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Sachverhalt ab Seite 3 BGE 134 I 2 S. 3 Das Schweizer Fernsehen DRS porträtierte am 30. Oktober 2006 im Rahmen der Sendung "Schweiz Aktuell" unter dem Titel "Freiburger Original in der Regierung" den parteilosen Freiburger Staatsrat Pascal Corminboeuf. Der Beitrag dauerte rund 3 Minuten und 40 Sekunden und wurde mit der Passage eingeleitet: "Das gibt es selten: Einen Politiker, über den fast niemand ein böses Wort sagt. Im Kanton Freiburg gibt es einen, einen parteilosen Bauern, der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt: Pascal Corminboeuf: Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph ist er über die Parteigrenzen hinweg beliebt. Mit 62 steigt er unverdrossen noch einmal in den Wahlkampf (...)". Der anschliessende Filmbericht zeigt Pascal Corminboeuf in der Altstadt von Freiburg, in seinem Regierungsbüro und in Düdingen. Anhand von Archivaufnahmen wird sein politischer Werdegang illustriert, der ihn "vom Aussenseiter zum führenden Regierungsmitglied" habe aufsteigen lassen. Gegen diesen Beitrag gelangten Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), und 25 Mitunterzeichner am 12. Januar 2007 an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), welche ihre Eingabe am 30. März 2007 guthiess, soweit sie darauf eintrat, und feststellte, dass der Beitrag die Programmbestimmungen verletzt habe. Das Bundesgericht weist die von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hiergegen eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab. BGE 134 I 2 S. 4 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen ist davon ausgegangen, dass die Programmautonomie gemäss Art. 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG 1991; AS 1992 S. 601 ff.) den Veranstaltern erlaube, persönlich gefärbte Porträts von Politikern auszustrahlen, ohne dabei auf geübte politische Kritik im Einzelnen eingehen zu müssen. Im Vorfeld von Wahlen gelte es indessen, die Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG 1991 und die damit verbundenen erhöhten journalistischen Sorgfaltspflichten zu beachten, um die Chancengleichheit der Kandidierenden nicht zu gefährden. Zwar habe es sich beim beanstandeten Porträt nicht um einen eigentlichen Wahlbeitrag gehandelt, doch sei es nur gerade sechs Tage vor den Staatsratswahlen ausgestrahlt worden und damit grundsätzlich geeignet gewesen, die Meinungsbildung des Publikums im Kanton Freiburg nicht nur über Pascal Corminboeuf als Person, sondern auch als Politiker und Kandidat für seine eigene Nachfolge zu beeinflussen. Da die 16 anderen Kandidierenden, welche sich für die sieben Sitze in der Freiburger Regierung beworben hätten, nicht in vergleichbarer Weise vorgestellt worden seien, habe Pascal Corminboeuf mit dem beanstandeten Beitrag über eine "einmalige Plattform" unmittelbar vor den Wahlen verfügt, was die Informationsgrundsätze von Art. 4 Abs. 1 RTVG 1991 und das Vielfaltsgebot verletzt habe. 2.2 Die SRG bestreitet diese Ausführungen: Bei "Schweiz Aktuell" handle es sich um eine Sendung, die nicht nur das wahlberechtigte Publikum im Kanton Freiburg angesprochen, sondern sich an die Zuschauer in der ganzen Deutschschweiz gerichtet habe. Es sei beim beanstandeten Porträt darum gegangen, über die Kantonsgrenzen hinaus, einen "unkonventionellen Kantonalpolitiker" vorzustellen. Gegenstand des Beitrags habe der Mensch und nicht der Politiker Corminboeuf gebildet. Die Kritik des Vereins gegen Tierfabriken sei nicht geeignet gewesen, dieses Bild zu beeinflussen, zumal im Hinblick auf die zitierten Quellen gegen dessen Anschuldigungen gewisse Vorbehalte bestanden hätten. "Schweiz Aktuell" sei keine politische Sendung im eigentlichen Sinn, sondern ein Journal mit Nachrichten, Reportagen sowie Interviews über aktuelle Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport aus den Regionen. Auf solche Sendungen fänden die strengen Regeln bezüglich eigentlicher Abstimmungs- und Wahlbeiträge keine Anwendung, da sie von BGE 134 I 2 S. 5 vornherein nicht geeignet seien, die politische Willensbildung des Publikums zu beeinflussen. Sie verfüge - so die SRG weiter - als Veranstalterin im Rahmen ihrer Autonomie über eine "grosse Freiheit", "Neuigkeiten, Geschichten und Anekdoten aus einem Wahlkampf eigenständig auf ihre publizistische Relevanz hin zu prüfen und sie im Hinblick auf eine Verwendung im Programm eigenständig zu gewichten"; es könne nicht das Ziel der Informationsgrundsätze sein, "mit der Stoppuhr die Erwähnungen der Kandidaten in der Berichterstattung zu messen" und "die Berichterstattung komplett zu sterilisieren". 3. 3.1 Nach Art. 3 und 4 RTVG 1991, welche Art. 93 BV konkretisieren, tragen Radio und Fernsehen insgesamt zur freien Meinungsbildung, zu einer allgemeinen, vielfältigen und sachgerechten Information der Zuhörer und Zuschauer sowie zu deren Bildung und Unterhaltung bei. Das Gesamtangebot an Programmen in einem Versorgungsgebiet darf nicht einseitig bestimmten Parteien, Interessen oder Weltanschauungen dienen (Art. 3 Abs. 2 RTVG 1991). Ereignisse sollen sachgerecht dargestellt werden; deren Vielfalt und jene der Ansichten muss angemessen zum Ausdruck kommen (Art. 4 Abs. 1 RTVG 1991). Die SRG hat in der Gesamtheit ihrer Programme die Eigenheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone zu berücksichtigen (Art. 26 Abs. 2 RTVG 1991) und durch eine ausgewogene Programmgestaltung zur freien Meinungsbildung, namentlich durch sachgerechte Informationen, beizutragen ( Programmauftrag ; Art. 26 Abs. 2 lit. b RTVG 1991; BGE 125 II 497 E. 2a S. 501; FRANZ ZELLER, Öffentliches Medienrecht, Bern 2004, S. 237 f.). 3.2 3.2.1 Der verfassungsrechtlich garantierten Programmautonomie (vgl. Art. 17 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 3 BV ; Art. 5 Abs. 1 RTVG 1991) ist bei der Beurteilung der einzelnen Sendung Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Leistungsauftrags ist es jedem Veranstalter erlaubt, sich kritisch mit den verschiedensten Bereichen des staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens auseinanderzusetzen. Grundsätzlich gibt es kein Thema, das einer - allenfalls auch provokativen und polemischen - Darstellung am Fernsehen entzogen wäre. Dem Zuschauer darf jedoch nicht durch angeblich objektive, tatsächlich aber unvollständige Fakten die Meinung bzw. Ansicht des Journalisten als (absolute) Wahrheit und eigene Überzeugung suggeriert werden. Als Ausfluss der Medien-, Programm- und BGE 134 I 2 S. 6 Informationsfreiheit besteht indessen nur ausnahmsweise ein "Recht auf Antenne", d.h. ein Anspruch darauf, dass ein Veranstalter eine bestimmte Information oder Auffassung auch gegen seinen Willen ausstrahlen muss ( BGE 125 II 624 E. 3a; BGE 123 II 402 E. 2b/cc und 3b; BGE 119 Ib 241 E. 4, BGE 119 Ib 250 E. 3b; PHILIPP MÄDER, Das Verbot politischer Werbung im Fernsehen, Zürich 2007, S. 247 ff.). 3.2.2 Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen des Staates in den pluralistischen Meinungsbildungsprozess rechtfertigt sich nur im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen der Programmfreiheit des Veranstalters einerseits und der Informationsfreiheit des Publikums bzw. anderer verfassungsmässiger Rechte andererseits ( BGE 133 II 136 E. 5.1; vgl. auch URS THÖNEN, Politische Radio- und Fernsehwerbung in der Schweiz, Basel/Genf/München 2004, S. 41 ff.). Eingriffe in die Rechtsstellung der (öffentlich-rechtlichen oder privaten) Rundfunkveranstalter sollen nicht über das hinausgehen, was zur Realisierung des Programmauftrags und des pluralistischen Wettbewerbs der Meinungen nötig erscheint. Die Programmaufsicht hat sich auf eine Rechtskontrolle zu beschränken und darf nicht in eine Fachaufsicht verfallen ( BGE 131 II 253 E. 3.4). Eine rundfunkrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung liegt nicht schon dann vor, wenn im Nachhinein und losgelöst von jedem zeitlichen Druck festgestellt werden kann, dass ein Beitrag anders und überzeugender hätte gestaltet werden können, sondern nur, wenn die programmrechtlichen Mindestanforderungen bezüglich des Sachgerechtigkeits-, Transparenz- und Vielfaltsgebots bzw. des kulturellen Mandats verletzt worden sind. Andere, untergeordnete Unvollkommenheiten fallen in die redaktionelle Verantwortung des Veranstalters und sind durch dessen Programmautonomie gedeckt ( BGE 131 II 253 E. 3.4 S. 263 f.). 3.3 3.3.1 Im Rahmen des Sachgerechtigkeitsgebots muss der Zuschauer durch die vermittelten Fakten und Auffassungen in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ wirken, was der Fall ist, wenn der (mündige) Zuschauer in Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten unsachgemäss informiert wird; er sich gestützt auf die gelieferten Informationen oder deren Aufarbeitung kein eigenes sachgerechtes Bild mehr machen kann, weil wesentliche Umstände verschwiegen oder "Geschichten" durch das Fernsehen "inszeniert" werden. Der Umfang der erforderlichen Sorgfalt hängt von den Umständen, insbesondere vom Charakter und den Eigenheiten des Sendegefässes BGE 134 I 2 S. 7 sowie dem jeweiligen Vorwissen des Publikums ab ( BGE 132 II 290 E. 2.1 S. 292). 3.3.2 Das Vielfaltsgebot will seinerseits einseitige Tendenzen in der Meinungsbildung durch Radio und Fernsehen verhindern. Es verpflichtet das audiovisuelle Mediensystem als Ganzes, die politisch weltanschauliche Vielfalt widerzuspiegeln, und bezieht sich primär auf die Programme in ihrer Gesamtheit. Strenger gilt das Vielfaltsgebot aus staatspolitischen Gründen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen: In diesem Zusammenhang soll der Grundsatz verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung einseitig beeinflusst und das Wahl- oder Abstimmungsergebnis möglicherweise verfälscht wird (ZELLER, a.a.O., S. 263; STUDER/MAYR VON BALDEGG, Medienrecht für die Praxis, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 188). Die verfassungsrechtlich garantierte Wahl- und Abstimmungsfreiheit umfasst den Anspruch darauf, "dass kein Abstimmungs- oder Wahlresultat anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt" (vgl. Art. 34 BV ). Der Entscheid der Stimmenden soll gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Meinungsbildungsprozess erfolgen (vgl. BGE 124 I 55 E. 2a und 5a; GEROLD STEINMANN, in: St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 10 ff. zu Art. 34 BV ). Der rundfunkrechtliche Leistungsauftrag verlangt deshalb ebenfalls, dass Kandidaten und Parteien der Zugang zu den audiovisuellen Medien nach sachlichen Kriterien gewährt wird (rundfunkrechtlich: BGE 97 I 731 E. 3; BGE 119 Ib 250 E. 3c; BGE 125 II 497 E. 3; stimmrechtlich: BGE 98 Ia 73 ff.; BGE 113 Ia 291 E. 3; BGE 124 I 55 ff.). Je ausgeprägter der Wahl- oder Abstimmungscharakter eines Beitrags ist, desto strikter sind im Vorfeld entsprechender Volksentscheide die journalistischen Sorgfaltspflichten zu wahren ( BGE 98 Ia 73 ff.). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Veranstalters bezüglich der Natur des Sendegefässes oder der Zielsetzung seines Beitrags an, sondern auf dessen objektiv abzuschätzende Wirkung auf das Publikum. Je später vor dem Urnengang und je intensiver eine Stellungnahme zu einer Wahl oder Abstimmung an Radio und Fernsehen erfolgt, umso strikter soll jede Einseitigkeit und Manipulation ausgeschlossen werden. 4. 4.1 Der umstrittene Beitrag wurde in "Schweiz Aktuell" - einer Sendung mit Nachrichten, Reportagen und Interviews über aktuelle Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Kultur sowie Sport aus den Regionen - nur gerade sechs Tage vor den Staatsratswahlen im Kanton BGE 134 I 2 S. 8 Freiburg ausgestrahlt. In An- wie Abmoderation wurde ausdrücklich auf diese Bezug genommen und - unter Nennung der bisherigen parteipolitischen Sitzverteilung - darauf hingewiesen, dass am "nächsten Sonntag" im Kanton Freiburg Wahlen stattfänden, jedoch mit keinen markanten Kräfteverschiebungen gerechnet werde. Das Porträt von Staatsrat Corminboeuf war ausgesprochen positiv abgefasst. Bereits in der Einleitung wurde festgestellt, dass es kaum einen Politiker gebe, über den fast niemand ein böses Wort sage - der Kanton Freiburg kenne indessen einen solchen, "einen parteilosen Bauern, der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt: Pascal Corminboeuf." Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph sei er über die Parteigrenzen hinweg beliebt. Mit 62 steige dieser "aussergewöhnliche Politiker" noch einmal in den Wahlkampf. In der Folge wird auf das Leben von Pascal Corminboeuf als Student, Philosoph und Bauer eingegangen, der vor zehn Jahren "als parteiloser Aussenseiter seine überraschende Wahl in die Freiburger Kantonsregierung" habe feiern können; seither sei es mit ihm "nur noch aufwärts gegangen". In zwei Legislaturen sei er "vom Aussenseiter zum führenden Regierungsmann geworden", der sich "mit der schwierigen Zusammenlegung der Freiburger Gemeinden und der neuen Kantonsverfassung [...] einen Namen gemacht habe. In seine dritte Wahlkampagne steige Pascal Corminboeuf "mit der Gelassenheit des bestgewählten Staatsrats", der "er vor fünf Jahren war", entsprechend "bescheiden sei denn auch der Aufwand für seine Wahlkampagne". 4.2 Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass dieser Beitrag wenige Tage vor dem Urnengang den Wahlausgang in unzulässiger Weise beeinflussen konnte: 4.2.1 Entgegen den Einwänden der SRG gelten die gesteigerten Sorgfaltspflichten nicht nur im Rahmen eigentlicher Wahl- und Abstimmungssendungen, sondern hinsichtlich aller redaktioneller Beiträge mit einem konkreten Bezug zu einem unmittelbar bevorstehenden Volksentscheid. Die Redaktion von "Schweiz Aktuell" kannte den Wahltermin im Kanton Freiburg, strahlte sie das beanstandete Porträt doch gerade mit Blick hierauf (noch) am 30. Oktober 2006 aus, obwohl es - so die Stellungnahme der SRG an die UBI - schon seit mehreren Tagen bereit gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung musste ihr die im Kanton Freiburg vom VgT breit angelegte Kampagne gegen die Wiederwahl von Regierungsrat Corminboeuf BGE 134 I 2 S. 9 bewusst gewesen sein, dennoch wurde mit keinem Wort darauf eingegangen; auch kamen in einer für die Wahlberechtigten im Kanton Freiburg besonders sensiblen Periode keine anderen kritischen Stimmen zu Wort. Im Gegenteil: Pascal Corminboeuf wurde als Politiker dargestellt, der "zupacke" und praktisch alles richtig mache; die befragten Staatsratskollegen würdigten ihn als "Vaterfigur" bzw. als Persönlichkeit, welche die bäuerische Sicht in die Freiburger Politik einbringe. Kein einziger der übrigen 16 Kandidaten, welche sich für die 7 Sitze in der Freiburger Regierung bewarben, wurde in "Schweiz Aktuell" bzw. in einer anderen Sendung des Schweizer Fernsehens in vergleichbarer Weise vorgestellt. Der Beitrag war deshalb geeignet, die Chancengleichheit der Kandidaten zu beeinträchtigen, indem dem Zuschauer keine Elemente in die Hände gegeben wurden, um sich ein umfassendes Bild machen zu können. 4.2.2 Was die Beschwerdeführerin hiergegen weiter einwendet, überzeugt nicht: Zu beanstanden ist nicht die Tatsache, dass sie ein personenbezogenes Porträt über einen Politiker mit unkonventionellem Werdegang zeigen wollte, sondern der von ihr hierfür gewählte Zeitpunkt im unmittelbaren Vorfeld der (Wieder-)Wahl, ohne dabei anderweitig eine minimale Ausgewogenheit hinsichtlich der Wählerinformation sicherzustellen. Obwohl die Redaktion von "Schweiz Aktuell" die persönliche Seite von Pascal Corminboeuf in den Vordergrund rücken wollte, enthielt der Beitrag zahlreiche (wohlwollende) Aussagen über ihn als Politiker. Seit dem Aufkommen des politischen Marketings lassen sich persönliche Porträts im Vorfeld von Wahlen praktisch auch kaum (mehr) vom eigentlichen Wahlkampf trennen; sie bilden Teil von diesem und dem damit verbundenen Bestreben nach erhöhter Medienpräsenz und Steigerung des Bekanntheitsgrads. 4.2.3 Zwar richtet sich die Sendung "Schweiz Aktuell" an ein Zielpublikum in der ganzen Deutschschweiz, doch wird sie - was nicht bestritten ist - auch im Kanton Freiburg empfangen, wo das beanstandete Porträt geeignet war, kurz vor der Wahl die Meinungsbildung (noch) zu beeinflussen und andere Kandidaten - insbesondere nicht etablierte - aufgrund der unausgewogenen Berichterstattung zu benachteiligen. Ob die Sendung tatsächlich solche Auswirkungen hatte, ist im vorliegenden Zusammenhang - anders als bei einer Stimmrechtsbeschwerde - nicht von Belang, da im Rahmen des Streitgegenstands nur beurteilt werden muss, ob die Beschwerdeführerin als Programmveranstalterin ihre journalistischen BGE 134 I 2 S. 10 Sorgfaltspflichten im Rahmen des Leistungsauftrags verletzt und das Publikum mit dem umstrittenen Beitrag unsachgerecht bzw. unausgewogen informiert hat. Es ist nicht ersichtlich und wird nicht dargetan, weshalb das Porträt von Staatsrat Pascal Corminboeuf als Bauer, Philosoph und Politiker nach den Wahlen bzw. im Rahmen der Berichterstattung über deren Ausgang für ein weiteres Publikum nicht ebenso interessant gewesen wäre. Der Beschwerdeführerin ist es - entgegen ihrer Kritik - nicht untersagt, über "Neuigkeiten, Geschichten und Anekdoten aus einem Wahlkampf" zu berichten. Um solche ging es hier indessen nicht; zur Diskussion stand vielmehr ein Beitrag, der ohne objektiven Anlass oder spezifischen, sachlichen Grund einem Kandidaten und bisherigen Staatsrat im Wahlkampf eine bessere Ausgangslage verschaffen konnte als seinen Konkurrenten. Die privaten und öffentlichen Interessen an der freien Meinungsbildung des Publikums und der Wähler überwogen deshalb das Interesse der konzessionierten und gebührenfinanzierten Beschwerdeführerin, ihre Programmfreiheit wahren zu können. 4.2.4 Die Empfehlung Nr. R (99) 15 vom 9. September 1999 des Ministerkomitees des Europarats über die Massnahmen betreffend die Berichterstattung der Medien über Wahlkampagnen sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Vorkehren treffen, "in Anwendung derer die öffentlichen und privaten Rundfunkveranstalter während der Wahlperioden in ihren Informations- und Aktualitätsprogrammen, einschliesslich der Diskussionssendungen wie Interviews oder Debatten, besonders fair, ausgewogen und unparteiisch" vorzugehen haben. Besondere Aufmerksamkeit sei auch jenen Programmen zu schenken, die sich mit Informationen oder Aktualitäten befassten und nicht direkt mit Wahlkampagnen verbunden seien, aber dennoch geeignet erschienen, das Wählerverhalten zu beeinflussen (Ziff. II.3 der Empfehlung Nr. R [99] 15). Dies war nach dem Gesagten hier der Fall. Die Beschwerdeführerin scheint sich der Problematik von Beiträgen der vorliegend beanstandeten Art vor Wahlen im Übrigen auch selber bewusst zu sein: Nach den Leitlinien für ihre Mitarbeiter zu den Wahlen 2007 sind vor Wahlen und Abstimmungen die Regeln der Vielfalt und der Fairness besonders eng zu interpretieren, wobei als "Faustregel gilt: Je näher der Abstimmungs- oder Wahltermin, desto höher die Anforderungen", was für alle Sendungen und Abteilungen zu beachten sei; unter dem Titel "Themenkoordination" weisen die internen Empfehlungen namentlich auch darauf hin, dass keine unbeabsichtigten thematischen Schwerpunkte entstehen BGE 134 I 2 S. 11 sollen, in deren Rahmen einzelne Kandidierende und/oder Parteien ein Übergewicht erhielten. Zwar standen die entsprechenden Richtlinien bei der Ausstrahlung des vorliegend umstrittenen Beitrags noch nicht in Kraft; inhaltlich decken sie sich indessen mit Ziffer 13 der allgemeinen Publizistischen Leitlinien des Schweizer Fernsehens vom 25. Oktober 2005. 4.3 Der Entscheid der UBI verletzt somit weder Bundesverfassungs- noch Konventionsrecht: Der damit verbundene Eingriff in die Programmfreiheit der SRG beruht auf einer durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisierten Verfassungs- bzw. Gesetzesgrundlage und liegt zur Wahrung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit im überwiegenden öffentlichen Interesse. Er ist verhältnismässig, da nicht die Ausstrahlung des Porträts von Staatsrat Corminboeuf als solches beanstandet, sondern ausschliesslich der Zeitpunkt einer solchen Sendung im unmittelbaren Vorfeld einer bestimmten Wahl als Verletzung programmrechtlicher Bestimmungen festgestellt worden ist.
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Sachverhalt ab Seite 261 BGE 134 II 260 S. 261 Das Schweizer Fernsehen strahlte am 6. Februar 2007 in der Sendung "Kassensturz" einen Beitrag über Schönheitschirurgen aus. Dieser sollte - gleich wie ein früherer Beitrag vom 19. Dezember 2006 und ein späterer vom 13. Februar 2007 - die Zuschauer auf fragwürdige Praktiken aufmerksam machen. Insbesondere sollte belegt werden, dass der bekannte Schönheitschirurg Dr. med. R. bereit sei, selbst bei einer Frau mit perfekten Körpermassen eine Brustvergrösserung vorzunehmen. Um dies nachzuweisen, suchte die 19-jährige M., damals Miss Z., zusammen mit einer Fernsehjournalistin die Praxis von R. auf. Letztere filmte in der Arztpraxis mit versteckter Kamera. In der Sendung vom 6. Februar 2007 wurden Ausschnitte der dabei aufgenommenen Bilder ausgestrahlt. Diese zeigten unter anderem den nicht anonymisierten Arzt bei der Untersuchung von M. und bei einem Gespräch mit ihr. A. beanstandete die erwähnte Sendung bei der zuständigen Ombudsstelle. Nachdem diese am 4. April 2007 einen Schlussbericht ausgefertigt hatte, erhob A. am 2. Mai 2007 Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Er kritisierte, dass der Beitrag vom 6. Februar 2007 durch illegale Filmaufnahmen und unzureichende Recherchierarbeit zustande gekommen sei. Die UBI hiess die Beschwerde am 31. August 2007 gut und stellte fest, dass der erwähnte Beitrag die Programmbestimmungen verletze. Weiter forderte sie die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft auf, sie innert 60 Tagen über die getroffenen Vorkehrungen zu unterrichten, um den Mangel zu beheben und in Zukunft gleiche oder ähnliche Rechtsverletzungen zu vermeiden. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Januar 2008, den Entscheid der UBI vom 31. August 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Beitrag vom 6. Februar 2007 in der Sendung "Kassensturz" über Schönheitschirurgen die Programmrechtsbestimmungen nicht verletze. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid der UBI auf. Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. 6.1 Nach Art. 58 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (aRTVG; AS 1992 S. 601) beurteilt die UBI BGE 134 II 260 S. 262 Beschwerden gegen ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter. Gemäss Art. 62 Abs. 2 aRTVG muss die Beschwerde mit kurzer Begründung angeben, wodurch Programmbestimmungen des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, seiner Ausführungsbestimmungen oder der Konzession verletzt worden sind. Die UBI stellt anschliessend fest, ob eine Verletzung der erwähnten Programmbestimmungen oder derjenigen einschlägiger internationaler Übereinkommen gegeben ist ( Art. 65 Abs. 1 aRTVG ). 6.2 Gemäss ständiger Rechtsprechung bildet Gegenstand dieses Aufsichtsverfahrens ausschliesslich die Einhaltung rundfunkrechtlicher Regeln. Für angebliche Verletzungen anderer Normen (z.B. Strafrecht, Persönlichkeitsrecht, unlauterer Wettbewerb usw.) bleiben die ordentlichen (Zivil- und Straf-)Gerichte zuständig. Die Programmaufsicht dient dem Schutz der unverfälschten Willens- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit und nicht in erster Linie der Durchsetzung privater Anliegen (vgl. BGE 132 II 290 E. 3.2.3 S. 296 f.; BGE 122 II 471 E. 2b S. 475 f.; BGE 121 II 359 E. 2a S. 362 f., je mit Hinweisen). Die Veranstalter haben zwar auch die Grundrechte und namentlich die Menschenwürde zu beachten (vgl. Botschaft vom 18. Dezember 2002 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, BBl 2003 S. 1668 Ziff. 2.1.2.1.2; Art. 4 Abs. 1 des neuen Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen [RTVG; SR 784.40] sowie nachfolgende E. 6.6). Diese gehören aber nur insoweit zu den rundfunkrechtlichen Regeln, deren Einhaltung von der UBI überprüft werden kann, als es sich um programmrelevante, objektive Schutzziele handelt, wie zum Beispiel der Religionsfrieden, die Vermeidung von Rassenhass, der Jugendschutz; dementsprechend sind gemäss Art. 6 Abs. 1 aRTVG etwa Sendungen unzulässig, welche die öffentliche Sittlichkeit gefährden oder in denen Gewalt verharmlost oder verherrlicht wird. 6.3 In dieser Richtung hatte sich im Wesentlichen bereits der Bundesrat in seiner Botschaft vom 28. September 1987 zum Bundesgesetz über Radio und Fernsehen geäussert. Demnach war das Verfahren vor der UBI nicht als Rechtsschutz für Einzelne gedacht, sondern zur Überprüfung von Sendungen im Interesse der Öffentlichkeit und ihrer ungehinderten Willensbildung als wichtiges Element der Demokratie (BBl 1987 III 689, insbes. S. 708 Ziff. 126). Dies wollte das Parlament verdeutlichen, als es dem Gesetzesentwurf des Bundesrates auf Vorschlag von Ständerat Rhinow unter anderem BGE 134 II 260 S. 263 die Regelung des Art. 64 Abs. 3 aRTVG hinzufügte (vgl. im neuen Recht die entsprechende Regelung in Art. 96 Abs. 3 RTVG ). Dieser Bestimmung zufolge kann die UBI die Behandlung einer Beschwerde ablehnen oder sistieren, soweit zivil- oder strafrechtliche Rechtsbehelfe offenstehen oder unbenützt geblieben sind. Die Kann-Formulierung dieser Bestimmung ist nicht im Sinne einer Kompetenzerweiterung der UBI zu verstehen. Sie wurde vielmehr nur gewählt, weil es Fälle geben kann, in denen verschiedene Aspekte derart nahe beieinander liegen, dass eine Kompetenzattraktion nötig wird; das soll aber die Ausnahme bleiben. Die UBI soll demnach keine umfassende Rechtspflegeinstanz sein, die alle möglichen Rügen und Rechtsverletzungen prüft. Wenn es in erster Linie um Persönlichkeitsverletzungen geht, soll sie nicht entscheiden. Eine Doppelspurigkeit verschiedener Instanzen in Bezug auf gleiche Rügen ist zu vermeiden (vgl. Begründung des Antrags des Ständerats Rhinow in AB 1990 S 615 f.). Auch im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen hat das Parlament erklärt, dass das Tätigkeitsfeld der UBI einzugrenzen sei und diese demnach im Kompetenzbereich der Straf- und Zivilgerichte keine Entscheide treffen solle (vgl. Voten der Nationalräte David, Zölch, Uchtenhagen, Frey und von Bundesrat Ogi in AB 1989 N 1676 f.). 6.4 Ein Bedürfnis zu einer Ausweitung der Zuständigkeit der UBI auf den individualrechtlichen Persönlichkeitsschutz besteht nicht, da dieser durch die Zivil- und Strafinstanzen genügend gewährleistet wird (ähnlich PETER NOBEL/ROLF H. WEBER, Medienrecht, 3. Aufl. 2007, N. 184 zum 8. Kapitel, S. 458). Eine derartige Kompetenzerweiterung der UBI stünde zudem im Widerspruch zum eigentlichen Sinn und Zweck der rundfunkrechtlichen Aufsicht, welche in erster Linie im Interesse der Allgemeinheit ausgeübt wird. 6.5 Diese Lösung steht auch im Einklang mit Art. 93 Abs. 5 BV , wonach "Programmbeschwerden" einer unabhängigen Beschwerdeinstanz vorgelegt werden können. Diese Verfassungsbestimmung verlangt nicht, dass der Individualrechtsschutz im Zusammenhang mit Radio- und Fernsehsendungen von einer solchen Instanz gewährleistet wird (vgl. JEAN-FRANÇOIS AUBERT, in: Aubert/Mahon [Hrsg.], Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, 2003, N. 23 zu Art. 93 BV ). 6.6 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem für die Schweiz seit dem 1. Mai 1993 verbindlichen Europäischen Übereinkommen BGE 134 II 260 S. 264 vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405). Zwar müssen nach Art. 7 Ziff. 1 EÜGF alle - grenzüberschreitend ausgestrahlten - Sendungen eines Programms im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt "die Menschenwürde und die Grundrechte anderer" achten; insbesondere dürfen sie nicht unsittlich sein und namentlich keine Pornographie enthalten (lit. a) sowie Gewalt nicht unangemessen herausstellen und nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln (lit. b). Das schliesst aber nicht aus, dass individuelle Persönlichkeitsverletzungen nur vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden können. Das Abkommen verlangt hiefür kein spezielles Verfahren vor der UBI oder einer vergleichbaren Instanz. 6.7 Im Übrigen handelt es sich beim hier angerufenen Persönlichkeitsrecht des Arztes, das zumindest zivilrechtlich auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen mitumfasst, um höchstpersönliche Rechte, die nicht übertragbar sind (vgl. BGE 118 II 1 E. 5b S. 5; Urteil 5A_78/2007 vom 24. August 2007, E. 4, publ. in: sic! 12/2007 S. 895). Bereits dies schliesst aus, dass Dritte diese Rechte anrufen und gestützt darauf Massnahmen verlangen können. Demzufolge scheint es auch nicht angezeigt, dass sich die UBI auf Beschwerde eines Dritten hin damit befasst, ob eine Persönlichkeitsverletzung des Arztes gegeben ist. 7. Wie ausgeführt (vgl. nicht publizierte E. 3), betrachtet die UBI im vorliegenden Fall das Sachgerechtigkeitsgebot als eingehalten; das Publikum werde nicht der Gefahr einer verfälschten Willens- oder Meinungsbildung ausgesetzt. Die diesbezüglichen Erwägungen der UBI sind nicht zu beanstanden. Nach dem Gesagten überschreitet diese aber mit ihrer Feststellung, die Persönlichkeit des Schönheitschirurgen R. sei verletzt worden, die ihr nach dem Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen eingeräumte Prüfungskompetenz bzw. Zuständigkeit. Die Beschwerde der SRG erweist sich demnach als begründet und ist gutzuheissen; der angefochtene Entscheid der UBI ist aufzuheben. Damit ist nicht gesagt, dass keine Persönlichkeitsverletzung vorliegt. Darüber werden aber die zuständigen Stellen, die der direkt Betroffene angerufen hat, befinden müssen.
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Sachverhalt ab Seite 360 BGE 121 II 359 S. 360 Das Fernsehen DRS berichtete am 30. März 1994 in den Sendungen "Schweiz aktuell", "Tagesschau" und "10 vor 10", am 4. Mai 1994 in der Sendung "Schweiz aktuell" und am 15. Juni 1994 in der "Tagesschau" über den Textilindustriellen Adrian Gasser. Gegenstand der Beiträge vom 30. März 1994 bildete die "Aussperrung" der Belegschaft bei der Kollbrunner Baumwollspinnerei: Da die Arbeitnehmer gegen Lohnkürzungen und Entlassungen streikten, habe Adrian Gasser einen Zaun um das Betriebsareal gezogen und die Streikenden "ausgesperrt". Der Bericht in der "Tagesschau" enthielt zudem den Hinweis, Adrian Gasser habe es mit dem Arbeitsgesetz "offenbar noch nie so genau genommen". Die "10 vor 10"-Redaktion ergänzte die Meldung über die "Aussperrung" mit einem Porträt, das sie unter anderem mit der Bemerkung einleitete, Adrian Gasser dürfe wohl als der "bestgehasste Unternehmer des Landes" bezeichnet werden. Der Beitrag von "Schweiz aktuell" vom 4. Mai 1994 war einer Medienorientierung von Adrian Gasser und von verschiedenen seiner Angestellten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung gewidmet: Die Einigungsverhandlungen zwischen Adrian Gasser und den Gewerkschaften seien gescheitert, obwohl die Angestellten ihren Streik inzwischen abgebrochen hätten. In Kollbrunn hätten 49 Angestellte von sich aus fristlos gekündigt; Adrian Gasser habe darauf mit Vorwürfen an die Gewerkschaft Bau und Industrie reagiert. Die "Tagesschau" vom 15. Juni 1994 enthielt eine kurze Mitteilung, wonach Adrian Gasser vor dem Handelsgericht Zürich einen Prozess gegen die "Weltwoche" verloren habe. BGE 121 II 359 S. 361 Regula Pfister und rund 240 Mitunterzeichner - unter ihnen Adrian Gasser - gelangten gegen diese Sendungen an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern: Unabhängige Beschwerdeinstanz bzw. UBI), die am 3. Februar 1995 eine Verletzung von Programmvorschriften verneinte. Gesamthaft gesehen sei die Berichterstattung über Adrian Gasser in der beanstandeten Periode im Vergleich zu jener in der Presse nicht besonders einseitig gewesen, auch wenn "bisweilen ein herablassender oder hämischer Unterton aus den Beiträgen herauszuhören war, der einem qualitativ hochstehenden Journalismus keine Ehre bringt". Adrian Gasser und Regula Pfister sowie 23 Mitunterzeichner haben am 31. Mai 1995 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Der Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz über die rundfunkrechtliche Konformität von Sendungen ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ( Art. 65 Abs. 2 RTVG ; SR 784.40). Die Beschwerdebefugnis richtet sich dabei ausschliesslich nach Art. 103 OG und ergibt sich nicht bereits aus der Beteiligung am Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz ( Art. 63 RTVG ). An dieser zu Art. 25 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB/UBI; AS 1984 153) entwickelten Rechtsprechung ( BGE 114 Ib 200 E. 1 S. 201 f., BGE 115 Ib 387 E. 1 S. 388 ff., bestätigt in den unveröffentlichten Entscheiden vom 12. Juli 1991 i.S. G.K., E. 1, und EOS, E. 1, und vom 30. Januar 1992 i.S. VSE, E. 1) hat sich mit dem Radio- und Fernsehgesetz nichts geändert (LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, 2. Aufl., Bern 1993, S. 207; FRANZISKA BARBARA GROB, Die Programmautonomie von Radio und Fernsehen in der Schweiz, Diss. ZH 1994, S. 336). Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz kann demnach nur führen, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an seiner Aufhebung oder Änderung hat ( Art. 103 lit. a OG ). Der Beschwerdeführer muss stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen (vgl. BGE 121 II 176 E. 2a S. 177 f. mit zahlreichen Hinweisen). BGE 121 II 359 S. 362 b) aa) Gegenstand der beanstandeten Beiträge bildete der Unternehmer Adrian Gasser. Seine Person und Verhaltensweisen rund um die Kollbrunner Baumwollspinnerei wurden dargestellt und kritisiert. Er steht der Streitsache damit näher als irgendein Dritter, weshalb er zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist, auch wenn er sich am Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz lediglich im Rahmen einer Popular- ( Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG ) und nicht einer Betroffenenbeschwerde ( Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG ) beteiligt hat. Art. 103 lit. a OG setzt nur voraus, dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz überhaupt beteiligt war und mit seinen Anträgen ganz oder teilweise unterlag (formelle Beschwer, vgl. unveröffentlichtes Urteil vom 30. Januar 1992 i.S. VSE, E. 1 u. 2); er verlangt nicht, dass der Beschwerdeführer auch bereits vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz als Betroffener aufgetreten ist ( BGE 115 Ib 387 E. 1b S. 389 letzter Satz). bb) Zweifelhaft erscheint die Beschwerdelegitimation von Regula Pfister. Als PR-Beauftragte von Adrian Gasser steht sie zum Streitgegenstand grundsätzlich nicht in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung im Sinne von Art. 103 lit. a OG . Einzig soweit sie im Beitrag der Sendung "Schweiz aktuell" vom 4. Mai 1995 namentlich als Leiterin der Medienorientierung und "Freundin Gassers" bezeichnet wurde, könnte eine hinreichende Sachnähe bestehen. Wie es sich damit verhält, braucht nicht geklärt zu werden, da auf die Beschwerde nach dem Gesagten auch in diesem Punkt so oder so einzutreten ist. cc) Nicht legitimiert sind die weiteren Beschwerdeführer: Sie waren am vorinstanzlichen Verfahren bloss im Rahmen einer Popularbeschwerde ( Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG ) beteiligt und leiten ihre Beschwerdeberechtigung einzig hieraus ab (vgl. SCHÜRMANN/NOBEL, a.a.O., S. 207). Sie legen nicht dar, und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid stärker betroffen sind als irgendein Zuschauer und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Angelegenheit stehen (vgl. BGE 115 Ib 387 E. 2b S. 390). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in ihrem Namen eingereicht wurde, ist darauf nicht einzutreten. 2. a) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann eine Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, gerügt werden ( Art. 104 lit. a OG ). Dem Bundesgericht stellen sich bei der Prüfung von Fernsehsendungen die gleichen Rechtsfragen wie der Unabhängigen Beschwerdeinstanz, nämlich ob Programmbestimmungen des Radio- und BGE 121 II 359 S. 363 Fernsehgesetzes, seiner Ausführungsvorschriften oder der Konzession verletzt worden sind. Verfahrensgegenstand bildet somit einzig die Einhaltung rundfunkrechtlicher Regeln; für angebliche Verletzungen anderer Normen (z.B. Strafrecht, Persönlichkeitsrecht, Unlauterer Wettbewerb usw.) bleiben die ordentlichen Gerichte und Behörden zuständig. Die Programmaufsicht dient ausschliesslich dem Schutz der unverfälschten Willens- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit. Bundesgericht wie Unabhängige Beschwerdeinstanz haben dabei die in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierte Programmautonomie zu berücksichtigen. Bei der Grenzziehung zwischen dem, was im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit noch erlaubt ist, und was bereits gegen rundfunkrechtliche Programmvorschriften verstösst, ergibt sich für die Unabhängige Beschwerdeinstanz ein Beurteilungsspielraum, dem das Bundesgericht Rechnung trägt ( BGE 119 Ib 166 E. 2a S. 168 f. mit Hinweisen, BGE 116 Ib 37 E. 2a S. 40). b) Seit Inkrafttreten des Radio- und Fernsehgesetzes gilt die Unabhängige Beschwerdeinstanz als richterliche Behörde im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG . Das Bundesgericht ist deshalb an ihre Sachverhaltsfeststellung gebunden, es sei denn, diese sei offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt ( BGE 119 Ib 166 E. 2b S. 169 f.). 3. Nach Art. 4 RTVG sind (in Konkretisierung von Art. 55bis Abs. 2 BV ; vgl. BBl 1987 III 729) Ereignisse "sachgerecht" darzustellen; die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten muss angemessen zum Ausdruck kommen (Abs. 1). Ansichten und Kommentare haben als solche erkennbar zu sein (Abs. 2). Das aus diesen Programmanforderungen abgeleitete Gebot der Objektivität verlangt, dass sich der Hörer oder Zuschauer durch die vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über den Sachverhalt machen kann und in die Lage versetzt wird, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das Prinzip der Wahrhaftigkeit verpflichtet den Veranstalter, Fakten objektiv wiederzugeben; bei umstrittenen Sachaussagen ist der Zuschauer so zu informieren, dass er sich selber ein Bild machen kann ( BGE 119 Ib 166 E. 3a S. 170, BGE 116 Ib 37 E. 5a S. 44). Die gesetzlichen Programmbestimmungen schliessen weder Stellungnahmen und Kritiken von Programmschaffenden noch den "anwaltschaftlichen" Journalismus aus, wenn in diesem Sinne Transparenz gewahrt bleibt ( BGE 121 II 29 E. 3b S. 34). Wann dies der Fall ist, beurteilt sich in erster Linie danach, ob der Beitrag insgesamt manipulativ wirkt bzw. ob die bei der Vorbereitung und Darstellung des Gegenstands BGE 121 II 359 S. 364 gebotene Sorgfalt beachtet wurde. Die Anforderungen an diese sind nicht allgemein, sondern im Einzelfall mit Blick auf die Umstände sowie den Charakter und die Eigenheit des Sendegefässes zu ermitteln ( BGE 121 II 29 E. 3a S. 33 f.). Der Programmautonomie des Veranstalters wird dabei insofern Rechnung getragen, als sich ein staatliches Eingreifen im Rahmen der Programmaufsicht nicht bereits dann rechtfertigt, wenn ein Beitrag allenfalls nicht in jeder Hinsicht voll zu befriedigen vermag, sondern nur, wenn er auch bei einer Gesamtwürdigung (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3a S. 207) die programmrechtlichen Mindestanforderungen von Art. 4 RTVG verletzt. 4. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des der Vorinstanz zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. E. 2a) ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden: a) Wenn in den Beiträgen vom 30. März 1994 von einer "Aussperrung" die Rede war, so mag dieser Ausdruck juristisch unkorrekt gewesen sein. Der Bericht war indessen als Tagesaktualität zeitgebunden (vgl. dagegen BGE 121 II 29 E. 3b S. 34), vertiefte juristische Abklärungen waren deshalb kaum möglich und rundfunkrechtlich nicht geboten (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3e S. 208 f.): Adrian Gasser liess während eines Streiks symbolträchtig um die Kollbrunner Baumwollspinnerei einen Zaun errichten, der - wie in der Sendung "Schweiz aktuell" und der "Tagesschau" berichtet - zumindest auch dazu dienen sollte, die Streikenden vom Fabrikgelände fernzuhalten. Soweit dabei gesagt wurde, es handle sich um die erste "Aussperrung" streikender Arbeiter seit dem Zweiten Weltkrieg, wurde im Bericht von "Schweiz aktuell" darauf hingewiesen, dass dies die Gewerkschaft Bau und Industrie so sieht. Dieser Hinweis fehlte zwar im Beitrag der "Tagesschau", die Hauptaussage in Ton und Bild war aber auch hier, dass Adrian Gasser bzw. die Kollbrunner Baumwollspinnerei die "streikenden" Arbeitnehmer - wenn vielleicht auch nicht rechtlich, so doch symbolisch - "ausgesperrt" habe und dies eine ungewöhnliche Massnahme sei. Der Hinweis, Adrian Gasser habe eine Aussprache mit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Hedi Lang "abgelehnt", war allenfalls unpräzis, will dieser das vereinbarte Gespräch doch bloss "verschoben" haben. Die beanstandete Wortwahl beeinträchtigte die Meinungsbildung des Zuschauers jedoch nicht. b) Die Kritik, entgegen dem Bericht der "Tagesschau" habe Adrian Gasser weder Mitarbeitern Geld geschuldet, noch habe er "happige Lohnabstriche" gemacht, wird erstmals vor Bundesgericht erhoben. Ob dies zulässig ist, BGE 121 II 359 S. 365 kann dahingestellt bleiben. Dem Zuschauer wurde aus dem beanstandeten Beitrag hinreichend klar, dass es um einen Arbeitskonflikt und dabei um Lohn- und Abfindungsfragen ging. Der recherchierende Journalist stützte sich bei den umstrittenen Äusserungen auf Angaben verschiedener Arbeitnehmer sowie der Gewerkschaft Bau und Industrie. Dass der Arbeitgeber die Problematik anders sehen würde, ergab sich für den Zuschauer aus der Berichterstattung von der Streikfront und aus der Natur der Auseinandersetzung. Hätte es der Meinungsbildung auch gedient, wenn Adrian Gasser am 30. März 1994 ebenfalls zu Wort gekommen wäre, liegt im Fehlen einer solchen Stellungnahme doch noch keine rundfunkrechtlich relevante Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten. Aus allen Beiträgen ging hervor, dass weitere Berichterstattungen folgen würden; im übrigen hatte Adrian Gasser bereits früher seinen unternehmerischen Standpunkt zum Ausdruck bringen können ("Arena" vom 25. Februar 1994, "Tagesschau" vom 22. März 1994). Der Journalist wollte Adrian Gasser mit den Vorwürfen konfrontieren, doch soll dieser hierzu nicht bereit gewesen sein, was Adrian Gasser bestreitet. Wie es sich damit verhält, braucht nach dem bereits Gesagten jedoch nicht weiter geklärt zu werden. c) Die Passage, wonach es der Beschwerdeführer mit dem Arbeitsgesetz "offenbar noch nie so genau genommen" habe, enthält zwar einen schwerwiegenden Vorwurf, war aber für den Zuschauer mit hinreichender Deutlichkeit als Kritik des Journalisten und der Arbeitnehmerschaft erkennbar. Die Aussage wurde durch den Begriff "offenbar" etwas relativiert und diente dazu, die Erklärung von Levent Yilmaz einzuleiten, ihm sei während einer Krankheit gekündigt worden. Der Journalist bezog die beanstandete Einschätzung auf die Auseinandersetzung betreffend Sonntagsarbeit von Frauen und auf umstrittene Lohnkürzungen nach Entlassung und Wiedereinstellung von Arbeitnehmern in der Kollbrunner Baumwollspinnerei, über die anfangs Februar 1994 auch in der Presse berichtet worden war ("Blick" vom 2. Februar 1994, "Tages-Anzeiger" vom 3. Februar 1994). An den Informationsstand der Zuschauer durften deshalb höhere Anforderungen gestellt und bei ihnen gewisse Vorkenntnisse vorausgesetzt werden (vgl. hierzu BGE 114 Ib 204 E. 1d S. 208). Dies gilt auch für die vor dem gleichen Hintergrund in der Sendung "10 vor 10" gemachte Einleitung, wonach Adrian Gasser "nach seinen eigenen Regeln" handle und wohl der "bestgehasste Unternehmer des Landes" genannt werden dürfe, obwohl die beanstandeten Aussagen überspitzt waren. BGE 121 II 359 S. 366 d) Die Beschwerdeführer 1 und 2 sowie verschiedene Kadermitglieder und Angestellte der Kollbrunner Baumwollspinnerei reagierten am 4. Mai 1994 an einer Medienorientierung auf 49 fristlose Kündigungen aus der Belegschaft. Der in der Sendung "Schweiz aktuell" erstellte Beitrag hierüber ist in einzelnen Punkten tatsächlich nicht optimal: Der Hinweis, bei der Beschwerdeführerin 2 handle es sich um die Freundin Adrian Gassers, war von der Sache her nicht geboten. Mit der verallgemeinernden Feststellung, die 17 "gassertreuen" Angestellten hätten sich zwar nicht aus der Nähe filmen lassen wollen, hätten den Medienleuten aber "verzellt", dass in ihrem Betrieb alles "tip top sig", wird deren Aussage unterschwellig in Frage gestellt. Die Kritik sowie der Einsatz der stilistischen Mittel hält sich aber noch im Rahmen dessen, was mit Blick auf die Programmautonomie zulässig ist: Adrian Gasser kam im Beitrag selber zu Wort. Das Publikum, bei dem gewisse Vorkenntnisse über die Auseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaft Bau und Industrie und Adrian Gasser vorausgesetzt werden durften, wurde darüber informiert, dass dieser die Gewerkschaft für die fristlosen Kündigungen verantwortlich macht. Das kommentierende, kritische Element des Beitrags war für den Zuschauer erkennbar, weshalb nicht von einer Verletzung rundfunkrechtlicher Pflichten gesprochen werden kann. e) Die "Tagesschau" vom 15. Juni 1994 berichtete im Rahmen einer Kurzmeldung, dass Adrian Gasser vor dem Zürcher Handelsgericht einen Prozess gegen die "Weltwoche" wegen einer Artikelserie über die Finanzlage der Spinnerei an der Lorze verloren habe. Wenn dabei statt von der Spinnerei an der Lorze personifizierend von dem an dieser massgeblich beteiligten Adrian Gasser gesprochen wurde, um die Meldung zu situieren, ist dies nicht zu beanstanden. Von einer Kurzmeldung kann gezwungenermassen - wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet - nicht letzte formale Genauigkeit erwartet werden. Dass das bei dieser Nachricht verwendete Bild "miserabel" gewesen sei, ist eine persönliche Einschätzung des Beschwerdeführers und rundfunkrechtlich nicht von Bedeutung. f) In Gesamtwürdigung (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3a S. 207) der beanstandeten Sequenzen und der Berichterstattung über Adrian Gasser im umstrittenen Zeitraum ist festzustellen, dass die verschiedenen Berichte anders und in einzelnen Punkten besser hätten gestaltet werden können. Mit der Vorinstanz ist einzuräumen, dass aus den Beiträgen bisweilen ein unnötig herablassender und hämischer Unterton herauszuhören ist. Die Berichterstattung sowie der Einsatz der stilistischen Mittel waren aber BGE 121 II 359 S. 367 nicht in dem Sinne manipulativ, dass sich der Zuschauer kein eigenes Bild hätte machen können. Obwohl die Berichterstattung Adrian Gasser gegenüber teilweise sehr kritisch war, blieben die von der Rechtsprechung geforderte Transparenz gewährleistet und die kommentierenden Elemente für den Zuschauer als solche erkennbar. Die Erfordernisse der Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit als Kriterien der Objektivität dürfen nicht derart streng gehandhabt werden, dass Freiheit und Spontaneität der Programmgestalter verlorengehen. Die in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierte Autonomie der Medienschaffenden ist zu wahren; der ihnen bei der Programmgestaltung zustehende Spielraum verbietet es, bereits einzugreifen, wenn eine Sendung nicht in allen Punkten voll zu befriedigen vermag ( BGE 119 Ib 166 E. 4e S. 174).
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Sachverhalt ab Seite 291 BGE 132 II 290 S. 291 Das Schweizer Fernsehen DRS strahlt im Rahmen des Konsumentenmagazins "Kassensturz" regelmässig die Rubrik "Patent angemeldet" mit "Dipl. Ing. Paul Ochsner" aus. Dieser "testet" in humoristischer Weise meist auf Anregung von Zuschauern hin originelle oder skurrile Produkte oder Verfahren auf ihre Nützlichkeit bzw. Alltagstauglichkeit. Gegenstand der Rubrik vom 24. Mai 2005 bildete das Spinnenfanggerät "SpiderCatcher". "Dipl. Ing. Paul Ochsner" hantierte dabei mit dem entsprechenden Gerät und der mitgelieferten Übungsspinne, während im Off-Kommentar folgende Zuschauereingabe verlesen wurde: "Lieber Diplomingenieur Ochsner. Meine Frau muss jede Spinne, deren sie ansichtig wird, sofort fangen. Sie klettert, wenn notwendig, auf Stuhl und Tisch. Um Unfälle zu vermeiden, habe ich ein Spinnenfanggerät gekauft. Nur funktioniert es leider nicht. Mit dem 'SpiderCatcher' für 22 Euro 92 kann man lediglich die mitgelieferte Übungsspinne fangen. Richtige Spinnen werden nur ein bisschen nervös, wenn man mit dem Catcher auf sie losgeht. Keine lässt sich fangen, sei sie nun gross oder klein, alt oder jung. Teilen Sie mir bitte mit, was Sie mit diesem Flop anfangen. Freundliche Grüsse, Ruedi Zimmerli". "Paul Ochsner" verschwindet in der Folge und taucht in der nächsten Sequenz in "Spinnweben" - mit darauf befindlichen (Plastik-)Spinnen - eingehüllt wieder auf, wobei er den Stempel "UNTAUGLICH" in die Kamera hält. BGE 132 II 290 S. 292 Gegen diesen Beitrag gelangte die Importeurin des "SpiderCatchers" in der Schweiz an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), welche ihre Beschwerde am 25. August 2005 guthiess, soweit sie darauf eintrat, und feststellte, dass der umstrittene Beitrag die Programmbestimmungen verletzt habe. Mit der Rubrik sei beim Publikum der Eindruck erweckt worden, dass der "SpiderCatcher", welcher als Produkt nicht ganz ernst zu nehmen sei, nichts tauge. Indem das "Kassensturz"-Team es unterlassen habe, Transparenz hinsichtlich der Relevanz der Bewertung und der Bewertungsgrundlagen zu schaffen, habe es die journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt. Das Bundesgericht heisst die von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hiergegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und stellt fest, dass der umstrittene Beitrag keine Programmbestimmungen verletzt hat. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 4 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) sind (in Konkretisierung von Art. 93 Abs. 2 BV ) Ereignisse am Fernsehen "sachgerecht" darzustellen; deren Vielfalt und jene der verschiedenen Ansichten muss angemessen zum Ausdruck kommen (Abs. 1); Ansichten und Kommentare haben als solche erkennbar zu sein (Abs. 2). Der Hörer oder Zuschauer muss gestützt hierauf praxisgemäss durch die vermittelten Fakten und Auffassungen in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung bilden zu können ( BGE 131 II 253 E. 2.1 S. 256 ["Rentenmissbrauch"]; BGE 119 Ib 166 E. 3a S. 170 ["VPM"]; BGE 116 Ib 37 E. 5a S. 44 ["Grell-Pastell"]). Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ wirken, was der Fall ist, wenn der (mündige) Zuschauer in Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflichten unsachgemäss informiert wird ( BGE 131 II 253 E. 3.4 S. 264 ["Rentenmissbrauch"]). Der Umfang der erforderlichen Sorgfalt hängt im Einzelfall von den Umständen, dem Charakter und den Eigenheiten des Sendegefässes sowie dem Vorwissen des Publikums ab ( BGE 131 II 253 E. 2.2 S. 257 mit Hinweisen ["Rentenmissbrauch"]). Weniger strenge Anforderungen bezüglich der Sachgerechtigkeit gelten bei der Satire, welche die Wirklichkeit bewusst übersteigern, entfremden, banalisieren, karikieren und der Lächerlichkeit preisgeben will (vgl. FRANZ ZELLER, Öffentliches Medienrecht, Bern 2004, S. 256): Das BGE 132 II 290 S. 293 Publikum muss als Ausfluss des Transparenzgebots diese hier als solche erkennen können; die ihr zugrunde liegende Wirklichkeit - oder der Aussagekern - hat zudem sichtbar und im Rahmen des kulturellen Mandats ( Art. 3 Abs. 1 RTVG ) in ihrer Darstellung vertretbar zu sein (vgl. STUDER/MAYR VON BALDEGG, Medienrecht für die Praxis, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 184; MARTIN DUMERMUTH, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel/Frankfurt a.M. 1992, S. 392 ff.; derselbe , Rundfunkrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], hrsg. von Koller/Müller/Rhinow/ Zimmerli, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Teil 4, S. 35 N. 84; DENIS BARRELET, Droit de la communication, Bern 1998, Rz. 773; VPB 61/1997 Nr. 67 S. 634 ff. ["Viktors Spätprogramm"]; Entscheid b.385 der UBI vom 23. Juni 1999 ["MOOR"], publ. in: Medialex 1999 S. 246 f.). 2.2 Der Programmautonomie ist bei der Beurteilung der einzelnen Sendung insofern Rechnung zu tragen, als sich ein staatliches Eingreifen nicht bereits rechtfertigt, wenn ein Beitrag allenfalls nicht in jeder Hinsicht voll zu befriedigen vermag, sondern nur, falls er auch bei einer Gesamtwürdigung (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3a S. 207 ["Gaon"]) die programmrechtlichen Mindestanforderungen verletzt. Die Erfordernisse der Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit als Kriterien der Objektivität dürfen im Einzelfall nicht derart streng gehandhabt werden, dass die journalistische Freiheit und Spontaneität verloren gehen. Die in Art. 17 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 3 BV garantierte Autonomie der Medienschaffenden ist zu wahren; der ihnen bei der Programmgestaltung zustehende Spielraum verbietet es, aufsichtsrechtlich bereits einzugreifen, wenn eine Sendung nicht in jeder Hinsicht überzeugt. Ein aufsichtsrechtliches Einschreiten rechtfertigt sich aufgrund einer Interessenabwägung zwischen der Programmfreiheit des Veranstalters einerseits und der Informationsfreiheit des Publikums andererseits bloss, wenn der (mündige) Zuschauer in Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten manipuliert wird; er sich gestützt auf die gelieferten Informationen oder deren Aufarbeitung kein eigenes sachgerechtes Bild mehr machen kann, weil wesentliche Umstände verschwiegen oder Geschichten "inszeniert" werden. Andere untergeordnete Unvollkommenheiten fallen in die redaktionelle Verantwortung des Veranstalters und sind durch dessen Programmautonomie gedeckt ( BGE 131 II 253 E. 3.4 mit Hinweisen ["Rentenmissbrauch"]; Urteil 2A.41/2005 vom 22. August 2005 ["Kunstfehler"], E. 2.3). BGE 132 II 290 S. 294 3. 3.1 Die Unabhängige Beschwerdeinstanz bejahte vorliegend eine Verletzung der Programmbestimmungen, da der umstrittene Beitrag aufgrund des Schreibens von Ruedi Zimmerli und des Stempels von Paul Ochsner "UNTAUGLICH" den Eindruck erweckt habe, der "SpiderCatcher" tauge für den bestimmungsgemässen Gebrauch überhaupt nichts. Trotz des bestehenden humoristischen Charakters nehme der inkriminierte Beitrag einen gewissen "informativen Wahrheitsgehalt" für sich in Anspruch, insbesondere durch die Vorstellung eines tatsächlich bestehenden Produkts und die Bewertung seiner Nützlichkeit. Diese sei nicht Resultat eines Zufalls oder eines humoristischen Einfalls. Die Redaktion habe offenbar gewisse Versuche mit dem "SpiderCatcher" unternommen und auch ein Gespräch mit dem Erfinder geführt; das Sachgerechtigkeitsgebot finde deshalb Anwendung, wobei dem humoristischen Charakter Rechnung getragen werden könne. Nach dem apodiktischen Verdikt von Paul Ochsner, dem Experten für Alltagstauglichkeit, der den "SpiderCatcher" im wahrsten Sinn des Wortes als "UNTAUGLICH" abstemple, dürfte - so der angefochtene Entscheid - von den Zuschauern aber niemand mehr ein Kaufinteresse an diesem haben. Beim Publikum werde der Eindruck erweckt, dass der "SpiderCatcher", welcher als Produkt nicht ganz ernst zu nehmen sei, nichts tauge, ohne dass dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben worden sei, sich hierüber ein eigenes Bild zu machen. In Verletzung seiner journalistischen Sorgfaltspflichten habe es der "Kassensturz" unterlassen, hinsichtlich der Relevanz der Bewertung und der Bewertungsgrundlagen Transparenz zu schaffen und deshalb Art. 4 RTVG verletzt. 3.2 Der Entscheid der UBI trägt der humoristischen Komponente - unabhängig davon, ob es sich beim beanstandeten Beitrag tatsächlich um eine Satire handelt oder nicht (vgl. hierzu MISCHA CHARLES SENN, Aspekte der rechtlichen Beurteilung satirischer Äusserungen, in: sic! 4/1998 S. 365 ff., dort S. 366) - bzw. dem Umfeld der konkreten Ausstrahlung zu wenig Rechnung; er erweist sich als zu streng und verfällt in eine unzulässige Fachaufsicht (vgl. BGE 131 II 253 E. 3.4 S. 263 mit Hinweisen ["Rentenmissbrauch"]; Urteil 2A.653/ 2005 vom 9. März 2006, E. 2.2 ["GSBA"]): 3.2.1 In der Rubrik "Patent angemeldet" werden im Rahmen des Konsumentenmagazins "Kassensturz" seit Jahren skurrile Produkte oder Verfahren vorgestellt und in Form eines Sketchs - ohne den BGE 132 II 290 S. 295 für die Sendung sonst üblichen Anspruch auf Seriosität - "getestet" (Schlag-Nussknacker [10. Januar 2006]; Hasen-Geschirr [16. November 2004]; Fernsichtbrille [2. November 2004]; Schönheitspillen [14. September 2004]; Augen-Massagegerät [13. April 2004]; Lügendetektor [3. Februar 2004]; Schnarch-Zapfen [20. Januar 2004] usw.). Für den Zuschauer ist das Konzept des spasshaften Ausklingens der Sendung mit der Sequenz "Patent angemeldet", worin jeweils Produkte, Tester und Konsumenten gleichermassen karikiert werden, bekannt bzw. ohne weiteres erkennbar: Die Rubrik hat einen eigenen Namen und wird immer gleich eingeleitet; ihre Kernfigur ist "Dipl. Ing. Paul Ochsner", der aufgrund seines Erscheinungsbilds, seines "Labors" sowie seiner Mimik und Gestik vom Zuschauer sofort als Pseudowissenschaftler entlarvt wird. "Dipl. Ing. Paul Ochsner" visualisiert auf humoristische Weise meist von Zuschauern eingesandte, mehr oder weniger ernst gemeinte Schwierigkeiten mit originellen oder ausgefallenen Produkten und Gadgets. Konzept, Gestaltung und Stil der Rubrik sind dem Zuschauer bekannt. Gestützt hierauf geht dieser grundsätzlich nicht davon aus, dass er über das bewusst überzeichnete Problem mit einem bestimmten Produkt fundiert informiert wird; er rechnet aufgrund des Sendekonzepts mit Vereinfachungen, Übertreibungen und einem gewissen Schabernack. In einem solchen Umfeld kann dem Sachgerechtigkeitsgebot nur eine beschränkte Bedeutung zukommen (vgl. DUMERMUTH, Programmaufsicht, a.a.O., S. 393; BARRELET, a.a.O., Rz. 773), selbst wenn - wie hier - mit der Darstellung eines konkret existierenden Produkts auch ein gewisser Informationscharakter verbunden sein mag. Dieser rückt für den Zuschauer indessen in den Hintergrund. Aufgrund seines Vorwissens und der Ausgestaltung des Beitrags ist für das Publikum klar, dass es nicht ernsthaft informiert, sondern mit einer mehr oder weniger lustigen Pointe unterhalten werden soll, wobei dem Urteil "TAUGLICH" bzw. "UNTAUGLICH" nicht der gleiche Stellenwert zukommt wie bei einem seriösen Warentest und sich dieses auch auf den Anwender oder Tester selber beziehen kann. 3.2.2 Anlass zur humoristischen Präsentation des "SpiderCatchers" bildeten die von Ruedi Zimmerli geschilderten Erfahrungen mit seiner Frau, den Spinnen und dem entsprechenden Gerät, das er als "Flop" empfunden hat, dem er aber immerhin zugesteht, dass damit die mitgelieferte Übungsspinne gefangen werden konnte; das Gerät somit nicht absolut untauglich war. "Dipl. Ing. Paul Ochsner" BGE 132 II 290 S. 296 visualisierte diese Einschätzung, indem er aus seinem "Test" voller Spinnweben und (Plastik-)Spinnen zurückkommt. Für den Zuschauer ging es dabei erkennbar nicht um eine eigentliche Beurteilung des Geräts, sondern um die Pointe, die als mehr oder weniger lustig empfunden werden kann und welche - im Hinblick auf die Nützlichkeit des Geräts für ein bestimmtes Publikum (Spinnenphobiker usw.) allenfalls zu Unrecht - zu Lasten des "SpiderCatchers" ging. Soweit die UBI der "Kassensturz"-Redaktion vorwirft, sie habe keine hinreichende Transparenz hinsichtlich der Relevanz der Bewertung und der Bewertungsgrundlagen geschaffen, verkennt sie, dass diese durch das Sendeformat und die Darstellungsform vorgegeben war: Es ging nicht um eine ernsthafte, abschliessende bzw. wissenschaftlich fundierte Bewertung, sondern um einen Pseudo-Feldversuch ohne Anspruch auf Vollständigkeit und umfassende Recherchen hinsichtlich der tatsächlichen Effizienz des "SpiderCatchers", was sich auch aus der musikalischen Unterlegung der Rückkehr des in Spinnennetze gehüllten "Dipl. Ing. Paul Ochsner" mit der Musik "Here comes the spiderman" ergab. Gerade die Tatsache, dass - anders als bei den ernsthaften Tests - offen gelassen wurde, nach welchen Kriterien die "Beurteilung" erfolgte, wies auf deren fragwürdige Seriosität und darauf hin, dass es in erster Linie um die Pointe ging und der "SpiderCatcher" deshalb nicht - wie der dabei etwas unglücklich verwendete Stempel "UNTAUGLICH" vermuten liess - absolut unbrauchbar sein musste. Die Glosse hat für das Publikum erkennbar keinen ernsthaften Anspruch auf Sachgerechtigkeit erhoben; das von der Vorinstanz erwähnte Gespräch mit dem Erfinder des "SpiderCatchers" fand seinerseits - wie sich der Beschwerde von X. an die UBI vom 16. Juni 2005 entnehmen lässt - erst nach der Sendung statt; der Sachverhalt ist in diesem Punkt offensichtlich falsch festgestellt (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG ). 3.2.3 Soweit die Beschwerdeinstanz darauf hinweist, gestützt auf den Beitrag dürfte - wie die Importeurin geltend mache - niemand mehr ein Kaufinteresse am "SpiderCatcher" haben, trägt ihre Argumentation der Stossrichtung und dem Zweck der Programmaufsicht zu wenig Rechnung: Diese dient dem Schutz der unverfälschten Willens- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit und nicht in erster Linie der Durchsetzung privater (hier kommerzieller) Anliegen ( BGE 121 II 359 E. 2a S. 362 f. ["Gasser"]; BGE 119 Ib 166 E. 2a/aa S. 169 ["VPM"], je mit Hinweisen; Urteil 2A.41/2005 vom 22. August 2005, E. 1.2 ["Kunstfehler"]). Die rundfunkrechtliche BGE 132 II 290 S. 297 Programmaufsicht ist "ein im Interesse des Publikums liegendes Verfahren sui generis zum Schutz vor unzulässigen Sendungen"; sie ist nicht - wie etwa das Gegendarstellungsrecht - als Rechtsschutz für den Einzelnen gedacht, sondern dient "zur Überprüfung von Sendungen im Interesse der Öffentlichkeit und ihrer ungehinderten Willensbildung als wichtiges Element der Demokratie" (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 28. September 1987 zum Bundesgesetz über Radio und Fernsehen, in: BBl 1987 S. 708; Urteil 2A.133/1991 vom 20. Dezember 1991, E. 4b ["Skikartell"]). Es soll damit das Publikum vor Manipulationen von einem gewissen Gewicht geschützt werden, nicht Produzenten, Importeure oder andere wirtschaftliche Akteure vor einer für das Durchschnittspublikum erkennbar nicht ernst gemeinten Glosse über ihr Produkt. Das an einem Spinnenfanggerät interessierte Spezialpublikum (Phobiker usw.) wird sich denn auch kaum mit dem Urteil von "Dipl. Ing. Paul Ochsner" zufrieden geben und bei seinen Abklärungen auf die von der Beschwerdegegnerin zitierten abweichenden Einschätzungen und Beurteilungen ihres Geräts durch andere Konsumenten und Zoologen stossen. Art. 64 Abs. 3 RTVG sieht vor, dass die UBI die Behandlung einer Beschwerde ablehnen oder sistieren kann, soweit zivil- oder strafrechtliche Rechtsbehelfe offen stehen oder unbenützt geblieben sind (vgl. hierzu GABRIEL BOINAY, La contestation des émissions de la radio et de la télévision, Porrentruy 1996, S. 110 ff.); die Beschwerdegegnerin kann zur Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Interessen diese Wege (UWG usw.) einschlagen. Es rechtfertigt sich - entgegen ihren Einwänden - deshalb nicht, das Sachgerechtigkeitsgebot bei einer Glosse im Rahmen der in erster Linie öffentlichen Zwecken (Publikumsschutz) dienenden Programmaufsicht streng zu handhaben, auch wenn (oder gerade weil es sich) beim vorliegend umstrittenen Sendegefäss um ein solches handelt, das sich an ein kritisches Publikum von mündigen Konsumenten richtet; es genügt zum Schutz der Meinungsbildung, dass für diese die fehlende Ernsthaftigkeit und Seriosität hinreichend transparent gemacht wurde, auch wenn es allenfalls wünschbar gewesen wäre, dass die Pointe und die damit verbundene "Bewertung" im Zusammenhang mit einem Zufall oder einem nicht unmittelbar mit dem Gerät verbundenen humoristischen Einfall gestanden hätte, wie dies bei anderen Glossen von "Dipl. Ing. Paul Ochsner" der Fall war (vgl. etwa den Beitrag über das Hasen-Geschirr, bei dem sich trotz der Bemühungen von "Dipl. Ing. Paul Ochsner" das Tier weigerte, damit spazieren geführt zu werden).
