichtet wurden, gerichtliche Vorinstanzen in allen Streitigkeiten
BGE 135 II 94 S. 103
einzurichten, in denen das Bundesgericht angerufen werden konnte, verfolgte das Bundesgericht verschiedene Lösungsansätze, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt war. Bestand für ein Rechtsgebiet in analogen Rechtsstreitigkeiten Klarheit darüber, welches kantonale Gericht zuständig war, so überwies das Bundesgericht eine entsprechende Beschwerde direkt dieser Instanz. Das traf gerade etwa im Ausländerrecht zu für Beschwerden gegen Entscheide über Anwesenheitsbewilligungen, auf deren Erteilung ein Anspruch bestand (so etwa das Urteil 2A.281/1997 vom 2. September 1997). Gab es hingegen mehrere Möglichkeiten der Zuständigkeit einer kantonalen Gerichtsbehörde, so überwies das Bundesgericht die Streitsache entweder an die zuletzt entscheidende Behörde (
BGE 128 II 311
E. 6.3 S. 322 f.) oder an diejenige, die am ehesten zuständig erschien (
BGE 123 II 231
S. 233 sowie E. 8c S. 240). Bei Bedarf verband das Bundesgericht die Überweisung mit dem Hinweis, der Zuständigkeitsentscheid sei in Absprache mit den anderen möglichen Behörden zu treffen; das Bundesgericht dürfe insoweit nicht in die Gestaltungsfreiheit der Kantone (nach
Art. 3, 46 und 47 BV
) eingreifen (vgl. etwa
BGE 128 II 311
E. 6.3 S. 323). Bei der Umsetzung von
Art. 130 BGG
ist analog zu verfahren (dazu BRÜHL-MOSER, a.a.O., N. 31 f. zu
Art. 130 BGG
).
6.3
Im vorliegenden Zusammenhang stehen verschiedene Möglichkeiten der Behördenorganisation offen. Der Kanton kann ein gänzlich unabhängiges Haftgericht als oberes Gericht für ausländerrechtliche Administrativhaft schaffen oder gegen die Hafturteile des bisherigen Haftgerichts die Beschwerde an das Obergericht oder an das Verwaltungsgericht öffnen. Es steht dem Bundesgericht nicht zu, auch nicht auf provisorischer Grundlage, hier eine Regelung vorwegzunehmen. Dies ist aber auch nicht Sache des Haftgerichts. Vielmehr obliegt es dem Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde über das Haftgericht, eventuell in Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsgericht und dem Regierungsrat des Kantons Bern, eine vorsorgliche Regelung für die bereits hängigen Fälle zu treffen. Für eine kurze Zeit ist dies verfassungsrechtlich vertretbar (vgl.
BGE 123 II 193
E. 5 S. 202 ff.). Im Übrigen ist ergänzend auf
Art. 130 Abs. 4 BGG
zu verweisen, wonach die Kantone bis zum Erlass der Ausführungsgesetzgebung (unter anderem zu
Art. 86 Abs. 2 BGG
) die notwendigen Bestimmungen in den dafür anwendbaren kantonalen Rechtsetzungsverfahren in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse kleiden können (vgl. dazu CHRISTOPH
BGE 135 II 94 S. 104
AUER, Auswirkungen der Reorganisation der Bundesrechtspflege auf die Kantone, ZBl 107/2006 S. 137 f.; BRÜHL-MOSER, a.a.O., N. 28 ff. zu
Art. 130 BGG
).
6.4
Für das vorliegende bundesgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass auf die beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde nicht einzutreten und die Sache zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht des Kantons Bern zu überweisen ist. Ein Exemplar des vorliegenden Urteils wird überdies zuhanden des Regierungsrates der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern zugestellt. Da es sich um ein Beschwerdeverfahren handelt und eine erste gerichtliche Haftprüfung gemäss
Art. 5 Abs. 4 EMRK
bzw.
Art. 31 Abs. 4 BV
stattgefunden hat, rechtfertigt sich eine sofortige Haftentlassung des Beschwerdeführers nicht. Die Behörden des Kantons Bern werden aber dafür zu sorgen haben, dass den bundesgesetzlichen Anforderungen an die kantonale Gerichtsorganisation umgehend in einer solchen Weise nachgekommen wird, dass das weitere Verfahren keine unrechtmässige Verzögerung erleidet. Das Obergericht des Kantons Bern wird überdies darum ersucht, das Bundesgericht im Hinblick auf mögliche künftige Beschwerdeeingänge umgehend über die getroffene vorsorgliche Regelung zu unterrichten. | mixed |
ac8c41b7-4f58-4553-9682-8f9619caa91f | Sachverhalt
ab Seite 126
BGE 106 IV 125 S. 126
A.-
Am 20. März 1976 verkaufte Sch. dem A. einen Personenwagen "Alfa Romeo", Jahrgang 1970, zum Preis von Fr. 3'900.--. Entgegen der Zusicherung im Kaufvertrag war das Fahrzeug nicht mit dem serienmässigen 1750 ccm-Motor,
sondern mit einem 1300 ccm-Motor ausgerüstet. Es stellte sich in der Folge heraus, dass einer der Vorbesitzer des Wagens den Motor ausgewechselt hatte. Sch., dem dies nicht bekannt gewesen war, erklärte sich auf Begehren des A. hin zum kostenlosen Einbau eines 1750 ccm-Motors bereit; lediglich über den genauen Zeitpunkt des Einbaus konnten sich die Parteien nicht einigen.
In der Folge nahm sich W. der Sache an. Mit Schreiben vom 5. und 10. Mai teilte er Sch. mit, dass A. vom Kaufvertrag zurücktrete und die Rückleistung der Anzahlung von Fr. 1'200.-- verlange. W. berichtete im "Gross-Anzeiger" (St. Gallen) über den Vorfall, ohne allerdings Namen zu nennen. Die "Ostschweizer AZ" behandelte daraufhin die Angelegenheit ebenfalls und erwähnte dabei den Namen Sch. Auch mit den für die Sendung "Kassensturz" des Schweizer Fernsehens Verantwortlichen setzte sich W. in Verbindung. Am 31. Mai 1976 sandte W. dem Sch. eine Rechnung, in welcher er neben der Rückleistung der Anzahlung von Fr. 1'200.-- Fr. 102.-- für die von ihm eingeholte "Expertise S." und Fr. 310.-- "Umtriebsentschädigung W." verlangte. Am 6. September 1976 reichte Sch. beim Bezirksamt Rorschach Strafanzeige gegen W. wegen Erpressung, eventuell Nötigung ein. Sch. führte aus, W. habe ihn anlässlich einer Besprechung am 3. September 1976 aufgefordert, innerhalb einer Woche für seine Umtriebe etc. Fr. 500.-- zu bezahlen, ansonsten er sich gezwungen sehe, ihn, Sch., in der Fernsehsendung "Kassensturz", die demnächst über den Autooccasionshandel berichten werde, namentlich zu erwähnen; am 6. September 1976 habe W. seine Forderung und die Drohung erneuert.
B.-
Am 10. November 1977 verurteilte die Gerichtskommission Rorschach W. wegen vollendeten Nötigungsversuchs
BGE 106 IV 125 S. 127
zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 500.--. Eine gegen dieses Urteil eingereichte Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen am 15. Januar 1979 ab.
C.-
W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat innert Frist keine Gegenbemerkungen eingereicht.
D.-
Eine von W. gegen das Urteil des Kantonsgerichts eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wegen Aktenwidrigkeit und willkürlicher Beweiswürdigung wies das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 5. Oktober 1979 ab. Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Soweit eingangs der Beschwerde verschiedene tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz als unrichtig bemängelt werden, ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Kritik an der Sachdarstellung des Kantonsgerichts ist im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörden gebunden (
Art. 277bis BStP
); verbindlich sind daher unter anderem deren Feststellungen, dass Sch. und A. sich über den unentgeltlichen Einbau eines 1750 ccm-Motors geeinigt hätten und dass Sch. die Forderung des W. von Fr. 500.-- zu keinem Zeitpunkt anerkannt habe.
2.
Der Beschwerdeführer bestreitet, Sch. einen ernstlichen Nachteil angedroht zu haben. Er habe Sch. für den Fall der Nichteinlösung seines Versprechens betreffend die Zahlung von Fr. 500.-- die Meldung des Sachverhalts beim "Kassensturz" in Aussicht gestellt. Doch habe er auf die Ausstrahlung und Gestaltung einer solchen Fernsehsendung und auf die namentliche Erwähnung des Sch. keinen Einfluss gehabt, weshalb es sich bei seinem Vorgehen um eine blosse Warnung und nicht um eine Androhung im Sinne von
Art. 181 StGB
gehandelt habe. Ob sein Hinweis auf Sch. einen anderen Eindruck gemacht habe, sei irrelevant. Massgebend sei, ob er bei objektiver Betrachtungsweise Einfluss auf die Fernsehsendung habe nehmen können. Das sei nicht der Fall gewesen. Zudem kämen nach Art. 181 nur Drohungen in Betracht, die eine verständige
BGE 106 IV 125 S. 128
Person in der Lage des Betroffenen motivieren könnten. Sch. sei jedoch in seiner Tätigkeit im Autooccasionshandel an rauhe Sitten gewöhnt. Dem sei im Sinne einer Relativierung des angedrohten Nachteils Rechnung zu tragen. So gesehen aber könne die Warnung nie den Stellenwert gehabt haben, den die Vorinstanz ihr beimesse. Tatsächlich habe sich Sch. durch das Verhalten des Beschwerdeführers denn auch in keiner Weise beeindrucken lassen.
a) Es trifft zu, dass eine blosse Warnung dem Erfordernis der Androhung eines ernstlichen Nachteils im Sinne von
Art. 181 StGB
nicht genügt. Zwar sagt gleicherweise ein Übel voraus, wer warnt und wer droht. Der Warnende kündigt indes ein künftiges Übel an, das unabhängig von seinem Willen eintritt; der Drohende erklärt dagegen, er werde das Übel bewirken (SCHWANDER, Das schweizerische StGB, Nr. 628 b). Der Eintritt des Übels muss also, mit anderen Worten, als vom Willen des Täters abhängig hingestellt werden (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1978, S. 92). Dass diese Abhängigkeit tatsächlich bestehe, ist jedoch nicht nötig. Es genügt, wenn nach der Darstellung des Täters der Eintritt des Nachteils als von seinem Willen abhängig erscheint. Mehr verlangt das Gesetz nicht, denn schon in diesem Falle kann die Drohung geeignet sein, die freie Willensbildung und Willensbetätigung des Betroffenen zu beeinträchtigen (s. auch
BGE 79 IV 63
/64). Gerade diese Freiheit aber ist das durch
Art. 181 StGB
geschützte Rechtsgut.
b) Im vorliegenden Fall hing es objektiv zwar nicht vom Willen des Beschwerdeführers ab, ob eine Fernsehsendung über den Occasionshandel ausgestrahlt und dabei der Name Sch. genannt werde. Die Vorinstanz stellt jedoch verbindlich fest, der Beschwerdeführer habe bei Sch. den Eindruck erweckt, er könne Einfluss darauf nehmen, dass der Fall in eine Sendung aufgenommen werde. Damit hat er den Eintritt des Übels als von seinem Willen abhängig hingestellt, den Nachteil also im Sinne des
Art. 181 StGB
angedroht. Dass diese Drohung geeignet war, eine verständige Person in der Lage des Sch. zu motivieren, liegt nach den Ausführungen des Kantonsgerichtes zweifelsfrei auf der Hand. Für einen im Occasionshandel mit Autos tätigen Geschäftsmann wäre es sehr nachteilig gewesen, wenn von ihm im Fernsehen gesagt worden wäre, er habe einem Kunden ein Fahrzeug verkauft, dessen Motor
BGE 106 IV 125 S. 129
durch einen solchen geringerer Leistung ausgewechselt worden war, was dem Käufer nicht bekanntgegeben worden sei. Die Androhung eines solchen Nachteils ist nach seinem objektiven Ausmass geeignet, den Betroffenen in seiner Handlungsfreiheit wesentlich zu beeinträchtigen (
BGE 105 IV 122
,
BGE 101 IV 48
, 96 IV 62,
BGE 81 IV 105
). Dass Sch. sich nicht hat beeinflussen lassen, ändert nichts. Die subjektive Widerstandskraft des Opfers spielt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine Rolle. Wo sich dieses aus irgendeinem Grunde nicht einschüchtern lässt, liegt ein Versuch der Nötigung vor (
BGE 101 IV 48
sowie bezüglich der Erpressung
BGE 79 IV 64
), und nur ein solcher wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt. Würde man das Vorliegen einer Nötigungshandlung stets verneinen, wenn das Opfer sich durch sie nicht beeinflussen liess, dann wäre eine Bestrafung wegen versuchter Nötigung gar nicht möglich. Dass es aber bei diesem Delikt keinen strafbaren Versuch geben könne, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht selber nicht.
c) Unbehelflich ist auch der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, wonach es normalerweise kein Nachteil im Rechtssinne sei, wenn tatsächliche oder vermeintliche öffentliche Missstände bei der Presse als dem zuständigen Organ der öffentlichen Meinung anhängig gemacht würden. Diese Überlegung kann gegebenenfalls für die Frage nach der Widerrechtlichkeit der Drohung von Belang sein (s.
BGE 101 IV 302
), nicht aber für diejenige nach dem angedrohten Nachteil. Eine Mitteilung an das Fernsehen kann rechtmässig sein, ihre Ausstrahlung durch das Medium aber dennoch den Betroffenen sehr ernsthaft schädigen.
3.
W. bestreitet sodann die Rechtswidrigkeit der Drohung.
a) Unrechtmässig ist eine Nötigung, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (
BGE 105 IV 123
mit Verweisungen). Letzteres trifft insbesondere zu, wenn zwischen dem Gegenstand der Drohung und demjenigen der Forderung kein sachlicher Zusammenhang besteht.
b) Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz die Rechtswidrigkeit
BGE 106 IV 125 S. 130
der Nötigung einerseits in der sachfremden Verknüpfung von Mittel und Zweck und anderseits in der Unverhältnismässigkeit des Mittels erblickt.
Geht man von dem im angefochtenen Urteil verbindlich festgestellten Sachverhalt aus, dann bestand in der Tat zwischen der Drohung, die Sache im "Kassensturz" zur Sprache zu bringen, und der Forderung von Fr. 500.-- kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang. In der fraglichen Fernsehsendung hätte nach der Androhung des Beschwerdeführers das Gebaren des Sch. als Occasionshändler dargestellt werden sollen, der ein Auto mit einem schwächeren als dem im Fahrzeugausweis aufgeführten Motor verkauft hatte. Insoweit aber hatten sich Sch. und der Käufer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz geeinigt gehabt, indem der erstere den Austausch des Motors zugesichert hatte; einzig über den Einbautermin war man noch nicht einig geworden, was der vorgenannten Feststellung entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht widerspricht. Die geltend gemachte Forderung von Fr. 500.-- stellt demgegenüber einen Pauschalbetrag für angebliche Auslagen des Beschwerdeführers für eine von ihm eingeholte Expertise und andere Umtriebe dar und war nach den Feststellungen der Vorinstanz bestritten und keineswegs liquid; es handelte sich bei dieser Forderung also nicht etwa um einen Ersatzanspruch des Käufers für den Minderwert des Kaufgegenstandes. Die Vorinstanz hat daher einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen dem Sachverhalt, der im Fernsehen androhungsgemäss dargestellt werden sollte, und der Forderung von Fr. 500.-- mit Recht verneint. Die Nötigung war somit mangels eines rechtsgenüglichen Zusammenhangs zwischen Mittel und Zweck rechtswidrig. Sie war es auch deswegen, weil die Nachteile, welche Sch. durch die Fernsehsendung entstanden wären, unverhältnismässig viel grösser gewesen wären als der Vorteil (Umgehung der Risiken eines Zivilprozesses), den der Beschwerdeführer mit der Drohung erwirken wollte. Dass schliesslich W. vorsätzlich gehandelt hat, wurde im angefochtenen Urteil ausdrücklich festgestellt. | mixed |
d4adb1e6-d580-4d1f-828f-7d55819ee627 | Sachverhalt
ab Seite 125
BGE 141 I 124 S. 125
A.
Rechtsanwältin X. war seit 5. November 2011 amtliche Verteidigerin im Strafverfahren gegen A. Dieser wurde am 5. November 2011 festgenommen und befand sich bis 10. April 2012 in Untersuchungshaft. Das Kreisgericht St. Gallen sprach A. am 19. Dezember 2013 der versuchten schweren Körperverletzung und des Raufhandels schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe. X. reichte an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eine Kostennote im Betrag von insgesamt Fr. 18'984.55 (Honorar Fr. 15'980.-, Barauslagen Fr. 1'598.25, Mehrwertsteuer Fr. 1'406.30) ein. Das Kreisgericht sprach ihr eine Entschädigung von insgesamt Fr. 12'094.10 zu.
Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die von Rechtsanwältin X. gegen die Festsetzung der Entschädigung für die amtliche Verteidigung erhobene Beschwerde am 28. Mai 2014 ab.
B.
Rechtsanwältin X. führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr für die amtliche Verteidigung im erstinstanzlichen Strafverfahren eine Entschädigung von Fr. 18'948.55 zuzusprechen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
BGE 141 I 124 S. 126 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Der amtliche Anwalt erfüllt eine staatliche Aufgabe, welche durch das kantonale öffentliche Recht geregelt wird. Mit seiner Einsetzung entsteht zwischen ihm und dem Staat ein besonderes Rechtsverhältnis. Gestützt darauf hat der Anwalt eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Staat auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Bestimmungen (
BGE 131 I 217
E. 2.4;
BGE 122 I 1
E. 3a). Der amtliche Anwalt kann aus
Art. 29 Abs. 3 BV
einen Anspruch auf Entschädigung und Rückerstattung seiner Auslagen herleiten. Dieser umfasst aber nicht alles, was für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht nur, "soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist". Nach diesem Massstab bestimmt sich der Anspruch sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht, d.h. in Bezug auf den Umfang der Aufwendungen. Entschädigungspflichtig sind danach nur jene Bemühungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen, und die notwendig und verhältnismässig sind (zu einer gewissen zusätzlichen persönlichen und sozialen Betreuung vgl. Urteil 6B_951/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2). Das Honorar muss allerdings so festgesetzt werden, dass der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und sie das Mandat wirksam ausüben kann (Urteile 1B_96/2011 vom 6. Juni 2011 E. 2.2 und 6B_856/2009 vom 9. November 2009 E. 4.2).
3.2
Den Kantonen steht bei der Bemessung des Honorars des amtlichen Anwalts ein weites Ermessen zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Festsetzung des Honorars ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst. Ausserdem übt es grosse Zurückhaltung, wenn das kantonale Sachgericht den Aufwand als übersetzt bezeichnet und entsprechend kürzt. Es ist Sache der kantonalen Behörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen (
BGE 122 I 1
E. 3a;
BGE 118 Ia 133
E. 2b und 2d; vgl. Urteile 6B_652/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 2.3 und 6B_951/2013 vom 27. März 2014 E. 4.2).
Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird es als zulässig erachtet, das Honorar für amtliche Mandate im Vergleich zu jenem der freien Mandate tiefer anzusetzen (
BGE 139 IV 261
E. 2.2.1;
BGE 141 I 124 S. 127
BGE 132 I 201
E. 7.3.4). Eine Verletzung des Willkürverbots - und mittelbar auch der Wirtschaftsfreiheit - liegt erst dann vor, wenn die zugesprochene Entschädigung die Selbstkosten nicht zu decken und einen zwar bescheidenen, nicht aber bloss symbolischen Verdienst nicht zu gewährleisten vermag. Im Sinne einer Faustregel hat das Bundesgericht festgehalten, dass sich die Entschädigung für einen amtlichen Anwalt im schweizerischen Durchschnitt in der Grössenordnung von 180 Franken pro Stunde (zuzüglich Mehrwertsteuer) bewegen muss, um vor der Verfassung standzuhalten (
BGE 132 I 201
E. 8.6 und 8.7).
3.3
Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (
Art. 135 Abs. 1 StPO
). Massgebend ist somit die sankt-gallische Honorarordnung vom 22. April 1994 für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (HonO; sGS 963.75). Nach Art. 10 HonO wird das Honorar des amtlichen Verteidigers grundsätzlich als Pauschale bemessen. In aussergewöhnlichen Fällen kann das Honorar um höchstens die Hälfte erhöht oder ausnahmsweise nach Zeitaufwand bemessen werden. Ist das Kreisgericht zuständig, beträgt die Pauschale im Strafprozess Fr. 1'500.- bis Fr. 12'000.- (Art. 21 Abs. 1 lit. c HonO). Innerhalb des für die Pauschale gesetzten Rahmens wird das Honorar nach den besonderen Umständen, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen und der Schwierigkeiten des Falles, bemessen; berücksichtigt werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (Art. 19 HonO; Art. 31 Abs. 1 und 2 des Anwaltsgesetzes vom 11. November 1963 [AnwG; sGS 963.70]). Das Honorar wird bei unentgeltlicher Prozessführung oder amtlicher Verteidigung um einen Fünftel herabgesetzt (Art. 31 Abs. 3 AnwG).
4.
4.1
Art. 27 Abs. 2 BV
schützt ausdrücklich den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit. Dazu zählt auch die Anwaltstätigkeit im Monopolbereich (
BGE 138 II 440
E. 4;
BGE 130 II 87
E. 3). Nicht in den Geltungsbereich von
Art. 27 BV
fällt indessen die eigentliche Tätigkeit als amtlicher (unentgeltlicher) Verteidiger, weil es sich dabei um eine staatliche Aufgabe des betroffenen Rechtsanwalts handelt (
BGE 132 I 201
E. 7.1;
BGE 109 Ia 107
E. 2b; oben E. 3.1 und
BGE 139 IV 261
E. 2.2.1).
4.2
Die Festsetzung des Honorars im Rahmen einer Pauschale verletzt als solche das Recht auf effektive Verteidigung gemäss
BGE 141 I 124 S. 128
Art. 32 Abs. 2 BV
nicht. Bei diesem Recht handelt es sich um einen heute in
Art. 132 StPO
normierten, verfassungs- und konventionsrechtlich (
Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK
) gewährleisteten, Individualanspruch des Beschuldigten auf wirksame Verteidigung (
BGE 139 IV 113
E. 1.2 und 4.3; vgl. Urteile 1B_262/2014 vom 24. September 2014 E. 2.1; 6B_837/2013 vom 8. Mai 2014 E. 2.1 ff. sowie 1B_263/2013 vom 20. November 2013 E. 4.3). Auf dieses Recht kann sich die Beschwerdeführerin, die weder beschuldigte noch angeklagte Person ist, hier nicht berufen. Die Rechtsprechung übersieht im Übrigen nicht, dass die amtliche Vertretung nicht zu "Frondiensten" verpflichtet werden kann, indem sie für den Staat Leistungen zu erbringen hat, ohne dabei einen Verdienst zu erzielen (
BGE 132 I 201
E. 8.5). Sie verkennt auch nicht, dass die Honorierung sich mittelbar auf die wirksame Verteidigung auswirken kann (oben E. 3.1 am Ende). Die ebenfalls als verletzt gerügte Bestimmung von
Art. 128 StPO
betrifft die Interessenvertretung und nicht die Entschädigung der amtlichen Verteidigung (
Art. 135 Abs. 1 StPO
).
Die allgemein gehaltenen Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Entwicklung der Verteidigungsarbeit, der sankt-gallischen Honorarordnung und der Gerichtskostenverordnung sowie der von ihr vorgenommene Quervergleich mit anderen kantonalen Honorarordnungen sind nicht geeignet, im konkreten Anwendungsfall eine Verletzung von Bundesrecht (
Art. 95 Abs. 1 lit. a BGG
) bzw. von Grundrechten oder von kantonalem Recht (
Art. 106 Abs. 2 BGG
) zu begründen.
4.3
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen. Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber dann als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen (Urteil 6B_856/2009 vom 9. November 2009 E. 4.4 mit Hinweis).
4.4
Im zu beurteilenden Fall liegt es im Rahmen des der Vorinstanz zustehenden Ermessens, die Entschädigung der Beschwerdeführerin als Pauschale festzusetzen. Nach der Honorarordnung des Kantons St. Gallen kann das Honorar nur in aussergewöhnlichen Fällen
BGE 141 I 124 S. 129
und bei diesen nur ausnahmsweise nach Zeitaufwand bemessen werden. Ein aussergewöhnlich aufwändiger Fall wird von der kantonalen Praxis bejaht, wenn er ausserordentlich kompliziert oder umfangreich ist (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 482 S. 176). Gestützt auf diese Praxis nimmt die Vorinstanz zu Recht an, die von der Beschwerdeführerin vertretene Strafsache sei nicht aussergewöhnlich aufwändig gewesen. Sie verweist darauf, dass lediglich zwei, grundsätzlich übersichtliche, Sachverhalte zur Diskussion standen. Der Aktenumfang sei als durchschnittlich, jedenfalls nicht als ausserordentlich gross zu bezeichnen. Der Beschuldigte sei antragsgemäss schuldig erklärt worden. Das beim Kreisgericht eingereichte Plädoyer habe zehn Seiten umfasst, und die Gerichtsverhandlung habe knapp drei Stunden gedauert.
Ein ausserordentlich komplizierter oder umfangreicher Fall liegt nicht schon dann vor, wenn das Pauschalhonorar den vom amtlichen Anwalt betriebenen Zeitaufwand nicht vollumfänglich deckt. Dass das zugesprochene Honorar ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den von der Beschwerdeführerin erbrachten Bemühungen steht, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Die Vorinstanz überschreitet mithin das ihr zustehende weite Ermessen nicht.
4.5
Da die Ausrichtung eines Pauschalbetrages als Anwaltshonorar nicht zu beanstanden ist, sieht die Vorinstanz auch zutreffend von einer Beurteilung der einzelnen Positionen der eingereichten Honorarrechnung ab. Sie verletzt daher ihre Begründungspflicht gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV
nicht (vgl.
BGE 136 I 229
E. 5.2), indem sie sich nicht im Einzelnen mit der Kostennote der Beschwerdeführerin auseinandersetzt und ausdrücklich begründet, weshalb sie allenfalls einzelne der in Rechnung gestellten Positionen für übersetzt hält. | mixed |
755e751f-20c8-4de7-a749-87d90fbad16e | Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 117 IV 27 S. 27
Un magazine romand a publié, sous la signature de A., en mentionnant la collaboration de B., un article consacré aux dernières années de la vie d'une vieille dame richissime. On y décrit la distance mise par celle-ci entre elle-même et ses proches et les modifications successives apportées à son testament en faveur,
BGE 117 IV 27 S. 28
d'abord, de sa gouvernante X., désignée par son prénom, ainsi que des familles de l'avocat et du notaire de la vieille dame, désignés, eux, par une initiale puis, 3 jours avant sa mort, de sa gouvernante seule. De la gouvernante, l'article dit entre autres qu'elle serait à l'origine du suicide de son mari, qu'elle malmena si bien l'enfant de son mari que la garde en fut retirée au couple et qu'elle a eu des démêlés avec la justice pour des détournements de fonds. Evoquant des déclarations qu'auraient faites d'anciens amis de la défunte, l'article donne à penser que celle-ci, arrivée à un âge très avancé, se serait coupée de ceux qui constituaient jusqu'alors son entourage et qu'on lui aurait "lavé le cerveau". La question est ensuite posée de savoir si les anciens familiers de la défunte ne seraient après tout que des opportunistes intéressés par son magot et fâchés d'avoir été débusqués? Sans trancher cette question, l'article se poursuit par quelques formules frappantes désignant notamment la gouvernante comme une "sorcière" "raflant tout à l'avant-dernière heure" et se termine en ces termes: "n'appelait-elle pas sa proie 'princesse'?"
Sur plainte de X., la gouvernante de la défunte, pour atteinte à l'honneur, le Procureur général du canton de Genève a ouvert une information limitée aux allégués concernant son passé et ordonné le classement de la procédure pénale pour le surplus. Sur recours de X., la Chambre d'accusation du canton de Genève a ordonné l'ouverture d'une information également pour l'usage du terme "sorcière" qualifié d'injurieux.
X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral en soutenant que l'instruction devait également être ouverte pour le motif que l'article jette sur elle le soupçon d'avoir kidnappé la vieille dame, de lui avoir lavé le cerveau, de tout avoir raflé à l'avant-dernière heure, enfin, que la défunte ait été sa proie.
Le Tribunal fédéral a admis le pourvoi. Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
c) L'honneur protégé par le droit pénal est le droit de chacun à ne pas être considéré comme une personne méprisable. Le respect des autres est une condition essentielle à une vie sociale harmonieuse.
Selon la jurisprudence, les articles 173 ss CP ne protègent que l'honneur personnel, la réputation et le sentiment d'être un homme honorable, de se comporter, en d'autres termes, comme un homme
BGE 117 IV 27 S. 29
digne a coutume de le faire selon les idées généralement reçues; échappent à ces dispositions les assertions qui sont propres seulement à ternir de quelque autre manière la réputation dont jouit quelqu'un dans son entourage ou à ébranler sa confiance en lui-même: ainsi en va-t-il des critiques qui visent comme tel l'homme de métier, l'artiste ou le politicien (
ATF 105 IV 195
consid. 2a,
ATF 92 IV 101
consid. 2,
ATF 80 IV 164
consid. 2 et les arrêts cités). Les arrêts les plus récents mettent en doute la distinction entre l'honneur interne et l'honneur externe et considèrent que l'honneur protégé par le droit pénal doit être conçu de façon générale comme un droit au respect (
ATF 115 IV 44
consid. c,
ATF 114 IV 16
consid. b), qui est lésé par toute allégation de fait propre à exposer la personne visée au mépris en sa qualité d'homme (
ATF 105 IV 196
consid. a).
Pour qu'il y ait diffamation (
art. 173 CP
), il faut une allégation de fait, et non pas un simple jugement de valeur (
ATF 92 IV 98
consid. 4).
Il n'est pas nécessaire que la personne visée soit nommément désignée, il suffit qu'elle soit reconnaissable (
ATF 105 IV 117
,
ATF 99 IV 149
consid. 1).
Il n'est pas nécessaire non plus que l'auteur ait affirmé des faits qui rendent méprisable la personne visée; il suffit qu'il ait jeté sur elle le soupçon d'avoir eu un comportement contraire aux règles de l'honneur ou qu'il propage - même en citant sa source ou en affirmant ne pas y croire - de telles accusations ou de tels soupçons (
ATF 102 IV 181
; LOGOZ, Commentaire du CPS, partie spéciale I, p. 245, n. 4).
Hormis le régime particulier de l'article 27 CP (voir
ATF 106 IV 164
consid. 3), le journaliste ne jouit d'aucun privilège lorsqu'il porte une atteinte à l'honneur par la voie de la presse (
ATF 105 IV 119
consid. 2a et l'arrêt cité). Ce n'est que dans la mesure où la loi lui en laisse la latitude, ce qui est le cas pour dire s'il y a motifs suffisants, intérêt public ou respect du devoir de vérification des informations, que le juge peut tenir compte de la situation et de la mission particulière de la presse, ainsi que des buts poursuivis (ATF
ATF 104 IV 14
consid. c). L'interprétation des éléments constitutifs de l'infraction réprimée par l'
art. 173 CP
doit être la même à l'endroit de quiconque, qu'il ait agi par la voie de la presse ou non (
ATF 104 IV 14
consid. c).
S'agissant de déterminer si un texte contient une atteinte à l'honneur, il ne faut pas se fonder sur le sens que lui donne la
BGE 117 IV 27 S. 30
personne visée, mais sur une interprétation objective selon le sens que le lecteur non prévenu doit, dans les circonstances données, lui attribuer (
ATF 105 IV 113
consid. 2, 196 consid. a et l'arrêt cité). Le texte doit être analysé non seulement en fonction des expressions utilisées, prises séparément, mais aussi selon le sens général qui découle du texte dans son ensemble (
ATF 105 IV 197
; LOGOZ, op.cit., p. 244, n. 3b). Il n'est pas rare qu'une accumulation de petites touches, qui apparaissent insignifiantes si on les considère isolément, conduisent à dresser un portrait haïssable.
d) Il apparaît d'emblée en l'espèce que l'autorité cantonale a analysé les expressions utilisées en les examinant séparément, mais en perdant de vue le sens général de l'article.
Un lecteur non prévenu retient manifestement de la lecture de cet article que des gens sans scrupule se sont peut-être employés à isoler une vieille dame de son entourage pour, exploitant sa faiblesse due à l'âge, lui soutirer son argent. Pour qu'il y ait atteinte à l'honneur punissable, il n'est pas nécessaire d'avancer des actes pénalement répréhensibles, il suffit d'alléguer des faits qui rendent méprisable la personne visée. Le comportement consistant à isoler une dame âgée pour lui soutirer son argent en exploitant son état de faiblesse est assurément méprisable. L'article a clairement pour but de susciter chez le lecteur un sentiment d'indignation ou de révolte.
Selon les principes qui viennent d'être rappelés, il importe peu que les auteurs de l'article aient cité leurs sources ou qu'ils aient émis des réserves; la manière dont ils ont conclu leur texte laisse en tout cas planer un soupçon.
Pour ce qui est des personnes qui auraient adopté ce comportement méprisable, l'article évoque trois figures: la gouvernante, le notaire et l'avocat. L'article se concentre progressivement sur la personne de la gouvernante, présentée par des renseignements défavorables, dont on dit en définitive qu'elle aurait "tout raflé". L'article laisse ainsi planer le soupçon que la gouvernante aurait adopté le comportement méprisable qui est décrit.
Désignée par son prénom et sa fonction auprès de la défunte, la plaignante est suffisamment reconnaissable. S'il est vrai que l'adjectif "kidnappée" figure entre guillemets et que le lavage de cerveau ne doit sans doute pas être compris au pied de la lettre, ces termes décrivent bien l'activité consistant à isoler la victime de
BGE 117 IV 27 S. 31
son entourage et à exercer sur elle une pression psychologique en profitant de la faiblesse due à l'âge. Il s'agit de faits, soit plus précisément d'un comportement, contraires aux règles de l'honneur et dont la plaignante est soupçonnée. En donnant à penser que la plaignante avait "tout raflé" à l'avant-dernière heure et que la vieille dame avait été sa proie, l'article jette sur la plaignante le soupçon d'avoir eu un comportement et un mobile méprisables.
Le Ministère public cantonal n'a ouvert l'information que sur des faits précis, relativement faciles à vérifier, mais qui ne jouent qu'un rôle secondaire si l'on considère l'article dans son ensemble. Le point principal est que l'on jette sur la plaignante le soupçon d'avoir isolé la vieille dame de son entourage et, en exploitant sa faiblesse due à l'âge, de lui avoir soutiré son argent. En déniant sur ce point l'existence d'une atteinte à l'honneur à l'encontre de la plaignante, l'autorité cantonale a violé l'article 173 ch. 1 al. 1 CP. Il n'y a pas lieu de se prononcer, au stade de l'ouverture d'une information, sur le rôle exact joué par la collaboratrice B., ni sur l'admissibilité de la preuve de vérité ou la véracité des faits. | mixed |
0facd482-65ce-49f4-a4ff-a9a96328333e | Sachverhalt
ab Seite 160
BGE 134 I 159 S. 160
In einem Streit um die Kostenübernahme für eine Zahnbehandlung durch die Krankenkasse ordnet das kantonale Gericht eine Begutachtung an. Der Gutachter stellt eine Honorarrechnung über den Betrag von Fr. 29'366.40.
Das Gericht kürzt das Honorar des Gutachters auf Fr. 11'780.-. Der Gutachter G. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Zusprechung des vollen in Rechnung gestellten Honorars. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Der angefochtene Entscheid ist ein kantonal letztinstanzliches Endurteil, gegen das die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig ist (
Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d und
Art. 90 BGG
). Die in der Hauptsache gegebene Beschwerde ist auch bezüglich aller Nebenpunkte des Urteils zulässig, namentlich hinsichtlich Kostenentscheiden, soweit dafür keine besonderen Verfahrenswege vorgeschrieben sind (
BGE 134 V 138
E. 3 S. 143 f.; Urteile 6B_300/2007 vom 13. November 2007, E. 1.1 und 1.2; 5A_218/2007 vom 7. August 2007, E. 2.1). Das gilt auch für den Entscheid über die Höhe des Gutachterhonorars (ALFRED BÜHLER, Gerichtsgutachter und -gutachten im Zivilprozess, in: Marianne Heer/Christian Schöbi [Hrsg.], Gericht und Expertise, Bern 2005, S. 11 ff., S. 109 Fn. 374 und S. 112), jedenfalls solange dafür kein anderer gerichtlicher Rechtsschutz besteht (vgl.
BGE 114 Ia 461
E. 2c S. 464 f.). Die Vorinstanz hat die Höhe des Gutachterhonorars in ihren Entscheid aufgenommen. Dieses Vorgehen entspricht § 11 der hier einschlägigen kantonalen Verordnung der obersten kantonalen Gerichte über die Entschädigung der Zeugen und Zeuginnen, Auskunftspersonen und Sachverständigen vom 11. Juni 2002 (Entschädigungsverordnung der obersten Gerichte, EntschV/ZH; Zürcher Gesetzessammlung [LS] 211.12), wonach die Entschädigungen durch das mit der Sache befasste Gericht oder die zuständigen Richter und Richterinnen festgesetzt werden, unter Vorbehalt allfällig zur Verfügung stehender Rechtsmittel. Es ist nicht ersichtlich, dass ein kantonales Rechtsmittel gegen den Entscheid ergriffen werden könnte. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ist daher zulässig.
BGE 134 I 159 S. 161
1.2
Streitig ist einzig die Höhe der Entschädigung an den Gutachter. Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben den Entscheid nicht angefochten, so dass die Auflage der Gutachtenskosten an die Beschwerdegegnerin im Grundsatz nicht streitig ist. Es ist daher nicht zu beurteilen, ob diese Kostenauflage mit
Art. 61 lit. a ATSG
(SR 830.1) vereinbar ist. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, hätte der Gutachter gegenüber dem Gericht Anspruch auf ein Honorar.
1.3
Nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
ist zur Beschwerde legitimiert, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). Der Beschwerdeführer ist durch die Herabsetzung seines Honorars besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Änderung des Entscheids. Er ist am vorinstanzlichen Verfahren nicht als Partei, sondern als Gutachter beteiligt gewesen und konnte dementsprechend keine Parteirechte wahrnehmen. Da der Beschwerdeführer damit die Voraussetzungen des
Art. 89 Abs. 1 BGG
erfüllt, ist seine Beschwerdelegitimation zu bejahen.
1.4
Die Beschwerdefrist von 30 Tagen beginnt mit der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids (
Art. 100 Abs. 1 BGG
). Zur vollständigen Ausfertigung des Entscheids gehört unter anderem das Entscheiddispositiv (
Art. 112 Abs. 1 lit. c BGG
). Da dieses dem Beschwerdeführer aktenkundig erst am 10. Januar 2008 zugestellt wurde, ist die am 25. Januar 2008 erhobene Beschwerde rechtzeitig.
2.
Die Vorinstanz hat nach Eingang der Honorarrechnung des G. am 30. November 2007 den Entscheid gefällt und darin das Honorar gekürzt, ohne den Gutachter vorgängig zu dieser Herabsetzung angehört zu haben. Sie hat ihm mit Schreiben vom 6. Dezember 2007 die einschlägige Urteilserwägung mitgeteilt und auf seine Aufforderung hin am 10. Januar 2008 eine Kopie des Urteilsdispositivs zugestellt.
2.1
Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass ihn die Vorinstanz vor der Reduktion des Honorars nicht angehört habe.
2.1.1
Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör richtet sich in erster Linie nach dem einschlägigen Verfahrensrecht, subsidiär nach den Mindestgarantien gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV
. Nach § 10
BGE 134 I 159 S. 162
Abs. 2 der EntschV/ZH sind vor dem Entscheid über die Herabsetzung eines Gutachterhonorars die Parteien anzuhören, wenn das Verfahren für diese kostenpflichtig ist. Eine Anhörung des Gutachters ist in dem vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten (vgl.
Art. 106 Abs. 2 BGG
) kantonalen Recht nicht vorgeschrieben. In Bezug auf die Festsetzung von Anwaltshonoraren existiert aufgrund von
Art. 29 Abs. 2 BV
unter bestimmten Umständen ein Anspruch auf Begründung, namentlich wenn das Gericht den Rechtsvertreter zur Einreichung einer Kostennote aufgefordert hat und die Parteientschädigung abweichend von der Kostennote auf einen bestimmten, nicht der üblichen, praxisgemäss gewährten Entschädigung entsprechenden Betrag festsetzt (RKUV 2005 Nr. U 547 S. 221, E. 3.2, U 85/04; SVR 2002 AlV Nr. 3 S. 5, E. 3a, C 130/99; Urteil 1P.284/2002 vom 9. August 2002, E. 2.4.1). Hingegen besteht nach der Praxis des Bundesgerichts mangels anderslautender kantonaler Vorschrift kein verfassungsmässiger Anspruch, von der entscheidenden Behörde zur beabsichtigten Honorarkürzung angehört zu werden (Urteile 1P.564/2000 vom 11. Dezember 2000, E. 3b; 1P.340/1999 vom 27. August 1999, E. 1b; vgl. auch Urteil 5P.187/2004 vom 22. Juli 2004, E. 2.3). Ob diese Rechtsprechung auch für Gutachterhonorare gilt, kann offenbleiben: Der Beschwerdeführer hat nämlich im Hauptantrag seiner Beschwerde ein reformatorisches Begehren in der Sache gestellt und nur eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz beantragt. Er wünscht somit in erster Linie, dass das Bundesgericht ungeachtet der gerügten Gehörsverletzung in der Sache selber entscheidet. Dies ist vorliegend aufgrund der Aktenlage möglich (vgl. E. 4.5 und 4.6).
2.2 | mixed |
9f7fccf5-38dd-4393-b582-a9e3ae22ceb0 | Sachverhalt
ab Seite 308
BGE 133 IV 308 S. 308
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern wirft X. vor, zusammen mit einem Mittäter drei tätliche Angriffe auf Ausländer verübt zu haben. Die beiden Männer sollen am 14., 15. und 21. Mai 2002 jeweils kurz nach Mitternacht an der Bernstrasse in Luzern drei verschiedene Personen verprügelt und verletzt haben, nämlich am 14. und am 15. Mai 2002 je einen Tamilen und am 21. Mai 2002 A. aus dem ehemaligen Jugoslawien. Dabei sollen sie gegen die Opfer mit Stahlkappen verstärkte Schuhe und am 21. Mai 2002 zudem den Gehstock des Opfers eingesetzt haben. Das Motiv soll in der rechtsradikalen Grundeinstellung und im Fremdenhass gelegen haben.
BGE 133 IV 308 S. 309
B.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach X. am 4. März 2005 in Bezug auf die Vorfälle vom 14. und vom 15. Mai 2002 der einfachen qualifizierten Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Gegenstandes (
Art. 123 Ziff. 2 StGB
) und - in Idealkonkurrenz - des vollendeten Versuchs der schweren Körperverletzung (Art. 122 in Verbindung mit
Art. 22 StGB
) schuldig. Betreffend den Vorfall vom 21. Mai 2002 sprach es ihn der schweren Körperverletzung (
Art. 122 Abs. 3 StGB
) schuldig. Es verurteilte ihn wegen dieser Taten sowie wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz (begangen durch Erwerb eines Springmessers) zu drei Jahren Zuchthaus. Von den Anklagen der versuchten vorsätzlichen Tötung, angeblich begangen am 21. Mai 2002, und der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB, angeblich begangen durch die inkriminierten Gewalttätigkeiten, sprach es ihn frei.
Sowohl X. als auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und der Geschädigte A. appellierten gegen diesen Entscheid.
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X. am 22. März 2006 der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 in Verbindung mit
Art. 22 Abs. 1 StGB
(begangen am 14. und 15. Mai 2002), der schweren Körperverletzung im Sinne von
Art. 122 Abs. 3 StGB
(begangen am 21. Mai 2002), der mehrfachen Rassendiskriminierung nach
Art. 261
bis
Abs. 4 StGB
(begangen am 14., 15. und 21. Mai 2002) sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz (
Art. 33 Abs. 1 lit. a WG
) schuldig und verurteilte ihn zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus. Vom Vorwurf der versuchten Tötung sprach es ihn frei.
C.
X. erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Einzelnen stellt er die Anträge, er sei in Bezug auf die Vorfälle vom 14. und 15. Mai 2002 statt wegen mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung lediglich wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung gemäss
Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
schuldig zu sprechen, er sei in allen Punkten vom Vorwurf der mehrfachen Rassendiskriminierung freizusprechen und er sei zu einer bedingt vollziehbaren Zuchthausstrafe von 18 Monaten zu verurteilen.
D.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerden seien abzuweisen, soweit
BGE 133 IV 308 S. 310
darauf einzutreten sei. Der Geschädigte A. hat auf eine Vernehmlassung zur Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung verzichtet. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
8.
Gemäss
Art. 261
bis
StGB
wird wegen Rassendiskriminierung bestraft, wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft (Abs. 1);
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind (Abs. 2);
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt (Abs. 3);
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert (Abs. 4 erste Hälfte) oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht (Abs. 4 zweite Hälfte);
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert (Abs. 5).
8.1
Die amtlich publizierte Rechtsprechung des Bundesgerichts betreffend die Rassendiskriminierung hat sich bis anhin insbesondere mit den Tatbestandsvarianten im Sinne von
Art. 261
bis
Abs. 4 StGB
befassen müssen, nämlich mit der Herabsetzung durch Wort oder Schrift (Abs. 4 erste Hälfte) einerseits (siehe
BGE 131 IV 23
) und mit der Leugnung bzw. der gröblichen Verharmlosung von Völkermord (Abs. 4 zweite Hälfte), namentlich des Holocausts, andererseits (siehe
BGE 127 IV 203
). Strittig waren dabei im Wesentlichen die Fragen, wie eine schriftliche Äusserung von einem unbefangenen durchschnittlichen Dritten im Gesamtzusammenhang interpretiert wird (
BGE 131 IV 23
), inwiefern bei der Auslegung von
Art. 261
bis
StGB
dem Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit Rechnung zu tragen (siehe
BGE 131 IV 23
E. 3) und wie das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit auszulegen ist (vgl.
BGE 130 IV 111
E. 3-6).
BGE 133 IV 308 S. 311
Das Bundesgericht hat sich in seiner amtlich publizierten Rechtsprechung noch nicht mit der Frage befassen müssen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gewalttätigkeit, z.B. eine Körperverletzung, auch den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen kann.
8.2
Die Strafbestimmung betreffend die Rassendiskriminierung bezweckt unter anderem, die angeborene Würde und Gleichheit aller Menschen zu schützen. Im Lichte dieser Zielsetzung erscheinen als Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB alle Verhaltensweisen, durch welche den Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion die Gleichwertigkeit als menschliche Wesen oder die Gleichberechtigung in Bezug auf die Menschenrechte abgesprochen oder zumindest in Frage gestellt wird (
BGE 131 IV 23
E. 3 mit Hinweisen). Der Tatbestand im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB schützt unmittelbar die Würde des einzelnen Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion. Der öffentliche Friede wird mittelbar geschützt als Folge des Schutzes des Einzelnen in seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe (
BGE 131 IV 23
E. 1.1;
BGE 128 I 218
E. 1.4;
BGE 123 IV 202
E. 2 mit Hinweisen).
8.3
Rassendiskriminierung im Sinne von
Art. 261
bis
StGB
ist - mit Ausnahme der Leistungsverweigerung gemäss Absatz 5 - nur strafbar, wenn sie öffentlich begangen wird. Zwar sind Äusserungen und Verhaltensweisen, die andere Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion in ihrer Würde unmittelbar oder mittelbar verletzen, in einem Rechtsstaat inakzeptabel und an sich schon strafwürdig (
BGE 130 IV 111
E. 5.2.1). Dem Gesetzgeber erschien es aber angezeigt, solche Äusserungen und Verhaltensweisen - abgesehen vom Fall der Leistungsverweigerung - nur unter der Voraussetzung unter Strafe zu stellen, dass sie öffentlich erfolgen.
Öffentlich sind Äusserungen und Verhaltensweisen nach allgemeiner Auffassung, wenn sie von unbestimmt vielen Personen oder von einem grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrgenommen werden können (
BGE 130 IV 111
E. 3.1 mit Hinweisen). In Bezug auf den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Besonderen geht die neuere Rechtsprechung mit Rücksicht auf das geschützte Rechtsgut der Menschenwürde von
BGE 133 IV 308 S. 312
einem etwas weiteren Begriff der Öffentlichkeit aus. Öffentlich sind danach Äusserungen und Verhaltensweisen, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Privat sind Äusserungen und Verhaltensweisen im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld (
BGE 130 IV 111
E. 5.2).
8.4
Eine Äusserung oder Verhaltensweise kann den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nur erfüllen, wenn sie vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten aufgrund der gesamten konkreten Umstände als rassendiskriminierender Akt erkannt wird. Dies ergibt sich auch aus dem Erfordernis der Öffentlichkeit. Denn öffentlich ist eine Rassendiskriminierung nur, wenn sie von der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen wird.
8.5
8.5.1
Mündliche und schriftliche Äusserungen können mehrdeutig sein. Für die strafrechtliche Beurteilung einer Äusserung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich der Sinn massgebend, welchen ihr der unbefangene durchschnittliche Dritte unter den gesamten konkreten Umständen beilegt. Erfüllt die in diesem Sinne verstandene Äusserung einen bestimmten objektiven Straftatbestand, so ist zu prüfen, ob ihr Urheber auch den erforderlichen subjektiven Tatbestand erfüllt. Genügt insoweit Eventualvorsatz, so ist der subjektive Tatbestand erfüllt, wenn der Urheber der Äusserung eine Interpretation in dem Sinne, in welchem sie vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten verstanden wird, in Kauf genommen hat. Dies gilt etwa bei der üblen Nachrede (siehe
BGE 131 IV 160
E. 3.3.3) und bei unlauteren Angaben (vgl.
BGE 124 IV 162
E. 3;
BGE 123 IV 211
).
Diese Grundsätze gelten auch bei Äusserungen, die unter dem Gesichtspunkt der Rassendiskriminierung relevant sein können (
BGE 131 IV 23
). Eine Äusserung in der Öffentlichkeit erfüllt mithin den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB, wenn sie von einem unbefangenen durchschnittlichen Dritten unter den gesamten konkreten Umständen in einem rassendiskriminierenden Sinne verstanden wird und der Beschuldigte eine Interpretation seiner Äusserung in diesem Sinne in Kauf genommen hat.
8.5.2
Äusserungen können nicht nur verbal, in Wort und Schrift, sondern auch non-verbal getan werden, etwa in Bildern, Gebärden
BGE 133 IV 308 S. 313
und Tätlichkeiten. Diese Tatmittel werden im Tatbestand der Herabsetzung gemäss Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB - genauso wie im Tatbestand der Beschimpfung (
Art. 177 StGB
) - ausdrücklich genannt. Die Tätlichkeiten werden in Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB - wie in
Art. 177 Abs. 1 StGB
- neben den Gebärden erwähnt, damit kein Wertungswiderspruch zwischen Gebärden und Tätlichkeiten entsteht (DORRIT SCHLEIMINGER, Basler Kommentar, StGB II,
Art. 261
bis
StGB
N. 47). Tätlichkeiten im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB sind kommunikative Gebärden mit Körperkontakt (MARCEL ALEXANDER NIGGLI, Rassendiskriminierung, Ein Kommentar zu
Art. 261
bis
StGB
und
Art. 171c MStG
, 1996, N. 920). Die Ermittlung des Sinns namentlich von Gebärden und von Tätlichkeiten ist allerdings grundsätzlich schwieriger als die Interpretation von verbalen Äusserungen.
8.6
Die Herabsetzung oder Diskriminierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise kann gemäss Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nicht nur durch die darin ausdrücklich genannten Mittel, sondern auch "in anderer Weise" erfolgen. Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB entspricht insoweit im Wesentlichen
Art. 176 StGB
("Gemeinsame Bestimmung"), wonach der mündlichen üblen Nachrede und der mündlichen Verleumdung die Äusserung durch Schrift, Bild, Gebärde oder durch andere Mittel gleichgestellt ist.
8.6.1
Schon der Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements sah eine entsprechende Aufzählung der Tatmittel vor. Gemäss Art. 261
bis
Ziff. 2 VE sollte, auf Antrag, mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Busse bestraft werden, "wer durch Wort, Schrift, Bild, durch Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise jemanden in beleidigender Weise in seiner Menschenwürde angreift, namentlich indem er ihm aus Gründen der Rassendiskriminierung eine öffentlich angebotene Dienstleistung verweigert". Im Erläuternden Bericht zum Vorentwurf vom 4. Dezember 1989 wird ausgeführt, es bestehe eine gewisse Verwandtschaft zwischen Art. 261
bis
Ziff. 2 VE und dem Tatbestand der Beschimpfung gemäss
Art. 177 StGB
. Der Unterschied liege darin, dass die Beschimpfung die Ehre des Betroffenen verletze, während die neue Bestimmung ein anderes Rechtsgut schützen solle, nämlich die Menschenwürde. Hinzu komme, dass ein diskriminierendes Verhalten geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, da es den Hass schüren und auch zu gewaltsamen Gegenreaktionen herausfordern könne. Das diskriminierende Verhalten könne die Menschenwürde verletzen
BGE 133 IV 308 S. 314
durch beleidigende Worte, Schmähungen oder ungehörige Gebärden, aber auch durch die Umstände, in denen es sich manifestiere. Dies sei insbesondere der Fall, wenn einem Einzelnen der Zutritt zu öffentlichen Lokalen verwehrt oder eine öffentlich angebotene Dienstleistung verweigert werde (Erläuternder Bericht S. 9).
Gemäss Art. 261
bis
Abs. 4 des bundesrätlichen Entwurfs sollte mit Gefängnis oder mit Busse bestraft werden, "wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe das Andenken von Verstorbenen verunglimpft". In der Botschaft des Bundesrates wird ausgeführt, eine weitere Form, den öffentlichen Frieden durch rassistisches Verhalten zu gefährden, liege in der konkreten Beschimpfung oder Beleidigung gewisser Personen wegen deren Zugehörigkeit zu einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe. Im Unterschied zu den Ehrverletzungsdelikten handle es sich hier nicht um einen Angriff auf die Ehre des Verletzten. Dem Opfer werde vielmehr seine Qualität als Mensch schlechthin abgesprochen. Die Gefährdung des geschützten Rechtsgutes liege in der Unentrinnbarkeit der Kriterien, da sich diese jeder Bemühung um Integrierung entzögen. Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener werde im Hinblick auf die "Auschwitz-Lüge" in den Tatbestand aufgenommen (Botschaft des Bundesrates, BBl 1992 III 269 ff., S. 313 f.).
Gemäss dem Antrag der Kommission des Nationalrats sollte nach
Art. 261
bis
Abs. 4 StGB
bestraft werden, "wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Religion oder Ethnie in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht". Diesem Antrag der Kommission stimmte der Nationalrat zu (AB 1992 N 2650 ff., 2674 ff.).
Der Antrag der Kommission des Ständerates betreffend Art. 261
bis
Abs. 4 entsprach dem Beschluss des Nationalrates mit der geringfügigen Modifikation, dass nach der "Rasse" an zweiter Stelle die "Ethnie" und erst an dritter Stelle die "Religion" genannt werden sollte. Ständerat Küchler stellte den Antrag, dass die Tathandlung
BGE 133 IV 308 S. 315
zum Zwecke einer gewissen Einschränkung etwas anders zu umschreiben sei. Strafbar sollte nicht sein, wer einen anderen "in seiner Menschenwürde angreift", sondern, wer einen anderen "in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise erniedrigt oder diskriminiert". Diesem Antrag stimmte der Ständerat zu mit der Modifikation, dass der Begriff "erniedrigt" durch den Begriff "herabsetzt" ersetzt wurde (AB 1993 S 90 ff., 96 ff.).
Der Nationalrat hielt zunächst an der von ihm beschlossenen Fassung von Art. 261
bis
Abs. 4 fest (AB 1993 N 1075 ff., 1080), stimmte aber schliesslich dem Beschluss des Ständesrats zu (AB 1993 N 1300).
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, was unter der Generalklausel "in anderer Weise" im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB im Einzelnen zu verstehen ist.
8.6.2
Die Ausführungen in der Lehre zur Bedeutung und zum Anwendungsbereich der Generalklausel "in anderer Weise" in Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB sind relativ spärlich. Für die Generalklausel dürften sich angesichts der weiten Umschreibung der Beispiele kaum Anwendungsfälle finden (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997,
Art. 261
bis
StGB
N. 33). Die Herabsetzung oder Diskriminierung kann auf beliebige Weise kommuniziert werden (DORRIT SCHLEIMINGER, a.a.O.,
Art. 261
bis
StGB
N. 47). Ausführungsmodalitäten, Kommunikationswege und Kommunikationsmittel sind irrelevant. Aufgrund der Generalklausel erhält die gesetzliche Aufzählung der Tatmittel einen bloss beispielhaften Charakter, so dass eine (irgendwie noch denkbare?) Einschränkung hinfällig ist. Die Herabsetzung oder Diskriminierung kann damit auf jede denkbare Weise erfolgen (HANS VEST, Stämpflis Handkommentar,
Art. 261
bis
StGB
N. 70). Die Generalklausel kann nichts anderes bezwecken, als die ohnehin schon opulente Aufzählung möglicher Begehensweisen zu ergänzen (MARCEL ALEXANDER NIGGLI, a.a.O., N. 927). Bei der ausführlichen Aufzählung von denkbaren Formen einer herabsetzenden Äusserung hat der Gesetzgeber offenbar noch mehr für möglich gehalten als bei der Ehrverletzung (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000, § 39 N. 36). In der Lehre werden als Beispiele für Tatmittel im Sinne der Generalklausel, teilweise unter Hinweis auf die Lehre zu
Art. 176 StGB
, Karikaturen, Skulpturen, Filme und Theaterdarstellungen genannt (ROBERT ROM, Die Behandlung der
BGE 133 IV 308 S. 316
Rassendiskriminierung im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1995, S. 134), ferner die Pantomime sowie das Tragen und Vorzeigen von Symbolen und Fahnen (ALEXANDRE GUYAZ, L'incrimination de la discrimination raciale, Diss. Lausanne 1996, S. 283).
Die Lehre äussert sich, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Gewalttätigkeiten, beispielsweise schwere Körperverletzungen und Brandstiftungen, als solche auch den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen können. Allerdings wird einhellig die Auffassung vertreten, dass zwischen
Art. 261
bis
StGB
und anderen Straftaten, beispielsweise Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) oder Brandstiftung (
Art. 221 StGB
), "echte Konkurrenz" bestehen kann (vgl. nur ANDREAS DONATSCH/WOLFGANG WOHLERS, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl. 2004, S. 221; HANS VEST, a.a.O.,
Art. 261
bis
StGB
N. 122). Aus der Lehre wird allerdings nicht klar ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen "echte Konkurrenz" besteht und ob damit Realkonkurrenz (so ausdrücklich STEFAN TRECHSEL, a.a.O.,
Art. 261
bis
StGB
N. 46) oder aber Idealkonkurrenz (so ausdrücklich ALEXANDRE GUYAZ, a.a.O., S. 227) gemeint ist. Im Falle einer von fremdenfeindlichen Parolen begleiteten Brandstiftung (siehe das Beispiel bei STRATENWERTH, a.a.O., § 39 N. 44) besteht zweifellos "echte Konkurrenz". Der Täter erfüllt durch die fremdenfeindlichen Parolen eine Tatbestandsvariante von
Art. 261
bis
StGB
(beispielsweise Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB) und durch die Brandstiftung den Tatbestand von
Art. 221 StGB
; in diesem Fall besteht Realkonkurrenz. Es stellt sich indessen die Frage, ob die Brandstiftung als solche neben dem Tatbestand von
Art. 221 StGB
in Idealkonkurrenz auch eine Tatbestandsvariante von
Art. 261
bis
StGB
erfüllt, wenn und weil sie von fremdenfeindlichen Parolen begleitet wird, und ob eine Brandstiftung selbst bei Fehlen solcher Parolen neben dem Tatbestand von
Art. 221 StGB
in Idealkonkurrenz auch eine Tatbestandsvariante von
Art. 261
bis
StGB
erfüllt, wenn und weil sie vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten in Anbetracht der gesamten Umstände als ein fremdenfeindlicher Akt verstanden wird. Entsprechend stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine schwere Körperverletzung neben dem Tatbestand von
Art. 122 StGB
in Idealkonkurrenz auch den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen kann.
8.7
Das Internationale Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (RDK; SR 0.104),
BGE 133 IV 308 S. 317
das für die Schweiz am 29. Dezember 1994 in Kraft getreten ist, verpflichtet die Vertragsstaaten, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form und der Förderung des Verständnisses unter allen Rassen zu verfolgen (Art. 2 RDK). Die Vertragsstaaten werden die Rassendiskriminierung in jeder Form verbieten und beseitigen und das Recht jedes Einzelnen, ohne Unterschied der Rasse, der Hautfarbe, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums, auf Gleichheit vor dem Gesetz gewährleisten (Art. 5 RDK). Dies gilt unter anderem für das Recht auf Sicherheit der Person und auf staatlichen Schutz gegen Gewalttätigkeit oder Körperverletzung, gleichviel ob sie von Staatsbediensteten oder von irgendeiner Person, Gruppe oder Einrichtung verübt werden (Art. 5 lit. b RDK).
Gewalttätigkeiten aller Art sind nach dem schweizerischen Strafrecht ohnehin schon gemäss den einschlägigen Normen strafbar, etwa als Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) oder als Brandstiftung (
Art. 221 StGB
). Den rassendiskriminierenden Tatmotiven ist bei der Strafzumessung gemäss
Art. 63 StGB
straferhöhend Rechnung zu tragen.
De lege ferenda
wird von einem Teil der Lehre die Schaffung eines speziellen Qualifikationsgrundes der rassistischen Tatmotive bei einzelnen Tatbeständen gefordert (so ROBERT ROM, a.a.O., S. 55 ff., 167; ablehnend MARCEL ALEXANDER NIGGLI, a.a.O., N. 1236).
Durch
Art. 261
bis
StGB
sollten in Befolgung der durch die Unterzeichnung der Rassendiskriminierungskonvention eingegangenen Verpflichtungen gewisse Lücken im schweizerischen Strafrecht geschlossen werden.
Art. 261
bis
StGB
erfasst in erster Linie rassendiskriminierende Gedankenäusserungen aller Art in der Form von Aufrufen, Propagandaaktionen, Verbreitung von Ideologien sowie von Beleidigungen.
8.8
Eine Herabsetzung oder Diskriminierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise kann auch mittels einer Gewalttätigkeit manifestiert beziehungsweise kommuniziert werden. Eine Gewalttätigkeit kann unter Umständen auch die Einschätzung der Minderwertigkeit des Opfers zum Ausdruck bringen und den objektiven Erklärungswert haben, dass das Opfer kein vollwertiger Mensch sei. Durch eine Körperverletzung beispielsweise kann nicht nur die körperliche Integrität, sondern, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, auch die Menschenwürde der angegriffenen Person verletzt werden. In diesem Fall besteht zwischen dem
BGE 133 IV 308 S. 318
Tatbestand der Körperverletzung gemäss Art. 122 f. StGB und dem Tatbestand der Herabsetzung nach Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB echte Konkurrenz im Sinne der Idealkonkurrenz, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des letztgenannten Tatbestands erfüllt sind.
Eine öffentlich verübte Gewalttätigkeit erfüllt neben dem objektiven Tatbestand etwa der Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) in Idealkonkurrenz auch den objektiven Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB, wenn durch die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar das Opfer wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion als minderwertig hingestellt wird, wenn mit anderen Worten die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar zum Ausdruck bringt und somit den Erklärungswert hat, dass das Opfer wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion kein vollwertiger Mensch sei, kurz, wenn die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar als rassendiskriminierender Akt erscheint.
Ob eine Gewalttätigkeit, etwa eine Körperverletzung, für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar als rassendiskriminierender Akt erscheint, beurteilt sich - ähnlich wie die Interpretation von Äusserungen durch Worte - aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles. Von Bedeutung sind dabei die in der Person des Beschuldigten und in der Person des Opfers liegenden Umstände sowie die Tatumstände als solche. Verbale rassistische Äusserungen im Rahmen einer Gewalttätigkeit sind für die Einschätzung der Gewalttätigkeit als rassistischer Akt zwar hilfreich, doch sind sie nicht notwendig. Eine in der Öffentlichkeit begangene Gewalttätigkeit, etwa eine schwere Körperverletzung, kann den objektiven Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB auch erfüllen, wenn sie nicht von verbalen rassistischen Äusserungen begleitet wird. Massgebend sind vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls.
9.
9.1
Der Beschwerdeführer bezeichnet sich selbst als "rechtsextrem". Er gibt an, dass er Ausländer hasst. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz beging er die ihm zur Last gelegten Taten aus Rassenhass beziehungsweise aus ausländer- respektive fremdenfeindlichen Motiven. Die Einwände in der Beschwerdeschrift,
BGE 133 IV 308 S. 319
dass Gewalttätigkeiten von jungen Männern, insbesondere von Skinheads, Hooligans und Jugendbanden, auf dem Gefühl eigener Minderwertigkeit und Ohnmacht beruhten und mit politischen Inhalten kaum etwas zu tun hätten, gehen daher an der Sache vorbei. Die Vorfälle ereigneten sich im öffentlichen Raum. Der Beschwerdeführer beging die Taten werktags, kurz nach Mitternacht, auf der gut beleuchteten Hauptverbindungsstrasse zwischen Luzern und Littau, an welcher viele Wohnhäuser stehen. Aufgrund dieser örtlichen und zeitlichen Umstände bestand die konkrete Möglichkeit, dass die Angriffe von unbeteiligten Dritten - Passanten und/oder Anwohnern - wahrgenommen wurden. Dass die Taten allenfalls von niemandem im Einzelnen beobachtet wurden, wie in der Beschwerde behauptet wird, ist unerheblich.