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2d2bb476-8636-430e-8095-8681a4eabf97
Sachverhalt ab Seite 212 BGE 146 IV 211 S. 212 A. Die B. AG ist ein international tätiges, insbesondere im Bereich der Stromproduktion und des Stromhandels aktives Schweizer Energieunternehmen. Sie wird teilweise von U. aus verwaltet, wo sich auch das J. Competence Center befindet. Als Leiter dieses Competence Centers war vom 15. Dezember 2008 bis zum 29. August 2011 I. (Parallelverfahren 6B_1209/2019) angestellt. Als solcher war er u.a. für den Betrieb und die Weiterentwicklung der J.-Software zur Abwicklung von Geschäftsprozessen verantwortlich. D. (Parallelverfahren 6B_1214/2019), Inhaber der E. AG, war einziger Verwaltungsrat der C. AG. Geschäftsführer und Hauptaktionär dieser Gesellschaft war A. (Parallelverfahren 6B_1201/2019). D. war ferner einziger Verwaltungsrat der von ihm gegründeten IT-Beratungs- und Handelsfirma F. AG, deren Mehrheitsaktionärin die C. AG war. Überdies war D. einziger Verwaltungsrat und Aktionär der G. AG sowie der H. AG. Beide Gesellschaften verfügten über keine weiteren Organe, Zeichnungsberechtigte oder Personal. I. und A. stellten im Zeitraum vom 23. Oktober 2009 bis zum 2. August 2011 der B. AG nicht erbrachte Wartungs- und Beratungsleistungen sowie fiktive Lizenzgebühren für IT-Module der J.-Standardsoftware in Rechnung und schädigten jene auf diese Weise im Umfang von CHF 5'751'619.10. D. wird vorgeworfen, er habe den beiden Haupttätern bei der Begehung des gewerbsmässigen Betruges zum Nachteil der B. AG Hilfe geleistet und seine ihm gehörenden Firmen H. AG und G. AG zur Verfügung gestellt, um die deliktische Herkunft der von der B. AG ertrogenen Gelder zu verschleiern. B. Das Regionalgericht Landquart sprach D. mit Urteil vom 8. September 2017 von der Anklage der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug sowie des schweren Falles der Geldwäscherei frei. Die Zivilklage der B. AG verwies es auf den Zivilweg. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft und der B. AG erklärte das Kantonsgericht von Graubünden D. mit Urteil vom 25. Februar 2019 des schweren Falles der Geldwäscherei schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu CHF 120.-, je mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 360.-, bei schuldhafter Nichtbezahlung umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen. Von der Anklage der Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug sprach es ihn frei. Die Zivilklage der B. AG verwies es auf den Zivilweg. Die im Hinblick auf die Zusprechung der Ersatzforderung BGE 146 IV 211 S. 213 gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. c StGB gegenüber dem Kanton Graubünden abgegebene Abtretungserklärung der B. AG vom 6. September 2017 erklärte es als unwirksam. C. Die B. AG führt Beschwerde in Strafsachen, mit der sie beantragt, D. sei zu verpflichten, ihr unter solidarischer Haftbarkeit mit A. und I. Schadenersatz im Umfang von CHF 2'659'778.52, zuzüglich Zins zu 5 % auf CHF 2'664'778.52 seit 30. Oktober 2015 bis 10. April 2018 sowie Zins zu 5 % auf CHF 2'659'778.52 ab 11. April 2018 zu leisten. Eventualiter sei das angefochtene Urteil in diesem Punkt aufzuheben und das Verfahren zur Neubeurteilung ihrer Zivilansprüche gegen D. im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Das Kantonsgericht von Graubünden beantragt unter Verzicht auf Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Staatsanwaltschaft hat auf die Einreichung einer Stellungnahme verzichtet. D. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Der B. AG ist die Vernehmlassung zur Kenntnisnahme zugestellt worden. Sie hat auf Gegenbemerkungen stillschweigend verzichtet. E. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Es hebt das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 25. Februar 2019 in Bezug auf die Berufung der Beschwerdeführerin im Zivilpunkt auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die geschädigte Person kann als Privatklägerin zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen ( Art. 122 Abs. 1 StPO ). Die Zivilforderung ist spätestens im Parteivortrag zu beziffern und, unter Angabe der angerufenen Beweismittel, zu begründen ( Art. 123 StPO ). Dem Wesen des Adhäsionsprozesses entsprechend muss der Kläger allerdings nur jene Tatsachen ausführen und beweisen, welche sich nicht bereits aus den Akten ergeben (6B_152/2018 vom 23. November 2018 E. 4 mit Hinweis). Gemäss Art. 126 Abs. 1 StPO entscheidet das Strafgericht zusammen mit dem Strafurteil materiell über die adhäsionsweise anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht (lit. a) oder wenn es sie freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist BGE 146 IV 211 S. 214 (lit. b). Spruchreif ist der Sachverhalt, wenn aufgrund der im bisherigen Verfahren gesammelten Beweise ohne Weiterungen über den Zivilanspruch entschieden werden kann, er mithin ausgewiesen ist (Urteile 6B_75/2018 vom 23. November 2018 E. 3.1; 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.1; je mit Hinweisen; vgl. hierzu NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, N. 610). Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, wenn die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet oder beziffert (lit. b; vgl. auch Art. 84 Abs. 2 und Art. 221 Abs. 1 lit. c und d ZPO ; BGE 137 III 617 E. 4.3 S. 619) oder die beschuldigte Person freigesprochen, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist (lit. d). Wäre die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwendig, kann das Gericht die Zivilklage nach Art. 126 Abs. 3 StPO nur dem Grundsatz nach entscheiden und sie im Übrigen auf den Zivilweg verweisen. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil den Beschwerdegegner schuldig gesprochen. Gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. a StPO hatte sie demnach über die geltend gemachten Schadenersatzforderungen zu entscheiden (vgl. auch Urteil 6B_1216/2015 vom 21. September 2016 E. 9, nicht publ. in: BGE 142 IV 346 ). Der Entscheid über die anhängig gemachte Zivilklage ist, soweit sie hinreichend begründet und beziffert ist, bei dieser Konstellation zwingend (Urteile 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3; 6B_604/2012 vom 16. Januar 2014 E. 6.2.2; 6B_75/2014 vom 30. September 2014 E. 2.4.3 und 2.4.4). Dies gilt auch - anders als im Falle eines Freispruchs ( Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO ) - dann, wenn der Sachverhalt nicht spruchreif ist. Das Gericht hat in diesem Fall - gestützt auf die rechtzeitig gestellten Beweisanträge der Zivilpartei - nötigenfalls ein Beweisverfahren durchzuführen (Urteil 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3 mit Hinweis). 3.2 Nach Art. 41 Abs. 1 OR wird zum Ersatz verpflichtet, wer einem anderen - sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit - widerrechtlich einen Schaden zufügt. Die Schadenszufügung ist widerrechtlich, wenn sie gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht verstösst, d.h. wenn entweder ein absolutes Recht des Geschädigten verletzt (Erfolgsunrecht) oder eine reine Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm bewirkt wird (Verhaltensunrecht). Da das Vermögen kein absolutes subjektives Rechtsgut darstellt, sind reine Vermögensschädigungen nur widerrechtlich, wenn sie auf einen Verstoss gegen eine Verhaltensnorm zurückgehen, welche BGE 146 IV 211 S. 215 dem Schutz vor Schädigungen von der Art der eingetretenen dient ( BGE 144 I 318 E. 5.5; BGE 139 IV 137 E. 4.2; BGE 141 III 527 E. 3.2; BGE 129 IV 322 E. 2.2.2; BGE 119 II 127 E. 3; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 50 Abs. 1 OR haften, wenn mehrere den Schaden, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, gemeinsam verschuldet haben, dem Geschädigten solidarisch. Nach Abs. 3 derselben Bestimmung haftet der Begünstiger nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat. 4. 4.1 Die Vorinstanz stellt fest, der Beschuldigte I. habe die Schadenersatzforderung der Beschwerdeführerin anerkannt. Diese habe im Rahmen des Berufungsverfahrens die Zivilklage auf den Betrag von CHF 4'618'577.35, zuzüglich Schadenszins von 5 % auf diesen Betrag seit 31. Dezember 2013, reduziert. Der insgesamt nachgewiesene Schaden belaufe sich auf CHF 4'541'240.20. Abzüglich des MWST-Vorsteuerabzuges, der vom Beschuldigten I. geleisteten Rückzahlungen und der von der Staatsanwaltschaft an die Beschwerdeführerin zurückerstatteten Beträge sei die Zivilklage gegen die Vortäter I. und A. im Umfang von CHF 2'664'778.52 gutzuheissen. Bis zu diesem Betrag bestehe eine solidarische Haftbarkeit der beiden gegenüber der Beschwerdeführerin. 4.2 4.2.1 Die Beschwerdeführerin hat im zu beurteilenden Fall im kantonalen Verfahren ihre Zivilforderung hinreichend begründet und beziffert. Für die Vorinstanz war mithin klar ersichtlich, auf welche rechtlichen und tatsächlichen Gründe jene ihre Forderung stützte. Sie hatte daher über die Zivilforderung selbst zu urteilen und auf der Grundlage der Rechtsbegehren zu entscheiden, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin durch die angeklagten Handlungen des Beschwerdegegners D. und der beiden Vortäter geschädigt worden war. Dies hat die Vorinstanz in Bezug auf die Beschuldigten I. und A. getan. In Bezug auf den Beschwerdegegner D. nimmt die Vorinstanz indes an, für den Geldwäscher bestehe hinsichtlich des durch die Vortat verursachten Schadens lediglich eine subsidiäre zivilrechtliche Verantwortlichkeit und die gegen jenen gerichtete Zivilforderung sei nicht genügend ausgewiesen. Diese Rechtsauffassung verletzt Bundesrecht. Der Tatbestand der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305 bis Ziff. 1 StGB schützt zwar in BGE 146 IV 211 S. 216 erster Linie die Rechtspflege in der Durchsetzung des staatlichen Einziehungsanspruchs bzw. das öffentliche Interesse an einem reibungslosen Funktionieren der Strafrechtspflege. Doch dient der Tatbestand nach der Rechtsprechung in Fällen, in denen die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Delikten gegen das Vermögen herrühren, neben dem Einziehungsinteresse des Staates auch dem Schutz der individuell durch die Vortat Geschädigten ( BGE 145 IV 335 E. 3.1; BGE 129 IV 322 E. 2.2.4; BGE 133 III 323 E. 5.1; je mit Hinweisen; URSULA CASSANI, Droit pénal économique, 2020, Rz. 6.20; vgl. auch CHRISTIAN HEIERLI, Zivilrechtliche Haftung für Geldwäscherei, 2012, Rz. 718 ff., 770; kritisch: ACKERMANN/ZEHNDER, in: Kommentar Kriminelles Vermögen, Kriminelle Organisationen, Bd. II, 2018, N. 97 zu Art. 305 bis Ziff. 1 StGB ; JÖRG SCHWARZ, Zivilrechtliche Haftung für Geldwäscherei, HAVE 2009 S. 15 f.; PETER LEHMANN, Ist Geldwäscherei nach Art. 305 bis StGB eine haftpflichtrechtliche Schutznorm?, in: Schutz und Verantwortung, Liber amicorum für Heinrich Honsell, 2007, S. 17 ff.). Der Schaden besteht danach im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist. Die Einziehung zugunsten des Staates ist nur zulässig, wenn die Vermögenswerte nicht dem Geschädigten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden ( Art. 70 Abs. 1 StGB ). Bei Eigentums- und Vermögensdelikten erfolgt die Einziehung mithin im Interesse des Opfers. Die Geldwäscherei im Sinne der Vereitelung der Einziehung richtet sich in diesen Fällen somit auch gegen die Interessen desjenigen, der durch die Vortat geschädigt wurde ( BGE 139 IV 209 E. 5.3; BGE 129 IV 322 E. 2.2.4; je mit Hinweisen). 4.2.2 Die bisherige Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Haftung für Geldwäscherei geht von der Prämisse aus, dass der Geldwäscher nicht an der Individualinteressen verletzenden Vortat beteiligt war und daher nicht aus einer derartigen Beteiligung zivilrechtlich belangt werden kann. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, bildete die im vorliegenden Verfahren relevante Frage, ob der Täter gegenüber der geschädigten Privatklägerschaft allein auf der Grundlage der Geldwäscherei zivilrechtlich haftbar wird, auch Gegenstand von BGE 129 IV 322 . Insofern lässt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht sagen, die diesem Entscheid zugrunde liegende Konstellation sei nicht mit derjenigen des vorliegenden Falles vergleichbar. Was die Vorinstanz sodann unter Verweisung auf die Lehrmeinung von HEIERLI erwägt, gibt keinen Anlass, von dieser BGE 146 IV 211 S. 217 Rechtsprechung abzukehren. Abgesehen davon findet, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung in der von ihr zitierten Lehrmeinung keine Stütze. Es trifft zwar zu, dass der Autor im Rahmen seiner Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausführt, die Behandlung der Geldwäscherei als eigenständige widerrechtliche Schädigung im Sinne von Art. 41 OR habe zur Folge, dass der Stand des Vermögens mit und ohne Geldwäscherei - ausgehend vom Vermögensstand, wie er beim Geschädigten nach der Vortat vorgelegen habe - miteinander zu vergleichen sei (HEIERLI, a.a.O., Rz. 454, im Anschluss an LEHMANN, a.a.O., S. 21 f.). Danach würde sich der Schaden aus Geldwäscherei in der geldwäschereibedingten Verringerung des subjektiven realen Werts der Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den Vortäter darstellen, wodurch die zivilrechtliche Haftung des Geldwäschers zu einer komplizierten Ausfallhaftung für den Fall werde, dass der Vortäter nicht auf Schadenersatz belangt werden könne (HEIERLI, a.a.O., Rz. 457 ff., 469, 481 ff. und 1260 ff.). Doch stellt sich der Autor zu Recht gegen eine derartig isolierte Betrachtung des Schadens aus Geldwäscherei. Er gelangt vielmehr gestützt auf Art. 50 Abs. 3 OR zur Auffassung, es liege in dem Sinne ein einheitlicher Schaden vor, als die Vermögenswerte dem Geschädigten durch den Vortäter entzogen worden seien und der Geldwäscher diese Schadenlage aufrechterhalten habe (HEIERLI, a.a.O., Rz. 476 ff., 996, 1007, 1154 ff., 1169 ff., 1199 f. und 1309 ff.; vgl. auch ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2013, N. 67 zu Art. 50 OR ). Damit steht, wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet, die von HEIERLI vertretene Auffassung im Ergebnis im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich die Haftung des Geldwäschers auch auf den durch die Vortat verursachten Schaden im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist, erstreckt. Die Vorinstanz stützt sich somit für ihren Schluss, die Schadenersatzforderung der Beschwerdeführerin sei nicht hinreichend beziffert und begründet, auf eine unzutreffende Rechtsauffassung, die zudem auch von der von ihr hierfür angerufenen Lehrmeinung nicht geteilt wird. Auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, nach welcher der Geldwäscher im Umfang der Vermögenswerte, deren Einziehung durch die Geldwäscherei vereitelt worden ist, für den Vortatschaden mithaftet, ist die Zivilforderung hinreichend substantiiert. Die Vorinstanz hätte diese daher nicht auf BGE 146 IV 211 S. 218 den Zivilweg verweisen dürfen, sondern hätte selbst über sie entscheiden müssen. Damit verletzt das angefochtene Urteil in diesem Punkt Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich als begründet.
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Sachverhalt ab Seite 280 BGE 113 Ia 279 S. 280 C. ist bernischer Fürsprecher und leitet seit dem 5. April 1982 die Rechtsberatungs- und Alimenteninkassostelle der Schweiz. Stiftung MPB, Solidaritätswerk für Mütter, Väter, Kinder und Familien. Es handelt sich dabei um eine privatrechtliche Institution mit dem Ziel, Menschen in Notsituationen zu helfen. Die vertraglichen Beziehungen zwischen C. und der Schweiz. Stiftung MPB lauten nach einer am 1. Januar 1985 abgeschlossenen Vereinbarung, soweit hier von Interesse, wie folgt: "1.1 Herr C. leitet die Rechtsberatungs- und Alimenteninkassostelle des MPB. Herr C. verpflichtet sich, die ihm vom MPB für Auskünfte zugewiesenen Personen rechtlich zu beraten. In bezug auf den Inhalt der Beratung bleibt das Anwaltsgeheimnis vorbehalten. Über diese erste Beratung hinaus entscheidet er frei, ob er die jeweiligen Personen a) weiter beraten b) sofern notwendig, gerichtlich oder aussergerichtlich vertreten will oder nicht. Herr C. ist zudem verpflichtet, die ihm von der Stiftung zugewiesenen Alimenteninkassi durchzuführen. Diese Verpflichtung betrifft ausschliesslich den Inkasso-Auftrag; die Art und Weise der Durchführung steht in seinem Ermessen. Er ist der Stiftung gegenüber jedoch nach Auftragsrecht haftbar, falls diese von ihrem Auftraggeber zur Verantwortung gezogen werden sollte. 1.2 In bezug auf die weiteren Fälle, namentlich die Prozessvertretungen, die aussergerichtlichen Vertretungen und die rechtlichen Beratungen steht dem MPB weder ein Weisungs- noch ein Akteneinsichtsrecht zu. Herr C. hat keine Rechenschaftspflicht. Er bearbeitet diese Geschäfte somit unabhängig, unter eigenem Namen und auf eigene Verantwortung. 1.3 Herr C. entscheidet vollständig frei darüber: a) ob er überhaupt einen Prozess einleiten will b) ob er für seine Klientschaft ein UP-Gesuch einreichen will c) wie im Vergleichsfall die Kostenliquidation zu erfolgen hat d) ob er einen gerichtlichen Entscheid betreffend Prozesskosten annehmen oder anfechten will 2. Der Lohn von Herrn C. setzt sich folgendermassen zusammen: a) Entschädigungen, die Herr C. auf Grund der Bestimmungen über die unentgeltliche Prozessführung zugute hat, sowie diejenigen, die die von Herrn C. vertretene Partei von der Gegenpartei verlangen kann. b) Zusätzlich zu diesen Einnahmen garantiert das MPB Herrn C. ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. ... (Nettoeinkommen - Entschädigungen = jeweiliger Lohn von Herrn C.). Das MPB behält sich vor, einer Person, die von Herrn C. BGE 113 Ia 279 S. 281 vertreten sein will, die Übernahme der Anwaltskosten von Herrn C. zu verweigern. Allerdings steht es Herrn C. frei, solche Fälle auf eigene Rechnung zu übernehmen, soweit dadurch seine Tätigkeit gemäss vorliegendem Vertrag nicht beeinträchtigt wird. ... 4. Der Beschäftigungsgrad von Herrn C. beträgt 75%. Somit hat er eine wöchentliche Präsenzzeit (inkl. Vertretungen vor Gericht) von 33 Stunden einzuhalten. Ausserhalb der Tätigkeit im Rahmen von 75% für die Stiftung, steht es Herrn C. frei, weitere Fälle auf eigene Rechnung zu übernehmen. ..." Hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung von Alimenteninkassi (Ziff. 1.1, letzter Absatz des Vertrags) handelt es sich nach den übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien ausschliesslich um Fälle der den Gemeinden obliegenden unentgeltlichen Hilfe bei der Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen, die gemäss Art. 1 Abs. 2 des bernischen Gesetzes über Inkassohilfe und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder vom 6. Februar 1980 gemeinnützigen Stellen übertragen werden können (nachfolgend: Alimenteninkassi für Gemeinden). Nach Durchführung eines von Amtes wegen eröffneten Disziplinarverfahrens erteilte die Anwaltskammer des Kantons Bern Fürsprecher C. mit Entscheid vom 5. Dezember 1986 einen Verweis wegen Verletzung von Art. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 17 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Fürsprecher vom 6. Februar 1984 (Fürsprechergesetz) und wegen Verstosses gegen die Standesregeln des bernischen Anwaltsverbandes vom 22. Oktober 1938. Die Anwaltskammer sieht das Gebot der Unabhängigkeit (Art. 9 Abs. 1 Fürsprechergesetz) durch die uneingeschränkte vertragliche Verpflichtung zur Rechtsberatung und zur Durchführung von Alimenteninkassi für Gemeinden verletzt. Weiter widerspreche es dem Gebot des vertrauenswürdigen Verhaltens (Art. 8 Abs. 1 Fürsprechergesetz), wenn Fürsprecher C. Gericht und Gegenpartei die seinen Klienten zugesicherte Unentgeltlichkeit verschweige, regelmässig die unentgeltliche Prozessführung beantrage und Parteikostenentschädigungen einkassiere. In der Unentgeltlichkeit liege sodann ein Verstoss gegen das Verbot, die Kosten bei ungünstigem Prozessverlauf zum vorneherein auf sich zu nehmen (Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz), und schliesslich verletze Fürsprecher C. auch das Verbot der Beteiligung am Prozessergebnis (Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz), weil er einen BGE 113 Ia 279 S. 282 allfälligen Überschuss von Parteikostenentschädigungen und Zahlungen aus unentgeltlicher Prozessführung über die monatliche Pauschalentschädigung von Fr. ... hinaus für sich beanspruchen könne. Das Bundesgericht heisst eine gegen den Entscheid der Anwaltskammer des Kantons Bern erhobene staatsrechtliche Beschwerde gut aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts steht der Anwalt unter dem Schutz der in Art. 31 BV gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit, ebenso wie die Inhaber der anderen liberalen Berufe und wie alle übrigen Personen, die einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachgehen ( BGE 112 Ia 319 mit Hinweisen). Geschützt ist sowohl die selbständige wie die unselbständige Ausübung des Berufs ( BGE 112 Ia 319 ; BGE 106 Ia 363 ; BGE 100 Ia 175 ; BGE 84 I 21 ). Die Kantone können Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerben erlassen, die jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen ( Art. 31 Abs. 2 BV ). Handel und Gewerbe einschränkende Massnahmen müssen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und sich entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit auf das beschränken, was zur Verwirklichung der vom öffentlichen Interesse verfolgten Ziele notwendig ist ( BGE 112 Ia 320 mit Hinweisen). Unzulässig sind wirtschaftspolitische und standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb zur Sicherung oder Förderung gewisser Formen der Erwerbstätigkeit behindern und lediglich der Abschirmung gegen Konkurrenz dienen ( BGE 111 Ia 186 ; BGE 105 Ia 71 /72). 2. Nach Art. 9 Abs. 1 Fürsprechergesetz übt der Fürsprecher seinen Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung aus. Die Anwaltskammer erachtet das Unabhängigkeitsgebot als verletzt, weil sich der Beschwerdeführer vertraglich gegenüber der Schweiz. Stiftung MPB zu einer ersten rechtlichen Beratung der ihm zugewiesenen Klienten und zur Durchführung von Alimenteninkassi für Gemeinden verpflichtet hat. a) Der Beschwerdeführer rügt die Vertragsauslegung durch die Anwaltskammer als willkürlich, wonach er auch in Fällen tätig werden BGE 113 Ia 279 S. 283 müsse, in denen er bereits die Gegenpartei vertreten hat, oder in denen sonstwie eine Interessenkollision vorliegt. Die Rüge ist begründet. Verträge sind nach dem übereinstimmenden inneren Willen der Vertragsparteien, wo ein solcher nicht feststellbar ist, nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen ( BGE 111 II 293 , 457). Wie auch die Anwaltskammer im angefochtenen Entscheid festgestellt hat, verweist der Beschwerdeführer Klienten im Falle einer Interessenkollision an andere Anwälte. Das korrekte Verhalten des Beschwerdeführers zeigt, wie er den Vertrag in Übereinstimmung mit der Schweiz. Stiftung MPB verstanden hat. In deren Interesse als sozialer Institution, die lediglich Bedürftigen helfen will, läge es offensichtlich nicht, wenn der Beschwerdeführer auch in Fällen eigener Befangenheit tätig würde. b) Ist der Vertrag willkürfrei so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer nur dann zur Rechtsberatung und zur Durchführung von Alimenteninkassi für Gemeinden verpflichtet ist, wenn keine Interessenkollision irgendwelcher Art vorliegt, ist nicht ersichtlich, worin sonst ein Verstoss gegen das Unabhängigkeitsgebot im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Fürsprechergesetz erblickt werden könnte. Die Art und Weise der Durchführung der Mandate hat sich der Beschwerdeführer ausdrücklich vorbehalten, und es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass er diesbezüglich irgendwelchen Weisungen unterläge. Dem Unabhängigkeitsgebot ist Genüge getan. Die gegenteilige Annahme der Anwaltskammer erweist sich als unhaltbar. 3. Die Anwaltskammer sieht das Gebot der Vertrauenswürdigkeit verletzt (Art. 8 Abs. 1 Fürsprechergesetz), weil die Schweiz. Stiftung MPB den Klienten Unentgeltlichkeit zusichere und der Beschwerdeführer gleichwohl gegenüber dem Gericht die unentgeltliche Prozessführung beantrage und der Gegenpartei gegenüber Parteikostenentschädigungen geltend mache. Die Anwaltskammer geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, der Beschwerdeführer verschweige Gericht und Gegenpartei die Unentgeltlichkeit seiner Tätigkeit für die Klienten. Indessen führt der Beschwerdeführer auf seinem Briefkopf an, dass er die Rechtsberatungsstelle der Schweiz. Stiftung MPB leitet. Es ist allgemein bekannt, dass soziale Institutionen Bedürftigen ihre Dienste gratis oder doch zu günstigen Tarifen zur Verfügung stellen. Weder ein Gericht noch eine Gegenpartei können ernsthaft annehmen, der als solcher bezeichnete Anwalt einer sozialen Institution fordere von Bedürftigen ein Honorar, das sich durch nichts von einem BGE 113 Ia 279 S. 284 üblichen Anwaltshonorar unterscheidet. Soweit die Anwaltskammer dem Beschwerdeführer diesbezüglich Täuschung vorwirft, ist sie in Willkür verfallen. Im übrigen sichert die Schweiz. Stiftung MPB nicht bedingungslos Unentgeltlichkeit zu. Sie übernimmt die Anwaltskosten lediglich bei Bedürftigkeit. Selbst die dem Bedürftigen gewährte Rechtsschutzgarantie kann vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass die Vertretungskosten im Falle des Unterliegens und der Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung übernommen werden. Die Schweiz. Stiftung MPB will doch weder die Gegenpartei noch den Staat entlasten. Vielmehr will sie dort einspringen, wo die Honorierung des Anwaltes weder über die unentgeltliche Prozessführung noch über die Parteikostenentschädigung erfolgen kann. Also stellt der Beschwerdeführer mit dahingehenden Anträgen keine Begehren, die vor der Rechtsordnung nicht zu verantworten wären. Vielmehr tut er dies mit gutem Recht. Die Annahme, er verletze diesbezüglich Berufspflichten, ist willkürlich. 4. Nach Auffassung der Anwaltskammer soll der Beschwerdeführer schliesslich gegen Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz verstossen haben, wonach jede Abrede verboten ist, den erstreitbaren Betrag ganz oder teilweise als Honorar zu beanspruchen, oder zum vorneherein die Kosten bei ungünstigem Prozessverlauf auf sich zu nehmen. a) Der Beschwerdeführer bezieht von der Schweiz. Stiftung MPB eine Pauschalentschädigung von Fr. ... monatlich. Die Einkünfte aus unentgeltlicher Prozessführung und aus Parteikostenentschädigungen, die diesen Betrag allenfalls übersteigen, kann er für sich behalten. Diese zusätzliche Entschädigung erachtet die Anwaltskammer als ein mit Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz unvereinbares Erfolgshonorar. Ob eine solche Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts mit dem Willkürverbot vereinbar ist, kann offengelassen werden. Jedenfalls kann dafür kein überwiegendes öffentliches Interesse namhaft gemacht werden. Die Abrede eines Erfolgshonorars kann aus zwei Gründen problematisch sein: Einerseits besteht die Gefahr, dass der Anwalt, der die Prozessaussichten besser als sein Klient beurteilen kann, diesen übervorteilt. Anderseits könnte der Anwalt seine Unabhängigkeit verlieren, wenn er am Prozessergebnis über die Erfolgsabrede persönlich interessiert ist (DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, in: ZSR 70/1951 S. 55 a; WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss. Bern 1986, S. 165 ff.). Die genannten BGE 113 Ia 279 S. 285 Gefahren bestehen bei der vom Beschwerdeführer verabredeten Entschädigungsordnung indessen nicht. Die Klienten sind durch die interne Abmachung zwischen der Schweiz. Stiftung MPB und dem Beschwerdeführer ohnehin nicht betroffen, während es sich hinsichtlich der Aussicht auf erhöhten Verdienst bei vermehrter Prozessführung vorliegend nicht anders verhält als bei jedem anderen Anwalt. Aus der monatlichen Pauschalentschädigung ergibt sich gar ein gewisser wirtschaftlicher Schutz, der sich zugunsten der Unabhängigkeit des Anwaltes auswirkt (WOLFFERS, a.a.O., S. 60). Die vom Beschwerdeführer und der Schweiz. Stiftung MPB getroffene Entschädigungsordnung gefährdet jedenfalls die Unabhängigkeit des Anwaltes nicht. Der Vorwurf des Verstosses gegen das Verbot des Erfolgshonorars hält vor der Handels- und Gewerbefreiheit nicht stand. b) Schliesslich erachtet die Anwaltskammer Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz als verletzt, weil der Beschwerdeführer die Kosten bei ungünstigem Prozessverlauf zum vorneherein auf sich nehme. Diese Annahme ist insofern aktenwidrig, als nicht er, sondern die Schweiz. Stiftung MPB Bedürftigen Unentgeltlichkeit zusichert. Der Beschwerdeführer selber bezieht, wie dargelegt, grundsätzlich eine Pauschalentschädigung. Inwiefern er bei dieser Sachlage gegen Art. 17 Abs. 1 Fürsprechergesetz verstossen soll, ist nicht ersichtlich. Die Anwaltskammer scheint zwar das Verbot, die Kosten bei ungünstigem Prozessverlauf zum vorneherein auf sich zu nehmen, dahin auslegen zu wollen, dass auch eine soziale Institution nicht Unentgeltlichkeit versprechen darf. Ein solcher Sinngehalt der Norm ist indessen mit der Handels- und Gewerbefreiheit nicht vereinbar, weil er nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Das öffentliche Interesse rechtfertigt allenfalls ein Verbot gegenüber dem Anwalt selbst, unentgeltlich tätig zu werden und lediglich bei Obsiegen von der Gegenpartei die Parteikostenentschädigung zu beziehen, da dies seine Unabhängigkeit insofern tangieren könnte, als er am Prozessausgang persönlich interessiert ist. So aber verhält es sich gerade nicht, wenn der Beschwerdeführer von der Schweiz. Stiftung MPB für seine Tätigkeit auch bei Unterliegen entschädigt wird. Soweit die Anwaltskammer die unentgeltliche Rechtsberatung und Vertretung generell verhindern will, weil diese "auf lange Sicht dem freien Berufsstand des Rechtsanwaltes den Boden" entziehe, vertritt sie rein standespolitische Interessen, die mit der Handels- und BGE 113 Ia 279 S. 286 Gewerbefreiheit nicht vereinbar sind. Die unentgeltliche Rechtsberatung liegt im übrigen ihrerseits im öffentlichen Interesse. Es geht nicht an, dass solche Bemühungen Privater über die staatliche Disziplinaraufsicht verhindert werden. Dies gilt auch für die von der Schweiz. Stiftung MPB über die eigentliche Rechtsberatung hinaus gewährte Unentgeltlichkeit bei der Vertretung im Prozess, denn es liegt auf der Hand, dass es im Grenzbereich zur vom Staat gewährten unentgeltlichen Prozessführung Personen gibt, für die gerade bei kleinem Streitwert der Beizug eines Anwalts unerschwinglich ist. Die Tätigkeit der Schweiz. Stiftung MPB stellt daher eine im öffentlichen Interesse liegende Ergänzung zur staatlichen unentgeltlichen Prozessführung dar.
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) die Regel und der Einzug von Auskünften die Ausnahme bildet, verhält es sich im Verwaltungsprozess umgekehrt, kommt doch die Zeugeneinvernahme nur zum Zug, wenn der Sachverhalt auf andere Weise, beispielsweise durch Auskünfte von Drittpersonen, nicht hinreichend abgeklärt werden kann (E. 2.3.4). In sinngemässer Anwendung der Grundsätze von Art. 18 VwVG sind auch Einvernahmen von Auskunftspersonen grundsätzlich in Anwesenheit der Parteien durchzuführen. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen vorliegend nicht missbraucht und das rechtliche Gehör nicht verletzt, wenn sie zur Wahrung privater Interessen der Ex-Ehefrau den Ausschluss des Beschwerdeführers von der Teilnahme an der Anhörung gebilligt hat (E. 2.3.5). Sachverhalt ab Seite 170 BGE 130 II 169 S. 170 A. X. (geb. 1969) reiste am 13. September 1988 in die Schweiz ein und stellte hier ein Asylgesuch. Während des Beschwerdeverfahrens vor der schweizerischen Asylrekurskommission heiratete er am 25. August 1994 in Zürich die Schweizer Bürgerin Y. In der Folge erteilte ihm der Kanton Zürich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung. Am 2. Oktober 1997 erhielt X. durch erleichterte Einbürgerung nach Art. 27 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG; SR 141.0) das Schweizer Bürgerrecht. Die Schweizer Ehefrau gelangte am 9. Dezember 1997 telefonisch an das Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) und teilte diesem mit, ihr Ehemann habe sie seit langem betrogen und sie gezwungen, die Erklärung bezüglich der ehelichen Gemeinschaft zu unterzeichnen. Sie werde einen Anwalt aufsuchen und die Scheidung einreichen lassen. Am 31. Juli 1998 zog X. in die Niederlande. B. Am 12. März 2001 forderte das BFA (heute: IMES, Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung) X. auf, zu der BGE 130 II 169 S. 171 am 26. Februar 1998 erfolgten Scheidung von der Schweizer Ehefrau Stellung zu nehmen. Er bestritt in seiner Eingabe vom 2. Juli 2001 die Behauptungen der Ex-Ehefrau. Daraufhin beauftragte das BFA am 23. Januar 2002 das kantonale Amt für Gemeinden und berufliche Vorsorge, die Ex-Ehefrau gemäss Fragenkatalog zu den näheren Umständen der ehelichen Gemeinschaft, der Unterzeichnung der Erklärung über die eheliche Gemeinschaft sowie der Scheidung zu befragen. Die Einvernahme durch die Stadtpolizei Zürich erfolgte am 4. März 2002. Dem Rechtsvertreter von X. wurde eine Kopie des Befragungsprotokolls zugestellt. Mit Verfügung vom 19. September 2002 erklärte das BFA die erleichterte Einbürgerung von X. vom 2. Oktober 1997 für nichtig. Gegen diese Verfügung reichte X. am 23. Oktober 2002 Beschwerde beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ein, welche am 18. Juli 2003 abgewiesen wurde. C. Mit Eingabe vom 15. September 2003 führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, den Entscheid des EJPD vom 18. Juli 2003 aufzuheben; eventualiter sei das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Das EJPD schliesst in seiner Vernehmlassung vom 19. Januar 2004 auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.3 Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, mit Bezug auf die Befragung der Ex-Ehefrau vom 4. März 2002 sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör ein weiteres Mal verweigert worden. Diese hätte in seiner Anwesenheit und zwar als Zeugin einvernommen und auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen werden müssen. Die in seiner Abwesenheit erfolgte mündliche Auskunft der Ex-Ehefrau zu Protokoll sei unzulässig gewesen. 2.3.1 Dazu ist einleitend Folgendes festzuhalten: Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27 BüG nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft BGE 130 II 169 S. 172 voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist ( BGE 128 II 97 E. 3a S. 99 mit Hinweis). Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine erleichterte Einbürgerung gegeben sind, kommen die Verwaltungsbehörden also nicht umhin, die Ehe des oder der Eingebürgerten zu durchleuchten und den gemeinsamen tatsächlich gelebten Ehewillen im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung abzuklären. Da der Scheidungsrichter seit dem Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts am 1. Januar 2000 seine Fragen an die Parteien in der Hauptsache darauf ausrichtet, den Scheidungswillen ( Art. 111 ff. ZGB ) zu ergründen und die Grundlagen für die Scheidungsfolgen ( Art. 119 ff. ZGB ) zu ermitteln, sind genauere Abklärungen zum Scheitern der Ehe nicht mehr notwendig. Aus diesem Grund und weil ein anderer Zeitpunkt massgebend ist, bieten die Scheidungsprotokolle - wie auch bei der vorliegenden, noch nach altem Recht geschiedenen Ehe - den Verwaltungsbehörden oftmals keine ausreichende Beurteilungshilfe. Sie sind deshalb gezwungen, den Sachverhalt durch Befragung der Betroffenen eigenständig zu klären. 2.3.2 Die Vorinstanz führt aus, gemäss Art. 12 lit. a-e VwVG kämen als Beweismittel für die Behörde nebst Urkunden, Auskünften der Parteien und Augenschein insbesondere Auskünfte oder Zeugnis von Drittpersonen sowie Gutachten von Sachverständigen in Betracht. Was die Form der einzelnen Beweisvorkehren anbelange, sei für die hier interessierenden Auskünfte von Drittpersonen festzuhalten ( Art. 12 lit. c VwVG ), dass diese gemäss dem ergänzend anwendbaren Art. 49 BZP schriftlich zu erfolgen hätten und unter Umständen der Bekräftigung durch gerichtliches Zeugnis bedürften (vgl. BGE 117 V 282 E. 4b S. 284). Letzteres liege jedoch im freien Ermessen des Richters bzw. der Verwaltung (vgl. Art. 49 zweiter Satz BZP). Die Ex-Ehefrau sei als Privatperson vorgeladen worden, um über ihre subjektiven Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Eheschliessung, dem Eheverlauf, der Unterzeichnung der Erklärung betreffend eheliche Gemeinschaft usw. Auskunft zu geben. Insbesondere im Verfahren um Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung müsse es der Vorinstanz möglich sein, die Ex-Ehefrau in einem ungezwungenen Rahmen zu Wort kommen zu lassen, was die Anwesenheit des Ex-Ehemannes in den meisten Fällen aus nahe liegenden Gründen von vornherein ausschliesse BGE 130 II 169 S. 173 . 2.3.3 Der Beschwerdeführer beanstandet sinngemäss, dass die Ex-Ehefrau nicht als Zeugin, insbesondere ohne Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht einvernommen worden sei. Lässt sich ein Sachverhalt gemäss Art. 14 Abs. 1 VwVG auf andere Weise nicht hinreichend abklären, so können die in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten Behörden - darunter auch das EJPD - die Einvernahme von Zeugen anordnen. Die bundesrätliche Botschaft führt dazu aus, die Zeugeneinvernahme müsse im Verwaltungsverfahren insbesondere im Hinblick auf die strenge Strafsanktion wegen falschen Zeugnisses als subsidiäres Beweismittel betrachtet werden (BBl 1965 II 1366/67; so auch PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 124) und dürfe daher nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen. Ein Ausnahmegrund ist etwa dann gegeben, wenn es unerlässlich ist, von einer Drittperson Auskünfte einzuholen und diese sich weigert zu erscheinen oder Auskunft zu geben. Denn jedermann ist zur Ablegung des Zeugnisses verpflichtet ( Art. 15 VwVG ). Im vorliegenden Fall war die Ex-Ehefrau bereit, die von ihr verlangten Auskünfte zu erteilen. Insoweit liess sich der Sachverhalt ohne Zeugeneinvernahme hinreichend klären. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, was für andere Gründe eine Zeugeneinvernahme geboten hätten. Unter diesen Umständen durften die Verwaltungsbehörden auf eine Zeugeneinvernahme verzichten. Damit geht aber die Rüge des unterbliebenen Hinweises auf das Zeugnisverweigerungsrecht ( Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 BZP ) ins Leere. 2.3.4 Der Beschwerdeführer verweist auf Art. 49 BZP , wonach (nur) ausnahmsweise von Privatpersonen schriftlich Auskunft eingezogen werden darf. Er schliesst daraus, dass mündliche Auskünfte überhaupt nicht und schriftliche nur ausnahmsweise eingeholt werden dürfen. Wohl verweist Art. 19 VwVG unter anderen auf die Art. 43-61 BZP ; doch gelangen diese Bestimmungen nur sinngemäss zur Anwendung. Während im Zivilprozess die Zeugeneinvernahme ( Art. 42 ff. BZP ) die Regel und der Einzug von Auskünften die Ausnahme bildet, verhält es sich im Verwaltungsprozess umgekehrt, kommt doch die Zeugeneinvernahme nur zum Zug, wenn der Sachverhalt auf andere Weise, beispielsweise durch Auskünfte von Drittpersonen, nicht hinreichend abgeklärt werden kann. Dem in Art. 49 BZP aufgestellten Erfordernis der Schriftlichkeit ist im vorliegenden Fall BGE 130 II 169 S. 174 ohne weiteres Genüge getan, weil die Behörde einen schriftlichen Fragenkatalog aufgestellt hat und die Auskunftsperson die Antworten mündlich zu Protokoll gegeben und das Protokoll unterzeichnet hat. 2.3.5 Die Verwertung von Auskünften im Sinne von Art. 12 lit. c VwVG setzt selbstverständlich die Gewährung des Anspruchs auf rechtliches Gehör voraus. Dieser ist vorliegend insoweit erfüllt, als dem Beschwerdeführer das Protokoll zur Stellungnahme unterbreitet worden ist. Bei der Zeugeneinvernahme konkretisiert sich der Gehörsanspruch zudem im grundsätzlichen Recht der Parteien zur Teilnahme an der Einvernahme ( Art. 18 VwVG ). Art. 12 VwVG sieht demgegenüber solches für die dort erwähnten Beweismittel - darunter die Auskünfte Dritter - an sich nicht vor. Das EJPD macht sich im angefochtenen Entscheid allerdings mit Recht die vom EVG im Zusammenhang mit der Einvernahme von Sachverständigen entwickelte Praxis zu eigen. Danach sind - in sinngemässer Anwendung der Grundsätze von Art. 18 VwVG und der zur Teilnahme am Augenschein ergangenen Rechtsprechung ( BGE 116 Ia 94 E. 3b S. 100) - Einvernahmen von Auskunftspersonen grundsätzlich in Anwesenheit der Parteien durchzuführen ( BGE 119 V 208 E. 5c S. 217; BGE 117 V 282 E. 4c S. 285; VPB 66/2002 Nr. 30 S. 305; GERMANN, Zum Beweis im Verwaltungs- und Verwaltungsstreitverfahren, in: 20 Jahre Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, S. 53; ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 354/355). Der Behörde steht bei der Beurteilung der Frage, ob hinreichende Gründe bestehen, um die Parteien ausnahmsweise von der Anhörung der Auskunftsperson auszuschliessen, ein Ermessensspielraum zu. Sie kann sich zwar an den in Art. 18 Abs. 2 VwVG bei Zeugeneinvernahmen vorgesehenen Verweigerungsgründen (Wahrung wesentlicher öffentlicher oder privater Interessen) orientieren, verfügt aber über ein weitergehendes Ermessen als die gesetzliche Ordnung bei Zeugeneinvernahmen zulässt. Der blosse Hinweis im vorinstanzlichen Entscheid, es sei nützlich, die Ex-Ehefrau in einem ungezwungenen Rahmen zu Wort kommen zu lassen, vermag bei einem Verfahren um Entzug des Schweizer Bürgerrechts als Begründung aber nicht zu genügen. Gemäss dem Bericht der Stadtpolizei Zürich vom 22. Februar 2002 bzw. 4. März 2002 steht allerdings fest, dass am 16. Januar 1998 die Stadtpolizei wegen eines Ehestreits am damaligen Wohnort des BGE 130 II 169 S. 175 Ehepaares hat ausrücken müssen. Anfänglich habe die Ex-Ehefrau wegen Körperverletzung und Drohung geklagt, aber später die Anzeige wieder zurückgezogen. Kurze Zeit später soll die Ex-Ehefrau vom Beschwerdeführer massiv geschlagen und bedroht worden sein, wobei diesbezüglich keine Polizeiakten bestehen. Der Beschwerdeführer habe genau gewusst, was er wollte, und seine Forderungen seien mit massivsten Drohungen durchgesetzt worden. So habe er eine Faustfeuerwaffe an die Schläfe der Ex-Ehefrau gesetzt, damit sie Formulare unterzeichne, oder er habe ihr gedroht, sie zu erschiessen, falls sie vor dem Friedensrichter nicht in seinem Sinn aussage. Auch im Zusammenhang mit dem Rückzug des Strafantrags habe er ihr gesagt, sie komme andernfalls nicht lebend aus der Wohnung. Diese und ähnliche Aussagen der Ex-Ehefrau veranlassten die Stadtpolizei Zürich, bei der Zustellung des Protokolls den neuen Namen der Ex-Ehefrau und ihre Wohnadresse abzudecken. Auch wenn diese Aussagen der Ex-Ehefrau naturgemäss nicht belegt sind, bestanden hinreichende Gründe, um den Beschwerdeführer von der Einvernahme auszuschliessen, um einerseits eine ordnungsgemässe Anhörung zu gewährleisten und andererseits die Ex-Ehefrau vor oder nach der Anhörung nicht in Gefahr zu bringen. Die Vorinstanz hat nach dem Gesagten ihr Ermessen nicht missbraucht, wenn sie statt einer formellen Zeugeneinvernahme eine formlose Einholung einer Auskunft von der Ex-Ehefrau angeordnet und dabei den Ausschluss des Beschwerdeführers von der Teilnahme an der Anhörung zugelassen hat. Mit der Einsicht in das Einvernahmeprotokoll und der Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen, ist das rechtliche Gehör gegenüber dem Beschwerdeführer gewahrt worden.
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Sachverhalt ab Seite 11 BGE 89 IV 10 S. 11 A.- S. sprach in seiner Wohnung mit der zehnjährigen X. über den Geschlechtsverkehr und dessen Folgen bei Hunden und Katzen. Er redete unter anderem vom "Samen im Bisi" und von "Hineintun in den Bauch des Fraueli". Vor der elfjährigen Y. zeigte sich S. in seiner Wohnung wiederholt nackt. B.- Das Obergericht des Kantons Luzern sprach am 10. April 1962 S. wegen seiner Äusserungen im einen und wegen seiner Entblössungen im andern Falle der wiederholten Unzucht mit Kindern nach Art. 191 Ziff. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis. C.- Der Verurteilte führte gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof hob es auf und wies die Sache zur teilweisen Freisprechung des Beschwerdeführers und zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das angefochtene Urteil verletze im Falle der Y. wie in demjenigen der X. Art. 272 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, im zweiten Falle ausserdem Art. 191 Ziff. 2 StGB . Zur zuerst behaupteten Gesetzesverletzung führt der Beschwerdeführer aus, im obergerichtlichen Urteil werde die Feststellung des Tatbestandes nicht und im erstinstanzlichen nur ungenügend begründet. Offenbar will er sich damit auf Art. 277 BStP berufen, d.h. geltend machen, die angefochtene Entscheidung leide an derartigen Mängeln, dass die Gesetzesanwendung nicht nachgeprüft werden könne, weshalb die Sache an die kantonale Behörde zurückzuweisen sei. Diese Bestimmung umschreibt indessen nicht einen selbständigen Beschwerdegrund, sondern kann nur von Bedeutung werden, wenn und soweit wegen Verletzung BGE 89 IV 10 S. 12 materieller Gesetzesbestimmungen Beschwerde geführt wird (Urteil des Kassationshofes vom 28. Mai 1954 i.S. Obwalden gegen Achermann und Durrer). Da der Beschwerdeführer hinsichtlich der Vorfälle mit Y. einzig die Verletzung der erwähnten prozessualen Bestimmung rügt, ist insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2. Die Verurteilung wegen Unzucht mit X. ficht der Beschwerdeführer mit der Begründung an, dass das mit diesem Mädchen geführte Gespräch weder unzüchtig gewesen sei, noch eine Handlung im Sinne des Art. 191 Ziff. 2 StGB darstelle. In der Tat kann man sich fragen, ob blosses Reden als "Handlung" gelten könne. Was Art. 203 StGB betrifft, wurde gestützt auf die Gesetzesmaterialien bereits entschieden, dass der Begriff der unzüchtigen Handlung nicht im weitesten Sinne, sondern bloss als Tat im Gegensatz zum Wort zu verstehen sei ( BGE 70 IV 85 ). Das spricht dafür, dass unzüchtiges Reden auch in den andern Bestimmungen des 5. Titels (Art. 187-212) nicht unter den Begriff der unzüchtigen Handlung fällt. Die Bestimmungen der unter dem ersten Randtitel zusammengefassten Deliktsgruppe (Art. 187-197) scheinen dies zu bestätigen. So lassen die Tatbestände, in denen durch Anwendung von Zwang oder anderer Mittel die Duldung oder Vornahme unzüchtiger Handlungen erlangt wird (Art. 188, 194 Abs. 1 und 2), deutlich erkennen, dass die Handlungen nur in einer körperlichen Betätigung bestehen können. Im gleichen Sinne sind offensichtlich auch diejenigen Bestimmungen auszulegen, die voraussetzen, dass der Täter die Handlungen mit dem Opfer vorgenommen hat (Art. 189 Abs. 2, 190 Abs. 2, 191 Ziff. 2 Abs. 1, 192 Ziff. 2 Abs. 1, 193 Abs. 2). Ebenso hatte der Gesetzgeber offenbar bei den Tatbeständen der Verleitung zu unzüchtigen Handlungen (Art. 191 Ziff. 2 Abs. 2, 192 Ziff. 2 Abs. 2) nur Handlungen im Auge, die am eigenen oder an einem fremden Körper vorgenommen werden; es wäre schwer zu verstehen, hätte schon das blosse Verleiten zu unzüchtigem Reden unter so hohe Strafe BGE 89 IV 10 S. 13 gestellt werden wollen, wie sie in Art. 191 und 192 angedroht werden. Dazu kommt, dass die mündliche Äusserung unzüchtiger Gedanken im allgemeinen nicht so nachhaltig und in dem Masse verletzend wirkt wie augenfälliges unzüchtiges Tun. Bloss unzüchtige Redensarten werden denn auch nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht als "Unzucht" (vgl. Randtitel zu Art. 190, 191, 192, 193) aufgefasst. Dem kann entgegegehalten werden, dass Wortlaut und Sinn des Art. 191 den Einbezug mündlicher unzüchtiger Äusserungen nicht notwendig hindern. Ziff. 2 Abs. 3 dieser Bestimmung erfasst im Unterschied zu den andern zum Schutze der geschlechtlichen Freiheit und Ehre erlassenen Normen auch Handlungen, die vor dem Opfer vorgenommen werden, also auch unzüchtige Vorgänge, die den Täter nicht mit dem Körper des Kindes in Berührung bringen. Darunter fallen körperliche Handlungen, die der Täter vor den Augen des Kindes an sich selber oder an Dritten vornimmt. Doch kann nicht bestritten werden, dass unzüchtiges Reden die sittliche Entwicklung des Kindes unter Umständen ebenso oder noch mehr gefährden kann, als eine Entblössung vor ihm oder eine unbedeutende unzüchtige Berührung des Kindes es zu tun vermögen. In solchen Fällen Art. 191 nicht anzuwenden, nur weil die Einwirkung durch Worte, nicht durch eine Tat geschieht, kann im Hinblick darauf, dass die Bestimmung den Schutz der geschlechtlichen Unversehrtheit des Kindes in körperlicher wie in seelischer Beziehung bezweckt, nicht befriedigen, namentlich dann nicht, wenn anzunehmen wäre, der Bundesgesetzgeber habe durch abschliessende Normierung des Schutzes der Kinder unter 16 Jahren den Kantonen jede Möglichkeit genommen, auf diesem Gebiete Übertretungstatbestände zu schaffen. Die aufgeworfene Frage braucht indessen nicht weiter erörtert zu werden, da sie im vorliegenden Falle offen bleiben kann. Unzüchtig wären die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äusserungen nur, wenn sie in nicht leicht zu BGE 89 IV 10 S. 14 nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verstiessen ( BGE 78 IV 163 , BGE 86 IV 19 ). Das trifft nicht zu. Der Beschwerdeführer beschränkte sich darauf, vom Geschlechtsverkehr und dessen Folgen bei Hunden und Katzen zu reden. In den dabei verwendeten Ausdrücken "Bisi" und "Fraueli" liegt zwar ein Hinweis auf den menschlichen Geschlechtsverkehr, doch blieb es nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts offenbar bei einer blossen Anspielung.