Dies reicht indessen für eine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nicht aus. Zur Erfüllung des Tatbestands ist zudem erforderlich, dass die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten in Anbetracht der gesamten konkreten Umstände klar erkennbar als rassistisch begründeter Akt erscheint, mithin als eine Verhaltensweise, durch welche das Opfer im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt wird, und dass der Beschwerdeführer eine solche Einschätzung seiner Handlung durch den unbefangenen durchschnittlichen Dritten im Sinne des Eventualvorsatzes in Kauf genommen hat. Dies ist im Folgenden zu prüfen.
9.2
9.2.1
Gemäss den Ausführungen der ersten Instanz waren der Beschwerdeführer und sein Komplize nach eigenen Aussagen zur Zeit der Taten rechtsradikal. Bei allen drei Vorfällen hätten sie Kleidung getragen, welche typischerweise in rechtsradikalen Kreisen getragen werde. Die rechtsextreme Grundhaltung sei das Motiv für die Taten gewesen. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten die vom Beschwerdeführer verübten Gewalttätigkeiten indessen für sich allein genommen nicht zum Ausdruck gebracht, dass dadurch die Opfer gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse beziehungsweise Ethnie als minderwertig hingestellt worden seien. Einen im jeweils konkreten Fall dafür erforderlichen verbalen Kommentar hätten der Beschwerdeführer und sein
BGE 133 IV 308 S. 320
Komplize nie abgegeben. Daher sei der Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nicht erfüllt.
9.2.2
Die Vorinstanz ist demgegenüber der Auffassung, die Anwendung von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB setze nicht voraus, dass der Angriff auf das Opfer von verbalen rassistischen Kommentaren seitens des Täters begleitet werde. Die rassistische Äusserung könne sich auch allein in Tätlichkeiten - oder eben (wie im vorliegenden Fall) in schwerer wiegenden Angriffen auf die körperliche Integrität - manifestieren. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz trug der Beschwerdeführer bei den Taten jeweils stahlkappenverstärkte Schuhe, eine schwarze Jeanshose, einen grauen Pullover der - von Rechtsradikalen (wegen der darin enthaltenen Buchstabenfolge "nsda") bevorzugten - Marke "Lonsdale" und eine schwarze Jacke derselben Marke mit orangem Innenfutter. Auf seiner Jacke waren die Aufschrift "Skinhead" sowie ein Abzeichen der "SS-Totenkopfverbände" aufgenäht. Die Haare des Beschwerdeführers waren sehr kurz geschnitten. Nach der Auffassung der Vorinstanz entsprach das äussere Erscheinungsbild des Beschwerdeführers "ganz demjenigen, das landläufig mit einem Neonazi beziehungsweise einem Rechtsradikalen assoziiert wird". Der Beschwerdeführer habe selber von einer "Uniform" gesprochen, mit der er habe zum Ausdruck bringen wollen, dass "Rechts" nicht am Verschwinden sei. Aufgrund der Aufmachung des Beschwerdeführers sowie des Aussehens der Opfer kam die Vorinstanz zum Schluss, dass ein Dritter den rassendiskriminierenden Hintergrund der Taten ohne weiteres erkennen konnte.
9.2.3
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Tätlichkeit eines kahlgeschorenen Schweizers gegen einen Ausländer dunkler Hautfarbe erfülle als solche noch nicht den Straftatbestand der Rassendiskriminierung. Dass die betroffene Person eben gerade wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt werde, müsse sich durch eine zusätzliche äussere Handlung, nämlich durch einen verbalen Kommentar, manifestieren. Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Rassen, Ethnien oder Religionen sei eine diskriminierende (Mit-)Motivation eines Kontrahenten nie auszuschliessen. Damit eine Strafbarkeit nach Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB deshalb nicht beliebig und aleatorisch werde, sei für den Fall einer tätlichen Auseinandersetzung die genannte zusätzliche Manifestation der Diskriminierung mittels verbaler Äusserung unabdingbar. Da
BGE 133 IV 308 S. 321
diese Voraussetzung hier unstreitig nicht erfüllt sei, habe er den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nicht erfüllt.
9.2.4
Die Staatsanwaltschaft führt in ihrer Vernehmlassung aus, eine Herabsetzung oder Diskriminierung könne gemäss Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB nicht nur durch Worte, sondern auch in Form von Tätlichkeiten oder auf andere Weise erfolgen. Entscheidend sei, dass sich die tätlichen Angriffe in der Öffentlichkeit auf eine Weise ereigneten, bei welcher der rassistische Zusammenhang und die damit verbundene Erniedrigung der Opfer für unbeteiligte Dritte erkennbar sei.
9.3
9.3.1
Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten können den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB auch erfüllen, wenn sie nicht von rassistischen Kommentaren begleitet sind. Zwar sind solche Parolen für die Beurteilung hilfreich, da die Einschätzung von Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten schwierig sein kann (siehe in Bezug auf Gebärden und Tätlichkeiten ANDREAS DONATSCH/WOLFGANG WOHLERS, a.a.O., S. 216; MARCEL ALEXANDER NIGGLI, a.a.O., N. 918). Doch sind solche Kommentare nicht notwendig. Entscheidend ist vielmehr, ob die öffentlich verübte Gewalttätigkeit für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles klar erkennbar als rassistischer Akt erscheint, mithin als ein Verhalten, durch welches das Opfer wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt wird (siehe E. 8.8 hievor).
9.3.2
In der heutigen Zeit werden Auseinandersetzungen zunehmend ungeniert auch im öffentlichen Raum gewalttätig ausgetragen. Soweit solche Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Rassen oder Ethnien stattfinden, werden sie vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten nicht ohne weiteres als rassistische Akte eingeschätzt, da auch für solche Auseinandersetzungen in einer Gesellschaft, in welcher viele Angehörige verschiedener Rassen und Ethnien nebeneinander und miteinander leben, zahlreiche andere Gründe - Streit um Geldforderungen, um Drogen oder um ganz alltägliche Dinge - vorstellbar sind.
9.3.3
Bei den beiden Vorfällen vom 14. und 15. Mai 2002 war das Opfer jeweils ein Tamile dunkler Hautfarbe. In beiden Fällen beschlossen der Beschwerdeführer und sein Mittäter spontan, das Opfer zu verprügeln. Sie folgten ihm, holten es ein und schlugen es
BGE 133 IV 308 S. 322
zusammen. Das Opfer konnte flüchten, die Täter holten es nach kurzer Zeit wieder ein und verprügelten es weiter. Auch als es am Boden lag, traten sie mit den Füssen weiterhin auf das Opfer ein, insbesondere gegen den Bauch und den Kopf. Als ein Auto nahte (beim Vorfall vom 14. Mai 2002) respektive ein Anwohner aus einem Fenster etwas rief (beim Vorfall vom 15. Mai 2002), liessen sie vom Opfer ab. Beim Vorfall vom 15. Mai 2002 kehrte der Beschwerdeführer wenige Sekunden später zum weiterhin am Boden liegenden Opfer zurück, um diesem einen weiteren Tritt gegen das Gesicht zu versetzen.
Die beiden Vorfälle vom 14. und 15. Mai 2002 würden neben den einschlägigen Körperverletzungstatbeständen auch den objektiven Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen, wenn der Beschwerdeführer und sein Mittäter entsprechend der Einschätzung der Vorinstanz aufgrund ihrer Aufmachung als "Neonazis" beziehungsweise "Rechtsextreme" erkennbar gewesen wären. Dieser Einschätzung der Vorinstanz kann indessen in Anbetracht der in den Akten enthaltenen polizeilichen Fotoaufnahmen nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer trug unter der schwarzen Jacke einen grauen Pullover, auf dem in grosser Schrift die Marke "Lonsdale" mit dem Zusatz "London" aufgenäht ist. Der unbefangene durchschnittliche Dritte weiss nicht, dass Kleider dieser Marke wegen der darin enthaltenen Buchstabenfolge "...nsda..." (anklingend an "NSDAP" für "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei") offenbar (damals) von Rechtsradikalen gerne getragen wurden. Der unbefangene durchschnittliche Dritte erkennt die in der genannten Marke enthaltene Buchstabenfolge "...nsda...", falls er diese innerhalb des gesamten Wortes überhaupt wahrnimmt, nicht als Anspielung auf die "NSDAP". Die Jacken, welche der Beschwerdeführer und sein Komplize trugen, sind für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten ziemlich unauffällig. Dass "Neonazis" beziehungsweise "Rechtsextreme" (damals) offenbar Jacken mit orangem Innenfutter bevorzug(t)en, ist allenfalls Insidern bekannt. Allerdings waren auf der Jacke zwei Aufnäher angebracht, nämlich zum einen das (ca. 4 cm lange und knapp 1 cm hohe) Wort "Skinhead" und zum anderen (in ähnlichen Dimensionen) ein Abzeichen, bei dem es sich nach der Meinung der Vorinstanz um ein Abzeichen der "SS-Totenkopfverbände" handeln soll und welches eine Art "Reichsadler" zeigt, der in seinen Krallen das "Hakenkreuz" trägt. In Anbetracht dieser beiden Aufnäher waren der
BGE 133 IV 308 S. 323
Beschwerdeführer und sein Mittäter zweifellos der Szene der "Neonazis" beziehungsweise "Rechtsradikalen" zuzuordnen, die, wie allgemein bekannt ist, unter anderem von Hass gegen Ausländer getrieben sind und zur Artikulierung dieses Hasses auch vor feiger, brutaler Gewalt nicht zurückschrecken. Die beiden Aufnäher waren indessen klein und schon aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr zu entziffern bzw. zu erkennen. Der Beschwerdeführer trug Halbschuhe, die für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten relativ unauffällig sind. Sein Mittäter trug allerdings Stiefel von der Art, wie sie nach landläufiger Auffassung auch von "Neonazis" beziehungsweise "Rechtsextremen" getragen werden. Der Beschwerdeführer und sein Mittäter waren nach dem Gesamteindruck, den sie durch ihre Aufmachung vermittelten, für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten schon aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr als "Neonazis" beziehungsweise als "Rechtsextreme" erkennbar.
In Anbetracht der gesamten Umstände erscheinen die beiden Vorfälle vom 14. und 15. Mai 2002 für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten nicht klar erkennbar als rassistische Akte, durch welche die Opfer wegen ihrer Rasse als minderwertige Menschen hingestellt werden sollten.
9.3.4
Beim Vorfall vom 21. Mai 2002 war das Opfer ein 53-jähriger Mann aus Bosnien, der wegen einer leichten Gehbehinderung einen Stock mitführte. Der Beschwerdeführer und sein Mittäter folgten dem Opfer. Der Mittäter entriss diesem den Gehstock und schlug damit auf das Opfer ein. Der Beschwerdeführer warf es zu Boden. Die beiden Täter traten in der Folge mehrmals insbesondere gegen den Kopf des wehrlos am Boden liegenden Opfers und liessen schliesslich von ihm ab. Im Zeitpunkt dieses Vorfalls trugen der Beschwerdeführer und sein Mittäter ihre Jacken mit dem orangen Innenfutter nach aussen, so dass die beiden Aufnäher ("Skinhead" sowie der "Reichsadler" mit dem "Hakenkreuz") nicht sichtbar waren.
In Anbetracht der gesamten Umstände erscheint auch dieser Vorfall für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten nicht klar erkennbar als rassistischer Akt, durch welchen das Opfer wegen seiner Rasse als minderwertiger Mensch hingestellt werden sollte. Entgegen der Meinung der Vorinstanz ist es nicht allgemein bekannt, dass von Rechtsextremen getragene Bomberjacken ein oranges Innenfutter aufweisen. Im Gegenteil, ist doch die orange Farbe das Kennzeichen zahlreicher demokratischer Parteien in Europa.
BGE 133 IV 308 S. 324
9.4
Der Beschwerdeführer hat somit durch die inkriminierten Gewalttätigkeiten entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht auch den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllt. In diesem Punkt ist daher die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben.
Infolge des Wegfalls dieses Schuldspruchs wird die Vorinstanz die Strafe neu bemessen. Sie wird allerdings im Rahmen der Strafzumessung für die Schuldsprüche wegen mehrfacher (teils versuchter) schwerer Körperverletzung straferhöhend berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer diese Delikte tatsächlich aus rassistischen beziehungsweise fremdenfeindlichen und somit besonders verwerflichen Beweggründen verübte und dass die Opfer die Gewalttätigkeiten als rassistische Akte empfanden, wodurch sie zusätzlich in besonderem Masse gedemütigt wurden. | mixed |
5481a42f-397e-473d-8988-913aaa0340a7 | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 120 IV 17 S. 17
A.-
B. a repris en 1978 la direction effective d'une société zurichoise spécialisée dans le recouvrement des créances. Il a changé les pratiques de la société dans le sens d'une efficacité plus grande et il a décidé notamment de manifester une fermeté particulière à l'égard des débiteurs romands et tessinois. Il dirigeait étroitement la marche de sa société et en déterminait les méthodes de travail, connaissant le contenu et l'utilisation des formules stéréotypées mises à disposition des collaborateurs.
Le 14 mai 1986, la société de B. a adressé à J. une lettre dont le texte était préimprimé et dans laquelle la société, s'étonnant que des actes de défaut de biens aient été dressés contre le débiteur, ajoutait:
"Etant donné que vous avez aggravé votre situation financière en achetant de la marchandise chez notre clientèle, tout en sachant que vous ne seriez pas capable d'assumer vos obligations, nous sommes forcés de porter une plainte pénale contre vous, au sens d'
art. 165 CP
(décadence de fortune).
BGE 120 IV 17 S. 18
Notre plainte concernant un délit poursuivi d'office ne peut être retirée; un retrait n'empêcherait nullement la poursuite de l'information pénale.
Si vous désirez empêcher cette mesure, nous vous accordons une dernière occasion de régler cette affaire à l'amiable."
Le débiteur était invité à prendre contact avec la société dans un certain délai, faute de quoi la plainte serait automatiquement déposée. Au bas de la page, il était ajouté le texte dactylographié suivant:
Copie au Procureur général:
"Veuillez prendre immédiatement les mesures définitives et exécutoires si le débiteur ne donnera pas suite à nos propositions."
Le 15 janvier 1990, la société de B. a adressé la même formule à P., en sa qualité de curateur de M.; la mention de la copie au Procureur général était devenue préimprimée. Le 16 août 1990, la société a également envoyé la même formule à Z.
Alors même que B. se savait renvoyé devant le Tribunal du district de Lausanne pour ces faits, la même formule a encore été envoyée, le 25 février 1991, à G. et, le 6 mai 1991, à Z.
La société de B. ne disposait en réalité d'aucun élément concret lui permettant sérieusement de fonder une plainte pour infraction à l'
art. 165 CP
. D'autre part, contrairement à ce qui apparaissait, aucune copie de ces lettres n'était envoyée au Procureur général.
B.-
Par jugement du 4 février 1993, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné B., pour délit manqué de contrainte, à la peine de deux mois d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans, mettant à sa charge une partie des frais de la procédure et statuant partiellement sur des conclusions civiles.
Par arrêt du 7 juin 1993, la Cour de cassation cantonale a rejeté le recours formé par le Ministère public et a admis partiellement le recours de B., qualifiant l'infraction de tentative de contrainte et supprimant la condamnation sur les conclusions civiles.
C.-
B. se pourvoit en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral contre cet arrêt. Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Reconnu coupable de tentative de contrainte, le recourant conteste tout d'abord que le procédé utilisé puisse réaliser les éléments constitutifs de cette infraction.
BGE 120 IV 17 S. 19
Selon l'
art. 181 CP
, se rend coupable de contrainte "celui qui, en usant de violence envers une personne ou en la menaçant d'un dommage sérieux, ou en l'entravant de quelque autre manière dans sa liberté d'action, l'aura obligée à faire, à ne pas faire ou à laisser faire un acte".
En l'espèce, il résulte des faits retenus que les lettres litigieuses avaient pour but, sous la menace d'une plainte pénale pour infraction à l'
art. 165 CP
, d'amener les destinataires à faire un acte, à savoir de payer leur dette. Il s'agissait donc bien d'exercer une influence sur leur liberté d'action en les poussant, par la perspective d'un dommage sérieux, à adopter un comportement qu'ils n'auraient vraisemblablement pas eu sans cela (
ATF 96 IV 58
consid. 1,
ATF 81 IV 101
consid. 1).
Pour qu'il y ait menace d'un dommage sérieux, au sens de l'
art. 181 CP
, il faut d'une part que le dommage apparaisse sérieux (
ATF 115 IV 207
consid. 2a,
ATF 106 IV 125
consid. 2a,
ATF 101 IV 47
consid. 2,
ATF 96 IV 58
consid. 3) et d'autre part que la contrainte soit illicite (
ATF 115 IV 207
consid. 2b,
ATF 106 IV 125
consid. 3a,
ATF 101 IV 47
consid. 2b,
ATF 96 IV 58
consid. 1,
ATF 87 IV 13
consid. 1).
aa) Il y a menace d'un dommage sérieux lorsqu'il apparaît, selon la déclaration faite, que la survenance de l'inconvénient dépend de l'auteur et que cette perspective est telle qu'elle est de nature à entraver le destinataire dans sa liberté de décision (
ATF 106 IV 125
consid. 2a,
ATF 96 IV 58
consid. 3). La question doit être tranchée en fonction de critères objectifs, et non pas d'après les réactions du destinataire d'espèce (
ATF 106 IV 125
consid. 2b,
ATF 101 IV 47
consid. 2a,
ATF 96 IV 58
consid. 3,
ATF 81 IV 101
consid. 3). La menace de déposer une plainte pénale doit être considérée comme la menace d'un dommage sérieux; en effet, un tel acte, dépendant de la volonté de l'auteur, provoque l'ouverture d'une procédure pénale qui est, pour la personne visée, une source de tourments et un poids psychologique considérable, de sorte que cette perspective est propre, pour un destinataire raisonnable, à l'amener à adopter un comportement qu'il n'aurait pas eu s'il avait eu toute sa liberté de décision (cf.
ATF 96 IV 58
consid. 3).
En menaçant les destinataires des lettres litigieuses de déposer contre eux une plainte pénale pour infraction à l'
art. 165 CP
, l'entreprise dirigée par le recourant proférait à leur encontre une menace d'un dommage sérieux, puisqu'une telle plainte, vu la complexité des faits à élucider, est de nature à provoquer de sérieux tourments et à inciter la personne menacée à céder.
BGE 120 IV 17 S. 20
bb) Il reste à déterminer si la contrainte, dans les circonstances d'espèce, était illicite.
Selon la jurisprudence, une contrainte est illicite lorsque le moyen ou le but est contraire au droit ou lorsque le moyen est disproportionné pour atteindre le but visé ou encore lorsqu'un moyen de contrainte conforme au droit utilisé pour atteindre un but légitime constitue, au vu des circonstances, un moyen de pression abusif ou contraire aux moeurs; cette dernière hypothèse est en particulier réalisée lorsqu'il n'y a pas de rapport entre l'objet de la menace et l'exigence formulée (
ATF 106 IV 125
consid. 3a,
ATF 105 IV 120
consid. 2b,
ATF 101 IV 47
consid. 2b et les arrêts cités). Réclamer le paiement d'une créance ou menacer de déposer une plainte pénale (lorsque l'on est victime d'une infraction) constituent en principe des actes licites; celui qui, étant victime d'une infraction, menace de déposer une plainte pénale afin d'obtenir la réparation du préjudice subi ne commet pas une contrainte au sens de l'
art. 181 CP
; l'illicéité n'apparaît que si le moyen utilisé n'est pas dans un rapport raisonnable avec le but visé et constitue un moyen de pression abusif; tel est le cas en particulier si l'objet de la plainte pénale est sans rapport avec la prestation demandée ou si la menace doit permettre d'obtenir un avantage indu (cf.
ATF 115 IV 207
consid. 2b/cc,
ATF 101 IV 47
consid. 2b,
ATF 96 IV 58
consid. 1,
ATF 87 IV 13
consid. 1).
En l'espèce, il a été retenu en fait - d'une manière qui lie la Cour de cassation (
art. 277bis PPF
[RS 312.0]) - que les employés avaient reçu pour instruction, dès réception d'un acte de défaut de biens d'une certaine couleur, d'envoyer la formule préimprimée comprenant la menace de la plainte pénale. Or, la seule délivrance d'un acte de défaut de biens ne permet nullement d'étayer un soupçon d'infraction à l'
art. 165 CP
. Dans la mesure où le recourant affirme qu'il y avait un tri préalable, au siège de l'entreprise, il s'écarte des constatations cantonales, ce qui n'est pas admissible dans le cadre d'un pourvoi en nullité (
art. 273 al. 1 let. b PPF
;
ATF 115 IV 38
consid. 3a, 106 IV 338 consid. 1). Au demeurant, il n'a jamais été en mesure d'apporter le moindre indice sérieux d'une telle infraction à l'encontre de l'un ou l'autre des destinataires en cause. Il s'agissait donc de menaces qui étaient systématiquement proférées à la légère. En cela, le procédé était abusif, puisqu'il consistait à menacer, sans raison sérieuse, le destinataire de tourments importants, afin de l'amener à payer sa dette, même en empiétant, le cas échéant, sur le minimum vital. Menacer d'une plainte pour une infraction que rien ne permet sérieusement de soupçonner constitue un moyen en soi inadmissible. Le moyen
BGE 120 IV 17 S. 21
utilisé étant dans ces circonstances abusif et sans rapport raisonnable avec le but visé, la contrainte était illicite.
C'est donc à juste titre que l'autorité cantonale a retenu la qualification de contrainte au sens de l'
art. 181 CP
.
b) Contrairement à ce que semble soutenir le recourant, les trois éléments analysés par l'autorité cantonale ne constituent pas des contraintes distinctes qui entreraient en concours; il s'agit en réalité de procéder à une appréciation globale de la lettre, pour dire s'il y a usage d'un moyen de pression abusif, donc illicite. Les trois éléments s'éclairent donc l'un l'autre et la lettre doit être comprise comme un tout; il importe donc peu que l'un ou l'autre de ces éléments, pris isolément, n'aurait pas suffi pour justifier la qualification de contrainte.
Lorsque le recourant sous-entend qu'il aurait eu des soupçons plausibles à l'encontre des personnes visées, il s'écarte des constatations de fait cantonales, ce qui n'est pas admissible. Il n'indique d'ailleurs même pas en quoi consistaient ces soupçons.
Comme les lettres litigieuses mentionnaient expressément l'
art. 165 CP
et employaient les termes "aggravé sa situation" figurant dans cette disposition, l'autorité cantonale a admis que cette disposition avait été lue et que l'on savait donc que l'infraction à l'
art. 165 CP
, contrairement à ce qui était affirmé dans les lettres, n'était pas toujours un délit poursuivable d'office. Elle a également retenu qu'il s'agissait, par cette imprécision, de mettre le destinataire sous pression en lui faisant croire que s'il ne payait pas immédiatement un processus irréversible serait enclenché. Sur la base d'un tel état de fait - qui ne peut pas être réexaminé dans le cadre d'un pourvoi en nullité (
art. 277bis PPF
) -, il était juste d'observer qu'il s'agissait d'une affirmation trompeuse, donc déloyale, destinée à accroître la pression psychologique.
L'indication qu'une copie était adressée au Procureur général avait manifestement pour but de montrer que la situation était déjà sous le contrôle de cette autorité et qu'il fallait redouter son intervention en cas de non-paiement. Comme aucune copie n'était envoyée au Procureur général, il y avait ici également une tromperie, qui confirme le caractère abusif du procédé, même si cet aspect, pris isolément, n'aurait pas suffi pour justifier la qualification de contrainte. Il faut d'ailleurs relever que l'autre lettre, citée par le recourant, ne comportait aucune référence à une infraction pénale, de sorte que la mention d'une copie au Procureur général n'avait pas la même portée, en l'absence de tout allégué dont il
BGE 120 IV 17 S. 22
aurait pu se saisir. Le fait qu'aucune copie n'était envoyée au Procureur général confirme que l'on avait conscience de ce qu'une plainte ne peut pas être déposée à la légère et que l'on ne disposait pas d'éléments suffisants.
c) Pour qu'il y ait tentative de contrainte, il faut que l'auteur ait agi avec conscience et volonté, soit au moins qu'il ait accepté l'éventualité que le procédé illicite employé entrave le destinataire dans sa liberté de décision (
ATF 101 IV 42
consid. 4,
ATF 96 IV 58
consid. 5,
ATF 87 IV 13
consid. 2).
Contrairement à ce que suggère le recourant, il ne ressort nullement de l'arrêt attaqué que l'autorité cantonale aurait méconnu le caractère intentionnel de l'infraction.
Selon les faits retenus, qui ne peuvent être réexaminés dans le cadre d'un pourvoi, le recourant dirigeait de près son entreprise, il avait déterminé la manière de procéder et faisait donner aux employés les instructions nécessaires avec le jeu des formules utilisées; il connaissait la formule litigieuse et son utilisation. Il résulte de façon suffisamment claire de l'arrêt entrepris que l'autorité cantonale a retenu qu'il avait voulu cette manière de procéder (sans instaurer aucun contrôle préalable des soupçons d'infraction à l'
art. 165 CP
, ni aucun tri suivant que l'infraction soit poursuivable d'office ou sur plainte) et qu'il a fait en sorte qu'elle soit appliquée par ses subordonnés. Le but de la lettre étant clair, le recourant avait nécessairement accepté d'exercer, par la menace d'une plainte pénale, une pression sur la volonté des débiteurs, pour les amener à effectuer des versements qu'ils n'étaient vraisemblablement pas disposés à faire sans cela; le caractère illicite du procédé consistant à menacer d'une plainte pénale, sans que celle-ci ait un fondement sérieux, ne pouvait lui échapper; la situation se distingue à l'évidence des avertissements figurant sur les formules des offices de poursuites pour le cas où le destinataire commettrait à l'avenir une infraction; d'ailleurs, aucune erreur du recourant n'a été constatée en fait.
d) Le recourant conteste que les faits retenus permettent de le qualifier d'auteur de la tentative de contrainte.
Les juges de première instance l'avaient considéré comme auteur médiat, mais la cour cantonale, dont la décision fait seule l'objet du pourvoi, a laissé cette question ouverte, estimant qu'il suffisait de constater qu'il avait agi en qualité d'auteur.
L'auteur médiat est celui qui se sert d'une autre personne comme d'un instrument dénué de volonté ou du moins agissant sans intention coupable,
BGE 120 IV 17 S. 23
afin de lui faire exécuter l'infraction projetée (
ATF 77 IV 88
consid. 1, 71 IV 132 consid. 3). L'auteur médiat est punissable comme s'il avait accompli lui-même les actes qu'il a fait exécuter par le tiers agissant comme instrument (
ATF 87 I 451
consid. 5 p. 457,
ATF 85 IV 203
).
Le coauteur est celui qui collabore intentionnellement et de manière déterminante avec d'autres personnes dans la décision de commettre une infraction, dans son organisation ou son exécution, au point d'apparaître comme l'un des participants principaux (
ATF 118 IV 397
consid. 2b,
ATF 115 IV 161
consid. 2,
ATF 108 IV 88
consid. 2a). La coactivité suppose une décision commune, mais qui n'est pas nécessairement expresse; elle peut aussi résulter d'actes concluants et le dol éventuel quant au résultat suffit (
ATF 118 IV 397
consid. 2b, 115 IV 161 consid. 2). Il n'est pas nécessaire que le coauteur participe à la conception du projet, il peut y adhérer ultérieurement (
ATF 118 IV 397
consid. 2b; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, vor Art. 24 Nr. 12). Il n'est d'ailleurs pas nécessaire que l'acte soit prémédité, le coauteur peut s'y associer en cours d'exécution (
ATF 108 IV 88
consid. 2a). Le contenu de la volonté doit permettre de distinguer le coauteur du participant accessoire (
ATF 115 IV 161
,
ATF 108 IV 88
consid. 2a): il faut que l'auteur s'associe à la décision dont est issu le délit (mais sans accomplir nécessairement des actes d'exécution) ou à la réalisation de ce dernier, dans des conditions ou dans une mesure qui le font apparaître comme un participant non pas secondaire, mais principal (
ATF 69 IV 97
s.). La seule volonté ne suffit cependant pas pour admettre la coactivité, il faut encore que le coauteur participe effectivement à la prise de la décision, à l'organisation ou à la réalisation de l'infraction (
ATF 108 IV 88
consid. 2a); la jurisprudence la plus récente, se référant à la doctrine, exige même que le coauteur ait une certaine maîtrise des opérations et que son rôle soit plus ou moins indispensable (
ATF 118 IV 397
consid. 2b; cf. STRATENWERTH, Allg. Teil I, par. 13 no 55; NOLL/TRECHSEL, Allg. Teil I, 3ème éd. p. 159 s.; BERNHARD PETER, Zur Mittäterschaft nach schweizerischem Strafrecht, Zürich 1984 p. 38 ss, 53 s.). Dès lors que l'infraction apparaît comme l'expression d'une volonté commune, chacun des coauteurs est pénalement tenu pour le tout (
ATF 109 IV 161
consid. 4b et les arrêts cités). Cette construction juridique tend en particulier à la répression de ceux qui ont planifié une infraction, mais sans prendre part à son exécution proprement dite (
ATF 108 IV 88
consid. 2a).
Les concepts d'auteur médiat et de coauteur montrent qu'une personne peut être considérée comme auteur d'une infraction, même si elle n'en est pas
BGE 120 IV 17 S. 24
l'auteur direct, c'est-à-dire si elle n'a pas accompli elle-même tous les actes décrits dans la disposition pénale; cela résulte naturellement du fait qu'une infraction, comme toute entreprise humaine, n'est pas nécessairement réalisée par une personne isolée, mais peut procéder d'une action commune avec une répartition des tâches (cf. PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, Berne 1993 p. 272 ss).
La distinction entre l'auteur médiat et le coauteur, invoquée par le recourant, ne lui est d'aucun secours. En effet, elle n'a d'importance dans le cas d'espèce que pour examiner si les subordonnés qui envoyaient les formules avaient ou non l'intention délictueuse et, en conséquence étaient ou non punissables. Or, l'accusé n'a qualité pour se pourvoir en nullité (
art. 270 al. 1 PPF
) que dans la mesure où le jugement touche à ses intérêts personnels; il ne peut pas se plaindre par cette voie de la manière dont d'autres personnes ont été traitées (CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991 p. 71). Il n'est donc pas nécessaire de trancher cette question et il suffit d'examiner, sur la base des faits retenus (
art. 277bis al. 1 PPF
), si le recourant peut être considéré comme auteur de la tentative de contrainte.
Il a été retenu que le recourant, qui dirigeait l'entreprise, avait voulu durcir la procédure à l'égard des débiteurs, en particulier ceux de Suisse romande et du Tessin. Suivant de près la marche de l'entreprise, il déterminait les manières de procéder. Il donnait ou faisait donner aux employés de l'entreprise des instructions précises, les amenant à procéder de manière stéréotypée, en fonction d'un jeu de formules. C'est manifestement pour satisfaire sa volonté de durcissement que la formule litigieuse a été établie, même si les circonstances exactes de son élaboration n'ont pas pu être élucidées. Il connaissait l'existence, le contenu et l'utilisation qui devait être faite de cette formule. Il avait la maîtrise totale de la situation, puisqu'il aurait pu, dès l'origine et à tout moment, en interdire l'usage. Comme les subordonnés ne faisaient que suivre ses ordres, il en résulte de façon suffisante qu'il a voulu l'emploi de cette formule et que sa volonté exerçait une influence déterminante sur son utilisation effective. Admettre en pareilles circonstances qu'il a agi comme auteur, sous la forme de l'auteur médiat ou du coauteur, ne viole en rien le droit fédéral. Pour la qualification d'auteur médiat ou de coauteur, il est sans pertinence qu'il n'ait pas accompli lui-même les actes d'exécution proprement dits. | mixed |
69a74efd-fbfb-4c90-a381-13921647a0a3 | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 137 IV 313 S. 314
A.
Le 31 août 2007, X. a fait paraître dans l'hebdomadaire "B.", dont il est le rédacteur en chef, un article, préparé par ses soins et signé de sa plume, intitulé "Comme un parfum des années 1930". Au centre de cet article, sur la moitié de sa largeur et plus des deux tiers de sa hauteur figurait un photomontage. Celui-ci, sur un fond noir, présentait le portrait de Y. à côté de celui d'Adolf Hitler - ce dernier apparaissant en uniforme brun du parti nazi et brassard portant la croix gammée -, accompagné du sous-titre, dans la police de caractères la plus importante utilisée dans l'article, "Autrichiens: on a déjà donné!". Le texte, quant à lui, évoquait notamment différents comportements prétendument adoptés par le parti Z. et ses membres, indiquant que "bref, cela sent bon les années 1930". Il affirmait ensuite que le parti Z. utilisait le même type de méthodes que celles employées durant ces années, méthodes qui avaient permis à Hitler d'être élu démocratiquement.
Par jugement du 15 octobre 2009, le Juge des districts de Martigny et Saint-Maurice a condamné X. pour diffamation à 120 heures de travail d'intérêt général, avec sursis et délai d'épreuve de deux ans. Il a pour le surplus réservé les droits civils de Y., statué sur les frais et ordonné la publication du dispositif du jugement assorti d'un bref commentaire préliminaire.
B.
Par jugement du 7 décembre 2010, la Cour pénale I du Tribunal cantonal valaisan a rejeté l'appel de X. et confirmé la sentence prononcée, le commentaire préliminaire destiné à la publication étant légèrement modifié.
C.
X. forme un recours en matière pénale, concluant notamment à son acquittement.
Par ordonnance du 22 mars 2011, le Président de la cour de céans a admis la requête d'effet suspensif.
Il n'a pas été ordonné d'échange d'écritures.
BGE 137 IV 313 S. 315 Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant conteste sa condamnation pour diffamation au sens de l'
art. 173 CP
.
2.1
L'
art. 173 ch. 1 CP
réprime le comportement de celui qui, en s'adressant à un tiers, aura accusé une personne, ou jeté sur elle le soupçon de tenir une conduite contraire à l'honneur, ou de tout autre fait propre à porter atteinte à sa considération, ou aura propagé une telle accusation ou un tel soupçon. Ce comportement peut être réalisé sous n'importe quelle forme d'expression, notamment par l'écriture ou l'image (cf.
art. 176 CP
;
ATF 131 IV 160
consid. 3.3 p. 163).
2.1.1
L'
art. 173 ch. 1 CP
protège la réputation d'être une personne honorable, c'est-à-dire de se comporter comme une personne digne a coutume de le faire selon les conceptions généralement reçues. L'honneur protégé par le droit pénal est conçu de façon générale comme un droit au respect qui est lésé par toute assertion propre à exposer la personne visée au mépris en sa qualité d'homme (
ATF 132 IV 112
consid. 2.1 p. 115).
Est attentatoire à l'honneur le fait d'assimiler une personne à un parti politique que l'histoire a rendu méprisable ou de suggérer qu'elle a de la sympathie pour le régime nazi (cf.
ATF 121 IV 76
consid. 2a/bb p. 82; également arrêts 6B_737/2010 du 1
er
février 2011; 6S.504/2005 du 28 février 2006 consid. 2.1; 6S.295/2000 du 1
er
novembre 2000 consid. 4a; 6S.287/1998 du 3 juin 1998 consid. 2b).
2.1.2
Alors que la diffamation ou la calomnie (
art. 174 CP
) suppose une allégation de fait, un jugement de valeur, adressé à des tiers ou à la victime, peut constituer une injure au sens de l'
art. 177 CP
. Pour distinguer l'allégation de fait du jugement de valeur, il faut se demander, en fonction des circonstances, si les termes litigieux ont un rapport reconnaissable avec un fait ou sont employés pour exprimer le mépris. La notion de jugement de valeur doit être comprise dans un sens large. Il s'agit d'une manifestation directe de mésestime ou de mépris, au moyen de mots blessants, de gestes ou de voies de fait (
ATF 128 IV 53
consid. 1f/aa p. 61 s et références citées).
2.1.3
Pour apprécier si une déclaration est attentatoire à l'honneur, il faut se fonder non pas sur le sens que lui donne la personne visée, mais sur une interprétation objective selon la signification qu'un destinataire non prévenu doit, dans les circonstances d'espèce, lui
BGE 137 IV 313 S. 316
attribuer (
ATF 133 IV 308
consid. 8.5.1 p. 312). Cette interprétation doit tenir compte, comme dans le cas d'espèce, non seulement du contenu textuel de l'article mais également des photos qui y sont utilisées et de la présentation graphique de l'article (
ATF 131 IV 160
consid. 3.3.3 p. 164 et 165).
Selon la jurisprudence, un texte doit être analysé non seulement en fonction des expressions utilisées, prises séparément, mais aussi selon le sens général qui se dégage du texte dans son ensemble. Ce qui précède ne signifie cependant pas qu'il faille faire abstraction de l'impact particulier d'un titre ou d'un intertitre. Rédigés en plus gros caractères et en gras, ceux-ci frappent spécialement l'attention du lecteur. Très généralement, ils sont en outre censés résumer très brièvement l'essentiel du contenu de l'article. De plus, il n'est pas rare que des lecteurs, parce qu'ils n'en prennent pas la peine ou parce qu'ils n'en ont pas le temps, ne lisent que les titre et intertitre, par lesquels ils peuvent être induits en erreur si leur contenu ne correspond pas à celui de l'article (arrêt 6S.862/2000 du 20 mars 2001 consid. 1a). Aussi la jurisprudence a-t-elle admis le caractère diffamatoire d'un intertitre faisant état d'une escroquerie à l'assurance, quand bien même il ressortait de l'article qu'aucune condamnation de ce chef n'avait encore été prononcée (
ATF 116 IV 31
consid. 5b p. 42). A également été jugé diffamatoire un article de presse dont le titre et l'intertitre affirmaient qu'un enfant de moins de 7 ans avait tué sa petite soeur, alors qu'il était ensuite expliqué dans l'article proprement dit qu'il ne s'agissait là que de l'hypothèse la plus vraisemblable émise par le juge d'instruction (arrêt 6S.368/2000 du 4 décembre 2000 consid. 2b).
Déterminer le contenu d'un message relève des constatations de fait. Le sens qu'un destinataire non prévenu confère aux expressions et images utilisées constitue en revanche une question de droit (
ATF 133 IV 308
consid. 8.5.1 p. 312;
ATF 131 IV 23
consid. 2.1 p. 26).
2.1.4
Dans la discussion politique, l'atteinte à l'honneur punissable ne doit être admise qu'avec retenue et, en cas de doute, niée. La liberté d'expression indispensable à la démocratie implique que les acteurs de la lutte politique acceptent de s'exposer à une critique publique, parfois même violente, de leurs opinions. Il ne suffit ainsi pas d'abaisser une personne dans les qualités politiques qu'elle croit avoir. La critique ou l'attaque porte en revanche atteinte à l'honneur protégé par le droit pénal si, sur le fond ou dans la forme, elle ne se
BGE 137 IV 313 S. 317
limite pas à rabaisser les qualités de l'homme politique et la valeur de son action, mais est également propre à l'exposer au mépris en tant qu'être humain (
ATF 128 IV 53
consid. 1a p. 58 s; également
ATF 131 IV 23
consid. 2.1 p. 26; CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3
e
éd. 2010, n° 10 ad
art. 173 CP
; FRANZ RIKLIN, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. II, 2
e
éd. 2007, n° 25 ad Vor
art. 173 CP
).
2.1.5
Exception faite du régime particulier découlant de l'
art. 28a CP
, le journaliste ne bénéficie d'aucun privilège en cas d'atteinte à l'honneur par voie de presse (
ATF 131 IV 160
consid. 3.3.2 p. 164).
2.1.6
Du point de vue subjectif, l'
art. 173 ch. 1 CP
exige que l'auteur ait eu conscience du caractère attentatoire à l'honneur de ses propos et qu'il les ait néanmoins proférés. Il n'est pas nécessaire qu'il ait eu la volonté de blesser la personne visée (
ATF 119 IV 44
consid. 2a p. 47 et la jurisprudence citée).
2.2
La décision attaquée reproduit in extenso l'article comprenant le photomontage. Elle retient également que ce photomontage est inspiré d'affiches utilisées à l'époque par le parti Z. du Valais romand.
S'agissant des circonstances entourant la parution de cet article, l'autorité précédente a constaté qu'il avait été diffusé durant la campagne électorale pour le conseil national en 2007, dans le cadre de laquelle l'intimé était candidat valaisan sur la liste du parti Z. Y., professeur d'allemand, a fondé la section du parti Z. Valais en 1999, section qu'il préside encore. L'hebdomadaire dans lequel a paru l'article litigieux est l'organe de presse du parti G. valaisan. Il est édité par la société C. SA, dont le recourant était au moment des faits président du conseil d'administration. Ce journal est publié à plusieurs milliers d'exemplaires. L'article litigieux était également consultable sur le site internet du journal "B." durant une semaine ensuite de sa parution papier.
2.3
Le recourant soutient que l'article se borne à comparer les méthodes de campagne dont ont usé, pour accéder démocratiquement au pouvoir, les nationaux-socialistes allemands au début des années 30 à celles du parti Z., notamment valaisan. Il invoque également qu'il ne s'agit là que d'une démonstration par l'absurde et que le photomontage revêt une dimension satirique évidente. Selon lui, son article s'inscrivait dans un combat politique particulièrement rude mené en pleine campagne électorale.
BGE 137 IV 313 S. 318
2.3.1
L'élément le plus marquant de l'article est sans conteste le photomontage. Celui-ci a été placé par le recourant au centre de son article, dans un format occupant la moitié de sa largeur et plus de la moitié de sa hauteur, sur un fond noir et accompagné du titre - dans la police de caractères de loin la plus grande de l'article - "Autrichiens: on a déjà donné !". La photo d'Adolf Hitler, choisie par le recourant, est un portrait connu qui permet de reconnaître immédiatement le "Führer", en uniforme brun du parti nazi et brassard portant la croix gammée, soit la personne qui a imaginé et surtout mis en place l'extermination de plusieurs millions de personnes.
Placer le portrait de l'intimé, candidat du parti Z. au conseil national et de père autrichien, à côté de ce portrait d'Hitler, également d'origine autrichienne, en accompagnant ces photos du sous-titre "Autrichiens: on a déjà donné !", procède d'un amalgame et jette clairement le soupçon que l'intimé sympathise avec l'idéologie nazie.
Le photomontage, tel qu'il a été réalisé par le recourant, ne comporte aucun élément permettant de limiter l'assimilation de l'intimé à Hitler aux seules méthodes démocratiques de campagne utilisées par les nationaux-socialistes, qui plus est "au début des années 30". Quant au titre de l'article, "Comme un parfum des années 1930", il se réfère expressément à toute la décennie, soit une période déjà meurtrière, si l'on pense notamment à l'ouverture en 1934 du premier camp de concentration ou la Nuit des longs couteaux, le 30 juin 1934, au cours de laquelle Hitler a fait assassiner une centaine de personnes.
Au vu du montage choisi par le recourant, le texte de l'article apparaît clairement secondaire. Cela étant, ce texte, s'il n'explicite certes pas le soupçon que l'intimé sympathise avec les idées criminelles d'Hitler et veuille suivre ses traces, renforce par son contenu l'assimilation faite par le photomontage entre les deux hommes. Ainsi, il compare les méthodes utilisées par les nationaux-socialistes menées par Hitler "pour faire peur, alerter la population" à celles du parti Z. valaisan dirigé par l'intimé, déclarant en particulier qu'il s'agirait là de "réchauffé absolu". La comparaison entre l'élection démocratique d'Hitler et celle recherchée par l'intimé renforce encore ce rapprochement entre les deux hommes.
Un tel soupçon, même jeté en pleine campagne électorale, dépasse clairement les limites pourtant larges posées à la liberté d'expression et lèse l'honneur de l'intimé, non pas seulement en tant que politicien, mais en tant qu'homme. La diffusion par le recourant de
BGE 137 IV 313 S. 319
l'article litigieux, pris dans son ensemble, est donc objectivement attentatoire à l'honneur.
Le recourant ne s'est pas borné à émettre un jugement de valeur ni à critiquer l'activité professionnelle de l'intimé. Il a suggéré que ce dernier avait, pour le moins, des sympathies pour l'idéologie nazie. Le soupçon litigieux constitue donc non pas un jugement de valeur, mais une allégation de fait susceptible de tomber sous le coup de l'
art. 173 CP
.
2.3.2
Le recourant ne peut être suivi lorsqu'il soutient que le photomontage revêtirait une "dimension satirique évidente". Il a en effet été publié dans un journal qui n'a rien de satirique. Le titre et le sous-titre n'ont aucun caractère humoristique. Au contraire, ils rappellent l'une des plus sombres pages de l'histoire. Il ressort d'ailleurs des réactions figurant au dossier pénal que le lecteur moyen n'a pas tenu le photomontage pour une simple plaisanterie. En effet, on cherche ce qu'il y aurait d'amusant à laisser croire qu'une personne partage la vision d'un génocidaire. De plus, la parution de l'article s'est inscrite dans un contexte qui ne permet pas non plus de retenir une approche satirique, le recourant indiquant que l'article et le photomontage ont été publiés dans le cadre d'"un combat politique particulièrement rude mené en pleine campagne électorale par l'organe du parti G. valaisan contre le parti Z." avec "la volonté de faire valoir des arguments politiques", de "mettre en parallèle" et de "dénoncer". Le seul fait que le recourant ait repris la mise en forme adoptée par l'une des affiches du parti Z. ne permet pas de retenir le caractère "burlesque" "destiné à faire rire" du photomontage litigieux.
2.3.3
Le fait que l'intimé soit un provocateur ne permet en rien de justifier un soupçon aussi disproportionné lancé à son encontre. L'article dépasse ce que le droit à la dignité permet.
2.3.4
Le recourant ne pouvait ignorer qu'assimiler une personne à Adolf Hitler était propre à attenter à son honneur. Il le reconnaît d'ailleurs, admettant avoir publié l'article litigieux afin d'atteindre l'intimé dans sa dignité d'homme en suggérant une parenté d'idées entre ce dernier et Hitler. Le recourant a donc agi intentionnellement au sens de l'
art. 173 ch. 1 CP
.
2.3.5
Dans ces conditions, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que l'article litigieux et notamment le photomontage figurant en son centre étaient diffamatoires au sens de l'
art. 173 ch. 1 CP
.
BGE 137 IV 313 S. 320
2.4
A titre subsidiaire, le recourant invoque qu'il aurait offert de prouver la vérité de ses assertions, mais que l'administration de cette preuve lui aurait été refusée, ce en violation de l'
art. 173 ch. 3 CP
.
2.4.1
Selon le jugement entrepris, le recourant a affirmé qu'il considérait l'intimé comme un homme honorable n'ayant aucune ressemblance avec Hitler et connaissait, partant, la fausseté de ses allégations.
Au vu de ces faits, dont le caractère arbitraire n'a pas été démontré, les autorités cantonales auraient pu envisager la qualification de calomnie (
art. 174 CP
). Toutefois, compte tenu de l'interdiction de la reformatio in pejus, il n'y a plus lieu d'envisager cette qualification juridique. Il faut s'en tenir à la diffamation.
2.4.2
L'
art. 173 ch. 2 CP
dispose que l'inculpé n'encourra aucune peine s'il prouve que les allégations qu'il a articulées ou propagées sont conformes à la vérité ou qu'il avait des raisons sérieuses de les tenir de bonne foi pour vraies.
Aux termes de l'
art. 173 ch. 3 CP
, l'inculpé ne sera pas admis à apporter ces preuves et sera punissable si ses allégations ont été articulées ou propagées sans égard à l'intérêt public ou sans autre motif suffisant, principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui, notamment lorsqu'elles ont trait à la vie privée ou à la vie de famille.
Le juge examine d'office si ces conditions sont remplies (CORBOZ, op. cit., n° 54 ad
art. 173 CP
). C'est toutefois à l'auteur du comportement attentatoire à l'honneur de décider s'il veut apporter des preuves libératoires (TRECHSEL/LIEBER, in Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, n° 27 ad
art. 173 CP
). Il s'agit en effet d'une possibilité offerte à l'accusé (CORBOZ, op. cit., n° 51 ad
art. 173 CP
; RIKLIN, op. cit., n° 10 ad
art. 173 CP
).
2.4.3
Comme les autorités précédentes l'ont retenu, le fait attentatoire à l'honneur est le soupçon lancé par le recourant que l'intimé aurait des sympathies pour l'idéologie nazie. Les preuves libératoires visées par l'
art. 173 ch. 2 CP
ne peuvent dès lors porter que sur la vérité de ce soupçon, respectivement la bonne foi du recourant à le tenir pour vrai.
Le recourant n'a jamais offert d'apporter de preuve sur ce point. En vertu de l'art. 58 al. 1 du Code de procédure pénale du canton du Valais du 22 février 1962 (CPP/VS), en vigueur jusqu'au 31 décembre 2010, lorsque le juge d'instruction estime l'enquête suffisante, il rend
BGE 137 IV 313 S. 321
une ordonnance d'inculpation d'office ou sur requête et assigne aux parties un délai dans lequel elles peuvent requérir un complément d'instruction. Dans ce délai, le recourant a certes requis la production de plusieurs pièces. Aucune d'elles ne portait toutefois sur des éléments propres à établir que le soupçon litigieux était conforme à la vérité ou que le recourant avait des raisons sérieuses de le tenir de bonne foi pour vrai. Rien dans les décisions cantonales ni même la déclaration d'appel du recourant ne permet non plus de retenir qu'il aurait offert d'apporter cette preuve. Dans son recours en matière pénale, le recourant reprend d'ailleurs les preuves libératoires qui auraient, selon lui, dû être ordonnées. Aucune d'elles ne porte sur la véracité du soupçon litigieux.
Le recourant, dès le début de l'enquête, a nié que son article ait pu être compris comme assimilant l'action politique d'Hitler à celle de l'intimé. Devant l'autorité de première instance, il a soutenu qu'il n'avait pas souhaité une telle assimilation, qualifiant l'intimé d'homme honorable. Dans le cadre de son appel, il a à nouveau réfuté que son article puisse être interprété dans ce sens. Enfin, dans son recours en matière pénale, il a réaffirmé que "jamais, ni l'article ni le photomontage ne disent ni ne laissent entendre qu'il y aurait entre l'intimé et Adolf Hitler sympathie ou parenté d'idées ni, sous réserve du type de méthodes de campagne dénoncées, parenté d'autres méthodes, notamment criminelles, dont a usé le national-socialisme".
Il résulte de ce qui précède que le recourant n'a jamais offert ni manifesté la volonté durant la procédure cantonale que des preuves libératoires relatives au soupçon litigieux soient administrées. Au contraire, il a expressément contesté l'exactitude d'un tel soupçon. Dans ces conditions, les autorités cantonales, en n'administrant pas de preuves libératoires au sens de l'
art. 173 ch. 2 CP
, n'ont pas violé cette disposition, ni l'
art. 173 ch. 3 CP
.
2.4.4
Au demeurant, la jurisprudence admet que l'auteur d'une atteinte à l'honneur se voit refuser le droit d'apporter des preuves libératoires lorsqu'il s'est exprimé sans motif suffisant
et
a agi principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui. Déterminer le dessein de l'auteur (en particulier s'il a agi pour dire du mal d'autrui) relève de l'établissement des faits. En revanche, la notion de motif suffisant est une question de droit (
ATF 132 IV 112
consid. 3.1 p. 116).
En l'occurrence, l'autorité cantonale a retenu que le recourant poursuivait le double but de choquer le parti Z., en faisant prendre
BGE 137 IV 313 S. 322
conscience à ses membres qu'une campagne d'affichage doit demeurer dans le respect de la dignité humaine, et d'atteindre l'intimé dans sa dignité d'homme, en suggérant une parenté d'idées entre lui et Hitler, ce alors qu'il savait la fausseté du soupçon qu'il diffusait.
Le recourant a ainsi agi notamment afin de dire du mal d'autrui. De plus, il ne dénonçait pas un comportement qu'il tenait pour avéré. Au contraire, il a diffusé un soupçon qu'il savait faux. Il ne s'agissait ainsi pas pour le recourant d'informer le public, mais de faire ressentir à une personne et à son parti, ce que provoquait une attaque à l'honneur, ce par le biais d'une telle attaque. Il résulte de ce qui précède que les conditions prévues par l'
art. 173 ch. 3 CP
pour le droit à la preuve ne sont pas réunies.
3.
Le recourant invoque une violation des
art. 16 et 17 Cst.
ainsi que de l'
art. 10 CEDH
.
3.1
Faute de toute motivation, les griefs de violation des
art. 16 et 17 Cst.
sont irrecevables.
3.2
Le recourant voit une violation de l'
art. 10 CEDH
pour le motif que l'autorité précédente a considéré que l'article et le photomontage étaient attentatoires à l'honneur.
3.3
A l'instar de l'
art. 16 al. 2 Cst.
, l'
art. 10 par. 1 CEDH
garantit à toute personne le droit à la liberté d'expression. Ce droit comprend la liberté d'opinion et la liberté de recevoir ou de communiquer des informations ou des idées sans qu'il puisse y avoir ingérence d'autorités publiques et sans considération de frontière. L'exercice de ces libertés comporte toutefois des devoirs et des responsabilités et peut être soumis à certaines formalités, conditions, restrictions ou sanctions prévues par la loi, qui constituent des mesures nécessaires, dans une société démocratique, notamment à la défense de l'ordre et à la protection de la morale, de la réputation ou des droits d'autrui (cf.
art. 10 par. 2 CEDH
).
3.3.1
La liberté d'expression, à l'instar des autres droits fondamentaux, n'a donc pas une valeur absolue. Une ingérence dans son exercice est conforme à l'
art. 10 CEDH
si elle est prévue par la loi, si elle poursuit un but légitime de protection de l'intérêt public, notamment de la réputation et des droits d'autrui, et si elle est proportionnée au but légitime poursuivi (arrêts de la CourEDH
RTBF contre Belgique
du 29 mars 2011 § 95;
Bergens Tidende et autres contre Norvège
du 2 mai 2000 § 33 et 48 ss). Ces critères correspondent à ceux
BGE 137 IV 313 S. 323
posés en matière de restrictions des droits fondamentaux par l'
art. 36 Cst.
, disposition qui exige que de telles restrictions reposent sur une base légale, soient justifiées par un intérêt public ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui et, selon le principe de la proportionnalité, se limitent à ce qui est nécessaire et adéquat à la réalisation des buts d'intérêt public poursuivis (
ATF 130 I 369
consid. 7.2 p. 380 et auteurs cités; également
ATF 136 IV 97
consid. 6.3.1 p. 114; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7
e
éd. 2008, n. 488 p. 146; KLEY/TOPHINKE, Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2
e
éd. 2008, n° 13 ad
art. 16 Cst.
).
3.3.2
L'article 10 par. 2 CEDH ne laisse toutefois guère de place pour des restrictions à la liberté d'expression dans le domaine du discours et du débat politique, dans lequel cette liberté revêt la plus haute importance. En outre, les limites de la critique admissible sont plus larges à l'égard d'un homme politique, visé en cette qualité, que d'un simple particulier : à la différence du second, le premier s'expose inévitablement et consciemment à un contrôle attentif de ses faits et gestes tant par les journalistes que par la masse des citoyens. Il doit, par conséquent, montrer une plus grande tolérance (arrêts de la CourEDH
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July contre France
du 22 octobre 2007 §46 et références citées;
Brasilier contre France
du 11 avril 2006 § 41; en droit suisse également, cf. supra consid. 2.1.4).
L'auteur d'un article, à l'instar de tout créateur, n'échappe toutefois pas aux possibilités de limitation que ménage l'
art. 10 par. 2 CEDH
: quiconque se prévaut de la liberté d'expression assume, selon les termes de ce paragraphe, des "devoirs et responsabilités" (cf. arrêt
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 51). En raison de ces "devoirs et responsabilités", la garantie que l'
art. 10 CEDH
offre aux journalistes en ce qui concerne les comptes rendus sur des questions d'intérêt général est subordonnée à la condition que les intéressés agissent de bonne foi de manière à fournir des informations exactes et dignes de crédit dans le respect de la déontologie journalistique (parmi beaucoup d'autres, arrêts de la CourEDH
Brunet Lecomte et Lyon Mag contre France
du 6 mai 2010 § 41;
Stoll contre Suisse
du 10 décembre 2007 § 103 et 104;
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 67;
Cumpana et Mazare contre Roumanie
du 17 décembre 2004 § 102). L'auteur doit donc s'être conformé à l'obligation ordinaire incombant aux journalistes de vérifier une déclaration factuelle. Cette obligation signifie qu'il doit s'appuyer sur une base factuelle
BGE 137 IV 313 S. 324
suffisamment précise et fiable qui pût être tenue pour proportionnée à la nature et à la force de l'allégation, sachant que plus l'allégation est sérieuse, plus la base factuelle doit être solide (arrêt de la CourEDH
Pederson et Baadsgaard contre Danemark
du 17 décembre 2004 § 78et arrêts cités). Il n'en reste pas moins que la liberté journalistique comprend aussi le recours possible à une certaine dose d'exagération, voire même de provocation (arrêts
Brunet Lecomte et Lyon Mag
§ 42;
Stoll
§ 148).
3.3.3
Dans un arrêt portant sur des propos contenus dans un roman visant notamment Jean-Marie Le Pen, ancien leader du Front national français, la Cour européenne a estimé qu'assimiler un individu, fût-il un homme politique, à un "chef de bande de tueurs", affirmer que l'assassinat perpétré par un personnage même de fiction a été "recommandé" par lui et le qualifier de "vampire qui se nourrit de l'aigreur de ses électeurs mais aussi parfois de leur sang", outrepasse les limites admises en la matière. La Cour européenne a souligné ainsi que, quelle que soit la vigueur des luttes politiques, il est légitime de vouloir leur conserver un minimum de modération et de bienséance, ce d'autant plus que la réputation d'un politicien, fût-il controversé, doit bénéficier de la protection garantie par la Convention. Elle a enfin rappelé qu'elle portait attention à la nature des termes employés, notamment à l'intention qu'ils expriment de stigmatiser l'adversaire, et au fait que leur teneur est de nature à attiser la violence et la haine, excédant ainsi ce qui est tolérable dans le débat politique, même à l'égard d'une personnalité occupant sur l'échiquier une position extrémiste (arrêt
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 57 et références citées).
3.4
Le recourant se réfère à l'arrêt de la CourEDH
Roland Dumas contre France
du 15 juillet 2010, dans lequel une violation de l'
art. 10 CEDH
a été admise. Cet arrêt repose notamment sur les faits suivants, différents de la présente cause: durant une audience judiciaire, le requérant, alors accusé, avait déclaré au procureur "vous auriez pu siéger dans les sections spéciales". Le requérant avait ensuite présenté ses excuses au procureur. Cette déclaration n'avait donné lieu à aucune réaction ni plainte de ce dernier. Le requérant, lorsqu'il l'avait réitérée deux ans plus tard dans un ouvrage, l'avait replacée dans un contexte de révolte et avait pris ses distances avec ses "propres outrances". La Cour européenne a également reconnu la légitimité pour le requérant de rédiger un livre relatant la complexité de l'affaire dans
BGE 137 IV 313 S. 325
laquelle il avait été mis en cause, en tant qu'ancien ministre français des affaires étrangères, et le retentissement médiatique du procès. Elle a de plus considéré que les écrits du requérant donnaient des informations intéressant l'opinion publique sur le fonctionnement du pouvoir judiciaire. Enfin, sur l'ouvrage entier, seul un propos a été considéré comme attentatoire à l'honneur.
Le recourant se contente de citer des passages choisis de cet arrêt et d'invoquer que ceux-ci sont "transposables, mutatis mutandis, à l'examen de la présente cause". Il n'explicite pas en quoi cet arrêt lui serait applicable malgré les circonstances d'espèce clairement différentes. Sa motivation ne répond pas aux exigences posées par l'
art. 106 al. 2 LTF
, si bien que le moyen est irrecevable.
3.5
Le recourant invoque également la jurisprudence européenne relative à la protection de l'expression satirique et l'arrêt de la CourEDH
Alves Da Silva contre Portugal
du 20 octobre 2009. Cet arrêt traitait du cas d'une personne condamnée pour diffamation pour avoir circulé durant un carnaval avec un guignol en plâtre, censé représenter le maire de la ville, accompagné d'un sac bleu, image évoquant au Portugal des sommes illicites non comptabilisées officiellement. La Cour européenne a estimé que compte tenu de la nature et des propos en cause ainsi que du contexte - les festivités du carnaval - dans lesquelles l'action du requérant avait eu lieu, l'on pouvait difficilement prendre à la lettre ses accusations (§ 28). Comme on l'a vu (cf. supra consid 2.3.2), malgré l'utilisation d'une présentation similaire aux affiches du parti Z., l'article du recourant et notamment le soupçon litigieux, compte tenu du contexte et du support utilisé, apparaissaient sérieux. La jurisprudence plus souple adoptée en matière de satire n'est donc pas applicable ici.
3.6
Le recourant a volontairement diffusé par voie de presse un soupçon grave qu'il savait infondé. Il n'a dès lors pas agi de bonne foi de manière à fournir des informations exactes et dignes de crédit dans le respect de la déontologie journalistique. Il ne doit partant pas pouvoir se prévaloir de la garantie offerte par l'
art. 10 CEDH
.
Au demeurant, la restriction apportée à la liberté d'expression du recourant repose sur une base légale suffisante et poursuit un but légitime de protection de la réputation et des droits d'autrui (cf. arrêt 6S.295/2000 du 1
er
novembre 2000 consid. 6c). Elle demeure en outre proportionnée. Même dans un débat politique, il ne peut en effet être admis de comparer un adversaire politique au plus grand
BGE 137 IV 313 S. 326
criminel du vingtième siècle. La protection de l'honneur de la personne visée doit ici l'emporter sur le droit du recourant de s'exprimer librement. | mixed |
6cfaee33-4c3d-4a06-bc06-462be152e02b | Sachverhalt
ab Seite 326
BGE 137 IV 326 S. 326
X. fuhr am 19. November 2005 mit seinem Personenwagen auf der Hauptstrasse in Y. (BL). Er musste bremsen, weil A. mit seinem
BGE 137 IV 326 S. 327
Fahrzeug vor ihm auf die Fahrbahn eingebogen war. Um diesem eine Lektion zu erteilen, überholte ihn X. und bremste sein Fahrzeug auf der Höhe eines Verzweigungsgebiets ohne verkehrsbedingten Grund und abrupt bis zum Stillstand ab. Dadurch rief er eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer hervor und zwang A. zu einem unvermittelten Anhalten. Erst nachdem X. die Verzweigung mehrere Sekunden blockiert und dadurch die Aufmerksamkeit eines Unbeteiligten erweckt hatte, setzte er seine Fahrt fort. Nach wenigen Metern hielt er abermals abrupt an, wodurch er erneut eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer hervorrief. Diesmal konnte A. sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig bis zum Stillstand abbremsen. Es kam zur Kollision.
Die kantonalen Instanzen sprachen X. für diesen Sachverhalt der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig.
(Zusammenfassung) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen mehrfacher Nötigung. Er macht geltend, die ihm zur Last gelegten lediglich kurzen Beeinträchtigungen der Willensbetätigung im Strassenverkehr würden den objektiven Tatbestand der Nötigung nicht erfüllen. Das Unrecht dieses Verhaltens (unbegründetes brüskes Bremsen) sei mit der Verurteilung nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
abgegolten.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die unangefochten gebliebene Qualifikation dieses Verhaltens als grobe Verkehrsregelverletzung.
3.2
Unter Hinweis auf die erstinstanzlichen Ausführungen erwägt die Vorinstanz, durch das mehrfache Abbremsen habe der Beschwerdeführer A. keine andere Möglichkeit gelassen, als ebenfalls zum Stillstand zu kommen. Damit habe er dessen Handlungsfreiheit eingeschränkt und ihn zu einem Handeln bestimmt, das dieser sonst nicht vorgenommen hätte. Der Beschwerdeführer habe nicht aufgrund der Verkehrssituation, sondern aus rein schikanösen Motiven gehandelt und damit überdies in grober Weise die Verkehrsregeln verletzt. Die Rechtswidrigkeit der Nötigung sei gegeben. Während
Art. 181 StGB
die freie Willensbildung und -betätigung schütze,
BGE 137 IV 326 S. 328
bezwecke das Strassenverkehrsgesetz den Schutz der Verkehrsteilnehmer. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgüter habe sich der Beschwerdeführer zudem der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln strafbar gemacht.