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Erwägungen ab Seite 401 BGE 122 III 401 S. 401 Aus den Erwägungen: 3. Die Klägerin wirft dem Kantonsgericht in ihrer Berufung vor, bei der Kinderzuteilung von Rico und Reto die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien nicht richtig angewendet und dadurch Art. 156 ZGB verletzt zu haben. Zur Begründung führt sie BGE 122 III 401 S. 402 im wesentlichen aus, dass der Beklagte beruflich und in der Freizeit sehr stark engagiert sei, während sie angesichts ihrer flexiblen Teilzeitarbeit den Kindern mehr Zeit widmen könne. Den Zuteilungswünschen der Söhne Rico und Reto sei zu grosse Bedeutung beigemessen worden, hätten sie doch nur deshalb die Zuteilung zum Vater gewünscht, weil dieser "eine längere Leine lässt als die Mutter". Hinzu komme, dass der jüngste Sohn Fabian ihr zugeteilt worden sei und die Geschwister nach Möglichkeit nicht zu trennen seien. b) Das Kantonsgericht hat im Zusammenhang mit der Zuteilung von Rico und Reto unter die elterliche Gewalt des Beklagten hauptsächlich auf den von den Söhnen klar geäusserten Zuteilungswunsch abgestellt. Dies wird von der Klägerin kritisiert. Im Gegensatz zum Entwurf des neuen Scheidungsrechts, nach dessen Art. 133 Abs. 2 "für die Zuteilung der elterlichen Sorge (...), soweit tunlich, auf die Meinung des Kindes Rücksicht zu nehmen" ist (siehe auch Erläuterungen dazu in BBl 1996 I, S. 125), sieht das geltende Recht die Anhörung der Kinder nicht vor. Dennoch hat das Bundesgericht bereits bei verschiedenen Gelegenheiten angetönt, dass je nach Alter der Kinder einem eindeutig geäusserten Wunsch bei der Regelung der elterlichen Gewalt Rechnung zu tragen sei ( BGE 115 II 206 E. 4a S. 209; vgl. ferner BGE 122 I 53 E. 4a S. 55 und BGE 100 II 76 E. 4b S. 82). Auch in der Literatur hat sich die Auffassung mehr und mehr durchgesetzt, dass Kinder bei der Prüfung der Zuteilung als direkt betroffene Personen um ihrer Persönlichkeit willen angehört werden dürfen und unter Umständen auch angehört werden sollen (HINDERLING/STECK, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Auflage, Zürich 1995, S. 415 und 419; BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, N. 60 und 92 zu Art. 156; LOUIS BOURGKNECHT, Les effets accessoires du divorce, in: ZVW 36 [1981], S. 93; MARTIN STETTLER, Das Kindesrecht, in: SPR III/2, Basel 1992, S. 273; MICHAEL COESTER, in: Staudingers Kommentar zum BGB, N. 115 ff. zu § 1671 BGB m.w.H.). Nach kinderpsychiatrischen Erkenntnissen kommt dem Zuteilungswunsch umso entscheidendere Bedeutung zu, je älter das Kind ist; während ältere Kinder oft in der Lage sind, stabile Absichtserklärungen abzugeben, ist bei jüngeren Kindern grosse Vorsicht geboten, weil ihre Wünsche von einem Tag zum anderen schwanken können. In jedem Fall ist indessen zu prüfen, ob eine stärkere emotionale Bindung den Zuteilungswunsch bestimmt oder nicht etwa das Verlangen nach mehr Ungebundenheit und materieller Verwöhnung im Vordergrund steht (FRIEDRICH ARNTZEN, Elterliche Sorge und persönlicher Umgang mit BGE 122 III 401 S. 403 Kindern, München 1994, S. 12; grundlegend REINHARD LEMPP, Das Wohl des Kindes in §§ 1666 und 1671 BGB, in: NJW 16 [1963] S. 1660; derselbe, Noch einmal: Kindeswohl und Kindeswille, in: NJW 17 (1964) S. 440; siehe auch ELISABETH MACKENSCHEIDT, Loyalitätsproblematik bei Trennung und Scheidung, in: FamRZ 40 [1993] S. 255). Im Hinblick auf eine praktikable Kinderzuteilung kann es sich somit aufdrängen, die Zuteilungswünsche der Kinder bei der Regelung der elterlichen Gewalt zu berücksichtigen. Die Bedeutung, die den Wünschen der Kinder beizumessen ist, wird einerseits davon abhängen, ob die betroffenen Kinder altersmässig und von ihrer Entwicklung her in der Lage sind, stabile Absichtserklärungen abzugeben; anderseits wird zu prüfen sein, ob die geäusserten Wünsche tatsächlich eine besondere innere Verbundenheit zu einem Elternteil zum Ausdruck bringen und nicht beispielsweise dem Wunsch nach mehr Freiheit oder materiellen Vorteilen entspringen. c) Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich nicht zu beanstanden, dass das Kantonsgericht den dezidiert geäusserten Zuteilungswünschen der Kinder vorrangige Bedeutung beigemessen und die Söhne Rico und Reto in Anwendung von Art. 156 ZGB unter die elterliche Gewalt des Beklagten gestellt hat. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die normal entwickelten 16- bzw. 14jährigen Knaben keinen stabilen Willensentscheid in bezug auf ihre künftige Unterbringung fällen könnten; im Gegenteil ist davon auszugehen, dass sie aufgrund der Betreuung durch ihren Vater während der Dauer des Scheidungsprozesses genaue Vorstellungen über die Konsequenzen der definitiven Zuteilung im Scheidungsurteil zu entwickeln vermochten. Hinzu kommt, dass ihr Zuteilungswunsch nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass sie beim Vater möglicherweise grössere Freiheiten geniessen dürften als bei der Mutter, die nach den verbindlichen Tatsachenfeststellung der Vorinstanz zu autoritärer Erziehung neigt; vielmehr dürfte ihr Wunsch auch Ausdruck einer starken Gefühlsbeziehung zum Vater sein. Bemerkenswert ist sodann, dass Reto sogar jeden Kontakt mit der Mutter ablehnt. Abgesehen von den Zuteilungswünschen der Kinder spricht auch die Eignung des Beklagten als Erzieher für die vom Kantonsgericht getroffene Lösung. Eine Betreuung, die den dem Kindesalter allmählich entwachsenden Söhnen schrittweise mehr Freiheiten gewährt, dürfte geeigneter sein als eine autoritäre Erziehung, die von den Söhnen abgelehnt wird. Kaum ins Gewicht fallen dürfte, dass die Klägerin eine in zeitlicher Hinsicht umfangreichere Betreuung gewährleisten könnte, weil der 16jährige Rico und der 14jährige BGE 122 III 401 S. 404 Reto zunehmend selbständig werden und keiner umfassenden Betreuung mehr bedürfen. d) Sind aber die beiden älteren Söhne beim Beklagten sogar besser untergebracht als bei der Klägerin, wäre deren Zuteilung an die Mutter gegen ihren Willen völlig undenkbar; dabei könnte die Zuteilung des jüngsten Sohnes Fabian an die Klägerin, sollte es dabei bleiben, auf jene der älteren beiden Knaben offensichtlich keinen Einfluss haben. Auf die Frage der gemeinsamen Unterbringung der drei Geschwister wird bei der Behandlung der Berufung des Beklagten zurückzukommen sein. Die Berufung der Klägerin erweist sich als offensichtlich unbegründet, soweit überhaupt darauf einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 93 BGE 99 II 93 S. 93 A.- Frau Mayer fuhr am 1. Januar 1962, etwa um 14.15 Uhr, am Steuer eines DKW-Personenwagens auf der 9 m breiten Sihltalstrasse von Horgen gegen Sihlbrugg. Es schneite und die Strasse war mit 3-5 cm Schnee bedeckt. In einer Rechtsbiegung bei Sihlwald, wo die Strasse eine Steigung von 4 % aufweist, geriet das Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h ins Schleudern; es überquerte die linke Fahrbahn und stiess mit einem Opel-Personenwagen zusammen, der, von Frau Meienberg geführt, mit 50-60 km/h von Sihlbrugg her kam. Frau Meienberg und ihr Ehemann Werner Meienberg, geb 1929, wurden beim Zusammenstoss erheblich verletzt. BGE 99 II 93 S. 94 Halter des DKW-Wagens war Walter Süess, Halter des Opel Werner Meienberg. Frau Mayer wurde wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger Körperverletzung mit Fr. 200.-- gebüsst. B.- Im Oktober 1970 klagte Werner Meienberg gegen die Waadtländische Unfallversicherung auf Gegenseitigkeit, bei der Süess für seine Halterhaftpflicht versichert war, auf Zahlung von Fr. 21'600.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1962, wovon ein bereits bezahlter Betrag von Fr. 17'000.-- abzuziehen sei. Die Beklagte widersetzte sich dem Begehren und erhob Widerklage auf Zahlung von Fr. 9'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1971. Das Bezirksgericht Horgen wies beide Klagen ab. Auf Appellation der Parteien wies das Obergericht des Kantons Zürich am 20. November 1972 die Klage ebenfalls ab, hiess die Widerklage aber dahin gut, dass es den Kläger verpflichtete, der Beklagten Fr. 7'062.10 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1971 zu bezahlen. C.- Auf Berufung des Klägers bestätigt das Bundesgericht mangels genügender Substanzierung das Urteil des Obergerichts mit Bezug auf die Hauptklage, weist die Widerklage aber ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Kläger beruft sich auf Art. 61 SVG , der den Schadenersatz zwischen Haltern regelt, wenn mehrere Motorfahrzeuge an einem Unfall beteiligt sind. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift wird der Schaden bei körperlicher Schädigung eines Halters den Haltern aller beteiligten Motorfahrzeuge zu gleichen Teilen auferlegt, sofern nicht die Umstände, namentlich das Verschulden, eine andere Schadentragung rechtfertigen. Die Beklagte übt mit ihrer Widerklage gestützt auf Art. 60 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 72 VVG ( BGE 95 II 338 Erw. 4) den Rückgriff auf den Kläger aus. Sie belangt ihn als Halter des Opel-Wagens für einen Teil der Entschädigung, die sie als Haftpflichtversicherung des Halters Süess bis jetzt an die Frau des Klägers bezahlt hat. Das Mass dieses Rückgriffes richtet sich nach Art. 60 Abs. 2 Satz 2 SVG , wonach der Schaden eines Dritten, für den gemäss Abs. 1 der Bestimmung mehrere Halter von Motorfahrzeugen solidarisch haften, von BGE 99 II 93 S. 95 diesen zu gleichen Teilen zu tragen ist, wenn nicht besondere Umstände, namentlich das Verschulden, eine andere Verteilung rechtfertigt. Art. 60 Abs. 2 Satz 2 und Art. 61 Abs. 1 SVG stellen somit für die Verteilung des Schadens auf die beteiligten Halter dem Sinne nach die gleiche Regel auf, mag in der ersten Bestimmung auch von "besonderen Umständen", in der zweiten nur von "Umständen" die Rede sein. Die Regel gilt für den Schaden Dritter und für den Körperschaden von Haltern ( BGE 95 II 343 Erw. 7, BGE 97 II 367 Erw. 5; OFTINGER, Haftpflichtrecht II/2 S. 675); sie ist im vorliegenden Fall daher nicht nur für die Forderungen des Klägers, sondern auch für die Gegenforderung der Beklagten massgebend. 2. Der Kläger wirft dem Obergericht vor, diese Regel verletzt zu haben. a) Soweit er den Vorwurf damit begründet, das Obergericht habe übersehen, dass nicht nur die beteiligten Halter, sondern auch Frau Mayer solidarisch für den Schaden haften, beruht die Rüge auf einem Missverständnis. Gewiss ist Frau Mayer, die den Zusammenstoss schuldhaft verursacht hat, verantwortlich für die Unfallfolgen, gemäss Art. 60 Abs. 1 SVG also solidarisch haftpflichtig ( BGE 95 II 337 Erw. 3). Für welchen Teil sie gestützt auf Art. 60 Abs. 3 SVG aufzukommen hätte, braucht aber nicht entschieden zu werden, da sie im vorliegenden Verfahren nicht auf Schadenersatz belangt wird, was an der Auseinandersetzung zwischen den Prozessparteien übrigens nichts ändert. Der Kläger verkennt, dass der Halter Süess, folglich auch die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherung, sich das Verschulden der Frau Mayer gemäss Art. 58 Abs. 4 SVG anrechnen lassen muss. Die Vorinstanz hat es daher zu Recht sowohl nach Art. 60 Abs. 2 Satz 2 als auch nach Art. 61 Abs. 1 SVG berücksichtigt. Fragen kann sich nur, ob sie von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei, um die Höhe der Halteranteile am Schaden zu bestimmen. b) Nach der erwähnten Regel ist der Schaden den beteiligten Haltern zu gleichen Teilen aufzuerlegen, wenn nicht (besondere) Umstände, namentlich das Verschulden, eine Abweichung rechtfertigen. Die Regel beruht auf der Vermutung, dass die Betriebsgefahren der am Unfall beteiligten Motorfahrzeuge meistens einigermassen gleich sind. Die Vermutung kann aber durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Gefahr des einen Fahrzeuges BGE 99 II 93 S. 96 nach dessen Art, Grösse, Geschwindigkeit usw. offensichtlich überwiegt ( BGE 94 II 178 /9 Erw. c und d; OFTINGER, a.a.O. S. 676). Über die Bedeutung, die dem Verschulden als Bemessungsfaktor zukommt, wird in einem Teil des Schrifttums die Auffassung vertreten, bei Kollision von Gefährdungshaftungen könne auch bei der internen Schadenverteilung nur das im Sinne des Art. 59 Abs. 1 SVG grobe Verschulden des einen Halters zur völligen Entlastung des schuldlosen anderen führen; werde dieser Nachweis nicht erbracht, so müsse selbst dem schuldlosen wegen der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs ein Bruchteil des Schadens auferlegt werden (OFTINGER, Haftpflichtrecht I S. 284/5, II/2 S. 652/3; MENGHINI, Zur Frage der Kollision von Gefährdungshaftungen, SJZ 1953 S. 358 ff.; PORTMANN, Die Ersatzpflicht bei gegenseitiger Schädigung mehrerer Haftpflichtiger und der Regress des Sachversicherers, ZBJV 1954 S. 23/24; STARK, Die Haftpflicht aus Motorfahrzeugunfällen in rechtsvergleichender Sicht, SJZ 1959 S. 344; BREHM, Collisions entre véhicules automobiles, Juristische Publikationen des ACS 1971 S. 27 ff., insbes. S. 35). In der Rechtsprechung zu Art. 39 MFG liess sich das Bundesgericht dagegen vom Grundsatz leiten, bei ungefähr gleichen Betriebsgefahren sei der Schaden unter den beteiligten Haltern nach dem Verschulden aufzuerlegen. Dies hatte zur Folge, dass der schuldlose Halter vom fehlbaren die Deckung des ganzen Schadens verlangen durfte und an den Schaden des letzteren nichts beitragen musste ( BGE 68 II 118 ff.). In BGE 84 II 311 wurde diese Regel bloss dahin ergänzt, dass dem geschädigten Halter ein herabgesetzter Ersatzanspruch nicht nur bei offensichtlichem Überwiegen der Betriebsgefahr auf Seiten des schuldlosen Schädigers zustehen sollte, sondern auch dann, wenn das Verschulden des Geschädigten als ganz geringfügig erschien und ihm daher im Rahmen des Kausalablaufs nur eine äusserst untergeordnete Bedeutung zukam. Diese Rechtsprechung wurde, ausser von den hievor angeführten Autoren, auch von MERZ (ZBJV 1959 S. 475) und OSWALD (Probleme der Haftpflicht des Motorfahrzeughalters, BJM 1967 S. 22) kritisiert, weil sie rein schuldrechtlich ausgerichtet sei und den Kausalanteil, der auf das Fahrzeug des schuldlosen Halters entfalle, ausser acht lasse (vgl. ferner BUSSY, SJK Nr. 915a N. 6 und Nr. 916 N. 16; BUSSY/RUSCONI, N. 2.7 BGE 99 II 93 S. 97 zu Art. 60 und N. 1.2 lit. c zu Art. 61 SVG ; GREC, La situation juridique du détenteur de véhicule automobile en cas de collision de responsabilités, Diss. Lausanne 1969, S. 110/15). c) Das Bundesgericht vertritt demgegenüber auch unter der Herrschaft des SVG die Auffassung, dass den konkreten Betriebsgefahren im Rahmen der Gesamtverursachung nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, sobald die beteiligten Halter ein Verschulden trifft, da diesfalls der Schaden in erster Linie nach ihrem Verschulden zu teilen ist ( BGE 97 II 367 Erw. 5; CHATELAIN, Tendances actuelles du Tribunal fédéral dans le domaine de la responsabilité civile, ZBJV 1969 S. 226 ff., insbes. S. 230). Diese Auffassung liegt insbesondere auch BGE 94 II 173 ff. zugrunde; dort wurde bei ungefähr gleichen Betriebsgefahren der Halter mit dem erheblichen Verschulden verpflichtet, dem andern, den nur ein leichtes Verschulden traf, zwei Drittel seines Schadens zu ersetzen. Ähnlich verhielt es sich nach dem unveröffentlichten Entscheid vom 6. Mai 1971 i.S. Foletta gegen Müller, wo der Halter, der unvorsichtig von der Hauptstrasse nach links in einen Feldweg abbog, den ganzen Schaden zu tragen hatte, obwohl der andere Halter (auf der geraden und freien Strecke) mit 110-130 km/h überholen wollte. Mitberücksichtigt wurde die offensichtlich ungleiche Betriebsgefahr des schuldlosen Halters dagegen in BGE 95 II 333 ff. Die Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verkennt, dass die latente Betriebsgefahr, die mit jedem sich im Verkehr befindlichen Fahrzeug verbunden ist, nicht ausschlaggebend sein kann. Massgebend müssen vielmehr die Ursachen sein, auf die die Verwirklichung dieser latenten Gefahr im Einzelfall zurückzuführen ist. Bei den meisten Verkehrsunfällen ist diese Ursache aber - wenn von der mangelhaften Beschaffenheit der Fahrzeuge abgesehen wird - im schuldhaften Verhalten eines oder mehrerer Halter oder von Personen zu erblicken, für die ein Halter einzustehen hat; sonst entstünde eben trotz der vorhandenen Betriebsgefahr der Fahrzeuge kein Schaden. Es entspricht deshalb durchaus gesundem Rechtsempfinden, wenn der Halter, der durch erhebliches schuldhaftes Verhalten die Ursache dafür setzt, dass sich die Betriebsgefahren von zwei Fahrzeugen auswirken, im Verhältnis zum andern Halter, den kein Verschulden trifft, den ganzen Schaden tragen muss. Dagegen lässt sich im Ernst nicht einwenden, dass dann BGE 99 II 93 S. 98 "auch das Selbstverschulden des Nichthalters gegenüber einem schuldlosen Halter zu grösseren Reduktionen und bald einmal zur Befreiung führen" müsste (MERZ, a.a.O.). Mit den Nichthaltern sind die nicht der Gefährdungshaftung unterstellten Strassenbenützer, insbesondere die Fussgänger gemeint. Diese können nicht, wie Fahrzeugführer, durch eine eigene Betriebsgefahr einen Unfall verursachen, gleichviel ob sie sich im Verkehr pflichtgemäss oder schuldhaft verhalten. Benehmen sie sich verkehrswidrig, so gefährden sie meistens nur sich selber, weil sie sich der Betriebsgefahr von Fahrzeugen aussetzen; Verschulden und Betriebsgefahr konkurrieren dann als Schadensursachen. In solchen Fällen ist nicht zu beanstanden, dass auch der schuldlose Halter "unter Würdigung aller Umstände" ( Art. 59 Abs. 2 SVG ) für den Schaden teilweise aufzukommen hat, wenn der Unfall nicht, was der Halter zu beweisen hat, durch höhere Gewalt oder grobes Verschulden des Geschädigten verursacht worden ist ( Art. 59 Abs. 1 SVG ). Die Einsicht, dass diese Rechtsprechung sachlich begründet ist, gewinnt übrigens im Schrifttum an Boden; sie wird insbesondere von A. KELLER (Haftpflicht im Privatrecht S. 302 ff.), von CH. WYNIGER (Über Haftungskollisionen, insbesondere von Kausalhaftungen, in Juristische Publikationen des ACS 1971 S. 14/15) und nunmehr auch von OSWALD (Der Ausgleich unter Motorfahrzeughaltern nach SVG 60 Abs. 2, ebendort S. 81 ff.) befürwortet. Wie diesem Aufsatz zu entnehmen ist, haben sich auch die Versicherungsgesellschaften damit abgefunden. Nach ihren Richtlinien ist bei ungefähr gleichwertigen Betriebsgefahren das einseitige und nicht ganz leichte Verschulden eines Halters zusammen mit der Kausalität seines Fahrzeuges als derart überwiegende Schadensursache zu betrachten, dass dieser den vollen Schaden zu tragen hat. Der Betriebsgefahr ist nur Rechnung zu tragen, wenn sie sich beim einen Halter besonders stark ausgewirkt hat oder wenn den allein schuldigen Halter nur ein geringfügiges Verschulden trifft (a.a.O. S. 83/84). 3. Nach dem angefochtenen Urteil fuhr Frau Meienberg auf der 9 m breiten, schneebedeckten Strasse korrekt talabwärts. Sie konnte die Gefahr eines Zusammenstosses mit dem nach links ausscherenden DKW-Wagen erst erkennen, als sie von der Unfallstelle nur noch 10-12 m entfernt war. Auf diese Entfernung vermochte sie bei einer Geschwindigkeit von BGE 99 II 93 S. 99 50-60 km/h weder auszuweichen, noch anzuhalten. Sie hat den Unfall folglich nicht mitzuverantworten. Der Zusammenstoss ist ausschliesslich auf Verschulden der Frau Mayer zurückzuführen. Ihr Verschulden lässt sich in fahrtechnischer Hinsicht zudem nicht verharmlosen. Völlig unverständlich nahm sie auf der glitschigen Strecke bei eingeschaltetem Gang und einer Geschwindigkeit von 60 km/h das Gas weg, was einer plötzlichen Bremsung gleichkam und den Wagen ins Schleudern brachte. Daraufhin verlor sie die Herrschaft über den Wagen, der nach links abgetrieben wurde und dabei das entgegenkommende Fahrzeug rammte. Die ungefähr gleichen Betriebsgefahren der Fahrzeuge fallen unter diesen Umständen ausser Betracht, und das erhebliche einseitige Verschulden der Frau Mayer hat nach den hievor dargelegten Grundsätzen zur Folge, dass die Regressforderung der Beklagten abzuweisen ist und der Kläger Anspruch auf vollen Schadenersatz hat.
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Sachverhalt ab Seite 209 BGE 105 II 209 S. 209 A.- Am Morgen des 15. Juni 1976 fuhr Raimund Bischof, Assistent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, mit einem Wagen des Bundes (VW 1600 A Variant) auf der Autobahn N 13 von Sargans in Richtung Chur. Wegen Belagsarbeiten war der Streckenabschnitt zwischen Bad Ragaz und Landquart nur auf den beiden nach Chur führenden Fahrspuren befahrbar. Die in Richtung Sargans fahrenden Fahrzeuge wurden deswegen auf die Überholspur der Gegenfahrbahn umgeleitet, wo sich die in Richtung Chur fahrenden Fahrzeuge mit den in Richtung Sargans fahrenden kreuzten. Diese Verkehrsführung war vorschriftsgemäss ausgeschildert. BGE 105 II 209 S. 210 Ungefähr 250 m vor der Ausfahrt Maienfeld geriet das von Bischof gelenkte Fahrzeug auf die linke Strassenseite, wo es frontal mit dem korrekt von Ernst Kalberer gesteuerten, in Gegenrichtung fahrenden Lastwagen Mercedes Benz Kipper des Walter Kressig zusammenstiess. Durch die Wucht der Kollision wurde der Personenwagen abgedreht und über den rechten Fahrbahnrand hinaus gegen den Wildschutzzaun geschleudert, wobei Bischof auf der Stelle getötet wurde. Demgegenüber wurde der Lastwagen gegen die Leitplanke getrieben und kam ungefähr 50 m nach der Kollisionsstelle zum Stillstand. Der Lastwagenlenker blieb unverletzt. In der Folge richtete der Bund als Arbeitgeber Bischofs dessen Witwe sowie dem von ihm hinterlassenen Sohn Lukas die in Art. 73 der Angestelltenordnung (SR 172.221.104) vorgesehenen Leistungen aus. Die Witwe Bischofs trat deshalb in ihrem eigenen Namen sowie im Namen ihres Sohnes Lukas im Sinne von Art. 73 Abs. 6 der Angestelltenordnung die Ansprüche auf Ersatz der Bestattungskosten und des Versorgerschadens gegen einen allfällig haftpflichtigen Dritten an den Bund bis auf die Höhe dessen Leistungen ab. B.- Im Februar 1978 erhob die Schweizerische Eidgenossenschaft gegen die "Waadt"-Versicherungen, Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, den Haftpflichtversicherer des Lastwagenhalters Kressig, Klage auf Zahlung von Fr. 428'893.- nebst Zins. Damit machte sie den Versorgerschaden der Witwe Bischofs, seines Sohnes Lukas sowie den Ersatz der Beerdigungskosten geltend. Mit Urteil vom 12. Juli 1978 hiess das Kantonsgericht von Graubünden die Klage zur Hälfte, nämlich im Betrage von Fr. 214'446.50 nebst Zins, gut. C.- Gegen das kantonsgerichtliche Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerin stellt den Antrag auf Verwerfung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Vorinstanz berechnet den infolge des Todes von Raimund Bischof entstandenen Schaden, nämlich den Versorgerschaden seiner Witwe und seines Sohnes Lukas, auf über Fr. 428'893.-. Diese Schadensberechnung wird von der BGE 105 II 209 S. 211 Berufung ebensowenig angefochten wie die Feststellung der Vorinstanz, dass die Fürsorgeleistungen der Klägerin den eingeklagten Betrag übersteige. Die Klägerin, Zessionarin der Geschädigten, belangt die Beklagte als Versicherer des Lastwagenhalters Kressig. Sie stützt sich damit auf Art. 65 SVG , wonach dem Geschädigten im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer zusteht. 2. Das Kantonsgericht zieht in Betracht, dass die Klägerin als Halterin eines der am Unfall beteiligten Fahrzeuge für den entstandenen Schaden ebenso aufzukommen habe wie die Beklagte als Versicherer eines der Unfallfahrzeuge. Deshalb sei die Aufteilung des Schadens gestützt auf Art. 60 SVG vorzunehmen. Zu berücksichtigen sei dabei, dass den Führer des Lastwagens kein Verschulden treffe und Bischof kein solches nachzuweisen sei. Wegen der unterschiedlichen Betriebsgefahren der am Unfall beteiligten Fahrzeuge rechtfertige es sich unter diesen Umständen, beide Fahrzeughalter für je die Hälfte des Schadens aufkommen zu lassen. Der Klägerin sei deshalb nur der halbe eingeklagte Betrag zuzusprechen. Mit dieser Betrachtungsweise hat sich die Klägerin abgefunden. Demgegenüber verlangt die Beklagte die Abweisung der Klage im wesentlichen mit der Begründung, Bischof, der Führer des Bundesfahrzeuges, habe den Unfall schuldhaft verursacht. 3. Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet, so haftet der Halter für den Schaden ( Art. 58 Abs. 1 SVG ). Allerdings wird der Halter von der Haftpflicht befreit, wenn er beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht wurde, ohne dass ihn oder eine Person, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft, und ohne dass die fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeuges zum Unfall beigetragen hat ( Art. 59 Abs. 1 SVG ). Am in Frage stehenden Unfall war der Lastwagen Kressigs beteiligt. Unbestritten ist, dass den Führer des Lastwagens kein Verschulden trifft, dass auch höhere Gewalt als Unfallursache ausscheidet und dass schliesslich der Lastwagen in betriebsbereitem Zustand war. Zu prüfen ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 59 Abs. 1 SVG somit nur noch, ob Bischof den Unfall durch grobes Verschulden verursacht habe. Die Beklagte behauptet dies sinngemäss, indem sie vorträgt, Bischof habe elementare BGE 105 II 209 S. 212 Vorsichtsmassregeln verletzt und gerade das ausser acht gelassen, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen. Dass es sich so verhält, hat nach der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 59 Abs. 1 SVG die Beklagte zu beweisen. Das angefochtene Urteil hält fest, dass das von Bischof gesteuerte Fahrzeug auf die linke Fahrbahnhälfte geraten sei. Gemäss den eingeholten Gutachten sei der Unfall nicht auf einen technischen Mangel des Bundesfahrzeuges zurückzuführen. Ausser Betracht falle auch, dass Bischof im kritischen Zeitpunkt geblendet worden sei. Aber auch ein menschliches Versagen seitens Bischofs sei nicht ersichtlich. Weder habe dieser ein unbedachtes Überholmanöver ausführen wollen, noch sei er übermüdet oder alkoholisiert gewesen, noch gebe es Anhaltspunkte für Selbstmord. Auf Grund des Berichtes des medizinischen Sachverständigen sei es aber möglich, dass Bischof wegen der Residuen einer abgelaufenen Herzmuskelentzündung von einem Unwohlsein oder einer Bewusstlosigkeit befallen worden sei und dass das zum Unfall geführt habe. Gewissheit darüber bestehe indes nicht, doch komme eine Bewusstlosigkeit Bischofs mit "einiger Wahrscheinlichkeit" als Unfallursache in Frage. Aus diesen vom Kantonsgericht festgestellten Umständen folgt, dass die Urteilsfähigkeit Bischofs im Zeitpunkt des Unfalles nicht erstellt ist. Auf Grund der im Interesse des Geschädigten aufgestellten besonderen Beweislastvorschrift des Art. 59 Abs. 1 SVG hat die Beklagte das grobe Verschulden und damit auch die Urteilsfähigkeit Bischofs im Zeitpunkt des Unfalles zu beweisen. Sie beruft sich deshalb in diesem Zusammenhang vergeblich darauf, dass nach Art. 16 ZGB die Urteilsfähigkeit Bischofs zu vermuten sei. Auf der Hand liegt zwar, dass Bischof objektiv eine Verkehrsregel verletzte, indem er sein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten liess ( Art. 34 Abs. 1 SVG ), und damit rechtswidrig handelte. In subjektiver Hinsicht setzt ein Verschulden zwar nicht voraus, dass sich Bischof dieser Rechtswidrigkeit bewusst war ( BGE 91 II 42 , BGE 82 II 317 E. 3). Zu einem solchen gehörte aber, dass er eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzte und in bezug darauf auch urteilsfähig war (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich 1975, S. 142 und 154; vgl. BGE 104 II 98 E. 2, BGE 97 II 126 E. 2 und 3, BGE 93 II 341 E. 6, BGE 91 II 189 E. 2c). Gerade BGE 105 II 209 S. 213 letzteres ist nach dem Gesagten vorliegend aber nicht erwiesen. Vermag die Beklagte somit kein Verschulden Bischofs nachzuweisen, so ist sie von ihrer grundsätzlichen Haftung für die Unfallfolgen nicht befreit ( Art. 59 Abs. 1 SVG ). 4. a) Da am fraglichen Unfall mehrere Fahrzeuge beteiligt waren, haften deren Halter für den entstandenen Schaden solidarisch ( Art. 60 Abs. 1 SVG ). Das sind hier die Klägerin als Halterin des Personenwagens sowie der Lastwagenhalter Kressig bzw. sein Versicherer. Fest steht sodann, dass die Klägerin über ihre Fürsorgeeinrichtungen für den gesamten Schaden aufkommt und dass die Geschädigten auf Grund dieser Sachlage ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten haben (Art. 73 Abs. 6 der Angestelltenordnung). Die Klägerin befindet sich somit in der Lage jenes Halters, der infolge seiner solidarischen Haftbarkeit für den Ersatz des gesamten Schadens aufgekommen ist und nun im Innenverhältnis auf den andern - ebenfalls solidarisch haftenden - Halter zurückgreift. Dieses Innenverhältnis ist vorliegend ausschliesslich nach Art. 60 Abs. 2 SVG zu beurteilen. Von vornherein unbehelflich ist es, wenn sich die Beklagte auf die Regelung von Art. 61 SVG beruft, der vom Schadenersatz zwischen Motorfahrzeughaltern handelt, denn vorliegend geht es um eine andere Frage, nämlich darum, wer endgültig und in welchem Ausmasse für den Dritten entstandenen Schaden einstehen muss. Art. 61 SVG betrifft hingegen den Fall, dass ein Halter durch das Unfallereignis geschädigt worden ist. b) Nach Art. 60 Abs. 2 SVG ist der Schaden auf die beteiligten Haftpflichtigen unter Würdigung aller Umstände zu verteilen, wobei in erster Linie das von den betreffenden Motorfahrzeughaltern zu vertretende Verschulden massgebend sein soll, es sei denn, "besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren", rechtfertigten eine andere Verteilung. Auszugehen ist nach dem Gesagten davon, dass keiner der Halter der am Unfall beteiligten Fahrzeuge ein Verschulden zu vertreten hat. Abzustellen ist somit nach Art. 60 Abs. 2 SVG "namentlich" auf die Betriebsgefahren der Unfallfahrzeuge. In diesem Zusammenhang machen die Beklagten mit der Berufung geltend, dass nicht auf die latente, sondern allein auf die verwirklichte Betriebsgefahr abzustellen sei. Demgemäss dürfe nur die Betriebsgefahr des von Bischof gelenkten Fahrzeuges als für den Schaden kausal betrachtet werden. Für die Verwirklichung BGE 105 II 209 S. 214 einer Betriebsgefahr genügt es, dass das Unfallereignis mit der Eigenart des Betriebes des Fahrzeuges zusammenhängt (OFTINGER, a.a.O., S. 25). Dies trifft indes auch auf den am Unfall beteiligten Lastwagen zu. Nur weil dieser im Unfallzeitpunkt auf der Gegenfahrbahn im Betrieb war, stellte er für das Bundesfahrzeug ein Hindernis dar, das den eingetretenen Schaden schliesslich bewirkte. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass beide Unfallfahrzeuge vor dem Unfall mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km/h gefahren sind. Sodann hält die Vorinstanz fest, dass der Lastwagen voll beladen war und damit ein Gewicht von 15 Tonnen aufgewiesen habe, wogegen der Personenwagen nur rund eine Tonne gewogen habe. Dass Kalberer unmittelbar vor der Kollision die Bremsen betätigt habe, habe die Geschwindigkeit des Lastwagens bis zum Augenblick des Zusammenpralls nur unwesentlich herabzusetzen vermocht. Infolge des viel höheren Fahrzeuggewichtes des Lastwagens war unter diesen Umständen auch die von diesem beim Unfall freigesetzte zerstörerische Wucht viel höher als diejenige, die vom Personenwagen ausging; entsprechend ist die durch den Lastwagen verwirklichte Betriebsgefahr höher zu veranschlagen (OFTINGER, a.a.O., S. 324). In Anbetracht des fehlenden Verschuldens beider Fahrzeugführer und der erheblich höheren verwirklichten Betriebsgefahr des Lastwagens erscheint die von der Vorinstanz vorgenommene hälftige Aufteilung des Schadens auf die Fahrzeughalter als angemessen. Das fährt zur Abweisung der Berufung und zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Ergibt sich somit, dass Bundesrecht nicht verletzt ist, so spielt auch keine Rolle, dass die Vorinstanz Art. 60 SVG in seiner alten Fassung zitiert.
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Sachverhalt ab Seite 98 BGE 133 III 97 S. 98 A. Der in Deutschland ansässige X. besass gemäss Vermögensausweis vom 12. Januar 1999 ein Wertschriftenportefeuille von DM 797'201.11 bei der Bank Z., das im Umfang von DM 280'300.- über einen Lombardkredit finanziert war. Nachdem er am 4. Dezember 1998 eine Depot-/Kontobeziehung mit der Y. AG eingegangen war, wurde das Portefeuille einschliesslich des Lombardkredites im Februar 1999 unter Ablösung der Bank Z. auf die Y. AG übertragen. Mit Schreiben vom 5. Februar 1999 bestätigte ihm diese eine Kreditlinie von Fr. 350'000.-, die später durch einen Lombardkredit-Vertrag ersetzt wurde. Gemäss dem ersten von der Y. AG ausgestellten Vermögensausweis vom 3. März 1999 betrug das Bruttovermögen von X. DM 1'081'295.-, das Nettovermögen nach Abzug des Lombardkredites DM 730'021.-. Nachdem sich das an der Börse in Aktien angelegte Vermögen zunächst vermehrt hatte, kam es im Herbst 2001 zu massiven Verlusten, die dazu führten, dass die Bank am 21. September 2001 nach erfolgter Kontaktnahme mit dem Kunden die im Depot befindlichen Aktien zur Deckung des sich noch auf Fr. 54'504.95 belaufenden Lombardkredites veräusserte, woraus sich ein Saldo zu Gunsten des Kunden von USD 40'389.97 ergab. B. X. betrachtete die Bank als haftbar für die Verluste. Er klagte am 2. Dezember 2003 beim Kreisgericht St. Gallen auf Zahlung von Fr. 600'000.-. Die Beklagte widersetzte sich der Klage. In der Replik reduzierte der Kläger die eingeklagte Forderung auf Fr. 544'300.-. Mit Urteil vom 9. Dezember 2004 wies das Kreisgericht die Klage ab. Es kam zum Ergebnis, dass zwischen den Parteien nicht bloss eine Konto-/Depotbeziehung bestanden habe, sondern die Bank auch als Anlageberaterin gehandelt habe. Es verneinte jedoch die Verletzung einer sich daraus ergebenden Sorgfaltspflicht der Beklagten, weil sie den - nicht offensichtlich unerfahrenen - Kläger auf die Risiken seiner hoch spekulativen Aktien-Anlagen hingewiesen habe und dieser sich nicht davon habe abhalten lassen. C. Der Kläger erhob Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen. Er verminderte im Laufe des Verfahrens die eingeklagte Forderung auf Fr. 532'300.- nebst 5 % Zins seit 1. Oktober 2001. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Berufung und erhob Anschlussberufung, mit der sie den erstinstanzlichen Kostenspruch in Bezug BGE 133 III 97 S. 99 auf die Parteientschädigung anfocht. Mit Entscheid vom 25. April 2006 wies das Kantonsgericht die Berufung ab und hiess die Anschlussberufung teilweise gut. Das Kantonsgericht nahm ebenfalls an, dass die Beklagte als Anlageberaterin tätig gewesen sei, verneinte jedoch in Übereinstimmung mit der ersten Instanz eine Verletzung der sich sowohl aus der vertraglichen Bindung wie dem Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG; SR 954.1) ergebenden Informations- und Sorgfaltspflicht der Bank. D. Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 25. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Fr. 380'000.- nebst 5 % Zins seit 1. Oktober 2001 zu verpflichten, eventuell die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In ihrer Berufungsantwort stellt die Beklagte den Antrag, die Berufung abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Nach Art. 11 BEHG (Marginale: Verhaltensregeln) hat der Effektenhändler gegenüber seinen Kunden eine Informationspflicht; er weist sie insbesondere auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hin (Abs. 1 lit. a). Bei der Erfüllung dieser Pflicht sind die Geschäftserfahrenheit und die fachlichen Kenntnisse der Kunden zu berücksichtigen (Abs. 2). 5.2 Nach herrschender Lehrmeinung kommt der öffentlichrechtlichen Vorschrift von Art. 11 BEHG insoweit die Funktion einer Doppelnorm zu, als die damit statuierten Verhaltensregeln auch einen privatrechtlichen Zweck erfüllen. Die Funktion als Doppelnorm bedeutet, dass Art. 11 BEHG sowohl von den Vertragsparteien angerufen als auch von den Behörden von Amtes wegen angewendet werden kann. Privatrechtliche Vereinbarungen sind zulässig, soweit sie den Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG nicht widersprechen. Andererseits sind diese Regeln im Bereich des Vertragsrechts auch dann zu berücksichtigen, wenn der konkrete Vertrag keine entsprechende Vereinbarung oder Bezugnahme enthält (HERTIG/SCHUPPISSER, in: Vogt/Watter [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel 1999, N. 8 ff. zu Art. 11 BEHG ; KÜNG/HUBER/ BGE 133 III 97 S. 100 KUSTER, Kommentar zum Börsengesetz, Bd. II, Zürich 1998, N. 7 zu Art. 11 BEHG ; ROLF H. WEBER, Kommentar Börsenrecht, Zürich 2001, N. 3 zu Art. 11 BEHG ; URS P. ROTH, in: Hertig/Meier-Schatz [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, Zürich 2000, N. 29 zu Art. 11 BEHG ; NOBEL, Schweizerisches Finanzmarktrecht: Einführung und Überblick, 2. Aufl., Bern 2004, § 10 Rz. 73; ZOBL/KRAMER, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Zürich 2004, Rz. 796 und 1239 ff.; CHAPPUIS/WERRO, Le devoir d'information de l'article 11 LBVM et son rôle en droit civil à la lumière des Règles de conduite de l'ASB, in: AJP 2005 S. 560 ff., 564 ff.; DE BEER, Die Verantwortlichkeit der Bank gegenüber einem Kunden für Handlungen eines von diesem eingesetzten Vermögensverwalters - eine Replik, in: SZW 1998 S. 125 ff., 129 f.; ALEXANDER WYSS, Verhaltensregeln für Effektenhändler, Diss. Zürich 1999, S. 49 ff.; WIEGAND/WICHTERMANN, Der Einfluss des Privatrechts auf das öffentliche Bankrecht, in: Die Banken im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, Berner Bankrechtstag 1999, S. 119 ff., 146 ff.; CHRISTIAN THALMANN, Von der vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Bank zur börsengesetzlichen Informationspflicht des Effektenhändlers, in: Festschrift für Jean Nicolas Druey, S. 971 ff., 982 f.; DIETZI/LATOUR, Schweizerisches Börsenrecht, Basel 2002, S. 63; abweichend WIEGAND/BERGER, Zur rechtssystematischen Einordnung von Art. 11 BEHG , in: ZBJV 135/1999 S. 713 ff., 730 ff.). 5.3 Gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG hat der Effektenhändler den Kunden auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hinzuweisen. Das bedeutet nach in der Literatur mehrheitlich vertretener und zutreffender Auslegung, die sich auf den Willen des Gesetzgebers stützt, dass der Effektenhändler über die Risiken einer Geschäftsart an sich, dagegen nicht über die Risiken einer konkreten Effektenhandelstransaktion informieren muss (WYSS, a.a.O., S. 157 ff.; URS P. ROTH, a.a.O., N. 58 ff. zu Art. 11 BEHG ; ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 8 zu Art. 11 BEHG ; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., N. 19 zu Art. 11 BEHG ; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 802; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 65 f.; abweichend HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N. 58 ff. zu Art. 11 BEHG ). Die Information kann in standardisierter Form erfolgen. In diesem Fall ist von einem unerfahrenen Kunden auszugehen. Umfang und Inhalt der Information haben sich nach Kunden mit einem objektiv tiefen Erfahrungs- und Kenntnisgrad zu richten. Eine BGE 133 III 97 S. 101 Standardisierung setzt zudem voraus, dass die Information in allgemein verständlicher Form und für alle Kunden gleich erfolgt. In der Praxis werden standardisierte Informationen regelmässig mittels Risiko-Informationsschriften (sog. Risk Disclosure Statements) erteilt, wie das denn auch im vorliegenden Fall geschehen ist (HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N. 64 ff. zu Art. 11 BEHG ; URS P. ROTH, a.a.O., N. 37, 61 und 80 ff. zu Art. 11 BEHG ; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., N. 22 zu Art. 11 BEHG ; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 804; WYSS, a.a.O., S. 179 f.; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 66 f.). 5.4 Nicht unter die börsengesetzliche Informationspflicht fallen grundsätzlich die Erforschung der finanziellen Verhältnisse des Kunden sowie die Beurteilung, ob eine Transaktion für einen bestimmten Kunden geeignet ist (Suitability-Prüfung). Aus Art. 11 BEHG kann keine entsprechende Erkundigungs- und Beratungspflicht des Effektenhändlers abgeleitet werden (ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 11 BEHG ; HERTIG/SCHUPPISSER, a.a.O., N. 67 ff. zu Art. 11 BEHG ; CLAUDE BRETTON-CHEVALLIER, Haftung der Bank gegenüber ihrem Kunden und externe Vermögensverwaltung, in: SZW 2003 S. 254 ff., 261; URS P. ROTH, a.a.O., N. 64 zu Art. 11 BEHG ; KÜNG/HUBER/KUSTER, N. 19 zu Art. 11 BEHG ; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 802; NOBEL, a.a.O., § 10 Rz. 72; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 66). Die anglo-amerikanische Suitability-Doktrin, die in die Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft Eingang gefunden hat, ist nach zutreffender Lehrmeinung vom schweizerischen Gesetzgeber nicht in das BEHG übernommen worden (KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., N. 19 zu Art. 11 BEHG ; MAURENBRECHER, Von der Investment Services Directive zur Markets in Financial Instruments Directive - ein Überblick aus Schweizer Sicht, in: AJP 2005 S. 19 ff., 29 f. Fn. 109; THALMANN, a.a.O., S. 980 f.; URS P. ROTH, a.a.O., N. 64 zu Art. 11 BEHG ). Zum Teil wird allerdings in der Lehre die Meinung vertreten, dass der Effektenhändler beim aktiven Vertrieb von Effekten eine Suitability-Abklärung und -Beratung vornehmen muss, wobei sich diese Verpflichtung jedoch nicht direkt aus Art. 11 BEHG , wohl aber aus einem allenfalls konkludent geschlossenen Beratungsvertrag bzw. aufgrund einer nachträglichen Anpassung des BEHG an das Recht der Europäischen Gemeinschaft ergeben soll (WYSS, a.a.O., S. 155; CHAPPUIS/WERRO, a.a.O., S. 571; MONIKA ROTH, Die Spielregeln des Private Banking in der Schweiz, 2. Aufl., Zürich 2003, S. 20; ROLF H. WEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 11 BEHG ; vgl. auch HERTIG/SCHUPPISSER, N. 79 ff. zu Art. 11 BEHG ). BGE 133 III 97 S. 102 6. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte ihrer börsengesetzlichen Informationspflicht als Effektenhändlerin ausreichend nachgekommen. Sie hat den Kläger in standardisierter Form - mittels der Broschüre "Besondere Risiken im Effektenhandel" - betreffend die Risiken informiert, die mit einer bestimmten Geschäftsart verbunden sind. Der Kläger hat den Erhalt dieser Broschüre unterschriftlich bestätigt. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Beklagte dagegen die Lebens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nicht abgeklärt, weshalb sie unter diesen Aspekten auch keine Suitability-Prüfung vornehmen konnte. Nach Art. 11 BEHG war sie dazu wie festgehalten nicht verpflichtet. Damit bleibt zu erörtern, ob der Beklagten nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts zum Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden eine Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen ist. 7. 7.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf die sich die Vorinstanz abstützt, wird hinsichtlich der vertragsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflicht der Bank bei der Abwicklung von Börsengeschäften für die Kundschaft zwischen drei verschiedenen Vertragsbeziehungen differenziert: die Vermögensverwaltung, die Anlageberatung und die blosse Konto-/Depot-Beziehung (vgl. dazu THALMANN, a.a.O., S. 974 ff.). Die Vermögensverwaltung fällt im vorliegenden Fall unstreitig ausser Betracht. BGE 101 II 121 , auf welchen der Kläger in der Berufungsschrift Bezug nimmt, hat die Vermögensverwaltung zum Gegenstand. Dieses Urteil ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, weshalb sich eine weitere Auseinandersetzung damit erübrigt. 7.1.1 Führt die Bank nur punktuell Börsengeschäfte für den Kunden aus, ist sie nach der Praxis des Bundesgerichts nicht zu einer generellen Interessenwahrung verpflichtet und muss diesen deshalb in der Regel nur auf Verlangen aufklären. Das Ausmass der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Kenntnissen und dem Stand der Erfahrung des Auftraggebers. Kennt dieser die Risiken der Spekulationstätigkeit, braucht er keine Aufklärung. Ist ohne weiteres ersichtlich, dass der Kunde von den Risiken keine Ahnung hat, muss ihn die Bank darauf hinweisen. Die Anforderungen an ihre Aufklärungspflicht sind jedoch höher, wenn der Auftraggeber nicht nur mit seinem Vermögen, sondern auch mit von der Bank gewährten Krediten spekuliert ( BGE 119 II 333 E. 5a S. 335; Urteil 4C.265/2001 vom BGE 133 III 97 S. 103 15. Januar 2002, E. 2a; Urteil 4C.108/2002 vom 23. Juli 2002, E. 2b, publ. in: Pra 92/2003 Nr. 51 S. 244). 7.1.2 Gemäss der Praxis des Bundesgerichts besteht grundsätzlich keine Beratungspflicht der Bank im Rahmen gezielter Weisungen des Kunden zu kontorelevanten Verfügungen, wenn der Kunde durch die unbedingte Erteilung entsprechender Aufträge oder Weisungen zu erkennen gibt, dass er Aufklärung und Beratung seitens der Bank weder benötigt noch wünscht. Eine Warnpflicht besteht hier nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Bank bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen muss, dass der Kunde eine bestimmte, mit der Anlage verbundene Gefahr nicht erkannt hat, oder wenn sich in der andauernden Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hat, aus welchem der Kunde nach Treu und Glauben auch unaufgefordert Beratung und Abmahnung erwarten darf (Urteil 4C.410/1997 vom 23. Juni 1998, E. 3b, publ. in: Pra 87/1998 Nr. 155 S. 827 und SJ 1999 S. 205; Urteil 4C.45/2001 vom 31. August 2001, E. 4a, publ. in: SJ 2002 I S. 274; Urteil 4C.166/2000 vom 8. Dezember 2000, E. 5b/dd). 7.2 Die Vorinstanz ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass im vorliegenden Fall keine blosse Konto-/Depot-Beziehung bestand, sondern die Beklagte auch als Anlageberaterin zu betrachten ist, obschon dafür keine Grundlage in Form eines ausdrücklich geschlossenen Vertrages bestand. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine solche formelle Grundlage entbehrlich, wenn sich wegen einer andauernden Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hat, aus welchem der Kunde nach Treu und Glauben auch unaufgefordert Beratung und Abmahnung erwarten darf. Im vorliegenden Fall dauerte die Vertragsbeziehung rund zweieinhalb Jahre, wobei der Kläger gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen einen intensiven und häufigen telefonischen Kontakt mit A. von der Beklagten unterhielt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte den Kläger nicht nur betreffend der mit den Aktienspekulationen verbundenen Risiken aufklären musste, sondern darüber hinaus grundsätzlich eine Pflicht zur Abmahnung des Klägers bestand. Die Beklagte ist den ihr obliegenden Pflichten indessen in ausreichendem Masse nachgekommen. Nach dem angefochtenen Urteil kann als erwiesen gelten, dass A. den Kläger im März sowie im BGE 133 III 97 S. 104 Juni 2000 bewog, die damals erzielten Gewinne zu realisieren und abzusichern, was dieser in der Folge auch getan habe. Insofern kann gemäss dem Kantonsgericht auch davon ausgegangen werden, dass A. den Kläger mehrfach zur Vorsicht gemahnt hat. Dass der Kläger kurz danach seine Mittel wieder neu angelegt habe - wiederum vorwiegend in Aktien der IT-Branche -, worauf er erhebliche Verluste erlitten habe, führe er selbst nicht auf Empfehlungen der Beklagten zurück. Aus diesen Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich, dass der Kläger von der Beklagten im Sinne einer Abmahnung auf die Risiken der von ihm gewählten Anlage des Geldes in Aktien von Unternehmen der Informations-Technologie aufmerksam gemacht worden ist, sich aber nicht hat davon abhalten lassen, die gleiche spekulative Anlagestrategie weiter zu verfolgen. Unter diesen Umständen war die Beklagte, auch soweit sie als Anlageberaterin zu betrachten ist, nicht verpflichtet, den Kläger erneut auf die Risiken seiner Anlagestrategie aufmerksam zu machen oder gar die Vertragsbeziehung zu ihm abzubrechen (so auch MONIKA ROTH, a.a.O., S. 20). Durch sein Verhalten hat der Kläger sodann gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er an seinen Aktien-Spekulationen trotz allenfalls ungünstiger Lebens- und Vermögensverhältnisse festhalten wollte, weshalb er unter diesem Aspekt der Beklagten gegenüber nichts aus der unterlassenen Suitability-Prüfung herleiten kann. Die Vorinstanz hat somit zu Recht eine Haftung der Beklagten auch insoweit verneint, als diese als Anlageberaterin tätig geworden ist.
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Sachverhalt ab Seite 157 BGE 111 II 156 S. 157 A.- M. verkaufte am 6. Mai 1977 seine Liegenschaft Schloss Freidorf, Grundbuchkreis Roggwil TG, an S. Dieser schloss seinerseits am 28. Juni 1977 einen öffentlich beurkundeten Vorvertrag mit der inzwischen von M. als Hauptaktionär gegründeten T. AG. Darin versprach S. die Liegenschaft zu renovieren, in Stockwerkeinheiten aufzuteilen und der T. AG zwei Wohnungen im Dachstock zum Preis von Fr. 147'000.-- und 142'000.-- (inkl. Garagen) zu verkaufen. Bei der Bauausführung ergaben sich Differenzen, weil die T. AG der Ansicht war, der ganze Estrich gehöre zu den beiden für sie bestimmten Wohnungen, während S. einen Teil des Estrichs den übrigen Wohnungseigentümern vorbehalten wollte. Als die T. AG auf ihrer Auffassung bestand, hielt S. sich zum Rücktritt berechtigt; er verkaufte am 17. Juli 1968 die beiden Dachwohnungen an Dritte. B.- Mit ihrer am 19. April 1979 beim Bezirksgericht Arbon erhobenen Klage forderte die T. AG von S. Fr. 150'000.-- Schadenersatz, berechnet als Differenz zwischen dem Wert der beiden Wohnungen nebst Garagen und dem vertraglichen Kaufpreis. Das Bezirksgericht Arbon kam zum Schluss, der Beklagte habe weder den Rücktritt erklärt, noch sei er zum Rücktritt berechtigt gewesen. Nach Einholung einer Expertise hiess es die Klage für den reduzierten Betrag von Fr. 78'000.-- nebst 5% Zins seit 7. März 1979 gut. Das Obergericht des Kantons Thurgau hat dieses Urteil am 11. September 1984 bestätigt. C.- Der Beklagte hat das Urteil des Obergerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde und Berufung angefochten. Die Beschwerde ist mit Urteil vom heutigen Datum abgewiesen worden, soweit auf sie einzutreten war. Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen, eventuell die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klägerin fordert Ersatz des Schadens, der ihr durch die Nichterfüllung des Vorvertrages über den Verkauf der Wohnungen im Dachgeschoss entstanden ist ( Art. 97 Abs. 1 OR ). Der Beklagte widerspricht mit der Begründung, er sei berechtigterweise BGE 111 II 156 S. 158 vom Vorvertrag zurückgetreten, weil die Klägerin es abgelehnt habe, die Wohnungen mit dem von ihm vorgesehenen Ausbau zu akzeptieren. a) Mit zwei Briefen vom 28. Juni und 6. Juli 1978 beanstandete die Klägerin, dass die im Gang befindlichen Bauarbeiten nicht den Vereinbarungen entsprächen. Sie bestand darauf, dass das ganze Estrichgeschoss zu den beiden an sie verkauften Dachwohnungen geschlagen werde. Für den Fall, dass der Beklagte nicht eine entsprechende Erklärung abgebe, drohte sie ihm rechtliche Schritte an. Der Beklagte rechnete dagegen nur einen Teil des Estrichgeschosses zu den beiden Dachwohnungen. Das Obergericht ist wie schon das Bezirksgericht zum Ergebnis gelangt, die Auffassung des Beklagten treffe zu; der Klägerin sei nicht gelungen zu beweisen, dass der gesamte Estrichraum zu den beiden Wohnungen im Dachgeschoss hinzuzuschlagen sei. Diese Feststellungen des Obergerichts sind, soweit sie auf Beweiswürdigung beruhen, für das Bundesgericht verbindlich. Die Berufungsschrift nimmt darauf Bezug, und die Klägerin stellt sie mit der Berufungsantwort zu Recht nicht in Frage. b) Der Beklagte macht geltend, mit den genannten Schreiben habe die Klägerin erklärt, sie werde die beiden Wohnungen ohne das ganze Dachgeschoss auf gar keinen Fall akzeptieren; M. habe sich namens der Klägerin auch bei mündlichen Besprechungen in diesem Sinn geäussert. Er rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB , weil die von ihm dazu angetragenen Beweise nicht abgenommen worden seien. Diese Behauptung erweist sich indes als unerheblich. Die brieflichen Äusserungen der Klägerin sind belegt und unbestritten. Sofern sie den Anspruch des Beklagten stützen, brauchen weitere mündliche Äusserungen nicht bewiesen zu werden; soweit ihr Inhalt indes unbehelflich ist, gilt das auch für entsprechende mündliche Äusserungen. 2. Nach Ansicht des Beklagten zieht die Vorinstanz aus den beiden erwähnten Schreiben falsche Schlüsse; aus ihnen folge nämlich eindeutig, dass die Klägerin die beiden Wohnungen mit dem vom Beklagten vorgesehenen vertragskonformen Ausbau nicht akzeptiert hätte. Nach dem angefochtenen Urteil konnte indes der Beklagte diese Briefe nicht gutgläubig dahin verstehen, dass die Klägerin am Erwerb der Wohnungen nicht mehr interessiert sei. Die Klägerin brachte mit ihren Schreiben entschieden zum Ausdruck, dass sie das ganze Estrichgeschoss als zu den Dachwohnungen BGE 111 II 156 S. 159 gehörig beanspruchte und sich mit der abweichenden Meinung des Beklagten nicht abfinden wollte. Nichts erlaubte aber die Annahme, sie werde gegebenenfalls den Verzicht auf den Erwerb der Wohnungen ins Auge fassen. Die Androhung rechtlicher Schritte sollte gegenteils der Durchsetzung ihrer Auffassung dienen. Daran muss, wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, die These des Beklagten scheitern, dass das Verhalten der Klägerin eine antizipierte Annahmeverweigerung im Sinn von Art. 91 OR dargestellt habe. Eine solche Annahmeverweigerung würde zudem einen Rücktritt des Beklagten nur nach Massgabe der Art. 107-109 OR rechtfertigen ( Art. 95 OR ). Der Beklagte hält diese Voraussetzungen für gegeben, weil unter den gegebenen Umständen eine Nachfristansetzung nicht erforderlich gewesen sei, da sie nach dem Verhalten der Klägerin unnütz gewesen wäre. Davon kann jedoch keine Rede sein, solange nicht einmal festgestellt ist, dass und wie der Beklagte auf die Schreiben der Klägerin reagiert hat; angesichts des unklaren Vertragsinhalts bestand Grund genug, durch Nachfristansetzung für eine Klärung zu sorgen (vgl. BGE 110 II 143 E. 1b). Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin sich in jenem Zeitpunkt bereits auf eine Nachfristansetzung hätte einlassen müssen. Da sie unterblieb, konnte der Beklagte jedenfalls nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten. Es braucht deshalb auch nicht entschieden zu werden, ob er mündlich eine entsprechende Erklärung abgegeben hat und ob diese zum Gegenstand der Beweiserhebung hätte gemacht werden müssen. 3. Der Beklagte hält daran fest, dass die Klägerin finanziell gar nicht in der Lage gewesen wäre, den Vorvertrag zu erfüllen, das heisst die beiden Wohnungen Zug um Zug gegen Barzahlung von Fr. 289'000.-- zu erwerben. Die Klägerin habe schon im Frühjahr 1978 erklärt, dass sie den Kaufpreis nicht in bar erbringen könne, sondern ein altes Haus in Zahlung geben müsse. Das Obergericht hat den Antrag des Beklagten, der Klägerin den Beweis für die Finanzierungsmöglichkeit aufzuerlegen, verworfen. Nach seiner Ansicht hat nicht die Klägerin zu beweisen, dass sie zum Kauf in der Lage gewesen wäre; vielmehr habe der Beklagte zu beweisen, dass der Klägerin die Möglichkeit zur Übernahme gefehlt habe; dieser Beweis sei aber nicht erbracht worden. a) Die Vorinstanz behandelt die Frage der Beweislastverteilung im Zusammenhang mit dem vom Beklagten behaupteten Rücktrittsrecht BGE 111 II 156 S. 160 und nimmt deshalb an, Beweisthema sei der Wille der Klägerin zur Übernahme der Wohnungen. Tatsächlich hat der Beklagte im kantonalen Verfahren sein Rücktrittsrecht auch mit der Ablehnung der Barzahlung begründet. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass selbst die völlige Insolvenz der Klägerin nach Art. 83 OR einen Rücktritt nur nach erfolglosem Sicherstellungsbegehren erlaubt hätte. Vor Bundesgericht kommt der Beklagte deshalb zu Recht nicht mehr auf dieses Argument zurück. Er stützt seine Auffassung, dass die Klägerin den Nachweis der Finanzierungsmöglichkeit zu erbringen habe, nunmehr eindeutig auf Schadenersatzrecht. Die Finanzierungsmöglichkeit sei eine Voraussetzung des Schadenersatzanspruchs und von der Klägerin zu beweisen, und zwar selbst dann, wenn ihm kein Recht zum Rücktritt zugestanden hätte. b) Diese Rüge ist begründet. Bei Vertragsverletzung gelten hinsichtlich des Schadenersatzes - vom Exkulpationsbeweis des Schuldners abgesehen - die Beweislastregeln des Deliktrechts ( Art. 99 Abs. 3 und Art. 42 OR ). Die Klägerin hat daher den behaupteten Schaden und damit auch den Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem ihr angeblich entgangenen Gewinn zu beweisen (KUMMER, N. 246 und N. 281 zu Art. 8 ZGB ). Da der Vorvertrag Barzahlung vorsah, muss sie auch den Beweis für die Zahlungsmöglichkeit erbringen. Zur Verteidigung der vom Obergericht vorgenommenen Beweislastverteilung führt die Klägerin in der Berufungsantwort freilich aus, ihre Erfüllungsmöglichkeit sei von vornherein zu vermuten und könne nicht durch eine unsubstantiierte Gegenbehauptung umgestossen werden. Entgegen ihrer Auffassung besteht indes keine natürliche Vermutung dafür, dass jeder Käufer von Eigentumswohnungen für Fr. 289'000.-- im massgeblichen Zeitpunkt den Preis bar zahlen kann. Die Klägerin hat daher den Beweis zu erbringen; sie ist dazu auch viel eher in der Lage als der Beklagte zum Beweis des Gegenteils. Bei dieser Sachlage braucht nicht entschieden zu werden, ob eine natürliche Vermutung überhaupt eine Umkehrung der Beweislast rechtfertigen könnte (vgl. dazu BGE 103 II 281 ; KUMMER, N. 142 f., 363 ff. zu Art. 8 ZGB ). Die Vorinstanz hat somit die Beweislast falsch verteilt und deshalb zum Nachteil des Beklagten ohne Beweisabnahme auf eine bestrittene Behauptung der Klägerin abgestellt. Damit hat sie Art. 8 ZGB verletzt, was insoweit zur Gutheissung der Berufung und Rückweisung der Streitsache führen muss. BGE 111 II 156 S. 161 4. Die Schadensberechnung des Obergerichts wird mit der Berufung zu Recht nicht angefochten. Dagegen macht der Beklagte geltend, seine Ersatzpflicht sei aufgrund von Art. 43 und 44 OR herabzusetzen, weil die Klägerin eine Mitverantwortung am Notverkauf der Wohnungen trage, denn durch ihr vertragswidriges Beharren auf Zuweisung des ganzen Estrichs habe sie zur Vertragsverletzung Anlass gegeben. Das Obergericht erwähnt den Herabsetzungsantrag in der Zusammenfassung der Parteivorbringen, geht aber in der Folge ohne Begründung über ihn hinweg. Die Klägerin behauptet in der Berufungsantwort, der Beklagte habe den Antrag verspätet erst an der Verhandlung vor Obergericht gestellt; nach kantonalem Prozessrecht hätte er die Herabsetzung bereits in den Rechtsschriften beantragen müssen. Wie es sich damit verhält, braucht nicht untersucht zu werden. Die Vorschriften von Art. 43 und 44 OR sind als Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden. Zudem ist im Antrag auf Abweisung einer Klageforderung sinngemäss auch jener auf Herabsetzung enthalten (vgl. BGE 109 II 121 E. 2). Ob eine Ermässigung der allfälligen Ersatzpflicht des Beklagten in Betracht fällt, muss deshalb unbekümmert darum geprüft werden, ob der Herabsetzungsantrag nach kantonalem Prozessrecht verspätet gestellt worden ist. Auf die Schadenersatzforderung wegen Nichterfüllung eines Vertrages finden grundsätzlich die Art. 43 und 44 OR Anwendung ( Art. 99 Abs. 3 OR ). Der vorliegende Sachverhalt legt indes keine Reduktion der Ersatzpflicht nahe. Denn obschon die Klägerin auf einer Vertragsauslegung bestand, die sich im kantonalen Verfahren als irrig erwiesen hat, rechtfertigte dies keineswegs, dass der Beklagte, ohne sich um eine weitere Klärung der Situation zu bemühen, einfach die Wohnungen an Dritte verkaufte.
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Sachverhalt ab Seite 107 BGE 131 IV 107 S. 107 A. X. hatte in der Zeit von 1984 bis März 2001 sexuelle Handlungen mit ihm anvertrauten Zöglingen vorgenommen. Dabei handelte es sich um Onanie, Videoaufnahmen sowie bei einem Knaben auch um Analverkehr. B. Das Obergericht des Kantons Bern (1. Strafkammer) stellte mit Urteil vom 1. April 2004 fest, dass das Urteil des Kreisgerichts IX Schwarzenburg-Seftigen vom 18. Juli 2003 unter anderem insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als X. (I/1) freigesprochen wurde von den Anschuldigungen der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern z.N. von B. (in der Zeit von anfangs 1990 bis 28. November 1990) und F. (in der Zeit von 1997 bis 17. März 1999) sowie (I/2) schuldig erklärt wurde der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern z.N. von C. (in der Zeit von Sommer 1992 bis 18. November 1993) und E. (in der Zeit von November/Dezember 2000 bis 3. Januar 2001). BGE 131 IV 107 S. 108 Es erklärte ihn schuldig: (II/1) der mehrfachen sexuellen Nötigung z.N. von a) A. (geb. 1970; in der Zeit von 1984 bis 18. Dezember 1992); b) B. (geb. 1974; in der Zeit von 1991 bis ca. 1996); c) C. (geb. 1977; in der Zeit von Sommer 1992 bis ca. Herbst 1994); d) D. (geb. 1980; in der Zeit von 1995 bis Ende 1998); e) E. (geb. 1985; in der Zeit von November/Dezember 2000 bis März 2001); (II/2) der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Abhängigen z.N. von F. (in der Zeit von Sommer 1999 bis 17. März 2001); (II/3) der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern z.N. von A. (in der Zeit von 1984 bis 18. Dezember 1986) und D. (in der Zeit von 1995 bis 27. September 1996). Es verurteilte ihn zu 6 Jahren Zuchthaus, abzüglich 48 Tage Untersuchungshaft, und ordnete eine ambulante psychotherapeutische Behandlung an, solange es die Vollzugsbehörde als notwendig erachtet (II/4). C.
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64263681-d05d-4efe-a5c0-738bd966d162
Sachverhalt ab Seite 467 BGE 141 IV 465 S. 467 A. Das Bezirksgericht Kreuzlingen verurteilte X. am 11. Juli 2013 wegen vorsätzlicher Tötung und versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten, bestehend aus den Untersuchungskosten von Fr. 134'756.55, den Zuführungskosten der Polizei von Fr. 360.-, der Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.- sowie den Kosten der amtlichen Verteidigung der Privatkläger von Fr. 12'000.-. Zudem wies es die Staatsanwaltschaft an, zu prüfen, ob von der Krankenversicherung/Unfallversicherung von X. und C.H. Leistungen an die in den Untersuchungskosten enthaltenen Spital- und Arztkosten erhältlich zu machen sind; allfällige Versicherungsleistungen seien an die Untersuchungskosten anzurechnen. B. Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach X. am 12. Mai 2014 in teilweiser Gutheissung der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft des Mordes sowie der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil und auferlegte X. die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-. Die Berufung von X. wies es ab. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 14. Oktober 2010 um ca. 20 Uhr kam es zwischen X. und G.H., die den bald sechs Monate alten gemeinsamen Sohn C.H. auf dem Arm trug, in der Küche ihrer Wohnung zu einem verbalen Streit. Dieser nahm an Intensität zu, wobei sich beide Partner eines Messers behändigten. X. stach mit dem Messer kraftvoll auf G.H. ein, welche ihm zuvor leichte Verletzungen an der Hand zugefügt hatte. Als G.H. mit dem Kind auf dem Arm über das Wohnzimmer ins Freie flüchtete, liess X. das verbogene Messer auf den Küchenboden fallen, nahm ein zweites Messer, verfolgte die fliehende und um Hilfe rufende G.H., holte sie ein und stach, auch als diese bereits am Boden lag, weiter kraftvoll zu, bis sie tot war. Danach fügte er sich Verletzungen am Hals sowie - mit grösster Wahrscheinlichkeit - auch in der Bauchgegend zu und legte sich neben G.H. auf den BGE 141 IV 465 S. 468 Boden. C.H. wurde im Verlaufe des Vorfalls mehrmals vom Messer von X. getroffen, da dieser keine Rücksicht auf das Kind nahm, als er wahllos auf G.H. einstach. Als diese vor dem Haus aufgrund der schweren Verletzungen zusammenbrach, liess sie C.H. auf den Boden fallen. X. wies im Zeitpunkt der Blutentnahme um 21.45 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,59 bis 1,75 Gewichtspromille auf. C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 12. Mai 2014 vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er des Totschlags ( Art. 113 StGB ) zum Nachteil von G.H. schuldig zu sprechen und mit einer angemessenen Freiheitsstrafe von maximal acht Jahren zu bestrafen. Bezüglich der weiteren Anklagepunkte sei er freizusprechen. Es seien ihm die Verfahrensgebühren des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die tatsächlichen Strafuntersuchungsauslagen aufzuerlegen. D. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegner 2-5 liessen sich nicht vernehmen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 9. 9.1 Der Beschwerdeführer beanstandet, die ihm auferlegten Untersuchungskosten seien übersetzt. Die Vorinstanz habe sich mit seiner Rüge in Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht befasst. Die Kostenauflage basiere auf einer unsubstanziierten Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft, aus welcher nicht hervorgehe, wie sich die auferlegten Gebühren bestimmten und für was die sehr hohen angeblichen Strafuntersuchungsauslagen entstanden seien. Aus der Kostenauflistung ergebe sich immerhin, dass ein wesentlicher Teil der geltend gemachten Auslagen ("Bewachung", "Verlegung", "Bewachungspersonal", "Aufnahmepauschale Regionalgefängnis" etc.) als Strafvollzugskosten anzusehen und keine Auslagen im Sinne von Art. 422 Abs. 2 StPO seien. Weiter habe ihm die Vorinstanz Polizeikosten ("Untersuchungskosten Datensicherung", "Ausrücktaxe", "Kriminaltechnik") in der Höhe von Fr. 4'000.- auferlegt. Dabei handle es sich wohl nicht um tatsächlich entstandene Auslagen, sondern um Gebühren der Polizei, welche ohne gesetzliche Grundlage erhoben würden und ohne dass die Höhe dieser Gebühren überprüfbar sei. Zudem seien ihm Auslagen für die Reinigung des Tatorts in der Höhe von Fr. 774.70 überbunden worden. BGE 141 IV 465 S. 469 Nicht ersichtlich sei, inwiefern die Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen sei, das von ihm und seiner Lebenspartnerin bewohnte Haus durch ein Reinigungsinstitut reinigen zu lassen. Es handle sich daher um unnötige Verfahrenskosten, die auf die Staatskasse zu nehmen seien. Ihm seien überdies diverse Auslagen für seine medizinische Behandlung auferlegt worden. Unterlagen dazu habe er von der Staatsanwaltschaft nie erhalten. Ihm sei dadurch verunmöglicht worden, die doch erheblichen Behandlungskosten im Umfang von offenbar mehreren Zehntausend Franken bei seiner Krankenversicherung oder anderen (Sozial-)Versicherungsträgern geltend zu machen. Nicht bekannt sei schliesslich, wie sich die geltend gemachten Gebühren für das Untersuchungsverfahren von Fr. 4'857.- zusammensetzen würden, nachdem die genannte Weisung nicht öffentlich einsehbar sei. 9.2 Die Staatsanwaltschaft reichte vor Bezirksgericht am 18. April 2013 eine Kostenauflistung zu den Akten. Danach betreffen die Untersuchungskosten von Fr. 134'756.55 u.a. Kosten für "Reinigung Tatort", "Bewachung" im Spital Münsterlingen und im Inselspital Bern, "medizinische Behandlung", "Medikamente und ärztliche Behandlung", "Verlegung während Untersuchungshaft", "Spesen (Verpflegung Bewachungspersonal Intensivstation)", "Regionalgefängnis Bern: Tagespauschale Aufnahme", "Entschädigung 1. und 2. Zwischenabrechnung RA Leu", "Gebühr Strafuntersuchung inkl. Anklagevertr.: Pauschale Grundtaxe gem. Weisung GSTA", "Untersuchungskostentarif Datensicherung Polizei: Untersuchungskosten Datensicherung PC und ext. Datenträger", "Ausrücktaxe Polizei Tatort", "Fotodokumentation Kantonspolizei Kriminaltechnik", "Spurensicherung: Kostenrechnung Kantonspolizei Kriminaltechnik", "Kosten Aktenführung: Gem. Weisung GSTA". Belege zu den einzelnen Auslagen wurden soweit ersichtlich keine zu den Akten gereicht. Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft äusserten sich vor Bundesgericht nicht zur Rüge des Beschwerdeführers betreffend die Untersuchungskosten. 9.3 Die Vorinstanz auferlegt dem Beschwerdeführer ohne nähere Begründung die gesamten von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Untersuchungskosten in der Höhe von Fr. 134'756.55, dies obschon der Beschwerdeführer in seiner Berufungserklärung vom 2. Dezember 2013 ausdrücklich auch die ihm belasteten Untersuchungskosten anfocht, wobei er für die Begründung auf seine BGE 141 IV 465 S. 470 Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren verwies. Die Vorinstanz hätte sich mit der Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft daher näher auseinandersetzen müssen. Dies drängte sich auch aufgrund der Höhe der verrechneten Untersuchungskosten und der besonderen Art einzelner Auslagen auf, deren Qualifikation als Verfahrenskosten im Sinne von Art. 422 StPO zumindest nicht offensichtlich ist. Der angefochtene Entscheid genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht und verletzt den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Eine Heilung der Gehörsverletzung im bundesgerichtlichen Verfahren (vgl. BGE 137 I 195 E. 2.3.2 mit Hinweisen) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die kantonalen Behörden bei der Festsetzung der Verfahrenskosten über ein Ermessen verfügen. 9.4 Die beschuldigte Person trägt gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall ( Art. 422 Abs. 1 StPO ). Auslagen sind nach Art. 422 Abs. 2 StPO namentlich Kosten für die amtliche Verteidigung und unentgeltliche Verbeiständung (lit. a), Kosten für Übersetzungen (lit. b), Kosten für Gutachten (lit. c), Kosten für die Mitwirkung anderer Behörden (lit. d) und Post-, Telefon- und ähnliche Spesen (lit. e). Bund und Kantone regeln die Berechnung der Verfahrenskosten und legen die Gebühren fest ( Art. 424 Abs. 1 StPO ). Sie können für einfache Fälle Pauschalgebühren festlegen, die auch die Auslagen abgelten ( Art. 424 Abs. 2 StPO ). 9.5 9.5.1 Art. 422 Abs. 1 StPO unterscheidet zwischen Gebühren und Auslagen, die zusammen die Verfahrenskosten bilden. Die Gebühren werden vom Staat für die Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung erhoben. Sie stellen eine öffentlich-rechtliche Gegenleistung für das Tätigwerden der Behörden dar (vgl. BGE 124 I 241 E. 4a; BGE 107 Ia 117 E. 2c; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1683; YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 422 StPO ; THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 11 vor Art. 416-436 StPO ). Die Gebühren im Sinne von Art. 422 Abs. 1 StPO decken den allgemeinen Aufwand des Staates (Besoldung, Räumlichkeiten etc.) für die Bereitstellung der Strafbehörden (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2. Aufl. BGE 141 IV 465 S. 471 2013, N. 1775; DOMEISEN, a.a.O., N. 1 f. zu Art. 422 StPO ). Diese allgemeinen Kosten gehen grundsätzlich zu Lasten des Gemeinwesens, welches das Verfahren führt (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO ). Die Parteien partizipieren daran, indem ihnen nach Art. 422 Abs. 1 StPO Gebühren auferlegt werden dürfen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1325 zu Art. 429 Abs. 1; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1775; DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 422 StPO ; HANSPETER KÜNG, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Goldschmid/Maurer/Sollberger [Hrsg.], 2008, S. 418 f.). Gebühren bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die den Gegenstand, die Bemessungsgrundlagen und die Abgabepflichtigen festlegt (vgl. BGE 132 I 117 E. 4.2; GRIESSER, a.a.O., N. 5 zu Art. 422 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 12 vor Art. 416-436 StPO ). Sie müssen die Grundsätze der Kostendeckung und der Äquivalenz beachten und dürfen daher nicht höher sein als die Kosten, die der Staat zur Erbringung der entsprechenden Leistung aufgewendet hat. Die Gebühren müssen mit dem objektiven Wert der Leistung vereinbar sein und sich in einem vernünftigen Rahmen halten (BBl 2006 1325 zu Art. 429 Abs. 1; siehe auch BGE 132 I 117 E. 4.2 mit Hinweisen). Art. 424 StPO verpflichtet Bund und Kantone, für ihren Bereich die erforderlichen Vorschriften für die Festlegung und Bemessung der Gebühren zu erlassen. Die StPO selber enthält keine Vorschriften, wie die Gebühren (Art und Höhe) festzusetzen sind (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1780; ders ., Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 424 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 424 StPO ). Die Auslagen erfassen demgegenüber die im konkreten Strafverfahren entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen des Staates (GRIESSER, a.a.O., N. 6 zu Art. 422 StPO ; SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 2 zu Art. 422 StPO ). Zwar ist die Möglichkeit der Kostenauflage im Strafverfahren in der StPO abschliessend geregelt (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 8 vor Art. 416-436 StPO ; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 5048). Die Auflistung der Auslagen in Art. 422 Abs. 2 StPO ist dennoch nur beispielhaft ("namentlich") zu verstehen (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 422 StPO ; GRIESSER, a.a.O., N. 7 zu Art. 422 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 6 zu Art. 422 StPO ; KÜNG, a.a.O., S. 419; JEANNERET/KUHN, a.a.O., N. 5053). Zu den Auslagen im konkreten Straffall nach Art. 422 Abs. 1 StPO gehören etwa auch Zeugenentschädigungen oder Auslagen im Zusammenhang mit BGE 141 IV 465 S. 472 einem Augenschein (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776; ders ., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 422 StPO ;GRIESSER, a.a.O., N. 15 zu Art. 422 StPO ;DOMEISEN,a.a.O., N. 17 zu Art. 422 StPO ). Vom Staat verursachte unnötige Kosten zählen nicht zu den von der beschuldigten Person zu tragenden Auslagen (vgl. Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO ; GRIESSER, a.a.O., N. 6 zu Art. 422 StPO ). Auch Aufwendungen, die der beschuldigten Person, der Privatklägerschaft oder Dritten in einem Strafverfahren entstanden sind, stellen keine Verfahrenskosten im Sinne von Art. 422 StPO dar (DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 422 StPO ). 9.5.2 Art. 493 Abs. 2 lit. b des Vorentwurfs vom Juni 2001 zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung (VE-StPO) zählte die Kosten der Untersuchungs- und Sicherheitshaft noch ausdrücklich zu den Auslagen. Art. 494 Abs. 3 VE-StPO sah jedoch vor, dass diese Kosten nur den Beschuldigten auferlegt werden, die sich in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befinden oder entsprechende Anwartschaften besitzen. Im Vernehmlassungsverfahren wurde ein gänzlicher Ausschluss der Möglichkeit der Überwälzung der Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft auf die verurteilte Person gefordert (vgl. Bundesamt für Justiz, Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über die Vorentwürfe zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung und zu einem Bundesgesetz über das Schweizerische Jugendstrafverfahren, Februar 2003, S. 87). In der vom Parlament diskussionslos übernommenen Bestimmung von Art. 422 Abs. 2 StPO sind die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht mehr aufgelistet. Auch Art. 426 Abs. 1 StPO sieht - anders als noch Art. 494 Abs. 3 VE-StPO - den Vorbehalt der "günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse" nur noch für die Kosten der amtlichen Verteidigung vor. Die herrschende Lehre geht daher zutreffend davon aus, dass die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft keine von der verurteilten Person gestützt auf Art. 422 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO zu tragenden Auslagen sind (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39 und N. 1784; ders ., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 426 StPO ; OBERHOLZER, a.a.O., N. 1684; GRIESSER, a.a.O., N. 19 zu Art. 422 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 19 zu Art. 422 StPO ; RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, N. 1096 Fn. 686; DANIEL JOSITSCH, Grundriss des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 740; MARK PIETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2012, S. 242 Fn. 11; KÜNG, a.a.O., S. 419 f.; anderer Meinung JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse [CPP], 2012, N. 1299, wonach es dem BGE 141 IV 465 S. 473 kantonalen Gesetzgeber freisteht, die Kosten der Untersuchungshaft den Auslagen gleichzusetzen; anders auch JOËLLE CHAPPUIS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 7 f. zu Art. 422 StPO ). Damit wird eine Ungleichbehandlung von Personen verhindert, die eine längere anrechenbare Untersuchungshaft verbüsst haben, im Vergleich zu Personen, die nicht in Untersuchungshaft versetzt wurden oder die in den Genuss eines vorzeitigen Strafvollzugs (vgl. Art. 236 StPO ) kamen (vgl. KÜNG, a.a.O., S. 419 f.; DOMEISEN, a.a.O., N. 19 zu Art. 422 StPO ). Dies entsprach beispielsweise im Kanton Zürich schon früher der Rechtslage (GRIESSER, a.a.O., N. 18 zu Art. 422 StPO ). Anders verhielt es sich unter Art. 1 Abs. 3 der früheren Verordnung vom 22. Oktober 2003 über die Kosten der Bundesstrafrechtspflege, wonach die Auslagen ausdrücklich die Kosten der Untersuchungshaft umfassten (dazu BGE 133 IV 187 E. 6; Urteil 6S.99/2007 vom 28. Juni 2007 E. 7). Auch in gewissen Kantonen wie St. Gallen, Thurgau (vgl. NIKLAUS OBERHOLZER, Gerichts- und Parteikosten im Strafprozess, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, 2001, S. 34; GRIESSER, a.a.O., N. 18 zu Art. 422 StPO ) und Waadt (vgl. BGE 124 I 170 ; PITTELOUD, a.a.O., N. 1299) durften die Kosten der Untersuchungshaft mit den Verfahrenskosten auf die verurteilte Person überwälzt werden, was nach Auffassung des Bundesgerichts weder gegen die persönliche Freiheit noch gegen das Gleichbehandlungsgebot oder das Willkürverbot verstiess ( BGE 124 I 170 E. 2; siehe auch BGE 133 IV 187 E. 6; Urteil 6S.99/2007 vom 28. Juni 2007 E. 7). Es wies aber darauf hin, dass auch eine andere Lösung denkbar wäre ( BGE 124 I 170 E. 2g). Aufgrund der Materialien muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht nach Art. 422 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO der verurteilten Person auferlegen wollte. Zumindest die Kosten der auf eine unbedingte Freiheitsstrafe anzurechnenden Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind jedoch gleich zu behandeln wie Strafvollzugskosten. Die verurteilte Person muss sich daran nach Massgabe von Art. 380 Abs. 2 StGB beteiligen (vgl. SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1784; ders ., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 426 StPO ; JOSITSCH, a.a.O., N. 740). Die Kosten für die Bewachung zu Sicherungszwecken (Verhinderung einer Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr, vgl. Art. 221 Abs. 1 StPO ) während eines Spitalaufenthalts sind den Kosten der Untersuchungshaft gleichzustellen, da nicht entscheidend sein kann, an welcher Örtlichkeit die beschuldigte Person für die BGE 141 IV 465 S. 474 Zwecke des laufenden Strafverfahrens festgehalten wird. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht Bewachungskosten auferlegt, erscheint a priori daher begründet. 9.5.3 Zu den Kosten für die Mitwirkung anderer Behörden im Sinne von Art. 422 Abs. 2 lit. d StPO zählen etwa solche für Leistungen der polizeilichen Sonder- bzw. Fachdienste wie den wissenschaftlichen Diensten der Polizei oder von rechtsmedizinischen Instituten (BBl 2006 1326 zu Art. 429 Abs. 2; DOMEISEN, a.a.O., N. 11 f. zu Art. 422 StPO ; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39; ders ., Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 422 StPO ; GRIESSER, a.a.O., N. 13 zu Art. 422 StPO ; KÜNG, a.a.O., S. 419). Allgemeine Aufwendungen der Polizei, welche diese aufgrund ihrer Stellung als Strafbehörde in einem konkreten Strafverfahren zu erbringen hat, wie beispielsweise Fahndungs- und Festnahmekosten, Ermittlungskosten, Kosten der Beweissicherung oder Kosten der polizeilichen Foto- und Erkennungsdienste, fallen - abgesehen von allfälligen Auslagen für Material u.Ä. - nicht darunter (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39; ders ., Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 422 StPO ; GRIESSER, a.a.O., N. 13 zu Art. 422 StPO ; DOMEISEN, a.a.O., N. 11 zu Art. 422 StPO ). Für solche Leistungen dürfen der beschuldigten Person keine Auslagen verrechnet werden. Zulässig ist es demgegenüber, diese allgemeinen polizeilichen Leistungen bei der Festsetzung der Gebühren zu berücksichtigen (vgl. SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 zu Art. 422 StPO ), wenn hierfür eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht (oben E. 9.5.1). Unklar ist, ob die Vorinstanz diesen Grundsätzen Rechnung trägt, da aus der Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft zum Teil nicht hervorgeht, ob es sich bei den polizeilichen Kosten um Auslagen oder Gebühren handelt. Für den Fall, dass dem Beschwerdeführer Gebühren für die polizeiliche Tätigkeit auferlegt wurden, macht dieser zu Recht geltend, die Vorinstanz gebe keine gesetzliche Grundlage an. 9.5.4 Der Beschwerdeführer trägt gemäss dem angefochtenen Entscheid zudem Kosten für Medikamente und seine medizinische bzw. ärztliche Behandlung. Nicht ersichtlich ist, inwiefern darin Kosten des Strafverfahrens im Sinne von Art. 422 StPO erblickt werden können, da diese grundsätzlich unabhängig von einem Strafverfahren anfallen und mit der Strafuntersuchung in keinem Zusammenhang stehen. Solche Kosten sind mit der betroffenen Person daher gleich abzurechnen, wie wenn nie ein Strafverfahren eröffnet worden wäre. Verfügt diese nicht über die erforderlichen Mittel, muss BGE 141 IV 465 S. 475 (nach einer Kostengutsprache) unter Umständen die Sozialhilfe für einen allfälligen Selbstbehalt nach Abrechnung mit der Kranken- oder Unfallversicherung aufkommen, was bei Verfahrenskosten von vornherein ausgeschlossen scheint. Soweit die medizinischen Kosten die von den Strafanstalten sicherzustellende (im Kostgeld der Vollzugseinrichtungen inbegriffene) medizinische oder psychiatrische Grundversorgung während der Untersuchungshaft betreffen, könnten diese allenfalls als Kosten der Untersuchungshaft qualifiziert werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie nicht in Anwendung von Art. 422 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO der verurteilten Person auferlegt werden dürfen (oben E. 9.5.2). Als Strafuntersuchungskosten nach Art. 422 StPO gelten Auslagen für medizinische Untersuchungen im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung (z.B. bei Verdacht auf intrakorporalen Drogenschmuggel, sog. Bodypacking). Solche stehen hier jedoch nicht zur Diskussion. 9.5.5 Der Beschwerdeführer ficht zu Recht auch die Kosten für die Reinigung des Tatorts ("Reinigung Tatort") an. Unklar ist, was dieser Kostenpunkt beinhaltet und weshalb die Staatsanwaltschaft für diese Kosten aufkam bzw. weshalb diese im Zusammenhang mit dem "Strafverfahren" angefallen sein könnten. Naheliegender ist, dass es sich dabei um Kosten der "Straftat" handelt, die zwar einen Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Beschwerdeführer begründen ( Art. 41 Abs. 1 OR , allenfalls aus Vertrag), diesem aber nicht gestützt auf Art. 422 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO überbunden werden können. 9.5.6 Begründet ist auch der Einwand, die Staatsanwaltschaft bzw. die Vorinstanz berufe sich auf eine nicht öffentlich einsehbare Weisung der Generalstaatsanwaltschaft (GSTA). Art und Bemessungsgrundlagen der Gebühren müssen gesetzlich geregelt sein (vgl. Art. 424 Abs. 1 StPO ; oben E. 9.5.1). Blosse Weisungen genügen nicht. Im Rahmen der Ausführungserlasse des Bundes bzw. des Kantons und der in der StPO enthaltenen Grundsätze kann die zuständige Behörde die Gebühren nach ihrem Ermessen festsetzen (DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 424 StPO ). Soweit für die Begründung des pflichtgemässen Ermessens auf interne Weisungen verwiesen wird, müssen diese der betroffenen Person zumindest zugänglich gemacht werden (vgl. Urteil 1B_17/2015 vom 18. März 2015 E. 2.2). BGE 141 IV 465 S. 476 9.6 Die Vorinstanz wird sich zu sämtlichen Kostenpunkten in der Kostenauflistung nochmals äussern müssen. Fraglich ist namentlich auch, weshalb dem Beschwerdeführer die dort enthaltenen Entschädigungen an Rechtsanwalt Leu von Fr. 10'523.25 und Fr. 5'227.- belastet wurden. Die Kosten für die amtliche Verteidigung trägt die verurteilte beschuldigte Person nur, wenn es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (vgl. Art. 426 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO ). Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Kosten der Offizialverteidigung vor dem Bezirksgericht und im Berufungsverfahren auferlegte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer ausdrücklich nur unter Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO . 9.7 Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich zu Recht, dass Belege für die verschiedenen Auslagen nicht zu den Verfahrensakten gereicht wurden. Gemäss dem Begleitschreiben der Staatsanwaltschaft vom 18. April 2013 hätte der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsanwalt die Originalrechnungen mitsamt Zahlungsbelegen nach entsprechender Terminvereinbarung in der Buchhaltung der Staatsanwaltschaft einsehen können. Auch hätte die Staatsanwaltschaft dem Rechtsvertreter gegen Gebühr entsprechende Kopien zukommen lassen können. Damit wird verkannt, dass Auslagen zu belegen sind. Die Staatsanwaltschaft hätte die Belege bzw. Kopien davon (auf Verlangen) daher zu den Verfahrensakten reichen müssen. Die Vorinstanz wird die Belege und gegebenenfalls auch zusätzliche Informationen zu den einzelnen Auslagen soweit erforderlich im Zusammenhang mit der Neubeurteilung nachfordern müssen. 9.8 Die Beschwerde ist im Kostenpunkt gutzuheissen.
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9922c49b-8020-4fa7-9056-a95f80de1f44
Sachverhalt ab Seite 285 BGE 124 V 285 S. 285 A.- T., welcher als Inhaber eines Carrosseriebetriebes Arbeitnehmer beschäftigte, wurde durch rechtskräftige Verfügung vom 18. Januar 1994 der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) angeschlossen. Am 1. Dezember 1995 forderte ihn die Auffangeinrichtung auf, ihr Fr. 1'173.80 zu bezahlen. Nachdem er dieser Aufforderung nicht gefolgt war, wurde er am 3. Oktober 1996 gemahnt. In der anschliessenden Betreibung erhob er Rechtsvorschlag. B.- Am 6. Dezember 1996 klagte die Auffangeinrichtung beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen gegen T. auf Bezahlung von Fr. 1'493.80 nebst Zins zu 5% ab 3. Oktober 1996 auf dem Betrag von Fr. 1'273.80. Das kantonale Gericht hiess die Klage mit Entscheid vom 23. Mai 1997 gut, indem es T. verpflichtete, der Auffangeinrichtung den Betrag von Fr. 1'273.80 zuzüglich Zins zu 5% von Fr. 1'173.80 ab 3. Oktober 1996 zu bezahlen; überdies überband es ihm die Gerichtskosten von insgesamt 1'200 Franken und eine Prozessentschädigung zugunsten der Auffangeinrichtung von 600 Franken. C.- T. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei bezüglich Gerichtskosten und Prozessentschädigung aufzuheben; zudem ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. BGE 124 V 285 S. 286 Während sich die Auffangeinrichtung nicht vernehmen lässt, verzichten das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG . Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). b) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG ). 2. In Anwendung von Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97 OG und Art. 5 VwVG hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide, die sich auf kantonales Verfahrensrecht stützen, nicht zulässig ist ( BGE 112 V 110 Erw. 2c). Dies ist namentlich bei Entscheiden der Fall, mit denen eine Partei in Streitigkeiten - für welche die Bundesgesetzgebung keinen Anspruch auf Parteientschädigung vorsieht - von der kantonalen Instanz zur Bezahlung einer Entschädigung verpflichtet wird (SZS 1992 S. 296 Erw. 2a mit Hinweisen). Auch im Bereich der beruflichen Vorsorge existiert keine bundesrechtliche Regelung der Parteientschädigung. Art. 73 Abs. 2 BVG verlangt lediglich im Sinne von Mindestanforderungen, denen das kantonale richterliche Verfahren zu genügen hat, dass dieses einfach, schnell und in der Regel kostenlos sein muss. Daraus hat das Eidg. Versicherungsgericht abgeleitet, dass es - vorbehältlich einer hier nicht zutreffenden Ausnahme (vgl. Art. 159 Abs. 6 OG ) - nicht befugt ist, kantonale Entscheide in BGE 124 V 285 S. 287 BVG-Streitigkeiten bezüglich der Parteientschädigung zu überprüfen ( BGE 118 V 238 Erw. 8a, 112 V 112; SZS 1992 S. 297 Erw. 2b; ZAK 1987 S. 384 Erw. 2b; MARTIN WIRTHLIN, Zur letztinstanzlichen Überprüfung der Verlegung von Verfahrenskosten und Parteientschädigungen im Sozialversicherungsprozess, in: ZBJV 128/1992 S. 639 f.). Soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die im vorinstanzlichen Verfahren verlegte Parteientschädigung richtet, kann somit darauf nicht eingetreten werden. 3. a) Mit Bezug auf die Verfahrenskosten sieht das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge - im Gegensatz zu andern Erlassen im Bereich der Sozialversicherung - die Möglichkeit eines Abgehens von der Regel des kostenfreien kantonalen Prozesses ( Art. 73 Abs. 2 BVG ) nicht ausdrücklich vor. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 118 V 319 Erw. 3c erkannt hat, rechtfertigt es sich indes, die Einschränkung der Kostenfreiheit im Falle mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung als allgemeinen prozessualen Grundsatz des Bundessozialversicherungsrechts anzuerkennen (RÜEDI, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Sozialversicherungsprozesses, in: Walter R. Schluep [Hrsg.], Recht, Staat und Politik am Ende des zweiten Jahrtausends, Festschrift zum 60. Geburtstag von Bundesrat Arnold Koller, in: St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht 34/1993, S. 466 ff.). Ein entsprechender kantonaler Kostenentscheid beruht demnach nicht auf kantonalem Recht, sondern auf Bundesrecht, weshalb er mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ist. Das Eidg. Versicherungsgericht prüft dabei die grundsätzliche Frage, ob das kantonale Gericht zu Recht auf Mutwilligkeit oder Leichtsinnigkeit erkannt hat, mit umfassender Kognition. Soweit hingegen die dem kantonalen Recht vorbehaltene Kostenbemessung angefochten wird, ist diese nur daraufhin zu hinterfragen, ob die Anwendung der betreffenden kantonalen Bestimmungen oder - bei Fehlen solcher Vorschriften - die Ermessensausübung durch das kantonale Gericht zu einer Verletzung von Bundesrecht ( Art. 104 lit. a OG ) geführt hat, wobei in diesem Bereich als Beschwerdegrund praktisch nur das Willkürverbot des Art. 4 Abs. 1 BV verbleibt ( BGE 118 V 319 Erw. 3c und d). b) Nach der Rechtsprechung kann leichtsinnige oder mutwillige Prozessführung vorliegen, wenn die Partei ihre Stellungnahme auf einen Sachverhalt abstützt, von dem sie weiss oder bei der ihr zumutbaren BGE 124 V 285 S. 288 Sorgfalt wissen müsste, dass er unrichtig ist. Mutwillige Prozessführung kann unter anderem auch angenommen werden, wenn eine Partei vor der Rekursbehörde an einer offensichtlich gesetzwidrigen Auffassung festhält. Leichtsinnige oder mutwillige Prozessführung liegt aber solange nicht vor, als es der Partei darum geht, einen bestimmten, nicht als willkürlich erscheinenden Standpunkt durch den Richter beurteilen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn der Richter die Partei im Laufe des Verfahrens von der Unrichtigkeit ihres Standpunktes überzeugen und zu einem entsprechenden Verhalten (Beschwerderückzug) veranlassen will ( BGE 112 V 334 Erw. 5a mit Hinweisen). Die Erhebung einer aussichtslosen Beschwerde darf einer leichtsinnigen oder mutwilligen Beschwerdeführung nicht gleichgesetzt werden. Das Merkmal der Aussichtslosigkeit für sich allein lässt einen Prozess noch nicht als leichtsinnig oder mutwillig erscheinen. Vielmehr bedarf es zusätzlich des subjektiven - tadelnswerten - Elements, dass die Partei die Aussichtslosigkeit bei der ihr zumutbaren vernunftgemässen Überlegung ohne weiteres erkennen konnte, den Prozess aber trotzdem führt (AHI 1998 S. 189 Erw. 2c; SZS 1995 S. 386 Erw. 3a; RKUV 1992 Nr. K 891 S. 73 Erw. 3a mit Hinweisen). 4. a) Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit Verfügung vom 18. Januar 1994 der Beschwerdegegnerin angeschlossen worden ist. Diese machte mit Rechnung vom 1. Dezember 1995 eine Forderung von Fr. 1'173.80 für ausstehende Prämien und Verfügungsgebühren geltend. Diesen Betrag mahnte sie mit Schreiben vom 3. Oktober 1996 unter Androhung, dass bei Ausbleiben der Zahlung ohne weiteren Verzug der Rechtsweg beschritten werde. Da der Beschwerdeführer keine Folge leistete, leitete sie die Betreibung ein, worauf dieser Rechtsvorschlag erhob. Am 6. Dezember 1996 reichte die Beschwerdegegnerin beim kantonalen Gericht Klage ein. Der Beschwerdeführer liess sich in diesem Verfahren trotz Ansetzen einer Nachfrist und ausdrücklichem Hinweis auf die Säumnisfolgen nicht vernehmen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sah die Vorinstanz ab, nachdem er auf ein entsprechendes Schreiben vom 18. Februar 1997 ebenfalls nicht reagiert hatte. Am 23. Mai 1997 erliess diese sodann den angefochtenen Entscheid. b) Mutwillige Prozessführung kann darin begründet liegen, dass eine Partei eine ihr in dieser Eigenschaft obliegende Pflicht (z.B. Mitwirkungs-, Unterlassungspflicht) verletzt ( BGE 112 V 335 Erw. 5a). Das Verhalten des Beschwerdeführers im vorinstanzlichen Prozess zeichnete sich im BGE 124 V 285 S. 289 wesentlichen dadurch aus, dass er trotz Mahnung auf eine Stellungnahme zu den Vorbringen in der Klageschrift verzichtet hat. Dieses Verhalten allein vermag einen Vorwurf der Mutwilligkeit nicht zu begründen. Mit Bezug auf Prämienstreitigkeiten in der beruflichen Vorsorge gilt es indessen auf die besondere Natur des Verfahrens hinzuweisen. In der in BGE 118 V 316 nicht veröffentlichten Erwägung 4b führte das Eidg. Versicherungsgericht aus, beim (kantonalen) Prozess nach Art. 73 BVG handle es sich um ein Klageverfahren (BGE BGE 115 V 379 Erw. 3b, BGE 114 V 244 Erw. 3d) mit der Folge, dass der nunmehrige Beschwerdeführer nicht verfügungs-, sondern unmittelbar klageweise belangt wurde und er sich auf das entsprechende Verfahren zwangsläufig einzulassen hatte. Wenn er sich dabei untätig verhalte, möge sich dies zu seinem Nachteil auf die materielle Beurteilung auswirken; doch könne einzig darin - wie im Falle objektiv ungerechtfertigten Widerstandes - kein Grund zur Annahme leichtsinnigen oder mutwilligen Prozessierens erblickt werden. Diese Rechtsprechung bedarf insofern einer Präzisierung, als im Zusammenhang mit Prämienstreitigkeiten das prozessuale Verhalten des Zahlungspflichtigen nicht für sich allein, sondern in Verbindung mit seinem vorprozessualen Verhalten zu würdigen und unter dem Gesichtswinkel der Mutwilligkeit zu qualifizieren ist. Denn in Fällen wie dem vorliegenden geht es dem Arbeitgeber nicht darum, einen richterlichen Entscheid zur Klärung der Sach- und Rechtslage zu erhalten. Vielmehr zielt er darauf ab, die Zahlungspflicht durch Passivität möglichst lange hinauszuschieben. Dies wird ihm insofern erleichtert, als die Vorsorgeeinrichtungen Beitragsstreitigkeiten nicht verfügungsweise regeln können, sondern für die Rechtsverbindlichkeit ihrer Forderungen den Klageweg nach Art. 73 BVG beschreiten müssen ( BGE 119 V 296 Erw. 3, BGE 115 V 224 , 239, 375; SVR 1995 BVG Nr. 40 S. 118 Erw. 2b). Im Gegensatz zu den verfügungsberechtigten Verwaltungsbehörden ( BGE 109 V 46 , BGE 107 III 60 ; ZAK 1984 S. 190) können sie daher auch nicht selber über die Aufhebung des Rechtsvorschlages befinden (vgl. BGE 115 V 382 Erw. 5c). Dieser besonderen prozessualen Situation im Bereich von Art. 73 BVG ist Rechnung zu tragen. Wer als Arbeitgeber oder Versicherter Rechnungen und Mahnungen nicht beachtet, sich deswegen von der Vorsorgeeinrichtung betreiben lässt, diese - bei materiell offensichtlich unbegründetem Standpunkt - mittels Rechtsvorschlag zwingt, den Rechtsweg zu beschreiten, in eben diesem selber veranlassten Prozess nichts von sich BGE 124 V 285 S. 290 hören lässt und somit nicht das geringste zur Klärung des Sachverhalts beiträgt, handelt mutwillig. Eine solche Prozessverursachung verbunden mit der durch Untätigkeit geprägten Haltung im Gerichtsverfahren, welche insgesamt auf eine Verzögerungstaktik des Zahlungspflichtigen hinausläuft, darf - ohne dass darin eine Bundesrechtswidrigkeit zu erblicken wäre - durch Auferlegung von Gerichtskosten sanktioniert werden. c) Wenn die Vorinstanz das Verhalten des Beschwerdeführers, welcher der Rechnungsstellung durch die Auffangeinrichtung keine Folge leistete, in der anschliessenden Betreibung Rechtsvorschlag erhob und sich zudem im dadurch veranlassten Gerichtsverfahren nicht vernehmen liess, als mutwillig betrachtet und ihm deswegen Gerichtskosten auferlegt hat, lässt sich dies aus bundesrechtlicher Sicht nicht beanstanden (vgl. SZS 1992 S. 295). Sämtliche Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Insbesondere kann der Beschwerdeführer seine Vorgehensweise nicht mit dem Einwand der Zahlungsunfähigkeit rechtfertigen. 5. (Kosten; unentgeltliche Prozessführung)
de
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Sachverhalt ab Seite 580 BGE 139 V 579 S. 580 A. H., geboren 1948, arbeitete seit 1991 als Leiterin der Geschäftsstelle X. SA. Im Januar 2006 traf die Arbeitgeberin mit ihr eine Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis per Ende April 2006 wegen Schliessung der Geschäftsstelle beendet werde und die Arbeitnehmerin im Monat Mai eine "Sonderprämie" in der Höhe von 6 Monatsgehältern (ohne Zulagen, "nicht PK-pflichtig") erhalte. Am 8. August 2006 stellte H. Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. In der Rubrik 2 des Antrags mit der Frage "Ab welchem Datum erheben Sie Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung?" ist handschriftlich das Datum des 1. November 2006 angegeben. Mit Schreiben vom 11. und 18. August 2006 bestätigte die Kasse die Anmeldung, und bereits am 14. August lud das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum H. zu einem Beratungsgespräch auf den 2. Oktober 2006 ein. Unter Festsetzung der Rahmenfrist vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2008 richtete die Arbeitslosenkasse erstmals für den Monat November 2006 Arbeitslosenentschädigung aus. Am 15. Dezember 2006 liess H. der Arbeitslosenkasse Nachweise ihrer persönlichen Arbeitsbemühungen aus der Zeit von Februar bis August 2006 zukommen. H. erlitt am 26. September 2006 eine Aneurysma-Ruptur mit Hirnblutung und war in der Folge 100 % arbeitsunfähig. Die IV-Stelle Basel-Landschaft sprach H. mit Verfügung vom 2. Oktober 2008 eine halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1. September 2007 und mit Verfügung vom 6. Oktober 2011 eine Dreiviertelsrente ab 1. November 2008 zu. B. Mit Klage vom 24. Mai 2012 liess H. beantragen, die Stiftung Auffangeinrichtung BVG sei zu verpflichten, ihr ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 56 % ab 1. September 2007 und von 62 % ab 1. November 2008 Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge auszurichten. Mit Entscheid vom 15. März 2013 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Klage ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H. die Aufhebung des kantonalen Entscheides beantragen sowie das Rechtsbegehren um Zusprechung von Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge erneuern. BGE 139 V 579 S. 581 Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Anspruch auf Invalidenleistungen haben nach Art. 23 lit. a BVG Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren. Die obligatorische Versicherung beginnt gemäss Art. 10 Abs. 1 BVG für Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag, für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird. Laut Art. 10 Abs. 2 lit. d BVG endet die Versicherungspflicht, wenn der Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung wegen des Ablaufs der Rahmenfrist endet. 2.2 Das kantonale Gericht hat richtig auf die obligatorische berufliche Vorsorge für Taggeldbezüger der Arbeitslosenversicherung hingewiesen, die nach Art. 60 Abs. 2 lit. e BVG durch die Auffangeinrichtung BVG durchgeführt wird. Ebenso zutreffend ist, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 23 lit. a BVG die Versicherteneigenschaft im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit, die zur Invalidität geführt hat, bestanden haben muss ( BGE 136 V 65 E. 3.1 S. 68). Darauf wird verwiesen. Überdies hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die massgebliche Arbeitsunfähigkeit am 26. September 2006 eingetreten ist ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), was mit der Festlegung des Beginns der Wartezeit durch die IV-Stelle übereinstimmt. Davon ist im Folgenden auszugehen. 3. 3.1 Die Verordnung vom 3. März 1997 über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen (SR 837.174) umschreibt den Kreis der versicherten Personen in Art. 1 Abs. 1 lit. a wie folgt: "Für die Risiken Tod und Invalidität sind obligatorisch versichert arbeitslose Personen, welche: die Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 8 AVIG für den Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung erfüllen oder Entschädigungen nach Artikel 29 AVIG beziehen und (...)". BGE 139 V 579 S. 582 Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nach Art. 8 AVIG (SR 837.0) sind: ganze oder teilweise Arbeitslosigkeit (lit. a), anrechenbarerer Arbeitsausfall (lit. b), Wohnen in der Schweiz (lit. c), zurückgelegte obligatorische Schulzeit und noch nicht im AHV-Alter stehend (lit. d), erfüllte Beitragszeit oder explizite Befreiung davon (lit. e), Vermittlungsfähigkeit (lit. f) und schliesslich Erfüllung der Kontrollvorschriften (lit. g). 4. Es stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Eintritts ihrer Arbeitsunfähigkeit am 26. September 2006 arbeitslos im Sinne von Art. 8 AVIG gewesen ist. Entscheidend für die Entstehung des Versicherungsschutzes ist gemäss Auffassung der Vorinstanz, dass tatsächlich Taggelder der Arbeitslosenversicherung ausgerichtet worden seien. Erst in diesem Zeitpunkt setze der Versicherungsschutz der beruflichen Vorsorge ein. Der Gesetzgeber habe bei Erlass von Art. 10 Abs. 1 BVG den konkreten ersten entschädigungsberechtigten Tag im Auge gehabt, was deutlich aus dem Wortlaut des Gesetzestextes hervorgehe; die Bestimmung regle den Beginn des Versicherungsschutzes, während Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen den Kreis der versicherten Personen festlege. Es gebe keinen Anlass, den klaren Gesetzeswortlaut von Art. 10 Abs. 1 BVG anders auszulegen. Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung sage über die Entstehung des Versicherungsschutzes nichts aus. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, sie habe bereits im August 2006 alle Voraussetzungen für den Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung erfüllt, sei aber von der Arbeitslosenkasse durch das Anbringen des Datums "1. November" auf dem Antragsformular, wonach Taggelder erst ab diesem Datum beantragt würden, daran gehindert worden, früher Taggelder zu beziehen. Diese Begründung habe das kantonale Gericht nicht gewürdigt und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. 4.1 Art. 10 Abs. 1 BVG lässt die obligatorische Versicherung (hinsichtlich der Risiken Tod und Invalidität; Art. 2 Abs. 3 BVG ) für die Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit dem Tag beginnen, "für den erstmals eine Arbeitslosenentschädigung ausgerichtet wird". Deutlicher noch als die deutsche Version bringen die französische und die italienische Sprachfassung der Vorschrift ("le jour où ils perçoivent pour la première fois une indemnité BGE 139 V 579 S. 583 de chômage", "il giorno in cui è versata per la prima volta un'indennità di disoccupazione") zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber damit den konkreten entschädigungsberechtigten Tag im Auge hatte (SVR 2011 BVG Nr. 30 S. 116, 9C_793/2010 E. 4). Art. 10 Abs. 1 BVG hatte durch die zweite Teilrevision des AVIG (Erlass von Art. 117a AVIG , in Kraft seit 1. Juli 1997) Eingang ins Gesetz gefunden. Im Zuge dieser Revision war Art. 117a AVIG neu geschaffen worden. Ein Ziel der damaligen Revision war - unter anderen - die Schliessung von Versicherungslücken bei Arbeitslosigkeit bzw. die Koordination mit der beruflichen Vorsorge, "soweit es die Finanzlage der Versicherung gestattet" (Botschaft vom 29. November 1993 zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BBl 1994 I 340, 344 Ziff. 11). Aus finanziellen Gründen schloss der Bundesrat als Kompromisslösung einen obligatorischen Vollschutz für arbeitslose Personen auch für das Alter aus und beschränkte sich auf einen Vorsorgeschutz lediglich für das Todesfall- und das Invaliditätsrisiko. Der Vorschlag passierte ohne Änderungen die parlamentarische Debatte. Einzig die Berichterstatterin im Ständerat (Beerli) führte dazu aus, die neuen Art. 22a (Beiträge der arbeitslosen Person an die Sozialversicherung) und Art. 117a AVIG seien Anpassungen der beruflichen Vorsorge "zur Sicherstellung des Schutzes gegen Invalidität oder Todesfall während der Arbeitslosigkeit" (AB 1994 S 322). Im Nationalrat erfolgte diskussionslose Zustimmung zum Beschluss des Ständerats (AB 1994 N 1719). In den wenigen Hinweisen aus dem gesetzgeberischen Entstehungsprozess wird immerhin das Bestreben deutlich, den Versicherungsschutz der beruflichen Vorsorge bei Tod und Invalidität "während der Arbeitslosigkeit" sicherzustellen. 4.2 Dieser Intention des Gesetzgebers widerspräche eine Lösung, die einen Versicherungsschutz erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Ausrichtung von Arbeitslosengeldern annähme. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der erstmaligen faktischen Taggeldausrichtung an, sondern darauf, ab wann das Taggeld AlV-rechtlich geschuldet war und hätte ausbezahlt werden müssen, wenn die Arbeitslosenkasse richtig vorgegangen wäre. Im vorliegenden Fall ist dieser Zeitpunkt ausgehend von der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung vom 8. August 2006 und unter Berücksichtigung der Wartezeit von 5 Tagen gemäss Art. 18 Abs. 1 AVIG festzusetzen. Wäre der faktische Taggeldbezug massgebend, wäre der Beginn des Versicherungsschutzes von Zufälligkeiten des Verwaltungshandelns BGE 139 V 579 S. 584 abhängig, was nicht einleuchtet. Daher muss entscheidend sein, wann die entschädigungsberechtigten Tage beginnen (so auch SVR 2011 BVG Nr. 30 S. 116, 9C_793/2010 E. 4). Richtigerweise wird denn auch in den Erläuterungen zur Verordnung über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen ausgeführt, Artikel 1 Absatz 1 lege die Voraussetzungen fest, die nach dem AVIG und dem BVG von den arbeitslosen Personen erfüllt sein müssen, damit sie zum Versichertenkreis gehören. Versichert ist, wer die Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 8 AVIG erfüllt und den koordinierten Lohn nach BVG erreicht (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 38 vom 12. März 1997). 4.3 Im Zeitpunkt ihrer Erkrankung am 26. September 2006 hat die Beschwerdeführerin sämtliche Voraussetzungen von Art. 8 AVIG erfüllt (E. 3.1 hievor): Sie war bei ihrer Anmeldung im August 2006 arbeitslos und vermittlungsfähig, erfüllte sowohl die Kontrollvorschriften ( Art. 17 AVIG ) als auch die Beitragszeit und erlitt insbesondere bereits im Zeitpunkt ihrer Anmeldung einen anrechenbaren Arbeitsausfall: 4.3.1 Eine freiwillige Arbeitgeberzahlung, die den Höchstbetrag gemäss Art. 11a Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 AVIG , d.h. den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes der obligatorischen Unfallversicherung, nicht überschreitet, ist nicht anrechenbar und bewirkt somit keinen Leistungsaufschub (vgl. BGE 139 V 384 E. 5.3.1 und 5.3.2 S. 388 f.; Urteil 8C_188/2011 vom 8. Juni 2011 E. 3.4). 4.3.2 Die Sonderprämie von sechs Monatsgehältern, die der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai 2006 mit Vereinbarung vom 23. Januar 2006 in Aussicht gestellt worden war, ist eine freiwillige Zahlung der Arbeitgeberin. Sie erreicht den Höchstbetrag von Art. 11a Abs. 2 AVIG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 AVIG nicht und bewirkt somit - entgegen der offenbaren Auffassung der Arbeitslosenkasse - keinen Leistungsaufschub.
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Sachverhalt ab Seite 332 BGE 143 V 330 S. 332 A. Am 9./22. März 2012 schlossen die Klinik A. AG und insgesamt 48 Krankenversicherer eine Vereinbarung unter dem Titel "Tarifvertrag gemäss KVG (SwissDRG) vom 01.01.2012 betreffend Leistungsabgeltung nach SwissDRG für akut-stationäre Behandlungen gemäss KVG" (nachfolgend: Tarifvertrag). B. Am 23. September 2015 erhoben 17 der tarifvertraglichen Krankenversicherer, vertreten durch die tarifsuisse AG, Klage gegen die Klinik A. AG betreffend "Tarifstreitigkeit (Rückforderung unrechtmässiger Mehrkosten nach Tarifwechsel, CMI-Fallmonitoring)" mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihnen unter dem Titel "CMI-Fallzahlenmonitoring 2012" den Gesamtbetrag von Fr. 200'712.40, aufgeschlüsselt auf die klagenden Krankenversicherer, zu bezahlen. Mit Entscheid vom 18. November 2016 hiess das Schiedsgericht in den Sozialversicherungen des Kantons Solothurn die Klage vollumfänglich gut. C. Die Klinik A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Klage der am Recht stehenden Krankenversicherer abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz und die Krankenversicherer schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ersucht um Gutheissung der Rechtsvorkehr im Sinne seiner Erwägungen und Rückweisung der Angelegenheit an das Schiedsgericht zur Neubeurteilung. Die Klinik A. AG lässt sich im Anschluss nochmals vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. BGE 143 V 330 S. 333 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.2 Das Schiedsgericht in den Sozialversicherungen des Kantons Solothurn beurteilt als Schiedsgericht gemäss Art. 89 KVG Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die freiwillige Taggeldversicherung betreffen (Art. 89 in Verbindung mit Art. 1a Abs. 1 KVG ; § 54 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 13. März 1977 über die Gerichtsorganisation [GO; BGS 125.12] in Verbindung mit § 80 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [Verwaltungsrechtspflegegesetz; BGS 124.11] und § 1 Abs. 2 lit. b sowie §§ 8 ff. der Verordnung des solothurnischen Kantonsrates vom 22. September 1987 über das Verfahren vor dem Versicherungsgericht und über die Organisation und das Verfahren der Schiedsgerichte in den Sozialversicherungen [BGS 125.922]). In diesem Sinne hatten die Parteien tarifvertraglich auch ihren Gerichtsstand bestimmt. Die Vorinstanz hat sich demnach zu Recht mit der bei ihr klageweise anhängig gemachten Angelegenheit befasst. (...) 3. 3.1 Am 21. Dezember 2007 erfuhr das KVG eine Änderung unter dem Titel "Spitalfinanzierung" (AS 2008 2049 ff.). Ein zentraler Punkt dabei war ein Wechsel des Tarifmodells durch die Einführung leistungsbezogener Fallpauschalen. Gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG , in Kraft seit 1. Januar 2009, vereinbaren die Vertragsparteien für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt und Pflegeleistungen in einem Spital Pauschalen (Satz 1). In der Regel sind Fallpauschalen festzulegen (Satz 2). Art. 49a KVG regelt die Vergütung der stationären Fallpauschalen, insbesondere die Kostenanteile des Kantons und der Krankenversicherer. 3.2 In den Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Dezember 2007 des KVG (AS 2008 2056) wurde festgelegt, dass die Einführung der leistungsbezogenen Pauschalen nach Art. 49 Abs. 1 KVG sowie die Anwendung der Finanzierungsregelung nach Art. 49a KVG mit Einschluss der Investitionskosten spätestens am 31. Dezember 2011 abgeschlossen sein mussten (Abs. 1). Nach Abs. 2 bestimmte der Bundesrat die Einführungsmodalitäten (lit. a) sowie das BGE 143 V 330 S. 334 Verfahren, nach dem die vor Inkrafttreten der Änderung getätigten Investitionen in die Tarifberechnung einzubeziehen waren (lit. b). 3.3 3.3.1 Der im Rahmen der KVG-Änderung neu gefasste Art. 59d KVV (SR 832.102; "Leistungsbezogene Pauschalen"), in Kraft seit 1. Januar 2009, regelt den Inhalt des Tarifvertrags, den die Tarifpartner gemäss Gesetz abzuschliessen haben und der vom Bundesrat genehmigt wird (AS 2008 5102). 3.3.2 Gestützt auf Abs. 2 der zitierten Übergangsbestimmungen erliess der Bundesrat am 22. Oktober 2008 u.a. die Schlussbestimmungen zur KVV (AS 2008 5097 ff., insb. 5103; nachfolgend: SchlBest. KVV). Gemäss Abs. 2 SchlBest. KVV musste das erste Gesuch um Genehmigung des Tarifvertrags nach Art. 59d KVV dem Bundesrat spätestens am 30. Juni 2009 unterbreitet werden. Der Tarifvertrag hatte zusätzlich zur einheitlichen Tarifstruktur und zu den Anwendungsmodalitäten des Tarifs einen gemeinsamen Vorschlag der Tarifpartner über die bei der Einführung der leistungsbezogenen Pauschalen erforderlichen Begleitmassnahmen zu enthalten. Dafür mussten die Tarifpartner namentlich Instrumente zur Überwachung der Entwicklung der Kosten und der Leistungsmengen (Monitoring) sowie die Korrekturmassnahmen vereinbaren. 3.4 In der Folge kam die vorgesehene Vereinbarung der Begleitmassnahmen bei der Einführung der leistungsbezogenen Pauschalen sowie von Instrumenten zur Überwachung der Entwicklung der Kosten und der Leistungsmengen (Monitoring) sowie der Korrekturmassnahmen mangels Einigung der Tarifpartner nicht zustande. Der Bundesrat nahm daher am 2. November 2011 (Inkrafttreten am 1. Dezember 2011) die folgenden Ergänzungen der SchlBest. KVV vor (AS 2011 5037 ff.): 3.4.1 Das Monitoring nach Abs. 2 SchlBest. KVV umfasst insbesondere pro Leistungserbringer die Entwicklung der Fallzahl, der abgerechneten Kosten und im Falle eines Vergütungsmodells vom Typus Diagnosis Related Group (DRG) die Entwicklung des Case Mix Index (CMI). Das Monitoring über sämtliche Bereiche nach Art. 49 Abs. 1 KVG , einschliesslich der vor- und nachgelagerten Bereiche, muss insbesondere gewährleisten, dass neben dem Korrekturmechanismus nach Abs. 2 ter SchlBest. KVV zusätzliche Korrekturmassnahmen von den Tarifpartnern durchgeführt werden können. Können sich die Tarifpartner nicht auf ein entsprechendes BGE 143 V 330 S. 335 Monitoring einigen, übermitteln die Leistungserbringer den Versicherern die dazu notwendigen Informationen ab dem Einführungszeitpunkt nach Abs. 1 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 21. Dezember 2007 des KVG bis zum Abschluss der Korrekturmassnahmen quartalsweise. Die Versicherer führen gemeinsam ein Monitoring durch und veröffentlichen halbjährlich eine Auswertung als Grundlage für Korrekturmassnahmen der Tarifpartner (Abs. 2 bis SchlBest. KVV). 3.4.2 Können sich die Tarifpartner im Falle eines Vergütungsmodells vom Typus DRG nicht auf gesamtschweizerisch einheitliche Korrekturmassnahmen nach Abs. 2 SchlBest. KVV einigen, so muss der Leistungserbringer in den ersten beiden Jahren nach Einführung des Vergütungsmodells sowohl bei einer ungerechtfertigten Erhöhung um mehr als 2 %, des effektiven CMI im Abrechnungsjahr gegenüber dem vereinbarten CMI als auch der effektiven Fallzahl im Abrechnungsjahr gegenüber der bei der Vereinbarung des CMI berücksichtigten Fallzahl, die Mehrerträge innerhalb des Folgejahres anteilsmässig nach Art. 49a KVG (Abgeltung der stationären Leistungen durch Kanton und Versicherer) rückvergüten. Die Umsetzungsmodalitäten werden zwischen Leistungserbringern und Versicherern vereinbart (Abs. 2 ter SchlBest. KVV). 3.5 Auf dieser Basis schlossen die Parteien im März 2012 einen Tarifvertrag. Dessen Anhang 4 regelt in Ziff. 3.3 das Monitoring und den Korrekturmechanismus. Der Vertrag sieht als Grundsatz eine Rückvergütung vor, soweit der effektiv abgerechnete CMI oder die effektiv behandelten KVG-Fälle im Abrechnungsjahr die vereinbarten CMI- oder Fallzahlen um mehr als 2 % übersteigen. Wenn das Spital datengestützt nachweist, dass sein effektiver SwissDRG-CMI und seine effektive KVG-Fallzahl auf Grund signifikanter, nicht geplanter Änderungen seines Leistungsspektrums oder bestimmter Leistungsmengen angestiegen ist, wird dieser Teil bei der Rückerstattung berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden übliche Veränderungen und Verschiebungen auf Grund des Wettbewerbs. 4. 4.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht eine Rückvergütungspflicht der - in betraglicher Hinsicht unbestrittenen - Mehrerträge der Beschwerdeführerin im Jahr 2012 von Fr. 200'712.40 bejaht hat. 4.2 Einigkeit besteht darüber, dass die Parteien betreffend Einführungsmonitoring und Korrekturmechanismus für das BGE 143 V 330 S. 336 Abrechnungsjahr 2012 einen CMI von 0.7113 und eine Fallzahl von 684 vereinbart haben. Unbestritten ist ferner, dass die Toleranzmarge von 2 % bei der Fallzahl im Abrechnungsjahr 2012 durch die Beschwerdeführerin überschritten wurde (Anstieg der Fallzahl um 20 % auf 820 Fälle). Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei um eine gerechtfertigte Erhöhung handelt, welche keine Rückvergütung der Mehrerträge nach sich zieht. 5. 5.1 Nach Abs. 2 ter SchlBest. KVV besteht "bei einer ungerechtfertigten Erhöhung um mehr als 2 Prozent [...] der effektiven Fallzahl im Abrechnungsjahr gegenüber der bei der Vereinbarung des CMI berücksichtigten Fallzahl" eine Rückerstattungspflicht. Das BAG führte in seinen "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" zu den vorgesehenen Änderungen des KVV per 1. Dezember 2011 vom 2. November 2011 (nachfolgend: Kommentar BAG) bezogen auf Abs. 2 ter SchlBest. KVV aus, weise der Leistungserbringer datengestützt nach, dass sein effektiver CMI auf Grund signifikanter, nicht geplanter Änderungen seines Leistungsspektrums angestiegen sei, könne dieser Teil bei der Rückerstattung als gerechtfertigte Erhöhung berücksichtigt werden. Als eine "gerechtfertigte", von der Rückerstattungspflicht ausgenommene Fallzahlerhöhung bezeichnete es eine solche, die auf die so genannte freie Spitalwahl und/oder Änderungen im Leistungsauftrag zurückzuführen sei. Ferner dürften - so das BAG im Folgenden - weitere für den Leistungserbringer als exogen zu betrachtende Komponenten wie insbesondere die demographische Veränderung und/oder neue Pflichtleistungen bei entsprechendem Nachweis ebenfalls berücksichtigt werden. Leistungserbringer und Versicherer seien gehalten, die Umsetzungsmodalitäten wie namentlich das Rückerstattungsprozedere zu regeln. 5.2 Der zwischen den Parteien geschlossene Tarifvertrag stipuliert in Anhang 4 eine Pflicht zur Rückvergütung, sofern die für das jeweilige Abrechnungsjahr vereinbarte Fallzahl um mehr als 2 % überschritten wird (Ziff. 3.3 lit. d). Lit. g der Bestimmung sieht vor: "Weist das Spital datengestützt nach, dass sein effektiver SwissDRG-CMI und seine effektive KVG-Fallzahl aufgrund signifikanter, nicht geplanter Änderungen seines Leistungsspektrums oder bestimmter Leistungsmengen angestiegen ist, wird dieser Teil bei der Rückerstattung berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden übliche Veränderungen und Verschiebungen aufgrund des Wettbewerbs." BGE 143 V 330 S. 337 6. 6.1 Die Verordnungsregelung ist mit dem kantonalen Schiedsgericht als grundsätzlich subsidiär zu einer tarifvertraglichen Konkretisierung einzustufen. So wird denn auch im Kommentar BAG ausdrücklich festgehalten, dass der Bundesrat, um insbesondere der andauernden Uneinigkeit der Tarifpartner hinsichtlich Monitoring und Korrekturmassnahmen auf nationaler Ebene entgegenzuwirken, im Rahmen seiner Kompetenz, die Einführungsmodalitäten zu bestimmen, in Abs. 2 ter SchlBest. KVV für zwei Jahre eine kurzfristig umsetzbare Korrekturmassnahme subsidiär festlege. 6.2 Wenn daraus im angefochtenen Entscheid indessen gefolgert wird, die Anforderungen an den Nachweis, dass die Überschreitung der vereinbarten Fallzahl gerechtfertigt sei, seien einzig nach Massgabe der in Anhang 4/Ziff. 3.3 lit. g des Tarifvertrags enthaltenen Formulierung zu beurteilen, kann der Vorinstanz nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden. Namentlich übersieht sie, worauf das BAG in seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung zu Recht hinweist, dass sich Leistungserbringer und Versicherer bei der Einigung über die Art und Weise der Umsetzung der vorgesehenen Korrekturmassnahmen und damit auch der Umschreibung einer allfällig ungerechtfertigten Erhöhung der Fallzahl an den Bestimmungen und der Zielsetzung des KVG zu orientieren haben. 6.2.1 Die im Rahmen des KVG im Bereich der Spitalfinanzierung vom 21. Dezember 2007 eingeführte erweiterte Spitalwahl ( Art. 41 Abs. 1 bis KVG ) ermöglicht es den versicherten Personen, sich in einem Listenspital behandeln zu lassen, welches nicht auf der Spitalliste ihres Wohnkantons aufgeführt wird, ohne dass der Finanzierungsbeitrag des Wohnkantons wegfällt. Voraussetzung für die vollständige Übernahme des kantonalen Vergütungsanteils durch den Wohnkanton ist, dass für diese Hospitalisation medizinische Gründe im Sinne von Art. 41 Abs. 3 KVG vorliegen ( BGE 140 V 277 E. 4.2 S. 279 ff. mit diversen Hinweisen). Neben dem Ausbau der Wahlrechte der versicherten Personen sollte mit der Einführung des Instruments der erweiterten Spitalwahl überdies der interkantonale Qualitätswettbewerb unter den Leistungserbringern gefördert und damit der Druck auf das Kostenniveau gesteigert werden (vgl. u.a. "Evaluation der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung, Zwischenresultate, Kurzfassung des Berichts des BAG an den Bundesrat" vom 13. Mai 2015 und dortige weiterführende Hinweise, S. 1 Mitte, S. 2 Mitte, S. 5 unten). BGE 143 V 330 S. 338 6.2.2
de
b7bad48a-d452-4090-9f08-bbf8f3db3d6a