3.3
3.3.1
Wegen Nötigung nach
Art. 181 StGB
wird bestraft, wer jemanden durch Gewalt, Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Die Tatbestandsvariante der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" ist restriktiv auszulegen. Dieses Zwangsmittel muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die ausdrücklich genannten Nötigungsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt (
BGE 134 IV 216
E. 4.1 mit Hinweisen). Es muss ihnen in seiner Intensität bzw. Wirkung ähnlich sein (
BGE 119 IV 301
E. 2a mit Hinweis). Als Nötigung gilt z.B. die Verhinderung eines öffentlichen Vortrags durch organisiertes und mit Megafon unterstütztes "Niederschreien", ebenso die Bildung eines "Menschenteppichs" und die Sabotage einer Bahnschranke, die je den Strassenverkehr behinderten, sowie die Blockierung des Haupteingangs eines Verwaltungsgebäudes oder die Blockade des Autobahnverkehrs während eineinhalb Stunden (Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in
BGE 134 IV 216
E. 4.2 und
BGE 129 IV 6
E. 2.2 f.).
Unrechtmässig ist eine Nötigung, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist, wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (
BGE 134 IV 216
E. 4.1 mit Hinweisen).
3.3.2
Das Bundesgericht hat sich bislang nicht dazu geäussert, ob Beeinträchtigungen der freien Willensbetätigung im Strassenverkehr, namentlich bei Schikanestopps oder dem nicht verkehrsbedingten Ausbremsen nachfolgender Fahrzeuge, rechtlich als Nötigung zu qualifizieren sind. Obwohl diese Verhaltensweisen wiederholt Gegenstand kantonaler Entscheide waren, die bis an das Bundesgericht gelangten, musste es aus prozessualen Gründen weder zur rechtlichen Qualifikation dieser Fahrmanöver als Nötigung noch zur Frage des Konkurrenzverhältnisses zu SVG-Delikten Stellung nehmen (z.B.
BGE 137 IV 326 S. 329
BGE 132 I 127
; Urteile 6P.238/2006 vom 15. März 2007; 1P.326/2006 vom 5. September 2006; 6S.127/2007 vom 6. Juli 2007; 6S.43/2001 vom 19. Juni 2001; 6P.51/2001 vom 25. Juni 2001; 6S.563/1995 vom 24. November 1995; 1P.365/1995 vom 7. November 1995). Im Urteil 6B_560/2009 vom 10. September 2009 konnte das Bundesgericht die aufgeworfene Frage, ob der Tatbestand der Nötigung bei (kurzfristigen) Beeinträchtigungen im Strassenverkehr in echter Konkurrenz zur Verletzung der Verkehrsregeln erfüllt ist, offenlassen (Bemerkungen dazu in: FIOLKA/WEISSENBERGER, Rechtmässige Nötigung trotz rechtswidriger Nötigungsmittel-, forumpoenale 04/2010 S. 237 ff.).
3.3.3
Gemäss
Art. 34 Abs. 4 SVG
hat der Lenker gegenüber allen Strassenbenützern einen ausreichenden Abstand zu wahren, namentlich beim Hintereinanderfahren. Er muss auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig anhalten können (Art. 12 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, VRV; SR 741.11). Das überraschende Bremsen schliesst ein brüskes Bremsen mit ein (
BGE 131 IV 133
E. 3.1).
Für die Einhaltung des angemessenen Abstandes hat im Regelfall der Fahrer des hinteren Fahrzeugs zu sorgen (
BGE 115 IV 248
E. 3a;
BGE 81 IV 47
E. 3a und 302 E. 1; Urteil 6B_451/2010 vom 13. September 2010 E. 3.4 mit Hinweisen). Nach
Art. 37 Abs. 1 SVG
hat jedoch der Lenker, der anhalten will, nach Möglichkeit auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. Dieser Artikel erfasst nach seinem Wortlaut nur das freiwillige und voraussehbare Halten. An der Freiwilligkeit und möglichen Rücksichtnahme gebricht es, wenn ein Fahrzeuglenker wegen äusserer Umstände, bspw. verkehrsbedingt durch einen anderen Verkehrsteilnehmer, wegen eines plötzlich auf der Fahrbahn auftauchenden Hindernisses, wie ein Wirbeltier (
BGE 115 IV 248
E. 4b und 5b S. 253 mit Hinweis und S. 254), durch Verkehrsregelung (HANS GIGER, SVG - Strassenverkehrsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2008, N. 1 zu
Art. 37 SVG
) oder aus fahrzeugtechnischen Gründen sofort bremsen muss. Brüskes Bremsen und Halten sind nur gestattet, wenn kein Fahrzeug folgt und im Notfall (
Art. 12 Abs. 2 VRV
). In
BGE 117 IV 504
mit dem Regestentitel "
Art. 12 Abs. 2 VRV
; brüskes Bremsen (Schikanestop)" erwog das Bundesgericht, nebst dem grundlos scharfen oder einigermassen kräftigen Bremsen aus Böswilligkeit mit dem Zweck, den nachfolgenden Lenker zu erschrecken oder gar eine Auffahrkollision zu provozieren (
BGE 99 IV 100
), bremse auch brüsk, wer - wenn ein
BGE 137 IV 326 S. 330
anderes Fahrzeug folge - auf Autobahnen sein Fahrzeug durch Bremsen mehr als nur unwesentlich verzögere (entgegen der Darstellung von PHILIPPE WEISSENBERGER, in: Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2011, Rz. 59 zu
Art. 34 SVG
sowie Rz. 4 zu
Art. 37 SVG
qualifizierte das Bundesgericht im Urteil 6B_886/2009 vom 11. März 2010 das blosse Antippen des Bremspedals ohne Verzögerung der Geschwindigkeit nicht als brüskes Bremsen. Es hielt der Vorinstanz vielmehr vor, im Rahmen der Kostenauferlegung einer eingestellten Strafuntersuchung aufgrund der gegebenen Umstände keine rechtfertigende Notwehr des Beschwerdeführers geprüft zu haben). Ein Notfall im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 VRV
liegt immer vor, wenn wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses aus Sicherheitsgründen sofort gebremst werden muss. Erforderlich ist kein zwingender Grund, da lediglich das unnötige plötzliche Anhalten untersagt ist. Die Frage, ob das unvermittelte Bremsen unnötigerweise erfolgte, kann nicht generell, sondern nur im konkreten Fall unter Würdigung der Umstände entschieden werden (
BGE 115 IV 248
E. 4c S. 253 f. mit Hinweis). Festzuhalten ist, dass ein Schikanestopp, d.h. ein brüskes Anhalten oder Bremsen ohne einen Notfall mit dem Zweck der Schikane, wie dem Erteilen einer Lektion oder des Erziehens eines anderen Verkehrsteilnehmers, nicht zulässig ist. Eine schikanöse Vollbremsung auf der Autobahn kann eine Gefährdung des Lebens nach
Art. 129 StGB
darstellen (Urteil 6S.563/1995 vom 24. November 1995; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2002, N. 700 S. 317).
3.4
Nach den vorinstanzlichen Feststellungen bremste der Beschwerdeführer in Y. mitten auf der Fahrbahn auf der Höhe der Verzweigung H./K. sein Fahrzeug unvermittelt und ohne verkehrsbedingten Grund bis zum Stillstand ab. Um eine Kollision zu vermeiden, musste A., der Lenker des nachfolgenden Personenwagens, eine Vollbremsung vornehmen. Nur wenige Meter nachdem der Beschwerdeführer seine Fahrt fortgesetzt hatte, nahm er erneut einen solchen Schikanestopp bis zum Stillstand vor, wodurch es zur Kollision mit dem Fahrzeug von A. kam. Unabhängig vom zeitlichen Aspekt haben die Manöver des Beschwerdeführers das üblicherweise geduldete Mass ebenso eindeutig überschritten, wie es bei der Ausübung von Gewalt oder dem Androhen eines ernstlichen Nachteils der Fall ist. Die durch die schikanösen Vollbremsungen ausgelösten Zwangsituationen waren von einer solchen Intensität, dass sie die freie Willensbetätigung von A. einschränkten. Ein solcher Schikanestopp bis
BGE 137 IV 326 S. 331
zum Stillstand ist geeignet, selbst bei geringer Geschwindigkeit, bei einem durchschnittlichen Fahrzeuglenker Angst vor einem Strassenverkehrsunfall mit allfälligen Verletzungs- und Schadensfolgen hervorzurufen. Um eine Kollision zu vermeiden, war A. gezwungen, sein Fahrzeug abrupt und bis zum Stillstand abzubremsen. Damit zwang ihn der Beschwerdeführer zwei Mal zum Anhalten und beeinträchtigte dadurch seine Handlungsfreiheit (so auch BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, commentaire, 3. Aufl. 1996, N. 1.3.3 zu
Art. 37 SVG
S. 410; siehe die Beispiele bei CHRISTIAN FAVRE UND ANDERE, Code pénal annoté, 3. Aufl. 2007, N. 1.17. zu
Art. 181 StGB
S. 498 mit Hinweisen; der in der SJZ 63/1967 S. 221 f., publizierte Entscheid verneinte eine Nötigung, weil für den nachfolgenden Fahrzeuglenker kein Zwang zum Anhalten bestanden hatte, etwas undifferenzierter erwähnt in: TRECHSEL/FINGERHUTH, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 7 zu
Art. 181 StGB
; für eine zurückhaltende Anwendung von
Art. 181 StGB
in Strassenverkehrssachen: MARTINO IMPERATORI, Das Unrecht der Nötigung, 1987, S. 66 f. mit Hinweisen). Die Nötigungsmittel, d.h. die brüsken, nicht verkehrsbedingten Vollbremsungen des Beschwerdeführers, waren unrechtmässig (
Art. 37 Abs. 1 SVG
und
Art. 12 Abs. 2 VRV
), ebenso der damit verfolgte Zweck, A. eine Lektion zu erteilen. Die Nötigungen waren tatbestandsmässig und rechtswidrig. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die erforderliche Intensität für die Bejahung einer Nötigung im Falle eines schikanösen Ausbremsens, ohne dass es zum Stillstand der involvierten Fahrzeuge kommt, ebenso gegeben wäre.
3.5
3.5.1
Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, dass zwischen der Nötigung und der Verletzung von Verkehrsbestimmungen in der Regel unechte Konkurrenz besteht, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise einen anderen Strassenbenützer zu einem bestimmten Verhalten nötigt. Zur Begründung wird angeführt, er sei nur wegen der Verletzung der einschlägigen Verkehrsregel(n) zu bestrafen, da diese insbesondere der Vermeidung von Beschränkungen anderer Verkehrsteilnehmer dienen (ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III, 9. Aufl. 2008, S. 414 f. mit Hinweis auf das dem
BGE 111 IV 167
zugrunde liegende Urteil des Berner Obergerichts; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, N. 48 zu
Art. 181 StGB
). Oder es wird begründet, eine Verletzung der Verkehrsregeln werde durch die Nötigung konsumiert, wenn sie
BGE 137 IV 326 S. 332
durch eine Behinderung des Strassenverkehrs und der damit einhergehenden Gefährdung realisiert werde (CHRISTIAN FAVRE UND ANDERE, a.a.O., N. 1.14. zu
Art. 181 StGB
mit Hinweisen).
3.5.2
Andere Autoren hingegen betonen, dass
Art. 90 SVG
und
Art. 181 StGB
im Verhältnis echter Konkurrenz zueinander stehen können, da diese Bestimmungen unterschiedliche Rechtsgüter schützen (YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière, 2007, N. 104 zu
Art. 90 SVG
; BUSSY/RUSCONI, a.a.O., N. 6.3 e) zu
Art. 90 SVG
; PHILIPPE WEISSENBERGER, a.a.O., Rz. 36 zu
Art. 90 SVG
).
3.6
Vorliegend ist der zweiten Auffassung beizupflichten. Das SVG sieht keine besonderen Regeln bezüglich einer allfälligen Konkurrenz ihrer Bestimmungen mit anderen Straftatbeständen - ausser in
Art. 90 Ziff. 3 SVG
- vor. Darüber ist folglich nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden. Es ist zu prüfen, ob der Unrechtsgehalt der zu beurteilenden Handlung durch die Bestrafung bereits nach einer der zusammentreffenden Bestimmungen abgegolten wird oder nicht (
BGE 91 IV 30
E. 2).
Geschütztes Rechtsgut von
Art. 181 StGB
ist die Handlungsfreiheit bzw. die Freiheit der Willensbildung und -betätigung des Einzelnen (
BGE 129 IV 6
E. 2.1 mit Hinweisen). Geschützt ist auch die Freiheit, den Willen der automobilen Fortbewegung zu betätigen (
BGE 134 IV 216
E. 4.4.3 mit Hinweis). Beim vorliegend massgeblichen
Art. 90 Ziff. 2 SVG
handelt es sich zwar um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, indessen schützt er nicht das gleiche Rechtsgut wie die Nötigung (zum Verhältnis zwischen Verletzungs- und Gefährdungsdelikten am Beispiel von Urkunden- und Vermögensdelikten
BGE 129 IV 53
E. 3.5 f.). Mit den Verkehrsregeln soll insbesondere die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Strassen gewährleistet werden. Der Beschwerdeführer hat mit seinen Bremsmanövern zum einen die Handlungsfreiheit von A. verletzt, zum anderen abstrakt weitere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Sein Verhalten betrifft sowohl unterschiedliche Rechtsgüter als auch verschiedene Rechtsgutträger. Demgemäss verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie ihn der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig spricht, mithin echte Idealkonkurrenz annimmt. | mixed |
a5e6e105-b1a4-40c3-a844-558e367c78a7 | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 138 IV 197 S. 198
A.
Am 23. März 2011 erstattete die Y. GmbH gegen X. Strafanzeige wegen Sachbeschädigung. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft eröffnete ein Strafverfahren, stellte dieses jedoch mit Verfügung vom 11. August 2011 wieder ein. Zur Begründung führte sie aus, X. werde vorgeworfen, am 23. März 2011 um 16.15 Uhr an der A.strasse in Binningen den dort geparkten Personenwagen der Y. GmbH an der Heckklappe mit einer Plastikauszugsleine zerkratzt zu haben. Dabei sei ein Sachschaden in der Höhe von Fr. 1'142.30 (zzgl. 8 % MwSt) entstanden. Zum erwähnten Zeitpunkt sei X. von einem Spaziergang nach Hause gekommen, wobei er einen Hund an einer Plastikauszugsleine geführt habe. Er sei am Heck des Personenwagens vorbeigegangen. Auf dessen Führersitz sei ein Angestellter der Y. GmbH gesessen und habe einen Arbeitsrapport ausgefüllt. Der Angestellte habe später ausgesagt, er habe ein metallisches Geräusch wahrgenommen, jedoch nichts gesehen und sei erst rund zwei, drei Minuten später ausgestiegen. Er habe an der Hecktüre einen Schaden bemerkt, von dem er angenommen habe, er stamme von X. Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, da der Beschuldigte den Vorwurf bestreite und dieser ihm nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden könne, sei das Verfahren einzustellen. Die Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen (Ziff. 3 der Verfügung) und der beschuldigten Person sei keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten (Ziff. 4 der Verfügung).
BGE 138 IV 197 S. 199
Am 22. August 2011 erhob X. Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft und beantragte, es sei Ziff. 4 der Einstellungsverfügung aufzuheben und es sei ihm eine Entschädigung von Fr. 2'880.45 auszurichten. Mit Beschluss vom 1. November 2011 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 13. Dezember 2011 beantragt X., der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Es sei ihm für das Verfahren vor der Staatsanwaltschaft eine Entschädigung von Fr. 2'880.45 und für das Verfahren vor dem Kantonsgericht eine solche von Fr. 2'000.- auszurichten. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Das Kantonsgericht führte aus, der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf eine Entschädigung im Sinne von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
(SR 312.0). Weder erweise sich der Sachverhalt als komplex noch seien persönliche Verhältnisse ersichtlich, welche den Beizug eines Anwalts gebieten würden. Dies zeige sich auch an der geringen Schadenshöhe. Es sei davon auszugehen, dass sich eine erwachsene Person gegen den Tatvorwurf, wie er hier erhoben worden sei, in der Regel selber hinreichend zu verteidigen wisse. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, er habe zu Beginn des Verfahrens nicht einmal gewusst, was ihm konkret vorgeworfen werde, so könne dem nicht gefolgt werden. In der Einvernahme vom 29. März 2011, zu der er noch ohne anwaltliche Vertretung erschienen sei, habe er vielmehr gesagt, er wisse, weshalb er vorgeladen worden sei. Es werde ihm vorgeworfen, er habe einen Personenwagen zerkratzt.
2.2
Der Beschwerdeführer erblickt im Beschluss des Kantonsgerichts eine Verletzung von
Art. 429 Abs. 1 StPO
, von
Art. 9 und
Art. 32 Abs. 1 BV
sowie von
Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK
. Es sei jeder beschuldigten Person zuzugestehen, nach Einleitung einer Strafuntersuchung, die ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Gegenstand habe und welche nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt, sondern weitergeführt werde, einen Anwalt beizuziehen. Er sei der Sachbeschädigung, also eines Vergehens, beschuldigt worden. Zu diesem Vorwurf sei er anlässlich der ersten Einvernahme vom 29. März
BGE 138 IV 197 S. 200
2011 von der Polizei Basel-Landschaft befragt worden, jedoch nur als Auskunftsperson. Erst als die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft am 13. April 2011 die Eröffnung des Vorverfahrens verfügte, habe er sich gezwungen gesehen, einen Anwalt zu beauftragen. Nach der Eröffnung des Vorverfahrens habe am 27. April 2011 die Befragung einer Auskunftsperson und am 9. Juni 2011 erneut eine Einvernahme von ihm selber stattgefunden. Sein Anwalt habe an beiden Einvernahmen teilgenommen und vom Fragerecht Gebrauch gemacht. Erst am 11. August 2011, nach insgesamt drei Einvernahmen, sei das Verfahren gegen ihn eingestellt worden.
2.3
2.3.1
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
Anspruch auf Einschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Mandatierung eines Anwalts als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte qualifiziert werden kann.
Laut der Botschaft des Bundesrats setzt
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
die Rechtsprechung um, wonach der Staat die entsprechenden Kosten nur übernimmt, wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen oder der rechtlichen Komplexität notwendig war und wenn der Arbeitsaufwand und somit das Honorar des Anwalts gerechtfertigt waren (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Dieser Hinweis in der bundesrätlichen Botschaft ist für die Interpretation von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
insofern wenig hilfreich, als sich das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Entschädigung zum einen im Wesentlichen auf eine Willkürprüfung der Anwendung von kantonalem Strafprozessrecht beschränkte und zum andern die kantonalen Regelungen durchaus nicht identisch waren, wie sich anhand folgender Beispiele aufzeigen lässt: Nach § 43 Abs. 2 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH; LS 321) hatte ein Angeschuldigter, dem wesentliche Kosten und Umtriebe entstanden sind, Anspruch auf Entschädigung. Das Bundesgericht hielt dazu fest, die Zürcher Praxis, wonach Kosten der privaten Verteidigung in Übertretungsstrafsachen nur dann als "wesentliche Kosten und Umtriebe" im Sinne von
§ 43 Abs. 2 StPO
/ZH zu qualifizieren sind, wenn tatsächliche oder rechtliche
BGE 138 IV 197 S. 201
Schwierigkeiten den Beizug eines Anwaltes als sachlich geboten erscheinen lassen, sei nicht schlechterdings unhaltbar bzw. willkürlich (Urteil 1P.482/1996 vom 11. November 1996 E. 1c). Andere kantonale Strafprozessordnungen regelten den Anspruch auf Entschädigung in Form einer Kann-Bestimmung (so etwa das Gesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juni 1999 betreffend die Strafprozessordnung [StPO/BL; SGS 251] in § 33 Abs. 1: "Wird die angeschuldigte Person freigesprochen, wird das Verfahren eingestellt oder wird ihm keine Folge gegeben, kann ihr die mit der Beendigung des Verfahrens befasste Behörde auf Antrag eine angemessene Entschädigung für ungerechtfertigte Haft, für Anwaltskosten sowie für anderweitige Nachteile zusprechen."). Zum früheren sankt-gallischen Recht führt OBERHOLZER aus, dass ein Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten unabhängig davon gewährleistet gewesen sei, ob der Beizug eines Verteidigers im Untersuchungs- oder Gerichtsverfahren aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten notwendig war oder nicht (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, Rz. 1839).
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
, der mit Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 die kantonalen Entschädigungsregelungen ablöste, wurde in den parlamentarischen Beratungen diskussionslos angenommen (AB 2006 S 1059; AB 2007 N 1032). Insgesamt ist deshalb festzuhalten, dass die Materialien der Gesetzgebung nur in beschränktem Masse Anhaltspunkte für die Auslegung bieten. Von einer Rechtsprechung, an die eins zu eins angeknüpft werden könnte, kann nach dem Gesagten kaum die Rede sein. Immerhin geht aus der Botschaft hervor, dass nach Ansicht des Bundesrats die tatsächliche und rechtliche Komplexität des Falls eine Rolle spielen soll.
2.3.2
Eine Durchsicht der Fachliteratur ergibt folgendes Bild: KÜNG, RIKLIN und SCHMID verweisen im Wesentlichen auf die in der Botschaft dargelegte Interpretation (HANSPETER KÜNG, in: Kommentierte Textausgabe zur schweizerischen Strafprozessordnung [StPO] vom 5. Oktober 2007, Peter Goldschmied und andere [Hrsg.], 2008,
Art. 429 StPO
; FRANZ RIKLIN, Schweizerische Strafprozessordnung, 2010, N. 3 zu
Art. 429 StPO
; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, 2009, N. 7 zu
Art. 429 StPO
). GRIESSER geht ebenfalls vom Ansatz der Botschaft aus und fügt bei, nach heutigem Verständnis werde man - abgesehen von Bagatellfällen - jeder beschuldigten Person zubilligen, dass sie nach Einleitung einer
BGE 138 IV 197 S. 202
Strafuntersuchung, die Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand habe und die nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt worden sei, einen Anwalt beiziehe. Diese Grundsätze sollten zudem auch für Übertretungen gelten (jedenfalls wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren komme), wobei die Frage der Angemessenheit nach der Schwere der Anschuldigung in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu beurteilen sei (YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 4 zu
Art. 429 StPO
). Ähnlich ist die Auffassung von MIZEL und RÉTORNAZ, wonach sich die anwaltliche Vertretung bei Verbrechen und Vergehen prinzipiell und bei Übertretungen dann rechtfertigt, wenn für den Beschuldigten einiges auf dem Spiel steht (MIZEL/RÉTORNAZ, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 31 zu
Art. 429 StPO
). Nach WEHRENBERG und BERNHARD ist es ebenfalls gerechtfertigt, jedem Beschuldigten zuzugestehen, nach Einleitung einer Strafuntersuchung, die ein Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand hat und die nach einer ersten Einvernahme nicht eingestellt, sondern weitergeführt wird, einen Anwalt beizuziehen. Da es immer schwieriger und gleichzeitig immer wichtiger werde, nicht nur das Gesetz, sondern auch die Rechtsprechung dazu zu kennen und dies in der Regel einem Laien nicht zugemutet werden könne, könne von diesem auch nicht verlangt werden, sich selbst zu verteidigen. Vielmehr sei es in Nachachtung des Anspruchs auf Waffengleichheit der beschuldigten Person zu ermöglichen, einen Verteidiger beizuziehen. Ausserdem könne zu Beginn eines Verfahrens nur schwer abgeschätzt werden, ob Komplikationen entstehen werden. Für eine wirksame Verteidigung sei es zudem in der Regel wesentlich, möglichst früh im Verfahren damit beginnen zu können (WEHRENBERG/BERNHARD, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 14 zu
Art. 429 StPO
).
2.3.3
Der Anspruch aus
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
ist von der notwendigen und der amtlichen Verteidigung abzugrenzen. Ein Anspruch auf Entschädigung für Verteidigungskosten im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs gestützt auf
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
besteht nicht nur in den Fällen der notwendigen Verteidigung im Sinne von
Art. 130 StPO
. Ein Anspruch besteht auch nicht nur in den Fällen, in denen bei Mittellosigkeit der beschuldigten Person gestützt auf
Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO
eine amtliche Verteidigung hätte angeordnet werden müssen, weil dies zur Wahrung der Interessen der beschuldigten Person geboten gewesen wäre. Der
BGE 138 IV 197 S. 203
Beizug eines Wahlverteidigers kann sich mit anderen Worten als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte erweisen, auch wenn er nicht als geradezu geboten erscheint.
2.3.4
Die Botschaft weist auf zwei kumulative Voraussetzungen hin: Sowohl der Beizug eines Verteidigers als auch der von diesem betriebene Aufwand müssen sich als angemessen erweisen (BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Diese Differenzierung kommt zwar im Wortlaut von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
, wo global von "angemessener Ausübung ihrer Verfahrensrechte" die Rede ist, nicht direkt zum Ausdruck; sie steht indessen im Einklang mit der herrschenden Lehre und der Praxis zum früheren Recht. Daran ist weiterhin festzuhalten. Es ist somit nicht auszuschliessen, dass im Einzelfall schon der Beizug eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden könnte.
2.3.5
Die in der Literatur erkennbare Stossrichtung, einem Beschuldigten in der Regel den Beizug eines Anwalts zuzubilligen, jedenfalls von einer bestimmten Schwere des Deliktsvorwurfs an, erscheint sachlich gerechtfertigt. Es darf nicht vergessen werden, dass es im Rahmen von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
um die Verteidigung einer vom Staat zu Unrecht beschuldigten und gegen ihren Willen in ein Strafverfahren einbezogenen Person geht (hat die beschuldigte Person die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt, so kann die Entschädigung gemäss
Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO
trotz vermuteter Unschuld herabgesetzt oder verweigert werden). Das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht sind zudem komplex und stellen insbesondere für Personen, die das Prozessieren nicht gewohnt sind, eine Belastung und grosse Herausforderung dar. Wer sich selbst verteidigt, dürfte deshalb prinzipiell schlechter gestellt sein. Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der Schwere des Deliktsvorwurfs. Auch bei blossen Übertretungen darf deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, dass die beschuldigte Person ihre Verteidigerkosten als Ausfluss einer Art von Sozialpflichtigkeit selbst zu tragen hat. Im Übrigen sind beim Entscheid über die Angemessenheit des Beizugs eines Anwalts neben der Schwere des Tatvorwurfs und der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falls insbesondere auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu berücksichtigen.
Was die Angemessenheit des vom Anwalt betriebenen Aufwands betrifft, so wird sich dieser in aus juristischer Sicht einfachen Fällen
BGE 138 IV 197 S. 204
auf ein Minimum beschränken; allenfalls muss es gar bei einer einfachen Konsultation sein Bewenden haben. Nur in Ausnahmefällen wird bei Verbrechen und Vergehen schon der Beizug eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden können. Diesbezüglich sei auf den in der Literatur erwähnten Fall hingewiesen, wo das Verfahren bereits nach einer ersten Einvernahme eingestellt wird. Wann konkret von einem derartigen Ausnahmefall auszugehen ist, braucht indessen vorliegend nicht abschliessend erörtert zu werden.
2.3.6
Die Frage, ob der Beizug eines Verteidigers und der von diesem betriebene Aufwand eine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte darstellen, ist bundesrechtlicher Natur. Das Bundesgericht prüft deren Beantwortung und mithin die Auslegung von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
frei. Es auferlegt sich indessen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand des Verteidigers im konkreten Fall noch als angemessen zu bezeichnen ist.
2.3.7
Aus den Akten ergeben sich folgende Eckdaten: Am 29. März 2011 wurde der Beschwerdeführer von der Polizei als Auskunftsperson einvernommen. Am 13. April 2011 eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung (
Art. 144 Abs. 1 StGB
). Dabei handelt es sich um ein Vergehen (
Art. 10 Abs. 3 StGB
). Auch wenn der konkrete Vorwurf persönlich und materiell am unteren Rand der Schwelle liegt, die den Beizug eines Anwalts rechtfertigen kann, wurde das Verfahren von den Strafverfolgungsbehörden doch mit einiger Hartnäckigkeit weiterverfolgt. Mit Schreiben vom 19. April 2011 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Staatsanwaltschaft mit, von diesem mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt worden zu sein. Am 27. April 2011 wurde der Angestellte der Y. GmbH in Anwesenheit des Verteidigers des Beschwerdeführers als Auskunftsperson befragt. Am 7. Juni 2011 wurde der Beschwerdeführer erneut einvernommen, diesmal von der Staatsanwaltschaft und als beschuldigte Person. Zunächst erfolgte die Einvernahme zur Sache, bei welcher der Verteidiger des Beschwerdeführers anwesend war. Im Anschluss wurde der Beschwerdeführer noch zu seiner Person befragt, wobei der Verteidiger diesem Teil nicht mehr beiwohnte. Das Strafverfahren wurde am 11. August 2011 eingestellt.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen gebietet
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
in einer solchen Situation, dass dem
BGE 138 IV 197 S. 205
Beschwerdeführer eine Entschädigung zugesprochen wird. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe diese Bestimmung verletzt, erweist sich deshalb als begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, und es kann offenbleiben, wie es sich mit den weiteren erwähnten Rügen verhält. | mixed |
6673a461-87d6-4e7d-b236-0d8ef18f0382 | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 142 IV 45 S. 46
A.
Par ordonnance pénale du 14 janvier 2014, le Ministère public de l'arrondissement de l'Est vaudois a déclaré X. coupable d'insoumission à une décision de l'autorité, l'a condamné à une amende de 800 fr. et a mis les frais de procédure à sa charge.
Il lui était reproché d'avoir donné l'ordre à ses employés, le 14 novembre 2013, d'arracher plusieurs pieds de vigne sur une parcelle de la commune de Lutry, nonobstant l'ordonnance de mesures superprovisionnelles du 12 novembre 2013 rendue par la Présidente du Tribunal civil de l'arrondissement de l'Est vaudois ordonnant à sa société de cesser immédiatement, sous commination de la sanction prévue par l'
art. 292 CP
, tous travaux d'arrachage.
B.
X., par l'intermédiaire de son conseil, a formé opposition contre cette ordonnance.
Par ordonnance du 7 mai 2014, le Ministère public de l'arrondissement de l'Est vaudois a ordonné le classement de la procédure pénale dirigée contre X. pour insoumission à une décision de l'autorité, a rejeté sa demande d'indemnité et a laissé les frais à la charge de l'Etat.
C.
Par arrêt du 28 juillet 2014, la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé contre l'ordonnance du 7 mai 2014 par X., qui réclamait une indemnité pour ses frais d'intervention de première instance et de deuxième instance.
D.
X. forme un recours en matière pénale auprès du Tribunal fédéral contre cet arrêt. Il conclut, avec suite de frais et dépens, principalement à sa réforme en ce sens que lui sont allouées une indemnité de 1'204 fr. 20, avec intérêt à 5 % l'an dès le 7 mai 2014, pour les dépenses occasionnées par l'exercice raisonnable de ses droits de procédure de première instance et une indemnité de 1'296 fr., avec intérêt à 5 % l'an dès le 21 mai 2014, pour l'exercice raisonnable de ses droits de procédure devant l'autorité précédente. Subsidiairement, il requiert l'annulation de l'arrêt attaqué et le renvoi de la cause au Tribunal cantonal vaudois pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
La cour cantonale s'est référée à son arrêt. Le ministère public a renoncé à se déterminer et a conclu au rejet du recours. Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant se plaint d'une violation de l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
.
2.1
Selon l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
, seul ici en jeu, le prévenu acquitté totalement ou en partie ou au bénéfice d'un classement a droit à une
BGE 142 IV 45 S. 47
indemnité pour les dépenses occasionnées par l'exercice raisonnable de ses droits de procédure. L'indemnité couvre en particulier les honoraires d'avocat, à condition que le recours à celui-ci procède d'un exercice raisonnable des droits de procédure. Selon le Message du Conseil fédéral, l'Etat ne prend en charge les frais de défense que si l'assistance d'un avocat était nécessaire compte tenu de la complexité de l'affaire en fait ou en droit et que le volume de travail et donc les honoraires étaient ainsi justifiés (Message du 21 décembre 2005 relatif à l'unification du droit de la procédure pénale, FF 2006 1312 ch. 2.10.3.1).
L'allocation d'une indemnité pour frais de défense selon l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
n'est pas limitée aux cas de défense obligatoire visés par l'
art. 130 CPP
. Elle peut être accordée dans les cas où le recours à un avocat apparaît tout simplement raisonnable. Il faut garder à l'esprit que le droit pénal matériel et le droit de procédure sont complexes et représentent, pour des personnes qui ne sont pas habituées à procéder, une source de difficultés. Celui qui se défend seul est susceptible d'être moins bien loti. Cela ne dépend pas forcément de la gravité de l'infraction en cause. On ne peut pas partir du principe qu'en matière de contravention, le prévenu doit supporter en général seul ses frais de défense. Autrement dit, dans le cadre de l'examen du caractère raisonnable du recours à un avocat, il doit être tenu compte, outre de la gravité de l'infraction et de la complexité de l'affaire en fait ou en droit, de la durée de la procédure et de son impact sur la vie personnelle et professionnelle du prévenu (
ATF 138 IV 197
consid. 2.3.5 p. 203).
Déterminer si l'assistance d'un avocat procède d'un exercice raisonnable des droits de procédure et si, par conséquent, une indemnité pour frais de défense selon l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
peut être allouée au prévenu, est une question de droit fédéral que le Tribunal fédéral revoit librement. Il s'impose toutefois une certaine retenue lors de l'examen de l'évaluation faite par l'autorité précédente, particulièrement de la détermination, dans le cas concret, des dépenses qui apparaissent raisonnables (
ATF 138 IV 197
consid. 2.3.6 p. 204; arrêt 6B_387/2013 du 8 juillet 2013 consid. 2.1, non publié aux
ATF 139 IV 241
).
2.2
Le recourant fait valoir qu'il a consulté un avocat non pas en raison du fait qu'une enquête pénale avait été ouverte contre lui, mais uniquement après s'être vu notifier une condamnation, soit un jugement emportant culpabilité quant à des faits au sujet desquels il
BGE 142 IV 45 S. 48
n'avait jamais été entendu. C'était d'ailleurs à la suite de son intervention que le recourant avait été acquitté.
En l'espèce, la cause concerne une contravention. Toutefois, comme susmentionné (supra consid. 2.1), on ne peut pas partir du principe qu'en matière de contravention, le prévenu doit supporter en général seul ses frais de défense; il s'agit d'examiner la complexité de l'affaire en fait ou en droit, la durée de la procédure et de son impact sur la vie personnelle et professionnelle du prévenu. Le recourant a été condamné à 800 fr. d'amende par ordonnance pénale, sans avoir été préalablement entendu par le ministère public. L'opposition à une ordonnance pénale par le prévenu n'a certes pas à être motivée (
art. 354 al. 2 CPP
). En ce qui concerne la procédure à la suite de l'opposition, celle-ci a consisté en une audition du recourant par le ministère public, lors de laquelle le recourant a produit des documents attestant qu'il n'avait pas connaissance de l'ordonnance de mesures superprovisionnelles lorsqu'il a ordonné l'arrachage des pieds de vigne. Le recourant a été contraint d'organiser sa défense en ayant été condamné sans avoir préalablement eu la possibilité de s'exprimer. Dans une telle configuration, le recours à un avocat apparaît raisonnable. La cour cantonale a violé l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
en déniant au recourant le droit à être indemnisé. Le recours doit être admis et la cause renvoyée à cette autorité pour qu'elle accorde au recourant une indemnité fondée sur l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
et statue à nouveau sur les frais et indemnité de deuxième instance. (...) | mixed |
fe4db6b9-deb9-4c6f-8ab4-a5e739aa0704 | Sachverhalt
ab Seite 184
BGE 142 II 182 S. 184
A.
Die Eheleute A.A. und B.A. geb. C. hatten bis Mitte April 2007 ihren steuerrechtlichen Wohnsitz in U./GR, von da hinweg in V./ZG. Kurze Zeit vor dem Umzug, am 3. Januar 2007, empfing der Ehemann eine Kapitalleistung aus Vorsorge in Höhe von 649'860 Franken. Die Leistung, erbracht von der Versicherungsgesellschaft X., diente dem Ausgleich der Folgen eines Verkehrsunfalls, den A.A. erlitten hatte.
B.
A.A. und B.A. geb. C. reichten ihre Steuererklärung 2007 zunächst im Kanton Zug ein, dies am 22. August 2008. Auf Seite 7 des Mantels hatten sie unter der Rubrik "Deklaration für allfällige Sondersteuern - Kapitalleistungen aus Vorsorge" folgende Bemerkung angebracht:
"Gesamtbetrag Fr. 649'860.-, Auszahlungsdatum: 03.01.2007, Bezahlt durch: Versicherung X., infolge Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile aus einer Leistung des Arbeitgebers mit Vorsorgecharakter."
Am 29. August 2008 reichten sie sodann im Kanton Graubünden eine Steuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige ein, dies aufgrund ihres Grundeigentums in zwei bündnerischen Gemeinden. Ihrer Steuererklärung legten sie ein Exemplar der Steuererklärung des Kantons Zug bei. Der Kanton Graubünden setzte die Kantons- und Gemeindesteuer 2007 mit Veranlagungsverfügung vom 1. Oktober 2008 fest, wobei er lediglich Einkommen und Vermögen aus Grundeigentum erfasste.
C.
Der Kanton Zug setzte seinerseits die Kantons-, Gemeinde- und direkte Bundessteuer 2007 mit Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012 fest. Unter den Bemerkungen wies er die Eheleute A.-C. auf Folgendes hin:
BGE 142 II 182 S. 185
"Betr. Entschädigung aus Unfallversicherung X.: Die Auszahlung erfolgte am 03.01.2007. Zuzugsdatum in den Kanton Zug ist der 12.04.2007. Kapitalleistungen sind jedoch in dem Kanton steuerbar, in dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Fälligkeit seinen Wohnsitz hat. Aus diesem Grund wurden die entsprechenden Unterlagen zur Besteuerung weitergeleitet."
Schon zuvor, am 20. Juni 2012, hatte der Kanton Zug dem Kanton Graubünden die streitbetroffene Kapitalleistung aus Vorsorge gemeldet.
D.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2014 gab die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden den Eheleuten A.-C. Kenntnis von der Einleitung eines Nachsteuerverfahrens. Sie bezog sich auf die Meldung des Kantons Zug vom 20. Juni 2012 und stellte die Erhebung einer Jahressteuer zum Vorsorgetarif in Aussicht. Die Eheleute A.-C. erhoben am 17. Februar 2014 die Verjährungseinrede, was die Steuerverwaltung mit Schreiben vom 8. April 2014 bestritt. Sie berief sich hierzu auf die Veranlagungsverfügung des Kantons Zug vom 11. Juli 2012 und stellte sich auf den Standpunkt, die Benachrichtigung über die erfolgte Weiterleitung an den Kanton Graubünden habe die Verjährungsfrist rechtsgültig unterbrochen. Mit Datum vom selben Tag (8. April 2014) veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden die Unfallleistung als Kapitalleistung aus Vorsorge, wobei sie von steuerbarem Einkommen von 469'860 Franken (Fr. 649'860.- abzüglich Fr. 180'000.- für nicht steuerbare Anteile [Haushaltsschaden, Genugtuung und Hilfsmittel]) ausging. Dies führte zu Steuerbetreffnissen von 10'538 Franken (Kanton), 9'033 Franken (Gemeinde) und 9'887.40 Franken (Bund). Einsprache (Einspracheentscheid vom 8. Juli 2014) und Beschwerde (Beschwerdeentscheid A-14-32 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 9. Dezember 2014) der Eheleute A.-C. blieben erfolglos.
E.
Mit Eingabe vom 26. Januar 2015 erheben die Eheleute A.-C. (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, in Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. Dezember 2014 sei der Eintritt der Veranlagungsverjährung festzustellen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz, die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 142 II 182 S. 186 Erwägungen
Aus den Erwägungen:
II. Direkte Bundessteuer
2.
2.1
Unter den Verfahrensbeteiligten ist einzig umstritten, ob der Kanton Graubünden mit seiner Veranlagung im Jahr 2014 die streitbetroffene, im Jahr 2007 ausgerichtete Kapitalleistung aus Vorsorge fristgerecht veranlagt hat. Dabei gehen sie diskussionslos davon aus, dass die Steuerhoheit dem Kanton Graubünden zustehe. Ob diese Annahme bundesrechtskonform erfolgt, ist vorab von Amtes wegen zu klären (nicht publ. E. 1.4.1).
2.2
2.2.1
Das Recht bildet Grundlage und Schranke jedes staatlichen Handelns (
Art. 5 Abs. 1 BV
;
BGE 140 I 381
E. 4.4 S. 386). Im Abgaberecht ist der Gesetzmässigkeitsgrundsatz besonders streng ausgebildet (
BGE 139 II 460
E. 2.1 S. 463;
BGE 136 I 142
E. 3.1; Urteile 2C_334/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4.2, in: ASA 84 S. 252; 2C_160/2014 vom 7. Oktober 2015 E. 5.2.4, in: ASA 83 S. 301). So verlangt das abgaberechtliche Legalitätsprinzip (auf Bundesebene
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
; auf Ebene der Kantone oder Gemeinden
Art. 127 Abs. 1 BV
nebst dem jeweiligen kantonalen Verfassungsrecht;
BGE 139 II 460
E. 2.1 S. 463;
BGE 138 V 32
E. 3.1.1 S. 35) zum einen, dass der Abgabetatbestand rechtssatzmässig und formellgesetzlich gefasst ist (Erfordernis der
Normstufe bzw. Gesetzesvorbehalt
;
BGE 140 I 176
E. 5.2 S. 180; so schon
BGE 33 I 689
E. 1 S. 695 f.;
34 I 15
E. 2 insb. S. 27 f.;
36 I 497
E. 13 S. 566). Zum andern ruft es nach einer minimalen Ausgestaltung des Rechtssatzes (Erfordernis der
Normdichte bzw. Tatbestandsvorbehalt
;
BGE 141 V 688
E. 4.2.2 S. 692). Ihm zufolge sind (zumindest) die in
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
bzw. allgemein in
Art. 127 Abs. 1 BV
genannten Tatbestandselemente (Abgabesubjekt, Abgabeobjekt, Abgabebemessungsgrundlage, Abgabetarif) rechtssatzmässig zu fassen (
BGE 141 V 509
E. 7.1.1 S. 516;
BGE 138 V 32
E. 3.1.1 S. 35;
BGE 136 I 142
E. 3.1 S. 145;
BGE 136 II 337
E. 5.1 S. 348; ausführlich Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1).
2.2.2
Mit dem abgaberechtlichen Legalitätsprinzip verbindet der Verfassungsgeber die Absicht, zu verhindern, dass den rechtsanwendenden Behörden ein übermässiger Spielraum verbleibt, und sicherzustellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind (
BGE 136 II 149
E. 5.1 S. 157;
BGE 135 I 130
E. 7.2 S. 140;
BGE 131 II 271
E. 6.1 S. 278; Urteil 2C_138/2014 vom 12. Dezember
BGE 142 II 182 S. 187
2014 E. 2.2.6, in: ASA 83 S. 608, StE 2015 B 42.22 Nr. 9, StR 70/2015 S. 353). Mit Blick auf die spezifischeren abgaberechtlichen Normen (Art. 127 Abs. 1 bzw.
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
) kommt den allgemeineren Bestimmungen (
Art. 5 Abs. 1 und
Art. 36 Abs. 1 BV
) im Abgaberecht keine eigenständige Bedeutung zu (Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1, in: ASA 84 S. 721). In gleicher Weise gilt, dass im abgaberechtlichen Widerstreit zwischen Legalitätsprinzip und Vertrauensschutzprinzip (
Art. 5 Abs. 3 und
Art. 9 BV
) jenes gegenüber diesem in aller Regel vorgeht (
BGE 131 II 627
E. 6.1 S. 636 f.;
BGE 118 Ib 312
E. 3b S. 316;
BGE 101 Ia 92
E. 3 S. 99; Urteil 2C_1155/2014 vom 1. Februar 2016 E. 2.2.3, in: ASA 84 S. 719; zit. Urteil 2C_334/2014 E. 2.5.3).
2.2.3
Über den in
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
bzw.
Art. 127 Abs. 1 BV
niedergelegten Tatbestandsvorbehalt hinaus setzt die Erhebung einer öffentlich-rechtlichen Abgabe allem voran die Zuständigkeit des betreffenden Gemeinwesens voraus. Diese Eigenschaft kommt in den Begriffen "Steuerhoheit" (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 53) bzw. "Steuererhebungskompetenz" (MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 5 N. 22 ff.; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 31) zum Ausdruck. Wird eine Verwaltungsbehörde tätig, die in der Sache selbst örtlich, funktionell oder sachlich unzuständig ist, setzt sie damit einen Nichtigkeits- oder zumindest Anfechtungsgrund (
BGE 140 III 651
E. 3 S. 652;
BGE 139 II 243
E. 11.2 S. 260;
BGE 138 II 501
E. 3.1 S. 503 f.;
BGE 138 III 49
E. 4.4.3 S. 56; Urteil 2C_657/2014 vom 12. November 2014 E. 2.2).
2.2.4
Was die direkte Bundessteuer betrifft, verfügt der Bund über die zeitlich befristete (Einzel-)Ermächtigung (Art. 42 Abs. 1 i.V.m.
Art. 128 und
Art. 196 Ziff. 13 BV
), eine "direkte Steuer" (so
Art. 128 BV
) zu erheben. Diese ist aber "von den Kantonen" zu veranlagen und zu beziehen (Art. 128 Abs. 4 Satz 1 i.V.m.
Art. 46 Abs. 1 BV
;
Art. 104 ff. und
Art. 160 DBG
). Der Verfassungsgeber delegiert auf diese Weise die erforderlichen Verwaltungsbefugnisse an die Kantone (PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, § 22 N. 25). Dadurch erwächst dem betreffenden Kanton eine abgeleitete Rechtsanwendungskompetenz. Im Gegenzug stehen den Kantonen vom Rohertrag der direkten Steuer mindestens 17 Prozent zu (
Art. 128 Abs. 4 Satz 2 BV
in der Fassung vom 28. November 2004 [AS 2007 5765] sowie
Art. 196 Abs. 1 und
Art. 197 DBG
, je in der Fassung vom 6. Oktober 2006 [AS 2007
BGE 142 II 182 S. 188
5779];
BGE 141 I 161
E. 3.3 S. 165; dazu VALLENDER/SCHALTEGGER/HUWYLER/ANGELINI, Steuererträge für die Kantone ohne Mitsprache der Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürger, AJP 24/2015 S. 1511 ff., insb. 1512-1516).
2.2.5
Obwohl der Steueranspruch überwiegend dem Bund zusteht, gilt praxisgemäss (nur) der Kanton als Steuergläubiger (
BGE 141 I 161
E. 3.3 S. 165; zum Betreibungsverfahren: Urteil 5P.471/2000 vom 19. Februar 2001 E. 5; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, III. Teil [nachfolgend: Kommentar III], 2015, N. 2 der Einführung zu
Art. 160 ff. DBG
; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 9 zu
Art. 160 DBG
). Folglich nehmen die Kantone die Veranlagung "aus eigenem Recht" und nicht als "Inkassomandatare" vor (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 2 DBG
; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001, N. 1 zu
Art. 2 DBG
; eher kritisch VALLENDER/CAVELTI, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 31 zu
Art. 128 BV
).
2.2.6
Der herrschende Vollzugsföderalismus wirft die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit auf (MARC BUGNON, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 2 zu
Art. 216 DBG
; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 2 zu
Art. 216 DBG
). Hierzu bestimmt
Art. 216 Abs. 1 DBG
in der hier massgebenden Fassung vom 14. Dezember 1990 (AS 1991 1184; nachfolgend: DBG 1990):
"Die kantonalen Behörden erheben die direkte Bundessteuer von den natürlichen Personen, die am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder, wenn ein solcher in der Schweiz fehlt, ihren steuerrechtlichen Aufenthalt im Kanton haben. Vorbehalten bleiben die Art. 3 Abs. 5 und 107."
Mit dieser Formulierung bringt der Gesetzgeber den Grundsatz der
Einheit des Veranlagungsortes
zum Ausdruck (dazu LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 2 zu Art. 105 und N. 1 zu Art. 108 DBG 1990). In der Folge folgt das Gesetz dem Grundsatz der
Einheit des Bezugsortes
. Dies ergibt sich daraus, dass die direkte Bundessteuer durch jenen Kanton bezogen wird, der auch die Veranlagung vornimmt (Art. 160 DBG 1990; zum Ganzen
BGE 137 I 273
E. 3.3.1 S. 277).
2.2.7
Von der Einheit des Veranlagungsortes bestehen gemäss Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 bloss zwei Ausnahmen. Dabei handelt es sich zum einen um die Besteuerung am Heimatort gemäss Art. 3 Abs. 5 DBG 1990 (Urteil 2C_855/2014 / 2C_856/2014 vom
BGE 142 II 182 S. 189
11. September 2015, in: ASA 84 S. 339), zum andern um die "Pro-rata-temporis-Besteuerung" bei Kantonswechsel von Personen, die der Quellenbesteuerung unterliegen (
Art. 107 Abs. 1 lit. a DBG
; Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 E. 4, in: ASA 82 S. 231, StE 2013 B 83 Nr. 1, StR 68/2013 S. 817). Im Umkehrschluss sind Kapitalleistungen aus Vorsorge (
Art. 38 DBG
) einheitlich vom Kanton zu veranlagen und zu beziehen, an welchem die persönlich zugehörige steuerpflichtige Person am Ende der Steuerperiode ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt hatte (
Art. 3 Abs. 1 DBG
).
2.2.8
Die geschilderte Rechtslage hat mit der Revision vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: DBG 2013) eine Umkehr erfahren. Gemäss Art. 105 Abs. 4 DBG 2013, der am 1. Januar 2014 in Kraft trat und daher vorliegend
nicht
zum Tragen kommt, werden solche Kapitalleistungen aus Vorsorge nunmehr vom Kanton veranlagt, in welchem die begünstigte Person
im Zeitpunkt der Fälligkeit
ihren steuerrechtlichen Wohnsitz hat. Seither stimmen die Zuständigkeitsordnungen von DBG und StHG überein: Gemäss
Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG
in der Fassung vom 15. Dezember 2000 (AS 2001 1050; nachfolgend: StHG 2000) waren Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) schon seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 ist diese Bestimmung in
Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG
in der Fassung vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: StHG 2013) überführt worden.
2.2.9
Die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer nahm das Auseinanderfallen von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 schon früh zum Anlass, um eine eigenständige, vertikal harmonisierte Zuständigkeitsordnung zu schaffen. So erliess die Eidgenössische Steuerverwaltung am 9. April 2001 das Kreisschreiben Nr. 5 zur Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen (in: ASA 70 S. 143). In Ziff. 7 ("Besteuerung der Kapitalleistungen nach
Art. 38 DBG
und Wohnsitzwechsel") finden sich folgende Ausführungen:
"Laut
Art. 38 Abs. 1 DBG
sind Kapitalleistungen nach
Art. 22 DBG
(Einkünfte aus Vorsorge) sowie Zahlungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile gesondert zu besteuern und unterliegen stets einer vollen Jahressteuer. Diese Bestimmung entspricht jener in
Art. 11 Abs. 3 StHG
. Die Zuständigkeit für die Besteuerung dieser Einkünfte bei den kantonalen direkten Steuern wird gemäss
Art. 68 Abs. 1 StHG
dem Wohnsitzkanton des Begünstigten im Zeitpunkt der
BGE 142 II 182 S. 190
Fälligkeit der Kapitalleistung zugewiesen. Zum Zweck der Sicherstellung einer Koordination der Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern wird dieser Kanton auch die Veranlagung für die direkte Bundessteuer vornehmen. (...)"
Damit entfernte sich die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer offenkundig von der Vorgabe in Art. 216 Abs. 1 DBG 1990. Es stellt sich die Frage nach der Bundesrechtskonformität dieses Vorgehens.
2.3
2.3.1
Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Bundesverfassung ausgeschlossen ist (
Art. 164 Abs. 2 BV
). Die erforderliche Delegationsnorm zum Erlass einer bundesrätlichen
Rechtsverordnung
findet sich regelmässig im Gesetz (unselbständige Verordnungen mit gesetzesergänzender Funktion), ausnahmsweise unmittelbar in der Verfassung (selbständige Verordnungen mit gesetzesersetzender Funktion; jeweils
Art. 182 Abs. 1 BV
). Selbst wenn der Verfassungs- oder Gesetzgeber davon abgesehen hat, der Exekutive ausdrückliche Legislativfunktionen zu übertragen, bleibt es Sache des Bundesrats, die Gesetzgebung zu vollziehen (
Art. 182 Abs. 2 BV
). Hierzu kann er verfassungsunmittelbar die erforderlichen Rechtsverordnungen erlassen (selbständige Verordnungen mit gesetzesvollziehender Funktion; vgl.
BGE 141 II 169
E. 3.3 S. 172;
BGE 139 II 460
E. 2.1 und 2.2 S. 463 f.; Urteil 2C_423/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.3.1 mit zahlreichen Hinweisen; zur kantonalen Ebene auch
BGE 141 V 688
E. 4.2.1 S. 691 f.).
2.3.2
Im Unterschied zu den Rechtsverordnungen finden die ebenfalls generell-abstrakt ausgestalteten
Verwaltungsverordnungen
keine förmliche gesetzliche Delegation und beruhen daher auf keiner rechtssatzmässigen Grundlage (Urteil 2C_264/2014 vom 17. August 2015 E. 2.2.4, in: ASA 84 S. 324, unter Bezugnahme auf FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 103). Anders als Bundesgesetze (und Rechtsverordnungen) sind Verwaltungsverordnungen mithin für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden nicht massgebend (
BGE 141 V 175
E. 2.1 S. 178;
BGE 137 II 284
E. 5.2.2 S. 292;
BGE 137 V 181
E. 6.1 S. 187;
BGE 117 Ib 358
E. 3 S. 364;
BGE 108 Ib 19
E. 4a S. 25; zum Ganzen ausführlich zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1, in: ASA 84 S. 324). Verwaltungsverordnungen richten sich begrifflich an die mit dem Vollzug einer bestimmten öffentlichen Aufgabe betrauten Organe, somit an die Verwaltungsbehörden mit deren
BGE 142 II 182 S. 191
Verwaltungspersonal (
BGE 141 II 103
E. 3.5 S. 108,
BGE 141 II 199
E. 5.5 S. 205;
BGE 141 III 401
E. 4.2.2 S. 404 f.;
BGE 139 V 122
E. 3.3.4 S. 125; MICHAEL BEUSCH, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Kommentar, Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015, N. 8 der Ausführungen zur Auslegung). Daher sind Verwaltungsverordnungen zwar (nur) behördenverbindlich, aber auch dies nur insoweit, als ihr Inhalt nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung steht (zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1 mit Hinweis; MICHAEL BEUSCH, Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, Der Schweizer Treuhänder [ST] 79/2005 S. 613, insb. 614;
ders.
, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2000, N. 16 zu
Art. 102 DBG
).
2.3.3
Wird vor Bundesgericht ein individuell-konkreter Entscheid (
Art. 82 lit. a BGG
) angefochten, der auch oder ausschliesslich auf einer Verwaltungsverordnung beruht, kann höchstrichterlich neben der Rechtmässigkeit der massgebenden Rechtssätze auch jene der betreffenden Verwaltungsverordnung überprüft werden. Die Prüfungsbefugnis ist zwar insoweit unbeschränkt. Dennoch weicht das Bundesgericht an sich nicht von einer Verwaltungsverordnung ab, sofern deren generell-abstrakter Gehalt eine dem individuell-konkreten Fall angepasste und gerecht werdende Auslegung der massgebenden Rechtssätze zulässt, welche diese überzeugend konkretisiert (
BGE 141 V 139
E. 6.3.2 S. 146 f.,
BGE 141 V 272
E. 4.6-4.9 S. 278 f.;
BGE 138 V 475
E. 3 S. 478 ff.;
BGE 128 I 167
E. 4.3-4.5 S. 171 ff.; zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.2).
2.4
2.4.1
Der Gesetzgeber von 1990 hat im Bereich von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 von einer Delegation im Sinne von
Art. 182 Abs. 1 BV
abgesehen. Aber auch ein Vorgehen im Wege von
Art. 182 Abs. 2 BV
fällt ausser Betracht, sprengt das Abweichen vom Gesetzestext doch den Rahmen des blossen Vollzugs. Bestimmungen, welche die auszuführende Gesetzesbestimmung abändern oder aufheben, sind nicht vollziehender Natur und fallen aus dem geschilderten Kompetenzrahmen (
BGE 139 II 460
E. 2.2 S. 463). Bei der streitbetroffenen Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 handelt es sich mithin um eine (reine) Verwaltungsverordnung.
2.4.2
Die Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 schafft Übereinstimmung mit Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 und nimmt im Übrigen Art. 105 Abs. 4 DBG 2013 vorweg. In der Doktrin fand dies weitgehende Zustimmung (BUGNON, a.a.O., N. 16 zu
Art. 216 DBG
BGE 142 II 182 S. 192
1990; DIETER WEBER, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 8 zu
Art. 68 StHG
; LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 20 zu
Art. 105 DBG
; a.M. aber IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, Teil 2, IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2001 S. 222 ff., insb. 226, und CLAUDIA RIHNER BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, StR 56/2001 S. 177 ff., insb. S. 184). Die Befürworter dieser Praxis stellen Praktikabilitätsüberlegungen in den Vordergrund. Selbst wenn diese an sich gerechtfertigt sein sollten, gestattet dies freilich kein delegationsfreies Abkehren von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung.
2.4.3
Bei Art. 216 Abs. 1 Satz 1 DBG 1990 handelt es sich um eine Weichenstellung im Sinne der Einheit des Veranlagungsortes. Die bundesrechtliche Kompetenzverteilung zu Veranlagung und Bezug der direkten Bundessteuer ist ebenso abschliessender wie ausschliesslicher Natur: Für die steuerliche Erfassung ein und desselben Wirtschaftsguts (Einkommen, Vermögen, Gewinn usw.) ist ein einziger Kanton rechtszuständig. Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 sieht lediglich zwei Ausnahmen vor. Kapitalleistungen aus Vorsorge (
Art. 38 DBG
) fallen nicht darunter. Örtlich zuständig ist nach dem Recht von 1990 nicht der Fälligkeits-, sondern der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit (
Art. 3 DBG
). Er ist im Sinne eines "Pflichtrechts" ebenso verpflichtet wie berechtigt, die Veranlagung und später den Bezug vorzunehmen, ihm steht hierfür aber auch ein Anteil am Steueraufkommen zu. Für die Zwecke der direkten Bundessteuer hielt der Gesetzgeber hinsichtlich der Kapitalleistungen aus Vorsorge selbst dann noch an der Einheit des Veranlagungsortes fest, als er einen neuen
Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG
schuf. Man mag dies als Versehen deuten, jedenfalls hätte aber reichlich Zeit bestanden, die möglicherweise unbeabsichtigte Unterlassung zu beheben. Der Gesetzgeber tat dies erst mit der Revision vom 22. März 2013 (Art. 105 Abs. 4 DBG 2013). Dies ist für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (
Art. 190 BV
).
2.4.4
Was generell die Sichtweise einer steuerpflichtigen Person betrifft, so soll das abgaberechtliche Legalitätsprinzip sicherstellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind. An der Abschätzbarkeit der Steuerfolgen fehlt es aber, wenn eine
BGE 142 II 182 S. 193
andere als die gesetzmässige Behörde zur Veranlagung schreitet. Damit soll und muss die steuerpflichtige Person nicht rechnen müssen, geht es doch nicht nur um die Steuerhoheit, es sind damit auch weitere Konsequenzen - wie namentlich die Verjährungsfrage - verbunden. Dies darf ihr nicht zugemutet werden. Praktikabilitätsüberlegungen haben hinter das abgaberechtliche Legalitätsprinzip zurückzutreten.
2.4.5
Die zu prüfende Verwaltungsverordnung (Kreisschreiben Nr. 5 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 9. April 2001) erweist sich damit insoweit als bundesrechtswidrig, als deren Ziff. 7 dazu führt, dass Kapitalleistungen aus Vorsorge vom Fälligkeitskanton zu erfassen sind. Dies widerspricht Art. 216 Abs. 1 DBG 1990.
2.5
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 105 Abs. 1 BGG
; nicht publ. E. 1.4.4) befand sich der steuerrechtliche Wohnsitz des Steuerpflichtigen Ende 2007 im Kanton Zug. Dieser vertrat in seiner Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 die Auffassung, die Kapitalleistung aus Vorsorge sei vom Kanton Graubünden zu erfassen (vorne Sachverhalt lit. C). Nach dem Gesagten ist dieser Standpunkt bundesrechtswidrig. Soweit der Kanton Graubünden tätig wurde und eine Veranlagungsverfügung erliess, erweist diese sich mangels Zuständigkeit als unzulässig (vorne E. 2.2.3). Die Beschwerde ist mithin begründet und gutzuheissen.
III. Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden
3.
3.1
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (
Art. 105 Abs. 1 BGG
; nicht publ. E. 1.3.4) hat der Kanton Graubünden innert der fünfjährigen Frist (2007 bis 2012) keine Veranlagungstätigkeit entfaltet. Indes macht er geltend, der Kanton Zug habe in seiner - innert Frist ergangenen - Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 auf die Kapitalleistung ausdrücklich Bezug genommen; er habe festgestellt, die Abgabehoheit stehe dem Wegzugskanton zu und dadurch sei die Frist zur Vornahme der Veranlagung gewahrt. Es fragt sich daher, ob der Kanton Zug (bzw. allgemein: ein anderer Kanton) harmonisierungsrechtlich in der Lage ist, den Fristenlauf zugunsten des an sich zuständigen Kantons zu unterbrechen.
3.2
3.2.1
Im Unterschied zu
Art. 120 DBG
("Veranlagungsverjährung") ist
Art. 47 Abs. 1 StHG
, der dieselbe Thematik beschlägt, knapp
BGE 142 II 182 S. 194
gehalten. Praxisgemäss wird
Art. 47 StHG
daher entsprechend
Art. 120 DBG
ausgelegt, was der Verwirklichung der vertikalen Harmonisierung dient (Urteil 2C_999/2014 vom 15. Januar 2015 E. 4.3, in: ASA 83 S. 516). Übereinstimmend verjährt das Recht, die Steuer zu veranlagen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode. Mit jeder auf Feststellung oder Geltendmachung der Steuerforderung gerichteten Amtshandlung, die einer steuerpflichtigen oder mithaftenden Person zur Kenntnis gebracht wird, beginnt die Frist neu zu laufen (
Art. 120 Abs. 3 lit. a DBG
; Urteile 2C_1098/2014 / 2C_1099/2014 vom 1. Dezember 2015 E. 5.1; 2C_58/2015 / 2C_59/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 6.2, in: RDAF 2015 II S. 576). Im öffentlichen Recht ist die Verjährung von Amtes wegen zu berücksichtigen (
BGE 138 II 169
E. 3.1 und 3.2 S. 170 f.).
3.2.2
Aus der Souveränität der Kantone (
Art. 3 BV
) fliesst, dass auch im Bereich der harmonisierten Steuern einzig die örtlich und sachlich kompetente Veranlagungsbehörde eine verjährungsunterbrechende "Amtshandlung" im Sinne von
Art. 47 Abs. 1 StHG
vornehmen kann. Die Befugnis, individuell-konkrete Anordnungen zu erlassen ("Verfügungsbefugnis") ist einer von mehreren Aspekten der umfassenden Verwaltungsbefugnis, die ihrerseits auf der territorialen Zuständigkeit gründet. Die Rechts
anwendungs
befugnis steht ausschliesslich der örtlich, sachlich und funktionell zuständigen Verwaltungsbehörde zu (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 28 N. 19). Daher muss es einem Drittkanton beispielsweise auch versagt sein, Rulingauskünfte zu erteilen, welche die in einem andern Kanton vorzunehmende Veranlagung betreffen (
BGE 138 II 545
E. 2.1 S. 547).
3.2.3
In der grossen Zahl der harmonisierungsrechtlichen Veranlagungen stellt diese Kompetenzausscheidung keinerlei Schwierigkeiten, zumal sie aufgrund des interkantonalen Steuerrechts (
Art. 127 Abs. 3 BV
) langer Praxis entspricht. In der vorliegenden Konstellation ergibt sich jedoch eine Besonderheit. Gestützt auf Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) sind Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Liegt eine Wegzugskonstellation vor, bietet dies beträchtliche praktische Schwierigkeiten. Gemäss
Art. 42 Abs. 1 StHG
muss die steuerpflichtige Person zwar alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Dazu zählt fraglos auch das Einreichen der
BGE 142 II 182 S. 195
Steuererklärung, wenngleich diese Pflicht unerwähnt bleibt (MARTIN ZWEIFEL, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/ Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 17 zu
Art. 42 StHG
). Adressat der Steuererklärung ist im Fall einer Kapitalleistung aus Vorsorge freilich der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit (und nicht etwa der Fälligkeitskanton, würde dies doch eine entsprechende gesetzliche Grundlage voraussetzen). Mit andern Worten erfährt der Wegzugskanton nur "über Umwege" von der Kapitalleistung. Anders als im Fall der üblichen Anknüpfungspunkte, die eine Steuerpflicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit begründen (Geschäftsbetriebe, Betriebsstätten, Grundstücke;
Art. 4 Abs. 1 StHG
) fehlt im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge jede Anknüpfung, aufgrund deren der Fälligkeitskanton von der Kapitalleistung erfahren könnte.
3.2.4
Hauptsächliches Informationsmittel des Wegzugskantons ist daher die Benachrichtigung durch den Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit (
Art. 111 Abs. 1 DBG
bzw. hier:
Art. 39 Abs. 2 StHG
). Sie ist Ausdruck einer bereichsspezifischen bundesstaatlichen Treuepflicht unter den Kantonen (
Art. 44 Abs. 2 BV
; Urteil 2C_817/2014 vom 25. August 2015 E. 4.4.3, in: ASA 84 S. 331 zum interkantonalen Steuerrecht). Danach hat die Veranlagungsbehörde des Wohnsitz- oder des Sitzkantons den Steuerbehörden der anderen Kantone ihre Steuerveranlagung - einschliesslich der interkantonalen Steuerausscheidung und etwaiger Abweichungen gegenüber der Steuererklärung - kostenlos mitzuteilen (so namentlich Art. 2 Abs. 3 der Verordnung vom 9. März 2001 über die Anwendung des Steuerharmonisierungsgesetzes im interkantonalen Verhältnis [SR 642.141]). Wenn praxisgemäss gilt, dass dem Hauptsteuerdomizil (bzw. Zuzugskanton) "faktisch eine Führungsrolle zukommt" (
BGE 139 I 64
E. 3.6 S. 71 f.; ZWEIFEL, a.a.O., N. 29 zu
Art. 39 StHG
), so trifft dies in den Fällen von
Art. 105 Abs. 4 DBG
einerseits und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) anderseits umso stärker zu. Sobald der Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit von einer andernorts zu erfassenden Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, hat er den Fälligkeitskanton ungefragt ins Bild zu setzen, sodass dieser veranlagend tätig werden kann.