Sachverhalt ab Seite 131 BGE 141 I 130 S. 131 A. Der Kanton Thurgau betreibt in der Kartause Ittingen ein Kunstmuseum. Eigentümerin der Liegenschaft ist die 1977 gegründete privatrechtliche Stiftung Kartause Ittingen. Die Museumsräume wurden 1983 erstellt und mit Beiträgen des Kantons aus dem Lotteriefonds und einer Spende der Kantonalbank Thurgau finanziert. Gemäss Vereinbarung vom 30. Januar 1985 nutzt der Kanton Thurgau die Räumlichkeiten ohne Mietzins, bezahlt jedoch Pauschalen für die von der Stiftung erbrachten Leistungen und trägt die Unterhaltskosten. Eine vom Kanton 2009 eingesetzte Steuergruppe kam zum Ergebnis, dass ein Erweiterungsbau für die Entwicklung des Museums unabdingbar sei, da die kantonale Kunstsammlung in den bestehenden Räumen nicht angemessen gezeigt werden könne; zudem genügten die klimatischen Bedingungen den heutigen Museumsstandards nicht mehr. Am 22. November 2011 erteilte der Regierungsrat der Stiftung den Auftrag, ein Vorprojekt für einen Erweiterungsbau auszuarbeiten. Das Vorprojekt sieht vor, im Nordhof der Kartause Ittingen, zwischen den bestehenden Ausstellungsklausen und der Klostermauer, einen langgezogenen Holzbau zu errichten, um zusätzlich 700 m 2 Ausstellungsfläche zu schaffen. Der Kanton Thurgau und die Stiftung vereinbarten, dass der Erweiterungsbau von der Stiftung realisiert wird, während der Kanton die bestehenden Ausstellungsräume saniert. Zu den Kosten des Erweiterungsbaus von insgesamt Fr. 12'940'000.- soll der Kanton einen Baubeitrag von Fr. 11'320'000.- aus dem Lotteriefonds beisteuern. Ziff. 6.1 der Vereinbarung sieht vor, dass diese in Kraft tritt, "falls und sobald der Grosse Rat den Objektkredit für die Gesamtsanierung der Ausstellungsräume Nord des Kunstmuseums genehmigt hat". B. Mit der Botschaft zum Budget 2014 beantragte der Regierungsrat dem Grossen Rat einen Objektkredit über 4,6 Mio. Franken für die Sanierung der bestehenden Räume des kantonalen BGE 141 I 130 S. 132 Kunstmuseums in der Kartause Ittingen. In einer speziellen Beilage des Departements für Bau und Umwelt (DBU) vom 24. September 2013 erläuterte dieses das Projekt und dessen Finanzierung (im Folgenden: Beilage zur Budgetbotschaft). In der Detailberatung des Voranschlags 2014 und des Finanzplans 2015-2017 vom 4. Dezember 2013 beantragte Kantonsrat Somm namens der Grünliberalen Partei (GLP) die Streichung des Objektkredits für die Sanierung des Kunstmuseums. Nach intensiver Debatte wurde dieser Antrag abgelehnt und der Objektkredit des Postens "Kartause Ittingen, Ausstellungsräume Nord, Gesamtsanierung" in Höhe von Fr. 4,6 Mio. Franken genehmigt (Ziff. 2.1). Abgewiesen wurde auch der Antrag von Kantonsrat Lei, den Objektkredit (in Ziff. 2.2) als neue Ausgabe zu qualifizieren: Der Rat beschloss im Gegenteil, dass es sich um gebundene Ausgaben handle. C. Am 10. Dezember 2013 erhoben Markus Aus der Au, Walter Dahinden, Reto Frei, Willi Hut, Adrian Käppeli, Markus Schär, Richard Steffen und Peter Thalmann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht gegen den Beschluss des Grossen Rats vom 4. Dezember 2013. Sie beantragen, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und der Grosse Rat sei anzuhalten, den Beschluss über eine Ausgabe von 4,6 Mio. Franken für die Sanierung des Kunstmuseums in der Kartause Ittingen der Volksabstimmung zu unterstellen. Es sei festzustellen, dass der vorgesehene Kantonsbeitrag von 11,32 Mio. Franken für einen Erweiterungsbau des Kunstmuseums nicht dem Lotteriefonds entnommen werden dürfe. Eventualiter seien der Grosse Rat und der Regierungsrat anzuhalten, vor der Entnahme dieses Betrages aus dem Lotteriefonds die beabsichtigte Ausgabe dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten. Dem Regierungsrat sei mit superprovisorischer Verfügung zu verbieten, der Stiftung Kartause Ittingen weitere Zahlungen im Zusammenhang mit dem geplanten Ersatzbau für ein Kunstmuseum zu leisten. D. Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Grosse Rat beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, soweit sie sich gegen den Einsatz von Mitteln aus dem Lotteriefonds richte; im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. (...) BGE 141 I 130 S. 133 G. Das Bundesgericht hat über die Beschwerde in einer öffentlichen Beratung entschieden. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Finanzreferendum ist in der Thurgauer Kantonsverfassung vom 16. März 1987 (KV/TG; SR 131.228) wie folgt geregelt: " § 23 Volksabstimmung über Finanzbeschlüsse 1. Beschlüsse des Grossen Rates, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 3 000 000 Franken oder neue jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als 600 000 Franken vorsehen, unterliegen der Volksabstimmung. 2. [...] 3. Beschlüsse über Ausgaben, die durch Bundesrecht oder durch Gesetz in Zweck und Umfang notwendig vorbestimmt sind, unterliegen nicht der Volksabstimmung." Das Gesetz über den Finanzhaushalt des Staates vom 15. Juni 2011 (RB 611.1; im Folgenden: FHG/TG) enthält folgende Definitionen: " § 5 Neue und gebundene Ausgaben 1. Eine Ausgabe gilt als neu, wenn hinsichtlich ihrer Höhe, des Zeitpunkts ihrer Vornahme oder anderer wesentlicher Umstände eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit besteht. 2. Eine Ausgabe gilt als gebunden, wenn sie nicht neu im Sinne von Absatz 1 ist. 3. Der Entscheid, ob eine Ausgabe als neu oder gebunden gilt, obliegt dem Grossen Rat. Dieser beschliesst darüber bei der Kenntnisnahme des Finanz- und Aufgabenplans oder bei der Genehmigung des Budgets." 4. Streitig ist, ob der Grosse Rat den Objektkredit von 4,6 Mio. Franken zu Recht als gebundene Ausgabe beurteilte, die gemäss § 23 Abs. 3 KV/TG nicht der Volksabstimmung unterliegt. Dies prüft das Bundesgericht frei; in ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auffassung an ( BGE 129 I 392 E. 2.1 S. 394 mit Hinweisen). 4.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Ausgaben dann als gebunden, wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Gebunden ist eine Ausgabe ferner, wenn anzunehmen ist, die BGE 141 I 130 S. 134 Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls es gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgaben gewählt werden. Es kann aber selbst dann, wenn das "Ob" weitgehend durch den Grunderlass präjudiziert ist, das "Wie" wichtig genug sein, um die Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen. Immer dann, wenn der entscheidenden Behörde in Bezug auf den Umfang der Ausgabe, den Zeitpunkt ihrer Vornahme oder andere Modalitäten eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, ist eine neue Ausgabe anzunehmen ( BGE 125 I 87 E. 3b S. 90 f.; BGE 123 I 78 E. 3b S. 81; Urteil 1C_183/2008 vom 23. Mai 2008 E. 5.1.1, in: ZBl 110/2009 S. 157). 4.2 In Bezug auf den Unterhalt von Gebäuden im Speziellen geht die bundesgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass Ausgaben für den blossen Gebäudeunterhalt grundsätzlich als gebunden, solche für die Erweiterung oder die Ergänzung staatlicher Gebäude als neu zu betrachten sind ( BGE 111 Ia 34 E. 4c S. 37). Ausgaben für den Umbau solcher Gebäude gelten als neu, wenn sie mit einer Zweckänderung verbunden sind. Umgekehrt lässt sich nicht allgemein sagen, dass grössere Ausgaben für die Instandstellung, Erneuerung oder den Umbau eines Gebäudes immer gebunden sind, wenn der Zweck des Gebäudes beibehalten wird ( BGE 111 Ia 34 E. 4c S. 37 f. mit Hinweisen). Auch beim Gebäudeunterhalt kommt es auf das Ausmass des Spielraums beim "Ob" und "Wie" an (vgl. zuletzt Urteil 1C_35/2012 vom 4. Juni 2012, in: ZBl 114/2013 S. 497; RDAF 2014 I S. 250, E. 3.1 und 4 mit Hinweisen). 4.3 Das Finanzreferendum ist ein Institut des kantonalen Verfassungsrechts. Es bestehen für die Kantone keine verbindlichen bundesrechtlichen Begriffe der gebundenen und neuen Ausgaben. Es darf daher von der bundesgerichtlichen Umschreibung abgewichen werden, wo sich nach der Auslegung des kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Praxis der zuständigen kantonalen Organe eine andere Betrachtungsweise aufdrängt ( BGE 125 I 87 E. 3b S. 91 mit Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall: Wie der Grosse Rat in seiner Vernehmlassung bestätigt, gibt § 5 Abs. 1 FHG /TG die bundesgerichtliche Begriffsbestimmung wieder. Auch die vom Regierungsrat dokumentierte langjährige Praxis des Kantons Thurgau steht im Einklang BGE 141 I 130 S. 135 mit den vom Bundesgericht entwickelten Leitsätzen (Departement für Finanzen und Soziales, Grundsätze der Unterscheidung zwischen neuen und gebundenen Ausgaben, vom 9. März 2009). 5. 5.1 Der Grosse Rat hält fest, dass der Objektkredit die Sanierung der bestehenden Räume des Kunstmuseums in der Kartause Ittingen betreffe. Mit den Sanierungsarbeiten gehe keine Zweckänderung einher. Auch das Erscheinungsbild bleibe aus Gründen des Denkmalschutzes identisch. Ein Ersatzneubau falle von vornherein ausser Betracht. Die Entscheidungsspielräume über das "Ob" und das "Wie" seien daher ausgesprochen gering. Die Sanierung entspreche dem heute üblichen Standard für Museumsräume und überschreite diesen nicht. Daran ändere auch das Eigentum der Stiftung Kartause Ittingen an den Räumlichkeiten nichts: Die Errichtung des Kunstmuseums sei vom Kanton finanziert worden; im Gegenzug dürfe dieser die Räumlichkeiten unentgeltlich nutzen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer handle es sich nicht um einen Miet-, sondern um einen Gebrauchsleihevertrag gemäss Art. 305 ff. OR . Folgerichtig trage der Kanton als Entlehner nach Art. 307 Abs. 1 OR die Kosten für die Erhaltung der Sache. Es bestehe somit eine gesetzliche Grundlage dafür, dass der Kanton die Sanierungskosten selbst trage. Eine weitere gesetzliche Grundlage finde sich in § 9 Abs. 1 Ziff. 6 des kantonalen Gesetzes vom 4. Juni 1993 über die Kulturförderung und die Kulturpflege (RB 442.1; im Folgenden: KulturG), wonach der Kanton ein Kunstmuseum führe. Unter diesen Umständen habe der Grosse Rat seinen Beurteilungsspielraum bei der Qualifikation des Kredits als gebundene Ausgabe nicht überschritten. 5.2 Der Regierungsrat teilt diese Auffassung. Angesichts der unentgeltlichen Nutzung der Räumlichkeiten durch den Kanton sei offenkundig, dass nicht die Stiftung Kartause Ittingen als Grundeigentümerin für die Kosten der Sanierung aufkommen müsse. Das "Ob" der Gesamtsanierung stehe daher ausser Frage. Nach über 30 Jahren des Betriebs sei eine Gesamtsanierung zweifellos angezeigt und nicht aufzuschieben. Der grösste Teil der Sanierung betreffe die Klimasanierung des Museums und die damit einhergehende Wärmedämmung. Die Notwendigkeit dazu ergebe sich aus dem Zweck des Museumsbetriebs und der Sicherung des dort BGE 141 I 130 S. 136 ausgestellten Kulturguts. Insofern sei auch das "Wie" weitestgehend vorgegeben. 5.3 Die Beschwerdeführer bezweifeln, dass der beabsichtigte, aus ihrer Sicht "luxuriöse" Ausbau des bestehenden Kunstmuseums prinzipiell oder dem Umfang nach gesetzlich vorgeschrieben sei. § 9 Abs. 1 Ziff. 6 KulturG erwähne lediglich, dass der Kanton ein Kunstmuseum führe. Dies tue er vorbildlich und in Räumen, die dank des aufwendigen Unterhalts auch heute noch in bester Verfassung seien. Bezüglich Höhe, Art und Zeitpunkt der Ausgabe herrsche völlige Handlungsfreiheit. Dringender Sanierungsbedarf bestehe jedenfalls nicht, wolle der Regierungsrat doch nach eigenem Bekunden die mit 4,6 Mio. Franken budgetierten Arbeiten nur dann ausführen lassen, wenn auch der Neubau realisiert werden könne. Die beabsichtigte "Sanierung" werde allein durch den projektierten Neubau eines Kunstmuseums notwendig, weil die beiden Gebäude nicht nur technisch, sondern auch baulich miteinander verbunden werden sollen. Hinzu komme, dass es sich um die Sanierung eines Gebäudes handle, das dem Kanton gar nicht gehöre; insofern sei der Fall nicht vergleichbar mit der Sanierung von staatlichen Liegenschaften. Die Beschwerdeführer bestreiten, dass ein Fall der Gebrauchsleihe vorliege; vielmehr sei bisher immer von Miete die Rede gewesen. Von einer unentgeltlichen Überlassung könne im Übrigen keine Rede sein. 6. Der streitige Objektkredit von 4,6 Mio. Franken dient der umfassenden klimatischen Sanierung und Wärmedämmung der bestehenden Ausstellungsräume des Thurgauer Kunstmuseums in der Kartause Ittingen. 6.1 Aufgrund des in den Akten liegenden Berichts "Messungen, Raumklima Museum" der X. AG vom 11. Dezember 2010 ist davon auszugehen, dass die Museumsräume der Kartause Ittingen den heutigen raumklimatischen Anforderungen nicht entsprechen und sich daher nur beschränkt für die Ausstellung von Kunstgegenständen eignen. Der Bericht kommt zum Ergebnis, dass die Räume ohne zusätzliche Eingriffe weiter genutzt werden könnten, wenn die Auswahl der Ausstellungsgegenstände eingegrenzt werde. Andernfalls seien bauliche Anpassungen und der Einbau von Klimaanlagen unumgänglich. Ob sich dieser Aufwand lohne, müsse genauestens hinterfragt werden; raumklimatisch heikle Ausstellungsgegenstände könnten auch dort gezeigt werden, wo die entsprechenden Infrastrukturen schon vorhanden seien. BGE 141 I 130 S. 137 6.2 § 9 Abs. 1 Ziff. 6 KulturG enthält zwar den Auftrag an den Kanton, ein kantonales Kunstmuseum zu führen, macht aber keine Vorgaben zu dessen Standort, der vielmehr von einer vom Regierungsrat eingesetzten "groupe de réflexion" überprüft wurde. Diese empfahl in ihren Strategiepapieren vom 28. November 2008, am Standort Ittingen für das kantonale Kunstmuseum festzuhalten, da es sich dabei um eine einzigartige Verbindung von Geschichte und Gegenwart handle und sich Synergien mit der Führung des Ittinger Museums ergäben. Anschliessend erarbeitete eine Steuergruppe in Zusammenarbeit mit der Y. Enterprises den Bericht "Kunstmuseum Thurgau - Zukunftsszenarien" vom November 2010. Darin wurde festgehalten, dass die aktuellen Räumlichkeiten weder quantitativ noch qualitativ ausreichten, um ein Museumskonzept sinnvoll und attraktiv umsetzen zu können. Die Steuergruppe erachtete einen Erweiterungsbau für die nachhaltige und zukunftsgerichtete Entwicklung des Museums als unabdingbar. In der Folge wurde ein Vorprojekt erarbeitet, das einen Erweiterungsbau mit zusätzlichen 700 m 2 Ausstellungsraum zwischen den bestehenden Ausstellungsklausen und der Klostermauer vorsieht. Gleichzeitig sollen die bestehenden Gebäudeteile umfassend klimatisch saniert werden. Aus diesen Berichten und Studien lässt sich ableiten, dass Erweiterungsbau und Sanierung zwei kumulativ notwendige Massnahmen sind, um das angestrebte Ziel eines Kunstmuseums mit überregionaler Ausstrahlung zu erreichen, in dem bedeutende, insbesondere zeitgenössische Ausstellungen organisiert werden können. 6.3 Diesem Zusammenhang trug der Regierungsrat Rechnung, indem er das Inkrafttreten der Vereinbarung mit der Stiftung Kartause Ittingen für den Erweiterungsbau von der Genehmigung des Objektkredits für die Gesamtsanierung der Ausstellungsräume des Kunstmuseums durch den Grossen Rat abhängig machte. In der Beilage zur Budgetbotschaft betonte er, dass beide Vorhaben zusammen ausgeführt würden; mit der Genehmigung des Objektkredits würde sich der Grosse Rat implizit auch für die Zusammenarbeit von Kanton und Stiftung betreffend Finanzierung und Realisierung des Erweiterungsbaus aussprechen. In der Beratung im Grossen Rat vom 4. Dezember 2013 wurde die Sanierung der bestehenden Museumsräume kaum thematisiert; die BGE 141 I 130 S. 138 Diskussion betraf in erster Linie den geplanten Erweiterungsbau und die Zweckmässigkeit des Standorts Ittingen. Es wurde betont, dass die Sanierung der Ausstellungsräume Nord mit dem Erweiterungsbau gekoppelt sei (Voten Kommissionspräsident Senn, Beratungsprotokoll vom 4. Dezember 2013, S. 46; Marazzi und Grunder, a.a.O., S. 53) und dass Sanierung und Neubau dem Grossen Rat als Paket vorgelegt worden seien (Votum Wehrle, a.a.O., S. 59). Regierungsrat Stark hielt fest, dass die Kompetenz für die Zusprechung der Lotteriegelder zwar beim Regierungsrat liege; aus technischer Notwendigkeit und aufgrund der politischen Brisanz sei das Parlament aber bewusst einbezogen worden (a.a.O., S. 64). Regierungsrätin Knill ergänzte, dass die Schaffung von zusätzlichem Ausstellungsraum eng mit der Sanierung verflochten sei, weil ein grosser Teil der technischen und energetischen Investitionen unter den Erweiterungsbau zu liegen kämen und in den Kosten des Erweiterungsbaus enthalten seien (a.a.O., S. 66). 6.4 Demnach ist davon auszugehen, dass der Objektkredit für die Sanierung der bestehenden Ausstellungsräume Teil des Gesamtprojekts der Erweiterung und Modernisierung des Thurgauer Kunstmuseums ist. Der Grosse Rat musste entscheiden, ob er - durch Genehmigung des Objektkredits - diesem Projekt und seiner vorgesehenen Finanzierung zustimmt oder aber - durch Ablehnung des Objektkredits - die ganze Übung abbricht (Votum Egger, a.a.O., S. 55) bzw. "auf Feld 1" zurückversetzt (Votum Komposch, a.a.O., S. 60), mit der Folge, dass das Sanierungskonzept, der Standort des Kunstmuseums, die Gestaltung des Erweiterungsbaus und dessen Finanzierung neu hätten geprüft werden müssen. Die vom Grossen Rat und dem Regierungsrat in ihren Dupliken vertretene Auffassung, wonach es sich bei der Sanierung und dem Erweiterungsbau um rechtlich selbstständige, notfalls unabhängig voneinander zu realisierende Vorhaben handle, findet in den Unterlagen keine Stütze. Die klimatische Sanierung der bestehenden Räume könnte ohne den Erweiterungsbau wegen der gemeinsamen Technikzentrale jedenfalls nicht wie geplant realisiert werden. Sollte der Erweiterungsbau nicht oder allenfalls an einem anderen Standort als Ittingen realisiert werden, würde sich auch die Frage neu stellen, ob es sich lohnt, die bestehenden Ausstellungsräume für 4,6 Mio. Franken klimatisch zu sanieren, oder ob es diesfalls nicht sinnvoll wäre, raumklimatisch empfindliche Gegenstände an anderen Orten auszustellen, wie das im Bericht der Firma X. AG vorgeschlagen wurde. BGE 141 I 130 S. 139 6.5 Ist deshalb für den Entscheid über den Objektkredit nicht bloss auf die Sanierung, sondern auf das Gesamtprojekt des neuen Museumskonzepts abzustellen, so besteht ein relativ grosser Handlungsspielraum. Dies zeigt auch die kontroverse Debatte im Grossen Rat: Es wurden unterschiedliche Auffassungen zur Frage vertreten, ob Ittingen der richtige Standort für ein Museum für zeitgenössische Kunst sei, ob das Vorprojekt für den Erweiterungsbau architektonisch überzeuge, ob das Projekt zu teuer sei oder aus vergaberechtlichen Gründen ein neuer Architekturwettbewerb durchgeführt werden müsse. Streitig waren überdies die Finanzierung des Erweiterungsprojekts aus dem Lotteriefonds und die Höhe des Baubeitrags. Da nicht der Kanton, sondern eine privatrechtliche Stiftung Eigentümerin der Kartause Ittingen ist, stand - anders als bei staatlichen Gebäuden - nicht von vornherein fest, wer welche Arbeiten durchführen und welche Kosten tragen müsse. Vielmehr bedurfte es hierfür einer Vereinbarung zwischen dem Kanton und der Stiftung. Diese war ausdrücklich von der Genehmigung des Objektkredits abhängig gemacht worden und stand daher vor dem Grossen Rat ebenfalls zur Diskussion. 6.6 Der vorliegende Fall liegt demzufolge insofern besonders, als das Gesamtprojekt vorrangig auf eine Neuausrichtung der Nutzung der Kartause Ittingen als Museum hinausläuft. Zwar handelt es sich nicht um eine eigentliche Zweckänderung, doch kommt das Projekt einer solchen doch recht nahe. Aus dem bisher eher beschaulichen lokalen oder höchstens kantonalen Kunstmuseum, das einen beschränkten Besucherkreis anzieht, soll ein modernes, breiter ausgerichtetes Museum von überregionaler Ausstrahlung werden, das sich an ein deutlich grösseres und vielfältigeres Publikum richten soll. Der Sanierungsteil, so wie er im Projekt aufgegleist ist, stellt einen integrierten Bestandteil dieses Gesamtprojekts dar und verfügt für sich allein über keinen eigenen Zweck. Dafür ist er zu stark mit dem Erweiterungsteil verkoppelt und geht er weiter als ein reiner Unterhalt bzw. eine blosse Sanierung. Sollte die Neukonzeption als Ganzes scheitern bzw. der Erweiterungsbau dahinfallen, wäre die geplante Sanierung des bestehenden Gebäudes nicht nur von der gesamtmusealen Ausrichtung her, sondern auch technisch neu zu überdenken. Dafür bestünde eine Mehrzahl von verschiedenen Varianten. So könnten das Museum verlegt und ganz auf die Sanierung verzichtet oder einzelne Teile wie das raumklimatische Konzept reduziert werden. Gerade dieser letzte Teil des Gesamtkonzepts würde BGE 141 I 130 S. 140 in der vorliegenden Planung technisch obsolet und wäre völlig neu zu konzipieren, wenn vom Erweiterungsbau abgesehen würde. Mithin bedürfte es selbst dann eines neuen Sanierungskonzepts, wenn das Gesamtkonzept reduziert und einzig die Weiterführung des aktuellen Museums in der heutigen bzw. in einer mit der heutigen Nutzung vergleichbaren Form beschlossen würde. Die dafür notwendige Sanierung könnte sich diesfalls durchaus auf Unterhaltsarbeiten beschränken, für deren Finanzierung von einer gebundenen Ausgabe ausgegangen werden könnte. Das trifft aber beim vorliegenden Projekt nicht zu. Zwar hat das Bundesgericht verschiedentlich Gesamtprojekte, die über reine Unterhaltsarbeiten hinausgingen und auch neue Bauteile miterfassten, als gebundene Ausgaben beurteilt. Der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich aber wesentlich von diesen anderen Fällen, in denen das Bundesgericht bisher zu entscheiden hatte. Meist erwies sich eine Sanierung, soweit die zuständigen kantonalen Behörden überhaupt von einer gebundenen Ausgabe ausgingen, als ohnehin unerlässlich und die neuen Bauteile als technisch oder planerisch unverzichtbar bzw. lediglich theoretisch oder in geringem Masse variabel (vgl. etwa BGE 118 Ia 184 [Tösstalstrasse Kanton Zürich]; BGE 111 Ia 34 [Tscharnerhaus Bern]; Urteile 1C_183/2008 vom 23. Mai 2008, in: ZBl 110/2009 S. 157 [Hardbrücke Zürich]; 1C_35/2012 vom 4. Juni 2012, in: ZBl 114/2013 S. 497 [Gymnasium Strandboden Biel]). In BGE 113 Ia 390 (Kaserne Zürich) bedingten sich zwar die Sanierungs- und Erneuerungsteile gegenseitig; die bauliche und denkmalschützerische Sanierung war aber ebenfalls unausweichlich und es verblieb insofern kein Entscheidungsspielraum für die Behörden. Hier verhält es sich anders: Ob die Kartause Ittingen überhaupt als Museum weiter genutzt und ob sie diesfalls auch nur annähernd in der gegenwärtig geplanten Weise saniert würde, falls der Erweiterungsbau wegfiele, ist völlig offen. Darüber müsste ganz neu entschieden werden. 6.7 Den kantonalen Behörden verblieb somit ein durchaus erheblicher Entscheidungsspielraum für das zu finanzierende Projekt. Mit Blick auf die Frage des Finanzreferendums handelt es sich nicht um einen ausgesprochenen Zweifelsfall, bei dem sich das Bundesgericht der Einschätzung des Kredits als gebundene Ausgabe durch den Kantonsrat anschliessen würde. Vielmehr hat dieser sein Ermessen überschritten und das Stimmrecht verletzt, als er den Kredit als BGE 141 I 130 S. 141 gebundene Ausgabe beurteilte und ihn damit dem Finanzreferendum entzog.
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Sachverhalt ab Seite 322 BGE 120 Ia 321 S. 322 Das Amt für Technische Anlagen und Lufthygiene (ATAL) und das Hochbauamt des Kantons Zürich (HBA) haben im November 1993 unter dem Titel "OEKOLOGISCH BAUEN" Merkblätter nach Baukostenplan (BKP) für Ausschreibungen herausgegeben. Im Vorwort zu diesen Merkblättern schreibt der Kantonsbaumeister des Kantons Zürich an die Adressaten unter anderem, sie würden als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder als Beauftragte mit den vorliegenden Arbeitsblättern einmal mehr aufgerufen, den ökologischen Aspekten im Bauen ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. In den letzten Jahren seien verschiedene Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Umwelt entstanden, und die Kenntnis der Umweltproblematik weite sich aus. Von allen am Bau Beteiligten sei eine umweltbewusste Haltung gefordert. Zu deren Umsetzung in die tägliche Arbeit müssten die rechtlichen Vorgaben bekannt sein und die Kenntnisse über das vorhandene Wissen erweitert werden. Diesem Zweck sollten die Merkblätter dienen; die nach Baukostenplan geordneten Arbeitsblätter sollten insbesondere ermöglichen, die ökologischen Aspekte bis ins Detail zu verwirklichen. Die Blätter seien indessen unvollständig und würden sogar Widersprüche aufweisen wie etwa in den Bereichen Ökologie/Ökonomie, Ökologie/Hygiene und Haltbarkeit, weshalb man um zeitintensive Abwägungen nicht herumkommen werde. Die Hinweise in den Arbeitsblättern sollten dabei als Arbeitshilfe dienen und zu selbständigem Abwägen zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten anregen, da für jede Bauaufgabe aufeinander abgestimmte Konstruktions- und Materialentscheide zu treffen seien. BGE 120 Ia 321 S. 323 Hierauf werden zehn Leitsätze wiedergegeben, die einen allgemeinen Orientierungsrahmen für ökologisches Verhalten im Bauen bilden sollten; die ökologische Gewichtung könne im Einzelfall unterschiedlich sein. Die Leitsätze sieben und acht haben zum Beispiel folgenden Wortlaut: "7. Baumaterialien aus erneuerbaren und einheimischen Rohstoffen bevorzugen Die Verwendung von erneuerbaren Rohstoffen belastet, bei Beachtung nachhaltiger Nutzung, die Rohstoffhaushalte längerfristig nicht. Durch den Einsatz von einheimischen (europäischen) Rohstoffen wird die Umwelt durch kürzere Transportwege weniger belastet. 8. Schwierig zu entsorgende Baumaterialien möglichst vermeiden Um künftige Entsorgungsprobleme zu vermeiden, sollen in Neu- und Umbauten möglichst keine Materialien oder Materialkombinationen verwendet werden, die schwierig zu entsorgen sind. Das betrifft vor allem Materialien und Produkte, die nach VVS (Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen vom 12.11.1986) als Sonderabfall zu behandeln sind, ferner Stoffe, die nach StoV nicht unschädlich vernichtbar (verbrennbar) sind, sowie Verbundmaterialien und -bauteile, die sich nur schwer trennen und deshalb nicht verwerten lassen." Im nächsten Abschnitt wird unter dem Titel "Hinweise für die Anwendung" erklärt, die Arbeitsblätter richteten sich in erster Linie "an die Baufachleute unserer Ämter sowie an die von uns beauftragten Architekten und Ingenieure. Sie sind anzuwenden für Neu- und Umbauten, ebenso für Unterhaltsarbeiten. Es wird empfohlen, sie auch anzuwenden für Bauten der Beamtenversicherungskasse und für Bauten, die Staatsbeiträge erhalten." Weiter wird in diesem Abschnitt festgehalten, Bauten würden zusammengesetzt aus einer grossen Zahl von Arbeitspositionen, welche über Arbeitsbeschriebe verschiedener Arbeitsgattungen an die Unternehmer zur Ausführung gelangten. In Ausrichtung auf Submissionen sei für die Arbeitsblätter das Ordnungsprinzip des Baukostenplanes (BKP) übernommen worden. Zu vielen Arbeitsgattungen wolle die Behörde mit den Arbeitsblättern durch Hinweise auf kritische Materialien oder auf problematische Entsorgungswege den Anwendern Entscheidungshilfen bieten. In den Merkblättern selbst werden dann in detaillierten Listen verschiedene Materialien (für Erdbewegungen, Baumeisterarbeiten, Spenglerarbeiten, Fenster, Bedachungsarbeiten, usw.) in "problematisch" und "ökologisch empfehlenswert" aufgeteilt und einander gegenübergestellt. Dabei werden Materialien aus PVC (Polyvinylchlorid) an verschiedenen Stellen als BGE 120 Ia 321 S. 324 problematisch und PVC-freie Produkte als ökologisch empfehlenswert bezeichnet (Merkblätter BKP 211, 221, 224, 226, 230 ff., 241-243, 251-255, 271, 281, 282). Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, Produkte aus PVC seien nicht unschädlich vernichtbar (die Höchstwerte für unschädliche Vernichtbarkeit nach Stoffverordnung [SR 814.013], Anhang 4.11., würden überschritten). In bezug auf Kabelmaterial, Rohre und Kanäle aus PVC wird erklärt, diese Materialien seien in der Entsorgung problematisch, im Brandfall setzten sie sehr giftige und korrosive Gase frei. Halogenfreie Produkte enthielten hingegen kein PVC; ihr Brandverhalten sei gegenüber PVC besser. Gegen diese Merkblätter führt der Verein für den Einsatz ökologisch und ökonomisch sinnvoller PVC Produkte mit Eingabe vom 14. Januar 1994 staatsrechtliche Beschwerde und beantragt im wesentlichen, die Merkblätter seien aufzuheben; eventualiter seien sie insoweit aufzuheben, als alle Aussagen in bezug auf PVC für nichtig erklärt werden. Mit Präsidialverfügung vom 12. Juli 1994 wurde das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zur Vernehmlassung eingeladen. Im Auftrag des EDI kam das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) am 30. September 1994 dieser Einladung nach. Es beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei nicht einzutreten. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es fehle der Präsidialverfügung vom 12. Juli 1994, mit welcher das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zu einer Stellungnahme an das Bundesgericht eingeladen worden sei, die gesetzliche Grundlage. Insbesondere würden die Art. 93 und 95 OG die Einholung einer solchen Stellungnahme nicht zulassen. Dies ist unzutreffend. Die Stellungnahme vom 30. September 1994, welche das BUWAL im Auftrag des EDI eingereicht hat, stellt einen Amtsbericht dar, dessen Beizug durch das Bundesgericht gestützt auf Art. 95 Abs. 1 OG durchaus zulässig ist. Nach dieser Bestimmung ordnet der Instruktionsrichter die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweismassnahmen an; für das Beweisverfahren im Sinne von Art. 95 Abs. 1 OG gilt die Offizialmaxime ( BGE 107 Ia 187 E. 2b S. 191 mit Hinweis). Dabei kann das Bundesgericht selbständig massgebliche Sachverhaltsfeststellungen BGE 120 Ia 321 S. 325 vornehmen. Als Beweismittel kommen vor allem Urkunden, Augenscheine sowie die Einholung von Amtsberichten zur Anwendung (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, S. 382). Der Antrag, die Stellungnahme des EDI vom 30. September 1994 sei aus den Akten zu weisen, ist daher abzuweisen. 3. a) Mit staatsrechtlicher Beschwerde können Hoheitsakte angefochten werden, die in irgendeiner Weise die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers berühren, indem sie ihn verbindlich und erzwingbar zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichten oder sonstwie seine Rechtsbeziehung zum Staat autoritativ festlegen ( BGE 114 Ia 452 E. 1a, S. 455 mit Hinweisen). Das Bundesgericht stellt primär auf den materiellen Inhalt des angefochtenen Hoheitsakts und nicht auf dessen Bezeichnung ab (Urteil des Bundesgerichts vom 30. Mai 1984 in ZBl 85/1984, S. 538 ff. E. 5c; RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband Nr. 9 IV). Die umstrittenen Merkblätter und Leitsätze fallen unter den Begriff der Verwaltungsverordnung, die mit staatsrechtlicher Beschwerde nur anfechtbar ist, wenn sie über den Verwaltungsbereich hinaus Aussenwirkungen auf die Rechtsstellung der Bürger entfaltet und wenn gestützt auf sie keine Verfügungen getroffen werden, deren Anfechtung möglich ist und den Betroffenen zugemutet werden kann ( BGE 114 Ia 452 ff. E. 1a, S. 455 mit Hinweisen). b) Die angefochtenen Merkblätter enthalten Grundsätze für die ökologisch ausgerichtete Wahl von Baumaterialien, welche von ihrem Inhalt her lediglich Wertungshilfen für die Materialauswahl darstellen, diese jedoch nicht verbindlich regeln. Die Bewertung der Materialien in den einzelnen Blättern soll als Arbeitshilfe dienen und zum Abwägen zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt anregen. Die Merkblätter richten sich ausdrücklich nur an "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" der öffentlichen Verwaltung sowie an "Beauftragte". Adressat ist somit vor allem ein verwaltungsinterner Kreis von Beamtinnen und Beamten sowie von diesen beauftragte verwaltungsexterne Architekten und Ingenieure. Weitere Personen werden durch diese Verwaltungsverordnung nicht verpflichtet. Soweit sie an Personen ausserhalb der Verwaltung verteilt oder von solchen beigezogen und verwendet werden, stellen die Merkblätter für diese Personen unverbindliche Empfehlungen dar, und damit keine mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Hoheitsakte, weil solchen Empfehlungen jede Rechtsverbindlichkeit fehlt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 11. September 1989 in ZBl 92/1991, S. 117 f.; BGE 120 Ia 321 S. 326 BGE 108 Ia 264 E. 5 S. 268; KÄLIN, a.a.O., S. 129). Dabei ist unerheblich, ob Art. 6 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) als gesetzliche Grundlage für die umstrittenen Merkblätter betrachtet werden kann. c) Die angefochtenen Merkblätter enthalten vorwiegend Dienstanweisungen an Beamtinnen und Beamte, welche mit Submissionsgeschäften betraut sind. So sollen die nach Baukostenplan geordneten Arbeitsblätter ausdrücklich bei der Devisierung der einzelnen Arbeitsgattungen helfen, die ökologischen Aspekte bis ins Detail zu verwirklichen. Es handelt sich somit bei den Merkblättern und Leitsätzen in erster Linie um Richtlinien, die bei der Durchführung von Submissionsverfahren zu berücksichtigen sind. Verstösse gegen rein interne Richtlinien für die vergebende Behörde kann der Bewerber regelmässig nicht mit einer förmlichen Beschwerde, sondern nur mit einer Aufsichtsbeschwerde bei einer oberen Verwaltungsinstanz rügen. Die Aufsichtsbeschwerde gibt ihm keinen Anspruch auf Erledigung ( BGE 103 Ib 154 ff. E. 2c). Submissionsvorschriften stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich keine öffentlichrechtlichen Bestimmungen mit Rechtssatzcharakter dar. Soweit der Bewerber aus der Submissionsordnung überhaupt Ansprüche ableiten kann, sind sie privatrechtlicher Natur und daher vor dem Zivilrichter geltend zu machen. Einzig wenn Submissionsbestimmungen den Schutz der unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken, bejaht das Bundesgericht implizit den Rechtssatzcharakter solcher Bestimmungen ( BGE 115 Ia 76 E. 1d S. 79, BGE 102 Ia 533 ff.; KÄLIN, a.a.O., S. 122; RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., Nr. 47 BV). In solchen Fällen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht nur zulässig, wenn diese Submissionsbestimmungen im einzelnen Anwendungsfall verletzt werden, sondern es muss auch die abstrakte Normenkontrolle gegen sie zugelassen werden. Die hier umstrittene Verwaltungsverordnung enthält keine Submissionsgrundsätze und insbesondere keine solchen, welche den Schutz der unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken. Die angefochtenen Merkblätter sollen vielmehr den vergebenden Behörden Entscheidungshilfen für die Materialauswahl vermitteln und stellen insoweit keinen mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Hoheitsakt (Erlass) dar; ferner ist die Legitimation des Beschwerdeführers nach Art. 88 OG zu verneinen ( BGE 115 Ia 76 E. 1d S. 79 mit Hinweis). d) Die Empfehlungen in den angefochtenen Merkblättern haben entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch ausserhalb des eben behandelten BGE 120 Ia 321 S. 327 Bereichs der Submission keine Aussenwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 114 Ia 452 E. 1a S. 455, BGE 105 Ia 349 E. 2a S. 353; KÄLIN, a.a.O., S. 143). Die vom Beschwerdeführer behauptete "Aussenwirkung" bezieht sich nicht auf seine Rechtsstellung im Verhältnis zum Staat; er beschwert sich vielmehr über allfällige indirekte im vorliegenden Zusammenhang jedoch rechtlich unerhebliche Auswirkungen auf die privatrechtliche Tätigkeit seiner Mitglieder. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, dass die in den angefochtenen Merkblättern enthaltenen Empfehlungen auch an die Baubewilligungsbehörden gerichtet seien, welche diese im Baubewilligungsverfahren anzuwenden hätten. Sie würden in diesem Sinne Aussenwirkungen entfalten. Selbst wenn diese Behauptung des Beschwerdeführers zuträfe, was die Baudirektion bestreitet und hier offengelassen werden kann, könnte auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Verwaltungsverordnung nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, wenn gestützt auf sie keine Verfügungen ergehen, deren Anfechtung möglich ist und den Betroffenen zugemutet werden kann ( BGE 114 Ia 455 , BGE 105 Ia 353 ). Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die umstrittenen Empfehlungen entgegen der Darstellung der Baudirektion in einem baurechtlichen Bewilligungsverfahren dennoch in unzulässiger Weise angewendet würden, könnten der Bauherr oder die betroffenen Nachbarn die Baubewilligungsverfügung ohne weiteres anfechten, und eine entsprechende Anfechtung wäre auch zumutbar. e) Nach dem Gesagten sind die angefochtenen Merkblätter als Verwaltungsverordnung ohne Aussenwirkung und damit ohne Erlasscharakter zu bezeichnen. Sie stellen keinen staatlichen Hoheitsakt dar und sind somit nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden.
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Sachverhalt ab Seite 678 BGE 130 III 678 S. 678 A. Mit Schuldanerkennung vom 23. Mai 2001 bestätigte X., der Bank Y. aus dem am 10. Februar 2000 geschlossenen Konkursverfahren gestützt auf die ausgestellten Verlustscheine Fr. 5'014'363.- schuldig zu sein. B. Nachdem die Bank Y. die Betreibung eingeleitet hatte, machte X. in einem mit "Betr. Rechtsvorschlag gegen Zahlungsbefehl Nr. 20340079" betitelten Schreiben an das Betreibungsamt geltend, er sei nach dem Konkurs zu keinem neuen Vermögen gekommen. Mit beschwerdefähiger Verfügung vom 27. November 2003 hielt das Betreibungsamt fest, die betriebene Forderung sei nach der Konkurseröffnung entstanden, weshalb der Einwand des fehlenden neuen Vermögens nicht erhoben werden könne. Die Forderung werde deshalb als bestritten registriert, der Rechtsvorschlag aber nicht gemäss Art. 265a Abs. 1 SchKG dem Richter unterbreitet. Die Verfügung blieb unangefochten. Mit Entscheid vom 3. Februar 2004 erteilte der Gerichtspräsident B. der Bank Y. für Fr. 4'929'535.- (die am 23. Mai 2001 anerkannte Schuld von Fr. 5'014'363.-, abzüglich die Rückzahlungen von Fr. 60'000.- und Fr. 20'000.-, zuzüglich Gerichts- und Parteikosten von Fr. 4'728.-) provisorische Rechtsöffnung. Mit Entscheid BGE 130 III 678 S. 679 vom 7. April 2004 bestätigte der Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, die erstinstanzliche Rechtsöffnung. C. Gegen diesen Entscheid hat X. am 19. Mai 2004 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Anwendung von Art. 265a SchKG mit der Begründung, das Betreibungsamt hätte den mit fehlendem neuen Vermögen begründeten Rechtsvorschlag dem Richter vorlegen müssen und demzufolge wäre der Appellationshof auch verpflichtet gewesen, diesen Einwand zu prüfen. 2.1 Wird der Rechtsvorschlag mit dem Fehlen neuen Vermögens begründet, so ist der Zahlungsbefehl von Amtes wegen dem Richter zur Beurteilung vorzulegen, und zwar selbst dann, wenn der Betreibungsbeamte der Meinung ist, die Einrede sei unzulässig, beispielsweise weil über den Schuldner gar nie ein Konkurs durchgeführt worden oder weil die Forderung erst nach der Konkurseröffnung entstanden ist (GUT/RAJOWER/SONNENMOSER, Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, in: AJP 1998 S. 531), denn seine Überprüfungsbefugnis ist auf rein formelle Aspekte beschränkt ( BGE 124 III 379 ). 2.2 Daraus ergibt sich, dass die Verfügung des Betreibungsamtes vom 17. November 2003 im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäss Art. 17 SchKG hätte aufgehoben werden müssen. Obwohl die Verfügung detailliert begründet und mit der gehörigen Rechtsmittelbelehrung versehen war, unterliess der Schuldner jedoch die Beschwerdeführung. Die Möglichkeit, sich vor dem Richter auf das fehlende neue Vermögen zu berufen, ist deshalb verwirkt, zumal die Verfügung entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht nichtig ist, sondern bloss anfechtbar gewesen wäre: Der Schuldner hat die Einrede des fehlenden neuen Vermögens zusammen mit dem Rechtsvorschlag, d.h. spätestens 10 Tage ab Erhalt des Zahlungsbefehls mit ausdrücklicher Erklärung geltend zu machen, ansonsten die Einrede verwirkt ist ( Art. 75 Abs. 2 SchKG ). Aus welchen Gründen der Schuldner die Einrede unterlässt, ist belanglos; die Verwirkung tritt nicht nur ein, wenn er die Einrede verpasst, sondern auch, wenn er auf sie verzichtet. Steht es jedoch im Belieben des Schuldners, ob er die Einrede des fehlenden neuen BGE 130 III 678 S. 680 Vermögens erheben will oder nicht, kann es sich bei Art. 265a Abs. 1 SchKG nicht um eine Norm handeln, die im öffentlichen oder gar im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Dritten erlassen worden ist. Vielmehr regelt die betreffende Bestimmung ein Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bzw. einen ausschliesslich diese beiden Parteien betreffenden Verfahrensschritt. Weil die betreibungsamtliche Verfügung demnach nicht gegen Vorschriften verstösst, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von nicht am Verfahren beteiligten Personen erlassen worden sind, liegt keine in allen Verfahren zu beachtende Nichtigkeit i.S. von Art. 22 SchKG vor. 2.3 Der Appellationshof durfte somit willkürfrei davon ausgehen, dass es sich um eine gewöhnliche provisorische Rechtsöffnung nach Art. 82 SchKG handle und er sich mit der Einrede des fehlenden neuen Vermögens nicht auseinanderzusetzen habe.
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Sachverhalt ab Seite 110 BGE 126 III 110 S. 110 A.- Im Rahmen der für eine Forderung aus Verlustschein angehobenen Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes Baar erhob der BGE 126 III 110 S. 111 Schuldner, Y., Rechtsvorschlag mit dem Vermerk: "Kein neues Vermögen, als arbeitslos gemeldet, Sozialamt gemeldet". Der Rechtsöffnungsrichter des Kantonsgerichtspräsidiums Zug lud in der Folge einzig den Schuldner zur Verhandlung vom 27. Oktober 1999 vor und bewilligte gleichentags den Rechtsvorschlag aufgrund der schuldnerischen Vorbringen. B.- Der Gläubiger, Z., führt gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Entgegen dem Antrag des Rechtsöffnungsrichters tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde ein, aus folgender Erwägungen Erwägung: 1. a) Der Rechtsöffnungsrichter hält in seiner Vernehmlassung dafür, beim angefochtenen Entscheid handle es sich um eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 87 OG , welche für den Beschwerdeführer keinen nichtwiedergutzumachenden Nachteil zur Folge habe; er könne im Anschluss an das Bewilligungsverfahren des Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG innert 20 Tagen seit Eröffnung des Entscheides beim Richter des Betreibungsortes Klage auf Feststellung neuen Vermögens erheben ( Art. 265a Abs. 4 SchKG ). b) Das Verfahren betreffend Bewilligung des Rechtsvorschlages gemäss Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG ist summarischer Natur, und der Richter entscheidet endgültig darüber, ob der Rechtsvorschlag bewilligt wird oder nicht ( Art. 265a Abs. 1 SchKG ). Die Bewilligung des Rechtsvorschlages führt überdies zur Einstellung der Betreibung ( Art. 78 Abs. 1 SchKG ). Es liegt demnach ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG vor (gl.M.: GASSER, Nachlassverfahren, Insolvenzerklärung und Feststellung neuen Vermögens nach rev. SchKG, ZBJV 132/1996 S. 19; HUBER Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG III, Basel 1998, N. 31 zu Art. 265a SchKG ; a.M.: BRÖNNIMANN Neuerungen bei ausgewählten Klagen des SchKG, ZSR 115/1996 I S. 230; NICOLAS JEANDIN, Actes de défaut de biens et retour à meilleure fortune selon le nouveau droit, SJ 1997 S. 290; BEAT FÜRSTENBERGER Einrede des mangelnden und Feststellung neuen Vermögens nach revidiertem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Diss. BS 1999, S. 97 f.). BGE 126 III 110 S. 112 Gegen den Entscheid des Rechtsöffnungsrichters sind von Bundesrechts wegen jegliche kantonale Rechtsmittel ausgeschlossen (Art. 265a Abs. 1 letzter Satz SchKG; Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, BBl 1991 III 159), weshalb eine Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs im summarischen Verfahren der Bewilligung des Rechtsvorschlages nicht mehr möglich ist (zur Heilung und deren Voraussetzungen: BGE 105 Ib 171 E. 3b S. 174; BGE 110 Ia 81 E. 5d). Zwar hat das Bundesgericht als Rechtsmittel auch andere Rechtsbehelfe, namentlich auch Klagen, anerkannt, die zur Beseitigung des Rechtsnachteils führen, der mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten wird ( BGE 94 I 365 E. 4 S. 370 mit Hinweisen auf frühere Entscheide; BGE 78 I 248 [Klage betreffend Herausgabe eines Kindes]; BGE 81 I 61 [Klage auf Anfechtung einer Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 3 ZGB ]; BGE 94 I 365 E. 4 S, 372 [Arrestaufhebungsklage gemäss aArt. 279 Abs. 2 SchKG]). Die Klage auf Feststellung neuen Vermögens ( Art. 265a Abs. 4 SchKG ) kann jedoch nicht der Heilung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs dienen, die in einem nunmehr abgeschlossenen Verfahren begangen worden ist. Der angefochtene Entscheid erweist sich daher insoweit als letztinstanzlich.
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Sachverhalt ab Seite 198 BGE 115 Ia 197 S. 198 Die Rechtsanwälte S. und K. waren nacheinander einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsräte der Y AG. In einem Strafverfahren gegen Z, welcher angeblich die Y AG beherrscht, ordnete die Bezirksanwaltschaft Zürich die Zeugeneinvernahme der Rechtsanwälte an über Wahrnehmungen, welche sie in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsräte der Y AG gemacht haben. Gegen diese Verfügung rekurrierten die Rechtsanwälte erfolglos bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Ihre staatsrechtliche Beschwerde vom 29. April/2. Mai 1988 weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. c) Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Verfügung davon aus, dass Kenntnisse, die ein Anwalt als Verwaltungsrat einer BGE 115 Ia 197 S. 199 Aktiengesellschaft über die betreffende Gesellschaft erworben hat, ihm als Geschäftsmann zugekommen sind, und damit nicht unter das Berufsgeheimnis fallen. Sie lehnt es daher ab, den beiden Beschwerdeführern ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 130 StPO zuzubilligen. d) aa) Die Geheimhaltungspflicht des Anwalts erstreckt sich - wie der Wortlaut von § 130 StPO , aber auch von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und § 14 des Gesetzes über den Rechtsanwaltberuf vom 3. Juli 1938 deutlich zeigen - nur auf Tatsachen, die ihm von Klienten anvertraut worden sind, um die Ausübung des Mandats zu ermöglichen, oder die der Anwalt in Ausübung seines Mandats wahrgenommen hat. Diese Regelung soll dem Anwalt die Ausübung seines Berufs im öffentlichen Interesse erleichtern. Der Anwaltsberuf kann nur dann richtig und einwandfrei ausgeübt werden, wenn der Mandant auf Grund einer unbedingten Garantie der Verschwiegenheit das Vertrauen zum Anwalt hat. Das Anwaltsgeheimnis soll den Klienten davor schützen, dass der von ihm beigezogene Anwalt gezwungen wird, ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute Tatsachen bekanntzugeben, obwohl dem Klienten selber in bezug auf diese Tatsachen ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen könnte ( BGE 112 Ib 606 ). bb) Ist der Anwalt zugleich Verwaltungsrat seiner Klientin, so muss zwischen der (berufsspezifisch) anwaltlichen und der geschäftlichen Tätigkeit unterschieden werden (PETER BÖCKLI, Anwaltsgeheimnis und Fiskus im Rechtsstaat, in: Mitteilungen des Schweizerischen Anwaltsverbandes 1979, Nr. 64, S. 12; ALBERT-LOUIS DUPONT-WILLEMIN, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, in: Mitteilungen des Schweizerischen Anwaltsverbandes 1986, Nr. 101, S. 23 ff.; Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, hrsg. vom VEREIN ZÜRCHERISCHER RECHTSANWÄLTE, Zürich 1988, S. 103 FN 74a; ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess, Zürich 1974, S. 213). Überwiegt das kaufmännische Element der Tätigkeit des Anwalts derart, dass sie nicht mehr als eine anwaltliche betrachtet werden kann, so erstreckt sich das Berufsgeheimnis darauf nicht mehr umfassend. So hat das Bundesgericht in einem Rechtshilfeverfahren ( BGE 112 Ib 608 E. b mit Hinweisen) und einem Konkursverfahren ( BGE 114 III 107 ) entschieden; der Grundsatz gilt sinngemäss auch hier. Also dürfen die Anwälte keine Tatsachen offenbaren, die ihnen - auch gesellschaftsintern - ausschliesslich in ihrer Eigenschaft als Anwalt mitgeteilt worden sind; was sie jedoch BGE 115 Ia 197 S. 200 unabhängig von ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Verwaltungsräte erfahren haben, untersteht nicht dem Anwaltsgeheimnis, weshalb ihnen diesbezüglich kein Zeugnisverweigerungsrecht zukommt. cc) Dem nicht zuletzt rechtsstaatlichen Interesse am Anwaltsgeheimnis steht im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung gegenüber. Hier offenbart sich deutlich, dass auch der Anwalt grundsätzlich, d.h. im Rahmen des Gesetzes ( § § 128 ff. StPO ), zum Zeugnis verpflichtet ist. Bei Personalunion von Anwalt und Verwaltungsrat deckt sich das Wissen des Anwalts letztlich mit dem Wissen des Verwaltungsrats. Zwischen Verwaltungsrat und Anwalt einer Gesellschaft findet im allgemeinen ein Wissensaustausch statt. Das führt bei Vereinigung der beiden Funktionen in einer Person dazu, dass der als Verwaltungsrat angesprochene Anwalt Wissen preisgeben muss, welches - wäre er als Anwalt angesprochen - dem Anwaltsgeheimnis unterstünde (vgl. BGE 101 Ib 248 E. c). Daraus erhellt, dass die beiden Funktionen Anwalt und Verwaltungsrat zwar von ein und derselben Person ausgeübt werden dürfen, bezüglich des Zeugnisverweigerungsrechts die Personalunion aber aufgespalten werden muss. Eine andere Lösung führte dazu, dass in einem Gerichtsverfahren der einzige Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft nicht aussagen müsste, bloss weil er gleichzeitig Anwalt der Gesellschaft ist. Letztlich hätte dies rechtsmissbräuchliche Besetzungen der Verwaltungsratsmandate zur Folge, weil durch blosses Einschalten eines Rechtsanwalts z.B. eine wirksame Verfolgung strafbarer Handlungen im Umfeld einer Aktiengesellschaft verhindert werden könnte. Unwesentlich ist, ob der Rechtsanwalt das Verwaltungsratsmandat treuhänderisch ausübt. Gegen aussen tritt er als Verwaltungsrat auf und ist zum Zeugnis verpflichtet, weil er die Kenntnisse zur Ausübung seines Mandats ja nicht mit Rücksicht auf seine berufliche Stellung als Anwalt erfährt, sondern im Hinblick auf seine Verwaltungsratstätigkeit (vgl. PETER FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1987, N. 648, 697 und 703). Das Bundesgericht hat kürzlich in einem Entscheid, in dem es um die Herausgabepflicht von Geschäftsakten im Konkurs einer Gesellschaft ging ( Art. 223 Abs. 2 SchKG ), analog entschieden: Der Rechtsanwalt, der zugleich Verwaltungsratsmitglied der Gesellschaft war, hatte als Verwaltungsratsmitglied die Geschäftskorrespondenz der Gesellschaft, worunter aber auch die Korrespondenz mit dem Anwalt fiel, herauszugeben ( BGE 114 III 107 f., BGE 115 Ia 197 S. 201 E. 3a und b). Entscheidend dabei ist, dass die Verwaltungsratstätigkeit eben nicht zur eigentlichen Anwaltstätigkeit gehört. dd) In Übereinstimmung mit dieser Rechtslage verlangt die Verfügung der Bezirksanwaltschaft von den Beschwerdeführern ausdrücklich nur die Aussage über Wahrnehmungen, welche sie in ihrer Eigenschaft als einzeln zeichnungsberechtigte Verwaltungsräte der Y AG gemacht haben. Grundsätzlich sind die Beschwerdeführer daher zur Zeugenaussage verpflichtet. Die Staatsanwaltschaft hat § 130 der StPO nicht willkürlich angewandt. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. e) Die Beschwerdeführer befürchten, die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse könnten missbräuchlich auch im Zivilprozess verwendet werden. Es ist letztlich eine Frage des kantonalen Zivilprozessrechts, welche durch Zeugenaussagen in einem Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse im Zivilverfahren verwendet werden dürfen. Auch das zürcherische Gesetz über den Zivilprozess vom 13. Juni 1976 (Zivilprozessordnung, ZPO) kennt ein Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 158 ff.). Es geht dem Wortlaut nach gleich weit wie dasjenige im Strafprozessrecht. Daher kann das Strafverfahren nicht dazu missbraucht werden, zu Auskünften von Zeugen zu gelangen, die in einem Zivilverfahren nicht erhältlich wären. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer sind daher unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 256 BGE 107 II 255 S. 256 A.- M. Ehrenberg & R. Bernasconi vermieteten an Elsbeth Frischknecht im Hause Gasstrasse 66 in Basel vom 1. April 1974 bis 30. April 1977 eine 1-Zimmer-Wohnung und vom 1. Mai 1977 bis 30. September 1978 eine 2-Zimmer-Wohnung. Für beide Wohnungen zusammen gerechnet, bezahlte die Mieterin eine Instandstellungspauschale von Fr. 1'188.--. Sie belangte die Vermieter im Juni 1980 auf teilweise Rückerstattung im Betrage von Fr. 888.--. Der Zivilgerichtspräsident von Basel-Stadt hiess die Klage am 7. Juli 1980 für einen Betrag von Fr. 835.-- gut. Eine hiegegen gerichtete Beschwerde der Beklagten wies der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 22. August 1980 ab. B.- Die Beklagten haben gegen die beiden kantonalen Entscheide staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben mit dem Antrag, sie aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Laut BGE 105 II 35 ff. ist es unter der Herrschaft des BMM nicht zulässig, dem Mieter im Rahmen der Instandstellungsentschädigung die Kosten für die Behebung von Folgen einer durch vertragskonformen Gebrauch eingetretenen Abnützung der Mietsache, und damit solche für das Weisseln der Decken einer gemieteten Wohnung, zu überbinden, weil dem die nach Art. 5 BMM zwingende Bestimmung von Art. 271 Abs. 2 OR entgegen steht. Gestützt auf diesen Entscheid forderte die Klägerin die von ihr als Mieterin für die Jahre 1974 bis 1978 bezahlte Instandstellungspauschale zurück, soweit sie für jene Aufwendungen bestimmt war. 3. Die Beschwerdeführer machen geltend, die baselstädtischen Gerichte hätten aus BGE 105 II 35 ff. zu Unrecht geschlossen, die bezahlten ordentlichen Instandstellungskosten könnten grösstenteils - nach Abzug einer Reinigungspauschale - BGE 107 II 255 S. 257 zurückverlangt werden. Sie vertritt grundsätzlich den Standpunkt, einem die Rechtsprechung ändernden Gerichtsurteil komme keine Rückwirkung zu, was die kantonalen Instanzen in willkürlicher Weise nicht beachtet hätten. Die Beschwerdeführer stützen sich dabei auf ein vom Hauseigentümer-Verein Basel in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. KARL SPIRO, der allerdings zuvor in BJM 1979 S. 113 ff. die Frage "Kann der Mieter die Instandstellungsentschädigung zurückfordern?" mit zum Teil abweichenden Folgerungen unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten abgehandelt hatte. Der Einwand der Beschwerdeführer geht vorweg an der Tatsache vorbei, dass der Rückforderungsanspruch der Klägerin gar nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung beruht, sondern auf der gesetzlichen Ordnung, wie sie seit dem Inkrafttreten des BMM am 7. Juli 1972 besteht und somit zur Zeit, als die Parteien ihre Mietverträge schlossen, bestand. Das wird zutreffend auch vom Appellationsgericht hervorgehoben. BGE 105 II 35 ff. fusst auf dieser gesetzlichen Ordnung und beinhaltet keinerlei Änderung einer früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Dass die baselstädtische Praxis die mit dem BMM im vorliegend interessierenden Belange eingeführte Neuerung während einiger Jahre übersah, ergibt zwar für die konkret erfassten Fälle eine endgültige Erledigung, schafft aber keine von der allgemeinen abweichende besondere Rechtslage. Im übrigen wurde die Unrechtmässigkeit der kantonalen Praxis nicht erst mit dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid aufgezeigt, sondern im Schrifttum bereits früher festgestellt (SCHMID, N. 19/20 zu Art. 271 OR ). Dem Appellationsgericht war das, bezogen auf Art. 271 Abs. 2 OR , denn auch nicht entgangen, doch glaubte es, an seiner Praxis auf dem Umweg über Art. 271 Abs. 1 OR festhalten zu können (vgl. BGE 105 II 37 f.). Wenn es nun von jener gesetzwidrigen Praxis abgeht und übereinstimmend mit dem Zivilgerichtspräsidenten die volle Geltung des BMM für die nach dessen Inkrafttreten abgeschlossenen oder abgeänderten Mietverhältnisse anerkennt, so kann darin keinerlei Willkür erblickt werden. Die im Gutachten Spiro enthaltene Anregung, zwischen beendeten und noch abzuwickelnden Rechtsverhältnissen zu unterscheiden und jene auf sich beruhen zu lassen, wäre dort allenfalls in Betracht zu ziehen, wo es wirklich um die Folgen einer Änderung der Rechtsprechung geht. Hier handelt es sich indessen um die Durchsetzung einer an sich klaren gesetzlichen Ordnung, die BGE 107 II 255 S. 258 lediglich in kantonaler Praxis zeitweilig ausseracht gelassen wurde, ohne dass sich diese auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung oder auf Äusserungen in der Lehre hätte stützen können (SPIRO, in BJM 1979, S. 114). Rücksichten auf die Rechtssicherheit reichen bei solchen Voraussetzungen zur Begründung nicht aus. Im Vordergrund steht, besonders unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV , die Gewährleistung der Rechtsgleichheit. Bundesrecht erfordert, wesensbedingt, einheitliche materielle Geltung auf gesamtschweizerischer Ebene. Es kann nicht regionaler Praxis vorbehalten bleiben, seine Anwendbarkeit, über von ihm selber gesetzte örtliche Begrenzungen ( Art. 3 BMM ) oder Übergangsregelungen hinaus, zeitlich zu verzögern oder sachlich einzuschränken. 4. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat gemäss Art. 62 OR diese Bereicherung zurückzuerstatten; so insbesondere dann, wenn er ohne jeden gültigen Grund eine Zuwendung erhalten hat. Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nach Art. 63 Abs. 1 OR jedoch nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat. Die Klägerin leistete die Instandstellungspauschale für die von ihr gemieteten Wohnungen aufgrund vertraglicher Abreden. Diese waren hinsichtlich der in die Entschädigung einbezogenen Kosten für das Weisseln der Wohnungsdecken nichtig. Insoweit zahlte die Klägerin ohne gültigen Grund. Weiter bejaht das Appellationsgericht sowohl die Freiwilligkeit der Leistung wie den Irrtum der Klägerin. Die dagegen erhobenen Willkürrügen der Beschwerdeführer halten nicht stand. Die Klägerin zahlte solvendi causa, aus keiner sonstigen Veranlassung, somit freiwillig (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts I, S. 478). Ebenso befand sie sich im Irrtum über ihre Schuldpflicht, in einem möglicherweise durch die kantonale Praxis erweckten Irrtum über die wirkliche Rechtslage, in einem Rechtsirrtum also, der für die Begründung der Rückforderungsklage genügt ( BGE 98 Ia 193 , BGE 70 II 272 , BGE 64 II 127 ; VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 483; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Auflage, S. 200: Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, S. 614). Wollte man mit der Beschwerde übrigens annehmen, die Zahlung sei unfreiwillig, weil unter dem Druck der damaligen kantonalen Praxis, erbracht worden, so entfiele ein Irrtumsnachweis BGE 107 II 255 S. 259 als Voraussetzung des Rückerstattungsanspruches, wie das Appellationsgericht zutreffend anmerkt (VON THUR/PETER, a.a.O., S. 485; BUCHER, a.a.O., S. 613). 5. Als willkürlich beanstanden die Beschwerdeführer sodann die Nichtanrechnung eines sogenannten Rückforderungsschadens ( Art. 64 OR ; BGE 82 II 439 , BGE 73 II 108 f., BGE 64 II 131 f.; VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 505, 509 f.; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O., S. 204). Das Appellationsgericht verneint den Anspruch nicht als solchen. Wenn es erklärt, von vornherein könne es nicht darum gehen, eine rechtlich unzulässige Forderung mit anderer Begründung - nämlich der Geltendmachung unterbliebener Mietzinserhöhung - zu "legitimieren", so ist das an sich wie namentlich im anschliessenden Bezug auf die Missbrauchsgesetzgebung durchaus richtig. Unter der Herrschaft des BMM kann es in der Tat nicht genügen, einfach zu behaupten, die Beklagten hätten selbstverständlich den Mietzins entsprechend erhöht, sofern sie gewusst hätten, dass sie eines Tages den grössten Teil der ordentlichen Instandstellungskosten zurückzahlen müssten. Es fragt sich vielmehr, ob die zusätzliche Belastung der Aufwandrechnung der Beklagten mit den von der Klägerin nicht zu tragenden Kosten für das Weisseln der Decken der gemieteten Wohnungen nach den Kriterien des BMM eine Erhöhung der Mietzinsen erlaubt hätte. Damit deckt sich die Anforderung des Appellationsgerichtes, gemäss der im Einzelfall hinreichend nachgewiesen werden muss, dass eine Mietzinserhöhung überhaupt möglich gewesen und bei Kenntnis der Rechtslage durchgeführt worden wäre. Mag letzteres einigermassen im Hypothetischen liegen, so war ersteres entgegen der Beschwerde gewiss beweisbar und hätte im Streit um eine erfolgte Zinserhöhung auch bewiesen werden müssen. Solchen Nachweis bieten die Beschwerdeführer nicht an. Ohne ihn entbehren die angestellten Prozentberechnungen der unerlässlichen Grundlage. Alsdann ist die offensichtlich aus Kenntnis der lokalen Verhältnisse gewonnene Annahme der kantonalen Richter nicht zu beanstanden, die vereinbarten Mietzinse würden, bezogen auf die Grösse der gemieteten Wohnflächen, auch ohne nachträgliche prozentuale Erhöhung noch eine angemessene Rendite ermöglicht haben.
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Sachverhalt ab Seite 28 BGE 115 II 28 S. 28 A.- Am 10. August 1984 schloss M. mit den beiden Mitgliedern B. und D. der einfachen Gesellschaft X. einen Kaufvorvertrag in einfacher Schriftform über eine noch zu erstellende Stockwerkseinheit in St. Moritz. An den Kaufpreis von Fr. 703'750.-- sollte M. bis zum 15. August 1984 Fr. 10'000.-- und bis zum 1. Dezember BGE 115 II 28 S. 29 1984 weitere Fr. 50'000.-- bezahlen. Die erste Anzahlung leistete M. am 16. August 1984; weitere Anzahlungen erfolgten verspätet und lediglich im Umfang von Fr. 34'200.--, was die Verkäufer veranlasste, mit Schreiben vom 24. Januar 1985 vom Vertrag zurückzutreten. Unter Berufung auf die Formungültigkeit des Vorvertrags forderte M. die Verkäuferschaft vergeblich zur Rückerstattung der Anzahlungen auf. B.- Die von M. erhobene Rückforderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung hiess das Bezirksgericht Maloja am 23. September 1987 gegenüber B. als Solidarschuldner für Fr. 44'200.-- nebst Zins gut. Mit Urteil vom 14. März 1988 wies das Kantonsgericht Graubünden die Berufung von B. (Beklagter) ab. Die von diesem gegen das kantonsgerichtliche Urteil erhobene eidgenössische Berufung weist das Bundesgericht ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beklagte bestreitet die Rückerstattungspflicht einmal mit dem Einwand, der Kläger habe entgegen dem angefochtenen Urteil bei Abschluss des unstreitig formungültigen Vorvertrags ( Art. 216 Abs. 2 OR ) Kenntnis vom Formmangel gehabt und sich daher nicht im Irrtum über die Schuldpflicht befunden, wie es die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Art. 63 Abs. 1 OR voraussetze. a) Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nach dieser Bestimmung nur zurückfordern (condictio indebiti), wenn er nachweist, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat. Leistet eine Partei somit in Kenntnis der Ungültigkeit eines Vertrags, ist ihr die Berufung auf Art. 63 Abs. 1 OR verwehrt. Bei synallagmatischen Verträgen führt das zu stossenden Ergebnissen, wenn die eine Partei im Bewusstsein der fehlenden Durchsetzbarkeit freiwillig leistet und die andere Partei die Gegenleistung gestützt auf die Unwirksamkeit des Vertrags entweder verweigert oder mit Erfolg zurückverlangt. Würde in derartigen - Fällen die Rückerstattung abgelehnt, könnte der Leistungsempfänger die Leistung ohne Gegenleistung behalten. Bei gestörten Austauschverhältnissen darf deshalb die Rückforderung nicht von der Voraussetzung der irrtümlichen Leistung abhängig gemacht werden (GAUCH/SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, 4. A. 1987, S. 291 Rz. 1190 f.). Hier muss es genügen, dass der bei der Leistung BGE 115 II 28 S. 30 vorausgesetzte Leistungsgrund ausbleibt. Dem entspricht die Regelung des Art. 62 Abs. 2 OR , wonach eine Vermögenszuwendung auch ohne Irrtum des Leistenden über die Schuldpflicht ( BGE 52 II 232 E. 2) dann ungerechtfertigt ist, wenn im Hinblick auf einen in der Folge nicht verwirklichten Grund geleistet wird (condictio causa data non secuta). Als Leistungsgrund kommt dabei auch ein Umstand in Betracht, der kein Rechtsgeschäft darstellt ( BGE 105 II 96 E. 3a). Leistet ein Vertragspartner, obwohl ihm die fehlende Durchsetzbarkeit der Gegenleistung bekannt ist, liegt der Leistungsgrund in der Erwartung, der Leistungsempfänger werde ebenfalls freiwillig leisten. Bleibt die Gegenleistung aus, ist die eigene Leistung grundlos erfolgt und zurückzuerstatten (vgl. BGE 105 II 96 E. 3a; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil OR, S. 237; KELLER/SCHAUFELBERGER, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64). b) Der Kläger erbrachte die Anzahlungen in der Erwartung, dass die noch zu erstellende Stockwerkseinheit auf ihn übertragen werde. Diese Gegenleistung verweigerten die Mitglieder des Baukonsortiums mit der Rücktrittserklärung vom 24. Januar 1985. Damit entfiel der Grund für die Anzahlungen, was für die bereicherungsrechtliche Rückforderung ausreicht.