3.2.5
Aus dieser Konzeption - zwingendes Zusammenwirken von Kanton der persönlichen Zugehörigkeit und Fälligkeitskanton - folgt, dass zumindest im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge von
BGE 142 II 182 S. 196
einer "einheitlichen" Vorgehensweise auszugehen ist. Das Bundesrecht würde vereitelt, wollte man die Handlungen des Kantons der persönlichen Zugehörigkeit in dieser besonderen Konstellation nicht als Bestandteil der Veranlagungstätigkeit des Fälligkeitskantons betrachten. Da der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit unter Umständen erst spät - kurz vor Eintritt der Veranlagungsverjährung - von der Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, könnte der Steueranspruch verjähren, ohne dass der Fälligkeitskanton überhaupt etwas hätte vorkehren können. Dies ist nicht die Meinung des einheitlichen Steuerraumes Schweiz (
Art. 129 Abs. 1 BV
; dazu Urteile 2C_404/ 2013 vom 2. Mai 2014 E. 3.3.3, in: ASA 83 S. 52 und 250, RDAF 2014 II S. 513, StE 2014 A 24.43.1 Nr. 25; 2C_337/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 3.5 mit Hinweisen, in: RDAF 2013 II S. 350, StE 2013 B 42.38 Nr. 36, StR 68/2013 S. 368).
3.3
3.3.1
Die Bemerkung des Kantons Zug in den Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012, worin dieser mit Recht darauf hingewiesen hatte, dass (harmonisierungsrechtlich) die Steuerhoheit beim Kanton Graubünden liege, erfolgte im wohlverstandenen Interesse des Fälligkeitskantons. Wenn auch formell als "Unzuständigkeitserklärung" ausgestaltet, diente der Schritt materiell dazu, die Veranlagung im Kanton Graubünden überhaupt erst zu ermöglichen. Verjährungsrechtlich ist ein solches Vorgehen unter den gegebenen Umständen - Kapitalleistung aus Vorsorge im Sinne von
Art. 11 Abs. 3 StHG
- den "feststellenden" bzw. "geltendmachenden" Amtshandlungen einer zuständigen Veranlagungsbehörde im Sinne von
Art. 47 Abs. 1 StHG
gleichzusetzen.
3.3.2
Dies führt dazu, dass der Kanton Zug mit seiner "Unzuständigkeitserklärung" vom 11. Juli 2012, die an die Steuerpflichtigen gerichtet war, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen vermochte. Die Veranlagungsverfügung des Kantons Graubünden vom 8. April 2014 erfolgte damit rechtzeitig. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, weshalb sie abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen ist. Nicht entschieden werden muss, ob der Kanton Graubünden zu Recht ein "Nachsteuerverfahren" eröffnete, nicht aber ein ordentliches Veranlagungsverfahren durchführte. Im Ergebnis ist dies von keiner Bedeutung. (...) | mixed |
5500a30c-a05a-4c9b-b783-a77822e8e15e | Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 144 II 281 S. 282
A.
Am 15. Juli 2016 absolvierte B. in einem Personenwagen der A. GmbH die Führerprüfung Kategorie B. Diese wurde von einem Experten des Strassenverkehrsamts des Kantons Aargau abgenommen. Auf dem Rücksitz fuhr ein Fahrlehrer in Ausbildung mit. Während der Prüfungsfahrt kollidierte der Kandidat in Lenzburg mit einer Signaltafel; die Kollision konnte nicht verhindert werden, obwohl der Prüfungsexperte über die Doppelpedale eine Vollbremsung einleitete. Durch den Zusammenstoss entstand ein Sachschaden am Fahrzeug der A. GmbH sowie an der Signaltafel. Für Reparatur und Montage der Signaltafel stellte die Stadt Lenzburg der A. GmbH (als Halterin des Fahrzeugs) Fr. 107.75 in Rechnung. Die Reparaturkosten am Fahrzeug beliefen sich gemäss Kostenvoranschlag auf Fr. 1'839.-.
B.
Die A. GmbH erhob am 17. März 2017 beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Klage gegen den Kanton Aargau mit dem Antrag, der Kanton sei zu verpflichten, ihr Fr. 1'946.75 nebst Zins zu 5 % seit dem 21. Juli 2016 zu bezahlen. Zur Begründung brachte sie vor, das Verhalten des Prüfungsexperten sei kausal gewesen für den eingetretenen Schaden, für den der Kanton aus Staatshaftung einzustehen habe. Mit Urteil vom 30. November 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Es erwog im Wesentlichen, es sei nicht nachgewiesen, dass der Prüfungsexperte pflichtwidrig eine Handlung unterlassen habe, welche den eingetretenen Schaden abgewendet hätte.
C.
Die A. GmbH erhebt mit Eingabe vom 31. Januar 2018 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde, mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei der Kanton Aargau zu verpflichten, ihr Fr. 1'946.75 nebst Zins zu 5 % seit dem 21. Juli 2016 zu bezahlen.
BGE 144 II 281 S. 283
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau beantragt, auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen. Die A. GmbH repliziert.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend Staatshaftung. Dagegen ist (ausser in Bezug auf medizinische Tätigkeiten; vgl.
BGE 133 III 462
E. 2.1 S. 465 f.) grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (
Art. 82 lit. a und
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG
; Art. 30 Abs. 1 lit. c Ziff. 1 BGerR [SR 173.110.131]). Die Beschwerdeführerin postuliert zwar unter anderem, auf die vorliegende Konstellation die bundesprivatrechtlichen Bestimmungen des SVG anzuwenden (hinten E. 1.2 und E. 4). Insoweit würde der Kanton nach Privatrecht haften (
Art. 73 Abs. 1 SVG
) und zulässiges Rechtsmittel vor Bundesgericht wäre die Beschwerde in Zivilsachen (
Art. 72 Abs. 1 BGG
). Allerdings ist dies nur eine von mehreren Argumentationen der Beschwerdeführerin. Zudem ist unklar, ob in diesem Fall das SVG im Rahmen der kantonalrechtlichen Staatshaftung als subsidiäres kantonales Recht oder aber direkt als Bundeszivilrecht zur Anwendung käme. Schliesslich sind sowohl die Eintretensvoraussetzungen (hinten E. 1.2) als auch die Kognition (nicht publ. E. 2) bei der Beschwerde in Zivilsachen gleich wie bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
1.2
Da der Streitwert weniger als Fr. 30'000.- beträgt, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (
Art. 85 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BGG
; gleichlautend Art. 74 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. a BGG für die Beschwerde in Zivilsachen). Die Beschwerdeführerin wirft folgende Fragen auf, die ihrer Ansicht nach von grundsätzlicher Bedeutung sind:
"1. Kann die legislatorische Lücke der unbefriedigenden Haftungssituation bei Führerprüfungen aufgrund der regelmässig nicht beweisbaren Voraussetzungen einer kausalen Staatshaftung und der nicht greifenden privatrechtlichen Gefährdungshaftung gemäss Sondernormen (
Art. 3 Abs. 2 VG
i.V.m.
Art. 73 und 58 SVG
) gefüllt werden?
BGE 144 II 281 S. 284
2. Müssten Bund und Kantone bei der Erfüllung der Amtspflicht der Durchführung von Führerprüfungen mit Benützung von privaten Fahrzeugen (von Fahrschulen usw.) als Halter qualifiziert und damit der privatrechtlichen Gefährdungshaftung gemäss Art. 73 i.V.m.
Art. 58 SVG
unterstellt werden?"
Die Beschwerdeführerin bringt vor, es bestehe ein allgemeines Interesse an einer Klärung der nicht gelösten Frage nach der Haftung bei Unfällen anlässlich von Führerprüfungen. Der Beschwerdegegner bestreitet das Vorliegen einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung mit der Begründung, es könne nicht von einer Lücke ausgegangen werden; die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die Haltereigenschaft in der Prüfungssituation auf den Staat übertragen werden soll, überzeuge nicht. Diese Begründung richtet sich aber materiell gegen die Argumentation der Beschwerdeführerin. Ungeachtet der materiellen Begründetheit dieser Argumentation ist die Frage der Haftung für Schäden während Prüfungsfahrten durchaus von grundsätzlicher Bedeutung. Auch dürften ähnliche Situationen wie im vorliegenden Fall wiederholt vorkommen, da gerichtsnotorisch für die praktische Führerprüfung in der Regel private Fahrzeuge verwendet werden, meistens diejenigen der Fahrschulen. Kommt die Staatshaftung nicht zum Tragen, muss der Schaden von den Fahrschulen (bzw. deren Versicherungen) übernommen werden. Die Frage, ob eine andere Haftungsgrundlage besteht, welche vermehrt zum Ersatz dieser Schäden führt, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher zulässig. Die Beschwerdeführerin als Halterin des beschädigten Fahrzeugs ist dazu legitimiert (
Art. 89 Abs. 1 BGG
). Auf die frist- und formgerecht eingereichte (
Art. 42 und
Art. 100 BGG
) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.
1.3
Ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, und wird diese Frage auch nur bezüglich einer der gestellten Fragen bejaht, tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde ein und prüft diese alsdann nach Massgabe der Artikel 95 ff. und 105 ff. BGG umfassend, nicht nur in Bezug auf diejenigen Fragen, die von grundlegender Bedeutung sind (
BGE 141 II 14
E. 1.2.2.4 S. 22 f.).
(...)
3.
3.1
Die Vorinstanz hat erwogen, aufgrund von § 75 der aargauischen Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980 (KV/AG; SR 131.227) und
BGE 144 II 281 S. 285
dem aargauischen Haftungsgesetz vom 24. März 2009 (HG/AG; SAR 150.200) hafte der Kanton für widerrechtlich und kausal zugefügten Schaden in Erfüllung öffentlicher Aufgaben, wozu auch die Tätigkeit des Experten während der Prüfungsfahrt gehöre. Der geltend gemachte Schaden sei nicht bestritten. Da die Haftung mit einer Unterlassung des Experten begründet werde, setze sie eine Garantenstellung voraus. Eine solche ergebe sich aus
Art. 15 Abs. 2 SVG
. Weitere Haftungsvoraussetzung sei die adäquate Kausalität zwischen Ursache und Schaden; bei einer Unterlassung genüge es, dass mit der gebotenen Handlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der entstandene Schaden hätte vermieden werden können. Anschliessend kam die Vorinstanz beweiswürdigend zum Ergebnis, der Experte hätte bei gebotener Sorgfalt den Schaden nicht vermeiden können: Der Prüfungskandidat sei zunächst nach links ausgeschwenkt, um die Signaltafel umfahren zu können, habe aber dann unvermittelt das Fahrzeug auf die rechte Fahrbahnhälfte gesteuert, um eine Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zu vermeiden, und sei deshalb mit der Signaltafel kollidiert. Die Distanz zur Signaltafel sei zu gering gewesen, um den Wagen davor noch zum Stehen zu bringen. Auch sei nicht nachgewiesen, dass der Experte vor dem Ausschwenken nach links das Manöver hätte abbrechen müssen. Der Experte habe daher nicht pflichtwidrig eine Handlung unterlassen, welche den Schaden abgewendet hätte.
3.2
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von
Art. 15 Abs. 2 und
Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG
sowie von
Art. 9 und
Art. 41a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11)
. Der Experte habe diese Bestimmungen verletzt, was die Vorinstanz ausser Acht gelassen habe. Sodann rügt die Beschwerdeführerin eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung: Der Unfall hätte vermieden werden müssen, indem der Experte bereits vor dem Ausschwenken nach links das Manöver abgebrochen hätte.
3.3
Gemäss
§ 75 Abs. 1 KV/AG
haften der Kanton und die Gemeinden für den Schaden, den ihre Behörden, Beamten und übrigen Mitarbeitenden in Ausübung der amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich verursachen. Sie haften auch für rechtmässig verursachte Schäden, wenn Einzelne davon schwer betroffen sind und ihnen nicht zugemutet werden kann, den Schaden selbst zu tragen. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen und regelt die Geltendmachung des Haftungsanspruchs. Das Bundesgericht hat diese Bestimmung als unmittelbar anwendbar betrachtet (Urteil 4C.77/1991 vom 25. Oktober 1994
BGE 144 II 281 S. 286
E. 1b, nicht publ. in:
BGE 120 Ib 411
; vgl. auch Urteile 1P.266/2004 vom 7. September 2004 E. 4.3; 2P.351/1996 vom 26. Februar 1998 E. 2b), ohne sie allerdings ausdrücklich als kantonales verfassungsmässiges Recht im Sinne von
Art. 95 lit. c BGG
zu bezeichnen (zu diesem Begriff s.
BGE 137 I 77
E. 1.3.1 S. 79 f.;
BGE 136 I 241
E. 2.2 und 2.3;
BGE 131 I 366
E. 2). Die Beschwerdeführerin rügt keine Verletzung dieser Bestimmung. Die Anwendung des einfachgesetzlichen kantonalen Staatshaftungsrechts wird vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft (
BGE 139 III 252
E. 1.4 S. 253 f.;
BGE 133 III 462
E. 4.4.1 S. 470).
3.4
Nach
Art. 15 Abs. 2 SVG
sorgt der Begleiter dafür, dass die Lernfahrt gefahrlos durchgeführt wird und der Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt. Nach
Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG
ist Überholen und Vorbeifahren an Hindernissen nur gestattet, wenn der nötige Raum übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Der Fahrzeugführer hat dem Gegenverkehr den Vortritt zu lassen, wenn das Kreuzen durch ein Hindernis auf seiner Fahrbahnhälfte erschwert wird (
Art. 9 Abs. 1 VRV
). Auf Nebenstrassen in Wohnquartieren oder auf Nebenstrassen, wo der Fahrzeugverkehr nur beschränkt zugelassen ist, haben die Fahrzeugführer besonders vorsichtig und rücksichtsvoll zu fahren (
Art. 41a VRV
).
3.5
Wie dargelegt, prüft das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Staatshaftungsrechts nur auf Willkür hin (E. 3.3). Die Frage, ob in diesem Rahmen nicht nur die Haftungsbestimmungen als solche, sondern auch bundesrechtliche Bestimmungen, welche ein bestimmtes Verhalten als widerrechtlich bezeichnen, nur auf Willkür hin überprüft werden können, kann vorliegend offenbleiben: Denn die Vorinstanz hat die genannten Normen in Wirklichkeit nicht anders ausgelegt als die Beschwerdeführerin: Auch sie geht davon aus, dass den Prüfungsexperten aufgrund von
Art. 15 Abs. 2 SVG
eine Garantenstellung trifft und dass das Signal gemäss
Art. 35 Abs. 2 SVG
und
Art. 9 VRV
nur umfahren werden durfte, wenn das entgegenkommende Fahrzeug nicht behindert wurde.
3.6
Die Abweisung der Klage stützt sich auf die Würdigung des Sachverhalts:
3.6.1
Die Vorinstanz geht davon aus, es sei nicht nachgewiesen, dass der Experte vor dem Passieren des Hindernisses hätte eingreifen müssen; es lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob das entgegenkommende Fahrzeug behindert worden wäre. Nach dem erneuten Schwenker
BGE 144 II 281 S. 287
nach rechts sei eine rechtzeitige Bremsung des Fahrzeugs nicht mehr möglich gewesen. Diese letztere Feststellung wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Hingegen macht sie in Bezug auf die erste Phase des Manövers eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung geltend: Gemäss Aussagen des Kandidaten und des mitfahrenden Fahrzeuglehrers in Ausbildung habe die Distanz zum entgegenkommenden Auto nur 20 Meter betragen, nicht 100 Meter, wie die Vorinstanz angenommen habe. Die Fahrzeuge wären somit nach spätestens 2 Sekunden kollidiert. Der Experte hätte in dieser Situation bereits vor dem Ausweichen nach links abbremsen oder den Kandidaten auffordern müssen, zu warten, was auch aus den Aussagen des mitfahrenden Fahrlehrers in Ausbildung hervorgehe. Es gehe nicht an, dessen Aussage nur deshalb geringer zu würdigen, weil dieser mit dem Prüfungskandidaten angeblich bekannt sei.
3.6.2
Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (
BGE 140 III 16
E. 2.1 S. 18 f.;
BGE 129 I 8
E. 2.1 S. 9; je mit Hinweisen). Die Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen hat oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (
BGE 137 III 226
E. 4.2 S. 234 mit Hinweisen). Allein dass die vom Gericht gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt noch keine Willkür (
BGE 140 III 264
E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen).
3.6.3
Die Vorinstanz hat sich mit den sich teilweise widersprechenden Aussagen der Beteiligten auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Sie hat die Aussage des mitfahrenden Fahrlehrers in Ausbildung nicht nur wegen dessen Bekanntschaft mit dem Prüfungskandidaten geringer gewichtet als diejenige des Experten, sondern auch wegen gewisser Widersprüchlichkeiten und Relativierungen in den Aussagen. Zu beachten ist sodann, dass die Vorinstanz es nicht etwa als erwiesen erachtete, dass eine Kreuzung mit dem anderen Fahrzeug möglich gewesen wäre. Vielmehr räumt sie ein, es gebe Anhaltspunkte, dass
BGE 144 II 281 S. 288
der Prüfungsexperte das Manöver zu Beginn hätte abbrechen sollen; ein Beweis dafür, dass er sich pflichtwidrig verhalten habe, sei aber nicht erbracht. Die Vorinstanz geht also im Ergebnis von einer Situation der Beweislosigkeit aus. Jedenfalls insoweit kann die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht als unhaltbar bzw. willkürlich bezeichnet werden.
3.7
Bei dieser sachverhaltlichen Situation ist die Folgerung der Vorinstanz, eine Verletzung der Garantenpflicht sei nicht erwiesen, weshalb der Kanton nicht nach dem HG/AG hafte, nicht willkürlich.
4.
Die Beschwerdeführerin macht vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses geltend, bei der kantonalen Staatshaftung stelle sich die stets wiederkehrende Problematik der Beweislage. Die amtliche Tätigkeit des Prüfungsexperten sei in der Regel nicht überprüfbar, weil normalerweise keine neutrale Drittperson an der Prüfung teilnehme, so dass die Staatshaftung nicht greife. Dadurch müssten die Fahrschulen die entstandenen Schäden regelmässig selber tragen. Es müsste im Rahmen der Konstellation bei Führerprüfungen analog zu
Art. 71 SVG
eine Erweiterung des Halterbegriffs (
Art. 58 SVG
) auf den Staat vorgenommen werden, weil sonst der Staat von jeglicher Haftung befreit und der Schaden den Fahrschulen zugerechnet werde.
4.1
Nach
Art. 61 Abs. 1 OR
können die Kantone über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, auf dem Wege der Gesetzgebung "abweichende Bestimmungen" aufstellen. Diese Befugnis bezieht sich nur auf Haftpflichtbestimmungen des OR selber (auch hier mit Ausnahmen, namentlich in Bezug auf die Tierhalter- und Werkeigentümerhaftung,
Art. 56 und
Art. 58 OR
;
BGE 116 II 645
E. 3a S. 648;
BGE 115 II 237
E. 2 S. 241 ff.;
BGE 112 II 228
E. 2b S. 230 f.;
BGE 108 II 184
E. 1a S. 185); besteht hingegen eine bundesrechtliche Haftungsnorm in einem Spezialgesetz, welches auch für die öffentlichen Gemeinwesen gilt, so geht diese bundesrechtliche Norm vor und die Kantone können davon nicht abweichen (
Art. 49 BV
; Urteil 4A_397/2012 vom 11. Januar 2013 E. 2.1; FELIX UHLMANN, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, 2017, S. 17 Rz. 32). Insbesondere unterstehen die Kantone als Halter von Motorfahrzeugen den Haftpflichtbestimmungen des SVG (
Art. 73 Abs. 1 SVG
). Würde der Kanton in der hier vorliegenden Konstellation (kantonaler Prüfungsexperte unternimmt mit einem Kandidaten eine Prüfungsfahrt) nach SVG haften, so wären abweichende kantonale Staatshaftungsnormen nicht anwendbar.
BGE 144 II 281 S. 289
4.2
Nach
Art. 58 Abs. 1 SVG
haftet der Halter eines Motorfahrzeuges, wenn durch dessen Betrieb ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht wird. Aktivlegitimierter Geschädigter kann auch der vom Halter verschiedene Lenker des Fahrzeugs sein (
BGE 129 III 102
E. 2 S. 103 ff.;
BGE 117 II 609
), ebenso der vom Halter verschiedene Eigentümer des Fahrzeugs (materieller Halterbegriff, vgl. ebenda). Nach
Art. 59 SVG
wird allerdings in bestimmten Fällen die Haftung nach
Art. 58 SVG
ermässigt oder ausgeschlossen. Insbesondere bestimmt sich gemäss
Art. 59 Abs. 4 lit. a SVG
die Haftung im - in der Regel vertragsrechtlichen - Verhältnis zwischen dem Halter und dem Eigentümer eines Fahrzeuges für Schaden an diesem Fahrzeug nach dem Obligationenrecht, mithin nicht nach
Art. 58 SVG
. Selbst wenn also der Kanton in der vorliegenden Konstellation als Halter des Fahrzeugs zu betrachten wäre, käme somit für den Schaden am Fahrzeug eine Haftung nach
Art. 58 SVG
nicht in Frage.
4.3
Hingegen würde der Kanton für den Schaden am Strassensignal haften, wenn er als Halter des Fahrzeugs zu qualifizieren wäre.
4.3.1
Der Begriff des Halters ist im SVG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung gilt als Halter nicht der Eigentümer des Fahrzeugs oder wer formell im Fahrzeugausweis eingetragen ist, sondern derjenige, auf dessen eigene Rechnung und Gefahr der Betrieb des Fahrzeugs erfolgt und der zugleich über dieses und allenfalls über die zum Betrieb erforderlichen Personen die tatsächliche, unmittelbare Verfügung besitzt (
BGE 129 III 102
E. 2.1 S. 103 f.;
BGE 117 II 609
E. 3b S. 612 f.). Nach dem Interessen- oder Utilitätsprinzip soll die kausale Haftung aus einer Gefährdung insbesondere tragen, wer den besonderen, unmittelbaren Nutzen aus dem gefährlichen Betrieb hat. Dies muss nicht stets diejenige Person sein, welche unmittelbar über das Fahrzeug verfügt, da durchaus denkbar ist, dass sie Fahrten ausschliesslich im Interesse eines bestimmten Dritten ausführt, der insofern über die Nutzung des Fahrzeugs mit Chauffeur bestimmt. Wenn ein Dritter auf die (unmittelbare) Nutzung seines Fahrzeugs verzichtet und nur die Kosten übernimmt, so kann daraus aber ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände nicht geschlossen werden, er sei aus diesem Grunde an der Nutzung des Fahrzeugs selbst ausschliesslich oder wenigstens so überwiegend interessiert, dass ihm die Verfügungsgewalt über die Sache zustände. Im Gegenteil ist regelmässig am Betrieb des Fahrzeugs am meisten interessiert, wer darüber unmittelbar verfügt und es jederzeit nach eigenen Bedürfnissen und zu eigenem Nutzen betreiben kann. Allein eine auf irgendwelchen Gründen
BGE 144 II 281 S. 290
beruhende Übernahme der Kosten vermag jedenfalls die Haftung für das besondere Betriebsrisiko nicht zu begründen. Den Halterbegriff kennzeichnet vielmehr sowohl die Verfügungsgewalt über die Sache als auch die Nutzniessung aus der Sache im Zeitpunkt der Schädigung (
BGE 129 III 102
E. 2.2 S. 104 f.). Auf die unmittelbare Nutzung und freie Verfügung über das Motorfahrzeug ist insbesondere abzustellen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Geschäftsauto überlässt und für dessen Kosten ganz oder überwiegend aufkommt. Steht das Fahrzeug dem Arbeitnehmer nicht bloss zu geschäftlichen Zwecken zur Verfügung und kann er damit nicht bloss gelegentlich private Fahrten ausführen, sondern während mehrerer Monate im Wesentlichen frei über die Verwendung entscheiden, so wird er zum Halter, selbst wenn er das Auto vorwiegend mit Rücksicht auf die geschäftlichen Bedürfnisse seines Arbeitgebers einsetzt (
BGE 129 III 102
E. 2.3 S. 105 f.). Hingegen ist jemand, dem ein Fahrzeug freiwillig nur zum gelegentlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt wird, ohne dass er Betriebskosten zu tragen hätte, nicht Halter (
BGE 129 III 410
E. 4 S. 414;
BGE 117 II 609
E. 3 S. 612;
BGE 101 II 133
E. 3 S. 136).
4.3.2
In der hier vorliegenden Konstellation wird das Fahrzeug dem Kanton nicht während einer längeren Zeit zur freien Verfügung gestellt, sondern nur zum Zweck, dass der Prüfungsexperte als Begleitperson des Kandidaten die praktische Führerprüfung abnimmt (
Art. 15b Abs. 1 lit. b SVG
;
Art. 27 Abs. 2 VRV
; Art. 22 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV; SR 741.51]), die für die Kategorie B mindestens 60 Minuten dauert (Anhang 12 Ziff. IV VZV). Auch während dieser sehr begrenzten Zeit wird das Fahrzeug dem Kanton nicht zwangsweise zur Durchführung staatlicher Aufgaben zur Verfügung gestellt, wie etwa im Falle der Requisition, wodurch der Staat zum Halter würde (
BGE 129 III 410
E. 4 S. 414). Es gibt keine Vorschrift, wonach der Kanton verpflichtet wäre, für die Durchführung der Prüfung kantonseigene Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil ist es Sache des Prüfungskandidaten, das für die Prüfung erforderliche Fahrzeug mitzubringen. Auch die Fahrschule ist nicht gesetzlich verpflichtet, ihr Fahrzeug für die Prüfung zur Verfügung zu stellen. Wenn sie dies tut, so handelt sie aufgrund ihres vertraglichen Verhältnisses zum Kandidaten und in ihrem kommerziellen Interesse. Der Betrieb des Fahrzeugs während der Prüfung erfolgt nicht auf Rechnung und Gefahr oder zum Nutzen des Kantons, sondern zum Nutzen des Prüfungskandidaten oder der Fahrschule.
BGE 144 II 281 S. 291
Wohl hat der Prüfungsexperte als Begleitperson des Kandidaten dafür zu sorgen, dass die Fahrt gefahrlos durchgeführt wird und der Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt (
Art. 15 Abs. 2 SVG
). Es trifft zu, dass die Fahrschule während der Prüfung keinen direkten Einfluss auf den Betrieb des Fahrzeugs bzw. auf das Verhalten von Kandidat oder Experten nehmen kann. Dasselbe gilt aber in allen Fällen, in denen der Halter vorübergehend das Fahrzeug einem Dritten zur Verfügung stellt, ohne dass dieser dadurch zum Halter würde (vorne E. 4.3.1 in fine).
4.3.3
Im Lichte der dargelegten Rechtsprechung kann der Kanton somit in der hier vorliegenden Konstellation nicht als Halter im Sinne von
Art. 58 SVG
betrachtet werden.
4.4
Eine Sonderregelung enthält
Art. 71 Abs. 1 SVG
: Der Unternehmer im Motorfahrzeuggewerbe haftet wie ein Halter für den Schaden, der durch ein Motorfahrzeug verursacht wird, das ihm zur Aufbewahrung, Reparatur, Wartung, zum Umbau oder zu ähnlichen Zwecken übergeben wurde. Der Halter und sein Haftpflichtversicherer haften nicht. Diese Bestimmung ist weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck auf den Kanton in der Prüfungssituation anwendbar: Weder ist der Kanton Unternehmer im Motorfahrzeuggewerbe, noch wird ihm das Fahrzeug zur Aufbewahrung, Reparatur, Wartung, zum Umbau oder zu ähnlichen Zwecken übergeben, sondern er benützt es bloss, um den Prüfungskandidaten während der praktischen Prüfung zu begleiten. Die Regelung von
Art. 71 SVG
steht in Zusammenhang mit der Möglichkeit, Kollektiv-Fahrzeugausweise zu erteilen (Art. 22 ff. der Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 [VVV; SR 741.31]), was wiederum durch die Notwendigkeit bedingt ist, ungeprüfte Fahrzeuge zu führen (vgl.
BGE 120 Ib 317
E. 5b S. 322;
BGE 109 Ib 43
E. 1 S. 44 ff.), weshalb eine besondere Haftpflichtversicherung abzuschliessen ist (
Art. 71 Abs. 2 SVG
;
Art. 23 Abs. 1 lit. c VVV
). Alle diese Überlegungen treffen auf den Kanton in der Prüfungssituation nicht zu, so dass
Art. 71 SVG
nicht zum Tragen kommt.
4.5
Ist somit der Kanton weder als Halter im Sinne von
Art. 58 SVG
noch als Unternehmer im Sinne von
Art. 71 SVG
haftbar, so fragt sich höchstens, ob das SVG eine richterlich auszufüllende Lücke aufweist.
4.5.1
Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt oder eine Antwort gibt, die aber als
BGE 144 II 281 S. 292
sachlich unhaltbar angesehen werden muss. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke liegt vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende, zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm grundsätzlich verwehrt (
BGE 143 IV 49
E. 1.4.2 S. 54 f.;
BGE 141 V 481
E. 3.1 S. 485;
BGE 139 II 404
E. 4.2 S. 417;
BGE 138 II 1
E. 4.2 S. 3 f.;
BGE 136 III 96
E. 3.3 S. 99 f.;
BGE 135 III 385
E. 2.1 S. 386;
BGE 135 V 279
E. 5.1 S. 284).
4.5.2
Sieht das Gesetz in einer bestimmten Situation keine Haftung vor, besteht keine offene Rechtsfrage, die richterrechtlich beantwortet werden müsste; vielmehr besteht die vom Gesetz gegebene Antwort darin, dass niemand haftet. Fragen kann sich höchstens, ob die gesetzliche Regelung in einem derartigen Ausmass als sachlich unhaltbar erscheint, dass sich eine richterliche Korrektur aufdrängt (vgl.
BGE 130 V 39
E. 4.3 S. 45 ff.;
BGE 128 I 34
E. 3b und 3d S. 40 ff.). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn die gesetzliche Antwort überraschend oder ungewöhnlich ist oder von einer ähnlichen Lösung in analogen Situationen abweicht (
BGE 139 II 404
E. 4.3 S. 417 f.;
BGE 139 I 57
E. 6 S. 61 ff.). Nach dem Grundsatz "casum sentit dominus" trägt der Eigentümer grundsätzlich die Schäden an seiner Sache (
BGE 128 III 370
E. 4b S. 372). Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass für jeden eingetretenen Schaden irgend jemand haften muss. Vorbehältlich verfassungsunmittelbarer Entschädigungsansprüche bedarf insbesondere auch die Entschädigungspflicht des Staates für Schäden einer gesetzlichen Grundlage (
Art. 5 Abs. 1 BV
;
BGE 118 Ib 241
E. 5d S. 250; Urteile 2C_960/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 3.5.2; 1P.457/1996 vom 26. November 1996 E. 2; 4C.309/1995 vom 12. November 1996 E. 3; 2P.101/1994 vom 5. Mai 1995 E. 3b; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, S. 582 f.). Dass in einer bestimmten Situation ein eingetretener Schaden nicht ersetzt wird, kann nicht als rechtsstaatlich unhaltbar bezeichnet werden. Das gilt auch für die vorliegende Konstellation. Zudem hat die Vorinstanz eine Haftung des Staates nicht
BGE 144 II 281 S. 293
generell ausgeschlossen, sondern lediglich im konkreten Fall aufgrund einer Sachverhaltswürdigung verneint. Sodann ist der Schaden, den das Fahrzeug Dritten zufügt, durch die obligatorische Motorfahrzeughaftpflichtversicherung (
Art. 63 SVG
) gedeckt. Der Schaden am Fahrzeug selber würde auch bei einer Unterstellung unter
Art. 58 SVG
nicht entschädigt (vorne E. 4.2).
4.5.3
Es besteht folglich kein Anlass, in der hier vorliegenden Konstellation auf dem Wege der Lückenfüllung eine Haftung des Kantons anzunehmen. | mixed |
90adc11d-f13e-419d-ab1d-dfd3d2783a72 | Sachverhalt
ab Seite 189
BGE 134 III 188 S. 189
A.
Die Hilti Aktiengesellschaft, Schaan/FL (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist Inhaberin der schweizerischen Farbmarke Rot (RAL 3020) CH 540 979 für Werkzeugkoffer aus Kunststoff für Bohrhämmer für Profis der Baubranche (internationale Klasse 20), die sie als durchgesetzte Marke beansprucht. Ausserdem hält sie die internationale dreidimensionale Marke IR 805 947 (3D) mit dem Farbanspruch rot (RAL 3020) für Metallkoffer (containers of metal for storage and transport/Conteneurs métalliques de stockage et de transport) für Handwerkzeug der Klassen 6, 7 und 20. Sie reichte am 2. September 2005 beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage ein gegen die Milwaukee Electric Tool Corporation, Delaware/USA (Beklagte, Beschwerdegegnerin) mit den Begehren, der Beklagten sei zu verbieten, in der Schweiz Bohrhämmer zusammen mit Koffern mit einem unifarben in RAL 3020 gehaltenen Korpus selber oder durch Dritte Profis der Baubranche anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder solche Koffer zu bewerben. Die Beklagte erhob Widerklage mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass die schweizerische Schutzausdehnung der internationalen Marke IR 805 947 für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen nichtig ist.
B.
Am 1. Oktober 2007 erliess der Vizepräsident des Handelsgerichts des Kantons Bern folgenden Beschluss:
"1. Als relevante Verkehrskreise werden die Käufer und potentiellen Käufer von Bohrhämmern festgelegt.
2. Es werden zwei Umfragen, eine betreffend die Marke Rot für Koffer für Bohrhämmer für Profis sowie eine für die Marke 'roter Koffer 3D', in der Schweiz bei den relevanten Verkehrskreisen durchgeführt."
Zur Begründung von Ziffer 1 führte das Gericht aus, es sei für die Beurteilung der massgeblichen Verkehrskreise nicht einfach auf die Einschränkung in der Eintragung abzustellen, sondern diese seien danach zu umschreiben, welche Käufer oder Kunden die "objektiviert normativ" definierten Produkte abnähmen. Selbst wenn die Klägerin
BGE 134 III 188 S. 190
ihre Werkzeuge und damit auch die Koffer für Bohrhämmer über andere Verkaufskanäle vertreibe, sei nicht ausgeschlossen, dass die Werkzeuge auch durch Hobby-Handwerker erworben würden. Es müsse darauf abgestellt werden, wie die Bohrhämmer insgesamt verkauft würden und entsprechend sei der massgebliche Adressatenkreis zu definieren. Zu Ziffer 2 legte das Gericht dar, eine Umfrage sei notwendig zur Beantwortung der Frage der Verkehrsdurchsetzung, wobei zwei Umfragen durchzuführen seien, da eine Beeinflussung nicht ausgeschlossen werden könne, wenn in einer einzigen Umfrage die Durchsetzung des roten Koffers wie auch der abstrakten Frage der Farbe Rot für Koffer erhoben würde.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 1. November 2007 stellt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht das Rechtsbegehren, Ziffer 1 des Beschlusses des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 1. Oktober 2007 sei aufzuheben und es seien als relevanter Verkehrskreis Personen in Bauunternehmen (vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau, Bauinstallation, Ausbau- und Bauhilfsgewerbe) festzulegen, welche für die gewerbliche Anwendung geeignete Bohrhämmer beschaffen oder beschaffen könnten.
Die Beschwerdeführerin hält dafür, sie erleide durch den selbständig eröffneten Vor- bzw. Zwischenentscheid einen rechtlichen Nachteil; eventuell sei ihre Beschwerde auch ohne den Nachweis eines Nachteils rechtlicher Natur zulässig.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Selbständig eröffnete Vor- oder Zwischenentscheide können nach
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
angefochten werden, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können.
2.1
Ein im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
nicht wieder gutzumachender Nachteil muss nach der von sämtlichen Abteilungen des Bundesgerichts befolgten Rechtsprechung rechtlicher Natur und somit auch mit einem für die Beschwerde führende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar sein (
BGE 133 III 629
E. 2.3 S. 632;
BGE 133 IV 139
E. 4 S. 141,
BGE 133 IV 335
E. 4 S. 338;
BGE 133 V 645
E. 2.1 S. 647; Urteil 4A_85/2007 vom 11. Juni 2007, E. 3.1). Dies entspricht der gesetzgeberischen Absicht, die für die altrechtliche staatsrechtliche Beschwerde geltende Regelung auch für die neuen Beschwerdeverfahren zu übernehmen (vgl. die Botschaft zur
BGE 134 III 188 S. 191
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4333 f. zu Art. 88 Entwurf). Das Bundesgericht bezieht die bisherige konstante Praxis dazu mit ein (Urteil 4A_92/2007 vom 8. Juni 2007, E. 2). Nach der Rechtsprechung zu
Art. 87 Abs. 2 OG
genügt die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur (
BGE 126 I 97
E. 1b S. 100). Dabei ist es nicht nötig, dass sich der Nachteil schon im kantonalen Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beheben lässt. Es reicht aus, wenn er in einem anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigt werden kann (
BGE 126 I 97
E. 1b S. 100 f.;
BGE 117 Ia 251
E. 1 b S. 254, je mit Hinweis).
2.2
Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie eine ausdehnende Interpretation des erforderlichen Nachteils auch auf rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens befürwortet. Denn grundsätzlich soll sich das Bundesgericht nur einmal mit einem Fall befassen müssen und diesen insgesamt beurteilen können (
BGE 133 III 629
E. 2.1 S. 631 mit Hinweisen). Nur wenn prozessökonomische Gründe eine frühere Befassung zwingend gebieten und mit der Öffnung des Rechtswegs der Trölerei nicht grundsätzlich Vorschub geleistet wird, erscheint ein Zwischenverfahren gerechtfertigt. Sofern die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen (sofort möglicher Endentscheid gemäss
Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
, vorweg zu bereinigende gerichtsorganisatorische Fragen gemäss
Art. 92 BGG
) nicht vorliegen, ist daher an der restriktiven Praxis festzuhalten. Es bedarf eines rechtlichen Nachteils, der durch einen günstigen Entscheid in der Sache nicht mehr behoben werden kann.
2.3
Der angefochtene Beschluss hat eine Beweismassnahme zum Gegenstand. Es werden zwei demoskopische Gutachten angeordnet, die notorisch kostspielig und regelmässig auch zeitaufwändig sind. Diese Nachteile sind jedoch grundsätzlich rein tatsächlicher Art und daher nur im Rahmen der Voraussetzungen von
Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
, nicht jedoch nach
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
beachtlich. Dass sodann - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - mit der Verlängerung des Verfahrens die nach ihrer Ansicht markenverletzenden Produkte der Beschwerdegegnerin auf dem Markt weiterhin vertrieben werden und zu einer Markt- oder Zuordnungsverwirrung führen können, ist nicht als rechtlicher Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
zu qualifizieren. Denn zur Verhinderung derartiger Nachteile steht das Massnahmeverfahren nach
Art. 59 MSchG
(SR 232.11)
BGE 134 III 188 S. 192
zur Verfügung. Dass die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren mit ihren Anträgen erfolglos blieb, vermag den Rechtsweg gegen Vor- oder Zwischenentscheide im Hauptverfahren nicht zu öffnen. Schliesslich ist auch entgegen der Ansicht der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung nicht davon auszugehen, dass eine allfällige Wiederholung von Umfragen nach allgemeiner Erfahrung schon deshalb ausgeschlossen wäre, weil die früheren Befragungen bei zum Teil gleichen Verkehrskreisen das Resultat beeinflussen könnten. Selbst wenn teilweise dieselben Adressaten ein weiteres Mal befragt werden sollten, ist weder anzunehmen, dass sich diese nach einer gewissen Zeit wesentlich von der Fragestellung beeinflussen lassen, noch ist auszuschliessen, dass sich durch andere Einflüsse ihre Sensibilität gegenüber dem in Frage stehenden Produkt verändert hat. Soweit der Zeitpunkt der Umfrage für das Urteil nicht von erheblicher Bedeutung ist, kann daher nicht angenommen werden, die Beweismassnahme liesse sich im Falle eines für die Beschwerdeführerin günstigen Endentscheides nicht wiederholen und die Beschwerde müsse deshalb behandelt werden, weil sonst der Beweis vereitelt werden könnte.
2.4
Einen Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
erleidet die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Beschluss nicht. | mixed |
f9310331-870a-42b2-a84c-4923fd8a3a82 | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 147 V 10 S. 11
A.
A.a
Die 1962 geborene A. arbeitete ab Februar 2006 beim Hilfswerk B. und war bei der Pensionskasse Stadt Zürich (nachfolgend: PK Stadt Zürich) berufsvorsorgeversichert. In der Folge bezog A. verschiedentlich Arbeitslosentaggelder. Während dieser Zeit war sie bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) angeschlossen.
A.b
Im Januar 2010 meldete sich A. bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern sprach ihr vom 1. Januar bis 31. Juli 2011 eine ganze und ab 1. August 2011 eine halbe Invalidenrente zu.
A.c
Nachdem die PK Stadt Zürich die Ausrichtung von Invalidenleistungen abgelehnt hatte, erbrachte die Auffangeinrichtung die gesetzlichen Vorleistungen.
A.d
Am 6. September 2016 bestätigte die IV-Stelle die Ausrichtung der bisherigen halben Invalidenrente. Die Auffangeinrichtung bestritt wie bereits zuvor ihre Leistungspflicht und forderte die erbrachten Vorleistungen samt Zins von 5 % zurück. Mit Schreiben vom 8. Juni 2018 hielt die PK Stadt Zürich an ihrem Standpunkt fest.
B.
Am 18. September 2018 erhob die Auffangeinrichtung Klage und beantragte, die PK Stadt Zürich sei zu verpflichten, ihr Fr. 59'317.57 zu bezahlen, zuzüglich Zins von 2,75 % vom 20. März bis Ende 2015, von 2,25 % für 2016 und von 2 % für 2017 bis Datum der Klageeinreichung, zuzüglich Zins von 2 % seit 18. September 2018, Mehrforderung vorbehalten. Vorfrageweise sei festzustellen, dass die PK Stadt Zürich gegenüber ihrer ehemaligen Versicherten, A., im Sinne von
Art. 23 BVG
leistungspflichtig sei.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 6. Dezember 2019 insoweit gut, als es die PK Stadt Zürich verpflichtete, der Auffangeinrichtung die seit dem 20. März 2015 erbrachten Vorleistungen zurückzuerstatten. Hingegen lehnte das kantonale Gericht die Ausrichtung eines Verzugszinses sowie die Verzinsung der Vorleistung (Vergütungszins) ab.
C.
Die Auffangeinrichtung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in teilweiser Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die PK Stadt Zürich zu verpflichten, zusätzlich zu den zurückzuerstattenden Vorleistungen einen Zins von 2,75 % vom 20. März bis Ende 2015, von 2,25 % für 2016 und von 2 % für 2017 bis 18. September 2018, zuzüglich Zins
BGE 147 V 10 S. 12
von 2 % seit 18. September 2018 (Datum der Klageeinreichung) bis Rückerstattung der Vorleistung zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung des Rechtsbegehrens betreffend Verzinsung des Rückforderungsanspruches an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die PK Stadt Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Am 10. März 2020 reicht die Auffangeinrichtung eine weitere Eingabe ein.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Es steht fest, dass die Beschwerdegegnerin der Versicherten Invalidenleistungen auszurichten (vgl.
Art. 23 BVG
) und folglich die von der Beschwerdeführerin erbrachten Vorleistungen nach
Art. 26 Abs. 4 Satz 2 BVG
zurückzuerstatten hat.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie auf den vorgeleisteten Betrag keinen Zins gewährte.
2.1
Das kantonale Gericht hat diesbezüglich erwogen,
Art. 26 Abs. 4 BVG
enthalte keine Regelung. Ebenso wenig seien den dazugehörigen Materialien entsprechende Anhaltspunkte zu entnehmen. Damit beschränke sich der Umfang des Rückgriffs mangels anders lautender gesetzlicher Grundlage auf die erbrachten Vorleistungen. Ein Zins sei demzufolge ebenso wenig geschuldet wie gemäss
BGE 145 V 18
ein Verzugszins.
(...)
3.
3.1
Art. 26 Abs. 4 BVG
(in Kraft seit 1. Januar 2005) lautet wie folgt:
"
4
Befindet sich der Versicherte beim Entstehen des Leistungsanspruchs nicht in der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung, so ist jene Vorsorgeeinrichtung vorleistungspflichtig, der er zuletzt angehört hat. Steht die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung fest, so kann die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung auf diese Rückgriff nehmen."
3.2
Zur hier interessierenden Frage, ob die letztlich leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung die Vorleistung zu verzinsen hat, kann
BGE 147 V 10 S. 13
- soweit der klassischen Auslegung folgend - dem blossen Wortlaut (auch in der französisch- und italienischsprachigen Version) nichts entnommen werden.
Art. 26 Abs. 4 BVG
wurde von beiden Räten gemäss Vorlage der Kommission kommentarlos angenommen (AB 2002 N 546; AB 2002 S 1045); ebenso wenig lässt sich aus der Entstehungsgeschichte eine direkte Antwort ableiten (dazu: MARC HÜRZELER, Zum Rückgriffsrecht der gemäss
Art. 26 Abs. 4 BVG
vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung im Invaliditätsfall [nachfolgend: Rückgriffsrecht], SZS 2006 S. 325 ff. sowie UELI KIESER, Vorleistungspflichten der Pensionskassen nach BVG und ATSG - Fragen und einige Antworten, in: Die 1. BVG-Revision, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2005, S. 112 ff.). Dabei hat es nicht sein Bewenden, steht hier nämlich das Rechtsinstitut des Rückgriffs im Fokus.
4.
4.1
Verzugszins und der eigentliche Zins sind zu unterscheiden (vgl. zu den Zinsarten u.a.
BGE 143 II 37
E. 5.2-5.4 S. 43-46; als weitere Kategorie ist zusätzlich der Schadenszins zu nennen [
BGE 131 III 12
E. 9.1 S. 22]).
4.2
Art. 26 Abs. 4 BVG
entbehrt einer bereicherungsrechtlichen Natur im Sinne von
Art. 62 ff. OR
. Mit Blick auf seine (spezial)gesetzlich festgelegte (Vor-)Leistungsordnung resp. (Vor-)Leistungspflicht entfallen die entsprechenden Voraussetzungen (vgl.
BGE 138 V 426
E. 5.1 S. 431 mit Hinweisen). Eine darauf basierende Zinsforderung ist deshalb zum Vornherein ausgeschlossen.
4.3
4.3.1
Indessen verleiht
Art. 26 Abs. 4 BVG
der Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, unmittelbar von Gesetzes wegen in diesem Umfang einen
Regressanspruch
gegen die letztlich leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Begriff "Rückgriff" in
Art. 26 Abs. 4 Satz 2 BVG
eine andere Bedeutung haben sollte als sonst überall in der Rechtsordnung (
BGE 136 V 131
E. 3.4 f. S. 138 f.; bestätigt in
BGE 145 V 18
E. 5.2.2 S. 21 f.).
4.3.2
Regress steht allgemein für
Schadloshaltung
im Sinne einer Ausgleich- und Korrekturfunktion (
BGE 136 V 131
E. 3.4 S. 138; WALTER FELLMANN, Regress und Subrogation: Allgemeine Grundsätze, in: Haftpflicht und Versicherungsrechtstagung, Alfred Koller [Hrsg.], 1999, S. 13). Dies bedeutet im Kontext von
Art. 26 Abs. 4
BGE 147 V 10 S. 14
Satz 2 BVG
, dass die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung nach Ausübung ihres Regressrechts so gestellt sein soll, wie wenn sie nie eine Vorleistung bezahlt hätte (vgl. HÜRZELER, Rückgriffsrecht, a.a.O., S. 335 ["Schadenstragung"]). Sind vorleistende und definitiv leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung - wie hier - nicht identisch, so beläuft sich der Schaden der Ersteren auf sämtliches Kapital, das sie durch die Vorleistungspflicht nicht zur Verfügung hat, wohingegen die eigentlich leistungspflichtige Vorsorgeträgerin das entsprechende Guthaben in dieser Zeit gewinn- resp. zinsbringend anlegen kann (vgl.
BGE 131 III 12
E. 9.1 S. 22). Dieser Zinsverlust der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung ist auf dem Regressweg auszugleichen (
derselbe
, Intrasystemische Vorleistungspflichten in der beruflichen Vorsorge [nachfolgend: Intrasystemische Vorleistungspflichten], in: Das prekäre Leistungsverhältnis im Sozialversicherungsrecht, Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2008, S. 163). Mit anderen Worten: zum Schaden gehört ein Schadens- oder Regresszins (GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, in: BVG und FZG, Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2019, N. 232 zu
Art. 34b BVG
; SYLVIA LÄUBLI ZIEGLER, Zeit ist Geld II - oder die Funktion der Zinsen im Haftpflichtrecht, HAVE 4/2005 S. 320). Dieser ist ab dem Zeitpunkt geschuldet, in welchem sich das schädigende Ereignis finanziell ausgewirkt hat, und endet am Tag der Zahlung des Schadenersatzes resp. der Rückzahlung der Vorleistung (
BGE 130 III 591
E. 4 S. 599;
BGE 122 III 53
E. 4a S. 54; vgl. auch Urteil 4A_301/2016 vom 15. Dezember 2016 E. 10.2, nicht publ. in:
BGE 143 III 79
).
4.3.3
Abgesehen davon liegt eine zu Art. 50 f. OR ähnliche Situation vor. So hat
Art. 26 Abs. 4 Satz 2 BVG
vergleichbar die Auflösung des Innenverhältnisses zwischen zwei oder mehreren Vorsorgeeinrichtungen als Schuldnerinnen zum Gegenstand, welche im Aussenverhältnis mit der versicherten Person als Gläubigerin durch Anspruchskonkurrenz verbunden sind. Anspruchskonkurrenz besteht allgemein, wenn die geschädigte Person einen Leistungsanspruch gegenüber mehreren Ersatzpflichtigen hat (Schuldnermehrheit), wobei die verschiedenen Leistungen in sachlicher, ereignisbezogener, personeller sowie zeitlicher Hinsicht kongruent sein müssen. Davon ist in concreto ohne Weiteres auszugehen, geht es doch um den Anspruch ein und derselben Person auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge in der gleichen Zeitperiode (vgl.
Art. 23 BVG
). Nachdem die versicherte Person die vorleistungspflichtige
BGE 147 V 10 S. 15
Trägerin gemäss
Art. 26 Abs. 4 BVG
ins Recht gefasst hat, erlischt ihr Anspruch im Umfang der Vorleistung gegenüber der effektiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung (Anspruchskonkurrenz). Gleichzeitig erlangt die vorleistungspflichtige Einrichtung einen Regressanspruch, den sie, wie erwähnt (vgl. E. 4.3.1), direkt gegen die definitiv leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung durchsetzen kann (HÜRZELER, Intrasystemische Vorleistungspflichten, a.a.O., S. 159;
derselbe
, Rückgriffsrecht, a.a.O., S. 332 f.). Der Anspruch entsteht im Moment der (Vor-)Leistung der regressierenden Vorsorgeeinrichtung an die versicherte Person und wird ab dann auch fällig (
BGE 133 III 6
E. 5.3.3 S. 25; Urteil 4A_656/2011 vom 12. März 2012 E. 4.2). Gleichzeitig fällt Regress- resp. Schadenszins zu Gunsten der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung an (CHRISTOPH K. GRABER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 7. Aufl. 2020, N. 11 zu
Art. 51 OR
).
4.4
Eine Zinspflicht ist demnach angesichts der gesetzlichen Konzeption zu bejahen. Nachdem die Verzugszinsfrage bereits negativ beantwortet ist (
BGE 145 V 18
), steht der Umsetzung nichts im Wege (zum Verbot von Zinseszinsen bzw. Schadenszins und Verzugszins vgl.
BGE 131 III 12
E. 9.3 S. 23).
5.
Zu klären bleibt die Höhe der Verzinsung. Diesbezüglich erweist es sich als sachgerecht, vom BVG-Mindestzinssatz (
Art. 15 Abs. 2 BVG
in Verbindung mit
Art. 12 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]
) auszugehen, da von der Vorleistungspflicht einzig die obligatorischen Leistungen der beruflichen Vorsorge betroffen sind (KIESER, a.a.O., S. 121; HÜRZELER, Intrasystemische Vorleistungspflichten, a.a.O., S. 163). Mit dem Vermögensertrag müssen jedoch weitergehende Aufwendungen als nur die Verzinsung des Kapitals gedeckt werden. Daher erscheint der von der Beschwerdeführerin verlangte Zuschlag von einem Prozent ebenfalls sachdienlich (vgl. auch Art. 7 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [FZV; SR 831.425]). Eine zeitlich ausgedehntere oder höhere Verzinsung fällt mit Blick auf die Bindung des Bundesgerichts an die Anträge der Parteien ohnehin ausser Betracht (
Art. 107 Abs. 1 BGG
). Insgesamt resultiert unbestritten ein Zins von 2,75 % vom 20. März bis Ende 2015, von 2,25 % für 2016 und von 2 % für 2017 bis 18. September 2018, zuzüglich Zins von 2 % seit 18. September 2018 bis Rückerstattung der Vorleistung. | mixed |
d40540ad-6a51-4b6e-94cb-b6066126bf62 | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 145 V 18 S. 18
A.
Der 1956 geborene A. war vom 1. Mai 1995 bis 22. Oktober 2004 bei der B. AG angestellt und im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses bei der BVG-Sammelstiftung Swiss Life (nachfolgend: Swiss Life) vorsorgeversichert. Vom 1. November 2004 bis 31. Oktober 2006 bezog er Arbeitslosentaggelder und war dadurch bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) angeschlossen.
Am 20. April 2007 meldete sich der Versicherte bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, woraufhin ihm die IV-Stelle eine halbe Rente ab 1. März 2007 zusprach.
Weil die Swiss Life auf ein entsprechendes Gesuch des A. hin die Ausrichtung von Invalidenleistungen am 25. Juni 2009 ablehnte, gewährte ihm die Auffangeinrichtung ab dem 29. Dezember 2010 im Sinne einer Vorleistung eine halbe Invalidenrente.
BGE 145 V 18 S. 19
B.
Am 29. Dezember 2015 erhob die Auffangeinrichtung Klage mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass die Swiss Life in Bezug auf den Invaliditätsfall A. leistungspflichtig im Sinne von
Art. 23 BVG
sei. Die Swiss Life sei zu verpflichten, der Auffangeinrichtung die seit dem 29. Dezember 2010 im Rahmen der Vorleistungspflicht gemäss
Art. 26 Abs. 4 BVG
an A. ausgerichteten Rentenleistungen zurückzuerstatten, zuzüglich 5 % Zins seit Klageeinreichung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 21. November 2017 (Versanddatum: 15. Dezember 2017) gut und verpflichtete die Swiss Life, die von der Auffangeinrichtung seit dem 29. Dezember 2010 an A. erbrachten Vorleistungen zurückzuerstatten.
C.
Die Auffangeinrichtung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei teilweise aufzuheben und die Swiss Life sei zu verpflichten, zusätzlich zu den zurückzuerstattenden Vorleistungen einen Verzugszins in der Höhe von 5 % seit Klageeinreichung zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung des Rechtsbegehrens betreffend Verzinsung des Rückforderungsanspruchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Swiss Life, A. und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Letztinstanzlich ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin betreffend die obligatorischen Leistungen im Sinne von
Art. 23 BVG
die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung gegenüber dem Versicherten ist und sie somit die von der Beschwerdeführerin erbrachten Vorleistungen nach
Art. 26 Abs. 4 BVG
gemäss kantonalem Entscheid zurückzuerstatten hat.
Streitig ist einzig die Rechtsfrage, ob die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin auf dem zurückzuerstattenden Betrag ab Klageeinreichung einen Verzugszins zu bezahlen hat.
3.1
Das kantonale Gericht verneinte den Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen Verzugszins von 5 % ab Klageeinreichung. Es erwog, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei im Sozialversicherungsrecht - sofern das Gesetz nichts Abweichendes
BGE 145 V 18 S. 20
vorsehe - kein Verzugszins geschuldet (
BGE 119 V 131
E. 3a S. 132 f.). Dies gelte jedoch nicht für Invalidenleistungen (der beruflichen Vorsorge), für die ein Verzugszins auszurichten sei. Das Bundesgericht begründe Letzteres im Wesentlichen mit der vorsorgevertraglichen Entstehung des Versicherungsverhältnisses (
BGE 119 V 131
E. 4a S. 134 mit Hinweis auf
BGE 115 V 27
E. 8c S. 37). Da zwischen der die Vorleistungen erbringenden und der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung kein Vertragsverhältnis bestehe, könne diese Rechtsprechung auf
Art. 26 Abs. 4 BVG
nicht analog angewendet werden.
3.2
Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, es gehe in
Art. 26 Abs. 4 BVG
nicht um den finanziellen Schutz von Versicherten, weshalb die Praxis, wonach zum Beispiel bei der Rückerstattung von unrechtmässig bezogenen Leistungen kein Verzugszins geschuldet sei, nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. Grundsätzlich vergleichbar sei vielmehr Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG; SR 831.42), welcher eine grundsätzliche Pflicht zur Zahlung eines Verzugszinses festhalte. Es sei folglich auch ohne explizite gesetzliche Grundlage davon auszugehen, dass im Rahmen von
Art. 26 Abs. 4 BVG
eine Verzugszinspflicht bestehe.
4.
4.1
Im Privatrecht gilt eine generelle Verzugszinspflicht, sobald der Schuldner in Verzug ist (
Art. 104 OR
). Analog zum Privatrecht gilt im Verwaltungsrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass der Schuldner Verzugszins zu bezahlen hat, wenn er mit der Zahlung in Verzug ist, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht (
BGE 101 Ib 252
E. 4b S. 258 f.;
BGE 95 I 258
E. 3 S. 263; Urteil 2C_354/2015 vom 23. Mai 2016 E. 4.2.1 mit weiteren Hinweisen). Im Sozialversicherungsrecht hat allerdings vor dem Inkrafttreten des ATSG die Rechtsprechung eine Verzugszinspflicht grundsätzlich verneint, wenn sie nicht gesetzlich vorgesehen war (
BGE 119 V 78
E. 3a S. 81;
BGE 101 V 114
E. 3 S. 117 f.; Urteil K 40/05 vom 12. Januar 2006 E. 4.1, in: SVR 2006 KV Nr. 23 S. 75). Mit der Bestimmung des
Art. 26 ATSG
(welcher im Bereich der beruflichen Vorsorge nicht gilt) ist für bestimmte Fälle eine Verzugszinspflicht statuiert worden. Die Rechtsprechung hat daraus geschlossen, dass in den anderen, im Gesetz nicht genannten Fällen, keine Verzugszinspflicht besteht (vgl. zum Ganzen: Urteil 9C_98/2009 vom 30. Juni 2009 E. 4.1, in: SVR 2009 BVG Nr. 33 S. 124).
BGE 145 V 18 S. 21
4.2
Im Berufsvorsorgerecht werden Verzugszinsen sowohl im Leistungs- als auch im Beitragsbereich im Falle fehlender statutarischer Grundlage gestützt auf
Art. 104 Abs. 1 OR
zugelassen (
BGE 119 V 131
E. 4a S. 133 f.;
BGE 119 V 78
E. 3b S. 82;
BGE 116 V 112
;
BGE 115 V 27
E. 8 S. 35 ff.; Urteil B 5/88 vom 25. Juli 1989 E. 4b, in: SZS 1990 S. 161). Diese Sonderstellung ist weniger als eigentliche Ausnahme von der dargelegten Rechtsprechung, wonach auf dem Gebiet der Sozialversicherung grundsätzlich ohne gesetzliche Grundlage keine Verzugszinsen geschuldet sind (E. 4.1 oben), sondern in erster Linie vor dem Hintergrund der Entwicklung des betreffenden Rechtszweiges zu verstehen. Denn die Gewährung von Verzugszinsen war im Bereich der beruflichen Vorsorge seit jeher aufgrund der vorsorgevertraglichen Entstehung des Versicherungsverhältnisses und der damit anwendbaren allgemeinen Bestimmung des Obligationenrechts die Regel, und es hat diese Ordnung durch das geltende BVG keine Änderung erfahren (
BGE 119 V 131
E. 4a S. 133 f.;
BGE 115 V 27
E. 8c S. 37).
5.
5.1
Art. 26 Abs. 4 BVG
, in der Fassung vom 3. Oktober 2003, in Kraft seit 1. Januar 2005, lautet wie folgt: "Befindet sich der Versicherte beim Entstehen des Leistungsanspruchs nicht in der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung, so ist jene Vorsorgeeinrichtung vorleistungspflichtig, der er zuletzt angehört hat. Steht die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung fest, so kann die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung auf diese Rückgriff nehmen."
5.2
5.2.1
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (E. 4 oben) wird eine dem OR analoge Verzugszinspflicht in der beruflichen Vorsorge mit dem Bestehen eines vertraglichen Verhältnisses zwischen der versicherten Person resp. der angeschlossenen Arbeitgeberin oder dem angeschlossenen Arbeitgeber und der Vorsorgeeinrichtung begründet. Entscheidend dabei ist, dass die Versicherten auch im obligatorischen Bereich durch einen Innominatvertrag an die Vorsorgeeinrichtung gebunden sind und daher in erster Linie das Reglement sowie in zweiter Linie der allgemeine Teil des OR für die Frage nach dem Verzugszins massgebend sind (
BGE 115 V 27
E. 8c S. 37).
5.2.2
Es ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob zwischen der vorleistungspflichtigen und der definitiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung eine vertragliche Beziehung besteht. Das Bundesgericht setzte sich bereits in
BGE 136 V 131
mit dem Regressanspruch gemäss
Art. 26 Abs. 4 BVG
auseinander. Es entschied, dass die
BGE 145 V 18 S. 22
Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, unmittelbar von Gesetzes wegen im Umfang der geleisteten Zahlungen einen Regressanspruch gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung geltend machen kann (
BGE 136 V 131
E. 3.6 S. 140). Es ist nicht erforderlich, dass sich die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung die Ansprüche der versicherten Person abtreten lässt. Mit Blick auf diesen direkten gesetzlichen Anspruch ist eine vertragliche Beziehung zwischen der vorleistungspflichtigen und der definitiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung zu verneinen. Die zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung, welche im Beitrags- und Leistungsbereich den Verzugszins zulässt (vgl. E. 4.2 oben), ist im Rahmen von
Art. 26 Abs. 4 BVG
folglich nicht anwendbar.
5.3
Eine Verzugszinspflicht lässt sich denn auch aus dem Wortlaut von
Art. 26 Abs. 4 BVG
, aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 26 Abs. 4 BVG
(wiedergegeben bei MARC HÜRZELER, Zum Rückgriffsrecht der gemäss
Art. 26 Abs. 4 BVG
vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung im Invaliditätsfall, SZS 2006 S. 323 ff., S. 325 ff., und bei UELI KIESER, Vorleistungspflichten der Pensionskassen nach BVG und ATSG - Fragen und einige Antworten, in: Die 1. BVG-Revision, 2005, S. 101 ff., S. 112 ff.) sowie aus den dazu vorhandenen Materialien nicht ableiten. Es finden sich keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine Verzugszinspflicht statuieren wollte.