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Sachverhalt ab Seite 378 BGE 112 V 376 S. 378 A.- Der 1929 geborene Peter Gasser erlitt 1970 im Militärdienst eine Tibiakopffraktur rechts und 1971 ebenfalls im Militärdienst eine Schenkelhalsfraktur rechts. Die Militärversicherung anerkannte die volle Bundeshaftung für die Folgen beider Unfälle. Ab 1973 erhielt Peter Gasser zeitlich befristete Invalidenrenten. Letztmals wurde ihm am 21. August 1981 für die Zeit vom 1. April 1981 bis 31. März 1983 eine Rente von monatlich Fr. 780.-- auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 40% zugesprochen. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht gelangte das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) zum Schluss, dass ab 1. April 1983 keine nennenswerte Erwerbsunfähigkeit mehr bestehe, dagegen ein Integritätsschaden von 20% vorliege. Es stellte ferner fest, dass damit die Integritätseinbusse gegenüber dem aus der Erwerbsunfähigkeit resultierenden Schaden überwiege (Integritätsrente höher als Invalidenrente). Gestützt auf die damalige Rechtspraxis des Eidg. Versicherungsgerichts zu Art. 25 Abs. 3 MVG , wonach der kleinere Schaden im grösseren enthalten und deshalb nur dieser Schaden abzugelten sei ( BGE 110 V 120 Erw. 1b, BGE 105 V 322 Erw. 1b, BGE 96 V 113 Erw. 2d, EVGE 1966 S. 151 Erw. 2), sprach das BAMV deshalb Peter Gasser mit Verfügung vom 23. November 1983 eine ab 1. April 1983 laufende Integritätsrente von monatlich Fr. 530.90 zu. Für die Berechnung dieser Rente ging es von den mit den Urteilen Gysler (EVGE 1966 S. 148) und Lendi (EVGE 1968 S. 88) eingeführten Bezugsgrössen des durchschnittlichen Leistungsansatzes von 85% und des mittleren anrechenbaren Jahresverdienstes aus (Fr. 37'475.--, Stand gemäss Art. 4 Abs. 2 des Bundesbeschlusses vom 9. Oktober 1981 über die Anpassung der Leistungen der Militärversicherung an die veränderten Erwerbseinkommen; AS 1981 1638). B.- Hiegegen erhob Peter Gasser Beschwerde und beantragte die Zusprechung einer Invalidenrente auf der Grundlage einer Invalidität von 45%. Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. November 1984 BGE 112 V 376 S. 379 ab. Die Begründung lautete im wesentlichen dahin, die angefochtene Verfügung vom 23. November 1983 beruhe auf der damals geltenden Rechtsprechung und lasse sich nicht beanstanden. Denn einerseits könne gegen die Bemessung des Integritätsschadens mit 20% nichts Stichhaltiges eingewendet werden und anderseits bestehe kein unfallbedingter Erwerbsausfall oder höchstens ein solcher, der kleiner wäre als die Entschädigung für die Integritätseinbusse. C.- Peter Gasser lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei ihm ab 1. April 1983 auf beschränkte Zeit eine Rente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von mindestens 40% auszurichten. In der Begründung führt er unter anderem aus, nach dem Erlass der angefochtenen Verfügung vom 23. November 1983 habe das Eidg. Versicherungsgericht mit dem Urteil Andres vom 23. Mai 1984 ( BGE 110 V 117 ) zu Art. 25 Abs. 3 MVG eine neue Rechtspraxis begründet. Danach könne beim Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit und Integritätseinbusse nicht mehr bloss eine Rente für den höheren Schaden zugesprochen werden; vielmehr seien beide Schäden kumulativ - durch Gewährung einer einzigen Rente - abzugelten. Diese neue Rechtsprechung sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz im vorliegenden Fall anzuwenden. Hinsichtlich der Bemessung der beiden Schäden beantragt Peter Gasser, es seien die medizinischen Verhältnisse durch eine Begutachtung näher abklären zu lassen. In seiner Vernehmlassung vom 14. Juni 1985 sprach sich das BAMV ebenfalls für die Anwendbarkeit der neuen Rechtspraxis zu Art. 23 Abs. 3 MVG aus und erklärte weiter, die Erwerbsunfähigkeit Peter Gassers betrage schätzungsweise 20%. Bei einem hypothetischen Jahresverdienst von Fr. 30'000.-- und einem Leistungsansatz von 90% ergebe sich ab 1. April 1983 für die Invalidenrente ein monatliches Betreffnis von Fr. 450.--. Die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität sei wie in der Verfügung vom 23. November 1983 mit 20% zu veranschlagen. Dagegen sei die Integritätsrente nicht mehr auf der Grundlage des Mittelwertes zwischen dem gesetzlichen Verdienstmaximum und dem gesetzlichen Verdienstminimum (EVGE 1966 S. 148, 1968 S. 88) zu berechnen, sondern aufgrund der von der Militärversicherung im Anschluss an das Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) eingeführte neue Rentenbasis von Fr. 15'000.--. Daraus resultiere eine Integritätsrente von Fr. 212.50, welche der Invalidenrente von Fr. 450.-- voll zuzurechnen sei. BGE 112 V 376 S. 380 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Kann von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes erwartet werden, so ist eine Invalidenrente auszurichten, wenn der versicherte Gesundheitsschaden eine voraussichtlich bleibende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit hinterlässt, oder eine Integritätsrente, wenn er eine erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Integrität zur Folge hat (siehe Art. 23 Abs. 1 MVG ). a) Im Falle der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit sieht Art. 24 Abs. 1 MVG die Ausrichtung einer Invalidenrente auf bestimmte oder unbestimmte Zeit vor. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades wird praxisgemäss - wie im Bereiche der Invalidenversicherung und der obligatorischen Unfallversicherung - das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre ( BGE 110 V 119 Erw. 1a, BGE 105 V 322 , BGE 96 V 112 ) ... b) Die Rente für erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Integrität wird in Würdigung aller Umstände nach billigem Ermessen festgesetzt ( Art. 25 Abs. 1 MVG ). Sie kann jederzeit von Amtes wegen oder auf Begehren des Versicherten ausgekauft werden ( Art. 25 Abs. 2 MVG ). Ein Integritätsschaden gibt grundsätzlich dann Anspruch auf eine Rente der Militärversicherung, wenn der Versicherte objektiverweise im Lebensgenuss erheblich eingeschränkt ist. Rechtserheblich in diesem Sinne ist die Störung primärer Lebensfunktionen, nicht aber die blosse Behinderung in der sonstigen Lebensgestaltung wie beispielsweise beim Sport, bei der Teilnahme an gesellschaftlichen Anlässen und dergleichen ( BGE 110 V 119 Erw. 1a mit Hinweisen). c) Bei gleichzeitigem Vorliegen von Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und erheblicher Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Integrität wird nur eine Rente zugesprochen, bei deren Berechnung jedoch beiden Beeinträchtigungen Rechnung getragen wird ( Art. 25 Abs. 3 MVG ). Nach der Rechtspraxis gemäss den Urteilen Gysler (EVGE 1966 S. 151 Erw. 2), Rey ( BGE 96 V 113 Erw. 2d) und Pulver ( BGE 105 V 322 Erw. 1b) galt bei diesem Zusammentreffen der Integritätsschaden regelmässig als im BGE 112 V 376 S. 381 Invaliditätsansatz mitenthalten, wenn die Verminderung der Erwerbsfähigkeit schwerer wog. Beeinträchtigte der körperliche oder psychische Nachteil die Erwerbsfähigkeit in geringerem Masse oder gar nicht, jedoch in erheblicher Weise die körperliche oder psychische Integrität, so war lediglich eine Integritätsrente auszurichten. Die gesetzliche Regelung, wonach nur eine Rente auszurichten, aber beiden Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen ist ( Art. 25 Abs. 3 MVG ), wurde in dem Sinne verstanden, dass der im Einzelfall überwiegende Schaden voll zu entschädigen sei. Dabei war in der Weise vorzugehen, dass die Rente für die beiden Schadensarten nach den hiefür massgebenden Bemessungs- und Berechnungsregeln getrennt festgesetzt und dem Versicherten die jeweils höhere Rente zugesprochen wurde. Mit dem Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) ist das Eidg. Versicherungsgericht von dieser Praxis abgegangen und hat erkannt, dass nicht mehr wie bis anhin nur der überwiegende Schaden abzugelten ist, sondern beide Schäden kumulativ - durch Gewährung einer einzigen Rente - zu entschädigen sind. In einem solchen Fall ist die Beeinträchtigung der Integrität durch eine Erhöhung der Invalidenrente ( Art. 24 MVG ) zu entschädigen, und zwar mit einem Zuschlag in Franken, der nach billigem Ermessen festgesetzt und nach dem Grad an Beeinträchtigung abgestuft wird ( BGE 110 V 124 Erw. 2e und 3). 2. a) (Ausführungen darüber, dass Invalidität und Integritätsschaden auf je 20% zu veranschlagen sind.) 3. a) Sind Erwerbsunfähigkeit (20%) und Integritätsschaden (20%) gegeben, so stellt sich die Frage, wie die Rente gemäss Art. 25 Abs. 3 MVG zu bestimmen ist. Beschwerdeführer und BAMV nehmen hiebei zu Recht an, dass die neue Rechtsprechung zu Art. 25 Abs. 3 MVG gemäss Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) auch im vorliegenden Fall zu beachten ist ( BGE 108 V 3 mit Hinweisen). Nach dieser Rechtsprechung ist die Beeinträchtigung der Integrität durch eine Erhöhung der Invalidenrente in Form eines Zuschlages in Franken zu entschädigen. Die Frage, wie dieser Zuschlag zu berechnen sei, hat das Eidg. Versicherungsgericht in der Meinung offengelassen, dass es dem BAMV anheimgestellt werden könne, eine sachgerechte Lösung auszuarbeiten. b) Das BAMV gelangte zum Schluss, dass nur die volle Kumulierbarkeit der beiden Renten zu befriedigenden Ergebnissen führen könne. Wer die Integritätsrente als reine Genugtuungsleistung anerkenne, müsse im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 MVG die unbeschränkte Kumulation mit der Invalidenrente befürworten. Der BGE 112 V 376 S. 382 Wortlaut dieser Bestimmung stehe dem nicht entgegen, und angesichts der Anerkennung der Integritätsrente als Genugtuungsleistung dürften historische Motive zur Begründung eines Verbots integraler Kumulation nicht mehr herangezogen werden. c) Die Bejahung der vollen Kumulierbarkeit führte das BAMV sodann zur Frage, ob in diesem Fall das Leistungsniveau der Integritätsrente, berechnet nach dem mittleren Jahresverdienst, noch angemessen sei bzw. ob nicht auch die Rechtspraxis zu Art. 25 Abs. 1 MVG neu überdacht werden müsse. Es erklärte hiezu, die auf der Grundlage des mittleren Jahresverdienstes berechneten Integritätsrenten gemäss der mit den Urteilen Gysler (EVGE 1966 S. 148) und Lendi (EVGE 1968 S. 88) begründeten Praxis seien von Anfang an zu grosszügig bemessen gewesen. Da der besagte Mittelwert im Laufe der Jahre der Entwicklung sowohl der Teuerung als auch der Löhne gefolgt sei, hätten sich mit der Zeit Entschädigungen für Integritätseinbussen ergeben, die in einem immer grösseren Missverhältnis zum jeweiligen Schaden gestanden hätten. Die Kumulierbarkeit von Invalidenrente und Integritätsentschädigung im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 MVG müsste deshalb exzessive Gesamtleistungen zur Folge haben, wenn weiterhin die bisherige Mittelwert-Praxis angewendet würde. Die Kumulationsfrage könne demzufolge nur befriedigend gelöst werden, wenn auch die Bemessungspraxis für die reine Integritätsrente gemäss Art. 25 Abs. 1 MVG geändert werde. Das BAMV entschied daraufhin, die Verwaltungspraxis mit Wirkung ab 1. Januar 1985 dahin zu ändern, dass inskünftig alle Integritätsrenten (Art. 25 Abs. 1 und 3) neu auf der Berechnungsgrundlage von Fr. 15'000.-- zugesprochen würden, wobei im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 die Leistungen voll zu kumulieren seien. Dagegen würde am Leistungsansatz von 85% und der Art und Weise der Feststellung der Integritätseinbusse weiterhin festgehalten. Im folgenden ist zu prüfen, ob diese Verwaltungspraxis geschützt werden kann. 4. a) Für die Beantwortung der im Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) offengebliebenen Frage, wie der Zuschlag für die Abgeltung des Integritätsschadens im Bereiche von Art. 25 Abs. 3 MVG zu bemessen sei, ist wegleitend davon auszugehen, dass das Mass der Entschädigung für Integritätseinbussen im Rahmen der Absätze 1 und 3 nach der gleichen Methode zu bestimmen ist. Die Entschädigung für Integritätsverluste soll für alle gleich sein, ob diese mit einer Erwerbsunfähigkeit verbunden sind oder nicht. Denn es wäre stossend, wenn der gleiche Integritätsschaden nicht in gleichem BGE 112 V 376 S. 383 Umfange entschädigt würde, je nachdem ob ein Anwendungsfall von Absatz 1 oder Absatz 3 MVG vorliegt. Die Ansprüche aus Erwerbsunfähigkeit und Integritätsschaden müssen deshalb im Bereiche von Art. 25 Abs. 3 MVG voll kumulierbar sein. Wie das BAMV zutreffend festhält, steht dem der Wortlaut von Art. 25 Abs. 3 MVG nicht entgegen. Auch entstehungsgeschichtliche Motive zu Art. 25 Abs. 3 MVG oder die Rechtsnatur der Abgeltungen für Integritätsschäden vermögen, zumal die Integritätsrente als Leistung mit Genugtuungscharakter anerkannt ist, die volle Kumulierbarkeit nicht auszuschliessen. b) Das Urteil Andres ist in diesem Sinne zu präzisieren, soweit es dahin verstanden wurde, dass nur eine Teilkumulation zulässig sei. Beigefügt sei, dass die Erwerbsunfähigkeit lediglich aus Gründen der Praktikabilität den Ausgangspunkt für die Ermittlung der Gesamtrente gemäss Art. 25 Abs. 3 MVG bildet und nur insofern der Invalidenrente eine gewisse Priorität zukommt; das quantitative Verhältnis zwischen Invalidenrente und Entschädigung für Integritätsverlust ist ohne Bedeutung. Soweit das Urteil Andres anders aufgefasst wurde, wird es hiermit ebenfalls klargestellt. 5. a) Für die Berechnung der Integritätsrente waren bislang ein Leistungsansatz von 85% und der Mittelwert zwischen dem gesetzlichen Verdienstmaximum und dem gesetzlichen Verdienstminimum massgebend ( BGE 110 V 120 Erw. 1a, BGE 105 V 322 Erw. 1a, EVGE 1968 S. 88 und 1966 S. 148). Bei der Begründung dieser Rechtspraxis im Urteil Gysler (BGE 1966 S. 148) betrug dieser Mittelwert Fr. 12'000.--. Im Bundesbeschluss über die Anpassung der Leistungen der Militärversicherung an die veränderten Erwerbseinkommen vom 6. Oktober 1972 wurde mit Art. 4 der genannte Mittelwert erstmals der Reallohnentwicklung angepasst und neu mit Fr. 22'749.-- festgelegt (AS 1972 2416; BBl 1972 I 728). Dies geschah gestützt auf den am 19. Dezember 1963 eingeführten Art. 25bis MVG (AS 1964 253), der bestimmte, dass die Renten der Teuerung und den veränderten Erwerbseinkommen anzupassen sind (BBl 1963 I 858; siehe auch BBl 1969 I 291 ff.). Es folgten weitere Anpassungen mit den Bundesbeschlüssen vom 4. Oktober 1974 (Art. 5; AS 1974 1538; BBl 1974 I 619; Fr. 28'260.--) und vom 9. Oktober 1981 (Art. 4 Abs. 2; AS 1981 1638; BBl 1981 I 661; Fr. 37'475.--). Mit Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vom 19. Oktober 1983 (AS 1983 1543) erhöhte der Bundesrat, der aufgrund des auf den 1. Januar 1984 revidierten Art. 25bis MVG (vgl. Art. 117 UVG ) nunmehr auch für die BGE 112 V 376 S. 384 Anpassung der Renten an die veränderten Erwerbseinkommen zuständig geworden war, den Durchschnittsverdienst auf Fr. 41'972.--. Dem BAMV ist beizupflichten, dass die volle Kumulation von Invalidenrente und Integritätszuschlag unangemessen hohe Leistungen zur Folge hätte, wenn letzterer auf der Grundlage von Fr. 37'475.-- (ab 1982) bzw. Fr. 41'972.-- (ab 1984) berechnet würde. Es ist deshalb zu Recht nach einer neuen Lösung gesucht worden. b) Dazu war das BAMV in formeller Hinsicht berechtigt. Mit den obgenannten Bestimmungen über die Anpassung des für die Berechnung der Integritätsrente massgebenden Durchschnittsverdienstes an die veränderten Erwerbseinkommen (wie auch in den bundesrätlichen Verordnungen über die Teuerungsanpassung vom 26. November 1975 - Art. 3/AS 1975 2267 - und vom 14. November 1979 - Art. 4/AS 1979 2056) wurde nicht dieser Mittelwert in normativer Weise als verbindlich erklärt. Wenn darin festgehalten wurde, um wieviel der Mittelwert aufgrund der Teuerung bzw. der Lohnentwicklung anzuheben ist, so kommt dem Umfang dieser Erhöhung wie auch der Tatsache, dass eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse vorgenommen wurde, keine normative Kraft und Verbindlichkeit zu. Normativen Charakter haben die genannten Bestimmungen nur insoweit, als darin eine Erhöhung des höchstanrechenbaren Jahresverdienstes enthalten ist, während der neue Mittelwert lediglich eine rein rechnerische Anpassung ohne normative Bedeutung darstellt. Die Massgeblichkeit des Mittelwertes beruhte mithin nicht auf einem Erlass, sondern trotz der genannten Beschlüsse und Verordnungen nach wie vor auf der durch die Urteile Gysler und Lendi eingeleiteten Rechtspraxis. Davon durfte die Verwaltung abweichen, da hiefür im Anschluss an das Urteil Andres zureichende Gründe bestanden. c) Die neue Lösung des BAMV lautet dahin, die Integritätsrenten ab 1. Januar 1985 nicht mehr nach Massgabe des Mittelwertes zwischen dem Verdienstmaximum und dem Verdienstminimum, sondern auf der Grundlage von Fr. 15'000.-- (und wie bisher eines Leistungsansatzes von 85%) zu berechnen. Das ist indes nicht haltbar, da diese neue Verwaltungspraxis im Rahmen von Art. 25 Abs. 1 MVG die Leistungen massiv abbaut und auch im Bereiche von Art. 25 Abs. 3 MVG keine angemessenen Lösungen erlaubt. Überdies wäre fraglich, ob eine so abrupte einschneidende Praxisänderung mit dem Vertrauensprinzip vereinbar wäre. BGE 112 V 376 S. 385 Das BAMV hat mit der neuen Rentenbasis von Fr. 15'000.-- offenkundig eine gewisse Angleichung an die Integritätsentschädigung bei der obligatorischen Unfallversicherung beabsichtigt (siehe auch MAULER, La réparation du tort moral dans l'assurance militaire, in SJZ 81/1985 S. 333, insbesondere S. 340). Angesichts der Sondersituation auf dem Gebiet der Militärversicherung (Wehrpflicht, besonderes Rechtsverhältnis, erhöhtes Unfallrisiko, Staatshaftung, Entschädigung in Rentenform usw.) und der leistungsbestimmenden Faktoren bei der Unfallversicherung (namentlich die Belastbarkeit der Versicherungsträger) sind jedoch Vergleiche nicht schlüssig; die Herabsetzung der Leistungen der Militärversicherung im Hinblick auf die Ansätze bei der obligatorischen Unfallversicherung entbehrt eines zureichenden sachlichen Grundes. 6. Demgegenüber ermöglicht die mit den Urteilen Gysler (EVGE 1966 S. 148) und Lendi (EVGE 1968 S. 88) eingeführte Praxis des Mittelwertes auch im Anschluss an das Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) und die volle Kumulierbarkeit der Ansprüche (vorstehend Erw. 4) sachgerechte Lösungen. Diese Rechtsprechung hatte anfänglich - entgegen der Auffassung der Militärversicherung - durchaus verhältnismässige Leistungen begründet. Wenn es im Laufe der Jahre zu überhöhten Entschädigungen der Integritätseinbussen gekommen ist, so ist das nicht auf den Mittelwert gemäss den Urteilen Gysler und Lendi als Prinzip, sondern auf die Tatsache zurückzuführen, dass dieser Mittelwert ab 1972 nicht nur der Teuerung, sondern zusätzlich auch der Lohnentwicklung fortlaufend angepasst wurde. Das war offensichtlich nicht sachgerecht, da die Integritätsrenten von der Lohnentwicklung nicht berührt werden. Wie bereits im Urteil Gysler erkannt wurde, hat der Integritätsschaden und seine Abgeltung mit Lohn nichts zu tun, weshalb dieser keine geeignete Berechnungsgrundlage für die Integritätsrente bilden kann. Obgleich in diesem Urteil die massgebende Berechnungsgrundlage mit dem Mittelwert zwischen dem gesetzlichen Verdienstmaximum von Fr. 21'000.-- und dem Verdienstminimum von Fr. 3'000.-- festgelegt wurde, handelte es sich dennoch um eine Grösse ohne Lohncharakter. Der Mittelwert ist demzufolge der Lohnentwicklung nicht anzupassen. Wenn Art. 25bis MVG generell "die Renten" erwähnt, so kann sich die Bestimmung, soweit es um die Anpassung an die eingetretene Änderung der Erwerbseinkommen geht, vernünftigerweise nur auf die Invaliden- und Hinterlassenenrenten beziehen. Die bisherige BGE 112 V 376 S. 386 Praxis zu Art. 25 Abs. 1 MVG ist mithin zu korrigieren, indem der im Jahre 1966 gültige Mittelwert von Fr. 12'000.-- lediglich der seitherigen Entwicklung der Konsumentenpreise angepasst wird. Danach beträgt der im Jahre 1983 massgebende Mittelwert rund 25'400 Franken (Fr. 12'000.-- x 2,12). Diese Lösung erlaubt nicht nur für Tatbestände des Art. 25 Abs. 3 MVG , sondern auch im Rahmen von Art. 25 Abs. 1 MVG angemessene Abgeltungen, indem die bisher aus den obgenannten Gründen überhöhten Leistungen auf ein sachgerechtes Mass zurückgestuft werden. Beizufügen bleibt, dass das BAMV zu gebotener Zeit die jeweils notwendige Anpassung an die zwischenzeitliche Teuerung vorzunehmen haben wird. 7. a) Das BAMV hat auch in der Frage des Rentenauskaufs gemäss Art. 25 Abs. 2 MVG eine neue Verwaltungspraxis eingeführt, indem es in der Regel auch im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 MVG die Integritätsrente auskauft. Es hat sich den Auskauf ausdrücklich auch für den vorliegenden Fall vorbehalten. Dieser neuen Praxis ist zuzustimmen. An der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Auskauf nur für reine Integritätsrenten gemäss Art. 25 Abs. 1 MVG zugelassen war (EVGE 1956 S. 155), kann deshalb nicht festgehalten werden, weil der Zuschlag zur Abgeltung eines Integritätsschadens im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 MVG nach den gleichen Regeln wie die reine Integritätsrente gemäss Art. 25 Abs. 1 MVG zu ermitteln und eine volle Kumulation der Ansprüche möglich ist. Wenn Art. 25 Abs. 2 MVG dem Wortlaut nach und unter dem Blickwinkel der Systematik primär auf Art. 25 Abs. 1 MVG Bezug nimmt, so schliesst das den Auskauf des Zuschlags für die Abgeltung eines Integritätsschadens im Bereiche von Art. 25 Abs. 3 MVG nicht aus. Mit der neuen Rechtsprechung zu Art. 25 Abs. 3 MVG sind die wesentlichen Motive für die Praxis gemäss EVGE 1956 S. 155 dahingefallen. Eine unterschiedliche Behandlung des Auskaufs in den Fällen von Art. 25 Abs. 1 und Abs. 3 MVG lässt sich sachlich nicht mehr rechtfertigen. b) Beizufügen bleibt, dass die Entschädigung für Integritätsverluste sowohl in der Form der reinen Integritätsrente ( Art. 25 Abs. 1 MVG ) oder des Zuschlags zur Abgeltung eines Integritätsschadens ( Art. 25 Abs. 3 MVG ) als auch in der Form einer Auskaufssumme bei der Feststellung einer allfälligen Überentschädigung ( Art. 52 Abs. 1 MVG ) nicht zu berücksichtigen ist. Eine allfällige Überentschädigung ist grundsätzlich an der Gesamtheit der materiellen Einbussen zu messen. Es liesse sich deshalb nicht rechtfertigen, bei BGE 112 V 376 S. 387 deren Ermittlung auch die Abgeltung für einen Integritätsschaden mit einzubeziehen. 8. a) Eine neue Rechtspraxis ist grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Änderung noch nicht erledigten sowie auf künftige Fälle anwendbar ( BGE 108 V 3 mit Hinweisen). Deshalb ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente gemäss Art. 25 Abs. 3 MVG für die Zeit ab 1. April 1983 nach der hievor dargelegten Berechnungspraxis festzulegen. Dem steht, wie sich aus Erw. 5b hievor ergibt, Art. 4 Abs. 2 des Bundesbeschlusses vom 9. Oktober 1981 bzw. Art. 4 Abs. 2 der bundesrätlichen Verordnung vom 19. Oktober 1983 nicht entgegen. b) Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer für die Zeit ab 1. April 1983 Anspruch auf eine Invalidenrente hat, die auf der Basis einer Invalidität von 20% und des im vorliegenden Fall anrechenbaren Jahresverdienstes von Fr. 30'000.-- zu ermitteln ist. Zu dieser ist ein Integritätsschadenszuschlag hinzuzuzählen, der nach Massgabe einer Integritätseinbusse von 20% und auf der Grundlage einer Rentenbasis von Fr. 25'400.-- zu berechnen ist. Die Sache geht an die Verwaltung zurück, damit diese über die Rente gemäss Art. 25 Abs. 3 MVG im hievor genannten Sinne verfügungsweise befinde.
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18caff2d-ca60-49ae-aa6b-6a84f4d6e6c1
Sachverhalt ab Seite 22 BGE 139 V 21 S. 22 A. K. (geb. 1957) war seit 1997 bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft (kurz: Swiss Re) tätig und bei der Pensionskasse Swiss Re (nachfolgend: Pensionskasse) berufsvorsorgeversichert. Diese stellte auf den 1. Januar 2007 vom Leistungsprimat auf einen neuen Vorsorgeplan mit Beitragsprimat um. Übergangsrechtlich wurde den Aktivversicherten ein Zuschuss zum Altersguthaben gewährt mit dem Ziel, die gleich hohe Alterspension mit Alter 60 zu erreichen wie gemäss altem Statut. Dabei sieht Art. 1415 Ziff. 3 des ab 1. Januar 2007 gültigen Reglements einen gestaffelten Rückbehalt des Zuschusses bei einem Austritt bis 31. Dezember 2011 vor. Ende 2008 kündigte die Swiss Re das Arbeitsverhältnis mit K. wegen Umstrukturierung auf Ende November 2009. In der Folge reduzierte die Pensionskasse seine Austrittsleistung um 60 % des am 1. Januar 2007 gewährten Zuschusses (Austrittsabrechnung per 30. November 2009). B. Am 19. April 2010 reichte K. Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ein und beantragte, die Pensionskasse sei zu verurteilen, ihm die volle, ungekürzte Freizügigkeitsleistung unter Einrechnung der vollen Zusatzgutschrift vom 1. Januar 2007 auszurichten und den in Abzug gebrachten Betrag von Fr. 164'614.80 nebst 5 % Zins seit 1. Dezember 2009 auszuzahlen. Mit Entscheid vom 12. Juni 2012 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage gut. Es verpflichtete die BGE 139 V 21 S. 23 Pensionskasse, K. den bei der Austrittsleistung in Abzug gebrachten Rückbehalt von Fr. 164'614.80 nachzubezahlen, wobei der Betrag ab 1. Dezember 2009 im Sinne der Erwägungen zu verzinsen sei. C. Dagegen führt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid vom 12. Juni 2012 sei aufzuheben und die Klage vom 19. April 2010 vollumfänglich abzuweisen. Ferner sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. K. stellt in seiner Vernehmlassung Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme. D. Mit Verfügung vom 25. September 2012 erkannte die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist zunächst, inwieweit Art. 1415 Ziff. 3 des Pensionskassenreglements (in der ab 1. Januar 2007 gültigen Fassung) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstösst, indem er nicht zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Austritt unterscheidet. Die Vorinstanz hat einen entsprechenden Verstoss bejaht und dem Kläger - als unfreiwillig aus der Pensionskasse Austretendem - einen Anspruch auf die ungekürzte Austrittsleistung zugestanden. 2.1 Gemäss Art. 1f der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) ist der Grundsatz der Gleichbehandlung eingehalten, wenn für alle Versicherten eines Kollektivs die gleichen reglementarischen Bedingungen im Vorsorgeplan gelten. 2.2 Versicherte, die per 1. Januar 2007 eine gemäss einem reglementarisch festgelegten Schlüssel berechnete Punktzahl von 49 oder mehr erreichten, erhielten einen nach Punktzahl abgestuften Zuschuss. Die Punktzahl errechnete sich dabei wie folgt: tatsächliches Alter (auf Monate genau) per 31. Dezember 2006 plus 1/3 der Jahre und Monate der tatsächlichen Zugehörigkeit zur Pensionskasse (Art. 1415 Ziff. 2 Reglement). Art. 1415 Ziff. 3 der Schluss- und Übergangsbestimmungen des Reglements trägt den Titel "Rückbehalt des Zuschusses bei Austritt BGE 139 V 21 S. 24 bis zum 31.12.2011". Danach reduziert sich die Austrittsleistung (Art. 911) bei einem Austritt bis Ende 2011 gemäss aufgeführter Tabelle. Diese sieht eine linear abnehmende Reduktion des Zuschusses vor, der den Aktivversicherten am 1. Januar 2007 gewährt wurde, mit Stichtag jeweils per Jahresende, beginnend am 31. Dezember 2007 (Reduktion um 100 %) und endend am 31. Dezember 2011 (Reduktion um 20 %). Der entsprechend zurückbehaltene Teil des Zuschusses wird dem Beitragsreservekonto des Arbeitgebers (Art. 510 Ziff. 4) gutgeschrieben. Erfolgt der Austritt ab dem 1. Januar 2012 wird die Austrittsleistung nicht mehr reduziert. 2.3 Es steht für das Bundesgericht verbindlich fest (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 BGG ), dass die Pensionskasse bei der Umstellung vom Leistungs- auf das Beitragsprimat keine Teil- oder Gesamtliquidation durchgeführt hat sowie keine freien Mittel auswies. Gleiches gilt für die vorinstanzliche Feststellung, dass die Swiss Re für die besagte Umstellung 100 Mio. Fr. zur Verfügung stellte und daraus (auch) der Zuschuss zum Altersguthaben finanziert wurde. 2.4 2.4.1 Es ist nicht selten, dass die Arbeitgeberfirma bei einem ausserordentlichen Finanzierungsbedarf der Vorsorgeeinrichtung freiwillig einen Sonderbeitrag leistet. Zu denken ist an einen einmaligen Sanierungszuschuss, den der Arbeitgeber zusätzlich zu den reglementarisch vorgesehenen Sanierungsbeiträgen erbringt, oder an die Erklärung, wonach er in einem definierten Umfang für die Dauer der Unterdeckung auf die Verwendung der - vorgängig geäufneten - Arbeitgeberbeitragsreserve (vgl. Art. 331 Abs. 3 OR ) verzichtet (KURT C. SCHWEIZER, Die arbeitgeberseitige Finanzierung der beruflichen Vorsorge, Eine Auseinandersetzung mit vertraglichen Grundlagen der Personalvorsorge, in: Berufliche Vorsorge im Wandel der Zeit, Festschrift "25 Jahre BVG", Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], 2009, S. 191). Eine solche freiwillige Arbeitgeberleistung stellt auch die hier zur Diskussion stehende Finanzierung des übergangsrechtlichen Zuschusses zum Altersguthaben dar (JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Attributions volontaires de prévoyance de l'employeur: fiscalité et cotisations AVS/AI, SZS 2009 S. 426 ff., 435 f. Ziff. 21). Die dazu erforderlichen Mittel stammen direkt von der Arbeitgeberfirma (vgl. E. 2.3). Dabei handelt es sich um eine besondere Beitragsleistung, die einerseits einem im Voraus bezeichneten Versichertenkreis zufliesst und anderseits der Erfüllung eines vorbestimmten Vorsorgeziels dient. Der Zuschuss bezweckt, dass vor allem die älteren und BGE 139 V 21 S. 25 langjährigen Aktivversicherten (vgl. E. 2.2 Abs. 1) im neuen Pensionsplan bei Erreichen des Alters 60 die gleiche Pension erhalten wie gemäss bisherigem Plan. Mit anderen Worten geht es hier um die Verteilung gebundener und nicht freier Mittel, insbesondere nicht um diejenigen einer Finanzierungsstiftung (vgl. dazu BGE 138 V 346 E. 3.1.1 in fine S. 349). Wohl wurde die Einlage nicht direkt von der Arbeitgeberin individuell übertragen. Indes hat sie nicht die Vorsorgeverbesserung aller Vorsorgenehmer zum Inhalt, wie es die freien Mittel haben. Diese sind eine gesamt-kollektive Grösse und gehören allen Destinatären (Arbeitnehmer, Rentner, Invalide und Ehemalige; BGE 138 V 303 E. 3.3 S. 308). Anzumerken bleibt, dass der Beschwerdegegner richtig vorträgt, dass auch freie Mittel durch Arbeitgebereinlagen gebildet werden können. Er schweigt sich aber darüber aus, ob das Rückstellungsreglement der Beschwerdeführerin ( Art. 48e BVV 2 ) solches - zumindest im hier fraglichen Zeitraum - überhaupt zuliess (in demjenigen gültig ab 31. Dezember 2011 jedenfalls nicht vorgesehen [Art. 11; http://www.pensionskasse-swissre.ch/downloads ]). 2.4.2 Die - unabhängig von einer Teil- oder Gesamtliquidation - für die Verteilung von freien Stiftungsmitteln herrschenden Rechtsgrundsätze, welche erfordern, dass die unfreiwillig aus der Vorsorgeeinrichtung ausscheidenden Versicherten nicht gleich behandelt werden wie die freiwillig Ausgeschiedenen (vgl. BGE 133 V 607 E. 4.2.2 und E. 4.2.3 S. 611), finden somit von vornherein keine Anwendung. Im gleichen Sinn verbleibt kein Raum für die Annahme einer übergangsrechtlichen Regelungslücke. Der vorinstanzliche Entscheid, der ausschliesslich darauf aufbaut, verletzt diesbezüglich Bundesrecht. 2.5 Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements sieht vor, dass alle Versicherten, die am 1. Januar 2007 einen Zuschuss erhalten haben und bis zum 31. Dezember 2011 aus der Pensionskasse austreten, eine Reduktion auf dem Zuschussteil der Austrittsleistung zu gewärtigen haben. Das Reglement nennt die Kriterien und Modalitäten ausdrücklich und präzise (vgl. E. 2.2 Abs. 2). Aus diesen erhellt, dass eine Kategorie von Vorsorgenehmern nach identischen Bedingungen behandelt wird. Entlassene Versicherte wie der Beschwerdegegner werden nicht von einer Partizipation ausgeschlossen, sondern unterliegen wie die übrigen Austretenden der gleichen Leistungskürzung pro rata temporis. Diese Schlechterstellung (gegenüber den BGE 139 V 21 S. 26 verbleibenden Aktivversicherten) ist im Arbeitsverhältnis begründet und daher objektiv motiviert. Es trifft nicht zu, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, seine Einlage rückgängig zu machen. Zum einen kann ein Arbeitsverhältnis auch seitens des Arbeitnehmers beendet werden. Zum andern erhält der Arbeitgeber den Rückbehalt nicht zurück. Vielmehr wird dieser seinem Beitragsreservekonto gutgeschrieben (vgl. E. 3.1 nachfolgend). Nachdem der Zuschuss darauf ausgerichtet ist, bei einer allfälligen Pensionierung in der Beschwerde führenden Pensionskasse die Alterspension mit Alter 60, wie sie vor dem 1. Januar 2007 im Leistungsprimat versichert war, zu garantieren (vgl. E. 2.4.1), ist auch die zeitliche Limitierung des Rückbehalts als sachgerecht zu bezeichnen. Es sollen vor allem diejenigen Versicherten ungeschmälert in den Genuss des Zuschusses kommen, die von der neuen Lösung langfristig betroffen sind. 2.6 Zusammengefasst steht fest, dass der Beschwerdegegner unter dem Titel des Gleichbehandlungsgebots keinen Anspruch auf die ungekürzte Austrittsleistung hat. 3. Nach Art. 107 Abs. 2 BGG entscheidet das Bundesgericht in der Sache selbst oder weist diese an eine untere Instanz zurück, wenn es die Beschwerde gutheisst. Das Bundesgericht entscheidet mithin nicht nur kassatorisch, sondern kann den Streitpunkt auch reformatorisch neu regeln. Die vorliegende Sach- und Rechtslage lässt eine solche direkte Beurteilung zu, da die übrigen Einwände des Beschwerdegegners unbegründet sind: 3.1 Insoweit der Beschwerdegegner die jährlichen Kürzungsschritte in der Höhe von 20 % als willkürlich bezeichnet, weil ihm die 11 Monate des Jahres 2009, während denen das Arbeitsverhältnis noch bestanden habe, nicht angerechnet worden seien, lässt er ausser Acht, dass Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements nur vom zeitanteiligen Rückbehalt des reinen Zuschusses handelt (am 1. Januar 2007 gewährter Zuschuss: Fr. 274'358.-; zurückbehaltener Zuschuss Ende November 2009: 60 % von Fr. 274'358.- = Fr. 164'614.80). Die Verzinsung des Altersguthabens - auch auf dem Zuschuss - verblieb beim Beschwerdegegner und zwar auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genau (Art. 911 des Reglements). Dieses Vorgehen führt - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - nicht zu einem Mutationsgewinn. Von Willkür kann daher keine Rede sein. Ebenso ist es rechtens, dass der zurückbehaltene Teil des Zuschusses dem BGE 139 V 21 S. 27 Beitragsreservekonto des Arbeitgebers gutgeschrieben wird, da er aus eigenen Mitteln des Arbeitgebers stammt (vgl. E. 2.3; Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Bd. 4, 2009, S. 213 oben; vgl. auch CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 192, wonach es zulässig ist, bei frühzeitigem Ausscheiden den gänzlichen Austrittsgewinn zurückzubehalten und der Arbeitgeberbeitragsreserve gutzuschreiben). 3.2 Selbst wenn man im Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt auf Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements resp. den Rückbehalt des Zuschusses bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Pensionskasse hingewiesen wurde, die Verletzung einer aus Treu und Glauben hergeleiteten Auskunfts- oder Informationspflicht erblicken wollte, könnte der Beschwerdegegner daraus nichts für sich ableiten. Der Vertrauensschutz setzt nämlich voraus, dass der Private infolge der fehlenden oder unzutreffenden Auskunft eine nachteilige, nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hat ( BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; BGE 137 II 182 E. 3.6.2 S. 193). Daran fehlt es hier. Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, im Nichtwissen um die fragliche Reglementsbestimmung irgendwelche Vorkehren getroffen oder unterlassen zu haben. 3.3 Aus dem Gesetz ergibt sich kein wertmässiger Anspruch auf bestimmte Arbeitgeberbeiträge, weshalb das Recht auf die Freizügigkeitsleistung, soweit sie mit Arbeitgeberbeiträgen finanziert wurde, lediglich in ihrem Bestand gesetzlich garantiert ist. Der genaue Umfang ist reglementarisch festzulegen und wird nur dann zum wohlerworbenen Recht, wenn die bestehende Skala gemäss Reglement unabänderlich ist ( BGE 117 V 221 E. 5b S. 227 unten). Dies ist in concreto nicht der Fall. Es können keinerlei Anhaltspunkte für eine besonders qualifizierte Zusicherung ausgemacht werden. Der Beschwerdegegner legt denn auch Gegenteiliges nicht näher dar.
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Sachverhalt ab Seite 45 BGE 102 Ib 45 S. 45 Die Beschwerdeführerin betreibt ein Montageunternehmen, das seinen Kunden Arbeitskräfte für Montagearbeiten zur Verfügung stellt. Nachdem die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) in Abänderung ihrer bisherigen Praxis entschieden hatte, das Zurverfügungstellen von Arbeitskräften an Dritte für Bauten gelte als steuerbare Warenlieferung, wurde die Beschwerdeführerin per 1. Juli 1972 als Hersteller-Grossist im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen eingetragen. Die für das 3. und 4. Quartal 1972 und für das 1. Quartal 1973 geschuldeten Steuerbeträge von Fr. 25'557.05 bezahlte sie vorbehaltlos. In den Abrechnungen für das 2. bis 4. Quartal 1973 brachte sie jedoch jeweils einen Rückforderungsvorbehalt an. Auf Beschwerde hin entschied das Bundesgericht am 28. März 1974 im Urteil Aktiengesellschaft X. gegen EStV ( BGE 100 Ib 67 ), das Zurverfügungstellen von Arbeitskräften stelle keine steuerbare Warenlieferung dar, worauf die EStV die Steuerpflicht für derartige Leistungen mit Wirkung ab 1. April 1974 wieder aufhob. Die Beschwerdeführerin verlangte in der Folge BGE 102 Ib 45 S. 46 die Rückerstattung der für die Zeit vom 1. Juli 1972 bis 31. Dezember 1973 bezahlten Warenumsatzsteuer von total Fr. 58'995.75 nebst Zins. Die EStV erstattete ihr die für das 2. bis 4. Quartal 1973 unter Vorbehalt bezahlten Warenumsatzsteuerbeträge samt Zins, lehnte jedoch eine Erstattung der Steuerleistungen für 1972 und für das 1. Quartal 1973 ab und hielt an diesem Standpunkt im Einspracheverfahren fest. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die von der EStV auf den 1. Juli 1972 verfügte, von der bisherigen abweichende steuerrechtliche Behandlung der mit "zur Verfügung gestellten" Arbeitskräften ausgeführten Bauarbeiten überhaupt eine neue Praxis habe begründen können. Ihre aufgrund der neuen Weisungen erfolgte Selbstveranlagung sei deshalb als irrtümlich, und die Zahlung der Steuerbeträge für die Zeit vom 1. Juli 1972 bis 31. März 1973 als Zahlung einer Nichtschuld zu betrachten. a) Ob die Beschwerdeführerin eine Schuld oder eine Nichtschuld bezahlt hat, muss sich zunächst aus einer Prüfung der Frage ergeben, ob die Steuerforderung gesetzmässig begründet wurde. Da der WUStB recht knapp gefasst ist, kommt dabei der Praxis der EStV wesentliche - im vorliegenden Fall nach Auffassung beider Parteien entscheidende - Bedeutung zu. Die Verwaltung muss bei der Auslegung des Gesetzes und in der Handhabung ihres Ermessens auf Grund des Rechtsgleichheitsgebotes nach einheitlichen, über den Einzelfall hinaus gültigen Kriterien vorgehen. Verwaltungspraxis ist daher der von der Überzeugung der Gesetz- und Zweckmässigkeit getragene Wille zu einer bestimmten, konstanten Rechts- und Ermessensanwendung gegenüber jedermann. Ihrer Verwirklichung dienen insbesondere die generellen administrativen Weisungen. Die Praxis und damit die Weisungen sind zu ändern, wenn immer die Verwaltung nach gründlicher und ernsthafter Untersuchung zur Überzeugung gelangt, der wirkliche Sinn des Gesetzes sei ein anderer als der bisher angenommene ( BGE 100 Ib 71 ; H. DUBS, Praxisänderungen, S. 138 ff.), oder Veränderungen in den tatsächlichen Gegebenheiten BGE 102 Ib 45 S. 47 erforderten eine andere Betätigung des pflichtgemässen Ermessens. Hat sich die Verwaltung zu einer Praxisänderung entschlossen, ist die neue Praxis im Grundsatz sofort und überall anzuwenden. Die neue Praxis gilt, und dies ohne Rücksicht darauf, ob sie allgemein gebilligt, ob ihre Begründung angezweifelt, bestritten oder ob sie gar als rechtswidrig angefochten wird, bis die Verwaltung selbst sie durch eine neue ersetzt, die - wie im vorliegenden Fall - vielleicht mit der ursprünglichen identisch ist. Die veränderte Praxis der EStV in der Zeit vom 1. Juli 1972 bis 31. März 1974 ist daher als Praxis im Rechtssinn anzuerkennen. Der Entscheid BGE 100 Ib 67 , auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, spricht keineswegs gegen diese Auffassung: Er hat die Anwendung der neuen Praxis in einem konkreten Fall zwar ausgeschlossen, die Praxis als solche aber weder rückwirkend noch für die Zukunft nichtig erklärt oder aufgehoben, wenn er auch indirekt ihre Aufhebung durch die Verwaltung selbst mit Wirkung auf den 1. April 1974 veranlasst hat. Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach sich eine neue Praxis nach dem 1. Juli 1972 überhaupt nicht habe herausbilden können, geht daher fehl. Verwaltungspraxis ist weder Gewohnheitsrecht noch bewährte Lehre und Überlieferung; weder der allgemeine Konsens noch die zeitliche Komponente sind für sie Wesensmerkmale, bedeutet ja eine Praxisänderung schon rein logisch einen Neubeginn, den Schritt vom Hergebrachten zum Neuen. Etwas Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten Wortlaut von Erw. 2c des genannten Bundesgerichtsentscheides ableiten, wo auf Anwendbarkeit der "bisherigen Praxis" entschieden wurde. Dieser Satz konnte sich naturgemäss nur auf den damals beurteilten Einzelfall beziehen, abgesehen davon, dass in den Erwägungen 2a und 2c auch von der "neuen Praxis" der EStV die Rede ist. Die Beschwerdeführerin hat ihre Warenumsatzsteuerschuld bis zum 31. Dezember 1973 - die für das 1. Quartal 1974 geschuldete Steuer wurde nicht mehr einverlangt - aufgrund des Gesetzes und der damals geltenden Praxis beglichen; sie hat keine Nichtschuld bezahlt. b) Waren die Steuern zur Zeit ihrer Entrichtung geschuldet, ist weiter zu prüfen, ob angesichts der Praxisänderung die Beschwerdeführerin dennoch Anspruch auf Erstattung der entrichteten Warenumsatzsteuer hat. BGE 102 Ib 45 S. 48 Die EStV verneint in ihrem Einspracheentscheid und in ihrer Vernehmlassung einen solchen Anspruch. Gestützt auf ein Urteil des Bundesgerichtes vom 23. Juni 1950 (ASA 19 S. 185 ff., 189) macht sie geltend, eine Steuerveranlagung, die unangefochten oder im Kontrollverfahren abgeändert worden sei, erlange formelle und materielle Rechtskraft; die Festsetzung der Steuerschuld werde damit für den Steuerpflichtigen wie für das Gemeinwesen endgültig. Dies gelte nicht nur für die durch Verwaltungsentscheid festgesetzte Steuerschuld, sondern auch für die aufgrund der Selbstdeklaration des Pflichtigen erhobene und ohne Vorbehalt bezahlte Steuer. Diese Rechtsprechung ist insoweit kritisiert worden, als sie die vorbehaltlose Zahlung einer selbstveranlagten Steuer der Steuerfestsetzung durch rechtskräftigen Entscheid gleichgestellt hat. Die Selbstveranlagung sei kein hoheitlicher Akt, daher könne ihr keine Rechtskraft zukommen (B. ZINGG, Die Rückerstattung nicht geschuldeter Warenumsatzsteuer, ASA 28 S. 81 ff., insbes. 89 ff.). Die Frage der Rechtskraft einer durch Selbstveranlagung festgesetzten und nicht angefochtenen Steuer braucht jedoch nicht neu entschieden zu werden, denn sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes als auch nach der Auffassung der Kritiker dieser Rechtsprechung kann nämlich die Rückerstattung nur in Frage kommen, wenn der Steuerpflichtige die nach der früheren Praxis geforderten Steuern schon damals rechtswirksam angefochten oder nur unter Vorbehalt bezahlt hat. Dagegen bekundet der Pflichtige, der die Steuer vorbehaltlos bezahlt, seinen Willen, sich der zur Zeit der Zahlung geltenden Praxis zu unterziehen, und seinen endgültigen Verzicht, einen Entscheid über die Steuerschuld zu verlangen. Eine Praxisänderung, die durch ein bundesgerichtliches Urteil veranlasst wird, hat nicht zur Folge, dass eine der früheren Praxis entsprechende Taxation aufgehoben oder neu anfechtbar wird (ASA 19 S. 189 f.; ZINGG, a.a.O., S. 97 f.). 2. Unter diesen Umständen könnte das Begehren der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides und Rückzahlung der noch nicht erstatteten Steuerbeträge nur gutgeheissen werden, wenn besondere Gründe dafür vorlägen. Solche macht die Beschwerdeführerin denn auch geltend. a) Die Beschwerdeführerin sieht darin, dass die EStV sie BGE 102 Ib 45 S. 49 nicht auf den Widerstand aufmerksam gemacht habe, dem die neue Praxis begegne, einen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Vorwurf ist unbegründet. Die Verwaltung ist bei jedem Schritt der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Praxis angefochten wird; es ist ihr nicht zuzumuten, jedem allfälligen Interessenten von beabsichtigten oder bereits eingeleiteten Anfechtungshandlungen Dritter von Amtes wegen Mitteilung zu machen und damit noch zusätzliche Opposition gegen eine Praxis, die sie selbst als richtig erkannt hat, zu provozieren. Es hätte der Beschwerdeführerin freigestanden, schon ihre Eintragung in das Grossistenregister anzufechten und - wie andere - auch ihre Steuerpflicht schon bei der ersten Abrechnung durch den Richter abklären zu lassen. Sie hat dies nicht getan in der - richtigen - Erkenntnis, dass die neue Praxis allgemein gehandhabt werde; sie war insoweit auch keineswegs in einem Irrtum befangen, für den sie nachträglich die Verwaltung verantwortlich machen könnte. b) Weiter beruft sich die Beschwerdeführerin aber auch auf besondere Zusicherungen, welche die EStV mit Bezug auf die allfällige Erstattung von Warenumsatzsteuerbeträgen gegenüber den bei ihr intervenierenden Industrieunternehmen abgegeben habe. Soweit sich diese Zusicherungen auf "unter Vorbehalt" bezahlte Steuern beziehen, ist dieser Einwand unbeachtlich; denn diese Beträge sind ja der Beschwerdeführerin erstattet worden und nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Dass auch für die vorbehaltslos entrichteten Beträge von der EStV Erstattungszusicherungen in irgendeiner als verbindlich zu betrachtenden Form erteilt worden seien, wird aber von der Verwaltung bestritten und ist auch nicht nachgewiesen. Selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin über die Verhandlungen zwischen der EStV und Industrievertretern zutreffen sollte, wäre dieser Nachweis nicht erbracht. Es erübrigt sich damit, zu untersuchen, ob und inwieweit aus Zusicherungen an die Vertreter bestimmter Unternehmen auch die Beschwerdeführerin etwas zu ihren Gunsten ableiten könnte.
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Erwägungen ab Seite 230 BGE 127 III 229 S. 230 Aus den Erwägungen: 7. Erstmals macht der Beschwerdeführer geltend, die Offerte der Y. AG sei unbeachtlich, weil diese Gesellschaft als Verwalterin der strittigen Überbauung im Sinne von Art. 10 SchKG in den Ausstand zu treten habe bzw. ein Verkauf an sie gegen Art. 11 SchKG verstossen würde. a) Nach Art. 11 SchKG dürfen die Beamten und Angestellten der Betreibungs- und Konkursämter über die vom Amt einzutreibenden Forderungen oder die von ihm zu verwertenden Gegenstände keine Rechtsgeschäfte auf eigene Rechnung abschliessen; Rechtshandlungen, die gegen dieses Verbot verstossen, sind nichtig. Diese Bestimmung dient einer von persönlichen Interessen unbeeinflussten Behandlung des Verfahrens durch die genannten Organe; weder Schuldner noch Gläubiger sollen durch Interessen der genannten Art geschädigt werden (JAMES T. PETER, Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 1 zu Art. 11). Art. 11 SchKG setzt nicht etwa voraus, dass das in Frage stehende Vollstreckungsorgan seine Stellung tatsächlich missbraucht hat ( BGE 122 III 335 E. 2c S. 337). Unerheblich ist angesichts der vorgesehenen Sanktion (Nichtigkeit) zudem auch der Preis, der bei einer Verwertung durch den strittigen Akt erzielt worden ist (dazu JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich 1911, N. 3 zu Art. 11). Das Selbstkontrahierungsverbot gilt nach der Rechtsprechung nicht nur für die eigentlichen Beamten und Angestellten eines Betreibungs- oder Konkursamtes, sondern auch für die von einem solchen zur Erfüllung seiner Aufgaben allenfalls beigezogenen Hilfspersonen, soweit diese als Träger staatlicher Funktionen erscheinen ( BGE 44 III 147 ; vgl. PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 9 zu Art. 11). b) Wegen Verstosses gegen Art. 11 SchKG wurde etwa die Ersteigerung von Schuldbriefen durch einen Mitarbeiter des Betreibungsamtes ( BGE 112 III 65 ff.), aber auch die Ersteigerung eines Grundstücks durch ein Mitglied des Gläubigerausschusses im Rahmen des Vollzugs eines Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung ( BGE 122 III 335 ff.) als nichtig erklärt. Demgegenüber wurde dafür gehalten, dass der Erwerb durch den Gantrufer ( BGE 26 I 493 ff.; kritisiert von JAEGER, a.a.O., N. 1 zu Art. 11, und von BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 48 Fn. 16) bzw. durch den zur Schätzung der ihm später zugeschlagenen Sache beigezogenen Sachverständigen ( BGE 44 III 147 ff.) BGE 127 III 229 S. 231 von Art. 11 SchKG nicht erfasst werde. Im zweiten Fall erklärte das Bundesgericht, dass der Sachverständige bloss die nötigen Grundlagen zur eigentlichen Schätzung liefere, die als betreibungsrechtliche Amtshandlung nach Art. 97 SchKG vom Betreibungsbeamten selbst vorgenommen werde, und dass die besonderen Rechte und Pflichten des öffentlichen Rechts, die der Sachverständige zur Erfüllung seiner Aufgabe allenfalls übertragen erhalte, auf jeden Fall mit der Abgabe des Expertenbefundes erlöschen würden (S. 147). 8. Als Konkursverwaltung hat das Konkursamt alle zur Erhaltung und Verwertung der Masse gehörenden Geschäfte zu besorgen ( Art. 240 SchKG ). Bei Grundstücken obliegt ihm - wie dem Betreibungsamt beim Pfändungsverfahren (dazu Art. 16 ff. VZG [SR 281.42]) - die Verwaltung und Bewirtschaftung, worunter ordentlicherweise etwa die Anordnung und Bezahlung kleinerer Reparaturen, der Abschluss und die Erneuerung der üblichen Versicherungen, die Kündigung an Mieter, die Ausweisung von Mietern und der Abschluss neuer Mietverträge fallen (vgl. Art. 17 VZG ; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, II. Bd., 3. Aufl., § 48 Rz. 2). Hier hat das Konkursamt mit Wirkung ab 1. November 2000 die Y. AG zur Erfüllung dieser Verwaltungsaufgaben eingesetzt. Die Natur des hiefür abgeschlossenen Vertrags ist ohne Belang. Entscheidend ist, dass die Y. AG eine gesetzlich geregelte konkursamtliche Aufgabe übertragen erhalten hat und insofern Trägerin eines öffentlichen Amtes geworden ist (vgl. JAEGER, a.a.O., N. 5 zu Art. 240 S. 203; MARC RUSSENBERGER, Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 8 zu Art. 240). Die Y. AG ist in dem ihr anvertrauten Bereich an die Stelle des Konkursamtes getreten und deshalb als eine von Art. 11 SchKG erfasste Hilfsperson zu betrachten. 9. a) In ihrer Vernehmlassung weist die Y. AG darauf hin, dass die vom Beschwerdeführer beanstandete Offerte nicht von ihr stamme, sondern im Namen der Z. AG eingereicht worden sei und dass die beiden Gesellschaften nicht in einem Beteiligungsverhältnis zueinander, sondern lediglich unter dem gemeinsamen Holding-Dach der W. AG stünden; es gehe nicht an, den Kreis der von Art. 11 SchKG Betroffenen auf alle Personen auszudehnen, die natürlich oder juristisch miteinander "verwandt" seien. In tatsächlicher Hinsicht stimmen diese Vorbringen mit den von der Vorinstanz übernommenen Feststellungen der unteren Aufsichtsbehörde überein. BGE 127 III 229 S. 232 b) Von einer Erörterung der gesellschaftsrechtlichen Verbindungen zwischen der Y. AG und der als Offerentin aufgetretenen Z. AG kann aus den nachstehenden Gründen abgesehen werden: Durch das Selbstkontrahierungsverbot nach Art. 11 SchKG soll in erster Linie verhindert werden, dass die mit einer öffentlichen Aufgabe vollstreckungsrechtlicher Natur betraute Person die damit verbundenen Befugnisse für eigene Zwecke ausnützt. Die mit der erwähnten Gesetzesbestimmung angestrebte Unbefangenheit und Unabhängigkeit (vgl. BGE 122 III 335 E. 2c S. 337), mit der jede abstrakte Gefahr einer Benachteiligung von Gläubiger oder Schuldner ausgeschlossen werden will, kann aber bei jedem Interessenkonflikt bedroht sein; eine solche Gefahr besteht auch dann, wenn ein Amtsträger nicht ausschliesslich die Interessen der Zwangsvollstreckung wahrnimmt, sondern daneben auch Interessen eines Dritten zu berücksichtigen hat. In einem Konflikt dieser Art befand sich die Y. AG im massgebenden Zeitpunkt: Als vom Konkursamt beauftragte Hilfsperson steht sie im Dienste einer unparteiischen Durchführung des Konkurses, zu der auch der vom Konkursamt angestrebte freihändige Verkauf des in Frage stehenden Immobilienkomplexes gehört. Gleichzeitig hatte sie die Interessen der Z. AG wahrzunehmen, in deren Namen sie für eben diesen Freihandverkauf am 17. November 2000 die am 24. März 2000 (damals im Namen der von ihr "betreuten" P. AG) eingereichte Offerte bestätigt hat. c) Nach dem Gesagten würde die Annahme der strittigen Offerte zu einem im Sinne von Art. 11 SchKG nichtigen Akt führen. Die Offerte ist daher unbeachtlich.
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Sachverhalt ab Seite 65 BGE 112 III 65 S. 65 In der von der Bank A. gegen B. eingeleiteten Faustpfandbetreibung schritt das Betreibungsamt am 29. August 1985 zur Versteigerung dreier Schuldbriefe. Zwei davon wurden X. zugeschlagen. Nachdem sich B. später zahlungsunfähig erklärt hatte, wurde über ihn am 23. September 1985 der Konkurs eröffnet. Den dritten der erwähnten Schuldbriefe übergab das Betreibungsamt hierauf dem Konkursamt. Am 25. September 1985 stellte das Betreibungsamt der Bank A. einen Pfandausfallschein aus. Mit Schreiben vom 28. Mai 1986 orientierte das Betreibungsamt die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen über die Faustpfandverwertung vom 29. August 1985. Dabei vertrat es die Ansicht, dass die beiden Beamten, welche die Steigerung durchgeführt hätten, den Zuschlag der beiden Schuldbriefe an X. hätten verweigern müssen, da sie gewusst hätten, dass dieser für das Betreibungsamt gearbeitet habe. Nachdem sie X. Gelegenheit eingeräumt hatte, sich zur betreibungsamtlichen Eingabe vernehmen zu lassen, und dieser sich gegen eine Aufhebung BGE 112 III 65 S. 66 des Zuschlags ausgesprochen hatte, entschied die kantonale Aufsichtsbehörde am 7. August 1986, dass der Zuschlag der beiden Schuldbriefe als verbotene Rechtshandlung im Sinne von Art. 11 SchKG aufgehoben werde. Hiergegen hat X. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 11 SchKG ist den Beamten und Angestellten des Betreibungs- und Konkursamtes untersagt, für ihre Rechnung bezüglich einer vom Amte einzutreibenden Forderung oder eines von ihm zu verwertenden Gegenstandes mit irgend jemand Rechtsgeschäfte abzuschliessen; Rechtshandlungen, die dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind ungültig. Dass er im Zeitpunkt des strittigen Steigerungszuschlages noch für das Betreibungsamt tätig gewesen sei, stellt der Rekurrent nicht in Abrede, und die Ansicht, von Art. 11 SchKG nicht erfasst gewesen zu sein, hat er nunmehr fallenlassen. Nach wie vor wendet er jedoch ein, dass die vollstreckungsrechtliche Aufsichtsbehörde ein in Missachtung von Art. 11 SchKG zustande gekommenes Rechtsgeschäft nur so lange aufheben könne, als die Betreibung noch hängig sei. Die hier in Frage stehende Faustpfandbetreibung sei aber abgeschlossen, zumal die Versteigerung durchgeführt und der Zuschlagspreis bezahlt worden sei und ferner das Betreibungsamt auch die Kosten der Verwertung und Verteilung abgerechnet und der Gläubigerin den Erlös ausbezahlt habe. Die am 23. September 1985 angeordnete Eröffnung des Konkurses über den Schuldner habe die Faustpfandbetreibung nicht mehr im Sinne von Art. 206 SchKG aufheben können, und dass das Betreibungsamt noch am 25. September 1985, d.h. nach der Konkurseröffnung, einen Pfandausfallschein ausgestellt habe, sei ohne Belang, da das Betreibungsamt von jener noch nichts gewusst habe und im übrigen Pfandausfallscheine auch noch nach Eröffnung eines Konkurses ausgestellt werden könnten. 3. Ein nichtiger Akt, wie ihn der gegen Art. 11 SchKG verstossende Steigerungszuschlag auch nach Auffassung des Rekurrenten darstellt, kann zu keinem Zeitpunkt Wirkungen entfalten; der ihm anhaftende Mangel kann durch nachträglich eintretende Umstände nicht geheilt werden. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die für die Aufhebung bzw. Nichtigerklärung BGE 112 III 65 S. 67 allein zuständige vollstreckungsrechtliche Aufsichtsbehörde (dazu BGE 106 III 83 E. 4; BGE 44 I 60 ; BGE 41 III 44 ; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. A., § 26 Rz. 21; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 209) unter den vorliegend gegebenen Verhältnissen nicht in der Lage ist, das Betreibungsamt in Anwendung von Art. 21 SchKG anzuweisen, die Steigerung zu wiederholen. Dass das Pfandverwertungsverfahren abgeschlossen ist, hat andererseits auch nicht etwa zur Folge, dass die Nichtigkeit des Zuschlags überhaupt nicht mehr festgestellt werden könnte. Der angefochtene Entscheid steht ferner auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung, wonach wegen eines fehlerhaften Verfahrens, für das der Ersteigerer nicht verantwortlich ist, der Zuschlag nach Ablauf eines Jahres grundsätzlich nicht mehr angefochten und aufgehoben werden kann (vgl. BGE 106 III 23 E. 2a mit Hinweisen): Die Nichtigerklärung bzw. Aufhebung des strittigen Zuschlags durch die Vorinstanz datiert vom 7. August 1986 (Zustellung des Entscheids am 19. August 1986), während die Steigerung am 29. August 1985 durchgeführt worden war. Auf die Frage der Verantwortlichkeit des Rekurrenten braucht demnach gar nicht erst eingegangen zu werden. Ebensowenig ist im vorliegenden Verfahren alsdann darüber zu befinden, ob und allenfalls unter welchen Bedingungen der Rekurrent die aufgrund eines nichtigen Zuschlags in seinen Besitz gelangten Schuldbriefe rechtsgültig habe auf einen Dritten übertragen können. ...