5.4
Nach dem Gesagten verbleibt kein Raum für einen Verzugszins, wie die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht erkannte. Die Beschwerde ist unbegründet. | mixed |
3f421edd-b96d-4934-9b18-1389f94ca869 | Microsoft Word - 831.26.de.doc 1 Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) vom 6. Oktober 20061 (Stand am 1. Januar 2017) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 112b Absatz 3 und 197 Ziffer 4 der Bundesverfassung2, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 7. September 20053, beschliesst: 1. Abschnitt: Zweck Art. 1 Dieses Gesetz bezweckt, invaliden Personen den Zugang zu einer Institution zur Förderung der Eingliederung (Institution) zu gewährleisten. 2. Abschnitt: Aufgaben der Kantone Art. 2 Grundsatz Jeder Kanton gewährleistet, dass invaliden Personen, die Wohnsitz in seinem Gebiet haben, ein Angebot an Institutionen zur Verfügung steht, das ihren Bedürfnissen in angemessener Weise entspricht. Art. 3 Institutionen 1 Als Institutionen gelten: a. Werkstätten, die dauernd intern oder an dezentral ausgelagerten Arbeitsplät- zen invalide Personen beschäftigen, die unter üblichen Bedingungen keine Erwerbstätigkeit ausüben können; b. Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen für invalide Perso- nen; c. Tagesstätten, in denen invalide Personen Gemeinschaft pflegen und an Frei- zeit- und Beschäftigungsprogrammen teilnehmen können. AS 2007 6049 1 Ziff. I 2 des BG über die Schaffung und die Änderung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) (AS 2007 5779). 2 SR 101 3 BBl 2005 6029 831.26 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 2 831.26 2 Einheiten einer Einrichtung, welche die in Absatz 1 erwähnten Leistungen erbrin- gen, sind den Institutionen gleichgestellt. Art. 4 Anerkennung von Institutionen 1 Der Kanton anerkennt die Institutionen, die für die Umsetzung des Grundsatzes nach Artikel 2 nötig sind. Diese Institutionen können innerhalb oder ausserhalb seines Gebietes stehen. 2 Gewährung, Verweigerung und Entzug der Anerkennung werden verfügt. Art. 5 Anerkennungsvoraussetzungen 1 Um anerkannt zu werden, muss eine Institution: a. über Infrastruktur- und Leistungsangebot, welche den Bedürfnissen der be- troffenen Personen entsprechen, sowie über das nötige Fachpersonal verfü- gen; b. ihren Betrieb wirtschaftlich und nach einer auf betriebswirtschaftlichen Grundsätzen basierenden einheitlichen Rechnungslegung führen; c. die Aufnahmebedingungen offen legen; d. die invaliden Personen und deren Angehörige über ihre Rechte und Pflichten schriftlich informieren; e. die Persönlichkeitsrechte der invaliden Personen wahren, namentlich ihr Recht auf Selbstbestimmung, auf Privatsphäre, auf individuelle Förderung, auf soziale Kontakte ausserhalb der Institution, auf Schutz vor Missbrauch und Misshandlung sowie ihr Recht und das ihrer Angehörigen auf Mitwir- kung; f. die invaliden Personen entlöhnen, wenn diese eine wirtschaftlich verwert- bare Tätigkeit verrichten; g. behinderungsbedingt notwendige Fahrten zu und von Werkstätten und Ta- gesstätten sicherstellen; h. die Qualitätssicherung gewährleisten. 2 Für die Anerkennung ist der Kanton zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Insti- tution sich befindet. Die Kantone können eine andere Zuständigkeitsregelung ver- einbaren. Institutionen, die durch den zuständigen Kanton anerkannt sind, können von anderen Kantonen ohne Überprüfung der Voraussetzungen nach Absatz 1 anerkannt werden. Art. 6 Kontrolle 1 Das Einhalten der Voraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 wird regelmässig kontrolliert. 2 Für die Kontrolle ist der Kanton zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Institution sich befindet. Die Kantone können eine andere Zuständigkeitsregelung vereinbaren. Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen. BG 3 831.26 3 Der zuständige Kanton benachrichtigt die anderen Kantone, wenn er einer von ihm kontrollierten Institution die Anerkennung entzogen hat, weil sie die Voraussetzun- gen nach Artikel 5 Absatz 1 nicht mehr erfüllt. Art. 7 Kostenbeteiligung 1 Die Kantone beteiligen sich soweit an den Kosten des Aufenthalts in einer aner- kannten Institution, dass keine invalide Person wegen dieses Aufenthaltes Sozial- hilfe benötigt. 2 Findet eine invalide Person keinen Platz in einer von ihrem Wohnsitzkanton aner- kannten Institution, die ihren Bedürfnissen in angemessener Weise entspricht, so hat sie Anspruch darauf, dass der Kanton sich im Rahmen von Absatz 1 an den Kosten des Aufenthalts in einer anderen Institution beteiligt, welche die Voraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 erfüllt. 3. Abschnitt: Anspruch auf Subventionen und Beschwerderecht von Organisationen Art. 8 Anspruch auf Subventionen Sieht das kantonale Recht die Kostenbeteiligung durch Subventionen an anerkannte Institutionen oder an invalide Personen vor, so muss ein Rechtsanspruch auf diese Subventionen gewährleistet sein. Art. 9 Beschwerderecht von Organisationen 1 Behindertenorganisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung, die seit mindes- tens zehn Jahren bestehen, können Beschwerde erheben gegen die Anerkennung einer Institution. 2 Der Bundesrat bezeichnet die zur Beschwerde berechtigten Organisationen. 4. Abschnitt: Übergangsbestimmung Art. 10 1 Jeder Kanton erstellt gemäss Artikel 197 Ziffer 4 der Bundesverfassung ein Kon- zept zur Förderung der Eingliederung invalider Personen im Sinne von Artikel 2. Er hört die Institutionen und Behindertenorganisationen an. Er legt das Konzept bei der erstmaligen Erstellung dem Bundesrat zur Genehmigung vor. 2 Das Konzept enthält folgende Elemente: a. Bedarfsplanung in quantitativer und qualitativer Hinsicht; b. Verfahren für periodische Bedarfsanalysen; c. Art der Zusammenarbeit mit den Institutionen; Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung 4 831.26 d. Grundsätze der Finanzierung; e.4 Grundsätze der beruflichen Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals; f. Schlichtungsverfahren bei Streitigkeiten zwischen invaliden Personen und Institutionen; g. Art der Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, insbesondere in der Bedarf- splanung und der Finanzierung; h. Planung für die Umsetzung des Konzepts. 3 Der Bundesrat lässt sich bei der Genehmigung nach Absatz 1 von einer Fachkom- mission beraten. Diese wird von ihm ernannt und setzt sich zusammen aus Vertrete- rinnen und Vertretern des Bundes, der Kantone, der Institutionen und der invaliden Personen. Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 20085 4 Die Änd. gemäss BG vom 20. Juni 2014 über die Weiterbildung, in Kraft seit 1. Jan. 2017, betrifft nur den französischen und den italienischen Text (AS 2016 689; BBl 2013 3729). 5 BRB vom 7. Nov. 2007 | mixed |
8f03b586-acc7-4e32-be5d-d92a750223d7 | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 134 I 105 S. 106
A.
Der 1991 geborene C. ist seit einem Unfall im Jahr 2003 Paraplegiker. Er wohnt bei der seit 2001 vom Vater A. geschiedenen Mutter L. in M. wo er auch die Schule besucht. Der Vater und die 1987 geborene Schwester J. wohnen in S. Im August 2003 wurde C. von der Mutter zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen klärte die Notwendigkeit baulicher Änderungen am Wohnhaus der Mutter in M., am Schulhaus in M. und am Wohnhaus des Vaters in S. ab. Sie übernahm die Kosten der Anpassungen am Wohnhaus der Mutter und am Schulhaus. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum veranschlagte die Kosten für diverse behinderungsgerechte Anpassungen am Wohnhaus des Vaters auf insgesamt Fr. 91'152.60. Im Dezember 2004 befand das Hilfsmittel-Zentrum der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (nachfolgend: SAHB) gegenüber der IV-Stelle, die vom Paraplegiker-Zentrum vorgeschlagenen Anpassungen am Wohnhaus in S. seien zum Teil überdimensioniert und bei Abstellen auf Erfahrungswerte der SAHB wäre ein einfacher und zweckmässiger Umbau auf Fr. 40'856.75 zu stehen gekommen. Mit Verfügung vom 28. April 2005 verweigerte die IV-Stelle die Übernahme der Kosten der baulichen Änderungen am Haus des Vaters, weil sich die Aufenthalte des Versicherten auf Ferien und Besuche beschränkten. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 26. September 2005 ab.
BGE 134 I 105 S. 107
B.
Die gegen den Einspracheentscheid eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab (Entscheid vom 20. Juni 2006).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C. beantragen, es sei unter Aufhebung des kantonalen und des Einspracheentscheides Kostengutsprache für die baulichen Änderungen des Hauses in S. zu erteilen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Bundesrat hat in Art. 14 der Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) die ihm durch Art. 21 Abs. 2 und 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) übertragene Befugnis, einschliesslich derjenigen zum Erlass näherer Bestimmungen über Beiträge an die Kosten invaliditätsbedingter Anpassungen von Geräten und Immobilien, an das Eidg. Departement des Innern subdelegiert, welches die Verordnung vom 29. November 1976 über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI; SR 831.232.51) erlassen hat. Die beantragten Eingliederungsmassnahmen fallen grundsätzlich unter Ziff. 14.01, 14.04 und 14.05 HVI Anhang. Fraglich ist, ob solche Hilfsmittel für die Selbstsorge in einer zweiten Wohnung, in der der Versicherte einen Teil seines Lebens verbringt, ebenfalls bezahlt werden müssen. Aus Ziff. 14 HVI Anhang ergibt sich nicht ausdrücklich, ob die Leistungen nur für eine Wohnung oder allenfalls auch für zwei erbracht werden können. Die Frage ist in erster Linie im Lichte von
Art. 21 Abs. 2 IVG
bzw.
Art. 2 HVI
zu beantworten: Die vorinstanzliche Argumentation, dass die Hilfsmittelregelung nicht eine optimale, sondern nur eine Grundversorgung deckt, entspricht der gesetzlichen Regelung, denn auch Leistungen, die im Anhang aufgeführt sind, werden nicht ohne weiteres, sondern nur soweit erforderlich und nur in einfacher und zweckmässiger Ausführung erbracht (
Art. 21 Abs. 2 IVG
;
Art. 2 Abs. 4 HVI
). Die Invalidenversicherung ist, auch im Bereich der Hilfsmittel, keine umfassende Versicherung, welche sämtliche durch die Invalidität verursachten Kosten
BGE 134 I 105 S. 108
abdecken will; das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht (
Art. 8 Abs. 1 IVG
;
BGE 131 V 9
E. 3.6 S. 19;
BGE 130 V 163
E. 4.3.3 S. 173;
BGE 121 V 258
E. 2c; ZAK 1986 S. 336, E. 2d, I 480/84). Auch im Wohnbereich werden nicht alle behinderungsbedingten Mehrkosten entschädigt, sondern nur bestimmte, abschliessend aufgezählte Massnahmen (
BGE 131 V 9
E. 3.4.2 S. 14;
BGE 121 V 258
E. 2b S. 260;
BGE 104 V 88
E. 3d), was grundsätzlich gesetz- und verfassungsmässig ist (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 566/03 vom 24. April 2003, E. 4, und I 267/00 vom 15. Januar 2001, E. 5).
4.
Die Vorinstanz hat die Übernahme der Kosten in erster Linie mit dem Argument verweigert, es bestehe kein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung in einem Haus, in dem der Versicherte nur jedes zweite Wochenende und einen Teil seiner Schulferien verbringe. Der Beschwerdeführer erblickt darin eine Verletzung des Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [BV; SR 101]) und des Rechts auf Familienleben (
Art. 14 BV
, Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK; SR 0.101]).
5.
Das Diskriminierungsverbot (
Art. 8 Abs. 2 BV
) verbietet dem Staat (und allenfalls im Rahmen von
Art. 35 BV
anderen Trägern staatlicher Aufgaben), Menschen wegen ihrer Behinderung gegenüber anderen Personen in vergleichbarer Situation qualifiziert ungleich zu behandeln, indem an das Merkmal der Behinderung eine Benachteiligung geknüpft wird, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung zu verstehen ist (
BGE 132 I 49
E. 8.1 S. 65,
BGE 133 V 167
E. 3 S. 169;
BGE 130 I 352
E. 6.1.2 S. 357). Eine derartige Herabwürdigung liegt nicht vor: Der Beschwerdeführer wird nicht vom Staat wegen seiner Behinderung benachteiligt gegenüber anderen Personen in vergleichbarer Situation. Benachteiligt wird er durch das Schicksal, d.h. durch die Folgen eines eingetretenen sozialen Risikos; der Staat unterstützt ihn vielmehr und erbringt ihm Leistungen, welche Nicht-Behinderte nicht erhalten. Es geht von vornherein nicht um eine staatliche Diskriminierung, sondern um die Frage, wieweit der Staat verpflichtet ist, eine - nicht vom Staat verursachte - faktische Benachteiligung auszugleichen. Ein solcher Leistungsanspruch ergibt sich aus dem Diskriminierungsverbot (
Art. 8 Abs. 2 BV
) grundsätzlich nicht; dieses verbürgt keinen
BGE 134 I 105 S. 109
individualrechtlichen, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung faktischer Gleichheit (vgl.
BGE 126 II 377
E. 6a S. 392 mit Hinweis; Urteil 2P.77/2000 vom 30. November 2000, E. 4b); es kann deshalb nicht schon dadurch verletzt sein, dass der Staat nicht jegliche schicksalsbedingte Benachteiligung vollständig ausgleicht. Einschlägig dafür ist vielmehr
Art. 8 Abs. 4 BV
, der indessen nur einen Gesetzgebungsauftrag, aber keine unmittelbar justiziablen Ansprüche enthält (
BGE 131 V 9
E. 3.5.1.2 S. 16; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 566/03 vom 24. April 2003, E. 4.5; I 68/02 vom 18. August 2005, E. 5.2.1; MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, in: Die schweizerische Bundesverfassung [St. Galler Kommentar], Zürich 2002, N. 102 zu
Art. 8 BV
; GIOVANNI BIAGGINI, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, N. 36 zu
Art. 8 BV
; REGINA KIENER/WALTER KÄLIN, Grundrechte, Bern 2007, S. 371, 377). Die Frage einer Diskriminierung im Sinne von
Art. 8 Abs. 2 BV
würde sich nur dann stellen, wenn der Staat bei der Ausgestaltung seiner Leistungen Unterschiede schafft, die an eines der in
Art. 8 Abs. 2 BV
genannten, verpönten Unterscheidungsmerkmale anknüpfen (Herkunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Sprache, soziale Stellung, Lebensform, religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung oder körperliche, geistige oder psychische Behinderung; vgl.
BGE 133 V 569
E. 5.5 S. 573,
BGE 133 V 472
E. 5.3.1 S. 474 f.;
BGE 131 V 9
E. 3.5.1.1 S. 16;
BGE 127 V 121
E. 3b S. 127;
BGE 126 V 70
E. 4c S. 73 f.; Urteil 2P.77/2000 vom 30. November 2000, E. 4d; siehe auch die bei EDGAR IMHOF, Die Bedeutung menschenrechtlicher Diskriminierungsverbote für die Soziale Sicherheit, in: Jusletter vom 7. Februar 2005, Ziff. II.5 zitierten Entscheide des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR]). Vorliegend wird indessen der Beschwerdeführer nicht wegen eines der in
Art. 8 Abs. 2 BV
genannten Kriterien schlechter behandelt als andere Versicherte in vergleichbarer Lage, sondern er verlangt im Gegenteil mit Rücksicht auf seine besondere Situation eine bevorzugte Behandlung, nämlich die Finanzierung von baulichen Änderungen in mehr als einer Wohnung. Damit ist
Art. 8 Abs. 2 BV
offensichtlich nicht verletzt.
6.
Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung des Grundrechts auf Familie und Achtung des Familienlebens (
Art. 14 BV
und
Art. 8 EMRK
). Die Grundrechte richten sich in erster Linie als Abwehrrechte gegen den Staat und geben nur ausnahmsweise und punktuell verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche
BGE 134 I 105 S. 110
(ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, 2. Aufl., Bern 2006, S. 77 f.; KIENER/KÄLIN, a.a.O., S. 33; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, S. 80 ff.;
BGE 129 I 12
E. 8.4 S. 23;
BGE 127 I 84
E. 4b S. 88;
BGE 126 II 300
E. 5 S. 314 f.). Namentlich liegt keine Verletzung von Grundrechten darin, dass die Sozialversicherung nicht alle durch die Behinderung verursachten Kosten übernimmt (
BGE 131 V 9
E. 3.4.2 S. 14; ZAK 1986 S. 336, E. 2d, I 480/84). Auch aus dem Grundrecht auf Achtung des Familienlebens kann grundsätzlich kein direkter Anspruch auf positive staatliche Leistungen abgeleitet werden, welche die Ausübung des Familienlebens ermöglichen (
BGE 120 V 1
E. 2a S. 4; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 310/93 vom 17. Februar 1994, E. 4b/aa). Jedoch ist bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsnormen sowie bei der Ermessenshandhabung den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen, soweit dies im Rahmen von
Art. 190 BV
, wonach Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind, möglich ist (
BGE 126 V 334
E. 2d S. 340;
BGE 118 V 206
E. 5b S. 211;
BGE 113 V 22
E. 4d S. 32; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 750/04 vom 5. April 2006, E. 5.2, und I 68/02 vom 18. August 2005, E. 3.2). Es ist alsdann abzuwägen zwischen den grundrechtlich geschützten Positionen des Versicherten und dem Anliegen der Einfachheit und Zweckmässigkeit; auch unter grundrechtlichem Aspekt besteht kein Anspruch auf eine bestmögliche Eingliederung (
BGE 118 V 206
E. 5c S. 212; CHRISTIAN SCHÜRER, Grundrechtsbeschränkungen durch Nichtgewähren von Sozialversicherungsleistungen, in: AJP 1997 S. 8).
7.
Im Lichte des Dargelegten greift die Argumentation von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin, es bestehe kein Anspruch auf Hilfsmittel in einer zweiten Wohnung, in dieser apodiktischen Fassung zu kurz. Sie trifft zweifellos zu für Ferienwohnungen oder andere Wohnungen, in denen sich jemand nur ganz sporadisch aufhält. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer einen durch das Grundrecht auf Familie geschützten Anspruch auf Verkehr mit seinen beiden Eltern hat, dies auch dann, wenn die Beziehung zwischen den Eltern beendet ist, die Eltern nicht mehr zusammenleben oder geschieden sind (Urteil des EGMR i.S.
Ciliz gegen Niederlande
vom 11. Juli 2000,
Recueil CourEDH 2000-VIII S. 291
, Ziff. 59 mit Hinweisen; JENS MEYER-LADEWIG,
BGE 134 I 105 S. 111
Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2006, N. 19 zu
Art. 8 EMRK
; Urteil des Bundesgerichts 1C_219/2007 vom 19. Oktober 2007, E. 2.3). Der Anspruch kann faktisch nicht verwirklicht werden, wenn der Beschwerdeführer infolge seiner Behinderung im Haus des Vaters nicht leben kann. Dieser Umstand ist bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen.
8.
Die Vorinstanz hat einen Anspruch auf bauliche Änderungen in einer Zweitwohnung zwar grundsätzlich abgelehnt, aber subsidiär auch damit, dass der Aufwand nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Eingliederungserfolg stünde: Der Beschwerdeführer wohne nur jedes zweite Wochenende und während eines Teils der Schulferien beim Vater, was nicht zu dem durch die Invalidenversicherung zu deckenden Grundbedarf gehöre.
8.1
Auch im Lichte einer grundrechtlichen Würdigung sind die Grundsätze der Einfachheit, Angemessenheit und Verhältnismässigkeit der Hilfsmittelversorgung zu beachten (E. 3), ebenso der Grundsatz der zumutbaren Schadenminderungspflicht (E. 8.2).
8.2
Als Richtschnur gilt, dass die Anforderungen an die Schadenminderungspflicht zulässigerweise dort strenger sind, wo eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung (namentlich durch Bezug einer Rente oder bei einer grundlegend neuen Eingliederung) in Frage steht. Wo es hingegen um die Zusprechung oder Anpassung einzelner Eingliederungsleistungen im Rahmen von Verhältnissen geht, welche auf grundrechtlich geschützte Betätigungen des Versicherten zurückzuführen sind, ist bei der Berufung auf die Schadenminderungspflicht Zurückhaltung geboten. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen die Dispositionen des Versicherten nach den Umständen als geradezu unvernünftig oder rechtsmissbräuchlich betrachtet werden müssen (
BGE 113 V 22
E. 4d S. 32 f.). Auf Grund der Schadenminderungspflicht kann in der Regel nicht zugemutet werden, einen anderen Wohnort zu suchen (
BGE 119 V 255
E. 2 S. 259). In
BGE 113 V 22
E. 4e S. 33 sprach das Eidg. Versicherungsgericht einem Versicherten einen Anspruch auf Amortisationsbeiträge für ein Auto zu, weil er seinen Wohnsitz verlegte und nun für den Arbeitsweg ein Auto benötigte. Wie das Gericht erwog, wird der Grundsatz der Schadenminderung überspannt, wenn einem knapp 40-jährigen Teilerwerbstätigen der Anspruch auf die Beiträge für sein Auto mit dem Argument verweigert wird, es sei ihm zumutbar, während der ganzen verbleibenden
BGE 134 I 105 S. 112
Aktivitätsdauer von über zwanzig Jahren am bisherigen Wohnort wohnhaft zu bleiben. Die Verlegung des Wohnsitzes war aber auch deswegen kein Verstoss gegen die Schadenminderungspflicht, weil der Versicherte angesichts seiner Behinderung bei jeder Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort auf ein Motorfahrzeug mit Automat angewiesen war. In
BGE 118 V 255
wurden ebenfalls Kosten an ein Auto zugesprochen, welches der Versicherte für seinen Arbeitsweg an den neuen Arbeitsort benötigte. Wie das Gericht erwog, folgt aus der Schadenminderungspflicht angesichts der grundrechtlich geschützten Betätigungsmöglichkeiten in der Lebensgestaltung nicht die Pflicht, den Wohnort zu verlegen.
8.3
Im Lichte dieser Rechtsprechung kann die Eingliederungsmassnahme nicht verweigert werden, wenn ohne sie der grundrechtlich geschützte Aufenthalt des Beschwerdeführers beim Vater völlig verunmöglicht würde. Nicht zumutbar wäre auch, wenn der Vater für die Besuche des Sohnes jeweils eine behindertengerechte Wohnung oder ein Hotelzimmer mieten müsste. Umgekehrt ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Aufenthaltsort beim Vater nicht der dauernde Wohnsitz ist. Rechtsprechungsgemäss können Familienangehörigen im Rahmen der familienrechtlichen Beistandspflicht im Einzelfall umfangreiche Hilfestellungen zugemutet werden (AHI 2003 S. 218, E. 2.3.3, I 90/02; SZS 2005 S. 210, E. 3.1, I 3/04). Dies gilt umso mehr, wenn der behinderte Sohn nicht regelmässig beim Vater lebt. Diesem können in dieser beschränkten Zeit tendenziell mehr Hilfeleistungen zugemutet werden als den Eltern eines ständig bei ihnen lebenden behinderten Kindes. Hinzu kommt, dass der Zustand voraussichtlich nicht dauernd ist. Es geht hier primär um eine Hilfsmittelversorgung für den Zeitraum zwischen dem Unfall im zwölften Lebensjahr und dem Schulabschluss; zusätzlich bringt der Beschwerdeführer vor, er werde die Berufslehre in S. absolvieren und während dieser Zeit permanent beim Vater und der Schwester wohnen. Es bleibt aber offen, ob der Beschwerdeführer auch später noch regelmässig beim Vater weilen wird.
9.
Wie bereits dargelegt (E. 3), will das Gesetz die Eingliederung soweit sicherstellen, als sie im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht. Die Akten erlauben keine abschliessende Würdigung dazu, ob mit den Anpassungen am Wohnhaus des Vaters in S. den
BGE 134 I 105 S. 113
genannten Ansprüchen Genüge getan wird. Die vom Schweizer Paraplegiker Zentrum veranschlagten Kosten für behinderungsgerechte Anpassungen von insgesamt Fr. 91'152.60 erachtet das SAHB Hilfsmittel-Zentrum als zu hoch, weil die Anpassungen zum Teil überdimensioniert und bei Abstellen auf Erfahrungswerte der SAHB ein einfacher und zweckmässiger Umbau auf Fr. 40'856.75 zu stehen kommt. Nach dem in E. 8 Ausgeführten bildet unter den konkreten Verhältnissen der letzterwähnte Betrag die oberste Grenze für die von der Beschwerdegegnerin zu sprechende Eingliederungsmassnahme. Es ist aber offen, ob nicht auch bei dem vom Hilfsmittel-Zentrum vorgeschlagenen Projekt noch gewisse Selbsthilfemassnahmen denkbar sind, zum Beispiel um Türschwellen zu überwinden oder das Badezimmer aufzusuchen. Die Sache ist zur näheren Abklärung an die Invalidenversicherung zurückzuweisen. Angesichts des Umstands, dass es sich beim Wohnhaus des Vaters um die zweite vom Beschwerdeführer benutzte Wohnung handelt, besteht nur Anspruch auf einen behinderungsgerechten Umbau in einfachster Ausführung, welcher unter Berücksichtigung der dem Vater zumutbaren Hilfestellungen dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in dessen Haus gerade noch ermöglicht. | mixed |
38d006a3-a268-463f-b5b9-19df496d5c59 | Sachverhalt
ab Seite 361
BGE 135 V 361 S. 361
A.
Mit Nachtragsverfügung vom 23. September 2005 und bestätigendem Einspracheentscheid vom 14. September 2006 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge der nichterwerbstätigen, seit gerichtlicher Ehetrennung im Jahre 1993 unterhaltsberechtigten F. (geb. 1945) für das Jahr 2003 unter Anrechnung des hälftigen, vom Kantonalen Steueramt, Abteilung direkte Bundessteuer, am 21. September 2005
BGE 135 V 361 S. 362
gemeldeten Reinvermögens (Fr. 291'690.- : 2) und Renteneinkommens (Fr. 181'030.- : 2) des seit Dezember 2001 invaliditätsbedingt nicht mehr erwerbstätigen Ehegatten auf Fr. 4'161.20 (einschliesslich Verwaltungskosten) fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde der F. mit dem Antrag, in Aufhebung des Einspracheentscheids vom 14. September 2006 und der Verfügung vom 23. September 2005 seien ihre Beiträge aufgrund ihrer eigenen sozialen Verhältnisse gemäss Einschätzungsentscheid des Kantonalen Steueramtes für das Jahr 2003 (steuerbares Einkommen: Fr. 47'700.-; Vermögen: Fr. 3'000.-) zu bemessen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. April 2008 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt F. ihr vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern; eventualiter sei die Sache zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Die Beschwerde wird abgewiesen. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist die Festsetzung der AHV/IV/EO-Beiträge der als Nichterwerbstätige unstrittig beitragspflichtigen, seit 1993 von ihrem Ehegatten gestützt auf Art. 117 f. ZGB (aArt. 143-147 ZGB) gerichtlich getrennten (und 2005 geschiedenen) Beschwerdeführerin für das Jahr 2003. Umstritten ist namentlich die Rechtsfrage, ob die Beitragsbemessung nach erfolgter Ehetrennung wie bei ungetrennten Ehegatten nach
Art. 28 Abs. 4 AHVV
(SR 831.101; in Verbindung mit
Art. 10 Abs. 3 AHVG
; E. 4.1 hernach) vorzunehmen ist, oder ob diesfalls die bei unverheirateten/geschiedenen Nichterwerbstätigen geltenden Grundsätze der Beitragsfestsetzung (
Art. 10 Abs. 1 Satz 1 AHVG
; E. 4.1 hernach) zur Anwendung gelangen müssen. Die Vorinstanz vertritt den erst-, die Beschwerdeführerin den zweitgenannten Standpunkt.
3.
(Formelle Rüge)
4.
4.1
Gemäss
Art. 10 Abs. 1 Satz 1 AHVG
haben Nichterwerbstätige "je nach ihren sozialen Verhältnissen" einen Beitrag von
BGE 135 V 361 S. 363
324 (heute: 382 Franken [Art. 2 Abs. 2 der bundesrätlichen Verordnung 09 vom 26. September 2008 über Anpassungen an die Lohn- und Preisentwicklung bei der AHV/IV/EO; SR 831.108]) bis 8'400 Franken pro Jahr zu bezahlen.
Art. 10 Abs. 3 AHVG
ermächtigt den Bundesrat, nähere Vorschriften über den Kreis der als Nichterwerbstätige geltenden Personen und über die Bemessung der Beiträge zu erlassen. Gestützt darauf sieht
Art. 28 Abs. 1 AHVV
vor, dass sich die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht (von Gesetzes wegen) der jährliche Mindestbeitrag vorgesehen ist (
Art. 10 Abs. 2 AHVG
), aufgrund des Vermögens und des mit 20 multiplizierten jährlichen Renteneinkommens bemessen. Bei einer verheirateten, als Nichterwerbstätige beitragspflichtigen Person werden die Beiträge gemäss
Art. 28 Abs. 4 Satz 1 AHVV
aufgrund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens bemessen. Dabei ist das im Beitragsjahr tatsächlich erzielte Renteneinkommen und das Vermögen am 31. Dezember massgebend (
Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AHVV
in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung).
4.2
Nach vorinstanzlich vertretener Auffassung gilt die Beitragsbemessung gemäss
Art. 28 Abs. 4 AHVV
für ungetrennte wie getrennte Ehegatten gleichermassen. Der Standpunkt der Beschwerdeführerin, wonach die getrennten Ehegatten wie Geschiedene zu behandeln seien, sei unbegründet, da bei der gerichtlichen Ehetrennung gemäss Art. 117 f. ZGB (wie beim Getrenntleben nach
Art. 175 ff. ZGB
) das rechtliche Band und die allgemeinen Wirkungen der Ehe weiter bestehen blieben und die Ehetrennung hinsichtlich ihrer rechtlichen Folgen (
Art. 118 ZGB
; vgl. E. 5.3.3 hernach) weit mehr der eheschutzrechtlichen Berechtigung zum Getrenntleben als der Scheidung gleiche. Wie bei den übrigen Verheirateten sei auch bei gerichtlich getrennten Ehegatten davon auszugehen, dass sich deren soziale Verhältnisse im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 AHVG
erheblich beeinflussen, sodass es weder gesetzeswidrig noch willkürlich (
Art. 9 BV
) und/oder rechtsungleich (
Art. 8 Abs. 1 BV
) sei, sie den ungetrennten Ehegatten gleichzustellen.
4.3
Die Beschwerdeführerin hält letztinstanzlich an ihrem Standpunkt fest, wonach die Anwendung des
Art. 28 Abs. 4 AHVV
nach (rechtskräftiger) Ehetrennung gesetzes- und verfassungswidrig sei. Ihrem Sinn und Zweck nach sei die Ehetrennung - anders als die Regelung des Getrenntlebens im Rahmen des Schutzes der ehelichen Gemeinschaft (
Art. 175 ff. ZGB
) - als Ersatz für Personen
BGE 135 V 361 S. 364
gedacht, die das Institut der Scheidung (z.B. aus religiösen Gründen) ablehnen. Sie könne dementsprechend nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Scheidung verlangt werden (
Art. 117 Abs. 1 ZGB
). Sodann richte sich das Verfahren der Ehetrennung sinngemäss nach den für die Scheidung geltenden Bestimmungen (
Art. 117 Abs. 2 ZGB
), und das Trennungsurteil sei - insbesondere bezüglich der Unterhaltsbeiträge - nur noch unter strengen Voraussetzungen abänderbar. Der
Art. 28 Abs. 4 AHVV
zu Grunde liegende Gedanke der ehelichen Unterstützungs- und Beistandspflicht greife bei der Ehetrennung nicht, sei hier doch der Wille zum Zusammenleben resp. ein minimalster Zusammenhalt nicht mehr gegeben. Nachdem im vorliegenden Fall die Ehegatten im Jahre 2003 bereits seit zehn Jahren gerichtlich getrennt gelebt hätten und sich die Beistandspflicht des Ehemannes in der Bezahlung der - ihres Erachtens, gemessen an den finanziellen Verhältnissen des Ehegatten, zu tief und ohne Berücksichtigung der von ihr an die Ausgleichskasse zu leistenden AHV/IV/EO-Beiträge festgesetzten - Unterhaltsbeiträge erschöpft habe, sei es stossend (
Art. 9 BV
) und rechtsungleich, die Beschwerdeführerin beitragsrechtlich wie eine ungetrennt lebende Ehegattin und nicht wie eine allein nach ihren eigenen sozialen Verhältnissen beurteilte (
Art. 10 Abs. 1 AHVG
) Geschiedene zu behandeln.
5.
5.1
Gemäss konstanter Rechtsprechung (
BGE 125 V 221
, 230;
BGE 126 V 421
;
BGE 127 V 65
; vgl. ferner SVR 2008 AHV Nr. 15 S. 45, H 114/05 E. 4.1 mit Hinweisen; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 147/05 vom 10. November 2006 E. 5.1; H 163/03 vom 23. Juli 2003 E. 3.2; H 130/01 vom 24. Februar 2003 E. 3.3; H 233/01 vom 4. Februar 2002 E. 2c) ist die in
Art. 28 Abs. 4 Satz 1 AHVV
für verheiratete Nichterwerbstätige vorgesehene Beitragsbemessung gesetzes- und verfassungskonform, dies ungeachtet des Güterstandes der Eheleute, mithin auch bei Gütertrennung (
BGE 103 V 49
[Original frz.; dt. Übersetzung in: Pra 67/1978 Nr. 42 S. 83];
BGE 98 V 92
). Das Bundesgericht (ehemals: Eidg. Versicherungsgericht) hat die Verfassungs- und Gesetzeskonformität der Verordnungsbestimmung namentlich unter dem Blickwinkel der beitragsrechtlichen Ungleichbehandlung von Ehe- und Konkubinatspaaren bejaht (
BGE 125 V 221
). Zur hier umstrittenen Frage, ob die Anwendung des
Art. 28 Abs. 4 AHVV
(auch) im Falle einer gerichtlichen Ehetrennung vor Gesetz und Verfassung standhält, hat sich das Gericht zwar bisher
BGE 135 V 361 S. 365
nicht ausdrücklich geäussert. Es hat aber wiederholt festgestellt, dass sich die Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens bemessen (
Art. 28 Abs. 4 AHVV
),
solange
die Ehegatten
verheiratet
sind (
BGE 126 V 421
) respektive bis zum Ablauf des Monats, in welchem das Scheidungsurteil in Rechtskraft erwächst (
BGE 127 V 65
). Des Weitern entschied das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil H 147/05 vom 10. November 2006, dass die Festsetzung der Beiträge für eine Zeitspanne während der Dauer der Ehe erst nach der Scheidung nichts an der persönlichen Beitrags(zahlungs)pflicht des früheren nichterwerbstätigen Ehegatten und an der Bemessung der Beiträge nach
Art. 28 Abs. 4 AHVV
ändert; dass für die Bemessung der Beiträge u.a. auch auf das Vermögen des Ehegatten während der Dauer der Ehe abgestellt wird, begründet gemäss erwähntem Urteil keine Diskriminierung der Geschiedenen wegen ihrer sozialen Stellung resp. der Lebensform nach
Art. 8 Abs. 2 BV
. Im Gegenteil wird damit eine mit dem Gleichbehandlungsgebot nach
Art. 8 Abs. 1 BV
nicht vereinbare Benachteiligung "der bei der Festsetzung der Nichterwerbstätigenbeiträge (noch) Verheirateten" verhindert (Urteil H 147/05 vom 10. November 2006 E. 5.2). In keinem der zitierten Fälle ist die Gesetzes- und Verfassungskonformität der Beitragsbemessung nach
Art. 28 Abs. 4 AHVV
während der gesamten Dauer der Ehe unter den Vorbehalt gestellt worden, dass die Beitragspflichtigen in ungetrennter Ehe leben.
5.2
Die in der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung implizit und vorinstanzlich ausdrücklich vertretene Auffassung, wonach
Art. 28 Abs. 4 Satz 1 AHVV
auf sämtliche - auch getrennte - Ehegatten während der gesamten Ehedauer anwendbar ist, entspricht dem Wortlaut der Bestimmung: Diese nennt bloss die "verheiratete Person" (frz.: "personne mariée"; ital.: "persona coniugata"); sie knüpft somit an den zivilrechtlichen Personenstand des Verheiratetseins an, ohne zwischen ungetrennten und getrennten Ehegatten zu unterscheiden. Auch in den Sätzen 2-4 des
Art. 28 Abs. 4 AHVV
, welche die Beitragsbemessung im "Kalenderjahr der Heirat", im "Kalenderjahr der Scheidung" und "für die Zeit nach der Verwitwung" regeln, wird die Ehetrennung (wie auch das Getrenntleben nach Art. 175 f. ZGB) nicht eigens erwähnt. Der alleinige Verweis in
Art. 28 Abs. 4 AHVV
auf die "verheiratete Person" mit Verzicht auf eine ausdrücklich abweichende Behandlung gerichtlich getrennter Ehegatten fällt dabei - was die Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestreitet - nicht offensichtlich aus dem Rahmen der
BGE 135 V 361 S. 366
einen weiten Ermessensspielraum einräumenden Delegationsnorm des
Art. 10 Abs. 3 AHVG
(vgl.
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f. mit Hinweisen); namentlich findet sich weder in
Art. 10 AHVG
noch in der übrigen gesetzlichen Beitragsordnung eine
explizite
Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm für eine beitragsrechtlich differenzierte Behandlung getrennter und ungetrennter Ehegatten; im Gegenteil erwähnt das Gesetz bezüglich der AHV/IV/EO-Beitragspflicht und -bemessung (
Art. 3 ff. AHVG
) den Zivilstand "(Ehe-) Trennung" nicht, sondern es spricht generell von "Ehegatten" ungeachtet dessen, ob sie einen gemeinsamen Haushalt führen oder nicht.
5.3
Zu prüfen ist weiter, ob die sich im Rahmen der Delegationsnorm des
Art. 10 Abs. 3 AHVG
haltende beitragsrechtliche Gleichbehandlung aller Ehegatten aus andern Gründen den Anordnungen und Wertungen des Gesetzgebers widerspricht, wie die Beschwerdeführerin einwendet; dabei darf das Gericht sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und hat es auch nicht die Zweckmässigkeit der Regelung zu untersuchen (
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f.;
BGE 131 V 263
E. 5.1 S. 266; je mit Hinweisen).
5.3.1
Die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzliche Beitragsbemessung verheirateter, aber gerichtlich getrennter Ehegatten widerspreche dem Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung, welche ihrerseits den in
Art. 10 Abs. 1 AHVG
statuierten Grundsatz der Beitragsbemessung nach den "sozialen Verhältnissen" konkretisiert.
5.3.2
Die gegenseitige Anrechnung der Renteneinkommen und Vermögen der Ehegatten ist begründet durch die eherechtliche Beistands- und Unterhaltspflicht (
Art. 159 Abs. 3,
Art. 163 Abs. 1 ZGB
), welche die sozialen Verhältnisse der Verheirateten beeinflusst (
BGE 125 V 221
E. 3d/aa S. 226). Dabei ist aus beitragsrechtlicher Sicht grundsätzlich unerheblich, ob und in welchem Umfang die Ehegatten tatsächlich Geldzahlungen leisten (oder anderweitig für den gebührenden Unterhalt sorgen; vgl.
Art. 163 Abs. 2 ZGB
); massgebend ist, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, nötigenfalls auch unter Inanspruchnahme ihres Vermögens, zum Unterhalt der Familie beizutragen (vgl. ZAK 1991 S. 419, H 198/90 E. 4b).
5.3.3
Bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Regelungen mit Anknüpfung an familienrechtliche Sachverhalte (wie Ehe, Verwandtschaft oder Vormundschaft) ist rechtsprechungsgemäss davon
BGE 135 V 361 S. 367
auszugehen, dass der Gesetzgeber vorbehältlich - hier fehlender - gegenteiliger Anordnungen die zivilrechtliche Bedeutung des jeweiligen Instituts im Blickfeld hatte, zumal das Familienrecht für das Sozialversicherungsrecht Voraussetzung ist und diesem grundsätzlich vorgeht (vgl.
BGE 124 V 64
E. 4a S. 67;
BGE 121 V 125
E. 2c/aa S. 127 mit Hinweisen; SVR 2006 BVG Nr. 12 S. 44, B 14/04 E. 3). Nach der zivilrechtlichen Ordnung löst die gerichtliche Ehetrennung die Ehe nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (E. 4.2 hievor) nicht auf; die Getrennten bleiben rechtsgültig verheiratet. Abgesehen vom Wegfall des (mit der Ehe in der Regel einhergehenden, für diese aber nicht zwingend vorausgesetzten [vgl. YVO SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 4-6 zu
Art. 162 ZGB
, mit weiteren Hinweisen; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, N. 2 S. 315]) ehelichen Zusammenlebens sowie der Befugnis zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft (
Art. 166 ZGB
) und der von Gesetzes wegen eintretenden Gütertrennung (
Art. 118 Abs. 1 ZGB
) bleiben die allgemeinen zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe - insbesondere der Personenstand der Eheleute, deren gegenseitiges Erbrecht, die allgemeine Beistandspflicht nach
Art. 159 Abs. 3 ZGB
und die eheliche Unterhaltspflicht (
Art. 163 ZGB
) - grundsätzlich bestehen (vgl. Bundesrätliche Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, [...], BBl 1996 I 1 ff. Ziff. 232 S. 94 [nachfolgend: Botschaft 1995]; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, a.a.O., N. 7 S. 305; DANIEL STECK, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 16 zu Art. 117/118 ZGB; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 26 zu Art. 117/118 ZGB; MARCEL LEUENBERGER, in: Scheidung, FamKomm, 2005, N. 8 zu Art. 117/118 ZGB; PETER BREITSCHMID, in: Handkommentar zum schweizerischen Privatrecht, 2008, N. 6 zu
Art. 118 ZGB
; HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 4. Aufl. 2000, S. 77 Rz. 10.06). Obwohl die Ehetrennung nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Scheidung verlangt werden kann und dieser auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht im Wesentlichen gleichgestellt ist (
Art. 117 Abs. 1 und 2 ZGB
), finden gemäss
Art. 118 Abs. 2 ZGB
hinsichtlich der Trennungsfolgen (abgesehen von der Gütertrennung von Gesetzes wegen nach
Art. 118 Abs. 1 ZGB
) die Bestimmungen über Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft Anwendung (
Art. 171 ff. ZGB
) und stellen die Unterhaltsansprüche
BGE 135 V 361 S. 368
des getrennten Ehegatten ehelichen, nicht nachehelichen Unterhalt dar (
BGE 95 II 68
E. 2a; Urteil 5C.43/2002 vom 28. Mai 2002 E. 2.1, in: FamPra.ch 2002 S. 817); daran ändert nichts, dass bei der Beurteilung des Unterhalts, insbesondere bei der Frage der Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit eines Ehegatten unter Umständen auch die für den nachehelichen Unterhalt geltenden Kriterien miteinzubeziehen sind (vgl.
BGE 128 III 65
). Sodann erleichtert (oder erschwert) das Trennungsurteil eine spätere Scheidung nicht (vgl.
Art. 117 Abs. 3 ZGB
). Schliesslich wird ungeachtet der Gütertrennung ex lege bei der gerichtlichen Ehetrennung im Unterschied zur Ehescheidung kein Vorsorgeausgleich im Sinne der
Art. 122-124 ZGB
vorgenommen, da die eheliche Unterstützungspflicht während der gesamten Ehedauer fortbesteht (vgl. BAUMANN/LAUTERBURG, in: Scheidung, FamKomm, 2005, N. 46 f. zu
Art. 122 ZGB
; s. auch
dieselben
, in: Scheidungsrecht, Praxiskommentar, 2000, N. 5 zu
Art. 122 ZGB
). Wie vom kantonalen Gericht zutreffend festgehalten, gleicht die Ehetrennung daher in ihren rechtlichen Wirkungen weit mehr der Berechtigung zum Getrenntleben nach
Art. 175 ZGB
als der Scheidung (vgl. auch STECK, a.a.O., N. 15 zu Art. 117/118 ZGB; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, a.a.O., N. 7 S. 305; BREITSCHMID, a.a.O., N. 6 zu
Art. 118 ZGB
). Von der gesetzlichen Möglichkeit der Ehetrennung wird denn auch dann Gebrauch gemacht, wenn die
rechtlichen
Folgen einer Scheidung - die Eheauflösung mit Verlust der daran geknüpften Rechte und Pflichten - gerade
nicht
(allenfalls: noch nicht) eintreten sollen. Als Motiv werden dabei in den Gesetzesmaterialien zu Art. 117/118 ZGB wie auch in der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Lehre nebst konfessionellen und erbrechtlichen Interessen ausdrücklich auch sozialversicherungsrechtliche Gründe genannt, da entsprechende Ansprüche im Falle der Ehetrennung erhalten blieben (vgl. Botschaft 1995, a.a.O., BBl 1996 I 1 ff. Ziff. 232 S. 94;
BGE 129 III 1
E. 2.3 S. 5; SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 10 zu Art. 117/118 ZGB; LEUENBERGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 117/118 ZGB; BREITSCHMID, a.a.O., N. 6 zu
Art. 118 ZGB
; HEGNAUER/BREITSCHMID, a.a.O., S. 77 Rz. 10.03).
5.3.4
Besteht die eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht auch nach der gerichtlichen Trennung bis zur Auflösung der Ehe fort, widerspricht es weder dem Sinn und Zweck des
Art. 28 Abs. 4 AHVV
(E. 5.3.2 hievor) noch übergeordnetem Gesetzesrecht, die Beitragsbemessung - dem Wortlaut von
Art. 28 Abs. 4 AHVV
entsprechend (E. 5.2 hievor) - auch bei gerichtlich getrennten Ehegatten
BGE 135 V 361 S. 369
aufgrund einer je hälftigen Anrechnung von Renteneinkommen und Vermögen vorzunehmen. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass diese Lösung einem bewussten gesetzgeberischen Entscheid (qualifiziertes Schweigen) entspricht, der keinen Raum lässt für eine ergänzende Regelung durch die rechtsanwendenden Behörden mittels Analogie und Lückenfüllung (
BGE 134 V 182
E. 4.1 S. 185,
BGE 134 V 15
E. 2.3 S. 16; je mit weiteren Hinweisen). Hätte nämlich der Sozialversicherungsgesetzgeber im hier interessierenden Bereich vom zivilrechtlichen Verständnis, wonach die Ehetrennung für die Ehegatten nicht nur erb-, sondern auch sozialversicherungsrechtlich grundsätzlich ohne Folgen bleibt (E. 5.3.3 hievor), abweichen wollen, hätte er dies auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe ausdrücklich geregelt, wie dies auch in andern Bereichen der AHV/IV-Gesetzgebung der Fall ist, wenn an die Tatsache der gerichtlichen Ehetrennung respektive die richterlichen Auflösung des gemeinsamen Haushaltes bestimmte, gegenüber ungetrennten Ehen abweichende Rechtsfolgen geknüpft werden sollen (so bezüglich der Rentenberechnung [
Art. 35 Abs. 2 AHVG
], der Rentenauszahlung [
Art. 22
bis
Abs. 2 lit. b und
Art. 22
ter
Abs. 2 Satz 3 AHVG
;
Art. 71
ter
AHVV
], aber auch des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen zur AHV/IV [
Art. 4 Abs. 2 ELG
[SR 831.30] in der seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung; sowie
Art. 1,
Art. 4 Abs. 1 lit. b,
Art. 7 Abs. 1 lit. b ELV
[SR 831.301] und die Schlussbestimmung der Änderung vom 28. September 2007, AS 2007 6037; je in der seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung]); Entsprechendes gilt in andern Sozialversicherungszweigen (siehe etwa
Art. 14 Abs. 2 AVIG
[SR 837.0]).
5.4
Mit Blick auf die gebotene verfassungskonforme Auslegung des Verordnungsrechts (
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f.;
BGE 131 V 263
E. 5.1 S. 266; Urteil H 121/06 vom 25. Januar 2007 E. 5, nicht publ. in:
BGE 133 V 153
) bleibt zu prüfen, ob die Subsumtion der getrennten Ehegatten unter
Art. 28 Abs. 4 AHVV
vor
Art. 8 Abs. 1 und
Art. 9 BV
standhält.
5.4.1
Der von der Beschwerdeführerin vorab angerufene Rechtsgleichheitsgrundsatz (
Art. 8 Abs. 1 BV
) verlangt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Der Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung wird insbesondere verletzt, wenn hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in
BGE 135 V 361 S. 370
den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (vgl.
BGE 134 I 23
E. 9.1 S. 42 mit Hinweisen;
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f.;
BGE 131 I 91
E. 3.4 S. 103).
5.4.2
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin besteht zwischen ungetrennten und getrennten Ehegatten insofern ein erheblicher Unterschied, als die eheliche Beistandspflicht mit der Ehetrennung dahinfalle. Dies trifft nach dem unter E. 5.3.3 hievor Gesagten nicht zu: Richtig ist zwar, dass jene Aspekte der Beistands- und Unterhaltspflicht, die einen
gemeinsamen
Haushalt voraussetzen, mit der Ehetrennung ihres Gehalts entleert werden, wie beispielsweise der Beitrag zum Unterhalt mittels Besorgung des Haushalts (
Art. 163 Abs. 2 ZGB
); der in
Art. 118 Abs. 2 ZGB
mit Bezug auf die Trennungsfolgen enthaltene Verweis auf die Eheschutzmassnahmen kann sich daher auch nur auf die Art. 172 und
Art. 175-179 ZGB
, nicht aber Art. 173 f. ZGB (Eheschutzmassnahmen während des Zusammenlebens) beziehen (vgl. STECK, a.a.O., N. 15 zu Art. 117/118 ZGB, mit Hinweisen). Dies ändert aber nichts am Fortbestand namentlich der finanziellen Beistands- und Unterhaltspflicht und daran, dass die getrennten Ehegatten aus der Rechtstatsache der Ehe einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen respektive diese die für die Beitragsbemessung relevanten "sozialen Verhältnisse" beeinflussen kann. Es verhält sich hier nicht wesentlich anders als bei gemeinsam, jedoch - wie die nach Art. 117/118 ZGB gerichtlich getrennten Verheirateten - in Gütertrennung lebenden Ehepartnern ohne Nutzen am Vermögen des andern, bezüglich welcher die Rechtsprechung die Beitragsbemessung nach
Art. 28 Abs. 4 AHVV
als gesetzes- und verfassungskonform erachtet hat (
BGE 103 V 49
). Das Vorgehen nach dieser Bestimmung auch bei gerichtlich getrennten Ehegatten kann zwar bei guten finanziellen Verhältnissen des einen und schlechteren finanziellen Verhältnissen des andern Gatten zu einer höheren Beitragsbelastung des letzteren führen, als wenn dieser allein nach seinen eigenen Verhältnissen (
Art. 10 Abs. 1 AHVG
) beurteilt würde; dasselbe trifft aber auch auf einen in gemeinsamem Haushalt lebenden, finanziell weniger vermögenden (nichterwerbstätigen) Ehegatten im Vergleich zu einem unverheirateten Beitragspflichtigen in gleicher finanzieller Lage zu, welche Ungleichbehandlung das Bundesgericht als sachlich gerechtfertigt erachtet hat (
BGE 125 V 221
E. 3d S. 226 ff.) und wovon abzuweichen kein Anlass besteht. Die Argumentation der Beschwerdeführerin blendet im
BGE 135 V 361 S. 371
Übrigen aus, dass die Beitragspflicht das Äquivalent zu einer staatlichen Leistung darstellt, die ihrerseits bei einer verheirateten Person unter Anrechnung des während der Ehedauer erzielten, rentenbildenden Einkommens des andern Ehegatten berechnet wird (
Art. 29
quater
ff. AHVG
;
Art. 50 ff. AHVV
). Grundsätzlich profitiert mithin der finanziell schwächere Ehegatte - auch der getrennt lebende - leistungsseitig vom höheren (rentenbildenden) Einkommen des andern Ehegatten. Anders als bei einem Geschiedenen in gleich schwacher (eigener) finanzieller Lage, bei welchem es bereits mit der Eheauflösung durch Scheidung zwingend zum sog. Einkommenssplitting kommt (
Art. 29
quinquies
Abs. 3 lit. c AHVG
; vgl.
BGE 131 V 1
; Urteil 9C_518/2008 vom 29. August 2008 E. 2.2), wird dem getrennt (wie dem ungetrennt) lebenden Ehegatten beim - erst im im Zeitpunkt der Rentenberechtigung beider Ehegatten vorgenommenen (
Art. 29
quinquies
Abs. 3 lit. a AHVG
) - Splitting auch das
nach
der Ehetrennung bis zum 31. Dezember vor dem Jahr, in welchem der erste Ehegatte das Rentenalter erreicht hat, erzielte Einkommen angerechnet (
Art. 29
quinquies
Abs. 4 lit. a AHVG
;
BGE 132 V 265
); dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte eine Invalidenrente bezieht (vgl.
Art. 33
bis
Abs. 4 AHVG
;
BGE 127 V 361
). Der gerichtlich getrennte Ehegatte hat alsdann Anspruch auf eine ungekürzte, d.h. nicht der Plafonierung der Ehepaarrente unterliegende eigene Altersrente (
Art. 35 Abs. 2 AHVG
). Kommt somit die Solidarität unter den Ehegatten auf der Leistungsseite grundsätzlich während der gesamten Ehedauer zum Tragen, muss dies gleichermassen auf der Beitragsseite der Fall sein; dies entspricht auch dem Grundsatz, wonach für beide Ehegatten dieselbe Beitragsbemessungsgrundlage gilt (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 233/01 vom 4. Februar 2002 E. 3a).
5.4.3
Nach dem Gesagten ist es sachlich gerechtfertigt, die Beitragsbemessung Nichterwerbstätiger auch im Falle gerichtlicher Ehetrennung nach
Art. 28 Abs. 4 AHVV
vorzunehmen.
Art. 8 Abs. 1 BV
ist somit nicht verletzt. Entgegen der Rüge der Beschwerdeführerin führt die Anwendung des
Art. 28 Abs. 4 AHVV
auf getrennte Ehegatten auch nicht zu einem willkürlichen Ergebnis (
Art. 9 BV
). Die in
Art. 11 AHVG
vorgesehene Möglichkeit, bei Unzumutbarkeit um eine angemessene Herabsetzung oder einen Erlass der Beiträge zu ersuchen, schliesst - aufgrund der hier verlangten konkreten Prüfung der ökonomischen Verhältnisse im Einzelfall (vgl. SVR 2000 AHV Nr. 9 S. 31, H 46/99; vgl. auch, bei
BGE 135 V 361 S. 372
Gütertrennung, ZAK 1981 S. 545, H 171/79) - stossende, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehende (
BGE 134 II 124
E. 4.1 S. 133;
BGE 132 I 175
E. 1.2 S. 177;
BGE 131 I 467
E. 3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen) Beitragsbelastungen grundsätzlich aus. Wie vorinstanzlich zutreffend erwogen, steht ein Herabsetzungsgesuch auch der Beschwerdeführerin offen.
5.5
Die ziffernmässige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2003 wird letztinstanzlich - wie im kantonalen Verfahren - nicht beanstandet, und es ist darauf mangels ins Auge springender Sachverhalts- oder Rechtsfehler nicht zurückzukommen (vgl.
Art. 107 Abs. 1 BGG
). | mixed |
fc5bc7bb-b016-4612-936c-12904041de13 | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 134 I 23 S. 24
A.
A.a
Unter der Bezeichnung "Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis" (VPSW) bestand bisher eine gemäss
Art. 48 BVG
BGE 134 I 23 S. 25
registrierte Stiftung im Sinne der
Art. 80 ff. ZGB
für die Berufsvorsorge der Beamten, Angestellten und Arbeiter der kantonalen Verwaltung (mit Einschluss der kantonalen Schulen), der Staatsanstalten, der Gerichte und der angeschlossenen Institutionen. Sodann existiert unter der Bezeichnung "Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals des Kantons Wallis" (RVKL) eine ebenfalls gemäss
Art. 48 BVG
registrierte öffentlich-rechtliche Institution für die Berufsvorsorge der Lehrkräfte an den (kommunalen) Schulen der Primar- und Orientierungsstufe.
Beide Kassen haben einen Deckungsgrad von deutlich unter 100 % (per 31. Dezember 2006: VPSW 61,55 %, RVKL 43,8 %), weshalb der Kanton Wallis und die Kassen seit Jahren Sanierungsbestrebungen unternehmen.
A.b
Am 12. Oktober 2006 erliess der Grosse Rat des Kantons Wallis ein Gesetz über die staatlichen Vorsorgeeinrichtungen (GVE; Systematische Gesetzessammlung des Kantons Wallis [SGS/VS] 172.5), welches die berufliche Vorsorge der Personen, die beim Kanton arbeiten, des Lehrpersonals der Primar- und Orientierungsschulen sowie des Personals der angeschlossenen Institutionen regelt (Art. 1 Abs. 1 GVE). Dieses sieht vor, dass die VPSW am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes (Art. 30 GVE) in ein unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts umgewandelt und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet wird (Art. 2 Abs. 1 GVE) und dass die RVKL ebenfalls ein mit Rechtspersönlichkeit ausgestattetes unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts darstellt (Art. 3 Abs. 1 GVE). Des Weitern hält es fest, dass die beiden Kassen in Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Dienststellen ihre Fusion prüfen, wobei diese bis spätestens Ende 2009 abgeschlossen sein soll, soweit die durch das Bundesrecht aufgestellten Bedingungen dies erlauben (Art. 38 GVE). Das Gesetz enthält zudem Bestimmungen über die Organisation und die Leistungen der beiden Kassen. Nebst der Umwandlung der VPSW und der als Zielvorgabe festgelegten Zusammenlegung der beiden Pensionskassen verfolgt das Gesetz hauptsächlich das Ziel, die bestehende Unterdeckung der Kassen zu reduzieren. Angestrebt wird - unter Beibehaltung der Staatsgarantie - ein Deckungsgrad von 80 % per 31. Dezember 2009 (Art. 10 GVE). Zu diesem Zweck sind verschiedene Massnahmen vorgesehen, namentlich:
- Aufkapitalisierung durch einen Staatsbeitrag von insgesamt 605 Mio. Franken, in der Form eines verzinslichen und rückzahlbaren Darlehens (Art. 8 und 9 GVE);
BGE 134 I 23 S. 26
- Erhöhung des Rentenalters für bestimmte Kategorien von Angestellten (Art. 15 GVE);
- Festsetzung der Arbeitgeberbeiträge (Art. 17 GVE) mit Reduktion der Arbeitgeberbeiträge um 1,5 % bei allen Kategorien;
- zusätzliche Reduktion der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für die von einer Erhöhung des Pensionierungsalters betroffenen Kategorien (Art. 17 und 18 GVE);
- Reduktion der maximalen AHV-Überbrückungsrente, entsprechend der Erhöhung des ordentlichen Pensionierungsalters (Art. 20 GVE);
- teilweises Einfrieren der Renten (keine Anpassung an die Teuerung; Art. 36 GVE).
Der Staatsrat legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens fest, nachdem er für die VPSW die Einhaltung der zwingenden Bestimmungen des Bundesrechts im Zusammenhang mit der Anpassung der rechtlichen Strukturen der juristischen Personen überprüft hat; er kann eine rückwirkende Inkraftsetzung vorsehen (Art. 44 Abs. 2 GVE).
Das Gesetz wurde im Amtsblatt des Kantons Wallis vom 27. Oktober 2006 publiziert und nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist mit Beschluss des Staatsrates vom 7. Februar 2007, publiziert im Amtsblatt vom 9. Februar 2007, rückwirkend auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt.
B.
P. und B., beide Lehrer an kantonalen Berufsschulen des Kantons Wallis, erhoben je am 8. März 2007 "Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und Verfassungsbeschwerde" mit dem Antrag, das Gesetz sei aufzuheben. Ein von ihnen gleichzeitig gestelltes Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und die Anordnung vorsorglicher Massnahmen wies der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 8. Mai 2007 ab.
Der Grosse Rat des Kantons Wallis beantragt, es sei auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten und die Einheitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
In dem vom Bundesgericht angeordneten zweiten Schriftenwechsel hielten die Parteien an ihren Anträgen fest. Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Gegen kantonale Erlasse ist direkt die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig (
Art. 82
BGE 134 I 23 S. 27
lit. b BGG
), sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann (
Art. 87 BGG
).
3.2
Gemäss
Art. 61 Abs. 1 BVG
bezeichnet jeder Kanton eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf seinem Gebiet beaufsichtigt. Dieser bundesrechtlich vorgesehenen Aufsicht unterstehen nicht nur die privaten, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen (vgl.
Art. 48 und
Art. 50 Abs. 2 BVG
). Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Vorsorgeeinrichtung die gesetzlichen Vorschriften einhält (
Art. 62 BVG
). Sie prüft insbesondere die Übereinstimmung der reglementarischen Bestimmungen mit den gesetzlichen Vorschriften (
Art. 62 Abs. 1 lit. a BVG
). Insoweit übernimmt die BVG-Aufsichtsbehörde auch die abstrakte Normenkontrolle von öffentlich-rechtlichen Erlassen, welche von den zuständigen legislativen oder exekutiven Behörden als reglementarische Vorschriften öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen erlassen worden sind (
Art. 50 Abs. 2 BVG
;
BGE 115 V 368
E. 2 S. 371;
BGE 112 Ia 180
E. 3c S. 187; ULRICH MEYER, Die Rechtswege nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG], ZSR 106/1987 I S. 601 ff., 619 f.; HANS J. PFITZMANN, Tätigkeit und Vorgehen der BVG-Aufsichtsbehörden, in: SZS 1987 S. 273 ff., 281; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 611, 639). Im Lichte dieser Rechtslage stellt sich die Frage, ob auf die direkt gegen das Gesetz erhobenen Beschwerden einzutreten ist oder ob nicht zunächst eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu ergreifen wäre.
3.3
Das angefochtene Gesetz regelt in seinem 1. Kapitel den Bestand der beiden Vorsorgeeinrichtungen und zugleich die Umwandlung der bisher als Stiftung geführten VPSW in eine öffentlich-rechtliche Institution. Das 2. Kapitel sieht unter anderem eine Staatsgarantie für die reglementarischen Verpflichtungen der Kassen, die Übernahme eines Teils der Unterdeckung durch den Staat, die Bildung eines Spezialfonds zur Finanzierung dieser Übernahme sowie Zielvorgaben für den Deckungsgrad und dessen Einhaltung vor. Im 3. Kapitel normiert das Gesetz das Vorsorgesystem, und zwar das beitragspflichtige Gehalt (Art. 13), die Leistungsarten (Art. 14), das ordentliche Rücktrittsalter (Art. 15) und die Versicherungsjahre (Art. 16), die Beiträge der Arbeitgeber (Art. 17) und der Versicherten (Art. 18), die Beitragsnachzahlung (Art. 19) und die AHV-Überbrückungsrente (Art. 20). Das 4. Kapitel widmet sich
BGE 134 I 23 S. 28
der Organisation, Aufsicht und Kontrolle der Kassen. Im 5. Kapitel befinden sich die Übergangs- und Schlussbestimmungen, darunter Normen über die Aufkapitalisierung der VPSW (Art. 31), die Kompetenz des Staatsrates zum Erlass vorübergehender Bestimmungen für die Tätigkeit der Kassen (Art. 32), eine Übergangsregelung für die Erhöhung des ordentlichen Rücktrittsalters und die Änderung betreffend AHV-Überbrückungsrente (Art. 34), die Anpassung der Renten an die Teuerung (Art. 36) sowie den Auftrag an die Kassen, Synergien zu nutzen, eine Fusion und den Übergang vom Leistungs- zum Beitragsprimat zu prüfen (Art. 37-39), ferner Massnahmen zur Bewältigung der finanziellen Situation (Art. 40 und 41) und eine Garantie der wohlerworbenen Rechte (Art. 42).
Das Gesetz enthält somit einerseits (Grundsatz-)Regelungen über die Leistungen und die Beiträge, was typischer Inhalt der Vorsorgereglemente bildet (
Art. 50 Abs. 1 BVG
), welche der Kontrolle der BVG-Aufsichtsbehörde unterstehen. Andererseits regelt es aber auch den Grundsatz, dass überhaupt öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen bestehen, was sich originär aus der kantonalen Souveränität (
Art. 3 BV
) ableitet und durch das BVG nicht geregelt, sondern nur anerkannt wird (
Art. 48 Abs. 2 BVG
). Sodann enthält es Regelungen über die finanziellen Leistungen des Staates (namentlich eine Staatsgarantie und staatliche Leistungen zur Aufkapitalisierung) sowie deren finanzrechtliche Behandlung. Diese Leistungen gehen insofern über die vom Kanton nach
Art. 66 BVG
als Arbeitgeber geschuldeten Beiträge hinaus, als die Kassen nicht nur das Personal des Kantons, sondern auch dasjenige der angeschlossenen Institutionen versichern. Die entsprechenden Regeln betreffen somit den Kanton nicht (nur) als Arbeitgeber, sondern auch als hoheitlich und finanzpolitisch handelnden Staat. Sie beruhen insoweit nicht auf dem BVG, sondern auf einem autonomen Entscheid des kantonalen Gesetzgebers.
3.4
Die Tragweite der BVG-Aufsicht ist im Zusammenhang mit den möglichen Massnahmen zu sehen, welche die Aufsichtsbehörde zur Behebung von Mängeln anordnen kann (
Art. 62 Abs. 1 lit. d BVG
). Die Aufsichtsbehörde kann mit den gesetzlichen Vorschriften nicht übereinstimmende Reglemente oder Teile davon aufheben bzw. deren Nichtanwendbarkeit feststellen und den Vorsorgeeinrichtungen verbindliche Weisungen über die Ausgestaltung entsprechender Bestimmungen erteilen. Dabei hat sie nicht nur zu
BGE 134 I 23 S. 29
untersuchen, ob die Reglemente mit dem BVG und den entsprechenden Ausführungsbestimmungen übereinstimmen, sondern ob dies in Bezug auf die gesetzlichen Vorschriften allgemein der Fall ist (
BGE 112 Ia 180
E. 3b S. 186 f.). Sie kann indessen nur Massnahmen anordnen, die ihre Grundlage im BVG haben (vgl. HANS J. PFITZMANN, Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen im BVG-Obligatorium, in: SZS 1985 S. 233 ff., 237). Sie kann beispielsweise zwar - als Voraussetzung für die Abweichung vom Grundsatz der Bilanzierung in geschlossener Kasse - prüfen, ob eine genügende Staatsgarantie vorliegt (
Art. 45 BVV 2
), aber sie kann nicht den Kanton zur Leistung einer Staatsgarantie oder anderer gesetzlich nicht vorgeschriebener Leistungen verpflichten. Solche Leistungen müssen vielmehr in einem kompetenzgemäss erlassenen staatlichen Gesetz vorgesehen sein (HANS-RUDOLF SCHWARZENBACH, Die Sonderregelung der Beamtenversicherungskassen im BVG, in: SZS 1986 S. 224 ff., 235). Erst wenn sich aus einem formellen kantonalen Gesetz eine solche Garantie ergibt, kann allenfalls die BVG-Aufsicht überprüfen, ob diese Garantie dem Gesetz entspricht (vgl. Urteil 2A.228/ 2005 vom 23. November 2005). Indem das angefochtene Gesetz solche staatlichen Leistungen nicht nur voraussetzt, sondern selber regelt, geht es über den möglichen Inhalt von Reglementsbestimmungen im Sinne von
Art. 50 BVG
hinaus; insoweit unterliegt es nicht der Kontrolle der BVG-Aufsichtsbehörden, so dass die in
Art. 62 und 74 BVG
vorgesehene Zuständigkeitsregelung nicht greift. Die direkte Beschwerde an das Bundesgericht ist daher zulässig (vgl. auch SJ 2001 I S. 413, 1P.23/2000, wo das Bundesgericht auf eine direkte staatsrechtliche Beschwerde gegen ein Gesetz, welches die berufliche Vorsorge der Walliser Magistraten neu regelte, ohne weiteres eintrat). Aufgrund des unlösbar engen Sachzusammenhangs zwischen den finanziellen Leistungen des Staates einerseits sowie dem angestrebten Deckungsgrad und den Leistungen der Kasse andererseits, rechtfertigt es sich, nicht nur bezüglich einzelner Teile, sondern vollumfänglich auf die Beschwerde einzutreten, zumal auch der Entscheid der Aufsichtsbehörde letztinstanzlich wiederum durch das Bundesgericht zu überprüfen wäre.
3.5
Für die gleichzeitig erhobenen subsidiären Verfassungsbeschwerden bleibt damit kein Raum (
Art. 113 BGG
).
4.
Die Beschwerdeführer sind als Versicherte der VPSW zur Beschwerde legitimiert (
Art. 89 Abs. 1 BGG
).
BGE 134 I 23 S. 30
5.
5.1
Umstritten ist hauptsächlich die Erhöhung des Pensionsalters. Die VPSW kannte bisher drei Kategorien von Versicherten. Für die Kategorie 1 (unter welche die Mehrheit des Staatspersonals fiel) betrug das ordentliche Pensionierungsalter 62 Jahre, für die Kategorie 2 (Berufsschullehrer) 60 Jahre und für die Kategorie 3 (Personal der Strafanstalten und der Kantonspolizei) 58 Jahre. Für die Magistraten der Justiz und der Staatsanwaltschaft (Kategorien 4 und 5) ist die Vorsorge spezialgesetzlich geregelt (Gesetz vom 23. Juni 1999 über die berufliche Vorsorge der Magistraten der Exekutive, der Justiz und der Staatsanwaltschaft [SGS/VS 172.13]; Verordnung vom 13. Oktober 1999 über die berufliche Vorsorge der Magistraten der Exekutive, der Justiz und der Staatsanwaltschaft [SGS/VS 172.130]); das ordentliche Pensionierungsalter betrug für dieselben ausser die Strafuntersuchungs- und Jugendrichter (Kategorie 4) grundsätzlich 62 Jahre, für Letztere (Kategorie 5) 60 Jahre. Ebenso konnten die in der RVKL versicherten Lehrkräfte bisher mit 60 Jahren in den Ruhestand treten. Mit dem angefochtenen Gesetz wird das ordentliche Rücktrittsalter für alle Versicherten auf 62 Jahre festgelegt, mit Ausnahme des Personals der Strafanstalten und der Kantonspolizei (Kategorie 3 der VPSW) sowie der Strafuntersuchungs- und der Jugendrichter (Kategorie 5 der VPSW), deren Rücktrittsalter auf 60 Jahre festgelegt wird (Art. 15 Abs. 1 GVE). Somit wird mit dem neuen Gesetz das Pensionierungsalter für die Lehrkräfte der RVKL sowie für die Kategorie 2 der VPSW von 60 auf 62 und für die Kategorie 3 der VPSW von 58 auf 60 erhöht; für die übrigen Kategorien bleibt das Pensionierungsalter unverändert. Die Beschwerdeführer erachten diese neue Regelung unter verschiedenen Titeln als rechtswidrig.
5.2
Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es indessen nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG
). Es gilt insofern eine besondere Rügepflicht, wie sie gestützt auf
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
für die staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat (
BGE 133 IV 286
E. 1.4 S. 287;
BGE 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254; Urteil 5A_433/2007 vom 18. September 2007, E. 2; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 10 zu
Art. 106 BGG
). Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung von
BGE 134 I 23 S. 31
Grundrechten rügen, ist auf die Rechtsmittel nur einzutreten, sofern diese entsprechende Begründungen enthalten.
5.3
Des Weitern ist es nicht Sache des Bundesgerichts, die politische Zweckmässigkeit des angefochtenen Gesetzes zu beurteilen. Die blosse Argumentation, andere Lösungen wären auch möglich oder vorzuziehen gewesen oder andere Kantone kennten grosszügigere Regelungen, kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Gesetzes führen. Das gilt namentlich auch, soweit die Beschwerdeführer die Notwendigkeit oder den Zeitpunkt der (angestrebten) Erhöhung des Deckungsgrads bestreiten mit dem Argument, früher sei ein tieferer Deckungsgrad vom Gesetzgeber bewusst akzeptiert worden. Das Bundesrecht erlaubt den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen einen Deckungsgrad von weniger als 100 %, sofern eine Staatsgarantie vorliegt (
Art. 69 Abs. 2 BVG
;
Art. 45 Abs. 1 BVV 2
), schreibt den Kantonen aber keine solche vor. Es obliegt damit dem gesetzgeberischen Ermessen des Kantons, ob und unter welchen Umständen er für seine öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen eine Garantie übernehmen will. Ein einmal getroffener gesetzgeberischer Entscheid kann in den verfassungsmässigen Schranken auch wieder geändert werden, und zwar nicht nur bei veränderten sachlichen Umständen, sondern auch bei neuer politischer Würdigung unveränderter Umstände (vgl. Pra 87/1998 Nr. 31 S. 227, E. 4, 2P.27/1997; 86/1997 Nr. 1 S. 1, E. 3a und c, 2P.276/1995; URP 2000 S. 324, E. 3c, 1A.208/1999; spezifisch in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorsorgeregelungen: SJ 2001 I S. 413, E. 5a, 1P.23/ 2000; Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.3.1). Dass früher ein tieferer Deckungsgrad akzeptiert oder grosszügigere Leistungen vorgesehen wurden, ist kein rechtliches Argument gegen das jetzige gesetzgeberische Ziel, den Deckungsgrad zu erhöhen, oder gegen die zu diesem Zweck vorgesehenen Massnahmen, ebenso wenig der Umstand, dass die Versicherten bereits bei früheren Sanierungsschritten Verschlechterungen hinnehmen mussten.
6.
6.1
Die Beschwerdeführer bringen vor, viele privat- und öffentlich-rechtliche Bestimmungen des Bundesrechts würden verletzt. Sie rügen damit eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (
Art. 49 Abs. 1 BV
), welche Grundrechtscharakter hat (
BGE 131 I 198
E. 2.3 S. 201;
BGE 130 I 82
E. 2.2 S. 86 f.), weshalb insofern die qualifizierte Rügepflicht gilt (E. 5.2;
BGE 133 III 638
E. 2). Die Beschwerden beschränken sich jedoch weitgehend
BGE 134 I 23 S. 32
darauf, einzelne Artikel von Bundesgesetzen (ZGB, OR, BVG, FZG, FusG) aufzuzählen, ohne darzulegen, inwiefern das angefochtene Gesetz gegen diese Bestimmungen verstossen soll. Dies genügt der Rügepflicht nicht. Auf die Beschwerden ist somit in Bezug auf die angebliche Verletzung von Bundesrecht nur einzutreten, soweit sie nähere Begründungen enthalten, die im Folgenden geprüft werden.
6.2
Die Beschwerdeführer ziehen in Zweifel, ob die im Gesetz vorgesehene Umwandlung der bisherigen privatrechtlichen Stiftung VPSW in ein Institut des öffentlichen Rechts mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (FusG; SR 221.301) vereinbar sei. Ob damit eine hinreichende Beschwerdebegründung vorliegt, ist fraglich, kann aber offenbleiben, da sich die Rüge ohnehin als unbegründet erweist.
6.2.1
Das FusG regelt gemäss seinem Art. 1 Abs. 1 die Anpassung der rechtlichen Strukturen von Kapitalgesellschaften, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Einzelfirmen im Zusammenhang mit Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragungen. Ferner legt es gemäss seinem Art. 1 Abs. 3 die privatrechtlichen Voraussetzungen fest, unter welchen Institute des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichen Rechtsträgern fusionieren, sich in privatrechtliche Rechtsträger umwandeln oder sich an Vermögensübertragungen beteiligen können. Das 4. Kapitel (
Art. 53-68 FusG
) regelt die Umwandlung von Gesellschaften, nicht aber von Stiftungen. Das 6. Kapitel (
Art. 78-87 FusG
) enthält Bestimmungen über die Fusion und Vermögensübernahme von Stiftungen, nicht aber über die Umwandlung. Das 7. Kapitel (
Art. 88-98 FusG
) beinhaltet besondere Vorschriften über die Fusion, Umwandlung und Vermögensübertragung von Vorsorgeeinrichtungen im Sinne des BVG (vgl.
Art. 2 lit. i FusG
). Gemäss
Art. 97 Abs. 1 FusG
können sich Vorsorgeeinrichtungen in eine Stiftung oder in eine Genossenschaft umwandeln. Die Umwandlung einer Stiftung in ein Institut des öffentlichen Rechts ist im FusG nicht vorgesehen.
6.2.2
Die bundesrätliche Botschaft zum Fusionsgesetz vom 13. Juni 2000 führt dazu aus, die Umwandlung einer Stiftung (oder Genossenschaft) in ein Institut des öffentlichen Rechts sei nicht möglich; für entsprechende Restrukturierungen stehe indessen die Vermögensübertragung (
Art. 98 FusG
) zur Verfügung (BBl 2000 S. 4337 ff.,
BGE 134 I 23 S. 33
4479). Diese Auffassung wird auch in der Literatur unter Berufung auf diese Stelle in der Botschaft vertreten (HANS MICHAEL RIEMER, Vorsorgeeinrichtungen und Fusionsgesetz, in: SZS 2004 S. 139 ff., 144; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, in: Peter/Trigo Trindade, Commentaire LFus, Genf 2005, N. 4 zu
Art. 97 FusG
; UELI HUBER, in: Watter/ Vogt/Tschäni/Daeniker [Hrsg.], Basler Kommentar zum Fusionsgesetz, Basel 2005, N. 4 zu
Art. 97 FusG
; STAUFFER, a.a.O., S. 496 Rz. 1320; HANS CASPAR VON DER CRONE et al., Das Fusionsgesetz, Zürich 2004, S. 291 Rz. 750 und Fn. 90).
6.2.3
Die im FusG enthaltene Aufzählung der möglichen Umwandlungen ist zwar abschliessend (BBl 2000 S. 4446; VON DER CRONE et al., a.a.O., S. 271 Rz. 699), dies jedoch nur innerhalb seines Geltungsbereichs. Fällt ein Tatbestand nicht in den Geltungsbereich des FusG, ist er deswegen nicht unzulässig. Vielmehr beurteilt sich seine Zulässigkeit nach den dafür geltenden gesetzlichen Grundlagen. Das FusG stützt sich auf
Art. 122 Abs. 1 BV
und regelt dementsprechend privatrechtliche Verhältnisse (vgl.
BGE 132 III 470
E. 4.2 S. 477 f. sowie E. 5.2 S. 479; RETO T. SCHUMACHER, Die Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz, Diss. Zürich 2005, S. 221). In seinen Geltungsbereich fällt gemäss
Art. 1 Abs. 3 FusG
zwar die Umwandlung öffentlich-rechtlicher in privatrechtliche Rechtsträger, nicht aber der umgekehrte Vorgang, also die Umwandlung einer privatrechtlichen Stiftung in einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger. Denn dadurch fällt der betreffende Rechtsträger aus dem Privatrecht heraus und ist fortan vom öffentlichen Recht zu regeln (BBl 2000 S. 4481;
BGE 132 III 470
E. 5.2 S. 479; VON DER CRONE et al., a.a.O., S. 293 Rz. 754; LUKAS GLANZMANN, Umstrukturierungen, Bern 2006, S. 304 Rz. 792; SCHUMACHER, a.a.O., S. 222), welches in der originären Kompetenz der Kantone liegt (
Art. 3 BV
;
Art. 6 ZGB
). Das angefochtene Gesetz steht daher nicht im Widerspruch zum FusG.
6.3
Die Beschwerdeführer rügen sodann die Verletzung verschiedener Bestimmungen des BVG. Auch diesbezüglich kann offenbleiben, ob die Begründungspflicht eingehalten ist, sind doch die Rügen unbegründet:
6.3.1
Soweit die Beschwerdeführer kritisieren, die Frage einer Totalliquidation sei nicht berücksichtigt, übersehen sie, dass die blosse Änderung der Rechtsform einer Vorsorgeeinrichtung nicht einmal eine Teilliquidation (vgl.
Art. 53b Abs. 1 BVG
; Urteil 2A.48/2003
BGE 134 I 23 S. 34
vom 26. Juni 2003, E. 3.2; FRITZ STEIGER, Die Teilliquidation nach Artikel 53b BVG, in: AJP 2007 S. 1051 ff., 1055), geschweige denn eine Gesamtliquidation darstellt. Ob das mit dem neuen Gesundheitsgesetz verbundene Ausscheiden der Angestellten der Gesundheitseinrichtungen aus der VPSW allenfalls eine Teilliquidation ist (
Art. 53b Abs. 1 lit. a BVG
), wird durch die Aufsichtsbehörde zu prüfen sein und bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. So oder anders ist die Frage von geringer Bedeutung, da keine freien Mittel vorhanden sind, welche verteilt werden könnten (
Art. 23 FZG
).
6.3.2
Die Beschwerdeführer halten
Art. 65d Abs. 2 BVG
für verletzt, weil die Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung nicht auf einer reglementarischen Grundlage beruhten. Diese Rüge ist unbegründet:
Art. 65d BVG
bezieht sich auf Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen, die aufgrund von
Art. 65 BVG
und
Art. 44 BVV 2
unzulässig sind und deshalb grundsätzlich (unter Vorbehalt einer zeitlich befristeten Unterdeckung gemäss
Art. 65c BVG
) von den Vorsorgeeinrichtungen in Eigenverantwortung behoben werden müssen (
Art. 65d Abs. 1 BVG
; Botschaft über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge [Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge] vom 19. September 2003, BBl 2003 S. 6399 ff., 6418). Die Bestimmung gilt damit von vornherein nicht für diejenigen öffentlich-rechtlichen Kassen, bei welchen aufgrund einer Staatsgarantie eine Unterdeckung zulässig ist (BBl 2003 S. 6412), wie das bei den hier zur Diskussion stehenden Einrichtungen der Fall ist.
6.4
Unbegründet ist auch die Rüge, das Verhandlungs- oder Mediationsprinzip sei verletzt, wozu sich die Beschwerdeführer offensichtlich irrtümlich auf
Art. 54 BV
(recte wohl, ebenso irrtümlich, BVG) berufen. Bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen werden die massgebenden Rechtsgrundlagen durch die zuständigen legislativen oder exekutiven Staatsorgane erlassen (
Art. 50 Abs. 2 BVG
), wobei das paritätisch besetzte Organ kein Mitbestimmungs-, sondern nur ein Anhörungsrecht hat (
Art. 51 Abs. 5 BVG
; ZBl 98/ 1997 S. 75, E. 5d/ff, 2P.111/1995; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, S. 71), welches, wie aktenkundig ist, in ausgiebiger Weise gewährt wurde. Das Anhörungsrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass die von den Arbeitnehmerorganisationen eingebrachten Vorschläge vom
BGE 134 I 23 S. 35
zuständigen Gesetzgeber übernommen werden. Solches folgt auch nicht aus der Koalitionsfreiheit (
Art. 28 Abs. 1 BV
;
BGE 129 I 113
E. 3.1 S. 121 f.) oder aus den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 98 vom 1. Juli 1949 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (SR 0.822.719.9), Nr. 150 vom 26. Juni 1978 über die Arbeitsverwaltung (SR 0.822.725.0) oder Nr. 154 vom 19. Juni 1981 über die Förderung von Kollektivverhandlungen (SR 0.822.725.4), welche die entsprechenden Massnahmen unter den Vorbehalt der innerstaatlichen Gesetzgebung stellen und nicht unmittelbar anwendbar sind (vgl. Pra 95/2006 Nr. 107 S. 731, E. 3, 4C.422/2004).
6.5
Nicht gefolgt werden kann den Beschwerdeführern schliesslich auch, soweit sie eine Verletzung der Statuten der VPSW geltend machen. Denn wenn eine vom Kanton gegründete privatrechtliche Stiftung unmittelbar aufgrund bundesrechtmässigen kantonalen öffentlichen Rechts in eine öffentlich-rechtliche Institution überführt wird, bleibt kein Raum für eine Statutenänderung oder eine Auflösung der Stiftung gemäss deren statutarischen Vorschriften, da das öffentliche Recht den Statuten einer privatrechtlichen Stiftung vorgeht.
7.
Die Beschwerdeführer machen geltend, das angefochtene Gesetz ändere die bisherigen Regelungen zum Nachteil der Versicherten ab und verletze damit den Grundsatz von Treu und Glauben (
Art. 9 BV
).
7.1
Das öffentliche Dienstverhältnis wird durch die Gesetzgebung bestimmt und macht daher, auch was seine vermögensrechtliche Seite angeht, die Entwicklung mit, welche die Gesetzgebung erfährt. Ansprüche der Dienstnehmer sind dabei grundsätzlich gegenüber den Massnahmen des Gesetzgebers nur nach Massgabe des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots geschützt. Ein umfassender Schutz besteht nur dort, wo bestimmte Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als wohlerworbene Rechte betrachtet werden können, welche durch den Anspruch auf Treu und Glauben (
Art. 9 BV
) und die Eigentumsgarantie (
Art. 26 BV
) geschützt sind (
BGE 106 Ia 163
E. 1b S. 167 ff.; vgl. auch
BGE 132 II 485
E. 9.5 S. 513). Dies trifft aber für die vermögensrechtlichen Ansprüche der öffentlichen Angestellten in der Regel nicht zu, sondern nur dann, wenn das Gesetz die entsprechenden Beziehungen ein für allemal festlegt und
BGE 134 I 23 S. 36
von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt, oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden (
BGE 118 Ia 245
E. 5b S. 255 f.;
BGE 117 V 229
E. 5b S. 235; Pra 91/2002 Nr. 146 S. 790, E. 3.2, 2P.258/2001; 89/2000 Nr. 22 S. 115, E. 3, 2P.298/1998, Nr. 80 S. 485, E. 4a, 1P.529/1999; 88/1999 Nr. 3 S. 11, E. 6a, 2P.158/1997; 87/1998 Nr. 31 S. 227, E. 2, 2P.27/1997; 86/1997 Nr. 1 S. 1, E. 3b, 2P.276/ 1995; ZBl 102/2001 S. 265, E. 3c, 2P.369/1998; SJ 2001 I S. 413, E. 2, 1P.23/2000).
7.2
Die gleichen Grundsätze gelten auch für die berufliche Vorsorge: Die Statuten öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen dürfen auch dann geändert werden, wenn sie keinen ausdrücklichen Abänderungsvorbehalt aufweisen, wie dies für privatrechtliche Vorsorgestiftungen gefordert wird. Allgemeine Schranken bilden das Willkürverbot und das Gleichbehandlungsgebot. Ein umfassender Schutz besteht nur dort, wo bestimmte Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als wohlerworbene Rechte betrachtet werden können. Dies trifft dann zu, wenn sich Ansprüche aus zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ergeben, wenn das Gesetz die entsprechenden Beziehungen ein für allemal festlegt und von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt, oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden. Wohlerworbene Rechte sind der Rentenanspruch als solcher und der bisher erworbene Bestand der Freizügigkeitsleistung, nicht aber - vorbehältlich qualifizierter Zusicherungen - während der Zugehörigkeit zur Vorsorgeeinrichtung und vor dem Eintritt des Vorsorgefalls das reglementarisch vorgesehene künftige Altersguthaben und die Anwartschaften bzw. die genaue Höhe der mit den Beiträgen finanzierten Leistungen (
BGE 130 V 18
E. 3.3 S. 29;
BGE 127 V 252
E. 3b S. 255;
BGE 117 V 221
E. 5b S. 227 f.,
BGE 117 V 229
E. 5b S. 235; SVR 2007 BVG Nr. 23 S. 78, E. 4.2, B 72/05; 2000 BVG Nr. 12 S. 57, E. 3c, B 60/99; SZS 2003 S. 429, E. 6.1 und 6.3, B 94/01; 1997 S. 49, E. 2a, B 23/94; 1994 S. 373, E. 6, B 14/91; 1989 S. 313, E. 3b, P.1079/1987; SJ 2001 I S. 413, E. 2, 1P.23/2000; Urteile 2A.562/2005 vom 28. Juni 2006, E. 5.1, und 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2; THOMAS GEISER, Änderung von Vorsorge-Reglementen und wohlerworbene Rechte, in: AJP 2003 S. 619 ff., 624; UELI KIESER, Besitzstand, Anwartschaften und wohlerworbene Rechte in der beruflichen Vorsorge, in: SZS 1999 S. 290 ff., 310 ff.; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 104
BGE 134 I 23 S. 37
Rz. 5; SCHNEIDER, a.a.O., N. 20 zu
Art. 88 FusG
; STAUFFER, a.a.O., S. 507 ff.). Rentenanwartschaften sind auch dann abänderlich, wenn mit den Prämien Leistungen finanziert wurden, die nun reduziert oder gestrichen werden (Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2; vgl. auch in Bezug auf Änderungen des Umwandlungssatzes
BGE 133 V 279
E. 3.1 S. 284 f.). Insbesondere ist die Möglichkeit, vor dem ordentlichen (
Art. 13 Abs. 1 BVG
) Pensionierungsalter in den Ruhestand zu treten, nicht verfassungsrechtlich geschützt (
BGE 117 V 229
E. 5c S. 235 ff.; SJ 2001 I S. 413, E. 5c, 1P.23/2000; SZS 1989 S. 313, E. 3d, P.1079/1987; KIESER, a.a.O., S. 312; RIEMER/ RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 108 Rz. 21), ebenso wenig ein wertmässiger Anspruch auf einen bestimmten Arbeitgeberbeitrag (
BGE 117 V 221
E. 5b S. 227 f.). Die gleichen Grundsätze müssen auch gelten, wenn im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geregelten Dienstverhältnisses eine privatrechtlich organisierte Pensionskasse durch eine öffentlich-rechtliche ersetzt wird.
7.3
Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Massnahmen werden seitens des Kantons vor allem mit der angestrebten Erhöhung des Deckungsgrades begründet. Entsprechend der Unterdeckung besteht eine Staatsgarantie. Die angestrebte Erhöhung des Deckungsgrades reduziert das Risiko für den Kanton, aufgrund dieser Staatsgarantie Leistungen erbringen zu müssen. Es fragt sich, ob die bisher bestehende Staatsgarantie prinzipiell oder umfangmässig zu den wohlerworbenen Rechten gehört.
7.3.1
Im Rahmen des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Pensionskasse des Bundes (PKB-Gesetz; SR 172.222.0), mit welchem der Übergang zur Bilanzierung in geschlossener Kasse festgelegt wurde (
Art. 15 PKB-Gesetz
), ging der Bundesgesetzgeber davon aus, dass die bisherige Unterdeckung, die vor allem aus nicht finanzierten Leistungen für die Eintrittsgeneration und für Erhöhungen des versicherten Verdienstes resultierte, einer Arbeitgeberschuld entspreche (Botschaft zum Bundesgesetz über die Pensionskasse des Bundes vom 1. März 1999, BBl 1999 S. 5223 ff., 5248), weshalb der Fehlbetrag von den Arbeitgebern übernommen wurde (
Art. 26 PKB-Gesetz
). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass diese Lösung verfassungsrechtlich die einzig zulässige wäre.
7.3.2
Die Rechtsprechung hat sich bisher zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäussert. Im Urteil 2A.228/2005 vom 23. November 2005 wurde eine rückwirkende Aufhebung einer vom
BGE 134 I 23 S. 38
Gemeinwesen geleisteten Mindestzinsgarantie als unzulässig erklärt, während die Aufhebung für das laufende Jahr unbestritten blieb. In der Lehre wird die Ansicht vertreten, bei Vorsorgeeinrichtungen mit offener Bilanzierung sei eine Leistungsreduktion nicht zulässig; dies wird einerseits mit
Art. 91 BVG
begründet, andererseits damit, dass eine Unterdeckung weder im Freizügigkeits- (
Art. 19 FZG
) noch im Liquidationsfall (
Art. 53d Abs. 3 BVG
e contrario) berücksichtigt werden dürfe, mithin die gesamte nach
Art. 16 FZG
berechneten Barwerte die mathematische Reserve bilden, die als wohlerworbene Rechte geschützt seien (JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER/ERIC MAUGUÉ, Caisses de pensions publiques: garantie étatique et modification du plan des prestations, in: SVZ 68/2000 S. 65 ff.).
7.3.3
Die Bedeutung des
Art. 91 BVG
liegt im intertemporalrechtlichen Bereich: Insbesondere sollen vorobligatorische Ansprüche nur abgeändert werden dürfen, wenn und soweit das Reglement der betreffenden Vorsorgeeinrichtung hierüber eine ausdrückliche Bestimmung enthält. Hinsichtlich der allgemeinen Garantie wohlerworbener Rechte sagt
Art. 91 BVG
jedoch nichts aus, was nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht ohnehin gelten würde.
Art. 91 BVG
bezieht sich somit nicht auf die Frage, ob und unter welchen Umständen Vorsorgeeinrichtungen des privaten und öffentlichen Rechts gegebenenfalls im ausserobligatorischen Bereich ihre Reglemente und Statuten abändern dürfen (SZS 1994 S. 373, E. 7a, B 14/91; GEISER, a.a.O., S. 624). Auch ist die Staatsgarantie als solche keine gesetzlich zwingende Leistung. Das Bundesrecht sieht die Möglichkeit einer solchen Garantie vor, schreibt sie aber den Kantonen nicht vor. Es muss daher grundsätzlich zulässig sein, eine einmal festgelegte Garantie auch wieder aufzuheben (vorne E. 5.3, 7.1 und 7.2). Das Bundesrecht verbietet zwar im Freizügigkeitsfall eine Berücksichtigung von Unterdeckungen, doch folgt daraus nicht, dass eine einmal gewährte Staatsgarantie nach Bestand und Umfang unabänderlich wäre. Die gegenteilige Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, bestimmte einmal gewährte vermögensrechtliche Ansprüche öffentlicher Bediensteter ein für allemal für unabänderlich zu erklären, was der zitierten ständigen Rechtsprechung zuwiderliefe. Eine Parallelität zwischen Freizügigkeitsleistung und wohlerworbenen Rechten gibt es auch bei privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen nicht: Auch dort muss im Freizügigkeitsfall den Austretenden die ungeschmälerte Austrittsleistung mitgegeben werden (
Art. 2 und 15 ff. FZG
), während
BGE 134 I 23 S. 39
die in der Einrichtung Verbleibenden unter Umständen zu Sanierungsanstrengungen herangezogen werden können (
Art. 65d BVG
) und damit gegenüber den Austretenden allenfalls benachteiligt werden.
7.4
Im Entwurf zum angefochtenen Gesetz war vorgesehen, dass das bei Inkrafttreten zu Vorsorgezwecken angehäufte Vermögen sowie der Anspruch auf Leistungen, deren Voraussetzungen bereits erfüllt sind, als wohlerworbene Rechte garantiert werden. Der Grosse Rat ergänzte in Art. 42 GVE diese Garantie um den bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rentensatz. Gemäss Art. 83 Abs. 2 des vom Staatsrat erlassenen Grundreglements der Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis vom 7. Februar 2007 werden zu diesem Zweck die Versicherungsjahre, welche durch die am 31. Dezember 2006 der Kasse angeschlossenen Versicherten der Kategorie 2 im Sinne der zu diesem Zeitpunkt geltenden Statuten erworben wurden, am 1. Januar 2007 je zu 16/15 gutgeschrieben. Mit diesen Regelungen ist der verfassungsrechtliche Schutz jedenfalls eingehalten.
7.5
Ein weiter gehender verfassungsrechtlicher Schutz wohlerworbener Rechte käme höchstens in Frage, wenn die zuständigen Behörden des Kantons feste individuelle Zusicherungen in Bezug auf die Beibehaltung der bisherigen Leistungen gemacht hätten. Dies behaupten die Beschwerdeführer selber nicht. Sie bringen nur vor, die Leistungen der Pensionskasse seien über Jahre Bestandteil der Lohn- und Personalpolitik des Kantons und ein gängiges Werbeargument bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter gewesen. Der blosse Umstand, dass eine Behörde bisher eine bestimmte Behandlung hat zukommen lassen, stellt indessen noch keine Vertrauensgrundlage dar (
BGE 129 I 161
E. 4.2 S. 170; SZS 1997 S. 49, E. 3, B 23/94; ZBl 107/2006 S. 309, E. 3, 1P.58/2004; vgl. für das privatrechtliche Vorsorgeverhältnis
BGE 133 V 279
E. 3.2 S. 285) und schliesst namentlich nicht aus, dass der Staat seine Lohn- oder Personalpolitik ändert. Wer in den Staatsdienst tritt, muss damit rechnen, dass das Gesetz, welches die Rechtsstellung der Staatsangestellten regelt, grundsätzlich jederzeit geändert werden kann (SZS 1997 S. 49, E. 2c, B 23/94).
Auch dass der Staatsrat früher Bedenken betreffend den tiefen Deckungsgrad mit dem Hinweis auf die Staatsgarantie beantwortet habe, kann den Gesetzgeber nicht daran hindern, später
BGE 134 I 23 S. 40
Massnahmen zu treffen, welche den Deckungsgrad erhöhen. Ob der Zeitpunkt oder das Ausmass der angestrebten Erhöhung angemessen sind, ist eine Frage des gesetzgeberischen Ermessens. Auch die den Beschwerdeführern ausgestellten Versicherungs- bzw. Leistungsausweise stellen keine Vertrauensgrundlage dar, zumal sie festhalten, dass für die Berechnung der Leistungen die Bestimmungen der Statuten 2000 massgebend seien, ohne jedoch diese Statuten als unabänderlich zu erklären (vgl. auch Gutachten des Bundesamtes für Justiz über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Rentenkürzungen bei Publica und den Pensionskassen Post und SBB, publ. in: VPB 70/2006 Nr. 68 S. 1054 ff., 1074 f.; Urteil B 94/01 vom 13. September 2002 [mit Zusammenfassung in: SZS 2003 S. 429], E. 6.3).
7.6
7.6.1
Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass unter Umständen angemessene Übergangsfristen für neue belastende Regelungen verfassungsrechtlich geboten sein können (
BGE 130 I 26
E. 8.1 S. 60; Pra 2000 Nr. 22 S. 115, E. 4c, 2P.298/1998, Nr. 128 S. 745, E. 4c, 2P.56/1999). Übergangsfristen haben jedoch nicht den Zweck, die Betroffenen möglichst lange von der günstigeren bisherigen Regelung profitieren zu lassen, sondern einzig, ihnen eine angemessene Frist einzuräumen, sich an die neue Regelung anzupassen (
BGE 123 II 385
E. 9 S. 395 f.;
BGE 122 V 405
E. 3b/bb S. 409; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 77 f.). Dies gilt auch für die Änderung von besoldungs- oder pensionsrechtlichen Ansprüchen öffentlicher Angestellten: Eine mit Treu und Glauben begründete Übergangsfrist soll den Betroffenen ermöglichen, ihre Lebenshaltung an ein allfällig reduziertes Einkommen anzupassen (
BGE 130 V 18
E. 3.3 S. 29 f.; SJ 2001 I S. 413, E. 5b, 1P.23/2000; Pra 1997 Nr. 1 S. 1, E. 4c, 2P.276/1995; Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2), bei besoldungsrechtlichen Ansprüchen z.B. durch Kündigung vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung, so dass allenfalls ein Anspruch auf eine Übergangsfrist im zeitlichen Rahmen der Kündigungsfrist oder von vergleichbarer Dauer anerkannt werden könnte (vgl. Pra 1998 Nr. 31 S. 227, E. 5, 2P.27/1997; 1997 Nr. 1 S. 1, E. 4c, 2P.276/1995; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 78 f.). Die Rechtsprechung hat allerdings das Fehlen einer Übergangsregelung nur zurückhaltend als verfassungswidrig beurteilt und namentlich bei relativ geringfügigen Leistungseinbussen auch eine übergangslose Inkraftsetzung
BGE 134 I 23 S. 41
einer neuen Regelung nicht beanstandet (Urteil P.359/1978 vom 22. Februar 1980, E. 6c nicht publ. in
BGE 106 Ia 163
; Pra 2000 Nr. 22 S. 115, E. 4c mit Hinweisen, 2P.298/1998; 1999 Nr. 3 S. 11, E. 6b, 2P.158/1997; vgl. auch für das privatrechtliche Vorsorgeverhältnis
BGE 133 V 279
E. 3.3 S. 286). Bei vorsorgerechtlichen Verhältnissen sind freilich die Konsequenzen einer Verschlechterung nur sehr eingeschränkt durch Kündigung abwendbar, so dass sich allenfalls tendenziell längere Übergangsfristen rechtfertigen lassen.
7.6.2
Art. 34 des angefochtenen Gesetzes enthält die Grundsätze, in deren Rahmen die Kassen eine Übergangsregelung betreffend die Erhöhung des ordentlichen Rücktrittsalters und die Änderungen im Zusammenhang mit der AHV-Überbrückungsrente vorsehen (Abs. 1). Die Übergangsmassnahmen werden den Begünstigten während einer Zeitspanne von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes gewährt (Abs. 2). Die Übergangsregelung basiert bezüglich der Erhöhung des Rücktrittsalters auf einer progressiven Reduktion der Leistungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung (Abs. 3), bezüglich der AHV-Überbrückungsrente auf einer progressiven Reduktion der Anzahl jährlicher Maximalrenten, in Abhängigkeit vom Rücktrittsjahr (Abs. 4). Diese Grundsätze sind zweckmässig und sinnvoll, indem sie die Folgen der Rechtsänderung zeitlich gestaffelt eintreten lassen (vgl. SJ 2001 I S. 413, E. 5c, 1P.23/2000). Wer beim Inkrafttreten des Gesetzes kurz vor der nach bisherigem Recht möglichen Pensionierung steht, erleidet nur eine geringe Einbusse. Die volle Leistungskürzung tritt erst nach fünf Jahren ein, und zudem nur, wenn die versicherte Person im bisher vorgesehenen Pensionsalter zurücktritt. Arbeitet sie bis zum neu vorgesehenen Pensionsalter weiter - welches immer noch tiefer ist als das für die Mehrheit der Versicherten geltende gesetzliche Rentenalter - erleidet sie keine Renteneinbusse. Die für die Anpassung der Lebensplanung eingeräumte Frist von mehreren Jahren ist unter diesen Umständen im Lichte der dargestellten Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch SZS 1989 S. 313, E. 4f., P.1079/1987). Das blosse Interesse der Versicherten auf möglichst lange Weitergeltung der bisherigen günstigeren Regelung ist kein verfassungsrechtlich zwingender Grund für eine längere Übergangsdauer, ebenso wenig der Umstand, dass bei anderen Gesetzesrevisionen längere Übergangsfristen festgesetzt worden sind (vorne E. 5.3).
BGE 134 I 23 S. 42
8.
Offensichtlich unbegründet ist die Rüge, das angefochtene Gesetz sei willkürlich. Ein Erlass ist willkürlich, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist (
BGE 131 I 1
E. 4.2 S. 6;
BGE 129 I 1
E. 3 S. 3;
BGE 124 I 297
E. 3b S. 299). Das angefochtene Gesetz bezweckt eine Erhöhung des Deckungsgrades der kantonalen Vorsorgeeinrichtungen. Dies ist ohne weiteres ein haltbarer sachlicher Grund (
BGE 117 V 229
E. 5c S. 237; SZS 1989 S. 313, E. 4e, P.1079/1987; VPB 70/2006 Nr. 68 S. 1079) und trägt überdies den gesetzgeberischen Bestrebungen auf eidgenössischer Ebene Rechnung (vgl. die parlamentarische Initiative 03.432 [Beck], welche eine Aufhebung von
Art. 69 Abs. 2 BVG
anstrebt und der vom Nationalrat Folge gegeben wurde [AB 2005 N 21 ff.; 2007 N 566 f.]; Vernehmlassungsvorlage vom Juni 2007 "Finanzierung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen", Änderung des BVG), auch wenn diese umstritten sein mögen (CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl., Bern 2006, S. 453 ff.; MEINRAD PITTET, Die öffentlichen Pensionskassen in der Schweiz, Bern 2005, S. 99 ff.). Auch die Harmonisierung des Pensionsalters der Lehrer mit demjenigen des übrigen Staatspersonals ist ohne weiteres ein sachlich haltbares Anliegen. Sie ist auch nicht unverhältnismässig, ist sie doch erforderlich und geeignet, um das angestrebte legitime Ziel zu erreichen, und zudem auch nicht unverhältnismässig im engeren Sinne, stellt sie doch im Wesentlichen einfach die betroffenen Lehrkräfte den übrigen Staatsangestellten gleich (vgl. dazu hinten E. 9.2).
9.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Rechtsgleichheit (
Art. 8 BV
) mit der Begründung, die Versicherten von nur zwei der fünf Kategorien hätten durch eine Erhöhung des Pensionierungsalters die Hauptlast der Sanierung zu tragen (vgl. vorne E. 5.1).
9.1
Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (
Art. 8 Abs. 1 BV
) ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden,
BGE 134 I 23 S. 43
je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (
BGE 132 I 157
E. 4.1 S. 162 f.;
BGE 131 V 107
E. 3.4.2 S. 114;
BGE 130 I 65
E. 3.6 S. 70).
9.2
Durch das angefochtene Gesetz wird nicht etwa zum Nachteil der betroffenen Lehrkräfte (Primarschul-, Orientierungsstufen- und Berufsschullehrer) eine Ungleichheit neu geschaffen, sondern im Gegenteil eine vorher bestehende Ungleichheit aufgehoben, indem das früher tiefere Pensionsalter der betreffenden Versicherten demjenigen des übrigen Staatspersonals angeglichen wird. Rechtfertigungsbedürftig ist weniger die jetzt hergestellte Gleichbehandlung als die vorher bestehende Ungleichbehandlung. Es liegt zwar innert bestimmter Grenzen im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, bestimmte Gruppen von Versicherten im Hinblick auf besondere berufliche Anforderungen früher als andere zu pensionieren, weshalb es nicht unzulässig ist, dass der Kanton Wallis für die Kategorien 3 und 5 nach wie vor ein tieferes Pensionierungsalter als für die übrigen Angestellten festlegt. Jedenfalls bestehen aber keine verfassungsrechtlich zwingenden Gründe dafür, auch die betroffenen Lehrkräfte zwei Jahre früher als andere Staatsangestellte zu pensionieren. Der Gesetzgeber verstösst nicht gegen
Art. 8 BV
, wenn er eine bisher bestehende, verfassungsrechtlich allenfalls zulässige, aber jedenfalls nicht zwingende Ungleichbehandlung aufhebt (SJ 2001 I S. 413, E. 5a, 1P.23/2000; SZS 1989 S. 313, E. 4d, P.1079/1987). Dass dies von den bisher Bevorzugten als Nachteil empfunden wird, liegt in der Natur der Sache, ist aber verfassungsrechtlich nicht unzulässig, wäre es doch sonst a priori unmöglich, einmal festgesetzte Ungleichbehandlungen zu eliminieren.
9.3
Es trifft zu, dass eine gewisse Ungleichbehandlung zwischen den aus der VPSW ausscheidenden (u.a. diejenigen, die in das Réseau Santé Valais überführt werden) und den in dieser verbleibenden Versicherten besteht: Die Ausscheidenden erhalten 100 % ihrer Austrittsleistung, während die Verbleibenden nicht mehr diejenigen Leistungen bekommen werden, welche nach bisherigem Recht den in der Vergangenheit einbezahlten Beiträgen entsprechen würden. Diese Bevorzugung der Austretenden folgt aber aus den bundesrechtlichen Vorschriften, welche zwingend vorschreiben,
BGE 134 I 23 S. 44
den ausgetretenen Versicherten die volle Austrittsleistung mitzugeben (
Art. 2 und 15 ff. FZG
), namentlich auch bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Unterdeckung (
Art. 19 FZG
). Bei bestehender Unterdeckung müssen deshalb die fehlenden Mittel zwangsläufig durch das Gemeinwesen bezahlt werden. Die von den Beschwerdeführern beanstandete Zahlung zugunsten der Austretenden ist damit bundesrechtlich vorgegeben. Daraus kann aber, anders als die Beschwerdeführer offenbar annehmen (ebenso SCHNEIDER/ MAUGUÉ, a.a.O., S. 74), nicht abgeleitet werden, dass aus Rechtsgleichheitsgründen auch den verbleibenden Versicherten keine Sanierungsmassnahmen in Form von Leistungsänderungen auferlegt werden könnten. Es entspricht dem Grundkonzept von BVG und FZG, dass Personen, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls aus der Vorsorgeeinrichtung ausscheiden, mit der Entrichtung des Freizügigkeitsguthabens ihre Beziehungen zur bisherigen Einrichtung beenden: Sie haben (ausser im Falle der Liquidation,
Art. 23 FZG
) keinen Anspruch mehr auf freie Mittel, können umgekehrt aber auch nicht mehr zu Sanierungsleistungen herangezogen werden (vgl. vorne E. 7.3.3). Diese obliegen dem Arbeitgeber und den (verbleibenden) Arbeitnehmern als Solidargemeinschaft der Versicherungseinrichtung (
Art. 65d BVG
). Könnten die verbleibenden Versicherten nicht mehr zu Sanierungsmassnahmen herangezogen werden, so wären solche überhaupt nicht oder nur auf Kosten des Arbeitgebers möglich; dies widerspräche bei Einrichtungen mit geschlossener Kasse der gesetzlichen Regelung (
Art. 65 ff. BVG
) bzw. würde bei Einrichtungen mit offener Kasse zwingend implizieren, dass die einmal gewährte Staatsgarantie auch in der Höhe unveränderlich wäre, was indessen dem Grundsatz der jederzeitigen Änderung der Gesetzgebung (vorne E. 7.1 und 7.2) widerspräche. Die Ungleichbehandlung von Ausgetretenen und Verbleibenden ist damit unausweichlich (STAUFFER, a.a.O., S. 414 Rz. 1114, S. 510 Rz. 1351); unter anderem um diese in Zukunft zu vermeiden oder zu reduzieren, werden heute in den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen höhere Deckungsgrade angestrebt als in der Vergangenheit (vgl. vorne E. 8). Die Ungleichbehandlung wird immerhin dadurch gemildert, dass die Verbleibenden weiterhin die Staatsgarantie geniessen (Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992, BBl 1992 III 533 ff., S. 595; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 73).
BGE 134 I 23 S. 45
9.4
Eine Ungleichbehandlung könnte allenfalls darin erblickt werden, dass die von der neuen Regelung Betroffenen in der Vergangenheit durch höhere Beiträge ihr früheres Pensionierungsalter vorfinanziert haben und infolge der Neuregelung nun - anders als die übrigen Versicherten - für diese Beiträge keine entsprechenden Leistungen mehr erhalten.
9.4.1
Dabei können allerdings von vornherein nur die Arbeitnehmerbeiträge von Bedeutung sein, die in der Kategorie 2 um 1 Lohnprozent höher waren als in der Kategorie 1; die bisher um 1,6 Lohnprozent höheren Arbeitgeberbeiträge stellten eine besondere Privilegierung der Kategorie 2 dar, auf deren Fortbestand kein verfassungsrechtlicher Anspruch bestehen kann (vorne E. 9.2).
9.4.2
In der Rechtsprechung wurde eine Ungleichbehandlung bejaht, wenn durch ein unfreiwilliges Ausscheiden aus einer Vorsorgeeinrichtung der Vorsorgeschutz nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. SZS 1994 S. 373, E. 8, B 14/91). Hier ist indessen eine Weiterführung des Vorsorgeschutzes möglich, sogar ohne Renteneinbusse, wenn die Versicherten bis zum neu vorgesehenen (immer noch relativ tiefen) Pensionsalter weiterarbeiten.
9.4.3
Als gegen die Rechtsgleichheit verstossend hat das Gericht bei einer Beitragsprimatkasse eine Regelung qualifiziert, wonach freiwillig versicherte Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung, die keinen Anspruch auf vorzeitige Pensionierung hatten, an der Finanzierung der vorzeitigen Pensionierung der obligatorisch versicherten Mitglieder durch höhere Beiträge mitzuwirken hatten; dem freiwillig Versicherten wurde daher ein Anspruch auf Rückerstattung der zur Finanzierung des flexiblen Rentenalters der obligatorisch versicherten Mitglieder entrichteten (zusätzlichen) Beiträge zuerkannt (SZS 1997 S. 331, B 37/93). Im Unterschied zu jenem Fall müssen vorliegend die Angehörigen der Kategorie 2 nicht eine vorzeitige Pensionierung einer anderen Gruppe mitfinanzieren. Zudem handelt es sich bei der VPSW bisher um eine Leistungsprimatkasse, bei welcher - im Unterschied zu einer Beitragsprimatkasse (SZS 1997 S. 331, E. 5b/bb, B 37/93) - das individuelle Äquivalenzprinzip nicht gilt, sondern der Anspruch vom Barwert der erworbenen Leistung abhängt und sich mit diesem ändern kann (vgl.
Art. 16 Abs. 6 FZG
; Urteil 2A.396/2003 vom 30. September 2004, E. 5.1). In solchen Systemen sind unterschiedliche Methoden der Leistungsfinanzierung verfassungsrechtlich
BGE 134 I 23 S. 46
zulässig, auch wenn sie dazu führen, dass nicht alle Versicherten in genau gleicher Weise zu den letztlich gleichen Leistungen beitragen (
BGE 121 II 198
E. 4 S. 204 f.).
9.4.4
Im Urteil P.1079/1987 vom 30. September 1988, publ. in: SZS 1989 S. 313, wurde eine Rechtsungleichheit verneint bei einer mit der vorliegenden vergleichbaren Regelung, welche eine nach früherem Recht bestehende (allerdings nur ungenügend finanzierte) Möglichkeit für Lehrkräfte, mit 60 Jahren mit nur unwesentlich gekürzter Rente in den Ruhestand zu treten, aufhob. Dabei liess auch der Umstand, dass dafür eine Pflicht zum rückwirkenden Einkauf bestanden hatte, den Verlust des weitgehenden Pensionierungsanspruchs nicht als verfassungswidrig erscheinen (E. 3 und 4); allerdings wurde offen gelassen, ob und inwieweit ein Anspruch auf Rückerstattung des seinerzeit zwecks Rückeinkaufs bezahlten Betrags bestehe (E. 5). Verneint wurden eine Rechtsungleichheit und ein Anspruch auf Rückforderung in einem Fall, in welchem ein Versicherter eine Summe für den Auskauf einer Rentenkürzung bei vorzeitiger Pensionierung geleistet hatte, in der Folge der Arbeitgeber jedoch eine generelle vorzeitige Pensionierung anordnete und somit auch diejenigen, die keine Auskaufssumme geleistet hatten, in den Genuss der gleichen Leistung gelangten; das Eidg. Versicherungsgericht erwog, anders als in dem in SZS 1997 S. 331, B 37/93, beurteilten Sachverhalt habe der Versicherte mit der streitigen Auskaufssumme nicht zur Finanzierung der vorzeitigen Pensionierung derjenigen (vorzeitig pensionierten) Versicherten beigetragen, die sich nicht auf das 63. Altersjahr eingekauft haben; auch sei er in seinen Rechten nicht geschmälert, bloss ziehe er aus dem damaligen Auskauf keinen Vorteil, weil er auch sonst in den Genuss der entsprechenden Leistung gelange. Es liege in der Natur vorzeitiger Pensionierungen, dass generelle Lösungen zu treffen seien, welche sich je nach der individuellen Altersgrenze und Versicherungsdauer für die Betroffenen unterschiedlich auswirken könnten (
BGE 127 V 252
E. 3c S. 256 f.). Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückerstattung der nutzlos eingebrachten Leistungen wurde verneint: Zum einen habe der Versicherte keinen zwingenden Rechtsanspruch auf Fortbestand seiner Anwartschaften gehabt, indem der Rechtszustand auch zu seinen Ungunsten hätte geändert werden können. Zum andern habe auch die Vorsorgeeinrichtung keinen ungerechtfertigten Vermögensvorteil erlangt, weil auch die vom Beschwerdeführer geleistete
BGE 134 I 23 S. 47
Auskaufssumme das für die vorzeitige Pensionierung erforderliche Deckungskapital nur zum Teil ausgleiche. Begünstigt sei allenfalls der nach kantonalem Recht zum Ausgleich des Deckungskapitals verpflichtete Kanton. Darin lasse sich jedoch keine die Rückerstattungspflicht der Vorsorgeeinrichtung rechtfertigende Bereicherung erblicken (
BGE 127 V 252
E. 4a S. 257 f.). Auch aus Treu und Glauben ergebe sich kein Rückerstattungsanspruch (E. 4b S. 258 f.).
9.4.5
Anders als im zuletzt zitierten Fall erhalten vorliegend die Angehörigen der Kategorie 2 nicht eine zusätzliche Leistung, die sie - im Unterschied zu den anderen Leistungsempfängern - finanziert haben, sondern es wird eine bisher vorgesehene und von ihnen finanzierte Leistung reduziert. Die wirtschaftliche Konsequenz ist jedoch in beiden Fällen dieselbe: Die betroffenen Versicherten haben eine Finanzierung geleistet, die ihnen jetzt keinen Nutzen mehr bringt. Im Lichte der zitierten Rechtsprechung kann diese Regelung nicht als verfassungswidrig beurteilt werden: Sie beruht auf einem sachlich begründeten Anliegen (E. 8) und ist angesichts der Übergangsfrist (E. 7.6.2) und des garantierten Rentensatzes (E. 7.4) in ihren Auswirkungen relativ bescheiden. Sie hält sich im Rahmen der Ungleichheiten, die bei einer Reglementsänderung unvermeidlich und in gewissem Umfang hinzunehmen sind. | mixed |
10271ea9-19a6-439e-b988-e58c9f5809f9 | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 136 I 1 S. 2
A.
Am 30. November 2008 hat das Stimmvolk des Kantons Zürich das Hundegesetz vom 14. April 2008 in der Variante mit Kampfhundeverbot angenommen. Dessen § 8 und § 30 lauten wie folgt:
"§ 8.
Hunderassen mit erhöhtem Gefahrenpotenzial
1
Der Erwerb, die Zucht sowie der Zuzug von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotenzial ist verboten.
BGE 136 I 1 S. 3
2
Der Regierungsrat bezeichnet die Rassetypen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial (Rassetypenliste II).
3
Für Hunde der Rassetypenliste II, für die wegen auswärtigen Wohnsitzes der Halterin oder des Halters keine zürcherische Haltebewilligung erforderlich ist, gilt im öffentlich zugänglichen Raum ein Leinen- und Maulkorbzwang.
§ 30.
b. Haltebewilligung
1
Wer einen Hund der Rassetypenliste II hält, muss innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei der Direktion ein Gesuch um Erteilung einer Haltebewilligung einreichen. Die Haltebewilligung kann mit Auflagen erteilt werden, wenn die gesuchstellende Person die persönlichen Voraussetzungen nur teilweise erfüllt.
2
Die Direktion erteilt die Bewilligung, wenn die gesuchstellende Person
a) mindestens 18 Jahre alt ist und einen festen Wohnsitz hat,
b) den Nachweis über genügend kynologische Fachkenntnisse erbringt,
c) belegt, dass sie nicht wegen Gewaltdelikten oder Betäubungsmitteldelikten vorbestraft ist,
d) den Nachweis der Haftpflichtversicherung erbringt.
3
Die Bewilligung wird nur erteilt, wenn Art und Umstände, wie der Hund gehalten werden wird, dies rechtfertigen.
4
Die Direktion entzieht die Bewilligung, wenn
a) die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind oder
b) der Hund Verhaltensauffälligkeiten zeigt.
5
Halterinnen und Halter, die gestützt auf bisheriges Recht über eine Bewilligung für die Befreiung ihres Hundes vom Leinen- oder Maulkorbzwang verfügen, haben Anspruch auf eine Haltebewilligung, wenn die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch erfüllt sind.
6
Halterinnen und Halter, die gestützt auf bisheriges Recht über keine Bewilligung für die Befreiung ihres Hundes vom Leinen- oder Maulkorbzwang verfügen, unterstehen bis zur Erteilung der Haltebewilligung den Bestimmungen des bisherigen Rechts."
Die Ergebnisse der kantonalen Volksabstimmung vom 30. November 2008 sind am 12. Dezember 2008 im Amtsblatt veröffentlicht worden. Am 1. Januar 2010 ist das Hundegesetz vom 14. April 2008 in Kraft getreten.
B.
Mit Eingabe vom 26. Januar 2009 beantragen der American Pit Bull Terrier Club Schweiz (APBT-Club Schweiz), der American Staffordshire Terrier Club Schweiz (ASTC-Schweiz), der Staffordshire Bull Terrier Club Schweiz (SBTC Schweiz), A., B. und C., § 8 und § 30 des Hundegesetzes vom 14. April 2008 aufzuheben. Sie rügen im Wesentlichen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots,
BGE 136 I 1 S. 4
der Wirtschaftsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit, des Grundsatzes der Gewaltenteilung, des Legalitätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Der Regierungsrat und der Kantonsrat beantragen, die Beschwerde abzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach dem angefochtenen § 8 Abs. 1 des zürcherischen Hundegesetzes vom 14. April 2008 (HuG; LS 554.5; in Kraft seit 1. Januar 2010) ist "der Erwerb, die Zucht sowie der Zuzug von Hunden mit erhöhtem Gefahrenpotential (...) verboten". Die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften zum unmittelbaren Schutz des Menschen vor gefährlichen Hunden fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kantone (vgl.
BGE 133 I 249
E. 3.2 S. 254,
BGE 133 I 172
E. 2 S. 174 f.). Allerdings hat der Bundesgesetzgeber in Art. 10 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) den Bundesrat ermächtigt, u.a. die Zucht von Tieren mit bestimmten Merkmalen, insbesondere Abnormitäten in Körperbau und Verhalten, zu verbieten. Der Inhalt des
Art. 10 TSchG
wurde bereits 2003 als Art. 7a und 7c im Rahmen des Gen-Lex-Paketes (siehe Botschaft vom 1. März 2000 zu einer Änderung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz, BBl 2000 2391, 2422 ff.; Referendumsvorlage BBl 2003 2778, 2793 ff.) in das Tierschutzgesetz aufgenommen, aber erst 2006 in Kraft gesetzt. Die Regelung zielt primär auf ein Verbot von so genannten Qualzuchten ab, kann aber auch als generelle Basis für Vorschriften betreffend die Zucht von Hunden herangezogen werden (vgl. Parlamentarische Initiative, Verbot von Pitbulls in der Schweiz, Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 20. Februar 2009 [nachfolgend: Bericht], BBl 2009 3547, 3554). Konkretisiert wird
Art. 10 TSchG
durch Art. 25 ff. der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1). Nach
Art. 28 Abs. 2 TSchV
ist bei der Zucht von Hunden die Selektion unter Berücksichtigung des Einsatzzweckes darauf auszurichten, Hunde mit ausgeglichenem Charakter, guter Sozialisierbarkeit sowie geringer Aggressionsbereitschaft gegenüber Menschen und Tieren zu erhalten. Zeigt ein Hund ein Übermass an Aggressionsverhalten oder Ängstlichkeit, so ist er von der Zucht auszuschliessen (Abs. 3). Es fragt sich daher, ob mit der
BGE 136 I 1 S. 5
bundesrechtlichen Regelung die Kompetenz der Kantone beschnitten wird, sicherheitspolizeilich motivierte züchterische Massnahmen zum unmittelbaren Schutz der Menschen vor gefährlichen Hunden zu erlassen. Die Frage ist zu verneinen: Der Bundesrat betont in seiner Botschaft zum neuen Tierschutzgesetz, dass Artikel 10 "ausschliesslich die tierschutzrelevanten Aspekte der Tierzucht regelt" (vgl. Botschaft vom 9. Dezember 2002 zur Revision des Tierschutzgesetzes, BBl 2003 657, 677 zu Art. 9). Auch die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vertritt bei der Behandlung der Parlamentarischen Initiative "Verbot von Pitbulls in der Schweiz" (vgl. Bericht, BBl 2009 3547 ff.) diese Auffassung. Sie normiert deshalb in ihrem Entwurf zu einem eidgenössischen Hundegesetz, das sich auf eine neu zu schaffende Verfassungsnorm (
Art. 80 Abs. 1
bis
BV
: Schutz des Menschen vor Tieren) stützen soll, ausdrücklich sicherheitspolizeiliche Anforderungen an die Zucht zum Schutz des Menschen und der Tiere vor Hunden (Art. 1 und 2), da mit
Art. 10 TSchG
dieser Schutz nicht abgedeckt ist. An die Zucht werden somit tierschutzrechtliche und sicherheitspolizeiliche Anforderungen gestellt (Bericht, BBl 2009 3568 f. zu Allgemeines, 3569 zu Art. 2 Grundsätze).
4.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (
Art. 8 BV
), m.a.W. machen sie geltend, dass die durch die zukünftige kantonale Verordnung verbotenen Hunde (American Pitbull Terrier [auch bekannt unter: Pitbull Terrier, Bandog und Basicdog; vgl. jetzt § 5 Abs. 1 lit. d der Hundeverordnung (HuV) vom 25. November 2009 (LS 554.51), in Kraft seit 1. Januar 2010], American Staffordshire Terrier, Bullterrier [auch bekannt unter American Bull Terrier; vgl. § 5 Abs. 1 lit. b HuV], Staffordshire Bullterrier) mit den anderen, nicht verbotenen Hunden in einer vergleichbaren Situation stünden (nicht per se gefährlicher) und keine sachlichen Gründe für eine differenzierte rechtliche Behandlung erkennbar seien.
4.1
Nach
Art. 8 Abs. 1 BV
verletzt ein Erlass das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die keinvernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, oder er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die ungerechtfertigte Gleich- bzw. Ungleichbehandlung muss sich auf eine wesentliche Tatsache beziehen. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger
BGE 136 I 1 S. 6
Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum (
BGE 131 I 1
E. 4.2 S. 6 f.;
BGE 129 I 1
E. 3 S. 3,
BGE 129 I 265
E. 3.2 S. 268 f.;
BGE 127 I 185
E. 5 S. 192;
BGE 127 V 448
E. 3b S. 454; je mit Hinweisen).
4.2
Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob Regelungen, welche sich auf Rassetypen abstützen, um die Gefährlichkeit von Hunden zu bestimmen, vor dem Rechtsgleichheitsgebot standhalten. Es hat dabei zunächst festgehalten, dass den Kantonen in diesem Bereich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (
BGE 133 I 249
E. 4.3 S. 257).
4.2.1
In
BGE 132 I 7
E. 4 S. 10 ff. hat das Bundesgericht ausgeführt, dass gewisse Zweifel an der Richtigkeit und Wirksamkeit der getroffenen Regelung bestünden und es diskutabel sein möge, die Bewilligungspflicht nur an die Rasse zu knüpfen, werde doch das Wesen eines Hundes in beträchtlichem Ausmass auch durch die Erziehung (Sozialisation) und durch Umwelteinflüsse geprägt. Das Abstützen auf die Rasse entbehre indessen nicht jeglicher sachlicher Berechtigung und bilde nicht ein zum vornherein verfehltes und geradezu willkürliches Abgrenzungskriterium. Denn es sei eine Erfahrungstatsache, dass gewisse Rassen von ihrer genetischen Anlage her eher zu Aggressivität neigen oder dazu abgerichtet werden können als andere. Demnach könne grundsätzlich auf die Rasseliste abgestellt werden. Bei deren Formulierung dürfe bis zu einem gewissen Grad auch das subjektive Sicherheitsbedürfnis mitberücksichtigt werden. Solange die dem Rassekriterium zugrunde liegenden Annahmen nach bisherigen Erfahrungen einigermassen plausibel erschienen, sei das Abstützen darauf vertretbar. Widerlegten allerdings neue "zuverlässige und aussagekräftige Erhebungen" die der Bewilligungsregelung zugrunde liegende Risikobeurteilung, müsste die Regelung entsprechend überarbeitet werden.
4.2.2
In
BGE 133 I 249
E. 4.3 S. 257 f. und im Urteil 2P.24/2006 vom 27. April 2007 E. 5.3, welche beide Verordnungsvorschriften zu zwölf verbotenen Hunderassen betrafen, hat das Bundesgericht seine in
BGE 132 I 7
dargelegte Auffassung bestätigt und präzisierend ausgeführt, dass Bisse gewisser Rassen und von Kreuzungen mit diesen besonders schlimme Konsequenzen haben könnten, insbesondere wegen der Morphologie, der Kraft, der Angriffsart oder der Reizschwelle der Tiere. Darüber, dass die verbotenen Tiere
BGE 136 I 1 S. 7
gefährlich wären, bestünde auch ein eigentlicher Konsens: so würden die im Kanton Wallis verbotenen Rassen praktisch der damals veröffentlichten Liste des Bundesamtes für Veterinärwesen und in grossen Teilen der Liste des Kantons Basel-Landschaft (vgl.
BGE 132 I 7
) entsprechen. Neben dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung dürfe der Gesetzgeber auch dem kulturellen Stellenwert einer Hunderasse (Bernhardiner) oder der Vertrautheit der Bevölkerung mit bestimmten Rassen (Schäferhund) Rechnung tragen.
4.3
Im vorliegenden Fall verhält es sich nicht anders. § 8 und § 30 HuG verletzen das Rechtsgleichheitsgebot nicht:
4.3.1
Die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse gibt für sich allein zwar noch keinen zuverlässigen Aufschluss über die Gefährlichkeit des Tieres. Massgebend sind - wie das Bundesgericht bereits mehrfach betont hat - auch die Erziehung (Sozialisation) und die Umwelteinflüsse (
BGE 132 I 7
E. 4.2 S. 11 mit weiteren Hinweisen;
BGE 133 I 249
E. 4.3 S. 257). Bei der Qualifikation der American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier als Rassen mit erhöhtem Gefährdungspotential dürfen aber deren genetische Anlagen nicht ausser acht gelassen werden. Ihre angeborenen Verhaltenseigenschaften und ihre Anatomie machen sie potenziell gefährlicher als andere Rassen. Sie können aufgrund ihres Körperbaus, ihres Gebisses, ihrer Kraft und ihrer Angriffsart sehr schwere Verletzungen bewirken. Nicht zu vergessen ist auch, dass sie gerade wegen ihrer Verhaltenseigenschaften leichter zur Aggressivität abgerichtet werden können und eine unrichtige Haltung verheerende Folgen haben kann (vgl. etwa
http://www.bulldogbreeds.com/bullterrier.html
: "but in the wrong hands it can turn out to be a horrid disaster"; besucht am 10. Dezember 2009). Das heisst indes nicht, dass alle Hunde der aufgeführten Rasse besonders gefährlich wären. Eine Abklärung jedes einzelnen Hundes, welche etwa drei Tage benötigen würde (vgl. die Aussage des stellvertretenden Kantonstierarztes des Kantons Graubünden, Protokoll des Grossen Rates des Kantons Graubünden vom 30. August 2007 zum Veterinärgesetz [nachfolgend: Protokoll], S. 110), wäre allerdings nicht mehr praktikabel und würde die Vollzugskapazitäten des Kantons überfordern. Ein gewisser Schematismus ist deshalb unvermeidlich (
BGE 100 Ia 41
E. 2c S. 45 f.; siehe auch
BGE 133 I 249
E. 4.2 am Ende S. 257; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 671 ff.). Im Übrigen herrscht innerhalb der Schweiz (siehe die detaillierten Hinweise in Bericht, BBl 2009
BGE 136 I 1 S. 8
3557 f.) und in Europa insgesamt ein Konsens über die Gefährlichkeit dieser vier Hunderassen. So dürfen diese Tiere nicht nach Deutschland eingeführt werden (§ 2 Abs. 1 des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12. April 2001; BGBl. I S. 530). Auch Frankreich verbietet die Einreise mit diesen Hunden und knüpft an diese ein Sterilisierungsgebot und ein Zugangsverbot für gewisse öffentlich zugängliche Orte (vgl. zum Ganzen Bericht, BBl 2009 3558 ff.; zu einem Zugangsverbot in Genf siehe
BGE 133 I 145
). Zudem darf - wie das Bundesgericht ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt hat - bei der Bestimmung der Rasseliste bis zu einem gewissen Grad auch das subjektive Sicherheitsbedürfnis mitberücksichtigt werden (dazu nachfolgend E. 4.4.2).