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Sachverhalt ab Seite 45 BGE 131 II 44 S. 45 Die ehemalige B. AG mit Sitz in C. besass eine vom Kanton Thurgau am 22. Juni 1999 ausgestellte, bis zum 21. Juni 2004 gültige Grosshandelsbewilligung für den Verkauf von Heilmitteln in der Schweiz. Am 1. Januar 2002 trat das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) in Kraft, wodurch die Aufsicht über die Heilmittel dem Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic; im Folgenden: Institut) übertragen wurde. Am 28. März/4. April 2002 informierte die B. AG das Institut über die geplante Änderung des Firmennamens in A. AG und teilte zugleich mit, dass sie in der Schweiz kein eigenes Lager besitze, sondern wie bisher verwendungsfertige Arzneimittel aus einem Lager in Singen (D) in die Schweiz einführe. Das Institut bewilligte am 17. Juni 2002 den Namenswechsel für die restliche Gültigkeitsdauer der bisherigen Bewilligung und traf ergänzend, nach einem mehrfachen Briefwechsel mit der A. AG, am 22. August 2003 die folgende Verfügung: "1. Nach Ablauf der Betriebsbewilligung des Kantons Thurgau vom 22. Juni 1999 (inklusive der am 17. Juni 2002 von Swissmedic verfügten Namensänderung) kann die Belieferung der Kunden aus einem deutschen Lager durch die A. AG ausschliesslich auf Grund einer Marktfreigabe nach erfolgter Einfuhr in die Schweiz vorgenommen werden. Eine direkte Belieferung von Kunden aus einem deutschen Lager ist nicht mehr erlaubt. ..." Die A. AG erhob am 24. September 2003 Beschwerde an die Eidgenössische Rekurskommission für Heilmittel (im Folgenden: Rekurskommission). Diese holte einen Amtsbericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) ein und wies die Beschwerde mit Urteil vom 11. Juni 2004 ab. Die A. AG erhob am 14. Juli 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil der Rekurskommission sowie die Verfügung des Heilmittelinstituts aufzuheben und festzustellen, der blosse Umstand, dass die Kunden direkt aus dem deutschen Lager in Singen beliefert würden, stelle keinen genügenden Grund für eine Verweigerung der Betriebsbewilligung dar. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 131 II 44 S. 46 Das Institut schliesst mit Vernehmlassung vom 25. August 2004 auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Rekurskommission beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz. Sie will Arzneimittel an Kunden (unter anderem) in der Schweiz liefern, wobei die Lieferung direkt von ihrem Lager in Singen (D) aus erfolgen soll. Es ist unbestritten, dass sie für die Einfuhr von bzw. den Grosshandel mit Arzneimitteln gemäss Art. 18 ff. bzw. Art. 28 HMG und Art. 7 ff. der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Bewilligung im Arzneimittelbereich (Arzneimittel-Bewilligungsordnung, AMBV; SR 812.212.1) eine Bewilligung des Instituts benötigt. Die Vorinstanzen sind der Ansicht, eine direkte Belieferung aus einem Lager im Ausland sei nicht zulässig; die Arzneimittel müssten zunächst in ein in der Schweiz gelegenes Lager eingeführt und von hier aus ausgeliefert werden. Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Meinung, die Bewilligung könne auch erteilt werden, wenn die Arzneimittel direkt von einem Lager in Deutschland aus an Kunden in der Schweiz versandt werden. Weder im Gesetz noch in der Verordnung sei ein Lager in der Schweiz als Bewilligungsvoraussetzung vorgeschrieben. Es sei daher rechtswidrig, wenn die Behörden dies verlangten. 2.2 Das Heilmittelgesetz unterscheidet zwischen der Bewilligung für die Einfuhr ( Art. 18 Abs. 1 lit. a HMG ) und derjenigen für den Grosshandel ( Art. 28 HMG ). Gemäss Art. 27 Abs. 2 AMBV wird jedoch eine einzige Bewilligung ausgestellt, die alle beantragten Tätigkeiten umfasst. Bewilligungsvoraussetzungen sind für beide Tätigkeiten, dass die erforderlichen fachlichen und betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind und ein geeignetes Qualitätssicherungssystem vorhanden ist ( Art. 19 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2 HMG ). Die zuständige Behörde prüft in einer Inspektion, ob die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind ( Art. 19 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 4 HMG ). Die Bewilligungsvoraussetzungen werden in Art. 7 AMBV näher umschrieben. Unter anderem muss dem Betrieb eine fachtechnisch BGE 131 II 44 S. 47 verantwortliche Person zur Verfügung stehen ( Art. 7 Abs. 1 lit. d AMBV ) und die betriebliche Organisation muss zweckmässig sein ( Art. 7 Abs. 1 lit. e AMBV ). Sodann müssen die Sorgfaltspflichten nach Art. 9 AMBV eingehalten werden ( Art. 7 Abs. 1 lit. h AMBV ). Nach Art. 9 Abs. 2 AMBV müssen die Arzneimittel in Übereinstimmung mit den Regeln der Guten Vertriebspraxis (Good Distribution Practice, GDP) nach Anhang 2 vermittelt werden. Anhang 2 AMBV (in der Fassung vom 18. August 2004, in Kraft ab 1. September 2004; AS 2004 S. 4037) verweist auf internationale Regeln, namentlich auf die Artikel 76-84 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. Diese hat die zuvor geltende Richtlinie 92/25/EWG des Rates vom 31. März 1992 über den Grosshandelsvertrieb von Humanarzneimitteln (vgl. Anhang 2 AMBV in der ursprünglichen Fassung; AS 2001 S. 3418) aufgehoben und ersetzt. Die fachtechnisch verantwortliche Person muss dafür sorgen, dass die Arzneimittel nach den Regeln der Guten Vertriebspraxis vermittelt werden ( Art. 10 Abs. 1 AMBV ). Die Bewilligung nennt insbesondere die fachtechnisch verantwortliche Person, die bewilligten Tätigkeiten und die Betriebsstandorte ( Art. 28 Abs. 1 AMBV ). Das Institut überprüft mit periodischen Inspektionen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung noch erfüllt sind ( Art. 58 Abs. 1 HMG ). Ist dies nicht mehr der Fall, können Bewilligungen widerrufen werden ( Art. 66 Abs. 2 lit. b HMG ). 2.3 2.3.1 Es trifft zu, dass weder in Gesetz noch Verordnung ausdrücklich ein Lager in der Schweiz als Voraussetzung für eine Einfuhr- oder Grosshandelsbewilligung verlangt wird. Die Vorinstanz hat dieses Erfordernis jedoch damit begründet, die in Art. 10 Abs. 1 AMBV vorgeschriebene fachtechnisch verantwortliche Person müsse die unmittelbare Aufsicht über den Betrieb ausüben. Diese Unmittelbarkeit sei nicht gegeben, wenn sich die Infrastruktur für Lagerung und Versand nicht am Arbeitsplatz der fachtechnisch verantwortlichen Person befinde, ja sogar durch eine Ländergrenze getrennt werde. Dadurch werde zudem die behördliche Kontrolle der Lagerhaltung und des Vertriebs wesentlich erschwert; namentlich müssten schnelle und allenfalls auch unangemeldete Inspektionen jederzeit möglich sein. BGE 131 II 44 S. 48 2.3.2 Entgegen der Annahme der Vorinstanz ist nicht zwingend verlangt, dass sich das Lager am selben Ort befindet wie der Arbeitsplatz der fachtechnisch verantwortlichen Person. Die Beschwerdeführerin bringt glaubhaft vor, dass auch bei anderen Betrieben das Lager vom Standort der fachtechnisch verantwortlichen Person entfernt ist. Das Institut bestreitet dies nicht, weshalb sich auch eine Abnahme der dazu beantragten Beweise erübrigt. 2.3.3 Zutreffend ist aber das Argument, das Lager müsse von den schweizerischen Behörden kontrolliert werden können: Nach Art. 58 Abs. 1 HMG muss für die Behörden überprüfbar sein, ob die in Art. 7 Abs. 1 lit. h in Verbindung mit Art. 9 AMBV vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten eingehalten werden; namentlich muss die Einhaltung der GDP-Regeln gemäss Anhang 2 AMBV kontrollierbar sein. Dies entspricht auch der Richtlinie 2001/83/EG, auf welche Anhang 2 AMBV verweist: Nach Art. 77 Abs. 5 dieser Richtlinie unterliegt die Kontrolle der zur Ausübung der Tätigkeit eines Arzneimittelgrosshändlers befugten Personen und die Kontrolle ihrer Räumlichkeiten der Verantwortung des Mitgliedstaats, der die Genehmigung erteilt hat. Gemäss Art. 80 lit. a der Richtlinie muss der Inhaber der Grosshandelsgenehmigung dafür sorgen, dass seine Räumlichkeiten, Anlagen und Einrichtungen den mit der Kontrolle beauftragten Bediensteten jederzeit zugänglich sind. Es mag zwar zutreffen, dass im vorliegenden Fall die fachtechnisch verantwortliche Person ihre Tätigkeit auch von ihrem Arbeitsplatz in der Schweiz (C.) aus wahrnehmen und infolge der kurzen Distanz zum Lager in Singen, wenn immer nötig, dort vor Ort die notwendigen Kontrollen durchführen kann. Wesentlich ist aber, dass die bewilligte Tätigkeit auch für die Behörden jederzeit überprüfbar sein muss. Diese müssen nicht nur die Tätigkeit der fachtechnisch verantwortlichen Person, sondern auch die Einhaltung der GDP-Regeln vor Ort, das heisst in den Lager- und Vertriebsräumen kontrollieren können. 2.3.4 Nach dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Konzept für die Einführung der auf die Informationstechnologie gestützten Freigabe der für die Schweiz bestimmten Chargen im Lager Singen werden die für die Schweiz vorgesehenen Lieferungen von der verantwortlichen Person in der Schweiz freigegeben und gestützt darauf im Lager in Singen physisch ausgeliefert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch vor Ort, anlässlich der physischen BGE 131 II 44 S. 49 Auslieferung, Fehler vorkommen können. Die Beschwerdeführerin gibt selber eine Fehlerquote von ca. 0.2 % bei Kommissionierung und Spedition an. Dies mag zwar relativ tief sein, zeigt aber doch, dass selbst bei einer (gemäss Aussagen der Beschwerdeführerin) guten Organisation Fehler vorkommen können; umso mehr sind Fehler denkbar bei einer schlechteren Organisation, wie sie durch eine behördliche Aufsicht gerade vermieden werden können muss. 2.3.5 Daraus ergibt sich, dass nicht nur die Tätigkeit der fachtechnisch verantwortlichen Person, sondern auch die Lager- und Vertriebsräumlichkeiten selber der behördlichen Überprüfung unterliegen müssen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Bewilligung zu verweigern, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Behörden jederzeit die Lager- und Vertriebsräumlichkeiten inspizieren können. Soweit die Kontrollzuständigkeit der schweizerischen Behörden auf das schweizerische Hoheitsgebiet beschränkt ist, müssen daher die zu kontrollierenden Räumlichkeiten grundsätzlich in der Schweiz liegen. 3. 3.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sind indessen die erforderlichen Kontrollen im Lager durch die deutschen Behörden möglich und die entsprechenden Kontrollen aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (im Folgenden: Mutual Recognition Agreement, MRA; SR 0.946.526.81) in der Schweiz anzuerkennen. Die Vorinstanz ist demgegenüber der Ansicht, dieses Abkommen regle die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen im Bereich der Good Distribution Practice nicht. 3.2 Nach Art. 1 Abs. 1 MRA anerkennen die Gemeinschaft und die Schweiz gegenseitig die von den Stellen gemäss Anhang 1 ausgestellten Berichte, Bescheinigungen, Zulassungen und Konformitätskennzeichen sowie die BGE 131 II 44 S. 50 Konformitätserklärungen des Herstellers, mit denen die Übereinstimmung mit den Anforderungen der anderen Vertragspartei in den in Art. 3 MRA genannten Bereichen bescheinigt wird. Wenn die schweizerischen Anforderungen mit denjenigen der Gemeinschaft als gleichwertig beurteilt werden, anerkennen nach Art. 1 Abs. 2 MRA die Gemeinschaft und die Schweiz gegenseitig die von den Stellen nach Anhang 1 ausgestellten Berichte, Bescheinigungen und Zulassungen sowie die Konformitätserklärungen des Herstellers, mit denen die Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Anforderungen in den in Art. 3 MRA genannten Bereichen bescheinigt wird. Nach Art. 4 Abs. 1 MRA gilt das Abkommen, vorbehältlich besonderer Bestimmungen des Anhangs 1, für die Ursprungswaren der Vertragsparteien. Das ganze Abkommen ist grundsätzlich auf die Anerkennung von Produkten ausgerichtet (HEINZ HERTIG, Grundzüge des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, in: Felder/Kaddous [Hrsg.], Bilaterale Abkommen Schweiz - EU, Basel/Brüssel 2001, S. 555 ff., 556 ff.), nicht jedoch auf Anlagen und Verfahren. 3.3 Gemäss Art. 3 Abs. 2 MRA legt Anhang 1 fest, welche Produktesektoren unter dieses Abkommen fallen. Anhang 1 Kapitel 15 regelt die Inspektion der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) für Arzneimittel und Zertifizierung von Chargen. Unter "Anwendungs- und Geltungsbereich" ist in diesem Kapitel zunächst festgelegt, dass das Kapitel für alle Arzneimittel gilt, die in der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft industriell hergestellt werden und für welche die Anforderungen der Good Manufacturing Practice gelten. Für die unter dieses Kapitel fallenden Arzneimittel anerkennt jede Vertragspartei die Ergebnisse der von den zuständigen Inspektoraten der anderen Vertragspartei durchgeführten Inspektionen der Hersteller und die von den zuständigen Behörden der anderen Vertragspartei erteilten Herstellungsgenehmigungen. Anerkannt werden auch die vom Hersteller vorgenommene Zertifizierung der Charge mit ihren Spezifikationen bei der Einfuhr sowie die amtlichen Freigaben der Chargen durch die Behörden der ausführenden Vertragspartei. Good Manufacturing Practice wird umschrieben als jener Teil der Qualitätssicherung, durch den sichergestellt wird, dass die Produkte nach den Qualitätsnormen für ihre beabsichtigte Verwendung und im Einklang mit der Genehmigung für das Inverkehrbringen und den Produktspezifikationen hergestellt und kontrolliert werden. 3.4 Diese Grundausrichtung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen sowie die zitierten Bestimmungen von Anhang 1 Kapitel 15 deuten darauf hin, dass sich das ganze Kapitel 15 nur auf die Kontrollen im BGE 131 II 44 S. 51 Zusammenhang mit der Herstellung von Arzneimitteln bezieht, nicht aber auf die Inspektionen im Zusammenhang mit dem Vertrieb und dem Grosshandel. Diese Auslegung wird bestätigt durch den von der Vorinstanz eingeholten Amtsbericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), wonach sich Kapitel 15 von Anhang 1 MRA grundsätzlich nur auf die GMP-Systeme beziehe. Weil für die Rückverfolgung und den allfälligen Rückruf von Arzneimitteln deren Vertreiber eine wesentliche Rolle spielten, würden die Anforderungen an Rückverfolgbarkeits- und Rückrufverfahren in einzelnen Bestimmungen zur Good Distribution Practice festgelegt; diese Anforderungen und demzufolge auch die entsprechenden Teile der GDP-Bestimmungen seien von Kapitel 15 erfasst (vgl. dazu auch HERTIG, a.a.O., S. 570 f.). Hingegen würden diejenigen GDP-Bestimmungen, welche die Anforderungen an die Lagerungsbedingungen sowie an den Umschlag der gelagerten Arzneimittel definieren, nicht in den Geltungsbereich von Kapitel 15 fallen. Dementsprechend sei auch die Anerkennung von Inspektionen im Bereich der Good Distribution Practice und Grosshandelsbewilligungen vom Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen nicht erfasst. 3.5 Die Beschwerdeführerin macht allerdings geltend, in der in Kapitel 15 Abschnitt I enthaltenen Liste der Rechts- und Verwaltungsvorschriften seien ausdrücklich auch die Richtlinie 92/25/EWG des Rates vom 31. März 1992 über den Grosshandelsvertrieb von Humanarzneimitteln und die Leitlinien für die Gute Vertriebspraxis genannt, auf welche ebenfalls in Anhang 2 AMBV verwiesen werde. Abgesehen davon, dass die Richtlinie 92/25/EWG inzwischen aufgehoben und durch die Richtlinie 2001/83/EG ersetzt wurde und Abschnitt 1 von Kapitel 15 von Anhang 1 MRA sowie Anhang 2 AMBV entsprechende Anpassungen erfuhren (vorne E. 2.2), schliesst dies aber nicht aus, dass - wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ausführt - eben nur diejenigen Teile der GDP-Vorschriften anwendbar erklärt werden, welche sich auf Rückverfolgung und Rückruf beziehen. Darauf weist denn auch der Ingress von Abschnitt I Kapitel 15 Anhang 1 MRA hin, wonach "die einschlägigen Teile der im Folgenden ausgeführten Rechts- und Verwaltungsvorschriften" Anwendung finden, also nicht die Vorschriften schlechthin. BGE 131 II 44 S. 52 3.6 Die Beschwerdeführerin legt sodann eine Ansichtsäusserung der Leitstelle Arzneimittelüberwachung Baden-Württemberg in Tübingen vor, wonach im Gesamtbegriff "Good Manufacturing Practice" im Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen auch die GDP-Regeln enthalten seien. Indessen ist nach Abschnitt II von Kapitel 15 von Anhang 1 MRA in Deutschland einzig das Bundesministerium für Gesundheit und nicht eine Landesbehörde für die Konformitätsbewertung zuständig. Die baden-württembergische Behörde ist daher kaum berufen zur verbindlichen Auslegung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen. Zudem weist die Tatsache, dass in jedem Land eine einzige Stelle bezeichnet ist, ebenfalls darauf hin, dass in diesem Abkommen nur die Anerkennung von produktebezogenen Konformitätsbewertungen geregelt ist, die üblicherweise zentral durchgeführt werden, nicht aber die oft durch regionale Behörden vorgenommenen Kontrollen von konkreten Anlagen. 3.7 Insgesamt ergibt sich, dass das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen keine Grundlage gibt, um allfällige Inspektionen von deutschen Behörden oder solche der Europäischen Union im Bereich der Guten Vertriebspraxis für Zwecke der schweizerischen Einfuhr- und Grosshandelsbewilligung anzuerkennen. 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, eine vom Institut allenfalls als notwendig erachtete Inspektion des Lagers in Singen liesse sich ausserhalb des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen komplikationslos aufgrund einer bilateralen Zusammenarbeit mit den zuständigen deutschen Behörden durchführen. Sie stützt sich dabei auf Stellungnahmen der Leitstelle Arzneimittelüberwachung von Baden-Württemberg, worin sich diese Behörde bereit erklärt, für die schweizerische Behörde oder auf Wunsch auch gemeinsam mit dieser das Lager in Singen zu inspizieren. Eine derartige Lösung hat auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) in seinem Amtsbericht vom 19. Januar 2004 vor der Vorinstanz ins Auge gefasst; es sieht grundsätzlich keine Probleme darin, den Fall auf bilateraler Ebene zu lösen, indem auf Einladung und im Einvernehmen mit den baden-württembergischen Behörden das Lager in Singen inspiziert werden könnte. BGE 131 II 44 S. 53 4.2 In seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2004 vor der Vorinstanz sowie in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht das Institut geltend, eine solche Inspektion würde die Mitwirkung deutscher Behörden voraussetzen, was Umtriebe und Verzögerungen zur Folge hätte. Eine jederzeitige, unangemeldete Inspektion wäre damit nicht möglich. 4.3 Nach Art. 42 Abs. 2 AMBV kann das Institut Herstellerinnen von Arzneimitteln im Ausland zu Lasten des importierenden Unternehmens inspizieren. Nach Art. 42 Abs. 3 AMBV führt sodann das Institut in Staaten, mit denen die Schweiz eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von GMP-Kontrollsystemen abgeschlossen hat, nur in begründeten Fällen und nach Rücksprache mit der zuständigen Gesundheitsbehörde im Ausland Inspektionen durch. Entgegen der Stellungnahme des Instituts sieht somit die Verordnung Inspektionen im Ausland jedenfalls für GMP-Kontrollen ausdrücklich vor. Analog könnten sie auch für GDP-Kontrollen zulässig sein. Solche Amtshandlungen sind zwar völkerrechtlich nur mit einer entsprechenden Zustimmung des betroffenen ausländischen Staates zulässig. Dafür sind jedoch keine komplizierten zwischenstaatlichen Abkommen erforderlich: Art. 64 HMG , worauf sich Art. 42 Abs. 2 und 3 AMBV offensichtlich stützen, ermächtigt das Institut zur direkten Amtshilfe mit zuständigen ausländischen Behörden. Offenbar findet denn auch im Bereich der Heilmittel auf offizieller und informeller Ebene eine enge internationale Zusammenarbeit zwischen den Behörden verschiedener Staaten statt. 4.4 Wie ausgeführt (E. 2.3.1), verlangt das schweizerische Recht nicht ausdrücklich ein Lager innerhalb der Schweiz als Bewilligungsvoraussetzung. Diese Voraussetzung ergibt sich nur indirekt aus dem Umstand, dass das Lager der Inspektion durch die schweizerischen Behörden zugänglich sein muss. Wenn nun tatsächlich, wie dies von den baden-württembergischen Behörden offenbar angeboten worden ist, eine unkomplizierte gemeinsame Inspektion des im Ausland gelegenen Lagers möglich ist, dann besteht kein gesetzlicher Grund, die Bewilligung einzig deshalb zu verweigern, weil das Lager im Ausland gelegen ist. Entgegen der Ansicht des Instituts bedeutet dies nicht, dass damit beliebige Lager in jedem anderen Nachbarland anerkannt werden müssten. Entscheidend ist, ob die schweizerischen Behörden BGE 131 II 44 S. 54 rechtlich und faktisch eine hinreichende Aufsicht durchführen können. Diese Möglichkeit hängt namentlich von der räumlichen Distanz, von der Kooperationsbereitschaft der konkret zuständigen ausländischen Behörden und von der erforderlichen Inspektionsintensität ab. Wohl besteht ein berechtigtes Interesse der Behörden, die Lagerbetriebe ohne grossen Aufwand inspizieren zu können. Indessen ist zu berücksichtigen, dass die Inspektion nach den unwidersprochenen Aussagen der Beschwerdeführerin im Regelfall nur einmal alle fünf Jahre stattfindet. In diesem Lichte erscheint es nicht von vornherein als ausgeschlossen, dass eine Zusammenarbeit, wie sie von den baden-württembergischen Behörden offenbar angeboten wird, dem Inspektionsbedarf der schweizerischen Behörden genügen könnte. Ist dies der Fall, wäre es unverhältnismässig, von vornherein ein Lager im grenznahen Ausland nicht zu akzeptieren, zumal das Institut für seine Inspektionstätigkeit Gebühren verlangen kann ( Art. 65 HMG ) und auch allfällige Mehrkosten, die durch die Inspektion im Ausland entstehen, auf die Beschwerdeführerin überwälzen könnte (Art. 5 lit. b sowie Anhang Ziff. VI Abs. 3 der Verordnung vom 9. November 2001 über die Gebühren des Schweizerischen Heilmittelinstituts [Heilmittel-Gebührenverordnung, HGebV; SR 812.214.5]). 4.5 Unzutreffend ist sodann die vom Institut in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2004 vor der Vorinstanz geäusserte Auffassung, es hätte bei der Feststellung eines nicht konformen Zustandes in Singen keine Eingriffsmöglichkeit, da das Lager in Deutschland liege. Denn zur Diskussion steht nicht die Rechtmässigkeit des Lagers in Singen, sondern einzig die Einfuhr- bzw. Grosshandelsbewilligung für die schweizerische Beschwerdeführerin. Die ordnungsgemässe Lagerhaltung und Vertriebsorganisation in Singen ist bloss als Voraussetzung für diese Bewilligung von Interesse. Bei allfälligen Problemen im Lager in Singen ginge es nicht darum, gegen dieses Lager vorzugehen, sondern einzig darum, gegenüber der in der Schweiz ansässigen Beschwerdeführerin die erforderlichen Massnahmen zu treffen und allenfalls die Bewilligung zu entziehen ( Art. 66 Abs. 1 und 2 HMG ), was ohne weiteres möglich wäre. Aus dem gleichen Grund ist die von der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vor Bundesgericht geäusserte Ansicht unerheblich, es sei ausgeschlossen, dass das schweizerische Institut eine Bewilligung für die Lagerhaltung in Deutschland erteile. BGE 131 II 44 S. 55 4.6 Die Auffassung der Vorinstanz, wonach eine direkte Belieferung von Kunden in der Schweiz aus einem Lager in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt sei, erweist sich somit als rechtswidrig. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Nachdem Streitgegenstand nicht ein konkretes Bewilligungsgesuch, sondern einzig eine Feststellungsverfügung ist (...), erübrigt es sich, näher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Bewilligung erfüllt sind. Es kann - entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin - festgestellt werden, dass der blosse Umstand, dass die Kunden der Beschwerdeführerin direkt aus dem deutschen Lager der Beschwerdeführerin in Singen beliefert werden, keinen genügenden Grund für eine Verweigerung der Bewilligung darstellt. Im Rahmen eines konkreten Bewilligungsgesuchs wird das Institut zu prüfen haben, ob tatsächlich - wie die Beschwerdeführerin vorgebracht hat - mit den baden-württembergischen Behörden eine Inspektionspraxis vereinbart werden kann, welche den berechtigten Anliegen des Instituts genügt.
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574bffe5-c27e-4c55-a5b5-7de71bf78e85
Sachverhalt ab Seite 302 BGE 117 IV 302 S. 302 A.- Die 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern sprach A. am 23. April 1991 des fahrlässigen Führens eines Personenwagens trotz Führerausweisentzugs ( Art. 95 Ziff. 2 SVG ) schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer Haftstrafe von 12 Tagen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von einem Jahr, und zu einer Busse von Fr. 1'500.--. B.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Generalprokurator des Kantons Bern hat unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfügung des Strassenverkehrsamtes des Kantons Bern vom 17. Oktober 1989 der Führerausweis rückwirkend ab 4. September 1989 für die Dauer von 15 Monaten entzogen. Er ersuchte das Amt in der Folge BGE 117 IV 302 S. 303 wiederholt um die vorzeitige Rückgabe des Ausweises. Er erhielt jeweils die Mitteilung, dass eine vorzeitige Rückgabe des Führerausweises jedenfalls nicht vor Ablauf von 9 Monaten Entzugsdauer, d.h. nicht vor dem 4. Juni 1990 in Betracht falle. Am 21. (Montag) oder 22. (Dienstag) Mai 1990 rief der Beschwerdeführer beim Strassenverkehrsamt an. Eine Frau X. teilte ihm auf seine Frage nach der vorzeitigen Rückgabe des Ausweises mit, es sehe gut aus; sie habe den Brief (die Verfügung) vom Sekretariat zurückerhalten und an ihren Chef weitergeleitet; der Brief werde, sofern der Chef ihn unterschreibe, noch diese Woche der Post übergeben. Der Chef des Strassenverkehrsamtes bewilligte dann aber die Rückgabe des Führerausweises an den Beschwerdeführer erst auf Dienstag, 29. Mai 1990. Am Samstag, 26. Mai 1990, um 17.15 Uhr, wurde der Beschwerdeführer von der Polizei am Steuer des Personenwagens "Maserati Turbo" auf dem Höheweg in Interlaken zur Kontrolle angehalten. Er hatte keinen Führerausweis bei sich. 2. a) Die Vorinstanz billigte dem Beschwerdeführer zu, er habe sachverhaltsirrtümlich angenommen, dass die Verfügung des Strassenverkehrsamtes betreffend Rückgabe des Führerausweises am Freitag, 25. Mai 1990, der Post übergeben worden sei. Nach den weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil wäre der Beschwerdeführer am Samstag, 26. Mai 1990, obschon er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder im Besitz des Führerausweises war, zur Führung eines Personenwagens berechtigt gewesen, wenn die Rückgabeverfügung tatsächlich, wie er sich irrtümlich vorstellte, bereits am Freitag, 25. Mai 1990, der Post übergeben worden wäre; denn nach der Praxis des Strassenverkehrsamtes des Kantons Bern, die vom Obergericht als vertretbar erachtet wird, trete die Fahrberechtigung des Betroffenen mit der Postaufgabe der Rückgabeverfügung ein. Eine Verurteilung wegen (eventualvorsätzlichen) Führens eines Personenwagens trotz Führerausweisentzugs falle daher ausser Betracht. b) Die Vorinstanz ist allerdings der Auffassung, dass der Beschwerdeführer seinen Irrtum, die Rückgabeverfügung sei am Freitag, 25. Mai 1990, der Post übergeben worden, bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermeiden können, dass also fahrlässiger Sachverhaltsirrtum gegeben und der Beschwerdeführer demzufolge ( Art. 19 Abs. 2 StGB ) wegen ebenfalls strafbaren (Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 95 Ziff. 2 SVG ) fahrlässigen BGE 117 IV 302 S. 304 Führens eines Personenwagens trotz Führerausweisentzugs zu verurteilen sei. 3. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei erstens fahrlässiges Führen eines Personenwagens trotz Führerausweisentzugs nicht strafbar und könne ihm zweitens im übrigen nicht Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. a) Frau X. teilte dem Beschwerdeführer im Telefongespräch vom 21. Mai (Montag) bzw. 22. Mai (Dienstag) 1990 mit, dass es gut aussehe und der Brief, sofern der Chef ihn unterschreibe, noch diese Woche der Post übergeben werde. Dem Beschwerdeführer musste aufgrund dieser Auskunft von Frau X. klar sein, dass die Verfügung zwar abgeschickt werde, sobald der Chef sie unterzeichnet habe, dass Frau X. aber keine Angaben über den Zeitpunkt der Unterzeichnung der Verfügung durch den hiefür zuständigen Chef machen konnte und darauf keinen Einfluss hatte. Der Beschwerdeführer konnte aufgrund der Auskunft von Frau X. nicht davon ausgehen, dass der Brief vom Strassenverkehrsamt mit Sicherheit spätestens am Freitag, 25. Mai 1990, d.h. am letzten Arbeitstag in jener 21. Woche, der Post übergeben werde. Es blieb vielmehr für den Beschwerdeführer erkennbar weiterhin möglich, dass die Rückgabeverfügung erst später unterzeichnet und damit erst später der Post übergeben werde, beispielsweise am 4. Juni 1990, der in den Antworten des Strassenverkehrsamtes auf die früheren Gesuche des Beschwerdeführers jeweils als frühester Rückgabetermin genannt worden war. Unter diesen Umständen hätte der Beschwerdeführer bei pflichtgemässer Vorsicht entweder am letzten Arbeitstag der 21. Woche, d.h. am Freitag, 25. Mai 1990, da er die Verfügung noch nicht erhalten hatte, beim Strassenverkehrsamt anfragen müssen, ob die Verfügung nun abgeschickt worden sei, oder er hätte sich, entsprechend den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, beim Dringlichkeitsschalter der Poststelle erkundigen müssen, ob etwas für ihn eingetroffen sei. Beide Anfragen, die zumutbar waren und keinen besonderen Aufwand erforderten, hätten ergeben, dass die Rückgabeverfügung am Freitag, 25. Mai 1990, noch nicht der Post übergeben worden war. Indem der Beschwerdeführer diese Nachforschungen unterliess und statt dessen kurzerhand davon ausging, dass der Chef von Frau X., mit dem er überhaupt nicht gesprochen hatte, die Rückgabeverfügung noch in jener 21. Woche unterzeichnen und BGE 117 IV 302 S. 305 zur Versendung freigeben werde, handelte er pflichtwidrig unvorsichtig und somit fahrlässig. Der Beschwerdeführer hätte mithin seinen ihm von der Vorinstanz zugebilligten Irrtum, die fragliche Verfügung des Strassenverkehrsamtes sei am 25. Mai 1990 der Post übergeben worden (worauf es, wie er eigenen Angaben zufolge wusste, nach der bernischen Praxis für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis ankam), bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt vermeiden können. Es liegt somit nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz ein fahrlässiger Sachverhaltsirrtum vor. b) Art. 95 Ziff. 2 SVG droht Haft von wenigstens 10 Tagen und Busse an. Diese Mindeststrafe ist gegenüber vergleichbaren Widerhandlungen im Sinne von Art. 90 ff. SVG , aber auch etwa gegenüber Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen), welche Haft oder Busse androhen, auffallend hoch. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass in Anbetracht der hohen Strafandrohung von Art. 95 Ziff. 2 SVG eine fahrlässige Begehung des Delikts durch den Gesetzgeber von der Bestrafung hätte ausgenommen werden sollen; da dies nicht geschehen sei, liege in Anbetracht der Systematik des Gesetzes und der Höhe der übrigen Sanktionen ein Versehen des Gesetzgebers vor, mithin eine Lücke, welche durch den Richter zu füllen sei; fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs sei daher nicht strafbar. aa) Bei der Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (vgl. GERMANN, Interpretation gemäss den angedrohten Strafen, ZStrR 54/1940, S. 345 ff.; derselbe, Kommentar zum schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 1 N 9.2 ; BGE 106 IV 25 , BGE 116 IV 329 /330). Dafür sprechen bereits der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dem gerade auch im Strafrecht eine grosse Bedeutung zukommt, und das Schuldprinzip. Eine Auslegung von Art. 95 Ziff. 2 SVG unter Berücksichtigung der darin angedrohten Strafe von wenigstens 10 Tagen Haft und Busse könnte tatsächlich die Annahme nahelegen, dass nur vorsätzliches, nicht auch fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs strafbar sei. Für eine solche Annahme spricht auch Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG , wonach die Dauer des Führerausweisentzugs unter anderem dann mindestens 6 Monate beträgt, "wenn der Führer trotz Ausweisentzuges ein Motorfahrzeug geführt hat". BGE 117 IV 302 S. 306 Die angedrohte Sanktion ist indessen nur eine unter mehreren Auslegungshilfen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Sanktion und insbesondere gerade auch bei der Festlegung relativ hoher Mindeststrafen meist nur die ihm schwerwiegend erscheinenden, mehr oder weniger typischen Fälle vor Augen hat; gelegentlich ist es gar ein besonders spektakulärer, aktueller Fall, welcher den Gesetzgeber dazu verleitet, bei einem bestimmten Straftatbestand eine hohe Mindeststrafe festzulegen. Aus diesen Gründen kann unter Umständen der Schluss näherliegen, in bezug auf die relativ untypischen Fälle zwar ebenfalls die Strafbarkeit zu bejahen, aber die insoweit (zu) hohe Mindeststrafe ausser acht zu lassen. So verhält es sich aus nachstehenden Gründen im vorliegenden Fall. bb) Gemäss Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG ist auch die fahrlässige Handlung strafbar, wenn es dieses Gesetz nicht ausdrücklich anders bestimmt. Art. 95 Ziff. 2 SVG bestimmt nicht ausdrücklich, dass das Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs nur bei vorsätzlichem Handeln strafbar sei. Es kann auch nicht gesagt werden, dass nach dem Sinn von Art. 95 Ziff. 2 SVG nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist (vgl. dazu Art. 333 Abs. 3 StGB ). Fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs ist, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, möglich. Die Fahrlässigkeit wird sich zwar kaum je auf das Führen des Fahrzeugs als solches beziehen, als vielmehr darin bestehen, dass der Fahrzeuglenker fahrlässig beispielsweise dem Sachverhaltsirrtum erlag, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Fahrberechtigung seien erfüllt. Wenn gemäss Art. 95 Ziff. 1 Abs. 3 SVG strafbar ist, wer ein Motorfahrzeug einem Führer überlässt, von dem er "bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann", dass er den erforderlichen Ausweis nicht hat, dann muss auch der Fahrzeugführer strafbar sein, der bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass er die Fahrberechtigung noch nicht wiedererlangt hat. Zwar wird der Tatbestand von Art. 95 Ziff. 2 SVG in der Regel vorsätzlich erfüllt und ist fahrlässige Begehung wohl nur unter der Annahme eines fahrlässigen Sachverhaltsirrtums betreffend die tatsächlichen Voraussetzungen der (Wieder)Erlangung der Fahrberechtigung denkbar. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass sich den Gesetzesmaterialien, soweit überblickbar, keine Antwort auf die Frage entnehmen lässt, ob nur vorsätzliches oder auch fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs strafbar BGE 117 IV 302 S. 307 sei. Angesichts des unmissverständlichen Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG muss die Strafbarkeit fahrlässigen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs bejaht werden. Gemäss Schultz erfüllt der Täter den Tatbestand von Art. 95 Ziff. 2 SVG , wenn er "wusste oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen konnte, dass ihm der Führerausweis entzogen oder verweigert worden war" (Die Strafbestimmungen des SVG, 1964, S. 261). Es sind keine sachlichen Gründe für die Straflosigkeit des fahrlässigen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs ersichtlich. Wer bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Fahrberechtigung (noch) nicht erfüllt sind, ist nicht eo ipso weniger strafwürdig als der Lenker, der fahrlässig beispielsweise ein Signal übersieht. Art. 95 Ziff. 2 SVG erfasst somit auch das fahrlässige Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs. cc) Art. 95 Ziff. 2 SVG enthält aber hinsichtlich der Strafandrohung insoweit eine Lücke, als darin nicht zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten differenziert wird. Zwar sehen auch die übrigen Strafbestimmungen des SVG, mit Ausnahme von Art. 93 Ziff. 1 betreffend die Beeinträchtigung der Betriebssicherheit eines Fahrzeugs, keine solche Differenzierung vor. Bei den üblichen Strafrahmen Haft oder Busse bzw. Gefängnis oder Busse kann aber dem vergleichsweise geringeren Verschulden des fahrlässig handelnden Täters bei der Strafzumessung nach Art. 63 StGB gebührend Rechnung getragen werden. Diese Möglichkeit besteht bei der in Art. 95 Ziff. 2 SVG angedrohten Strafe nicht. Die Strafe von wenigstens 10 Tagen Haft und Busse kann in einzelnen Fällen, gerade bei bloss fahrlässigem Verhalten, unverhältnismässig hoch sein. Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 StGB , wonach "in besonders leichten Fällen" von der Strafe Umgang genommen oder diese gemildert (siehe dazu BGE 95 IV 25 ) werden kann, bietet kein hinreichendes Korrektiv, da die Rechtsprechung an den besonders leichten Fall hohe Anforderungen stellt und nicht jede fahrlässige Erfüllung des Tatbestandes einen besonders leichten Fall darstellt. Die sachgerechte Lösung kann nur darin liegen, dass für fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs nicht die in Art. 95 Ziff. 2 SVG angedrohte Strafe, sondern der Strafrahmen Haft oder Busse gelten soll, also der übliche Strafrahmen, welcher beispielsweise in Art. 90 Ziff. 1 SVG , Art. 95 Ziff. 1 SVG und Art. 96 VRV vorgesehen ist. BGE 117 IV 302 S. 308 dd) In welcher Weise Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG betreffend den Führerausweisentzug auszulegen ist, soweit bloss fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs in Frage steht, ist vorliegend nicht zu beurteilen. Es sei immerhin darauf hingewiesen, dass die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts in einem nicht publizierten Urteil vom 26. Juni 1981 i.S. H. c. Rekurskommission des Kantons Bern - welches übrigens einen Fall fahrlässigen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs, begangen durch eine Fahrzeuglenkerin, die eine Verfügung unter anderem wegen sprachlichen Schwierigkeiten falsch verstanden hatte, betraf - unter anderem in analoger Anwendung von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG erkannt hat, dass die Administrativbehörden die gesetzliche Mindestdauer des Ausweisentzugs wegen Fahrens trotz Führerausweisentzugs von 6 Monaten in besonders leichten Fällen unterschreiten können, dabei aber die Mindestentzugsdauer von einem Monat gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG beachten müssen (vgl. auch MICHEL PERRIN, Délivrance et retrait du permis de conduire, Fribourg 1982, p. 179). ee) Es ergibt sich somit zusammenfassend, dass auch fahrlässiges Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs strafbar ist, dass aber insoweit anstelle der in Art. 95 Ziff. 2 SVG angedrohten Strafe von wenigstens 10 Tagen Haft und Busse bloss der bei Übertretungen übliche Strafrahmen von Haft oder Busse gelten kann. ff) Das Obergericht hat in seinen Ausführungen zur Strafzumessung zwar erkannt, dass der Gesetzgeber mit der in Art. 95 Ziff. 2 SVG angedrohten Mindeststrafe von wenigstens 10 Tagen Haft und Busse "der fahrlässigen Begehung dieses Deliktes sicherlich nicht in jedem Fall gerecht" wird, es ist aber offensichtlich davon ausgegangen, dass es diese Mindeststrafe dennoch zu respektieren habe. Es ist demnach möglich, dass die Vorinstanz andernfalls eine andere Strafe ausgefällt hätte. Die Sache ist daher in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über das Strafmass auf der Grundlage eines Strafrahmens von Haft oder Busse erneut entscheide. 4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer eine reduzierte Gerichtsgebühr und einen Teil der übrigen bundesgerichtlichen Kosten zu tragen und ist ihm für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung BGE 117 IV 302 S. 309 auszurichten. Diese Beträge sind ungefähr gleich hoch und werden daher miteinander kompensiert.
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Sachverhalt ab Seite 138 BGE 90 IV 137 S. 138 Aus dem Tatbestand: Rubi war Mieter einer in Itschnach bei Küsnacht gelegenen Liegenschaft, bestehend aus einem Stall und einer kleinen Wiese, die er entgegen dem Willen des Eigentümers als Reitbahn benutzte. Der Vermieter liess ihm dies durch den Richter untersagen. Da Rubi sich über das Verbot hinwegsetzte, ersuchte der Eigentümer den Gemeindeammann um eine amtliche Feststellung des Sachverhalts gemäss § 448 der zürcherischen Zivilprozessordnung. Der Gemeindeammann begab sich daraufhin in Begleitung eines Polizeisoldaten auf die Liegenschaft und eröffnete Rubi, weshalb er gekommen sei. Rubi geriet darob in Zorn und wies die beiden Amtspersonen aus dem Stall. Als sie mit ihrem Personenwagen wegfahren wollten, hinderte Rubi sie daran, indem er sich auf ein Pferd schwang und vor dem Wagen hin- und herritt. Das Obergericht des Kantons Zürich warf Rubi unter anderem vor, er habe die Beamten gewaltsam an einer Amtshandlung gehindert. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten wurde abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: Nach Art. 285 Ziff. 1 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb seiner Befugnisse liegt, hindert. Der Beschwerdeführer hat die beiden Amtspersonen nicht an der Feststellung des Sachverhaltes, dessentwegen sie zu ihm kamen, gehindert. Als sie ihn im Stalle aufsuchten, hatte der Gemeindeammann bereits festgestellt, dass die BGE 90 IV 137 S. 139 Wiese immer noch als Reitbahn benutzt wurde. Das schliesst eine strafbare Tätigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB jedoch nicht aus. Wie der Kassationshof am 5. Oktober 1956 i.S. Gautschi entschieden hat, fallen unter den Begriff der Amtshandlung ausser dem Vollzug einer bestimmten amtlichen Aufgabe auch alle notwendigen Begleithandlungen. Dazu gehörte im vorliegenden Falle vor allem die Fahrt von Küsnacht nach Itschnach und zurück. Der Gemeindeammann hat sich in amtlicher Eigenschaft zur Reitschule des Beschwerdeführers begeben; dass er nach Küsnacht zurückkehren musste, war eine Folge seines amtlichen Auftrages. Das gleiche gilt für den Polizeisoldaten. Sie waren beide nicht als Privatpersonen unterwegs, sondern befanden sich auf einer Dienstfahrt, als Rubi ihnen mit dem Pferd den. Weg versperrte. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer sie an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse lag, gehindert hat. Dass er ihre Abfahrt bloss verzögert hat, ändert nichts. Hindern im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB heisst nicht notwendig, eine Handlung einer Amtsperson überhaupt verunmöglichen ( BGE 71 IV 102 ).
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Erwägungen ab Seite 381 BGE 136 II 380 S. 381 Aus den Erwägungen: 1. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 8. April 2010 das Gesuch von X. um Fristverlängerung zur Bezahlung des Kostenvorschusses abgewiesen. Im gleichen Entscheid ist es in der Folge wegen Nichtleisten des Kostenvorschusses auf die Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesamtes für Migration vom 3. Februar 2010 nicht eingetreten, mit welcher das Asylgesuch von X. abgewiesen und dieser aus der Schweiz weggewiesen wurde. X. hat beim Bundesgericht mit Eingabe vom 19. April 2010 Aufsichtsanzeige gegen das Urteil vom 8. April 2010 eingereicht. Der Anzeiger beschwert sich im Wesentlichen darüber, dass das Bundesverwaltungsgericht sein Gesuch um Erstreckung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses trotz Gerichtsferien und Ferienabwesenheit nicht erstreckt habe. Dies verletze rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze, sei willkürlich und begründe eine Rechtsverweigerung. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet in der Vernehmlassung vom 14. Juni 2010 auf eine Stellungnahme und beantragt, auf die Anzeige nicht einzutreten. Diese beanstande die Rechtsprechung in einem konkreten Einzelfall und berühre keine aufsichtsrechtlich relevanten Bereiche. 2. Die Rechtsprechung ist von der Aufsicht des Bundesgerichts ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 des Reglements des Bundesgerichts vom 11. September 2006 betreffend die Aufsicht über das Bundesstrafgericht und das Bundesverwaltungsgericht [Aufsichtsreglement des Bundesgerichts, AufRBGer; SR 173.110.132]). Die Frage, ob ein Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet worden ist oder ein Fristerstreckungsgesuch verlängert werden soll, sind typische Fragen der Rechtsanwendung, die der administrativen Aufsicht grundsätzlich entzogen sind. Vorbehalten ist, dass der Nichteintretensentscheid wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses nicht in eine Rechtsverweigerung mündet, die auf organisatorische Mängel hinweist. Ob eine Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht als Aufsichtsbehörde nach den gleichen Grundsätzen, welche die Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren entwickelt hat (Entscheide des Bundesgerichts 12T_1/2007 vom 29. Mai 2007, 12T_2/2007 vom 16. Oktober 2007 und 12T_3/2007 vom 11. Dezember 2007; je E. 3). Als besondere Spielart der Rechtsverweigerung gilt dies auch für die BGE 136 II 380 S. 382 Frage, ob der Zugang zum Gericht in rechtsgleicher Weise gewährleistet ist (Entscheid 12T_3/2008 vom 10. Oktober 2008) und dieser nicht durch eine übertriebene Beurteilung der formellen oder finanziellen Voraussetzungen ungebührlich eingeschränkt wird. Dass auch Letzteres Prüfungsgegenstand der administrativen Aufsicht ist, ergibt sich schon daraus, dass dies beim Bundesgericht von der parlamentarischen Oberaufsichtsbehörde geprüft wird (Parlamentarische Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte, Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 28. Juni 2002, BBl 2002 7630 ff., 7632; Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 11. März 2002, Zur Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht über die Gerichte - Positionen in der Rechtslehre, BBl 2002 7690 ff., 7706). Ob überhaupt Recht gesprochen wird, ist eben nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Frage, ob der Geschäftsgang den Anforderungen entspricht und das Gericht seine Aufgabe wahrnimmt. Dem Bundesverwaltungsgericht kann somit nicht beigepflichtet werden, wenn es diese Fragen in jedem Fall allein der Rechtsprechung zuordnet. 3. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Zwischenverfügung vom 17. März 2010 das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit einlässlicher Begründung wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen und dem Anzeiger Frist gesetzt, bis zum 1. April 2010 einen Kostenvorschuss von Fr. 600.- zu bezahlen mit der ausdrücklichen Anordnung, dass sonst auf die Beschwerde ohne Ansetzen einer Nachfrist nicht eingetreten werde. Dabei wies es darauf hin, dass bei einem weiteren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege oder um Erlass des Kostenvorschusses oder dessen Reduktion oder um Ratenzahlung oder um Fristverlängerung, das mit ungenügenden finanziellen Mitteln begründet werde, bei unveränderter Sachlage keine Nachfrist gewährt werde. Das Gericht hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass allein eine geänderte Sachlage Grund für eine Änderung bezüglich der unentgeltlichen Rechtspflege, des Kostenvorschusses oder dessen Fristverlängerung bilden könne. Namentlich ungenügende finanzielle Mittel könnten nicht als Grund berücksichtigt werden. 3.1 Eine Zahlungsfrist von zehn Tagen oder etwas mehr mag als kurz betrachtet werden, ist jedoch nicht so kurz, dass dadurch der Zugang zum Gericht de facto ausgeschlossen und damit eine Rechtsverweigerung begangen würde, die als organisatorischer Mangel im BGE 136 II 380 S. 383 Zahlungsablauf bzw. als Mangel im Geschäftsgang betrachtet werden kann. Zahlungsfristen von zehn Tagen für Kostenvorschüsse mit der Androhung des Nichteintretens kommen auch in anderen Rechtsgebieten vor, ohne dass diese vom Bundesgericht bisher als solche beanstandet worden wären ( BGE 135 I 102 betreffend Art. 9 Abs. 2 VZG ; Urteil 1P.400/1995 vom 23. Februar 1996 betreffend Beschwerde gegen eine strafrechtliche Einstellungsverfügung). In letzterem Fall hat das Bundesgericht zwar angemerkt, dass eine solche Frist knapp bemessen sei und auch ein aufmerksamer Gesuchsteller, der sich ohne Verzug um die Beschaffung der amtlichen Belege über seine finanziellen Verhältnisse kümmere, auf die volle Frist angewiesen sein könne. Als rechtsverweigernd kurz hat es sie nicht betrachtet.
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2e60a419-224e-40a5-bfb0-82d0529327ff
Sachverhalt ab Seite 106 BGE 114 III 105 S. 106 A.- Gestützt auf ein Schiedsgerichtsurteil vom 5. Mai 1983 betrieb die Sun International Ltd., Bermuda, die SU Mineral- und Petrochemie AG, Zug, auf Bezahlung von Fr. 21'303'749.01, nebst Zins zu 12% seit dem 5. Mai 1983. Auf Begehren der Sun International Ltd. eröffnete das Kantonsgerichtspräsidium Zug am 20. Oktober 1987 den Konkurs über die SU Mineral- und Petrochemie AG. B.- Mit Verfügung vom 10. Dezember 1987 forderte das Konkursamt Zug Rechtsanwalt X. als einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der in Konkurs gefallenen Gesellschaft auf, dem Konkursamt innert 10 Tagen sämtliche Geschäftsakten dieser Gesellschaft seit dem 1. Januar 1977 auszuhändigen, soweit dies noch nicht geschehen sei. Namentlich seien folgende Unterlagen einzureichen: "- sämtliche Jahresabschlüsse (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnungen) und Kontrollstellenberichte; - sämtliche Buchhaltungsunterlagen mit allen Kontenblättern und allen zu den einzelnen Buchungsvorgängen gehörenden Belegen (...); - sämtliche (ein- und ausgegangene) Korrespondenz, Bankdokumente und Verträge, ob intern oder an Dritte, betr. alle getätigten Kauf- und Verkaufsgeschäfte sowie damit zusammenhängende Operationen (...); - sämtliche übrige (ein- und ausgegangene) Geschäftskorrespondenz, ob intern oder mit Dritten, insbesondere mit der Muttergesellschaft der Konkursitin, der Bulk Oil Holding AG, Cham, und mit der englischen Anwaltsfirma M. & Co., London; - sämtliche Protokolle aller ordentlichen und ausserordentlichen Generalversammlungen samt zugehörigen Geschäftsberichten des Verwaltungsrates; - sämtliche Protokolle aller Verwaltungsratssitzungen." Gegen diese Verfügung erhob Rechtsanwalt X. in eigenem Namen Beschwerde an die Justizkommission des Kantons Zug als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Diese hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 8. März 1988 gut und präzisierte die Verfügung des Konkursamtes dahin, "dass die Korrespondenzen, die der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Rechtsvertreter bzw. Rechtsberater der SU Mineral und Petrochemie AG sowie der Bulk Oil Holding AG mit deren Verwaltungsräten O. und S. sowie mit der Londoner Anwaltsfirma M. g Co. über die prozessualen Auseinandersetzungen mit der Sun Oil-Gruppe und insbesondere über die Rechtsöffnungsverfahren Nr. 60/1987 und Nr. 61/1987 führte, von der Herausgabeverfügung nicht betroffen werden." C.- Gegen diesen Entscheid haben das Konkursamt Zug und die Sun International Ltd. selbständig Rekurs an die Schuldbetreibungs- und BGE 114 III 105 S. 107 Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben. Beide beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Rechtsanwalt X. und die kantonale Aufsichtsbehörde beantragen die Abweisung der Rekurse. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst die Rekurse gut und bestätigt die Verfügung des Konkursamtes in ihrem ursprünglichen Wortlaut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Verfügung des Konkursamtes ferner dahin präzisiert, dass die Korrespondenzen, die der Rekursgegner in seiner Eigenschaft als Rechtsvertreter bzw. Rechtsberater der in Konkurs gefallenen Gesellschaft geführt habe, ebenfalls nicht herauszugeben seien. a) Art. 321 StGB stellt u.a. die Verletzung des Berufsgeheimnisses durch Rechtsanwälte unter Strafe. Diese Bestimmung wurde erlassen, um die Ausübung der darin aufgezählten Berufe im öffentlichen Interesse zu erleichtern. Sie findet ihre Rechtfertigung in der Überlegung, dass diese Berufe nur dann richtig und einwandfrei ausgeübt werden können, wenn das Publikum aufgrund einer unbedingten Garantie zur Verschwiegenheit das unentbehrliche Vertrauen in die betreffenden Berufsinhaber hat ( BGE 112 Ib 606 ). Die Geheimhaltungspflicht des Anwaltes erstreckt sich - wie der Wortlaut von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB deutlich zeigt - nur auf Tatsachen, die ihm vom Klienten anvertraut worden sind, um die Ausübung des Mandates zu ermöglichen, oder die der Anwalt in Ausübung seines Berufes wahrgenommen hat. Diese Geheimnisse dürfen weder direkt noch indirekt verraten werden. Es handelt sich um eine strikte Verpflichtung des Anwaltes, die auch nach der Aufhebung der vertraglichen Beziehung mit dem Klienten weiterbesteht ( BGE 112 Ib 607 ). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich indes, wenn sich der Anwalt nicht auf rein anwaltliche Tätigkeiten beschränkt, namentlich wenn er zugleich Verwaltungsrat seiner Klientin ist. Überwiegt in solchen Fällen das kaufmännische Element derart, dass die Tätigkeit des Anwaltes nicht mehr als anwaltliche betrachtet werden kann, so kann sich der Anwalt nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts zumindest nicht in einem umfassenden Sinne auf sein Berufsgeheimnis berufen. Die Entscheidung BGE 114 III 105 S. 108 darüber, welche Tatsachen vom Berufsgeheimnis erfasst werden, kann jedoch nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Diese Grundsätze, die das Bundesgericht im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeverfahren angewendet hat, gelten sinngemäss auch im vorliegenden Konkursverfahren (vgl. BGE 112 Ib 607 f.). b) Die Verfügung des Konkursamtes Zug verlangt ausdrücklich nur die Herausgabe von Geschäftsunterlagen der in Konkurs gefallenen Gesellschaft. Von Anwaltsakten, die dem Rekursgegner gehören, ist weder in der allgemeinen Umschreibung der Herausgabepflicht noch in der detaillierten Liste der herauszugebenden Unterlagen und Dokumente die Rede. Der Rekursgegner befürchtet insoweit zu Unrecht eine mögliche Verletzung seines Berufsgeheimnisses. Er übersieht, dass die Geschäftsakten der Gemeinschuldnerin von seinen eigenen Anwaltsakten zu unterscheiden sind. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich seiner Korrespondenz mit der Gemeinschuldnerin. Soweit sich diese bei der Gemeinschuldnerin befindet, handelt es sich um deren Geschäftsunterlagen und nicht um seine eigene Anwaltskorrespondenz. Der Rekursgegner vermag daher aus dem Umstand, dass er die Korrespondenz an die weiteren Verwaltungsräte O. und S. gerichtet hat, nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Es ist nicht entscheidend, mit welcher Stelle innerhalb der Gesellschaft er den Geschäftsverkehr abgewickelt hat, sondern allein, dass es sich um Korrespondenz mit der Gemeinschuldnerin handelt und daher bei dieser abgelegt werden musste. Nicht herauszugeben wären lediglich solche Unterlagen und Briefe an die beiden erwähnten Verwaltungsräte, die rein persönliche Angelegenheiten oder solche der Mutterfirma betreffen und demzufolge bei der Gemeinschuldnerin nicht abzulegen waren. Die gleichen Grundsätze gelten hinsichtlich der anwaltlichen Korrespondenz des Rekursgegners mit der englischen Anwaltsfirma M. & Co. Soweit der Rekursgegner Kopien dieser Korrespondenz an die Gemeinschuldnerin als Auftraggeberin gesandt oder bei sich zuhanden der Gemeinschuldnerin in einem besonderen Ordner abgelegt hat, handelt es sich nicht mehr um Anwaltskorrespondenz, für die er das Berufsgeheimnis beanspruchen kann, sondern um ordentliche Geschäftskorrespondenz der Gemeinschuldnerin, die gemäss Art. 223 Abs. 2 SchKG der Herausgabepflicht unterliegt. BGE 114 III 105 S. 109 In Übereinstimmung mit dieser Rechtslage richtet sich die Verfügung des Konkursamtes denn auch ausdrücklich an den Rekursgegner in seiner Eigenschaft als einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der Gemeinschuldnerin und nicht an ihn als Anwalt. c) Die Personalunion von Verwaltungsrats- und Anwaltsfunktion kann nun aber dazu führen, dass bestimmte Akten bei der Auftraggeberin nicht mehr gesondert vorhanden sind, indem sie der Anwalt zugleich für sich und die Gesellschaft hält. Es geht jedoch nicht an, der Konkursverwaltung Akten vorzuenthalten, die bei einer ordnungsgemässen Geschäftsführung vorhanden wären. Sind Verwaltungsrats- und Anwaltsmandat sauber getrennt, so gelangt das Konkursamt ohne weiteres in den Besitz der Geschäftsakten, ohne dass der Anwalt - der weiterhin ausschliesslich über seine Unterlagen verfügt - etwas dagegen unternehmen könnte. Es ist nicht einzusehen, inwiefern etwas anderes gelten soll, wenn die beiden Tätigkeiten personell nicht getrennt sind. In solchen Fällen hat daher der Anwalt, der zugleich Verwaltungsrat der Auftraggeberin ist, deren Unterlagen gemäss seiner Pflicht, für eine ordentliche Geschäftsführung zu sorgen, wenn nötig auch nachträglich entsprechend zu ergänzen. Das Geheimhaltungsrecht des Anwaltes wird insoweit durch die Herausgabepflicht nach Art. 223 Abs. 2 SchKG eingeschränkt. Der Rekursgegner als einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der Gemeinschuldnerin kann sich dem nicht einfach dadurch entziehen, dass er deren Korrespondenz als eigene Anwaltskorrespondenz betrachtet. Anders zu entscheiden hiesse, dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor zu öffnen. Durch blosses Einschalten eines Rechtsanwaltes könnten der Konkursverwaltung Geschäftsunterlagen vorenthalten werden, in die sie Einblick erhalten muss und bei einer ordnungsgemässen Geschäftsführung auch ohne weiteres erhalten würde. d) Anderseits ist den berechtigten Interessen des Rechtsanwaltes Rechnung zu tragen. Sein Berufsgeheimnis darf ebensowenig ausgehöhlt werden wie die Herausgabepflicht der Gemeinschuldnerin. Die Handakten des Anwaltes, das heisst die für ihn bestimmten Doppel der Briefe an seine Klienten und deren Briefe an ihn, seine Entwürfe, Notizen, die Doppel der eigenen Rechtsschriften usw. hat er nicht herauszugeben (vgl. DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, ZSR 70/1951, S. 81a). Ebensowenig darf er Tatsachen offenbaren, die ihm - auch gesellschaftsintern BGE 114 III 105 S. 110 - ausschliesslich in seiner Eigenschaft als Anwalt mitgeteilt worden sind (vgl. DUPONT-WILLEMIN, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, in: Bulletin des Schweizerischen Anwaltsverbandes, 1986, Nr. 101, S. 24 f.). Aus diesem Grunde hat der Rekursgegner insbesondere das Recht und die Pflicht, seine Anwaltskorrespondenz geheimzuhalten, die nicht die Gemeinschuldnerin, sondern deren Muttergesellschaft betreffen. Soweit der Rekursgegner die Angelegenheiten der Mutter- und Tochtergesellschaft in der gleichen Korrespondenz behandelt hat, sind jene Teile abzudecken, die nicht die Gemeinschuldnerin betreffen. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies grundsätzlich auch hinsichtlich jener Dokumente erfolgen dürfte, die der Anwalt bei sich, aber für die Gesellschaft als deren Geschäftskorrespondenz gesondert abgelegt hat, kann hier dahingestellt bleiben. Die Rekurrenten wenden gegen ein solches Abdecken nichts ein. Aus dem Umstand, dass das Abdecken mit einem grossen Aufwand verbunden sein könnte, vermag der Rekursgegner nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Er hat es sich selber zuzuschreiben, wenn er seine verschiedenen Funktionen nicht hinreichend auseinandergehalten hat und ihm daraus nun ein zusätzlicher Aufwand entsteht.