4.3.2
Beruhen die Differenzierungen nicht ausschliesslich in tatsächlichen Unterscheidungen, sondern auch in externen Regelungszielen, ist zu prüfen, ob das Ziel - Schutz der Bevölkerung - selbst zulässig erscheint und ob sich die Ungleichbehandlung zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles als verhältnismässig erweist (vgl. RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 1849; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 662; klarer noch JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 400; RENÉ WIEDERKEHR, Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen: Gilt
Art. 36 BV
auch bei der Einschränkung der Rechtsgleichheit, AJP 2008 S. 394 ff., 399 ff., 405 f.; siehe auch GEORG MÜLLER, in: Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, 1987 ff. [nachfolgend: Kommentar aBV], N. 32a zu
Art. 4 aBV
; siehe auch
BGE 133 I 249
E. 4.2. S. 257 am Ende). Der Schutz der Bevölkerung ist offensichtlich und auch unbestritten ein legitimes Ziel. Der Kanton Zürich hat den ihm von der Rechtsprechung zugestandenen grossen Gestaltungsspielraum (
BGE 133 I 249
E. 4.2 S. 257) - abgestuft nach der Gefährlichkeit der Hunde - in vertretbarer Weise genutzt: Die Massnahmen knüpfen einerseits an Anforderungen an Hundehalter, wie etwa § 6 (Haftpflichtversicherung), § 7 (Praktische Hundeausbildung), § 9 ff. (Hundehaltung), und andererseits an die Rasse (§ 8, § 30: Bewilligung und Verbot) an. In Anbetracht der dargestellten Gefährlichkeit dieser Hunderassen erweist sich ein Verbot als geeignet und auch als erforderlich, die Bevölkerung zu schützen. Die angeborenen Verhaltenseigenschaften, der Körperbau und die Gebisse, welche schwere bleibende Schäden verursachen können, die angesprochene leichtere Abrichtung zur Aggressivität und die notwendige richtige Haltung sowie die
BGE 136 I 1 S. 9
Berücksichtigung eines gewissen zulässigen Schematismus, lassen keinmilderes Mittel als das Verbot erkennen (vgl.
BGE 133 I 249
E. 4.2 am Ende S. 257). Schliesslich besteht auch ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse, Schutz der Bevölkerung vor äusserst gefährlichen Hunden, und dem privaten Interesse, solche u.a. zu erwerben und zu züchten (vgl.
BGE 133 I 249
E. 4.2 S. 257).
4.4
Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, überzeugt nicht:
4.4.1
So führen sie aus, dass das Abstellen auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen für die Bestimmung der Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential aufgrund neuerer Erkenntnisse kein zulässiges Kriterium mehr sei. Diese zeigten, dass Differenzierungen nach der Rasse jeder wissenschaftlichen Begründetheit entbehrten, um eine Einteilung in gefährliche oder ungefährliche Hunde vornehmen zu können. Dies habe auch der Regierungsrat in seiner Botschaft betont. Massgeblich seien vielmehr die Umstände der Aufzucht, der Grad der Erziehung und die Eigenschaften seines Halters. Zudem könne die Aggressivität auch Folge der in einer bestimmten Situation empfundenen Angst oder Furcht sein. Auch würden die Bissstatistiken weder eine spezielle Häufung noch eine schwerwiegendere Verletzung von Bissen der zu verbietenden Hunde beweisen. Habe das Bundesgericht in
BGE 132 I 7
einen Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot noch mit bisher gemachten, einigermassen plausiblen Erfahrungen verneinen können, so träfe dies aufgrund der neuen Erkenntnisse gerade nicht mehr zu.
Um ihre Argumente zu untermauern, stützen sich die Beschwerdeführer auf zwei neuere Untersuchungen. Ob diese dem vom Bundesgericht geforderten Stand der "zuverlässigen und aussagekräftigen Erhebungen" (
BGE 132 I 7
E. 4.2 am Ende S. 13) überhaupt entsprechen, kann - wie noch darzulegen sein wird - offengelassen werden: Die fachliche Stellungnahme der in Hamburg beheimateten tierärztlichen Gemeinschaftspraxis für Verhaltenstherapie nimmt auf die Aussage des hamburgischen Gesetzgebers Bezug, wonach "mit dem Halten eines Hundes (...) eine nicht kalkulierbare Gefährdung verbunden sein (kann), weil jeder Hund ein domestizierter Wolf bleibt". Auf die vorliegend interessierende Frage wird indes in keiner Weise eingegangen. Das zweite Gutachten ist ein Parteigutachten eines ausgewiesenen Hundeveterinärmediziners. Es datiert zwar vom Januar 2009, führt aber Literatur auf, welche vor den zitierten Bundesgerichtsentscheiden publiziert worden ist, und kommt
BGE 136 I 1 S. 10
deshalb zu keinem grundsätzlich anderen Schluss als das Bundesgericht.
Der Hinweis auf die Bissstatistik vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Zum einen ist die Erhebungsdauer noch zu kurz, um zuverlässige Schlüsse aus den statistischen Angaben zu ziehen (siehe Bericht, BBl 2009 3562 Ziff. 2.5.4). Statistische Angaben, die nur einen kurzen Erhebungszeitraum berücksichtigen, sind ungeeignet, als Grundlage für Gesetzesanpassungen zu dienen, da damit zufällige Ereignisse deren Prozess bestimmen würden. Erhebungen sollten deshalb über mehrere Jahre hinweg durchgeführt werden, denn nur so sind aussagekräftige Vergleiche möglich (siehe Bericht, BBl 2009 3562 Ziff. 2.5.4). Zum anderen sind die statistischen Angaben auch unvollständig. Sie sagen nichts zu Ursachen oder zum Hergang aus, die zu Bissverletzungen geführt haben. Die Zahlen beantworten zudem die Frage nicht, ob die Hunde von sich aus aggressiv geworden sind und welcher Anteil dieser Beissunfälle etwa auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen wäre (zu solchen möglichen Fällen bei Hirtenhunden im Kanton Graubünden vgl. Regierungsrat Trachsel, Protokoll, a.a.O., S. 115). Ebenso fehlen Angaben über den Schweregrad der gemeldeten Verletzungen, womit gerade die Tatsache nicht erfasst wird, dass Hunde - namentlich bestimmter Rassen - (äusserst) schwere Unfälle verursachen können und verursacht haben (vgl.
BGE 133 I 249
E. 4.2 S. 256,
BGE 133 I 172
E. 3 S. 176). Unsicherheiten bestehen auch über die genauen Angaben der Hundetypen, da diese Informationen in den meisten Fällen vom Opfer stammen (vgl. dazu Bericht, BBl 2009 3562 Ziff. 2.5.4).
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - noch keine neuen zuverlässigen und aussagekräftigen Erhebungen vorliegen, welche ein Abweichen von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung notwendig machen würden.
4.4.2
Die Beschwerdeführer führen zudem an, dass weder das pauschale Argument der Stärkung der öffentlichen Sicherheit noch das subjektive Sicherheitsbedürfnis "zur Begründung der Vernünftigkeit und Sachlichkeit der Rasse als Unterscheidungskriterium" herangezogen werden könnten. Massgebend müsse vielmehr ein objektiver Massstab sein, der sich an der Verfassung zu orientieren habe. Das subjektive Sicherheitsgefühl sei kein verfassungsrechtlich vorgesehenes Unterscheidungskriterium. Vielmehr stehe es damit sogar
BGE 136 I 1 S. 11
in Widerspruch. Ohne Anlass eines sachlichen Grundes würde das Tier damit auch in seiner Würde verletzt.
Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stellt ein Faktum dar, das die Rechtssetzung legitimerweise beeinflussen darf und muss, wenn es aufgrund von Erhebungen festgestellt wird (dazu YVO HANGARTNER, Besprechung von
BGE 132 I 7
, AJP 2006 S. 740 ff., 742). Im Gegensatz zu den Situationen, die das Bundesgericht in den bereits erwähnten Entscheiden (Kanton Basel-Landschaft:
BGE 132 I 7
; Kanton Wallis:
BGE 133 I 249
, Urteil 2P.24/2006 vom 27. April 2007) zu beurteilen hatte, waren die in der Variantenabstimmung zu verbietenden oder einer Bewilligungspflicht zu unterstellenden Hunderassen bereits grundsätzlich bekannt (American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier sowie Kreuzungen mit diesen Rassen; siehe dazu unten E. 5.3.2). Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass das subjektive Sicherheitsbedürfnis der kantonalzürcherischen Bevölkerung bei der Volksabstimmung zum Hundegesetz vom 14. April 2008 genau auf diese vier Hunderassen ausgerichtet war. Mit Bezug auf die verbotenen Hunderassen handelt es sich somit nicht um ein pauschales Argument der Erhöhung der öffentlichen Sicherheit, sondern um ein konkretes. Wie dadurch die Würde der Kreatur betroffen sein könnte, ist nicht ersichtlich.
4.4.3
Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, dass mit dem Kriterium der Hunderasse zur Regelung des Umgangs mit Hunden an das falsche Kriterium angeknüpft und dadurch das Störerprinzip verletzt werde. Das Problem seien nicht die Hunde, sondern die Hundehalter. Diese müssten einer Kontrolle unterliegen.
Inwiefern mit der strittigen Regelung das Störerprinzip verletzt sein sollte, ist nicht ersichtlich: Das Störerprinzip besagt, dass sich polizeiliches Handeln gegen diejenigen Personen zu richten habe, die den polizeiwidrigen Zustand unmittelbar zu verantworten haben (vgl. PIERRE TSCHANNEN UND ANDERE, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 523). Nach § 8 HuG ist demjenigen, der Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential erwerben, züchten bzw. mit solchen Hunden in den Kanton Zürich zuziehen will, dies verboten. Angesprochen ist somit der (potentielle) Halter, somit diejenige Person, welche einen allfälligen polizeiwidrigen Zustand unmittelbar zu verantworten hätte.
4.4.4
Dass der Kanton Graubünden das Risiko von Hunden anders beurteilt und gestützt darauf andere rechtliche Konsequenzen
BGE 136 I 1 S. 12
gezogen hat, indem er kein Verbot und keine Bewilligungspflicht eingeführt hat, ist unbeachtlich. Das Rechtsgleichheitsprinzip schliesst nicht aus, dass die einzelnen Kantone zur gleichen Materie unterschiedliche Regelungen erlassen: dies ist eine Folge der föderalistischen Staatsstruktur (vgl. etwa
BGE 133 I 249
E. 3.4 S. 255; siehe auch Bericht, BBl 2009 3575 zu Art. 13). Zudem haben die Parlamentarier und der Regierungsrat des Kantons Graubünden mehrfach darauf hingewiesen, dass die Situation im Kanton Graubünden anders sei als "bei einem Kanton, der eine grosse Stadt hat oder an eine grosse Stadt unmittelbar angrenzt" (vgl. Protokoll, a.a.O., S. 115, siehe etwa auch S. 111). Der Kanton Graubünden weist gegenüber dem Kanton Zürich eine geographisch und soziokulturell andere Struktur auf, weshalb deren Beurteilung nicht notwendigerweise auch auf den Kanton Zürich passt.
5.
Die Beschwerdeführer rügen ferner eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit.
5.1
Art. 27 BV
gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit. Diese umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. Das Züchten von Hunden fällt in den Schutzbereich von
Art. 27 BV
. Die Wirtschaftsfreiheit gilt nicht schrankenlos, sondern sie kann, sofern es sich um Massnahmen handelt, die sich nicht gegen den Wettbewerb richten (
Art. 94 Abs. 4 BV
), gestützt auf
Art. 36 BV
eingeschränkt werden. Andernfalls wäre zusätzlich eine Bundesverfassungsnorm oder ein kantonales Regalrecht notwendig (
Art. 94 Abs. 4 BV
); beides trifft vorliegend nicht zu. Zu beachten ist zudem, dass die Massnahmen rechtsgleich erfolgen müssen (vgl.
BGE 130 I 26
E. 4.5 mit weiteren Hinweisen S. 43).
5.2
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass es sich wegen des Verbots der Zucht um einen schwerwiegenden Eingriff handle und deshalb die gesetzliche Grundlage, welche lediglich den Begriff "Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotenzial" verwende, ungenügend sei. Nach
Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV
müssten schwerwiegende Einschränkungen im Gesetz selbst vorgesehen sein. In jedem Fall habe das formelle Gesetz die Grundzüge der Regelung zu enthalten. Dies treffe vorliegend nicht zu, gehe doch aus der gesetzlichen Grundlage in keiner Weise hervor, nach welchen Kriterien der Regierungsrat die Gefährlichkeit einer Hunderasse zu bestimmen habe. Es läge am Gesetzgeber selbst, die verbotenen Hunderassen zu bestimmen.
BGE 136 I 1 S. 13
5.3
5.3.1
Verbote von Berufsausübungen sind schwerwiegende Einschränkungen (vgl. etwa
BGE 130 I 26
E. 5.1. S. 43 [Nichtzulassung zur Kassenpraxis für die Dauer von drei Jahren]; Urteil 2P.198/2006 vom 9. Mai 2007 E. 2). Insoweit müssen diese im Gesetz selbst vorgesehen werden. Daneben werden aufgrund der intensiven Betroffenheit des Schutzobjektes auch höhere Anforderungen an die Normdichte gestellt (vgl. etwa MARKUS SCHEFER, Die Beeinträchtigung von Grundrechten, 2006, S. 53 f.; TSCHANNEN UND ANDERE, a.a.O., S. 143). Gemäss Art. 38 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV/ZH; SR 131.211) sind alle wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen; dafür ist der Kantonsrat zuständig (Art. 54). Weniger wichtige Rechtssätze werden in der Form der Verordnung erlassen (Art. 38 Abs. 2). Eine entsprechende Schranke für die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen ergibt sich aus
Art. 38 Abs. 3 KV/ZH
in Verbindung mit dem Bundesrecht (vgl. zu den bundesrechtlichen Anforderungen
BGE 128 I 113
E. 3c S. 122 mit Hinweisen; siehe auch MATTHIAS HAUSER, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Isabelle Häner und andere [Hrsg.], 2007, N. 37 ff., 40 zu
Art. 38 KV/ZH
). Zu prüfen ist deshalb, ob § 8 HuG diese Anforderungen erfüllt.
5.3.2
Nach § 8 Abs. 1 HuG ist u.a. die Zucht von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotential verboten. Nach dessen Abs. 2 bezeichnet der Regierungsrat die Rassetypen mit erhöhtem Gefährdungspotential (Rassetypenliste II). Die Beschwerdeführer scheinen bei der Bestimmung der Normdichte und der Normstufe von § 8 Abs. 1 HuG nur von dessen Wortlaut auszugehen. Dieser ist in der Tat wenig aussagekräftig. Der Normsinn ist indes nicht nur nach dem Wortlaut, sondern nach den anerkannten Auslegungsregeln zu bestimmen (
BGE 131 II 697
E. 4.1 S. 703). Aus systematischer Sicht ist zunächst hervorzuheben, dass das Hundegesetz von drei verschiedenen Arten von Rassetypen ausgeht: "normale" Rassetypen, grosse und massige Rassetypen (Rassetypen der Liste I, § 7) sowie Rassetypen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial (Rassetypen der Liste II, § 8). Je höher die Listennummer ist, desto grösser ist das Gefährdungspotential und desto anforderungsreicher ist der Umgang mit den Tieren. Hunde der Rassetypenliste II müssen somit gefährlicher sein als grosse und massige Hunderassen. Aus der Entstehungsgeschichte wird sodann ersichtlich, welche Hunderassen welcher Liste zugeordnet werden können. So führt der Antrag des Regierungsrates vom
BGE 136 I 1 S. 14
18. April 2007 15 verschiedene Hunderassen für die Rasseliste I auf (S. 21, zu § 7). Der Regierungsrat erläutert ferner, dass die Hunderassen, welche nach der - damals geltenden - Hundeverordnung einen Maulkorb tragen müssten oder an der Leine zu halten seien, einer Bewilligungspflicht zu unterstellen seien. Dies seien der American Pitbull Terrier, der American Staffordshire Terrier, der Bullterrier und der Staffordshire Bullterrier sowie Kreuzungen mit diesen Rassen. Eine Ausweitung sei nicht vorgesehen (S. 22 f.). In der parlamentarischen Beratung ging man ebenfalls nur von diesen Rassetypen aus (vgl. Protokoll des Zürcher Kantonsrats vom 3. März 2008, S. 2850, siehe auch S. 2834 f.). Diese wurden auch im Zusammenhang mit dem "Antrag auf eine Variante mit Kampfhundeverbot" (Protokoll des Zürcher Kantonsrats vom 14. April 2008, S. 3271) hervorgehoben. Schliesslich hat der Regierungsrat im beleuchtenden Bericht zur Abstimmungsvorlage festgehalten, dass es sich bei beiden Varianten um American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier sowie Kreuzungen mit diesen Rassen handle. Aufgrund der Auslegung ist genügend klar ersichtlich, welche Hunde welchen Massnahmen unterliegen: American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Staffordshire Bullterrier sowie Kreuzungen mit diesen Tieren dürfen u.a. nicht gezüchtet werden; werden diese zudem unter einem anderen Namen geführt, so gilt nichts anderes (siehe dazu jetzt § 5 HuV). Aufgrund der Aussagen des Kantonsrats und des Regierungsrates sollen keine weiteren Hunderassen dieser Liste beigefügt werden. Insoweit muss deshalb zum heutigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, ob weitere Hunderassen in die Rassetypenliste II aufgenommen werden dürfen.
5.4
5.4.1
Mit dem Verbot, Hunde einer bestimmten Rasse im Kanton Zürich zu züchten, wird das öffentliche Interesse des Schutzes der Bevölkerung verfolgt. Massnahmen, welche im öffentlichen Interesse sind, müssen verhältnismässig sein. Die Beschwerdeführer bestreiten sowohl die Eignung, die Erforderlichkeit und die Zumutbarkeit des Zuchtverbots zur Verwirklichung des Schutzes der Bevölkerung.
5.4.2
Mit § 8 HuG soll der Schutz der Bevölkerung so sichergestellt werden, dass im Kanton Zürich längerfristig keine Hunde der Rassetypenliste II mehr vorkommen (vgl. Protokoll des Zürcher Kantonsrats vom 3. März 2008, S. 2876); Ausnahmen sind nur für
BGE 136 I 1 S. 15
auswärtige Hunde vorgesehen, welche sich vorübergehend im Kanton Zürich aufhalten (§ 8 Abs. 3). Zu diesem Zweck ist der Erwerb von solchen Hunden verboten, was durch ein Verbot der Zucht, welche jenem zeitlich vorgelagert ist, unterstützt werden kann. Insofern ist das Zuchtverbot geeignet, das angestrebte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen. Im Übrigen handelt es sich dabei um eine bewährte Regelungsstrategie, welche auch in verschiedenen anderen Bereichen zur Unterbindung des unerwünschten Handels mit bestimmten Gütern verfolgt wird (siehe etwa das Herstellungsverbot von ozonschichtabbauenden Stoffen [Ziff. 2.1 Anh. 1.4 ChemRRV; SR 814.81]).
5.4.3
Das Verbot ist auch erforderlich: Mit dem Verbot des Erwerbs werden die Handänderungen zwischen dem Verkäufer bzw. Schenker und dem Erwerber erfasst. Das Zuchtverbot wäre deshalb auf den ersten Blick nicht erforderlich, denn wenn nichts erworben werden darf, wird zwangsläufig auch die professionelle Zucht für den Kanton Zürich von selbst nicht mehr rentabel sein und eingehen. Die Beschwerdeführer übersehen allerdings, dass trotz Erwerbsverbot die Hundehalter über eine lange Dauer weiterhin im Besitz von solchen Hunden sein können und damit das im öffentlichen Interesse liegende Regelungsziel unterlaufen würden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn sie durch eigene, unprofessionelle Zucht Hunde der verbotenen Hunderassen produzieren. Bergen bereits Hunde, welche professionell gezüchtet worden sind, ein erhöhtes Gefährdungspotential, so trifft dies bei unprofessioneller Züchtung um so mehr zu (siehe oben E. 4.3.1). Mit einer Bewilligungspflicht könnte der notwendige Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden, welche insbesondere aus nicht professioneller Zucht stammen, nicht garantiert werden. Vielmehr kann nur mit einem Zuchtverbot diese Lücke geschlossen werden. Es steht deshalb keine mildere Massnahme zur Verfügung.
5.4.4
Schliesslich ist das Zuchtverbot auch als zumutbar zu beurteilen: Zwar steht auf der einen Seite das private, wirtschaftliche Interesse, Hunde einer gewissen Rasse zu züchten. Auf der anderen Seite ist das gewichtige öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Hunden. Angesichts deren bereits dargestellten Gefährlichkeit besteht im vorliegenden Fall ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den privaten wirtschaftlichen Tätigkeiten und dem Schutz der Bevölkerung (vgl.
BGE 133 I 249
E. 4.2 S. 257). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschränkung als solche
BGE 136 I 1 S. 16
nicht schwer wiegt, da nur die Zucht ganz weniger Rassen verboten wird; Hundezüchtern verbleibt daher immer noch ein weites Betätigungsfeld.
5.5
5.5.1
Die Beschwerdeführer rügen im Weiteren eine Verletzung der Gleichbehandlung der Konkurrenten. So stehe Beschwerdeführerin 6, welche American Staffordshire Terrier züchtet, mit den nicht unter das Verbot fallenden Hunderassen, wie etwa Schäferhunde, Sennenhunde, Dobermänner, Doggen, Rottweiler, Bernhardiner oder Hirtenhunde in einem direkten Konkurrenzverhältnis, denn diese seien mit den vom Verbot betroffenen Hunden austauschbar.
5.5.2
Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkurrenten sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind (
BGE 125 I 431
E. 4b/aa S. 435), namentlich wenn sie bezwecken, in den Wettbewerb einzugreifen, um einzelne Konkurrenten oder Konkurrentengruppen gegenüber anderen zu bevorzugen oder zu benachteiligen (
BGE 125 I 431
E. 4b/aa S. 435 f.). Hingegen stellen etwa polizeilich und umweltpolitisch gerechtfertigte Massnahmen im Lichte von
Art. 27 BV
keine Ungleichbehandlung der Konkurrenten dar, auch wenn sie dazu führen, dass die Marktteilnehmer dadurch nach Massgabe ihrer ungleichen Umweltbelastung unterschiedlich belastet werden (
BGE 125 I 182
E. 5e S. 200). So ist eine Abgabe, welche sich für verschiedene Wirtschaftssubjekte je nach der durch sie verursachten Umweltbeeinträchtigung unterschiedlich auswirkt, keine unzulässige Ungleichbehandlung, sondern sie ist gerade der legitime Zweck der Massnahme (
BGE 125 I 182
E. 5e S. 201; siehe auch KLAUS A. VALLENDER, § 222 [Wirtschaftsfreiheit], in: Handbuch der Grundrechte, Detlef Merten und andere [Hrsg.], Grundrechte in der Schweiz und Liechtenstein, Bd. VII/2, 2007, N. 34).
5.5.3
Nicht anders verhält es sich hier: Der kantonalzürcherische Gesetzgeber strebt ein einheitliches Sicherheitsniveau an, welches der Bevölkerung einen genügenden Schutz vor Hunden garantiert. Er hat deshalb für alle Hunderassen Massnahmen normiert (siehe oben E. 4.3.2), welche sich an der Gefährlichkeit der Hunderassen orientieren. Je gefährlicher somit die Hunde sind, desto einschränkender sind die Massnahmen; im Extremfall soll ein Zuchtverbot gelten. Dem Gesetzgeber geht es nicht darum, einzelne Züchter gegenüber anderen zu bevorteilen, sondern darum, die Bevölkerung nach
BGE 136 I 1 S. 17
Massgabe der Gefährlichkeit der Hunde zu schützen. Dass sich die Massnahmen für Züchter verschiedener Hunderassen unterschiedlich auswirken, stellt - wie dargelegt - keine unzulässige Ungleichbehandlung dar, sondern ist gerade der legitime Zweck der Massnahmen. | mixed |
d21d7c8c-5ef0-475d-aafd-2427d92bf4e1 | Microsoft Word - 831.26.fr.doc 1 Loi fédérale sur les institutions destinées à promouvoir l’intégration des personnes invalides (LIPPI) du 6 octobre 20061 (Etat le 1er janvier 2017) L’Assemblée fédérale de la Confédération suisse, vu les art. 112b, al. 3, et 197, ch. 4, de la Constitution2, vu le message du Conseil fédéral du 7 septembre 20053, arrête: Section 1 But Art. 1 La présente loi a pour but d’assurer à toute personne invalide l’accès à une institu- tion destinée à promouvoir son intégration (institution). Section 2 Tâches des cantons Art. 2 Principe Chaque canton garantit que les personnes invalides domiciliées sur son territoire ont à leur disposition des institutions répondant adéquatement à leurs besoins. Art. 3 Institutions 1 Sont réputées institutions: a. les ateliers qui occupent en permanence dans leurs locaux ou dans des lieux de travail décentralisés des personnes invalides ne pouvant exercer aucune activité lucrative dans des conditions ordinaires; b. les homes et les autres formes de logement collectif pour personnes invalides dotées d’un encadrement; c. les centres de jour dans lesquels les personnes invalides peuvent se rencon- trer et participer à des programmes d’occupation ou de loisirs. RO 2007 6049 Les termes désignant des personnes s’appliquent également aux femmes et aux hommes. 1 Ch. I 2 de la LF concernant l’adoption et la modification d’actes dans le cadre de la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT) (RO 2007 5779). 2 RS 101 3 FF 2005 5641 831.26 Assurance-vieillesse et survivants, assurance-invalidité 2 831.26 2 Sont assimilées aux institutions les unités d’un établissement qui fournissent les prestations visées à l’al. 1. Art. 4 Reconnaissance des institutions 1 Le canton reconnaît les institutions nécessaires à la mise en œuvre du principe fixé à l’art. 2. Celles-ci peuvent être établies à l’intérieur ou à l’extérieur de son territoire. 2 L’octroi, le refus et le retrait de la reconnaissance font l’objet d’une décision. Art. 5 Conditions de reconnaissance 1 Pour être reconnue, une institution doit remplir les conditions suivantes: a. disposer d’une infrastructure et d’une offre de prestations répondant aux be- soins des personnes concernées ainsi que du personnel spécialisé nécessaire; b. assurer une gestion rationnelle de son exploitation en établissant ses comptes dans le respect des principes uniformisés de la gestion d’entreprise; c. exposer en toute transparence les conditions à remplir pour être admis dans l’institution; d. informer par écrit les personnes invalides et leurs proches de leurs droits et de leurs devoirs; e. préserver les droits de la personnalité des personnes invalides, notamment leur droit de disposer d’elles-mêmes, d’avoir une vie privée, de bénéficier d’un encouragement individuel, d’entretenir des relations sociales en dehors de l’institution et d’être protégées contre les abus et les mauvais traitements, ainsi que leur droit de participation et celui de leurs proches; f. rémunérer les personnes invalides dont l’activité présente une valeur écono- mique; g. assurer le transport à destination et en provenance des ateliers et des centres de jour lorsqu’une telle mesure est requise par le handicap; h. assurer le contrôle de la qualité. 2 La reconnaissance est accordée par le canton sur le territoire duquel l’institution est établie. Les cantons peuvent convenir d’autres règles de compétence. Une institution reconnue par le canton compétent peut être reconnue par d’autres cantons sans examen des conditions fixées à l’al. 1. Art. 6 Contrôle 1 Le respect des conditions fixées à l’art. 5, al. 1, fait l’objet d’un contrôle régulier. 2 Le contrôle est exercé par le canton sur le territoire duquel l’institution est établie. Les cantons peuvent convenir d’autres règles de compétence. 3 Le canton compétent informe les autres cantons si la reconnaissance est retirée à une institution qu’il contrôle parce qu’elle ne remplit pas les conditions fixées à l’art. 5, al. 1. Institutions destinées à promouvoir l’intégration des personnes invalides. LF 3 831.26 Art. 7 Participation aux coûts 1 Les cantons participent aux frais de séjour dans une institution reconnue de telle manière qu’aucune personne invalide ne doive faire appel à l’aide sociale en raison de ce séjour. 2 Si une personne invalide ne trouve pas de place répondant adéquatement à ses besoins dans une institution reconnue par son canton de domicile, elle a droit à ce que ledit canton participe, dans la mesure définie à l’al. 1, aux frais de séjour dans une autre institution satisfaisant aux conditions fixées à l’art. 5, al. 1. Section 3 Droit aux subventions et droit de recours des organisations Art. 8 Droit aux subventions Si la législation cantonale prévoit que la participation aux coûts prend la forme de subventions aux institutions reconnues ou aux personnes invalides, elle doit conférer un droit à ces subventions. Art. 9 Droit de recours des organisations 1 Les organisations d’importance nationale qui représentent les personnes handica- pées peuvent, si elles existent depuis au moins dix ans, faire recours contre la déci- sion de reconnaissance d’une institution. 2 Le Conseil fédéral désigne les organisations qui disposent de ce droit. Section 4 Disposition transitoire Art. 10 1 Chaque canton arrête, conformément à l’art. 197, ch. 4, Cst., un plan stratégique visant à promouvoir l’intégration des personnes invalides dans le respect du principe fixé à l’art. 2. Le canton consulte les institutions et les organisations représentant les personnes handicapées. Il soumet le plan initial à l’approbation du Conseil fédéral. 2 Le plan stratégique contient les éléments suivants: a. la planification des besoins du point de vue quantitatif et qualitatif; b. la procédure applicable aux analyses périodiques des besoins; c. le mode de collaboration avec les institutions; d. les principes régissant le financement; Assurance-vieillesse et survivants, assurance-invalidité 4 831.26 e.4 les principes régissant la formation professionnelle et la formation profes- sionnelle continue du personnel spécialisé; f. la procédure de conciliation en cas de différends entre des personnes inva- lides et des institutions; g. le mode de coopération avec d’autres cantons, en particulier dans les do- maines de la planification des besoins et du financement; h. la planification de la mise en œuvre du plan stratégique. 3 Le Conseil fédéral est conseillé par une commission spécialisée pour l’approbation visée à l’al. 1. Cette commission est nommée par ses soins et se compose de per- sonnes représentant la Confédération, les cantons, les institutions et les personnes invalides. Date de l’entrée en vigueur: 1er janvier 20085 4 Nouvelle teneur selon le ch. 38 de l’annexe à la LF du 20 juin 2014 sur la formation continue, en vigueur depuis le 1er janv. 2017 (RO 2016 689; FF 2013 3265). 5 ACF du 7 nov. 2007 | mixed |
4de0fde4-5c63-4fed-a0f7-dc828f848de4 | Sachverhalt
ab Seite 169
BGE 135 I 169 S. 169
A.
Der 1968 geborene N. war als Geschäftsführer der Firma X. bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachstehend: Mobiliar) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 18. Dezember 2003 von einer Hebebühne 5,6 Meter in die Tiefe stürzte. Im Spital B. wurde noch am Unfalltag eine explorative Laparotomie und eine Splenektomie durchgeführt; die Ärzte diagnostizierten eine Milzruptur Grad III bei Polytrauma sowie als Begleitverletzung ein stumpfes Thoraxtrauma (...). Die Mobiliar anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Aufgrund des Berichts eines von der Unfallversicherung mit der Observation des Versicherten
BGE 135 I 169 S. 170
beauftragten Privatdetektives stellte die Mobiliar ihre Taggeldleistungen per 18. September 2004 formlos ein. Nach mehreren Verfahren wegen Rechtsverzögerung bzw. Rechtsverweigerung vor kantonalem Gericht (...) sprach die Mobiliar dem Versicherten mit Verfügung vom 18. Juni 2007 und Einspracheentscheid vom 15. November 2007 aufgrund der erlittenen Milzruptur eine Integritätsentschädigung von 10 % zu. Gleichzeitig verneinte die Versicherung für die Zeit ab dem 18. September 2004 einen weitergehenden Anspruch auf Leistungen, da die neben der Milzruptur anhaltend geklagten Beschwerden nicht adäquat kausal durch das Unfallereignis verursacht seien.
B.
Die von N. hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. August 2008 ab.
C.
Mit Beschwerde beantragt N. sinngemäss, die Mobiliar sei unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, ihre Leistungen auch über den 18. September 2004 hinaus zu erbringen.
Während die Mobiliar auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
D.
Das Bundesgericht hat am 15. Juni 2009 eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
(Auszug) Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
4.1
Die Beschwerdegegnerin liess den Versicherten in der Zeit vom 7. Juli 2004 bis 12. August 2004 und vom 27. Januar 2006 bis 26. Februar 2007 an verschiedenen Tagen durch Privatdetektive überwachen. Es ist somit zunächst zu prüfen, ob diese Überwachung rechtens war und die Ergebnisse der Observation als Beweismittel verwertbar sind.
4.2
Die Beschwerdegegnerin ist ein Versicherungsunternehmen, welches im Sinne von
Art. 68 UVG
(SR 832.20) in das Register der für die Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung zugelassenen Versicherer eingetragen ist. Als solches gilt sie als Behörde im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit e VwVG
(SR 172.021;
BGE 115 V 297
E. 2b S. 299 f.). Sie hat somit - jedenfalls soweit sie gegenüber versicherten Personen in Verfügungsform handelt und
BGE 135 I 169 S. 171
damit hoheitlich auftritt - nicht nur die rechtsstaatlichen Garantien des Verfügungsverfahrens (
BGE 120 V 357
E. 1c S. 361 f.), sondern allgemein die verfassungsmässigen Prinzipien, insbesondere auch die Grundrechte, zu beachten (DETTWILER/HARDEGGER, HAVE 2003 S. 248; TSCHANNEN/ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 4 zu § 10; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2007, mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 103 Ia 544
E. 5c S. 551; ferner
BGE 123 II 401
E. 4 S. 412 ff.).
4.3
Durch die privatdetektivliche Observation einer versicherten Person sollen Tatsachen, welche sich im öffentlichen Raum verwirklichen und von jedermann wahrgenommen werden können (beispielsweise Gehen, Treppensteigen, Autofahren, Tragen von Lasten oder Ausüben sportlicher Aktivitäten), systematisch gesammelt und erwahrt werden. Auch wenn die Observation von einer Behörde angeordnet wurde, verleiht sie den beobachtenden Personen nicht das Recht, in die Intimsphäre der versicherten Person einzugreifen. Anders als bei einer richterlich angeordneten Observation - etwa im Rahmen des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) - bleibt zudem der strafrechtliche Schutz der versicherten Person in dem Sinne bestehen, als die Privatdetektive durch die behördliche Anordnung nicht berechtigt werden, strafbare Handlungen zu begehen. Insbesondere hat sich die beauftragte Person an den durch
Art. 179
quater
StGB
vorgegebenen Rahmen zu halten. Im Unterschied zu einer verdeckten Ermittlung im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8; vgl. zum Begriff der verdeckten Ermittlung nach diesem Gesetz:
BGE 134 IV 266
E. 3.5 ff. S. 274 ff.) ist es nicht Sinn und Zweck einer solchen Observation, dass die ermittelnde Person Kontakte zur überwachten Person knüpft, um so in ihr Umfeld einzudringen.
4.4
Auch wenn sich die Observation einer versicherten Person auf den in E. 4.3 hievor umrissenen Bereich beschränkt, beschlägt sowohl deren Anordnung als auch die Verwertung der Ergebnisse den Schutzbereich des Grundrechts des Schutzes der Privatsphäre (
Art. 13 Abs. 1 BV
; anderer Ansicht: UELI KIESER, Überwachung - Eine Auslegung von
Art. 44a ATSG
[Entwurf], [Hill] 2009, Fachartikel Nr. 1, Kap. IV, 2). Dieser Schutz gilt jedoch nicht absolut; vielmehr können die Grundrechte gemäss
Art. 36 BV
eingeschränkt werden, wenn eine gesetzliche Grundlage vorliegt (Abs. 1), ein öffentliches Interesse an der Einschränkung besteht (Abs. 2), die Einschränkung
BGE 135 I 169 S. 172
verhältnismässig ist (Abs. 3) und der Kerngehalt der Grundrechte nicht angegriffen wird (Abs. 4). Das ehemalige Eidg. Versicherungsgericht hat wiederholt festgehalten, dass diese Voraussetzungen für die Einschränkung des Grundrechts in Bezug auf die Verwertung der Ergebnisse einer von einer Haftpflichtversicherung veranlassten Observation durch einen Unfallversicherer gegeben sind, so dass diese als Beweismittel im Sozialversicherungsverfahren verwertbar sind (
BGE 132 V 242
;
BGE 129 V 323
E. 3.3.3 S. 324 ff.). Offengelassen hat es demgegenüber die Frage, ob der Unfallversicherer seinerseits befugt ist, eine Überwachung durch Privatdetektive anzuordnen (
BGE 129 V 323
E. 3.3.3 S. 326). Da im vorliegenden Fall die Observierung durch Privatdetektive von der Unfall- und nicht von der Haftpflichtversicherung in Auftrag gegeben wurde, ist diese Frage nunmehr zu prüfen.
5.
5.1
Wer Versicherungsleistungen beansprucht, muss unentgeltlich alle Auskünfte erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs und zur Festsetzung der Versicherungsleistungen erforderlich sind (
Art. 28 Abs. 2 ATSG
[SR 830.1]). Die Versicherten und ihre Arbeitgeber haben beim Vollzug der Sozialversicherungsgesetze unentgeltlich mitzuwirken (
Art. 28 Abs. 1 ATSG
). Personen, die Versicherungsleistungen beanspruchen, haben alle Personen und Stellen, namentlich Arbeitgeber, Ärztinnen und Ärzte, Versicherungen sowie Amtsstellen im Einzelfall zu ermächtigen, die Auskünfte zu erteilen, die für die Abklärung von Leistungsansprüchen erforderlich sind. Diese Personen und Stellen sind zur Auskunft verpflichtet (
Art. 28 Abs. 3 ATSG
). Wer in Verletzung der Auskunftspflicht unwahre Auskunft erteilt oder die Auskunft verweigert, wer die vorgeschriebenen Formulare nicht oder nicht wahrheitsgetreu ausfüllt, wird, wenn er vorsätzlich handelt, mit Haft oder Busse bestraft (Art. 115 [recte: 113] Abs. 1 UVG); handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse (Art. 115 [recte: 113] Abs. 2 UVG).
5.2
Gemäss
Art. 43 Abs. 1 ATSG
prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Dabei sind die mit der Durchführung, der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung des UVG betrauten Organe nach
Art. 96 UVG
befugt, die Personendaten, einschliesslich besonders schützenswerter Daten und Persönlichkeitsprofile, zu bearbeiten oder bearbeiten zu lassen, die sie benötigen, um die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
BGE 135 I 169 S. 173
5.3
Der Bundesrat schlägt in seiner Botschaft vom 30. Mai 2008 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (BBl 2008 5395 ff.) vor, das ATSG um einen Art. 44a zu ergänzen und in diesem die Zulässigkeit und Modalitäten einer Überwachung versicherter Personen durch Sozialversicherungsträger zu regeln. Er begründet dies damit, dass - nachdem die Rechtsprechung die Frage der Zulässigkeit offengelassen habe - diesbezüglich ein Klarstellungsbedarf vorliege (BBl 2008 5444). Aus diesem bundesrätlichen Vorschlag kann allerdings noch nicht abgeleitet werden, die Anordnung einer Überwachung sei unter geltendem Recht unzulässig.
5.4
Obliegt es gemäss
Art. 43 ATSG
dem Versicherungsträger, die notwendigen Abklärungen vorzunehmen, so stellt diese Gesetzesbestimmung - jedenfalls in Verbindung mit
Art. 28 Abs. 2 ATSG
, welcher eine allgemeine Auskunftspflicht der versicherten Person statuiert - eine Grundlage für die Anordnung einer Observation dar. Zu prüfen ist indessen, ob diese Normen bestimmt genug sind, um als gesetzliche Grundlage im Sinne von
Art. 36 Abs. 1 BV
zu dienen.
5.4.1
Das Erfordernis der Bestimmtheit steht im Dienste des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit mit den Elementen der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der rechtsgleichen Rechtsanwendung. Nach der Rechtsprechung darf das Gebot der Bestimmtheit rechtlicher Normen indes nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Der Bestimmtheitsgrad hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (
BGE 131 II 271
E. 6 S. 278).
5.4.2
Eine regelmässige Observation versicherter Personen durch Privatdetektive stellt jedenfalls dann einen relativ geringfügigen Eingriff in die grundrechtlichen Positionen der überwachten Personen dar, wenn sie sich auf den in E. 4.3 hievor umrissenen Bereich und damit insbesondere auf den öffentlichen Raum beschränkt
BGE 135 I 169 S. 174
(
BGE 132 V 241
E. 2.5.1 S. 242 f.). In der Lehre wird teilweise gar die Ansicht vertreten, eine solchermassen beschränkte Observation beschlage den Schutzbereich des Grundrechts der Privatsphäre nicht (KIESER, a.a.O.). Der Kerngehalt von
Art. 13 BV
wird durch die Anordnung einer solchen Überwachung nicht angetastet. In der Regel werden zudem die Angaben der versicherten Personen, der Arbeitgeber und der medizinischen Fachpersonen für eine zuverlässige Beurteilung der Leistungsansprüche genügen; Nachforschungen durch einen Privatdetektiv werden nur in einem verschwindend kleinen Promillesatz der bei den Unfallversicherungen gemeldeten Fällen angezeigt sein (vgl. dazu DETTWILER/HARDEGGER, HAVE 2003 S. 248). Der Anordnung einer Observation kommt somit in dem Sinne Ausnahmecharakter zu, als sie nur erfolgen wird, wenn die anderen Abklärungsmassnahmen nicht zu einem schlüssigen Ergebnis führten. Insgesamt sind daher die gesetzlichen Grundlagen für die Einschränkung der grundrechtlichen Positionen der versicherten Personen hinreichend bestimmt.
5.5
Das öffentliche Interesse an der Einschränkung des Schutzes der Privatsphäre liegt darin, keine nicht geschuldeten Leistungen zu erbringen, um die Gemeinschaft der Versicherten nicht zu schädigen (
BGE 129 V 323
E. 3.3.3 S. 325). Dieses Interesse an einer wirksamen Missbrauchsbekämpfung und der Aufdeckung bzw. Verhinderung von Versicherungsbetrug, welches im Privatversicherungsbereich als Rechtfertigungsgrund der mit einer Observation verbundenen Persönlichkeitsverletzung (vgl.
Art. 28 ZGB
) anerkannt ist (SJ 1998 S. 301, 5C.187/1997 E. 2, vgl. auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Verlière gegen Schweiz
vom 28. Juni 2001,
Recueil CourEDH 2001-VII S. 403
, auch in: VBP 65/2001 Nr. 134 S. 1381; vgl. im Weiteren YVES RÜEDI, Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel im Zivilprozess, 2009, S. 39 f.), gilt gleichermassen auch im Sozialversicherungsrecht.
5.6
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass der Grundrechtseingriff zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich ist und dass das verfolgte Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Verwirklichung notwendigen Freiheitsbeschränkungen, steht (
BGE 129 V 323
E. 3.3.3 S. 325). Die Anordnung einer Observation durch einen Privatdetektiv ist zur Erreichung des angestrebten Zieles (wirksame Bekämpfung von Missbräuchen) geeignet und auch
BGE 135 I 169 S. 175
erforderlich, da nur diese Beweismittel - beispielsweise bei offensichtlich bestehenden Anhaltspunkten einer effektiv bestehenden Arbeitsfähigkeit - eine unmittelbare Wahrnehmung wiedergeben können. Bezüglich der Möglichkeit weiterer medizinischer Abklärungen als Ersatz für die Observation ist zu beachten, dass auch solche - soweit sie überhaupt geeignet wären, einen gleichwertigen Erkenntnisgewinn zu erbringen - ebenfalls einen nicht leichtzunehmenden Eingriff in die grundrechtlichen Positionen der versicherten Person voraussetzen würden. Die Anordnung einer Observation ist schliesslich auch im engeren Sinne verhältnismässig (vgl.
BGE 129 V 323
E. 3.3.3 S. 326).
5.7
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anordnung einer Überwachung versicherter Personen durch die Unfallversicherung in dem in E. 4.3 umrissenen Rahmen zulässig ist; die Observationsergebnisse können somit für die Beurteilung der streitigen Fragen grundsätzlich verwendet werden. Ob dies, mit Blick auf
Art. 179
quater
StGB
(vgl. E. 4.3 hievor), auch für die kurze Videosequenz, welche im Ladenlokal des Versicherten aufgenommen wurde, zutrifft, braucht vorliegend nicht geprüft werden, da diese Sequenz für die Würdigung des Sachverhaltes letztlich entbehrlich ist. Beweiswert kann den Aufzeichnungen und Berichten der Privatdetektive indessen nur insoweit zukommen, als sie Tätigkeiten und Handlungen aufzeigen, welche die versicherte Person ohne Einflussnahme der observierenden Personen ausgeübt hat. Vorliegend suchte am 20. Oktober 2004 eine Hilfsperson des Privatdetektives das Ladengeschäft des Beschwerdeführers auf und simulierte Interesse für ein Aggregat, wollte vor Geschäftsabschluss jedoch noch die Zustimmung ihres Freundes einholen. Der Versicherte antwortete darauf, dass er bis 12:00 Uhr und von 13:30 bis 19:00 Uhr im Geschäftslokal anzutreffen sei. Da nicht auszuschliessen ist, dass der Beschwerdeführer in der Hoffnung, durch den Verkauf des Aggregates ein besonders gutes Geschäft abschliessen zu können, sich an diesem Tag länger als üblich im Ladenlokal aufgehalten hat, kommt den Aufzeichnungen betreffend dem 20. Oktober 2004 für die hier streitigen Belange kein Beweiswert zu. | mixed |
05b0542d-84bf-40a4-acdf-03f9c2940595 | Sachverhalt
ab Seite 336
BGE 129 V 335 S. 336
A.-
D. a travaillé en Suisse depuis 1981. Souffrant notamment de douleurs chroniques, elle a présenté une demande de prestations de l'assurance-invalidité le 20 décembre 1994. Par décision du 20 mai 1996, l'Office AI du canton de Genève (ci-après: l'office), lui a alloué, dès le 1er avril 1995, une demi-rente, correspondant à un degré d'invalidité de 50%.
Par décision du 12 octobre 1999, l'office a rejeté la demande de révision présentée par l'assurée et maintenu le droit de cette dernière à une demi-rente d'invalidité.
B.-
Par jugement du 29 mai 2001, la Commission cantonale de recours AVS-AI du canton de Genève (ci-après: la commission) a
BGE 129 V 335 S. 337
rejeté le recours formé contre cette décision par D. Le rubrum de ce jugement indique que la commission a statué dans la composition suivante:
"Pour la Commission: Me Jean-Marie Faivre, Président
P. Chobaz (excusé), G. Crettenand,
P. Petroz, C. Lacour, Membres
F. Glauser, Greffière-juriste".
C.-
D. interjette recours de droit administratif contre ce jugement, concluant sous suite de frais et dépens à son annulation, principalement, à l'octroi d'une rente d'invalidité entière et, subsidiairement, au renvoi de la cause à l'office pour nouvelle décision. L'office conclut au rejet du recours, cependant que l'Office fédéral des assurances sociales ne s'est pas déterminé.
D.-
Interpellée par le juge délégué sur la composition dans laquelle elle a statué, la commission a exposé, dans une lettre du 22 octobre 2002, que conformément aux dispositions réglementaires qui la régissent, elle peut valablement statuer lorsqu'elle réunit son président ainsi que trois membres ou suppléants sur quatre.
E.-
La Ire Chambre du Tribunal fédéral des assurances a tenu une audience publique ouverte aux parties le 20 février 2003. Erwägungen
Considérant en droit:
1.
1.1
Dans la procédure de recours concernant l'octroi ou le refus de prestations d'assurance, le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral des assurances n'est pas limité à la violation du droit fédéral - y compris l'excès et l'abus du pouvoir d'appréciation - mais s'étend également à l'opportunité de la décision attaquée. Le tribunal n'est alors pas lié par l'état de fait constaté par la juridiction inférieure, et il peut s'écarter des conclusions des parties à l'avantage ou au détriment de celles-ci (
art. 132 OJ
). Il peut, par ailleurs admettre ou rejeter un recours sans égard aux griefs soulevés par le recourant ou aux raisons retenues par le premier juge (
ATF 125 V 500
consid. 1,
ATF 124 V 340
consid. 1b et les références).
1.2
De jurisprudence constante, cet examen porte d'office, en particulier, sur les conditions formelles de validité et de régularité de la procédure précédente (
ATF 125 V 23
consid. 1a, 500 consid. 1,
ATF 123 V 327
consid. 1,
ATF 122 V 322
consid. 1, 329 s. consid. 5 et les références citées), parmi lesquelles l'exigence d'un tribunal établi par la loi, compétent, indépendant et impartial.
BGE 129 V 335 S. 338
1.3
1.3.1
Conformément à l'
art. 30 al. 1 Cst.
- qui, de ce point de vue, a la même portée que l'
art. 6 par. 1 CEDH
(
ATF 127 I 198
consid. 2b,
ATF 125 V 501
consid. 2b) -, toute personne dont la cause doit être jugée dans une procédure judiciaire a droit à ce qu'elle soit portée devant un tribunal établi par la loi, compétent, indépendant et impartial. Le droit des parties à une composition régulière du tribunal impose des exigences minimales en procédure cantonale (
ATF 128 V 84
consid. 2a,
ATF 123 I 51
consid. 2b). Il interdit les tribunaux d'exception et la mise en oeuvre de juges ad hoc ou ad personam et exige dès lors, en vue d'empêcher toute manipulation et afin de garantir l'indépendance nécessaire, une organisation judiciaire et une procédure déterminées par un texte légal (
ATF 123 I 51
consid. 2b;
ATF 114 Ia 53
consid. 3b).
1.3.2
C'est en premier lieu à la lumière des règles cantonales topiques d'organisation et de procédure qu'il convient d'examiner si une autorité judiciaire ou administrative a statué dans une composition conforme à la loi. Sur ce point, le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral des assurances est limité à l'arbitraire (
ATF 127 I 130
consid. 3c,
ATF 108 Ia 50
consid. 2 et les références). Indépendamment de cela, il examine librement - et sans être lié par les griefs soulevés (consid. 2b non publié de l'
ATF 117 V 50
; SVR 2001 IV no 17 p. 49 consid. 1b) - si l'interprétation et l'application du droit cantonal, reconnues non arbitraires, sont compatibles avec la garantie d'un tribunal établi par la loi, compétent, indépendant et impartial (
ATF 126 I 73
consid. 3b,
ATF 123 I 51
consid. 2b,
ATF 112 Ia 292
consid. 2a,
ATF 105 Ia 174
consid. 2b). En revanche, lorsque cette garantie constitutionnelle est invoquée uniquement pour contester l'interprétation ou l'application de prescriptions cantonales sur l'organisation et la composition des tribunaux, sans que soient invoquées les exigences minimales de procédure instituées par cette disposition, ce grief se confond avec celui déduit de l'interdiction de l'arbitraire (
ATF 110 Ia 107
consid. 1;
ATF 105 Ia 174
consid. 3a;
ATF 98 Ia 359
consid. 2;
ATF 91 I 400
consid. b; SJ 1981 574 consid. 2a).
Ces principes développés en application de l'
art. 58 aCst.
demeurent valables en application de l'
art. 30 Cst.
(consid. 1a non publié de l'
ATF 126 V 303
).
2.
En l'espèce, le jugement du 29 mai 2001 a été rendu par la commission. Le rubrum de ce jugement indique que l'un de ses membres, "excusé" était absent. Il convient donc tout d'abord
BGE 129 V 335 S. 339
d'examiner si l'autorité cantonale pouvait statuer en l'absence de l'un de ses membres, sans interpréter ou appliquer arbitrairement les dispositions cantonales de procédure qui la régissent.
2.1
Conformément à l'
art. 17 de la loi genevoise d'application de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants (loi genevoise du 13 décembre 1947; RS GE J 7 05)
, il est institué, en application de l'
art. 85 al. 1 LAVS
, une commission cantonale de recours nommée pour 4 ans au début de chaque législature (al. 1). La commission est constituée d'un président titulaire et de présidents suppléants, tous de formation juridique et nommés par le Conseil d'Etat, et d'assesseurs familiarisés avec les questions juridiques, fiscales ou d'assurances sociales, tous nommés par le Grand Conseil à raison de trois par parti représenté au Grand Conseil (al. 2). La commission siège dans une composition de cinq membres, constituée d'un président titulaire ou suppléant et de quatre assesseurs, qui siègent à tour de rôle (al. 3).
L'art. 20 de cette loi confère en outre au Conseil d'Etat la compétence d'établir le règlement de la commission. En application de cette disposition, le Conseil d'Etat genevois a édicté le Règlement de la commission cantonale de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants, d'assurance-invalidité, d'allocations pour perte de gain et de prestations fédérales et cantonales complémentaires à l'AVS-AI, du 27 octobre 1993 (RS GE J 7 05.20). Aux termes de l'art. 2 de ce règlement, la commission est composée conformément à l'art. 17 de la loi cantonale. Par ailleurs, sous le titre "quorum", l'art. 5 du règlement prévoit que pour siéger valablement, la commission doit comprendre le président ou l'un de ses suppléants, ainsi qu'au moins trois membres ou suppléants sur quatre.
2.2
Dans la mesure où la commission a fait application de cette disposition réglementaire, qui lui permet de statuer valablement lorsqu'un quorum de quatre membres sur cinq est réuni, ni l'interprétation ni l'application de cette disposition ne sauraient être qualifiées d'arbitraires.
Il convient donc d'examiner (librement) si l'application de ces règles cantonales, ainsi reconnue non arbitraire, respecte les garanties déduites de l'
art. 30 Cst.
3.
3.1
Selon la jurisprudence rendue en application des
art. 30 Cst.
et 58 aCst., lorsqu'une autorité est constituée d'un nombre déterminé de membres, ces derniers doivent - sous réserve d'une réglementation dérogatoire - tous participer au jugement. L'autorité
BGE 129 V 335 S. 340
qui statue dans une composition incomplète, sans que la loi prévoie un quorum correspondant, commet un déni de justice formel (
ATF 127 I 131
consid. 4b,
ATF 85 I 273
et les réf.; cf. aussi
ATF 114 Ia 276
consid. 2a). En elle-même, l'institution d'un quorum pour une autorité collégiale, particulièrement judiciaire, n'est donc pas inadmissible et il en existe, au demeurant, de nombreux exemples dans la législation fédérale (cf., p. ex.:
art. 15 OJ
; art. 2 du Règlement du Tribunal arbitral de la Commission fédérale de l'AVS/AI, du 11 octobre 1972; RS 831.143.15). Elle l'est d'autant moins lorsque la représentativité des membres de l'autorité judiciaire est exclusivement politique et qu'ils sont tous censés disposer de compétences équivalentes, ce qui est le cas en l'espèce (cf. art. 17 al. 2 de la loi, qui mentionne les "assesseurs familiarisés avec les questions juridiques, fiscales ou d'assurances sociales").
3.2
Au regard du principe de la légalité - dont le respect peut être contrôlé par le Tribunal fédéral lorsqu'il est en relation avec une autre garantie constitutionnelle, le principe d'égalité de traitement ou l'interdiction de l'arbitraire (cf.
art. 36 al. 1 Cst.
;
ATF 127 I 67
consid. 3a) -, l'organisation judiciaire doit, en principe, reposer sur une loi au sens formel. Celle-ci peut cependant fort bien ne contenir que les principes fondamentaux relatifs à l'organisation et à la compétence des tribunaux et confier à l'exécutif le soin de régler les modalités de détail (AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II: Les droits fondamentaux, Berne 2000, p. 589 ch. 1232). La jurisprudence a ainsi notamment admis la participation à la décision de juges suppléants institués par une disposition réglementaire cantonale (
ATF 105 Ia 172
) ou encore que la nomination d'un juge d'instruction pénale extraordinaire repose sur une disposition réglementaire prévoyant uniquement le remplacement de certains magistrats, disposition qui reposait elle-même sur une délégation de compétence (arrêt non publié V. du 26 janvier 2001 [1P.751/2000]). Le droit fédéral connaît, du reste, également des cas dans lesquels l'organisation et la composition d'une autorité - ainsi qu'un quorum - reposent sur une ordonnance du Conseil fédéral édictée sur la base d'une délégation de compétence explicite (cf.
art. 54 al. 2 et 3 LAVS
et art. 2 du Règlement du Tribunal arbitral de la Commission fédérale de l'AVS/AI, du 11 octobre 1972; RS 831.143.15).
Il s'ensuit que le seul fait qu'une règle de quorum - en soi admissible (v. supra consid. 3.1) - est contenue dans un règlement d'application et non dans une loi au sens formel, ne viole
BGE 129 V 335 S. 341
pas la garantie de l'
art. 30 al. 1 Cst.
Cela suppose toutefois encore que la délégation de compétence comporte celle d'instituer un quorum.
3.3
En l'espèce, la délégation de compétence figure à l'art. 20 de la loi dont la teneur est la suivante: "Le Conseil d'Etat établit le règlement de la commission". Rédigée en termes très généraux, cette norme attributive de compétence emporte certes la faculté d'édicter des règles de procédure, dans la mesure où une autre loi cantonale n'est pas applicable (cf. le renvoi de l'art. 7 du règlement aux art. 89A à 89H de la loi genevoise sur la procédure administrative, ainsi que le renvoi de l'art. 89A aux règles générales de cette même loi). En revanche, les dispositions réglementaires ne sauraient déroger aux règles cantonales de rang supérieur, ce qui s'impose tant au regard du principe de la hiérarchie des normes que de celui de la séparation des pouvoirs.
Sous cet angle, l'art. 17 de la loi cantonale distingue, d'une part, la composition organique de la commission, constituée d'un président titulaire et de présidents suppléants, tous de formation juridique et nommés par le Conseil d'Etat, et d'assesseurs familiarisés avec les questions juridiques, fiscales ou d'assurances sociales, tous nommés par le Grand Conseil à raison de trois par parti représenté au Grand Conseil (al. 2) et, d'autre part, la composition dans laquelle elle siège, soit cinq membres comptant un président titulaire ou suppléant et quatre assesseurs, siégeant à tour de rôle (al. 3). Or, dans la mesure où la loi règle de la sorte - à l'instar de la règle fédérale prévue à l'
art. 15 OJ
("quorum") - non seulement la désignation des membres de la commission (al. 2), mais également la manière dont cette dernière doit siéger (al. 3) et, partant, statuer, il ne demeure pas place pour une réglementation dérogatoire de rang inférieur.
Il résulte de ce qui précède qu'en l'absence de l'un de ses membres, la commission n'était pas composée conformément à la loi, ce qui constitue une violation de l'
art. 30 al. 1 Cst.
Ce vice entraîne l'annulation du jugement entrepris et le renvoi de la cause à l'autorité judiciaire cantonale afin qu'elle statue à nouveau dans une composition conforme à la loi.
4.
La recourante, qui s'est fait assister d'un avocat, n'obtient gain de cause qu'en ce qui concerne une conclusion subsidiaire, si bien qu'elle ne peut prétendre qu'une indemnité de dépens réduite (art. 159 al. 1 en corrélation avec l'
art. 135 OJ
; RCC 1985
BGE 129 V 335 S. 342
p. 664 consid. 5). Les motifs du présent arrêt constituent, par ailleurs, des circonstances justifiant que ces dépens soient mis à la charge de la République et canton de Genève et non de l'office intimé (arrêt non publié F. du 6 juillet 1994 [I 56/94]). | mixed |
1792b304-d604-467e-ad05-5ac12998d003 | Erwägungen
ab Seite 202
BGE 125 V 201 S. 202
Aus den Erwägungen:
4.
a) Da es im vorliegenden Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG
keine Gerichtskosten zu erheben. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG
), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (
BGE 124 V 309
Erw. 6; ARV 1998 Nr. 32 S. 178 Erw. 5a mit Hinweisen).
b) Mit Kostennote vom 14. August 1998 macht der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein Honorar von Fr. 2'800.-- zuzüglich Fr. 15.-- Auslagen und Fr. 183.-- Mehrwertsteuer geltend, was angemessen ist. Dabei rechtfertigt es sich, dass bei Einreichung einer - wie hier - masslich begründeten Kostennote mit separat ausgewiesener Mehrwertsteuer die Parteientschädigung um diesen Mehrwertsteuerbetrag erhöht wird. Denn die Mehrwertsteuer steigert die Aufwendungen des Anwalts und führt, wenn sie im Rahmen der prozessualen Kostenliquidation nicht überwälzt werden kann, grundsätzlich zu einer entsprechenden Minderung seines Einkommens. Mangels vernünftiger Gründe, den Entschädigungsberechtigten diese indirekte Steuer tragen zu lassen, stellt die strikte Anwendung eines Tarifs ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer eine willkürliche Reduktion der Entschädigung dar (vgl.
BGE 122 I 4
Erw. 3c). Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Entschädigung in einem Gesamtbetrag zugesprochen wird (vgl. Art. 1 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 desjenigen für das Verfahren vor dem Bundesgericht). In diesem Fall ist die Mehrwertsteuer im Betrag praxisgemäss pauschal enthalten und nicht noch zusätzlich zu vergüten (nicht publizierte Erw. 9 des Urteils
BGE 124 V 118
; RKUV 1996 Nr. U 259 S. 262 Erw. 5c in fine; ferner Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 28. Februar 1996 in SJ 1996 S. 275). Soweit der in SVR 1996 IV Nr. 87 S. 262 publizierten Erwägung 4 des Urteils
BGE 122 V 77
etwas anderes entnommen werden kann, ist daran nicht festzuhalten.
c) Nach dem Gesagten ist dem als unentgeltlich bestellten Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 2'998.-- (Fr. 2'800.-- Honorar zuzüglich Fr. 15.-- Auslagen und Fr. 183.-- Mehrwertsteuer) zuzuerkennen.
BGE 125 V 201 S. 203
Es wird ausdrücklich auf
Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. | mixed |
9d3ffede-2f9b-46ab-9e63-66d28bb5490a | Microsoft Word - 831.26.it.doc 1 Legge federale sulle istituzioni che promuovono l’integrazione degli invalidi (LIPIn) del 6 ottobre 20061 (Stato 1° gennaio 2017) L’Assemblea federale della Confederazione Svizzera, visti gli articoli 112b capoverso 3 e 197 numero 4 della Costituzione federale2; visto il messaggio del Consiglio federale del 7 settembre 20053, decreta: Sezione 1: Scopo Art. 1 La presente legge si prefigge di garantire agli invalidi l’accesso a un’istituzione che ne promuova l’integrazione (istituzione). Sezione 2: Compiti dei Cantoni Art. 2 Principio Ogni Cantone garantisce che gli invalidi domiciliati sul suo territorio dispongano di un’offerta di istituzioni che soddisfi adeguatamente le loro esigenze. Art. 3 Istituzioni 1 Sono considerate istituzioni: a. i laboratori che occupano in permanenza nei loro locali o in posti di lavoro decentralizzati invalidi i quali, in condizioni ordinarie, non potrebbero eser- citare un’attività lucrativa; b. case e altre forme di alloggio collettivo destinate agli invalidi; c. centri diurni in cui gli invalidi possono incontrarsi e partecipare a programmi di occupazione e a programmi per il tempo libero. RU 2007 6049 1 Cifra I n. 2 della LF che emana e modifica atti legislativi per la nuova impostazione della perequazione finanziaria e della ripartizione dei compiti tra Confederazione e Cantoni (NPC) (RU 2007 5779). 2 RS 101 3 FF 2005 5349 831.26 Assicurazione per la vecchiaia, i superstiti e l’invalidità 2 831.26 2 Le unità di una struttura che forniscono prestazioni ai sensi del capoverso 1 sono parificate alle istituzioni. Art. 4 Riconoscimento di istituzioni 1 Il Cantone riconosce le istituzioni necessarie per attuare il principio di cui all’arti- colo 2. Queste istituzioni possono essere situate all’interno o all’esterno del suo ter- ritorio. 2 La concessione, il diniego e la revoca del riconoscimento avvengono mediante decisione formale. Art. 5 Condizioni per ottenere il riconoscimento 1 Per essere riconosciuta, un’istituzione deve adempiere le seguenti condizioni: a. disporre di un’infrastruttura e di un’offerta di prestazioni conformi alle esi- genze degli invalidi, come pure del necessario personale specializzato; b. assicurare una gestione economica e conforme a una presentazione dei conti uniforme basata sui principi dell’economia aziendale; c. assicurare la trasparenza delle condizioni di ammissione; d. informare per scritto gli invalidi e i loro congiunti sui loro diritti e doveri; e. tutelare i diritti della personalità degli invalidi, segnatamente il diritto all’autodeterminazione, alla sfera privata, alla promozione individuale, ai contatti sociali al di fuori dell’istituzione, alla protezione contro abusi e mal- trattamenti, nonché il diritto alla partecipazione degli invalidi e dei loro con- giunti; f. rimunerare gli invalidi in caso di attività economicamente utilizzabili; g. garantire un trasporto conforme alle esigenze degli invalidi da e per i centri diurni e i laboratori; h. assicurare il controllo della qualità. 2 Il riconoscimento è accordato dal Cantone sul cui territorio è situata l’istituzione. I Cantoni possono concordare una diversa competenza. Le istituzioni riconosciute dal Cantone competente possono essere riconosciute da altri Cantoni senza verifica delle condizioni di cui al capoverso 1. Art. 6 Controllo 1 L’osservanza delle condizioni di cui all’articolo 5 capoverso 1 è controllata perio- dicamente. 2 Il controllo compete al Cantone sul cui territorio è situata l’istituzione. I Cantoni possono concordare una diversa competenza. 3 Il Cantone competente informa gli altri Cantoni in caso di revoca del riconosci- mento a un’istituzione da esso controllata che non adempie più le condizioni di cui all’articolo 5 capoverso 1. Istituzioni che promuovono l’integrazione degli invalidi. LF 3 831.26 Art. 7 Partecipazione ai costi 1 I Cantoni partecipano ai costi per il soggiorno in un’istituzione riconosciuta, nella misura necessaria affinché nessun invalido debba far capo all’assistenza sociale a causa di questo soggiorno. 2 Se non trova un posto in un’istituzione riconosciuta dal suo Cantone di domicilio che soddisfi adeguatamente le sue esigenze, l’invalido ha diritto che il Cantone par- tecipi, nei limiti definiti dal capoverso 1, ai costi del soggiorno in un’altra istituzione che adempia le condizioni di cui all’articolo 5 capoverso 1. Sezione 3: Diritto ai sussidi e diritto di ricorso delle organizzazioni Art. 8 Diritto ai sussidi Se la legislazione cantonale prevede la partecipazione ai costi mediante la conces- sione di sussidi alle istituzioni riconosciute o a invalidi, il diritto a tali sussidi deve essere garantito. Art. 9 Diritto di ricorso delle organizzazioni 1 Le organizzazioni d’importanza nazionale che rappresentano gli interessi degli invalidi ed esistono da almeno dieci anni possono ricorrere contro le decisioni di riconoscimento di un’istituzione. 2 Il Consiglio federale designa le organizzazioni che hanno diritto di ricorso. Sezione 4: Disposizione transitoria Art. 10 1 Ciascun Cantone adotta, conformemente all’articolo 197 numero 4 della Costitu- zione federale, una strategia per promuovere l’integrazione degli invalidi ai sensi dell’articolo 2. Esso sente le istituzioni e le organizzazioni degli invalidi. La prima volta, sottopone la strategia per approvazione al Consiglio federale. 2 La strategia comprende i seguenti elementi: a. pianificazione delle esigenze dal profilo qualitativo e quantitativo; b. procedura per analisi periodiche delle esigenze; c. genere di collaborazione con le istituzioni; d. principi di finanziamento; e.4 principi per la formazione professionale e la formazione professionale conti- nua del personale specializzato; 4 Nuovo testo giusta il n. 38 dell’all. alla LF del 20 giu. 2014 sulla formazione continua, in vigore dal 1° gen. 2017 (RU 2016 689; FF 2013 3085). Assicurazione per la vecchiaia, i superstiti e l’invalidità 4 831.26 f. procedura di conciliazione per le controversie tra invalidi e istituzioni; g. genere della collaborazione intercantonale, in particolare nella pianificazione delle esigenze e nel finanziamento; h. piano di attuazione della strategia. 3 Per l’approvazione di cui al capoverso 1, il Consiglio federale consulta una com- missione peritale. Quest’ultima è nominata dal Consiglio federale stesso e si com- pone di rappresentanti della Confederazione, dei Cantoni, delle istituzioni e degli invalidi. Data dell’entrata in vigore: 1° gennaio 20085 5 DCF del 7 nov. 2007. | mixed |
00c93350-533d-4bae-b9a7-8ae43f8561d2 | Sachverhalt
ab Seite 535
BGE 108 II 535 S. 535
Der am 16. Januar 1973 verstorbene Z. hinterliess als Erbinnen A. X. und B. Y.-Z., seine Schwester. Als Willensvollstrecker hatte er R. eingesetzt.
BGE 108 II 535 S. 536
Zum Nachlass des Z. gehörte unter anderem ein Mehrfamilienhaus in F., dessen Verkehrswert Architekt S. in seinem Bericht vom 7. Mai 1974 auf Fr. 850'000.-- schätzte. Zwecks Liquidation des Nachlasses fanden verschiedene Besprechungen zwischen dem Willensvollstrecker und den Anwälten der Erbinnen statt. Man kam dabei überein, die Liegenschaft in F. zu verkaufen. Der Verwalter der Liegenschaft, T., war im Oktober 1974 an einer Übernahme zum Preis von Fr. 850'000.-- interessiert, doch kam es zu keiner Einigung, weil der Willensvollstrecker Fr. 950'000.-- verlangte. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1974 wurde T. jedoch ein zunächst bis Ende 1974 befristetes Optionsrecht für den Kauf der Liegenschaft zum Preis von Fr. 950'000.-- eingeräumt. Als die Verhandlungen auf der Basis dieses Betrages scheiterten, erklärten sich die Erbinnen bereit, die Liegenschaft für Fr. 870'000.-- zu verkaufen.
T. teilte dem Willensvollstrecker in der Folge mit, er habe in der Person des U. einen Käufer gefunden, der Fr. 820'000.-- zu zahlen gewillt sei, wobei die Kommission für T. in der Höhe von Fr. 20'000.-- zu Lasten des Nachlasses gehen sollte. Der Willensvollstrecker machte eine Gegenofferte von Fr. 840'000.--, worauf T. schliesslich antwortete, U. sei bereit, Fr. 830'000.-- zu zahlen, abzüglich Fr. 20'000.-- für den neu einzubauenden Öltank. Der Willensvollstrecker willigte ein. Indessen weigerte sich B. Y., den Vertrag zu diesen Bedingungen abzuschliessen. Sie erklärte, die Liegenschaft zum erwähnten tieferen Preis selbst übernehmen zu wollen.
U. verlangte in der Folge Schadenersatz wegen culpa in contrahendo. Der Rechtsstreit zwischen ihm und B. Y. endete mit einem Vergleich. B. Y. verpflichtete sich dabei, Fr. 30'000.-- zuzüglich Fr. 1'000.-- für Anwaltskosten zu zahlen.
Mit Eingabe vom 9. Mai 1979 reichte B. Y. beim Amtsgericht gegen R. Klage ein mit dem Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 36'300.-- nebst Zins zu 5% seit 9. Mai 1979 zu bezahlen. Unter Berufung auf die Verantwortlichkeit des Beklagten als Willensvollstrecker verlangte sie damit Ersatz des durch den Abschluss des Vergleichs mit U. erlittenen Schadens.
Das Amtsgericht und das kantonale Obergericht haben die Klage mit Urteilen vom 9. Juli 1981 bzw. vom 25. Mai 1982 abgewiesen.
Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten Antrages hat B. Y. gegen den obergerichtlichen Entscheid Berufung
BGE 108 II 535 S. 537
an das Bundesgericht erhoben. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Dass der Beklagte die Erbinnen Dritten gegenüber habe vertreten und sie namentlich auch für den Verkauf der Liegenschaft in F. an U. habe rechtsgültig verpflichten können, bestreitet die Klägerin nicht. Indessen macht sie geltend, der Beklagte habe die ihn den Erbinnen gegenüber treffenden Pflichten verletzt, indem er sich über deren Willen hinweggesetzt habe. Zu beachten sei insbesondere, dass der Verkauf nicht etwa erforderlich gewesen sei, um Schulden des Erblassers zu zahlen oder Vermächtnisse auszurichten, sondern dass es darum gegangen sei, die Teilung durchzuführen.
2.
Das Schicksal der Klage hängt unter anderem davon ab, ob der Beklagte als Willensvollstrecker verpflichtet gewesen wäre, vor der endgültigen Zusage an U. die Meinung der Erbinnen einzuholen. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich nach Sinn und Zweck des Amtes des Willensvollstreckers.
a) Gemäss
Art. 518 Abs. 2 ZGB
hat der Willensvollstrecker den Willen des Erblassers zu vertreten und gilt er insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung auszuführen, und zwar nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes. Hat der Erblasser wie hier hinsichtlich der Teilung nichts angeordnet und hat sich der Willensvollstrecker demnach an die gesetzliche Regelung zu halten, muss er namentlich
Art. 607 Abs. 2 ZGB
beachten, wonach gesetzliche und eingesetzte Erben die Teilung frei vereinbaren können.
b) Beim Amt des Willensvollstreckers geht es nach dem Gesagten unter anderem darum, die Vermögenswerte des Erblassers auf die einzelnen Erben zu übertragen, wobei möglichst auf die Interessen der Erben Rücksicht zu nehmen ist. Um die Teilungsart festlegen zu können, muss der Willensvollstrecker die Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Erben kennen. Stehen die Bedürfnisse und Wünsche der Erben im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung oder zu den Anordnungen des Erblassers, so hat sie der Willensvollstrecker unbeachtet zu lassen. Gehen die Interessen der einzelnen Erben auseinander und lässt sich keine Einigung
BGE 108 II 535 S. 538
herbeiführen, obliegt der Entscheid dem Willensvollstrecker, unter Vorbehalt einer Beschwerde der Betroffenen an die zuständige Aufsichtsbehörde. Sind jedoch die Interessen der Erben untereinander wie auch mit Gesetz und letztwilliger Verfügung vereinbar, ist nicht einzusehen, aus welchem Grund der Willensvollstrecker sich sollte über die Wünsche der Erben hinwegsetzen dürfen.
c) Dass der Willensvollstrecker verpflichtet ist, sich nach den Wünschen der Erben zu erkundigen und ihnen bei seinem Vorgehen im Hinblick auf die Teilung grundsätzlich Rechnung zu tragen, wird auch von der Lehre angenommen. PIOTET (Erbrecht, in: Schweiz. Privatrecht, Bd. IV/1, S. 166 f.) führt sogar aus, der Willensvollstrecker scheine selbst dann an einen von sämtlichen Erben abgeschlossenen Teilungsvertrag gebunden zu sein, wenn dieser von Teilungsvorschriften des Erblassers abweiche, sofern er nur nicht rechtswidrig oder unsittlich sei; sicherlich habe der Willensvollstrecker die von sämtlichen Erben gewollte Teilung anzunehmen, wenn es der Wille des Erblassers gewesen sei, das gesetzliche Erbrecht zur Anwendung kommen zu lassen. Tuor bemerkt, dass der Willensvollstrecker sich bei der Teilung den Wünschen der Erben zu fügen habe, soweit diese sich einig seien und sofern ihre Abmachungen nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen oder gegen Anordnungen des Erblassers verstiessen (N. 16 zu
Art. 518 ZGB
). Sodann hält dieser Autor dafür, dass der Willensvollstrecker, der einen Teilungsplan aufgesetzt habe, den Erben Gelegenheit geben sollte, sich dazu zu äussern (N. 17 zu
Art. 518 ZGB
). Unter Hinweis auf seine Verantwortlichkeit empfiehlt er dem Willensvollstrecker ganz allgemein, sich in Zweifelsfällen bei wichtigen Handlungen die Zustimmung der Erben einzuholen (N. 20 zu
Art. 518 ZGB
). Auch ESCHER ist der Ansicht, dass der Willensvollstrecker gut daran tue, sich mit den Erben über die Teilung zu verständigen (N. 17 zu
Art. 518 ZGB
).
d) In
BGE 97 II 17
E. 3 wurde festgehalten, dass bei der Erbteilung der Willensvollstrecker in allen Punkten, über welche die Erben einig seien, deren Willen zu respektieren habe. Soweit eine Einigung der Erben, um die er sich bemühen soll, nicht zustande komme, habe er unter Vorbehalt des Beschwerderechts der Erben und der gerichtlichen Klage wegen Verletzung materiellen Rechts die Aufgaben zu erfüllen, die beim Fehlen eines Willensvollstreckers der zuständigen Behörde oblägen. Ob der Willensvollstrecker als Vertreter des Erblassers, als Vertreter des Nachlasses, als gesetzlicher Bevollmächtigter oder als Treuhänder zu
BGE 108 II 535 S. 539
benennen sei, hat das Bundesgericht in
BGE 90 II 381
f. letztlich offen gelassen. Nehme man ein Treuhandverhältnis an, so bleibe es beim unmittelbaren Erbschaftserwerb der Erben gemäss
Art. 560 ZGB
, während dem Willensvollstrecker bloss sekundäre, wenn auch aus Privatrecht abgeleitete Rechte zustünden. Mit dem Ausdruck Treuhand werde einerseits die vom Willen der Erben unabhängige Stellung des Willensvollstreckers und andererseits seine Pflicht zur Beachtung der widerstreitenden Interessen und zu unparteilicher Amtsführung hervorgehoben.
3.
Die Vorinstanz nimmt zwar durchaus an, der Willensvollstrecker sei verpflichtet, sich nach den Wünschen der Erben hinsichtlich der Teilungsart zu erkundigen. Indessen ist sie der Ansicht, dass der Willensvollstrecker frei handeln könne und dass er namentlich an keine Preislimite gebunden sei, wenn die Erben sich einmal für einen Freihandverkauf entschieden hätten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Erbschaftssachen grundsätzlich in natura unter die Erben verteilt werden sollen. Daraus ist abzuleiten, dass die Erben jederzeit auf einen Entscheid zur Durchführung eines Freihandverkaufes zurückkommen und die Zuweisung einer bestimmten Erbschaftssache an einen von ihnen verlangen können, wenn sie die Angebote Dritter für unzureichend halten. Etwas anderes ergibt sich auch aus dem von der Vorinstanz zitierten
BGE 97 II 11
ff. nicht. In jenem Urteil hob das Bundesgericht das Recht der Erben hervor, eine Versteigerung zu verlangen, wobei es darauf hinwies, dass die Versteigerung die Gleichberechtigung der Erben besser wahre als der Freihandverkauf (
BGE 97 II 20
). Dass für den Willensvollstrecker der Weg der Versilberung durch Freihandverkauf durch kein gesetzliches Hindernis mehr versperrt wäre, wenn die Erben keine Versteigerung verlangen, sagt das Bundesgericht entgegen der Ansicht der Vorinstanz in keiner Weise.
4.
Im vorliegenden Fall ist der Beklagte insofern richtig vorgegangen, als er die Erbinnen im Hinblick auf die Erbteilung konsultiert hat. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich entnehmen, dass eine Reihe von Sitzungen zwischen ihm und den Anwälten der Erbinnen stattfand und dass vor allem auch über den Verkauf der verschiedenen Liegenschaften verhandelt worden sei, wobei der Beklagte die Meinungen der Vertreter der Erbinnen angehört und deren Zustimmung eingeholt habe. Was die Veräusserung des Hauses in F. im besonderen betrifft, so hat der Beklagte die Zustimmung der Erbinnen eingeholt für einen Verkauf zum
BGE 108 II 535 S. 540
Preis von zunächst Fr. 950'000.-- und später Fr. 870'000.--. Wenn er in der Folge gedachte, das Haus zu einem noch tieferen Preis zu veräussern, hätte er von neuem das Einverständnis der Erbinnen einholen sollen, denn dafür, dass die Zuweisung an eine der beiden unter keinen Umständen in Frage kam und dass die beiden Erbinnen bereit gewesen wären, das Haus in F. zu jedem angemessenen Preis zu veräussern, bestanden nach dem angefochtenen Urteil keine Anhaltspunkte. Es ist übrigens unverständlich, weshalb der Beklagte mit den Erbinnen Rücksprache nahm, als die Angebote noch höher lagen, dann aber darauf verzichtete, als sie sanken.
Die Vorinstanz führt aus, Preislimiten seitens der Erben seien regelmässig subjektiv, sie würden dem Wunsch entspringen, möglichst viel zu lösen und hätten oft einen unrealistischen Anstrich. Daraus ableiten zu wollen, der Willensvollstrecker könne an solche Preislimiten nicht gebunden sein, geht indessen nicht an. Das Obergericht übersieht, dass die Erben jederzeit die Zuweisung an einen von ihnen verlangen können, falls sich der gewünschte Kaufpreis nicht verwirklichen lässt.
5.
In seinem Schreiben vom 14. November 1975 legte der Beklagte den Erbinnen dar, was er mit T. im Hinblick auf eine Veräusserung der Liegenschaft in F. verhandelt habe. Dass er sich in ihrem Namen zum Verkauf an U. fest verpflichtet hatte, sagte er dabei nicht. Wenn er aber die erwähnte Verpflichtung bereits eingegangen war, hätte es keinen Sinn gehabt, die Erbinnen zur Stellungnahme aufzufordern. Die Vorinstanz wirft der Klägerin zu Unrecht vor, sie hätte ihre ablehnende Haltung früher bekannt geben sollen. Das Schreiben des Beklagten vom 14. November 1975 war nicht so abgefasst, dass ein Stillschweigen der Erbinnen als Zustimmung auszulegen gewesen wäre.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hatte die Klägerin auch keinen Anlass, sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gegen das Vorgehen des Beklagten zu beschweren. Sie durfte davon ausgehen, der Beklagte würde ihrer Meinung zum Liegenschaftenverkauf Rechnung tragen. Grund zu einer Beschwerde hätte sie nur dann gehabt, wenn der Beklagte sie hätte wissen lassen, dass er sich über ihren Willen hinwegsetzen werde. Letzteres war dem Schreiben vom 14. November 1975 jedoch nicht zu entnehmen.
Der Klägerin hätte im übrigen weder ein sofortiger Einspruch beim Beklagten gegen den Verkauf an U. noch eine Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde etwas genützt. Als sie vom
BGE 108 II 535 S. 541
Ergebnis der Verhandlungen mit U. erfuhr, hatte der Beklagte dessen Offerte bereits vorbehaltlos angenommen. Diese pflichtwidrige Handlung des Beklagten liess sich nicht mehr rückgängig machen. Dass der mit U. vereinbarte Kaufpreis sich im Bereiche der Expertise von Architekt S. bewege und durchaus marktgerecht sei, wie das Obergericht ausführt, ist unerheblich. Aufgabe des Beklagten als Willensvollstrecker war es, die Erbteilung durchzuführen, wobei gemäss
Art. 612 Abs. 2 ZGB
unter den konkreten Umständen nur dann zum Verkauf der Liegenschaft in F. zu schreiten gewesen wäre, wenn eine Zuweisung in natura an eine der Erbinnen zu den von U. angebotenen Bedingungen sich nicht hätte verwirklichen lassen. Wie sich gezeigt hat, war diese Voraussetzung nicht erfüllt.
6.
Was der Beklagte gegen die Berufung einwendet, ist unbehelflich. Dass die Erbinnen eine Teilung in natura absolut ausgeschlossen hätten und - ohne Rücksicht auf den Erlös - nur an einen Verkauf gedacht hätten, lässt sich den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht entnehmen. Dass die Klägerin bis zu ihrer Stellungnahme zum Verkauf an U. längere Zeit verstreichen liess, kann höchstens zu einer Reduktion eines allfälligen Schadenersatzanspruches führen. Unbehelflich ist schliesslich auch das Vorbringen des Beklagten, er habe die Liegenschaften in G. und H. zu einem höheren Preis verkauft als mit den Erbinnen besprochen.
7.
Zusammengefasst ergibt sich, dass dem Beklagten eine Verletzung seiner Pflichten als Willensvollstrecker, mithin ein rechtswidriges Verhalten, zur Last zu legen ist. Zu prüfen bleibt jedoch, ob zwischen der Pflichtwidrigkeit des Beklagten und einem von der Klägerin - vor allem auch der Höhe nach - noch nachzuweisenden Schaden ein Kausalzusammenhang bestehe. Der Beklagte wird sodann die Möglichkeit haben darzutun, dass ihn kein Verschulden treffe (vgl.
BGE 101 II 53
f. E. 2). Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese zu den erwähnten Punkten die notwendigen Abklärungen treffe und alsdann neu entscheide. | mixed |
356901b4-4f99-4ea8-91ba-6944bb41ba98 | Sachverhalt
ab Seite 377
BGE 90 II 376 S. 377
A.-
Christian Schmid-Blaser, geboren am 7. Juni 1886, gestorben am 12. November 1962 in St. Moritz, war Bürger mehrerer bündnerischer Gememden; zuletzt hatte er das Bürgerrecht von St. Moritz erworben. Er war als Industrieller tätig, vornehmlich in Mailand, wo er auch eine grosse Privatwohnung hatte. Im Jahre 1936 errichtete er die Crisanus-Familienstiftung mit Sitz in Vaduz, um sich und seiner Ehefrau "den anständigen Lebensunterhalt" zu sichern, und im Jahre 1949 eine Stiftung zu gemeinnützigen Zwecken mit Sitz in Chur, genannt Christian Schmid Fonds, auf den dereinst nach dem Ableben beider Ehegatten auch das gesamte Vermögen jener Familienstiftung übergehen soll. Mit der Ehefrau schloss er am 21. April 1942 einen Erb- und Erbverzichtsvertrag. Am 18. und 19. Mai 1960 verfügte er letztwillig (mit Angabe von St. Moritz als Errichtungsort und von Mailand als Wohnsitz), die Erbfolge in seinen Nachlass solle dem Rechte seiner Heimat unterstehen. Dabei setzte er seine nächsten Blutsverwandten, Erben des elterlichen Stammes, auf den Pflichtteil (gemäss
Art. 472 ZGB
und Art. 89 des bündnerischen EG zum ZGB) und bezeichnete seine Ehefrau unter Vorbehalt dieser Pflichtteilsansprüche und mehrerer Vermächtnisse als Universalerbin.
Zugleich ernannte er einen Willensvollstrecker in der Person der Fides Treuhand-Vereinigung, Zürich, die bereits dem Vorstand der erwähnten Crisanus-Familienstiftung, Vaduz, angehörte und mit seinem Tode einziges Mitglied dieses Stiftungsvorstandes, somit einziges Organ der Stiftung, wurde.
B.-
Einige der pflichtteilsberechtigten Erben des elterlichen Stammes und eine Bank als Zessionarin von Erbansprüchen führten am 17. Mai 1963 beim Kreisamt Oberengadin gegen die Fides Treuhand-Vereinigung Beschwerde. Sie beantragten
1. die Entsetzung der FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers;.
BGE 90 II 376 S. 378
2. die Anordnung einer amtlichen Erbschaftsverwaltung;
3. die Weisung an die FIDES, alle sich auf den Nachlass "und damit auch auf die Crisanus-Familienstiftung, das Obera Etablissement, Vaduz, sowie die Artex AG, Vaduz" beziehenden Skripturen, Bücher und Belege dem neu zu ernennenden amtlichen Erbschaftsverwalter zu übergeben;
4. die Mitwirkung der Behörde bei der Erbteilung gemäss
Art. 609 Abs. 1 ZGB
.
C.-
Das Kreisamt Oberengadin wies am 20. November 1963 das Hauptbegehren um Absetzung der FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers ab. Damit entfielen die an jene Massnahme anknüpfenden weiteren Begehren.
D.-
Das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden hiess dagegen den Rekurs der Beschwerdeführer (mit Ausnahme der Zessionarin, die nicht antragsberechtigt sei) mit Entscheid vom 2. April 1964 gut. Es enthob demgemäss die FIDES vom Amt eines Willensvollstreckers im Nachlass des Christian Schmid-Blaser und wies das Kreisamt Oberengadin an, im Sinne von
Art. 609 ZGB
an der Erbteilung mitzuwirken und gemäss Art. 2 Ziff. 7 des bündnerischen EG zum ZGB einen Erbschaftsverwalter zu ernennen.
E.-
Gegen diesen Entscheid hat die Fides Treuhand-Vereinigung Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der gegen sie erhobenen Beschwerde.
Der Antrag der Beschwerdeführer geht dahin, es sei auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
F.-
In einem am 5. Juni 1963 in Zürich gegen die FIDES eingeleiteten Befehlsverfahren verlangten die nämlichen Erben wie auch die erwähnte Zessionarin die Gewährung von Einsicht in die Akten des Erblassers, namentlich "sämtliche Skripturen, Bücher und Belege des Erblassers und der mit ihm identischen Crisanus-Familienstiftung...". Dieses Begehren wurde, soweit es die Akten der Crisanus-Familienstiftung und zugehöriger Tochterunternehmungen
BGE 90 II 376 S. 379
betraf, in den kantonalen Instanzen abgewiesen, vom Bundesgericht jedoch in dem von den Klägern eingeleiteten Berufungsverfahren durch Urteil von heute geschützt (S. 365 ff. hievor). Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Berufungsbeklagten, deren Beschwerde in der obern kantonalen Instanz gutgeheissen worden ist, halten die Berufung an das Bundesgericht für unzulässig, weil man es mit keiner Zivilrechtsstreitigkeit zu tun habe. In der Tat hängt die Zulässigkeit der vorliegenden Berufung davon ab, ob der angefochtene Entscheid eine Streitigkeit solcher Art betrifft. Denn eine Zivilsache anderer Art, die nach Art. 44 oder 45 OG der Berufung an das Bundesgericht unterstünde, kommt hier nicht in Frage.
InBGE 66 II 150Erw. 2, worauf die Berufungsbeklagten in erster Linie hinweisen, ist ausgeführt, der Willensvollstrecker unterstehe ebenso wie der amtliche Erbschaftsverwalter der Aufsicht der zuständigen Behörde, und zu der Aufsichtsgewalt gehöre die Befugnis, einen unfähigen oder pflichtvergessenen Willensvollstrecker abzusetzen. Es handle sich dabei um eine Ordnungsmassnahme kraft Aufsichtsrechtes, nämlich um die Aufhebung der dem Willensvollstrecker zustehenden Verwaltungsbefugnisse. Diese seien als sog. sekundäre Rechte zu betrachten; materiell sei der Willensvollstrecker am Nachlasse nicht beteiligt. Für seine Entsetzung von dem ihm vom Erblasser aufgetragenen (privaten) Amte das Verfahren eines Zivilprozesses vorzusehen, bestehe keine Veranlassung.
Damit übereinstimmend erklärt das Bundesgericht auch in
BGE 84 II 325
ff., die dem Willensvollstrecker vom Erblasser übertragenen Befugnisse in Verbindung mit seinen gesetzlich umschriebenen Aufgaben verschaffen jenem keine materiellrechtliche Beteiligung am Nachlass. Daher bedeute der Entzug der Befugnisse des Willensvollstreckers durch die Aufsichtsbehörde keine Beurteilung einer Zivilrechtsstreitigkeit, und gleich verhalte es sich mit einem
BGE 90 II 376 S. 380
teilweisen Entzug dieser Befugnisse durch Anordnung einer in andere Hände zu legenden amtlichen Erbschaftsverwaltung. Ob ein dahingehender Entscheid von einer gerichtlichen oder administrativen Behörde gefällt werde, beeinflusse die Rechtsnatur der Angelegenheit nicht. Im einen wie im andern Falle sei die Berufung an das Bundesgericht unzulässig.
Demgegenüber weist die Berufungsklägerin darauf hin, dass die Absetzung eines Willensvollstreckers im Unterschied zur Absetzung eines amtlichen Erbschaftsverwalters in ein privatrechtliches Verhältnis eingreife. Denn es werde dadurch eine vom Erblasser getroffene letztwillige Verfügung ganz oder teilweise ausser Kraft gesetzt. Im vorliegenden Falle habe der Erblasser ihr bewussterweise zwei Rollen zugewiesen, nämlich sie als einziges (verbleibendes) Organ der von ihm errichteten Crisanus-Familienstiftung bestimmt und sie ferner als Willensvollstreckerin zur Regelung seines Nachlasses eingesetzt. Mit seinem Entscheid habe der oberinstanzliche kantonale Richter die letztwilligen Verfügungen des Erblassers teilweise rechtsunwirksam gemacht. Solche rechtsaufhebende Entscheide seien den Zivilrechtsstreitigkeiten zuzuordnen und unter den hiefür geltenden Voraussetzungen (Streitwert, Endentscheid) der Berufung an das Bundesgericht zu unterstellen.
2.
Der Berufungsklägerin ist darin beizustimmen, dass das Rechtsverhältnis zwischen Willensvollstrecker und Erbschaft rein privatrechtlicher Natur ist, gleichgültig ob man annimmt, es handle sich um einen Auftrag (mit gewissen Besonderheiten: namentlich was die "Annahme" nach dem Tode des Erblassers, die Nichtwiderruflichkeit seitens der Erben und die behördliche Aufsicht betrifft), oder ob man die Willensvollstreckung als Rechtsverhältnis besonderer Art betrachtet, auf das mit Rücksicht auf Zweck und Form des Instituts die Auftragsregeln bloss analog und in eingeschränktem Masse anzuwenden seien (vgl.
BGE 78 II 123
ff.). Folgerichtig bezeichnet derselbe Entscheid den Anspruch des Willensvollstreckers auf Vergütung
BGE 90 II 376 S. 381
gemäss
Art. 517 Abs. 3 ZGB
als privatrechtliche Forderung. AuchBGE 66 II 150geht übrigens davon aus, dass der Willensvollstrecker seine Befugnisse aus dem letzten Willen des Erblassers ableitet. Er hat den Erben gegenüber (deren Zustimmung zu seiner Ernennung nicht erforderlich ist, und die, wie bereits bemerkt, den ihm vom Erblasser erteilten "Auftrag" nicht widerrufen können) eine selbständige Stellung. Unter Umständen kommt er sogar in den Fall, gegen sie oder einzelne von ihnen den Willen des Erblassers durch Klage zur Geltung zu bringen (
BGE 77 II 125
). Ferner ist er in Prozessen, die auf Anfechtung der testamentarischen Regelung seiner Befugnisse oder einer von ihm selbst getroffenen materiellrechtlichen Verfügung gerichtet sind, passiv legitimiert (
BGE 49 II 15
,
BGE 51 II 53
Erw. 3). Die in der Willensvollstreckung liegenden Befugnisse sind ihm persönlich zur Ausübung in eigenem Namen zugewiesen. In entsprechendem Umfang (soweit der Erblasser selbst es nicht beschränkt hat) steht ihm das Recht zur Verwaltung des Nachlasses und zu den mit dessen Abwicklung verbundenen Verfügungen ausschliesslich zu und ist den Erben für die Dauer der Willensvollstreckung entzogen (Art. 602 Abs 2 ZBG). Ob der Willensvollstrecker angesichts dieser ihm zukommenden Rechtsstellung als Vertreter des Erblassers, als Vertreter des Nachlasses, als gesetzlicher Bevollmächtigter oder endlich - was vorherrschende Ansicht geworden ist; vgl. TUOR N. 7, und ESCHER, N. 2-6 der Vorbemerkungen zu Art. 517/18 ZGB - als Treuhänder zu benennen sei, mag dahingestellt bleiben. Nimmt man ein Treuhandverhältnis an, so ist dieses nicht etwa im Sinne der anglo-amerikanischen Treuhand (trust) mit geteiltem Eigentum zu verstehen (vgl. F. T. GUBLER, Besteht in der Schweiz ein Bedürfnis nach Einführung des Instituts der angelsächsischen Treuhand [Trust]? in ZSR NF 73 S. 215a ff.), noch erhält der Willensvollstrecker fiduziarisches Eigentum am Nachlass, so dass die Erben auf obligatorische Ansprüche verwiesen wären; vielmehr bleibt es bei ihrem unmittelbaren Erbschaftserwerb
BGE 90 II 376 S. 382
gemäss
Art. 560 ZGB
, während dem Willensvollstrecker, wie in den angeführten Entscheidungen dargelegt ist, bloss sekundäre, wenn auch auf privatrechtlichem Titel beruhende Rechte zustehen (vgl. JOST, Fragen aus dem Gebiete der Willensvollstreckung, 1953, S. 83). Mit dem Ausdruck Treuhand wird einerseits die vom Willen der Erben unabhängige Stellung des Willensvollstreckers und anderseits seine Pflicht zur Beachtung der widerstreitenden Interessen und zu unparteilicher Amtsführung hervorgehoben. Er "steht zwischen dem Erblasser und den Erben" (BERLA, Das Verfügungsrecht des Willensvollstreckers, Diss. 1953, S. 5). In einer ähnlichen neutralen Stellung befindet sich der "Treuhänder" im Nachlassverfahren der Eisenbahnunternehmungen nach Art. 63 Abs. 3 VZEG, der "Stellvertreter für die Gläubiger und den Schuldner" nach
Art. 875 Ziff. 1 ZGB
und der "Bevollmächtigte" bei Schuldbrief und Gült nach
Art. 860 ZGB
, der gemeinhin auch Treuhänder genannt wird (vgl. LEEMANN, N. 6 ff. zu
Art. 860 ZGB
). Eine Frage für sich ist, ob von eigenen "dinglichen" Rechten des Willensvollstreckers zu sprechen sei, wie es einzelne Autoren tun (vgl. namentlich K. BLOCH, Zur Frage der Rechts- und Prozesstellung des Willensvollstreckers und des unverteilten Nachlasses im schweiz. Recht, SJZ 1958 S. 337 ff., insbesondere Anm. 44a; derselbe, Kann ein Willensvollstrecker, weil er eingesetzter Erbe ist, wegen Interessenkollision abgesetzt werden? SJZ 1959 S. 125, Ziff. 1, je mit Hinweis auf A. VON TUHR, Allg. Teil des schweiz. OR, § 28 Ziff. II und Anm. 5; dort ist jedoch nicht von dinglichen Rechten die Rede, sondern im wesentlichen gesagt, die Verfügung der Erben über den Nachlass sei ausgeschlossen bei Erbschaftsverwaltung, amtlicher Liquidation und ebenso bei Willensvollstreckung). Jedenfalls kommen keine dinglichen Rechte im Sinne des Sachenrechts (speziell Pfandrecht oder Nutzniessung) in Frage. Dagegen kann gewiss in Anlehnung an den freien Sprachgebrauch des Gesetzes (das beispielsweise in Art. 462 Abs. 1 vom Erwerb
BGE 90 II 376 S. 383
des Viertels der Erbschaft "zu Eigentum" spricht) die gesamte Rechtsstellung des Willensvollstreckers in einem weitern Sinne als dingliche bezeichnet werden, was aber, wie bereits dargetan, keine materielle Beteiligung am Nachlass in sich schliesst, sondern eben nur ein selbständiges eigenes (d.h. im eigenen Namen auszuübendes) Verfügungs- und Verwaltungsrecht betreffend fremdes Vermögen bedeutet. Damit ist nicht zur Frage Stellung genommen, ob und allenfalls mit welchen Vorbehalten es zulässig sei, als Willensvollstrecker einen gesetzlichen oder eingesetzten Erben zu bezeichnen. Jedenfalls ergäbe sich in einem solchen Fall die materielle Beteiligung am Nachlass nur aus der Eigenschaft als Erbe.
3.
Grundsätzlich lässt sich aus dieser Rechtsstellung des Willensvollstreckers nichts Triftiges gegen die in Erw. 1 erwähnten Entscheidungen herleiten. Da der Willensvollstrecker die ihm zustehenden Befugnisse nicht in eigener Sache, um seiner selbst willen, auszuüben, sondern in fremder Sache zu handeln, eben den Erbgang ordnungsgemäss (nach den Anordnungen des Erblassers und den daneben, ergänzend oder jenen Anordnungen vorgehend, anwendbaren gesetzlichen Regeln) durchzuführen hat, ist er füglich der Aufsicht der zuständigen Behörde zu unterstellen. Diese kann auf Antrag eines materiell an der Erbschaft Beteiligten oder auch von Amtes wegen, sei es auf Anzeige durch einen unbeteiligten Dritten oder infolge sonstwie gemachter Wahrnehmungen, einschreiten, den Willensvollstrecker ermahnen, ihm Weisungen (Gebote und Verbote) erteilen oder andere sachdienliche Massnahmen treffen oder endlich, wenn sich der Übelstand anders nicht beheben lässt, ihn wegen Unfähigkeit oder grober Pflichtwidrigkeit seines Amtes entsetzen. Damit greift die Behörde nicht gegen den zu vermutenden Willen des Erblassers in die betreffende Testamentsklausel ein. Viemehr setzt der Erblasser normalerweise voraus, der von ihm bezeichnete Willensvollstrecker sei der ihm zugedachten Aufgabe gewachsen und erfülle sie pflichtgemäss. Hat er sich darin
BGE 90 II 376 S. 384
getäuscht und erweist sich die Absetzung des Willensvollstreckers zur Sicherung eines ordnungsmässigen Erbganges als notwendig, so entspricht diese Massnahme auch den wahren Absichten des Erblassers, der nicht mehr selber zum rechten sehen kann. Waltet die Aufsichtsbehörde in solcher Weise ihres Amtes, so trifft sie eine Ordnungsmassnahme administrativer Natur; man hat es alsdann nicht mit der Entscheidung einer Zivilrechtsstreitigkeit zu tun.
Anders verhält es sich jedoch, wenn der besondere Absetzungsgrund einer Interessenkollision in Frage steht, die sich aus einer vom Erblasser selbst geschaffenen oder ihm jedenfalls bekannten und von ihm als fortbestehend vorausgesetzten Doppelstellung des Willensvollstreckers ergibt. Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Denn die FIDES ist vom Erblasser selbst als einziges verbleibendes Organ der Crisanus-Familienstiftung ausersehen und anderseits als Willensvollstreckerin eingesetzt worden. Die Beschwerdeführer haben unter anderem eine sich aus dieser Doppelstellung ergebende "unüberbrückbare" Interessenkollision geltend gemacht. Und das Kantonsgerichtspräsidium hat die Absetzung gerade aus diesem Grunde ausgesprochen, während es die der FIDES ausserdem vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten zwar teilweise bejaht und gerügt, jedoch nicht als so schwerwiegend befunden hat, dass die FIDES deswegen nicht als Willensvollstreckerin zu belassen wäre. Jene Annahme aber, die vom Willensvollstrecker zu wahrenden Interessen der an der Erbschaft materiell Beteiligten oder einzelner von ihnen (nämlich der Beschwerdeführer) stünden denjenigen jener Familienstiftung in so erheblichem Masse entgegen, dass die vorgesehene Willensvollstreckung den betreffenden Erben nicht zumutbar sei, widerspricht dem offenkundigen Willen des Erblassers. Das Begehren, den Willensvollstrecker aus einem solchen Grunde seines Amtes zu entheben, läuft somit auf die Geltendmachung eines der betreffenden Testamentsklausel anhaftenden besondern (nicht auf
Art. 519 ZGB
beruhenden) Ungültigkeits- oder Anfechtungsgrundes
BGE 90 II 376 S. 385
hinaus, wie es denn noch andere als die in Art. 519 vorgesehenen Gründe der Rechtsunwirksamkeit letztwilliger Verfügungen gibt (vgl.
BGE 81 II 27
Erw. 4). Der Streit über das Bestehen eines solchen Rechtsmangels, wie er angeblich der Einsetzung des Willensvollstreckers im Hinblick auf die ihm vom Erblasser zugewiesene Doppelstellung von Anfang an anhaftet, ist ein Zivilrechtsstreit. Darüber ist in kontradiktorischem Verfahren zu entscheiden, wobei dem Willensvollstrecker Parteistellung zukommt.
4.
Die kantonalen Behörden haben nun freilich die Beschwerde der gegen die Willensvollstreckerin aufgetretenen Erben nicht als Zivilklage betrachtet und nicht im eigentlichen Zivilprozess-, sondern in einem administrativen Beschwerde- und Rekursverfahren über diese Streitfrage entschieden. Dennoch liegt ein der Berufung an das Bundesgericht unterliegender Endentscheid der kantonalen Oberbehörde gemäss
Art. 48 OG
in einer Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 oder 46 OG vor. Ob über einen solchen erbrechtlichen Streit nach der kantonalen Zuständigkeitsordnung die Gerichte hätten entscheiden sollen, und ob deshalb die Beschwerdeinstanzen bei richtiger Würdigung des Charakters dieser Streitsache sich hätten als unzuständig erklären sollen, kann dahingestellt bleiben. Von Bundesrechts wegen ist für die Geltendmachung derartiger - im ZGB gar nicht vorgesehener - Testamentsmängel die gerichtliche Zuständigkeit nicht vorgeschrieben, weshalb Entscheide von Verwaltungsbehörden nicht verpönt sind (
Art. 54 Abs. 2 ZGB
Schl). Übrigens hat in oberer Instanz eine gerichtliche Behörde, wenn auch in administrativem Verfahren, geurteilt. Was aber die Art dieses Verfahrens betrifft, so ist es in kontradiktorischer Weise (mit doppeltem Schriftenwechsel in erster und nochmaligem Schriftenwechsel in oberer Instanz, überhaupt mit voller Gewährung des rechtlichen Gehörs an beide Parteien, und mit vollständiger Abklärung der Tatsachen) durchgeführt worden. Es genügt also in jeder
BGE 90 II 376 S. 386
Hinsicht den von Bundesrechts wegen an ein Zivilprozessverfahren zu stellenden Anforderungen.
Schreibt man der Streitsache, weil sie erbrechtliche Verhältnisse, wenn auch nicht Bestand und Grösse von Erbanteilen oder anderer Ansprüche materiellrechtlicher Art, betrifft, vermögensrechtlichen Charakter zu, so ist angesichts der Grösse dieser Erbschaft der nach
Art. 46 OG
erforderliche Streitwert von Fr. 8000.-- wie auch derjenige von Fr. 15'000.-- für die mündliche Parteiverhandlung nach
Art. 62 OG
gegeben. Wird die Sache als nicht vermögensrechtliche angesehen, so kann sich die Berufung auf
Art. 44 OG
stützen.
5.
Die Möglichkeit der Entlassung eines Willensvollstreckers wegen einer in seiner Person bestehenden Interessenkollision wird in Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt (vgl. ESCHER, N. 20 zu
Art. 518 ZGB
; SJZ 1963 S. 203). Nach Ansicht des kantonalen Richters bringt die Eigenschaft derFIDES als einziges Vorstandsmitglied der Crisanus-Familienstiftung eine offensichtliche Kollision solcher Art mit sich. Deshalb sei das Amt eines Willensvollstreckers mit jener Organstellung nicht vereinbar. Denn, sagt der angefochtene Entscheid, als Willensvollstreckerin wäre die FIDES beim Ausbleiben einer gütlichen Einigung verpflichtet, im Namen der Erben gegen die Crisanus-Familienstiftung eine Herabsetzungsklage anzuheben. Als einziges Vorstandsmitglied dieser Stiftung wäre sie aber gleichzeitig verpflichtet, sich gegen eine solche Klage zur Wehr zu setzen. Dem ist jedoch nicht beizustimmen. Wie die Berufungsklägerin mit Recht einwendet, ist der Willensvollstrecker zur Herabsetzungsklage weder aktiv noch passiv legitimiert (
BGE 85 II 601
). Die FIDES kann somit nicht in den von der Vorinstanz befürchteten Zwiespalt der Pflichten geraten.
Ein die Willensvollstreckung beeinträchtigender Konflikt ergibt sich auch nicht daraus, dass die Berufungsbeklagten die Crisanus-Familienstiftung nicht als gültig anerkennen, während die FIDES anderer Ansicht ist und
BGE 90 II 376 S. 387
die von jenen behauptete Zugehörigkeit des Stiftungsvermögens zum Nachlass des Stifters jedenfalls solange nicht gelten lassen will, als kein dahingehender Richterspruch ergeht. Es ist nicht Sache des Willensvollstreckers, eine derartige Klage (zumal gegen seine eigene Rechtsauffassung) anzuheben. Vielmehr steht es den Erben (denjenigen, die sich auf diesen Standpunkt stellen) anheim, die Nichtigkeit jener Stiftung geltend zu machen. Mit der Willensvollstreckung hat ein solches Vorgehen nichts zu tun, da es offensichtlich dem Willen des Erblassers zuwiderläuft. Die FIDES kann also den allenfalls von Erbenseite verlangten Richterspruch über die Gültigkeit der Crisanus-Stiftung abwarten. Denn auch wenn von Anfang an bestehende Ungültigkeit gemäss
Art. 52 Abs. 3 ZGB
geltend gemacht wird, ist die Stiftung einstweilen formal existent, und es kann in einem gegen sie durchgeführten Verfahren zur gerichtlichen Nichtigerklärung mit Feststellungscharakter kommen (vgl.
BGE 73 II 83
/84,
BGE 75 II 86
). Die Weigerung der FIDES, das Stiftungsvermögen ohne weiteres zum Nachlassvermögen zu ziehen, ist um so weniger zu beanstanden, als nicht von vornherein die Möglichkeit einer Beschränkung des Stiftungszweckes wie auch einer richterlichen Konversion auszuschliessen ist, zumal ja heute nur ein Teil der gesetzlichen Erben die Stiftung nicht gelten lassen will. Wenn sich übrigens die FIDES einem Begehren um Nichtigerklärung der Stiftung widersetzen will, darf sie es tun. Sie verstösst damit nicht gegen die sich aus der Willensvollstreckung ergebenden Pflichten. Einerseits befindet sie sich dabei mit dem Willen des Erblassers, den sie in erster Linie auszuführen hat, im Einklang. Anderseits gebietet die ihr obliegende Rücksichtnahme auf die Interessen der Erben (sämtlicher, nicht bloss einzelner Erben) kein anderes Verhalten. In der in Frage stehenden Angelegenheit können die auf Nichtigerklärung der erwähnten Stiftung ausgehenden Erben selbständig vorgehen. Sie haben denn auch, wie die Vorinstanz auf Seite 39 ihres Entscheides ausführt, im Erbteilungsprozess
BGE 90 II 376 S. 388
vor Bezirksgericht Maloja widerklageweise das Begehren um Nichtigerklärung der Stiftung gestellt.
Bedenken erweckt es dagegen, dass die FIDES nicht bereit war, zur Abklärung allfälliger Herabsetzungsansprüche gegen die Crisanus-Familienstiftung beizutragen, sondern sich hartnäckig weigerte, den Pflichtteilserben hierüber Aufschluss zu erteilen. Sie hat mit diesem Verhalten den Verdacht aufkommen lassen, sie wolle einseitig die Interessen eines Teils der Erben, in erster Linie der Witwe des Erblassers, zur Geltung kommen lassen und missachte ihre Pflicht zur unparteiischen Feststellung des Nachlasses; jedenfalls gehe sie nicht mit der notwendigen Objektivität vor. Dass sich ihre Haltung in diesem Punkte nicht mit dem Hinweis auf den letzten Willen des Erblassers rechtfertigen lässt, ist bereits im heute gefällten Urteil in der andern Berufungssache (siehe hievor Buchstabe F der Tatsachen), Erw. 4, dargetan worden.
Es ist ihr jedoch zugute zu halten, dass ihre Weigerung nicht jedes Anscheins der Begründetheit entbehrte. Ist doch ihr Standpunkt von beiden zürcherischen Instanzen im Befehlsverfahren geschützt worden. Zudem verringert sich nun nach dem Ausgang jenes Rechtsstreites das Interesse der Berufungsbeklagten an der Entsetzung der FIDES vom Amte des Willensvollstreckers in beträchtlichem Masse. Sie werden durch Geltendmachung des Rechts auf Einsicht in die Akten der Crisanus-Familienstiftung Klarheit über ihre Herabsetzungsansprüche gewinnen. Und zwar kann die FIDES überhaupt nur in ihrer Eigenschaft als Willensvollstreckerin der Auskunftspflicht nach
Art. 607 und 610 ZGB
unterstellt werden. Wäre sie nicht (oder nicht mehr) Willensvollstreckerin und deshalb mit der Feststellung und Teilung des Nachlasses nicht (weiterhin) befasst, so könnte sie als beliebiger Dritter (oder eben als Organ der Crisanus-Familienstiftung) den Erben gegenüber nicht als auskunftspflichtig erklärt werden. Diese wären darauf angewiesen, ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse die Rechtsbeständigkeit der
BGE 90 II 376 S. 389
Stiftung anzufechten oder gegen sie auf Herabsetzung der ihr vom Erblasser zugewendeten Vermögenswerte zu klagen.
Im Fall eines Herabsetzungsprozesses kann freilich die FIDES in eine heikle Lage kommen, wenn sie die beklagte Stiftung als einziges Vorstandsmitglied vertritt und den Herabsetzungsanspruch abzuwehren sucht, zugleich aber als Willensvollstreckerin verpflichtet wäre, die Gegenpartei (d.h. die klagenden Pflichtteilserben) über den Umfang ihrer Herabsetzungsansprüche aufzuklären, soweit es nicht bereits vorher geschehen ist. Mit einem Wegfall der Willensvollstreckung (was die FIDES selbst einstweilen nicht wünscht) wäre aber in dieser Hinsicht für die Pflichtteilserben nichts gewonnen; denn es fiele damit auch die von ihnen in Anspruch genommene Auskunftspflicht weg. Im übrigen erscheint ein Herabsetzungsprozess nicht als unvermeidlich. Es ist mit einer gütlichen Einigung der Beteiligten zu rechnen, wenn die Pflichtteilserben einmal über die in Betracht fallenden Vermögensvorgänge aufgeklärt sind.
Nach alldem besteht kein genügender Grund, die Willensvollstreckung wegen der in Frage stehenden Doppelstellung der FIDES aufzuheben. Diese muss sich der Tatsache bewusst sein, dass die Crisanus-Familienstiftung keine den Berufungsbeklagten fern stehende Drittperson, sondern eine vom Erblasser geschaffene Einrichtung ist, der er grosse Teile seines Vermögens zugewendet hat, worüber des nähern unterrichtet zu werden die Pflichtteilserben ein legitimes Interesse haben. Erfüllt sie demgemäss die ihr als Willensvollstreckerin obliegende Pflicht zur Auskunfterteilung und zur Gewährung von Akteneinsicht (gemäss dem heutigen Urteil in der hievor unter Buchstabe F der Tatsachen erwähnten Berufungssache), so wird die Willensvollstreckung nicht wesentlich beeinträchtigt dadurch, dass sie in anderer Hinsicht als Organ jener Stiftung handeln wird.
6.
Die Berufungsbeklagten halten dafür, die von der
BGE 90 II 376 S. 390
Vorinstanz ausgesprochene Absetzung der FIDES als Willensvollstreckerin sei auf alle Fälle deshalb zu bestätigen, weil den ihr vorgehaltenen und auch nachgewiesenen Pflichtwidrigkeiten ein grösseres als das ihnen von der Vorinstanz beigemessene Gewicht zukomme. Man kann sich fragen, ob dieser Teil des vorinstanzlichen Urteils ebenfalls eine Zivilrechtsstreitigkeit beschlage (vgl. Erw. 3), oder ob die betreffenden Vorfälle wenigstens insofern vom Bundesgericht zu überprüfen seien, als sie geeignet sein können, die praktische Tragweite der sich aus der erwähnten Doppelstellung der Fides ergebenden Interessenkollision darzutun, oder ob endlich immer dann, wenn eine Willensvollstreckung unter anderem wegen Interessenkollision angefochten wird, zugleich die dem Willensvollstrecker vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten in das Zivilrechtsstreitverfahren einbezogen und der bundesgerichtlichen Überprüfung mitunterstellt zu werden verdienen. Wie es sich damit verhält, mag hier offen bleiben. Denn die vorinstanzliche Würdigung der in Frage stehenden Pflichtwidrigkeiten erscheint als ohne jeden Zweifel zutreffend, so dass der Standpunkt der Berufungsbeklagten keinesfalls durchzudringen vermag und die Frage einer Kompetenzattraktion füglich auf sich beruhen kann.
Zu den einzelnen gerügten Pflichtverstössen ist, unter Hinweis auf die eingehenden Darlegungen des Kantonsgerichtspräsidiums, kurz Folgendes zu bemerken:
a) Die FIDES hat die beiden bei ihr unverschlossen hinterlegten letztwilligen Verfügungen erst zweieinhalb Monate nach dem Tode des Erblassers dem Kreisamt Oberengadin zur Eröffnung eingereicht. Damit hat sie gegen
Art. 556 ZGB
verstossen, wonach beim Tode des Erblassers letztwillige Verfügungen "unverweilt (sans délai, sollecitamente)" einzuliefern sind. Diese Pflicht trifft besonders auch den Willensvollstrecker; ob er ihr nachkommen will, steht nicht in seinem Ermessen. Die Vorinstanz führt zutreffend aus, die Ermittlung des (wegen der Wohnsitzverhältnisse des Erblassers nicht ohne weiteres
BGE 90 II 376 S. 391
feststehenden) Ablieferungsortes und der für die Eröffnung zuständigen Behörde könne eine so starke Verzögerung nicht entschuldigen. Noch weniger bildet einen Rechtfertigungsgrund die behauptete Notwendigkeit der Abklärung verwickelter Steuerverhältnisse im Ausland. Immerhin handelt es sich um eine blosse Ordnungsvorschrift, deren Vernachlässigung keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Testamente hat (
BGE 53 II 210
). Ferner besteht kein Grund anzunehmen, die FIDES habe die Feststellung des letzten Willens des Erblassers erschweren oder gar verhindern wollen. Es ist auch nicht als Folge der verzögerten Testamentseinreichung anzusehen, dass die Erben nicht rechtzeitig die Aufnahme eines öffentlichen Inventars verlangten. Sie hätten diese Massnahme ohne weiteres verlangen können, gleichgültig ob die Testamente abgeliefert worden waren oder nicht.
b) Dass auch Erbverträge einzuliefern und von der Behörde zu eröffnen seien, ist nicht vorgeschrieben (vgl. dazu ESCHER und PICENONI, je N. 2 zu Art. 556). PICENONI bemerkt ausdrücklich, der Kanton Graubünden lehne es ab, Erbverträge eröffnen zu lassen. Gleicher Auffassung war das Kreisamt Oberengadin (Seite 5 seines Urteils), also die für die Eröffnung letztwilliger Verfügungen zuständige Behörde. Die Nichteinlieferung des Erb- und Erbverzichtsvertrages der Eheleute Schmid aus dem Jahre 1942 ist daher der FIDES nicht zum Verschulden anzurechnen. Freilich hätte dazu im vorliegenden Fall eine besondere Veranlassung bestanden, weil der Erblasser sich in seiner letztwilligen Verfügung vom 19. Mai 1960 auf jenen mit der Ehefrau abgeschlossenen Vertrag bezog. Indessen wurde dieser Vertrag auf Wunsch der Berufungsbeklagten nachträglich eingereicht und amtlich eröffnet.
c) Dass die Weigerung der FIDES, die vom Erblasser durch Verfügung unter Lebenden errichtete Crisanus-Familienstiftung ohne Richterspruch als nichtig zu behandeln, kein schuldhaftes Verhalten darstellt, ergibt sich aus dem oben Gesagten (Erw. 5). Übrigens hat sie, allerdings
BGE 90 II 376 S. 392
erst am 17. Mai 1963, Prof. P. Liver mit der Ausarbeitung eines Gutachtens über die Rechtsbeständigkeit der Stiftung beauftragt und es nach Eingang den Erben zur Kenntnis gebracht. In rechtsverbindlicher Weise konnte die FIDES nicht etwa selber zur Frage Stellung nehmen, ob das Vermögen der Stiftung zum Nachlass des Stifters gehöre und in das Erbschaftsinventar aufzunehmen sei. Es handelt sich um eine der gerichtlichen Beurteilung unterliegende Frage materiellrechtlicher Natur.
d) Im Besitz des Anwaltes der Witwe des Erblassers befindet sich ein vom Erblasser aufgestellter Vermögensstatus, in den die Berufungsbeklagten Einsicht nehmen wollen. Dass die zur richtigen Feststellung des Nachlasses verpflichtete FIDES diesen Status nicht herausverlangt hat, ist zu beanstanden. Diese möglicherweise aufschlussreiche Urkunde ist zu berücksichtigen, auch wenn nicht alle Erben es wünschen. Von grober Pflichtwidrigkeit der FIDES kann indessen hiebei nicht gesprochen werden.
e) Einen weitern Vorwurf machen die Berufungsbeklagten der FIDES deshalb, weil sie sich geweigert hat, das Verschollenheitsverfahren für den seit Jahrzehnten nachrichtenlos abwesenden Bruder des Erblassers einzuleiten. Indessen beruft sich die FIDES auf
Art. 35 ZGB
, wonach zur Stellung des Gesuches um Verschollenerklärung diejenigen Personen befugt sind, die aus dem Tode des Verschwundenen Rechte ableiten können. Zu diesen Personen gehört der Willensvollstrecker nicht; somit lässt sich der von der FIDES eingenommene Rechtsstandpunkt vertreten. Ob nicht eine andere Betrachtungsweise den Vorzug verdiene und der Willensvollstrecker auf Grund seiner Stellung zum Nachlass und namentlich infolge seiner Teilungsbefugnis (-
Art. 518 Abs. 2 ZGB
) zu einem solchen Gesuch legitimiert sei, ist hier nicht zu entscheiden. Auf alle Fälle stand es den Erben, die dies wünschten, frei, ohne Mitwirkung der Willensvollstreckerin ein solches Gesuch zu stellen.
BGE 90 II 376 S. 393 | mixed |
4bbf062c-d434-4df5-befd-6698cd8a1b74 | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 91 II 52 S. 53
A.-
Enrico Hutterli, deceduto a Pazzallo, suo domicilio, il 6 novembre 1961, ha lasciato quali eredi gli istanti figli di primo letto, nonchè la seconda moglie. Mediante disposizione di ultima volontà i primi vennero ridotti alla sola quota legittima. Il resto fu attribuito alla vedova. Esecutore testamentario è l'avv. Giangiorgio Spiess di Lugano.
Secondo l'inventario allestito da quest'ultimo, la successione presenta un attivo netto di fr. 941 223,35. Sono tuttavia pendenti due contestazioni: una promossa dai figli e tendente a rivalutare la proprietà immobiliare nonchè a far inscrivere 143 azioni della società che ha preso in affitto tale proprietà, invece delle sole 60 ammesse; l'altra, sollevata dalla vedova allo scopo di ottenere il riconoscimento di un credito di fr. 298 429,45 a dipendenza della liquidazione del regime dei beni.
B.-
Ripetutamente, nel corso delle operazioni di inventario, gli istanti hanno chiesto all'esecutore testamentario il versamento di un acconto di fr. 100 000.-- ognuno quale acconto sulla propria quota ereditaria. Avutane risposta negativa, essi hanno adito il Pretore di Lugano-Ceresio, quale autorità di vigilanza sull'esecutore testamentario.
Il primo giudice ha ammesso la domanda e fatto ordine all'avv. Spiess di versare a Walter Hutterli e Hildegard Lydia Hutterli, a valere sulle loro quote legittime nella successione paterna, la somma di fr. 100 000.-- cadauno.
Con sentenza 27 ottobre 1964 il Tribunale di appello del Cantone Ticino ha confermato tale giudizio.
La Corte cantonale ritiene in sostanza, contrariamente alla tesi sostenuta dall'esecutore testamentario, che decidere se si giustifichi o meno concedere ad un erede, che ne faccia domanda, un acconto sulla sua quota ereditaria non implica nessuna decisione di diritto materiale, fintanto almeno che, come in concreto, i diritti dell'erede non siano contestati e non si violi una esplicita disposizione testamentaria in contrario senso. Secondo la Corte cantonale, tale domanda venne pertanto giustamente proposta nelle forme del reclamo all'autorità di vigilanza sull'esecutore testamentario e non come azione davanti al giudice ordinario.
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Per il resto, il giudizio cantonale accerta che non esistono motivi che possano convincere dell'impossibilità od anche soltanto dell'inopportunità, nell'interesse della liquidazione dell'eredità o della sua amministrazione, di accedere alla richiesta degli eredi istanti. Un'asserta contraria ultima volontà del de cuius non risulta dagli atti di causa.
C.-
L'esecutore testamentario ha interposto al Tribunale federale un ricorso per riforma proponendo che l'istanza sia respinta in ordine e nel merito. Egli si prevale sia di una violazione delle norme federali in materia di competenza sia del disposto dell'art. 518 cpv. 2 CC che fa obbligo all'esecutore testamentario di far rispettare la volontà del defunto. Difatti, afferma il ricorrente, trattandosi di una questione di diritto sostanziale, essa doveva essere sottoposta al Pretore quale giudice ordinario nelle forme, e con le garanzie, della procedura ordinaria e non al Pretore quale autorità di vigilanza nelle forme del reclamo. Inoltre è volontà del testatore che la proprietà immobiliare rimanga alla vedova e che essa non sia costretta ad alienarla per tacitare gli altri eredi. Il versamento dei chiesti fr. 200 000.--, ora già avvenuto limitatamente a fr. 120 000.-- mediante il denaro liquido, i libretti di risparmio e di deposito e la vendita dei titoli di compendio della successione, obbligherebbe a lasciar pignorare la sostanza immobiliare, con evidente rischio di perdite in sede di realizzazione, a danno di tutti gli eredi ed in contrasto con la volontà del defunto.
D.-
Gli istanti chiedono la reiezione del ricorso e la conferma del giudizio impugnato. Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Il ricorso per riforma non è ammissibile che nelle cause civili (contestations civiles, Zivilrechtsstreitigkeiten), ossia nei casi in cui tra due o più persone fisiche o giuridiche, nella loro qualità di titolari di diritti privati, oppure tra una siffatta persona ed una autorità alla quale la legge attribuisce qualità di parte, si sia svolto davanti al giudice civile o ad altra giurisdizione un procedimento contraddittorio tendente a far statuire in maniera definitiva e stabile su rapporti di diritto civile (RU 78 II 180 e inoltre 81 II 83, 182, 251 c. 2;
84 II 78
). Il giudizio sulla richiesta di un acconto sulla quota ereditaria, che un erede rivolge all'esecutore testamentario, ove non esista una
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questione di diritto materiale da risolvere, non disciplina in modo duraturo e definitivo un rapporto giuridico di merito controverso tra le parti. I suoi effetti non eccedono quelli di una misura provvisionale, presa per la durata del processo. Essi permangono fino al momento in cui, esaurite le contestazioni di inventario, quest'ultimo sarà definitivamente chiuso e le quote degli eredi pure definitivamente accertate. A seconda dell'ammontare di queste ultime, l'acconto sarà o suscettibile di integrazione o, meno probabilmente, sottoposto a riduzione e restituzione.
Per il giudizio in questione, nella misura comunque in cui sia da esaminare unicamente l'opportunità del provvedimento chiesto in relazione all'entità ed alle disponibilità della successione, ai ragionevoli bisogni ed ai probabili diritti dell'erede istante, non sarebbe neppure indispensabile prevedere la forma del procedimento civile in contraddittorio davanti al giudice.
Diversa potrebbe essere la soluzione, qualora, ad esempio, fosse contestata la qualità di erede dell'istante oppure l'esito della richiesta dipendesse dall'accertamento della volontà del testatore. Così nella sentenza 24 settembre 1964 Fides c. Diskont- und Handelsbank AG e consorti (RU 90 II 376) venne ammesso il carattere di causa civile di un procedimento tendente ad ottenere la destituzione, per incompatibilità tra le due cariche, di un esecutore testamentario, designato contemporaneamente dal de cuius quale membro del consiglio di una fondazione nella quale era stata investita la maggior parte del patrimonio della successione.
In concreto la situazione è diversa. La richiesta di acconto degli istanti, dei quali è pacifica la veste di eredi necessari, non si urta a nessuna disposizione di ultima volontà del defunto padre. La norma divisionale secondo cui alla vedova deve pertoccare la sostanza immobiliare è accompagnata dall'obbligo esplicito di tacitare i coeredi per l'importo della loro legittima. Il testamento olografo 13 aprile 1959, invocato dal ricorrente che autorizza la vedova a garantire tale legittima mediante ipoteca, qualora non disponga al momento dei mezzi liquidi necessari per il suo pagamento, non venne pubblicato ed è superato dal successivo testamento del 17 marzo 1960. L'esecutore testamentario ha già provveduto al versamento di fr. 120 000.-- senza dover intaccare la sostanza immobiliare.
La decisione del reclamo è dipesa e dipende unicamente
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(come a ragione osservano le istanze cantonali) da criteri di pratica opportunità (rapporto tra l'acconto chiesto e l'importo minimo della quota ereditaria finora accertato, durata delle contestazioni di inventario, parità di trattamento tra gli eredi, mezzi a disposizione della successione, ecc.).
La distinzione tra l'intervento dell'autorità di vigilanza per il controllo della correttezza formale e dell'opportunità dei provvedimenti presi dall'esecutore testamentario e quello del giudice, quando si trovino in discussione questioni di diritto sostanziale, che esigano segnatamente un'indagine sulla ultima volontà del testatore, è comune alla dottrina ed alla giurisprudenza (TUOR N. 30; ESCHER N. 25 e 27 all'art. 518 CC; SCHREIBER, L'exécution testamentaire en droit suisse, p. 93; SEEGER, Die Rechtsstellung des Willensvollstreckers, p. 83; CARRARD, Les pouvoirs de l'exécuteur testamentaire, p. 27/28; LOB, Les pouvoirs de l'exécuteur testamentaire en droit suisse, p. 111 ss.; RU 48 II 310, 49 II 15). Solo in quest'ultimo caso trattasi di procedimenti civili nel senso degli art. 43 e seg. OG. Nella prima ipotesi trattasi bensì di affari civili (affaires civiles, Zivilsachen), che non incidono però sulla portata sostanziale e sulla determinazione definitiva dei diritti degli eredi, e che vanno risolti unicamente dal profilo di una corretta amministrazione del patrimonio successorale. Nei loro confronti il ricorso per riforma è escluso. (Cfr. per qualche analogia RU 72 II 54).
Solo entro tali limiti può essere mantenuta la decisione 30 settembre 1947 della IIa Corte civile quale Camera di diritto pubblico nella vertenza Rüegg c. Müller-Bösch, citata dal ricorrente. Ne discende l'irricevibilità del ricorso in esame. (Cfr. ancora LOB, op.cit., p. 114 No 108).
2.
Esaminato quale ricorso per nullità, in relazione ad una possibile violazione delle prescrizioni federali sulla competenza delle autorità per materia (art. 68 cpv. 1 lett. b OG), esso risulterebbe infondato.
Secondo l'art. 518 cpv. 1 CC gli esecutori testamentari hanno gli stessi diritti e doveri dell'amministratore ufficiale di una successione. Quest'ultimo è sottoposto alla vigilanza dell'autorità alla quale gli eredi possono ricorrere contro gli atti che egli compie o intende compiere (art. 595 cpv. 3 CC).
La designazione dell'autorità competente è compito dei cantoni (art. 54 titolo finale, RU 66 II 150).
Il diritto federale non prescrive che per il reclamo debba
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essere riservata la procedura ordinaria davanti al giudice civile (cfr. anche RU 86 I 333).
Qualora si trovino in contestazione pretese di diritto sostanziale, il procedimento assumerebbe carattere di causa civile contro la quale è ammissibile il ricorso per riforma, ad esclusione di quello per nullità che è rimedio di diritto sussidiario. | mixed |