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c547fb98-b831-4d90-aad9-799105aa3df7
Sachverhalt ab Seite 832 BGE 97 I 831 S. 832 A.- Das Zürcher Anwaltsgesetz vom 3. Juli 1938 (AnwG) bestimmt in § 14 Abs. 1: "Der Rechtsanwalt wahrt Geheimnisse, die ihm um seines Berufes willen anvertraut werden oder die er bei Ausübung seines Berufes wahrnimmt. Er legt diese Pflicht auch seinen Mitarbeitern und Angestellten auf und wacht über ihre Erfüllung." B.- Dr. X., Rechtsanwalt in Zürich, war seit Juli 1969 Berater und Vertreter der in Klosters wohnhaften Frau Y. in deren Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann, wobei er mit Rücksicht auf die von ihr angeführten besonderen Umstände sich zunächst mit einem Kostenvorschuss von Fr. 7500.-- begnügte. Nachdem er ihr am 25. März 1970 für seine bisherigen Bemühungen mit Fr. 91 917.25 Rechnung gestellt und die Erbringung weiterer Leistungen von der Bezahlung der Hälfte der Rechnung abhängig gemacht hatte, bestritt Frau Y. die Angemessenheit dieser Honorarforderung und wechselte den Anwalt. Mit Eingabe vom 9. November 1970 ersuchte Dr. X. die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich (AK), ihm die Einleitung der sich aufdrängenden Verfahren zur einwandfreien Abklärung der Zusammenhänge sowie zur rechtlichen Einforderung seines Honorars zu ermöglichen "durch die sofortige Entbindung vom Anwaltsgeheimnis sowie von allen üblichen standesrechtlichen Loyalitätsverpflichtungen". Zur Begründung machte er Ausführungen über Frau Y. und ihren Charakter und behauptete, sie habe ihn mit raffinierten Mitteln und Manövern dazu gebracht, ohne hinreichenden Vorschuss für sie tätig zu sein. Von dieser Eingabe verschickte er Kopien an den Rechtsanwalt, dem Frau Y. das ihm entzogene Mandat übertragen hatte, an zwei weitere Rechtsanwälte, an die Bündner Anwaltskammer sowie an die Gebührenkommission des Vereins Zürcher Rechtsanwälte. Die AK ermächtigte Dr. X. mit Beschluss vom 2. Dezember 1970, sein Berufsgeheimnis inbezug auf Frau Y. gegenüber den zuständigen Gerichten insoweit zu offenbaren, als dies für die Begründung seiner Honorarforderung notwendig erscheine. Dagegen sei die AK nicht legitimiert, noch würde es sich rechtfertigen, ihn von seinen "standesrechtlichen Loyalitätsverpflichtungen" zu entbinden. In einem besonderen Verfahren werde BGE 97 I 831 S. 833 zu prüfen sein, ob er durch Versenden seiner Eingabe vom 9. November 1970 an Dritte nicht sein Berufsgeheimnis verletzt habe. In seiner Vernehmlassung zu dieser Frage machte Dr. X. vor allem geltend, dass Art. 321 StGB die Verletzung des Berufsgeheimnisses abschliessend regle und für den Disziplinartatbestand des § 14 AnwG keinen Raum lasse. Er bestritt ferner, dass die Eingabe Berufsgeheimnisse enthalte, deren Bekanntgabe an Dritte unzulässig gewesen wäre. Mit Beschluss vom 1. September 1971 auferlegte die AK Dr. X. eine Ordnungsbusse von Fr. 400.--. Die Begründung dieses Entscheids lässt sich wie folgt zusammenfassen: § 14 AnwG sei eine Norm des Verwaltungsstrafrechts, zu deren Erlass der Kanton Zürich gemäss Art. 64 und 31 Abs. 2 BV befugt gewesen sei. Art. 321 StGB enthalte nach der ständigen Rechtsprechung der AK sowie nach der in der Rechtslehre überwiegend vertretenen Auffassung keine abschliessende Ordnung, da diese Bestimmung private Interessen schütze und dem öffentlichen Interesse des Staates an der Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit der Anwälte nicht hinreichend Rechnung trage. Dr. X. habe mit der Zustellung von Kopien seiner Eingabe vom 9. November 1970 an Dritte diese über Dinge orientiert, die in die Persönlichkeits- und Geheimsphäre seiner Klientin gefallen seien, sie in ein übles Licht gestellt hätten und den Empfängern der Eingabe sonst nicht bekannt geworden wären (wird näher ausgeführt). Dem Beschuldigten sei zugute zu halten, dass er über das Verhalten seiner Klientin offensichtlich empört gewesen sei und dass angesichts des Kreises der Personen, denen gegenüber er die Geheimhaltungspflicht verletzt habe, kein besonders krasser Fall vorgelegen haben möge. Doch gehöre die Beobachtung der Geheimhaltungspflicht zu den grundlegenden Obliegenheiten des Anwalts, deren Verletzung nicht leicht wiege, weshalb sich, nachdem Dr. X. bereits am 3. Juni 1970 wegen Verletzung der Standespflichten und Standeswürde mit Fr. 200.-- gebüsst worden sei, eine Ordnungsbusse von Fr. 400.-- rechtfertige. C.- Gegen diesen Entscheid der AK hat Dr. X. beim Bundesgericht gleichzeitig eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP und eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte eingereicht. Mit beiden Rechtsmitteln wird Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sowie Verletzung des Art. 4 BV durch rechtsungleiche BGE 97 I 831 S. 834 Behandlung und Willkür geltend gemacht. Die nähere Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen. D.- Mit Urteil vom 23. November 1971 ist der Kassationshof auf die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten. E.- Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich beantragt sinngemäss Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da der Kassationshof auf die gegen den Entscheid der AK erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten ist, brauchte er nicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Beschwerde im übrigen zulässig gewesen wäre. Wie es sich damit verhält, ist daher von der staatsrechtlichen Kammer zu entscheiden, denn nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur insoweit zulässig, als die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, dass Art. 321 StGB die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte abschliessend regle, § 14 AnwG bundesrechtswidrig sei und die aufgrund dieser Bestimmung erfolgte disziplinarische Bestrafung des Beschwerdeführers gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.-Best. zur BV) verstosse. Damit wird eine Verletzung eidgenössischen Rechts im Sinne des Art. 269 Abs. 1 BStP gerügt. Der Umstand, dass die Zürcher Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde ist, schliesst die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aus, da diese sich nach Art. 12 Abs. 1 und 268 Ziff. 3 BStP auch gegen Straferkenntnisse kantonaler Verwaltungsbehörden richten kann. Fragen kann sich nur, ob der angefochtene Entscheid ein Straferkenntnis im Sinne dieser Bestimmungen sei. Das ist zu verneinen. § 22 AnwG bezeichnet zwar die Sanktionen, mit denen Verstösse gegen die Pflichten der Rechtsanwälte zu ahnden sind, als Disziplinarstrafen und Strafen. Die Anwendbarkeit des Art. 268 BStP hängt jedoch nicht von der Bezeichnung, sondern von der rechtlichen Natur der Sanktion ab. Aus diesem Gesichtspunkt BGE 97 I 831 S. 835 sind Disziplinar- und Ordnungsstrafen keine Strafen im Sinne des Strafrechts (so für Ordnungsstrafen: BGE 72 I 255 ), Die Disziplinarstrafe ist in erster Linie administratives Zwangsmittel und bezweckt die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung innerhalb des besonderen Personenkreises, für den das Disziplinarrecht gilt ( BGE 73 I 290 ; FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 691/92; GERMANN, Komm. zum StGB N. 3 der Vorbemerkungen zu Art. 1-100; DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, ZSR 1951 S. 6 ff.). Der Kassationshof hat denn auch Nichtigkeitsbeschwerden gegen Entscheide, mit denen ein Anwalt disziplinarisch bestraft wurde, als unzulässig erklärt, da sie nicht gegen ein Straferkenntnis im Sinne von Art. 268 BStP gerichtet seien (nicht veröffentlichte Urteile vom 17. Mai 1946 i.S. Pfister c. Basel-Stadt und vom 20. August 1947 i.S. Krafft c. Vaud). Kann der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Entscheid der AK demnach nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sein, so ist auf die staatsrechtliche Beschwerde auch insoweit einzutreten, als damit Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gerügt wird. Für die daneben erhobenen Rügen der Willkür und rechtsungleichen Behandlung kommt von vorneherein nur die staatsrechtliche Beschwerde in Betracht ( BGE 81 IV 118 E. 1, BGE 84 IV 140 E. 1, BGE 91 I 34 E. 1, BGE 96 IV 98 ). 2. Der Beschwerdeführer behauptet, Art. 321 StGB regle die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte abschliessend und lasse für kantonales Disziplinarstrafrecht wie das im Zürcher AnwG enthaltene keinen Raum. Ob ein kantonaler Rechtssatz oder die ihm gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar sei, hat das Bundesgericht nicht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei zu prüfen ( BGE 96 I 716 E. 2 am Ende und dort angeführte frühere Urteile). a) Das Disziplinarstrafrecht steht, wie GERMANN (a.a.O.) ausführt, ausserhalb des Strafrechts. Der Grundsatz "nulla poena sine lege" ( Art. 1 StGB ) ist daher im Disziplinarstrafrecht nicht anwendbar, sofern dieses ihn nicht selber aufstellt, und das gleiche gilt für die Verjährungsbestimmungen des StGB ( BGE 73 I 290 ). Die gegenseitige Unabhängigkeit von Disziplinarstrafrecht und gemeinem Strafrecht kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Grundsatz "ne bis in idem" im Verhältnis zwischen ihnen nicht gilt (DUBACH a.a.O. S. 109a ff.; SCHWANDER, BGE 97 I 831 S. 836 StGB S. 16 Nr. 25). Die strafrechtliche Ahndung eines bestimmten Verhaltens schliesst eine disziplinarische Verfolgung nicht nur nicht aus, sondern fordert sie meist geradezu, wenn das Verhalten auch die disziplinarrechtliche Ordnung des Personenkreises verletzt, dem der Täter angehört (DUBACH a.a.O. S. 48a). Dass der Strafrichter im Falle schwerer Vergehen oder Verbrechen einem Rechtsanwalt gemäss Art. 54 StGB für höchstens 5 Jahre die Berufsausübung untersagt oder aber von einem solchen Verbot absieht, hindert die Disziplinarbehörde nicht, ihrerseits die erteilte Berufsbewilligung auf längere Zeit oder dauernd zu entziehen, und die in Art. 79 StGB inbezug auf das richterliche Berufsverbot vorgesehene Rehabilitation hat nicht zur Folge, dass die administrative Berufsbewilligung wieder auflebt; diese muss vielmehr neu nachgesucht werden ( BGE 71 I 378 E. 3). b) Aus dieser gegenseitigen Unabhängigkeit von eidgenössischem Straf- und kantonalem Disziplinarstrafrecht folgt, dass es dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die Bewahrung des in Art. 321 StGB geschützten Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte ihnen auch im Anwaltsgesetz zur Pflicht zu machen und für die Verletzung dieser Pflicht disziplinarische Sanktionen vorzusehen, wie es durch § 14 Abs. 1 und § 22 des Zürcher Anwaltsgesetzes geschehen ist. Das kantonale Recht könnte dabei den Begriff des Berufsgeheimnisses wohl auch in einer andern, engeren oder weiteren Sinne verwenden als Art.321 Ziff. 1 StGB . Fraglich mag sein, ob § 14 Abs. 2 AnwG, wonach der Rechtsanwalt zur Offenbarung eines Berufsgeheimnisses auch dann befugt ist, wenn es ihm "ein höheres Interesse notwendig erscheinen lässt", mit Art. 321 StGB vereinbar ist, dessen Ziff. 2 die Straflosigkeit der Offenbarung nur vorsieht bei Einwilligung des Berechtigten oder schriftlicher Bewilligung der Aufsichtsbehörde (vgl. GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht S. 617 Anm. 35c und GIACOMETTI, ZBl 44/1945 S. 316). Dagegen verstösst § 14 Abs. 1 AnwG nicht gegen Art. 321 StGB und ist eine disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte, sei es neben einer Bestrafung gemäss Art. 321 StGB oder ohne solche, keineswegs bundesrechtswidrig. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Anwälte stellt, wie MARTIN-ACHARD (La discipline des professions libérales, ZSR 1951 S. 272a) zutreffend bemerkt, gleichzeitig ein Vergehen und einen Disziplinarfehler dar und kann zu einer BGE 97 I 831 S. 837 doppelten Sanktion führen. Dagegen vermag auch die Berufung des Beschwerdeführers auf GIACOMETTI, ZBl 45/1944 S. 314 ff. nicht aufzukommen. Dieser erklärt übrigens lediglich, § 14 AnwG habe, soweit er das Anwaltsgeheimnis nicht inhaltlich gleicherweise wie Art. 321 StBG normiere, "keine selbständige rechtliche Bedeutung mehr" und sei, soweit er mit Art. 321 StGB im Widerspruch stehe, aufgehoben, behauptet aber nicht, dass das Bundesrecht eine disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses ausschliesse. Die Rüge der Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts erweist sich demnach als unbegründet. 3. Gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit soll § 14 Abs. 1 AnwG nach Auffassung des Beschwerdeführers deshalb verstossen, weil das Zürcher Recht für die andern in Art. 321 StGB aufgezählten Berufe wie insbesondere Notare und Medizinalpersonen, keine Bestimmungen über die Wahrung des Berufsgeheimnisses und keine Sanktionen für dessen Verletzung enthalte. Diese Rüge ist schon deshalb unbegründet, weil, wie in der Beschwerdeantwort ausgeführt wird, Notare als Beamte zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und als solche bei Verletzung dieser Pflicht disziplinarisch bestraft werden können, während die im kantonalen Gesetz über das Gesundheitswesen genannten Medizinalpersonen bei Verstoss gegen die beruflichen Pflichten, zu denen auch die Verschwiegenheitspflicht gehört, nach diesem Gesetz disziplinarisch bestraft werden können. Davon abgesehen ist es aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nicht zu beanstanden, wenn ein Kanton die disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses nicht für alle in Art. 321 StGB aufgezählten Berufe genau gleich regelt, da die tatsächliche und rechtliche Stellung der Angehörigen dieser Berufe nicht in jeder Beziehung übereinstimmt. 4. Ist § 14 Abs. 1 AnwG demnach nicht verfassungswidrig, so kann sich nur noch fragen, ob die AK diese Bestimmung willkürlich ausgelegt oder angewendet habe, d.h. ob der angefochtene Entscheid mit dem klaren Wortlaut und Sinn des § 14 Abs. 1 AnwG unvereinbar, mit sachlichen Gründen nicht mehr zu vertreten ist. Das hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Die Eingabe an die AK vom 9. November 1970, von welcher Kopien an fünf Dritte gesandt wurden, enthielt eingehende Ausführungen über das Zustandekommen des dem Beschwerdeführer von Frau Y. erteilten Mandates, Angaben über ihre und BGE 97 I 831 S. 838 ihres Ehemanns ökonomische Verhältnisse sowie eine moralische Kritik ihres Verhaltens gegenüber dem Beschwerdeführer. Die Annahme der AK, dass es sich dabei um Berufsgeheimnisse im Sinne des § 14 AnwG gehandelt habe, erscheint als zutreffend und hält jedenfalls dem Vorwurfe der Willkür stand. Die Geheimhaltungspflicht als Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt erstreckt sich nicht nur auf eigentliche Geheimnisse, sondern auf alles, was der Anwalt aufgrund seines Mandates wahrnimmt und erfährt, und dazu gehört auch das Verhalten des Klienten gegenüber dem Anwalt selbst. Aus dem Gesichtspunkt der Willkür nicht zu beanstanden ist weiter die Annahme der AK, in der Zustellung von Kopien der Eingabe an fünf Dritte liege eine Verletzung des Berufsgeheimnisses. Da der Beschwerdeführer mit der Eingabe vor allem die Befreiung vom Anwaltsgeheimnis zur rechtlichen Geltendmachung seiner Honorar- und Spesenforderung nachsuchte, kann man sich fragen, ob nicht schon in der Eingabe selbst eine Geheimnisverletzung liegt, denn fast alles, was er darin ausführt, war völlig überflüssig für die Geltendmachung seines Guthabens. Für die Honorarfestsetzung sind nur Angaben über den Umfang der geleisteten Arbeit und das Streitinteresse nötig; Ausführungen über den Charakter des Klienten und über sein Verhalten gegenüber dem Anwalt erübrigen sich. Wie dem auch sei, so erscheint, jedenfalls die Mitteilung der Eingabe an Dritte als Geheimnisverletzung. Wäre ein Anwalt befugt, sich in der Weise, wie es der Beschwerdeführer getan hat, bei Dritten über einen Klienten zu äussern, so würde damit eine der wesentlichen Voraussetzungen des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt entfallen. Unbehelflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, die AK habe ihn in Wirklichkeit nicht wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht, sondern wegen Ehrverletzung bestraft. Inwieweit seine Äusserungen über die Klientin ehrverletzend sind, hat die AK nicht geprüft und ist auch vom Bundesgericht nicht zu prüfen, da in ihnen, wie nach dem Gesagten ohne jede Willkür angenommen werden kann, jedenfalls eine Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von § 14 AnwG liegt, welche die ausgefällte Ordnungsbusse von Fr. 400.-- ohne weiteres rechtfertigt.
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Sachverhalt ab Seite 25 BGE 101 II 25 S. 25 A.- Am 24. Dezember 1971 starb in Marbach der 1895 geborene Gottfried Fankhauser-Siegenthaler. Als gesetzliche Erben hinterliess er neben acht weiteren Nachkommen die BGE 101 II 25 S. 26 Söhne Daniel, Gottfried und Johann. Hauptbestandteil des Nachlasses bilden das Grundstück Nr. 867, Plan Nr. 19, 21, Lochsiten, in der Gemeinde Marbach, sowie das Grundstück Nr. 93, oberste Lochsiten, Plan Blatt 3, in der Gemeinde Schangnau. Mit letztwilliger Verfügung vom 15. Juli 1971 hatte der Erblasser unter anderem folgendes bestimmt: "II. Ich verfüge hiermit, dass nach meinem Ableben meine sämtlichen Liegenschaften auf der Ober-Lochsiten, mit rund 35 ha in der Gemeinde Marbach (Kanton Luzern) und mit gut 40 ha in der Gemeinde Schangnau (Kanton Bern) gelegen, zu einem Anrechnungswert der Katasterschatzung per Todestag (heute betragen diese in der Gemeinde Marbach Fr. 30'500 und in der Gemeinde Schangnau Fr. 63'720) a) zu 2/3 (zwei Drittel) an Sohn Johann Fankhauser, geboren 24. April 1930, b) zu 1/3 (ein Drittel) an Sohn Gottfried Fankhauser, geboren 4. August 1926, zukommen sollen. Die Aufzahlung bis zum gesamten Katasterwert hat nach der gleichen Verteilung, nämlich durch Johann Fankhauser mit 2/3 (zwei Drittel) und durch Gottfried Fankhauser mit 1/3 (einem Drittel) zu erfolgen. III. Die Liegenschaft "Bühlhof", Gemeinde Marbach, Parz. Nr. 442, 444, 447, 448, 505 und 532, gehört heute zu je 1/3 (je einem Drittel) meinen Söhnen Daniel, Gottfried und Johann Fankhauser. Nachdem ich verfügt habe, dass die 2/3 der Liegenschaften "Ober-Lochsiten" an Sohn Hans Fankhauser übergehen sollen, hat Hans Fankhauser nach meinem Ableben seinen 1/3 Anteil an der Liegenschaft "Bühlhof", Gemeinde Marbach, Parz. Nr. 442, 444, 447, 448, 505 und 532, ohne irgendwelche Entschädigung an meinen Sohn Daniel Fankhauser, Bühlhof, Schärlig, Gemeinde Marbach, abzutreten." B.- Am 2. Juli 1973 reichte Johann Fankhauser beim Amtsgericht Entlebuch gegen seinen Bruder Daniel folgende Klage ein: "Es sei ungültig zu erklären die Verfügung unter III des Testamentes vom 15.7.1971 des am 24.12.1971 in Marbach verstorbenen Gottfried Fankhauser-Siegenthaler, Privat, geb. 6.11.1895, wohnhaft gewesen in Marbach, Bühl, Schärlig, wonach der Kläger seinen 1/3 Anteil an der Liegenschaft "Bühlhof", Gemeinde Marbach, Parzellen Nrn. 442, 444, 447, 448, 505 und 532, ohne irgendwelche Entschädigung an Daniel Fankhauser, Bühlhof, Schärlig, abzutreten habe." BGE 101 II 25 S. 27 Zur Begründung der Klage machte er im wesentlichen geltend, die angefochtene Verfügung sei rechtswidrig, da der Erblasser nicht befugt sei, über eine fremde Sache zu verfügen; sie sei zudem ungültig, weil der Erblasser sich in einem Irrtum darüber befunden habe, dass er nicht über den "Bühlhof" verfügen dürfe. Mit Urteil vom 12. März 1974 hiess das Amtsgericht Entlebuch die Klage gut und erklärte Ziff. III der letztwilligen Verfügung vom 15. Juli 1971 als ungültig. Gegen dieses Urteil appellierte der Beklagte an das Obergericht des Kantons Luzern. In Gutheissung der Appellation wies dieses am 24. September 1974 die Klage ab. Es betrachtete die Anordnung, der Kläger habe seinen Anteil an der Liegenschaft "Bühlhof" an den Beklagten abzutreten, als zulässige Auflage. C.- Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht beantragt der Kläger, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Gestützt auf BGE 94 II 93 macht er geltend, der Erblasser dürfe keine Auflage anordnen, die sich nicht auf die Erbmasse selbst oder einen Teil derselben, sondern auf fremdes Vermögen beziehe. Sodann beruft er sich weiterhin darauf, dass sich der Erblasser bei der Errichtung des Testaments in einem Irrtum befunden habe. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In Ziff. III seines Testaments ordnete der Erblasser an, der Kläger habe dem Beklagten seinen Anteil am "Bühlhof" entschädigungslos abzutreten. Die Vorinstanz erblickt in dieser Anordnung eine Auflage. Man kann sich jedoch fragen, ob sie nicht als Vermächtnis zu qualifizieren sei. Das Vermächtnis unterscheidet sich von der Auflage vor allem dadurch, dass es nicht nur einen Anspruch der interessierten Personen auf Vollziehung, sondern ein eigentliches Forderungsrecht des Begünstigten begründet (TUOR, N. 10 zu Art. 482 und N. 7 zu Art. 484 ZGB ; ESCHER, N. 13 zu Art. 482 und N. 7 zu Art. 484 ZGB ; HERZER, Erbrechtliche Auflagen und Bedingungen, Diss. Zürich 1941, S. 40). Die Anordnung, der Kläger habe seinen Anteil am "Bühlhof" an den Beklagten abzutreten, kann nun kaum anders verstanden werden, als dass der Erblasser dem Beklagten etwas zuwenden und ihm einen eigenen Anspruch auf diese Zuwendung verschaffen wollte. Kann BGE 101 II 25 S. 28 aber jemand aus eigenem Interesse eine Leistung aus einer Verfügung von Todes wegen verlangen, so liegt in der Regel nicht eine Auflage, sondern ein Vermächtnis vor (ESCHER, N. 13 zu Art. 482 ZGB ). Überhaupt spricht die Vermutung für das Vorliegen eines Vermächtnisses, wenn in einer letztwilligen Verfügung eine bestimmte Person vermögensrechtlich begünstigt wird (BECK, Grundriss des schweizerischen Erbrechts, S. 87). Betrachtet man die streitige Anordnung als Vermächtnis, so ist sie als zulässig anzusehen. Dass der Erblasser nur über sein eigenes Vermögen letztwillig verfügen dürfe, trifft nämlich entgegen der Ansicht des Klägers nicht schlechthin zu. Nach Art. 484 Abs. 3 ZGB wird zwar der Beschwerte nicht verpflichtet, wenn der Erblasser eine bestimmte Sache vermacht und sich diese in der Erbschaft nicht vorfindet. Dies gilt jedoch nur, sofern kein anderer Wille des Erblassers aus der Verfügung ersichtlich ist. Ist dies dagegen der Fall, so hat der Beschwerte dem Vermächtnisnehmer die Sache zu verschaffen (sog. Verschaffungsvermächtnis; vgl. dazu BGE 91 II 97 ff.; TUOR, N. 20 ff., und ESCHER, N. 19 ff. zu Art. 484 ZGB ). Dass das Vermächtnis einer fremden Sache dem Willen des Erblassers entspreche, ist nach der Lehre insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Erblasser bewusst war, dass die Sache nicht ihm gehörte (ESCHER, N. 19 zu Art. 484 ZGB ; BECK, a.a.O. S. 78). So verhält es sich hier. In Ziff. III seines Testamentes hält der Erblasser nämlich ausdrücklich fest, dass der "Bühlhof" seinen Söhnen Daniel, Gottfried und Johann gehöre. Somit geht aus der Verfügung selbst hervor, dass der Erblasser den Kläger bewusst mit der Verpflichtung belasten wollte, den Anteil am "Bühlhof" an den Beklagten abzutreten, obwohl dieser Anteil ihm nicht gehörte und auch nicht Bestandteil seines Nachlasses bilden würde. Ein solches Vermächtnis ist als gültig zu betrachten. 2. Zulässig wäre die streitige Anordnung aber auch dann, wenn man sie mit dem Obergericht als Auflage qualifizieren wollte. a) In BGE 94 II 93 hat das Bundesgericht zwar ausgeführt, der Erblasser könne durch eine Auflage nicht beliebige Verpflichtungen der Erben oder Vermächtnisnehmer begründen, sondern nur solche, die sich auf das diesen zufallende Vermögen, und zwar auf dessen Verwendung (oder Nichtverwendung) BGE 101 II 25 S. 29 zu bestimmten Zwecken bezögen (vgl. auch BGE 97 II 206 .) Eine Verpflichtung zur Übertragung einer Sache, die nicht zum Vermögen gehört, das dem Beschwerten zufällt, könnte demnach nicht Gegenstand einer Auflage sein. Indessen kann an dieser Auffassung nicht festgehalten werden. Das Bundesgericht hat sie im erwähnten Entscheid damit begründet, die Auflage sei eine Art der Verfügung von Todes wegen; Art. 481 ZGB , der von den Verfügungsarten im allgemeinen handle, erlaube dem Erblasser aber nur, "über sein Vermögen" zu verfügen. Dass dies nicht schlechthin zutrifft, ergibt sich schon aus der Zulassung des Verschaffungsvermächtnisses in Art. 484 Abs. 3 ZGB (vgl. dazu Erw. 1). Mit dieser Begründung lässt sich daher die in BGE 94 II 93 vertretene Auffassung, eine Auflage könne sich nur auf das dem Beschwerten zufallende Vermögen beziehen, nicht rechtfertigen. Das Bundesgericht stützt seine Auffassung ferner auf die Bemerkung ESCHERS in N. 13 zu Art. 482 ZGB , bei der Auflage handle es sich darum, dass ein erbschaftlich Begünstigter das Selbstempfangene in bestimmter Weise verwenden soll. Unter den Beispielen, die ESCHER an jener Stelle anführt, gibt es aber auch solche, die sich nicht auf die Verwendung des Empfangenen beziehen. Ja gerade bei den charakteristischen, seit jeher als zulässig erachteten Auflagen ist dies nicht der Fall. So stehen etwa Anordnungen über das Begräbnis, den Grabunterhalt, die Feuerbestattung oder die Auflage an einen bedachten Orden, für die Seelenruhe des Erblassers täglich eine Heilige Messe zu lesen (vgl. BGE 76 II 203 ), in keiner direkten Beziehung zum zugewendeten Vermögen. Ein Indiz dafür, dass Gegenstand der Auflage nicht nur die Verwendung des Empfangenen zu einem bestimmten Zweck sein kann, ergibt sich schliesslich auch daraus, dass der Gesetzesredaktor eine Auflage, deren Wert den Betrag dessen übersteigt, was der Beschwerte aus der Erbschaft erhält, nicht als schlechthin ungültig erachtete. Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass sich der Beschwerte in einem solchen Fall mit dem Begünstigten verständigen oder aber die Erbschaft ausschlagen möge (EUGEN HUBER, Erläuterungen, 2. Ausg., I, S. 394). Es besteht daher kein Anlass, den Gegenstand der Auflage auf die Verwendung des Empfangenen zu einem bestimmten Zweck zu beschränken (vgl. auch MERZ, ZBJV 1970 S. 50). b) Zu prüfen bleibt, ob eine Auflage, die den Beschwerten BGE 101 II 25 S. 30 verpflichtet, eine nicht im Nachlass befindliche Sache einem Dritten zu übereignen, zulässig sei. Sowohl im deutschen wie im französischen Recht ist dies der Fall (SOERGEL/DIECKMANN, N. 12 zu § 2192 BGB; STAUDINGER/SEYBOLD, N. 13 zu § 2192 BGB; KIPP/COING, Erbrecht, 12. Aufl., § 65 II; PLANIOL/RIPERT, Traité pratique de droit civil français, 2. Aufl., V, N. 604/605; DALLOZ, Répertoire de droit civil, 2. Aufl., IV, Stichwort "legs", N. 79). Es ist nicht einzusehen, wieso es sich im schweizerischen Recht anders verhalten soll. Die erbrechtliche Auflage ist im Gesetz nur unvollkommen geregelt. Da sie mit dem Vermächtnis nahe verwandt ist, drängt es sich daher auf, die für dieses geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden (vgl. z.B. BGE 76 II 206 /207; TUOR, N. 38 zu Art. 482 ZGB ). Nach der Lehre ist nun gerade auch die Bestimmung in Art. 484 Abs. 3 ZGB über das Verschaffungsvermächtnis analoger Anwendung fähig. Demnach ist auch die Verschaffungsauflage als gültig zu betrachten, sofern ein entsprechender Wille des Erblassers aus der Verfügung ersichtlich ist (TUOR, a.a.O.; HERZER, a.a.O. S. 79/80; BRENNI, L'onere successorio nel diritto civile svizzero, Diss. Bern 1941, S. 64). Bedenken hiegegen bestehen nicht. Wird der Beschwerte durch eine solche Auflage allzusehr belastet, so mag er die Erbschaft ausschlagen, und wenn er in seinem Pflichtteil verletzt wird, so kann er in analoger Anwendung von Art. 486 Abs. 1 ZGB die Herabsetzung verlangen (diese Möglichkeit wurde von EUGEN HUBER, a.a.O., zwar ausgeschlossen, entspricht aber der heute herrschenden Lehre; vgl. BGE 99 II 381 ; ESCHER, N. 6, und TUOR, N. 10 zu Art. 486 ZGB ; HERZER, a.a.O. S. 64 ff.; BECK, a.a.O. S. 86). Zudem versteht sich von selbst, dass sich auch eine Verschaffungsauflage im Rahmen der Rechtsordnung und der guten Sitten zu halten hat ( Art. 482 Abs. 2 ZGB ). Dass im vorliegenden Fall der Erblasser den Kläger bewusst mit der Verpflichtung belasten wollte, den Anteil am "Bühlhof" an den Beklagten abzutreten, obwohl dieser Anteil ihm nicht gehörte, wurde bereits in Erw. 1 dargetan. Die Verfügung wäre daher auch dann gültig, wenn man sie als Auflage verstehen würde. 3. Betrachtet man die streitige Anordnung als gültig, so bleibt kein Raum mehr für eine Irrtumsanfechtung mit der Begründung, der Erblasser habe nicht gewusst, dass er über BGE 101 II 25 S. 31 den Anteil des Klägers am "Bühlhof" nicht habe verfügen dürfen. Die Berufung ist deshalb abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 664 BGE 133 III 664 S. 664 A. Um das Jahr 1970 eröffnete der schwedische Staatsbürger E. (nachfolgend Erblasser) bei der Bank S. unter der Stamm-Nr. X ein Konto und ein Wertschriftendepot, über welche er in der Folge verschiedene Transaktionen abwickelte. Im Jahr 1993 verfügte er die Auflösung der Bankverbindung und die Übertragung aller Vermögenswerte auf ein Konto bzw. Depot, das auf die Foundation F. mit Sitz in Vaduz lautete. Im Jahr 2000 verstarb er in Stockholm und hinterliess vier Kinder (die heutigen Kläger) aus erster sowie zwei Kinder aus zweiter Ehe. Im Zuge der Nachlassabwicklung gelangten die Kläger an die Bank S. mit der Bitte um Auskunftserteilung über allfällige Vermögenswerte, welche mit dem Nachlass in Zusammenhang stehen könnten. Auf entsprechendes Ersuchen übergab die Bank S. den Klägern die BGE 133 III 664 S. 665 noch vorhandenen Unterlagen zu den im Jahr 1993 aufgelösten Konten. Auskünfte über allfällige Guthaben, an denen der Erblasser wirtschaftlich berechtigt gewesen sein könnte, verweigerte sie unter Hinweis auf Art. 47 des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0) . B. Hierauf erhoben die Kinder aus erster Ehe am 22. September 2005 Klage gegen die Bank S. und verlangten Auskunft über sämtliche Vorgänge und Verhältnisse bis zum Tod des Erblassers, welche den Nachlass beeinflussen könnten, insbesondere die Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X und aller Einzahlungs- bzw. Überweisungsunterlagen zu irgendwelchen Konten sowie die Bekanntgabe allfälliger weiterer direkt oder wirtschaftlich dem Erblasser gehörenden Vermögenswerte. Mit Urteil vom 12. Januar 2006 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab. Mit Beschluss und Urteil vom 21. November 2006 nahm das Obergericht des Kantons Zürich Vormerk, dass die Klageabweisung bezüglich der Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X in Rechtskraft erwachsen sei, und wies die weiteren Auskunftsbegehren ab. C. Dagegen haben die Kläger am 12. Januar 2007 eidgenössische Berufung erhoben mit den Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, sämtliche Einzahlungs- und Überweisungsbelege zu edieren, bzw. die entsprechenden Auskünfte zu erteilen, die bezüglich Einzahlungen und Überweisungen Aufschluss zu geben vermöchten, welche der Erblasser bis zu seinem Tod auf irgendein Konto oder Depot bei der Beklagten getätigt habe, insbesondere zugunsten der Stiftung R. und der Foundation F. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Kläger nehmen vorab vertragliche Auskunfts- und Einsichtsrechte für sich in Anspruch. 2.1 Das Obergericht hat erwogen, nachdem die Beklagte über die bekannten und saldierten Konten Auskunft erteilt habe, bleibe noch streitig, ob die Kläger hinsichtlich allfälliger Bareinzahlungen und Überweisungen des Erblassers auskunftsberechtigt seien. Bei einmaligen Bareinzahlungen entstehe jedoch keine Geschäftsbeziehung und die Bank sei diesbezüglich auch nicht buchführungspflichtig, sie sei BGE 133 III 664 S. 666 blosse Zahlstelle. Bei einer Überweisung am Bankschalter dürfte das Verhältnis zwischen Einzahler und Bank hingegen als Auftrag zu qualifizieren sein. Trotzdem verdiene die Forderung nach Auskunft keinen Rechtsschutz, wenn nicht einmal feststehe, ob überhaupt eine Überweisung durch den Erblasser erfolgt sei. Die Kläger hätten sich mit ihrem Auskunftsbegehren an die ihnen bekannten Stiftungen zu halten, ansonsten Erben bei beliebigen Banken nachforschen könnten, ob der Erblasser irgendwann irgendwelche Zahlungen abgewickelt habe, was nicht der Sinn des vertraglichen Auskunftsrechts sein könne. Bei der Überweisung ab einem Konto bei einer Drittbank schliesslich bestehe nur zwischen Überweiser und Senderbank, nicht aber zwischen Überweiser und Empfängerbank ein vertragliches Verhältnis. Zwar könne der Überweiser gegenüber der Empfängerbank allenfalls Schadenersatzansprüche geltend machen, aber diese sei mangels einer vertraglichen Beziehung weder auskunfts- noch rechenschaftspflichtig. 2.2 Was die letztgenannte Konstellation anbelangt, hat das Obergericht zu Recht festgehalten, dass bei Überweisungen von einem Konto bei einer Drittbank keine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Überweiser und der Empfängerbank besteht ( BGE 121 III 310 E. 3a S. 312 f. m.w.H.). Der von den Klägern angerufene BGE 124 III 253 E. 3b S. 256 betrifft denn auch das Verhältnis zwischen Sender- und Empfängerbank, nicht dasjenige zwischen Überweiser und Empfängerbank. Ohnehin ist angesichts der klägerseits akzeptierten Aussage der Bank S., es seien keine weiteren auf den Erblasser lautende Konten vorhanden (gewesen), nicht ersichtlich, inwiefern dieser bei Überweisungen von einer Drittbank gegenüber der Bank S. hätte auskunftsberechtigt sein können; entsprechend verfügen diesbezüglich auch die Kläger als seine Rechtsnachfolger über keine Informationsansprüche gegenüber der Bank S. (dazu E. 2.5). Näher zu prüfen ist hingegen die Konstellation der Einzahlung bzw. Überweisung direkt bei der Beklagten. 2.3 Diesbezüglich machen die Kläger geltend, solche Geschäfte würden im Rahmen eines von gegenseitigem Rechtsbindungswillen getragenen Auftragsverhältnisses erfolgen. Der Auftraggeber müsse die richtige Ausführung des Auftrags überprüfen können und habe deshalb ein Auskunftsrecht. Dies ergebe sich auch aus Billigkeitsüberlegungen, wären doch die Erben sonst oft gar nicht in der Lage, den Umfang des Nachlasses festzustellen. Im Übrigen diene das Auskunftsbegehren gerade dazu, Klarheit über allfällige BGE 133 III 664 S. 667 Einzahlungen zu erlangen, weshalb sich der Rechtsschutz nicht wegen Nichtwissens verneinen lasse, zumal das Begehren klar spezifiziert sei, hätten sie doch sogar den Namen des Kundenbetreuers genannt, der über die Verhältnisse des Erblassers umfassend im Bild sei. 2.4 Die Bank S. bestreitet das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses bei Einzahlungen bzw. Überweisungen am Bankschalter. Diesfalls leiste der Einzahlende nicht an den Empfänger direkt, sondern an die kontoführende Bank; insofern sei sie Zahlstelle im Rahmen der schuldnerischen Ermächtigung, die Zahlung erfüllungshalber durch eine Einzahlung auf das Konto zu leisten. Ein Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und kontoführender Bank entstehe nur dann, wenn dieser von sich aus, ohne entsprechende Ermächtigung des Gläubigers, seine Verbindlichkeit durch Zahlung an die Bank, verbunden mit der Anweisung zur entsprechenden Gutschrift auf dem Konto, tilge. In der Praxis komme dies aber kaum je vor, weil dem Schuldner ja die Kontonummer seines Gläubigers bekannt sein müsse. Im Sinn einer Arbeitshypothese sei deshalb davon auszugehen, dass vorliegend der Erblasser vom Zahlungsempfänger ermächtigt worden sei, auf dessen bei der Bank S. geführtes Konto zu zahlen, und sie (die Bank S.) deshalb blosse Zahlstelle sei. 2.5 Aus dem Wesen der Universalsukzession im Sinn von Art. 560 ZGB folgt, dass nicht nur sämtliche Vermögensrechte, sondern insbesondere auch die vertraglichen Auskunftsansprüche auf die Erben übergehen, soweit sie nicht höchstpersönliche Rechte des Erblassers beschlagen, wobei diese Ansprüche jedem Erben einzeln zustehen ( BGE 89 II 87 E. 6 S. 93; FELLMANN, Berner Kommentar, N. 103 ff. zu Art. 400 OR ; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, Zürich 2006, N. 40 ff. zu Art. 47 BankG ; STRATENWERTH, Basler Kommentar, N. 24 zu Art. 47 BankG ; ZOBL, Probleme im Spannungsfeld von Bank-, Erb- und Schuldrecht, AJP 2001 S. 1017; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Die Auskunftsrechte von Erben gegenüber Banken, Jusletter vom 8. September 2003, Rz. 21 ff.). Die Kläger haben mithin die Auskunftsberechtigung des Erblassers und deren Übergang kraft Universalsukzession darzutun. Als erbrechtlich erworben bestehen die vertraglichen Auskunftsansprüche in demjenigem Umfang, wie sie für den Erblasser gegolten haben. 2.6 Nach eigenem Zugeständnis der Bank S. in der Berufungsantwort besteht jedenfalls dort ein Vertragsverhältnis zwischen der BGE 133 III 664 S. 668 kontoführenden Bank und dem Einzahlenden, wo dieser nicht auf Weisung des Begünstigten handelt. Umso mehr muss von einem Auftragsverhältnis zwischen der einzahlenden Person und der Bank ausgegangen werden, wenn der Kontoinhaber nicht in Erfüllung einer Schuldpflicht, sondern aus freien Stücken begünstigt werden soll. Genau dies trifft aber im vorliegenden Einzelfall zu, ist doch Hintergrund des Auskunftsbegehrens die Vermutung der Kläger, dass der Erblasser mit verschiedenen Transaktionen Geld bei den beiden liechtensteinischen Stiftungen parkiert hat. Einzahlungen bzw. Überweisungen zugunsten der Stiftungen wären somit aus freiem Willensentschluss des Erblassers erfolgt. Bei solchen Transaktionen ist die Bank nicht Gehilfin des Kontoinhabers; vielmehr wird sie im Interesse des Einzahlenden tätig und verwendet das Geld gemäss dessen Weisungen im Rahmen eines Einzelauftragsverhältnisses. Verpflichtet sich die Bank bei solchen Vorgängen mit der Entgegennahme des Geldes, dieses entsprechend den Weisungen des Auftraggebers zu verwenden, ist sie diesem beschränkt auf die betreffende Transaktion rechenschafts- und auskunftspflichtig ( Art. 400 Abs. 1 OR ; FELLMANN, a.a.O., N. 23 zu Art. 400 OR ). Dass vorliegend nicht mit Sicherheit feststeht, ob überhaupt Einzahlungen durch den Erblasser erfolgt sind, sondern hierfür nur Anhaltspunkte bestehen, kann entgegen der Auffassung des Obergerichts keine Rolle spielen, wäre doch die Bank dem Erblasser hierüber auskunftspflichtig gewesen und liegt es in der Natur der Sache, dass es im Zusammenhang mit dem Erbgang zu Wissensdefiziten und zum Verlust von Belegen über die entsprechenden Vorgänge kommen kann. Ins Leere stösst sodann der Verweis auf das Bankgeheimnis gemäss Art. 47 BankG : Dieses gilt nur gegenüber Dritten, während es gegenüber dem Geheimnisherrn - und im Rahmen der Erbfolge auch gegenüber seinen Universalsukzessoren - von vornherein nicht greifen kann (KLEINER/SCHWOB/WINZELER, a.a.O., N. 14 zu Art. 47 BankG ). In diesem Sinn dürfte die Bank bei der Bareinzahlung oder Überweisung selbstverständlich keine Auskünfte über den Saldo des begünstigten Kontos erteilen oder gar Auszüge davon aushändigen. Soweit sie dem Einzahlenden aber Auskunft über die Einzahlung als solche erteilt, gibt sie ihm nichts bekannt, was er nicht bereits wusste, und insofern kann sie ihm begriffslogisch auch kein Geheimnis preisgeben. Ebenso wenig wird das Bankgeheimnis verletzt, wenn die Bank einem Kunden beispielsweise bestätigt, dass er kein Konto besitzt oder keine Transaktionen durchgeführt hat, woran er gegenüber BGE 133 III 664 S. 669 den Steuerbehörden oder in einem Scheidungsverfahren gegenüber dem Ehegatten interessiert sein kann. Vor diesem Hintergrund kann es im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis auch keine Rolle spielen, dass die Kläger kein gesichertes Wissen haben; mit der Auskunft über allfällige Einzahlungen oder mit der Information, es seien keine solchen erfolgt, wird nichts preisgegeben, wovon der Erblasser als Rechtsvorgänger der Kläger nicht Geheimnisherr gewesen wäre. Ebenso wenig wie der Verweis auf das Bankgeheimnis verfängt derjenige auf die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (Sorgfaltspflichtsvereinbarung, VSB 03), in deren Art. 2 sich die Banken bei der Entgegennahme von Beträgen über Fr. 25'000.- Identitifikations- und Abklärungspflichten auferlegt haben. Diese bleiben ohne Einfluss auf die Natur des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden. Einzige Auswirkung im interessierenden Kontext ist, dass infolge der Dokumentationspflicht die Bank einem Auskunftsbegehren eher wird nachleben können, steht und fällt doch die Auskunftserteilung in tatsächlicher Hinsicht damit, dass bei der Bank zum betreffenden Vorgang (noch) Unterlagen oder jedenfalls Kenntnisse greifbar sind.
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Sachverhalt ab Seite 244 BGE 86 II 243 S. 244 A.- Zu Gunsten der Parzelle Sektion A 299 des Grundbuches Riehen, haltend die Liegenschaft Baselstrasse 46, besteht seit dem 1. Oktober 1910 eine Grunddienstbarkeit zu Lasten der davon durch die Schmiedgasse getrennten Parzelle Sektion A 531 1 desselben Grundbuches, haltend die Liegenschaft Baselstrasse 48. Der Eintrag lautet heute wie ehemals: BGE 86 II 243 S. 245 "Auf der belasteten Liegenschaft darf weder ein Kolonial-, Mercerie- und Schuhwarengeschäft, noch ein Warenhaus betrieben werden." B.- Das berechtigte Grundstück gehört den Beklagten, Eheleuten Wenk-Löliger, die darin ein Geschäft für Lebensmittel, Merceriewaren, Eisenwaren und Brennmaterial betreiben. Auf dem nun infolge Kaufes auf die Kläger, Siegrist und Mettler, übergegangenen belasteten Grundstück wurde bisher ein Restaurant betrieben. Die Kläger wollen an dessen Stelle einen Neubau zum Betrieb eines Kinos erstellen und am Eingang einen Kiosk einbauen lassen. Diesen hat bereits die Kiosk A.-G., Bern, gemietet beZw. gepachtet, um darin Zeitungen, Zeitschriften, Bücher uud daneben Tabakwaren, Schokolade, Ice-Cream und Confiserieartikel feilzubieten. C.- Dem allgemeinen Verkauf von Waren der letztern Art (ausser dem Lesestoff) widersetzten sich die Beklagten mit Berufung auf die Dienstbarkeit. Sie waren nur bereit, die Abgabe solcher Waren ausschliesslich an Kinobesucher zu gestatten. Die Kläger hielten jedoch dafür, der vorgesehene Kioskbetrieb verstosse nicht gegen die Dienstbarkeit. Mit Klage vom 14. Mai 1958 verlangten sie die gerichtliche Feststellung, sie seien berechtigt, auf ihrem Grundstück einen Kiosk zu erstellen und darin Raucherwaren, sowie Schokolade, Ice-Cream und andere Confiserieartikel verkaufen zu lassen. D.- Das Zivilgericht Basel-Stadt hiess die Klage in vollem Umfange gut. Das von den Beklagten angerufene Appellationsgericht wies sie dagegen im wesentlichen ab. Laut seinem Urteil vom 15. Mai 1959 dürfen die Kläger in dem geplanten Kiosk von den streitigen Waren nur Ice-Cream, frische Confiserieartikel und Backwaren (Törtchen und "Weggli"), dagegen keine Raucherwaren und auch nicht Schokolade, Biskuits und Bonbons verkaufen lassen. E.- Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung BGE 86 II 243 S. 246 an das Bundesgericht eingelegt und das Begehren der Klage erneuert. F.- Zu der im angefochtenen Urteil nicht erörterten Frage, ob für die Auslegung dieser vor Inkrafttreten des ZGB errichteten Grunddienstbarkeit das alte (kantonale) oder das neue (eidgenössische) Recht massgebend sei, äusserte sich der Präsident des Appellationsgerichts auf Anfrage dahin, dem angefochtenen Urteil liege, trotz dem Hinweis auf Kommentare zum Sachenrecht des ZGB in den Erwägungen, das alte Recht zu Grunde. Es handle sich um das Gemeine Recht, wie es im Kanton Basel-Stadt subsidiär gegolten habe. In Betracht falle namentlich der Grundsatz, wonach bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs einer Dienstbarkeitsberechtigung die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks zu berücksichtigen seien (WINDSCHEID/KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Auflage, S. 1064). Es habe nahe gelegen, im angefochtenen Urteil auf die Kommentare zum ZGB zu verweisen, die denselben (wiewohl im ZGB nicht ausgesprochenen) Grundsatz anerkennen (WIELAND, Bem. 2. zu Art. 738 ZGB ; LEEMANN, N. 11 hiezu und N. 28 zu Art. 730 ZGB ). G.- Mit Rücksicht auf diese Urteilserläuterung erhielten die Kläger Gelegenheit, die Berufungsschrift zu ergänzen. Sie erklärten zunächst, von der Anwendung kantonalen Rechtes sei bei der öffentlichen Urteilsberatung nicht die Rede gewesen, so wenig wie in den schriftlichen Erwägungen. Nach Ansicht der Kläger ist in Wahrheit eidgenössisches Recht anwendbar; sie rügen dessen Verletzung durch das angefochtene Urteil. Die Beklagten wollen es dagegen bei der Anwendung des kantonalen Rechtes bewenden lassen, wie sie laut dem erläuternden Bericht der Vorinstanz erfolgt ist. Sie beantragen daher, auf die Berufung sei nicht einzutreten. Der Eventualantrag geht auf Abweisung der Berufung. H.- Die staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten - die mit dem im wesentlichen zu ihren Gunsten ergangenen Rechtsspruch der Vorinstanz als solchem einverstanden BGE 86 II 243 S. 247 sind, ihm aber, um einem Erfolg der Berufung der Kläger vorzubeugen, mit ihrer Beschwerde eine sicherere tatbeständliche Grundlage verschaffen wollten - ist heute abgewiesen worden. Die Berufung ist somit nun abschliessend zu beurteilen, und zwar auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie das angefochtene Urteil feststellt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Streitwert). 2. Ob es angehe, das angefochtene Urteil gemäss dem nachträglichen Erläuterungsbericht der Vorinstanz als altrechtliches zu betrachten, obwohl sich die Erwägungen nicht auf altes Recht stützen und nach den unwiderlegten Erklärungen der Kläger auch bei der Urteilsberatung nicht von altem Rechte die Rede war, kann dahingestellt bleiben. Geht man von einer auf altem (kantonalem) Recht beruhenden Entscheidung aus, so ist auf alle Fälle zu prüfen, ob nicht richtigerweise, wie es die Kläger geltend machen, nach eidgenössischem Recht hätte entschieden werden sollen, wie denn die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechtes eine im Berufungsverfahren beachtliche Verletzung des Bundesrechtes ist ( Art. 43 Abs. 2 OG ). Sollte gegenteils Bundesrecht angewendet worden sein, so wäre vorweg zu prüfen, ob nicht gemäss dem Standpunkt der Beklagten kantonales Recht (in vollem Umfange oder doch in bestimmter Hinsicht) hätte angewendet werden sollen. Würde dies bejaht, so wäre, bei ausschliesslicher Anwendbarkeit des kantonalen Rechtes, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Beurteilung nach kantonalem Recht an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 60 Abs. 1 lit. c OG ) oder, bei Anwendbarkeit kantonalen Rechtes neben eidgenössischem Recht, gemäss Art. 65 OG vorzugehen. 3. Die vor Inkrafttreten des ZGB entstandenen Rechte unterstehen nach Art. 17 Abs. 2 SchlT, "soweit dieses Gesetz eine Ausnahme nicht vorsieht", in bezug auf ihren Inhalt nun dem neuen Recht. Als Ausnahme BGE 86 II 243 S. 248 von dieser Regel fällt in erster Linie die intertemporale Ordnung des Grundbuchrechts in Betracht. Die vorhandenen kantonalen Register boten zum grossen Teil keine genügende Gewähr und bedurften der Bereinigung. Das neue Grundbuchrecht konnte daher nicht durchwegs am 1. Januar 1912 in Kraft treten. Die volle Grundbuchwirkung des ZGB knüpft sich erst an die Einführung des eidgenössischen Grundbuches oder an die Gleichstellung einer andern Einrichtung mit diesem Grundbuch (Art. 48 Abs. 3 SchlT). Indessen ist neben andern gerade das Grundbuch des Kantons Basel-Stadt schon auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB dem neuen Grundbuch mit voller Wirkung gleichgestellt worden (§§ 228 und 229 des kantonalen EG zum ZGB; Bundesblatt 1917 II 181; MUTZNER, N. 9 zu Art. 46 SchlT; JENNY, Der öffentliche Glaube des Grundbuches, S. 221). Somit können sich die Kläger, die das belastete Grundstück auf Grund eines Kaufvertrages unter der Herrschaft des neuen Rechtes (und damit eben auch des neuen Grundbuchrechtes) erworben haben, als gutgläubige Dritte auf die neue Rechtsordnung berufen. Insoweit hat es beim Grundsatz des Art. 17 Abs. 2 SchlT sein Bewenden. Eine andere Frage ist, ob und wieweit diese Vorschrift überhaupt auf Grunddienstbarkeiten Anwendung finde. Deren konkreter Inhalt ist ja (anders als bei persönlichen Dienstbarkeiten bestimmter Art) nicht durch Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft, insbesondere Vertrag, festgelegt. In einer Reihe von Entscheidungen hat nun das Bundesgericht den Art. 17 Abs. 2 SchlT nur als Anwendungsfall der allgemeinen Norm des Art. 3 SchlT betrachtet und ihm die Auslegung der unter altem Recht errichteten Grunddienstbarkeiten mit der Begründung entzogen, ihr Inhalt werde nicht gemäss der Voraussetzung des Art. 3 SchlT "unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben". Es handle sich vielmehr um die Auslegung eines Rechtsgeschäftes nach dem Sinn, wie er ihm von Anfang an auf Grund der beim Geschäftsabschluss BGE 86 II 243 S. 249 geltenden Rechtsordnung zugekommen sei (vgl. BGE 38 II 750 , BGE 39 II 152 und 203, BGE 40 II 214 /15, BGE 53 II 109 und, betreffend Grundlasten, 383/85; dazu namentlich K. R. NAEGELI, Die Auslegung der Grunddienstbarkeiten, Diss. 1935, S. 158 ff.). Die neuere Rechtsprechung hat dann aber, mit Hinweis auf die von Art. 3 SchlT abweichende Fassung des Art. 17 Abs. 2 SchlT, dem neuen Recht zur Bestimmung des Inhalts einer unter altem Recht begründeten Grunddienstbarkeit insoweit Raum gegeben, als das Rechtsgeschäft diesen Inhalt weder ausdrücklich noch dem Sinne nach geordnet hat. Insbesondere können auch die nicht als zwingend zu erachtenden neurechtlichen Bestimmungen, die den Inhalt der Grunddienstbarkeiten betreffen, auf altrechtliche Grunddienstbarkeiten angewendet werden, sofern keine abweichende rechtsgeschäftliche Ordnung getroffen worden ist. Art. 17 Abs. 2 SchlT will eben auch solche altrechtliche Verhältnisse grundsätzlich dem Wandel der allgemeinen Rechtsgrundsätze unterwerfen ( BGE 64 II 411 ; zustimmend GUHL in ZbJV 75 S. 550/51 und LIVER, N. 231-235 zu Art. 737 ZGB ; in gleichem SinneBGE 70 II 31undBGE 73 II 27). 4. Das soeben Gesagte würde freilich im vorliegenden Falle die Anwendung des vor 1912 geltenden Rechtes zunächst nicht hindern. Geht der Streit doch hauptsächlich um den konkreten, auf altrechtlichem Vertrag beruhenden Sinn des als Grunddienstbarkeit festgelegten Verbotes, "ein Kolonialwaren- ... geschäft" oder "ein Warenhaus" zu betreiben, und um die Frage, ob dieses Verbot auch den von den Klägern geplanten Betrieb eines Kioskes treffe. Der Umstand, dass man es bei diesem Projekt mit einer erst nach Inkrafttreten des neuen Rechtes eingetretenen Tatsache zu tun hat, stünde an und für sich der Anwendung des alten Rechtes nicht entgegen. Denn ob eine neue Tatsache einem vom alten Recht beherrschten Vertrag widerspreche, bleibt eine Frage der Auslegung dieses Vertrages (vgl. BGE 79 II 401 ). Allein BGE 86 II 243 S. 250 als Dritterwerber des belasteten Grundstückes sind die Kläger nicht an den alten Dienstbarkeitsvertrag als solchen gebunden. Wie bereits in Erw. 3 dargetan, stehen sie im Genuss der vollen Grundbuchwirkung des neuen Rechtes. Die Dienstbarkeitslast gilt daher für sie lediglich so, wie sie nach dem (unverändert gebliebenen) Stand des Grundbuches begründet ist. Denn der Grundbucheintrag ist gegenüber dem gutgläubigen Dritterwerber nicht nur für den Bestand, sondern auch für den Inhalt der dinglichen Rechte massgebend. Dieser Inhalt ist zwar in manchen Fällen, gerade bei Grunddienstbarkeiten, im Hauptbuch nur durch ein Stichwort umschrieben ("Fusswegrecht", "Gewerbebeschränkung" und dergleichen; siehe Art. 35 Abs. 2 der Grundbuchverordnung). Er kann aber nur "im Rahmen des Eintrages" durch die Belege oder auf andere Weise nachgewiesen werden ( Art. 971 Abs. 2 ZGB ; dazu OSTERTAG, N. 18, und HOMBERGER, N. 21). Für die Grunddienstbarkeiten verdeutlicht Art. 738 ZGB diesen Grundsatz in dem Sinne, dass, wenn sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, dieser - allein - für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend ist. In einem solchen Falle braucht der Grundstückserwerber gar nicht nach Belegen und andern Auslegungsmitteln zu forschen. Er kann sich an den Eintrag halten, und es können ihm daher nicht davon abweichende Schriftstücke entgegengehalten werden, selbst wenn sich solche bei den Grundbuchbelegen vorfinden ( BGE 83 II 122 ; dazu ZbJV 95 S. 27/28). Im vorliegenden Falle beschränkt sich der Grundbucheintrag in der Tat nicht auf stichwortartige Bezeichnung der Dienstbarkeit, sondern sagt klar und bestimmt, was verboten sein soll: vier genau umschriebene Arten gewerblicher Betätigung. Im übrigen haben sich die Beklagten gar nicht auf Grundbuchbelege berufen. Der alte Dienstbarkeitsvertrag soll sich (laut S. 6 der Klagebeantwortung) nicht auf dem Grundbuchamt befinden, sondern seinerzeit nach damaligem Brauch dem verurkundenden Notar zurückgegeben BGE 86 II 243 S. 251 worden sein. Er enthalte übrigens (laut S. 4 oben der Berufungsantwort) nichts anderes als "genau dieselbe Bezeichnung der Parteien und dieselbe wörtliche Fassung wie das Grundbuchblatt sowie das Grundbuchprotokoll selbst". Unter diesen Umständen kann vollends nicht von einem den Grundbucheintrag in wesentlicher Beziehung ergänzenden Rechtsgrundausweis die Rede sein. 5. Gegenstand der Auslegung ist somit kein altrechtlicher Vertrag, überhaupt keine vom alten Recht beherrschte Urkunde, sondern ausschliesslich der Text eines neurechtlichen Registers öffentlichen Glaubens. Dieser Text ist seinem Rechtscharakter entsprechend aus sich selbst, nach heutigem (allgemeinen oder allenfalls auch örtlichen) Sprachgebrauch auszulegen. Es ist gleichgültig, ob sich allenfalls die seinerzeit beim Vertragsabschluss im Jahre 1910 gegebenen Verhältnisse, die Tätigkeit und die Vermögensverhältnisse, die Anschauungen und Absichten der Vertragschliessenden noch näher abklären liessen. All dies fällt für die Kläger ausser Betracht. Damit ist allerdings nicht gesagt, die (aus dem Grundbuch ersichtliche) Entstehungszeit der Dienstbarkeit sei unter allen Umständen bedeutungslos. Hätte man es mit einem erkennbar dem alten Sachenrecht entnommenen Grunddienstbarkeitstypus zu tun (vgl. etwa die im alten kantonalen Recht näher ausgestalteten Weide- und Beholzungsrechte oder das sog. Streck- und Tretrecht, worüber siehe E. HUBER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Band III, S. 312, 338, 381 ff.), so wäre zur Erläuterung des heutigen Grundbucheintrages auf das alte Recht der Dienstbarkeiten zurückzugreifen. Davon ist hier aber nicht die Rede. Der vorliegende Eintrag nimmt keinen Bezug auf altrechtliche Dienstbarkeitstypen. Gegenstand der streitigen Dienstbarkeit ist eine Gewerbebeschränkung, die nicht etwa dazu dient, Einwirkungen durch Lärm, Rauch, üble Dünste oder Erschütterung und dergleichen über die Gebote des Nachbarrechts hinaus vom berechtigten Grundstück fernzuhalten, sondern BGE 86 II 243 S. 252 lediglich das dort betriebene Gewerbe vor wirtschaftlicher Konkurrenz schützen soll. Es handelt sich um Pflichten, die ihrem Inhalt nach dem (im Jahre 1910 längst bundesrechtlich geordneten) Obligationenrecht angehören. Was aber die Verdinglichung dieser Pflichten in Gestalt einer Grunddienstbarkeit betrifft, sind, wie bereits dargetan, nunmehr die Art. 730 ff. ZGB (soweit sie sich auf den Rechtsinhalt beziehen) auch auf die aus dem alten Recht stammenden Grunddienstbarkeiten anwendbar. Insbesondere ist es eine Frage des eidgenössischen Rechts, ob und in welchem Sinne der von Kommentaren des ZGB dem Pandektenrecht entnommene Grundsatz anzuerkennen sei, wonach bei Zweifelsfragen der Auslegung das Bedürfnis des berechtigten Grundstücks zu berücksichtigen ist. 6. Abgesehen davon indessen, dass selbst Autoren des Pandektenrechts dieses Bedürfnis vornehmlich nur zur Begrenzung der Belastung, zur Bestimmung ihres Höchstmasses, berücksichtigt wissen wollen (vgl. DERNBURG, System des römischen Rechts, 8. Auflage, Band I S. 425 mit Fussnote 7), wäre es mit der Grundbuchwirkung des ZGB unvereinbar, die Last über den sich aus dem Eintrag deutlich ergebenden Inhalt hinaus zu erweitern. Einschränkend sind namentlich Dienstbarkeiten wie die vorliegende auszulegen, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Betätigung untersagen, zu der er nicht bloss kraft seines Grundeigentums, sondern kraft der jedermann zustehenden persönlichen Freiheit befugt wäre. Man kann sich sogar fragen, ob eine solche einzig im Sinn eines Konkurrenzverbotes vereinbarte Gewerbebeschränkung sich überhaupt als Grunddienstbarkeit verdinglichen lasse. In der Rechtslehre ist dies umstritten geblieben. Während KOHLER (Archiv für ziv. Praxis 87, 1897, S. 174) die Frage grundsätzlich verneinte, ebenso, für das Recht des ZGB, SCHWANDER (Grunddienstbarkeiten, Diss. 1910, S. 33), haben Lehre und Rechtsprechung zum ZGB sie im allgemeinen bejaht ( BGE 78 II 26 /27 Erw. 4; WIELAND, BGE 86 II 243 S. 253 Bem. 5, und LEEMANN, N. 21, zu Art. 730 ZGB ; N.AEGELI, a.a.0., S. 61). Demgegenüber nimmt neuestens LIVER (N. 123 ff., namentlich N. 135/36 zu Art. 730 ZGB ) eine kritische Stellung ein. Indessen ist grundsätzlich an der in der Schweiz herrschend gewordenen Ansicht festzuhalten, die angesichts der zahlreichen Dienstbarkeiten solcher Art geradezu gewohnheitsrechtliche Bedeutung gewonnen hat. Die durch Art 730 Abs 1 ZGB gezogenen Schranken bleiben jedenfalls dann gewahrt, wenn die Last zum Schutz eines auf dem berechtigten Grundstück dauernd betriebenen Gewerbes begründet wird, das diesem Grundstück seinen wirtschaftlichen Charakter aufprägt. So verhält es sich hier. Derartige Beschränkungen der Betätigungsfreiheit aus rein wirtschaftlichen Konkurrenzgründen stellen aber innerhalb der schweizerischen Rechtsordnung einen Ausnahmezustand dar. Das streitige Verbot geht daher keinesfalls weiter, als wie es sich aus dem Grundbucheintrag deutlich ergibt, und ist, wenn Zweifel über seine Tragweite auftauchen, eng auszulegen. Ein weitergehendes Bedürfnis der Eigentümer des berechtigten Grundstücks fällt nicht in Betracht. Die wirtschaftliche Freiheit des Nachbars bleibt bestehen, soweit sie nicht laut dem Grundbucheintrage preisgegeben worden ist. 7. Diese Schranken der Belastung hat das Urteil des Zivilgerichts beachtet, während das Urteil des Appellationsgerichts sie durchbricht. a) Von der Herkunft mancher Tabaksorten aus überseeischen Ländern ausgehend, zählt das Appellationsgericht auch Tabakwaren zu den "Kolonialwaren". Diese logisch-begriffliche Ableitung hält aber vor den oben dargelegten Grundsätzen des Grundbuchrechtes nicht stand. Danach kommt es auf den landläufigen Sprachgebrauch an. Die Kläger durften beim Erwerb des Grundstücks den Ausdruck "Kolonialwarengeschäft" so verstehen, wie er im Gebrauche steht. Der Begriff der Kolonialware ist freilich nicht in jeder Hinsicht fest umgrenzt. BGE 86 II 243 S. 254 So zählt Brockhaus'Konversationslexikon von 1894 neben Nahrungsmitteln auch Baumwolle, Farb- und Nutzhölzer dazu, während der Grosse Brockhaus von 1955 als Beispiele nur Nahrungsmittel entsprechender Herkunft (aus tropischen oder subtropischen Ländern) anführt. Tabakwaren werden jedoch gemeinhin nicht zu den Kolonialwaren gerechnet. Dass manche so bezeichnete Geschäfte auch Tabakwaren führen, darf nicht beirren. Es handelt sich alsdann um einen neben den Kolonialwaren in das Geschäft einbezogenen Artikel, wie denn solche Erweiterungen des Geschäftsbereiches etwa durch ausdrückliche Beifügungen deutlich gemacht werden (z.B. "Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren"; siehe BGE 85 II 179 ). b) Wie es sich mit der vom Appellationsgericht ohne jedes Bedenken als Kolonialware betrachteten Schokolade verhält - insbesondere mit der, allerdings aus überseeischem Grundstoff, in der Schweiz in mannigfacher Weise verarbeiteten Ess-Schokolade verschiedener Marken -, kann dahingestellt bleiben. Der vorliegende Grundbucheintrag verbietet nämlich (hierin vom Fall des soeben erwähnten Entscheides abweichend) gar nicht den Verkauf von Kolonialwaren schlechthin, sondern den Betrieb eines Kolonialwaren-"geschäftes". Ein Kiosk (Verkaufsstand für Zeitungen, Erfrischungen usw., laut dem Grossen Brockhaus 1955) wird nun weder unter Kaufleuten noch im Publikum als Kolonialwarengeschäft bezeichnet. Darüber glaubt die Vorinstanz zu Unrecht hinweggehen zu sollen mit der Bemerkung, es bestehe nur ein (in ihren Augen unerheblicher) organisatorischer Unterschied: Beim Kiosk kaufe man von der Strasse her ein, ohne den Verkaufsraum wie beim Ladengeschäft zu betreten. Zu beachten ist jedoch ausserdem die verschiedene wirtschaftliche Zweckbestimmung. Beim Kiosk tätigt man Kleinkäufe; abgesehen von Zeitungen, Zeitschriften und ähnlichem Lesestoff ersteht man etwa ein Päcklein Zigaretten oder Stumpen, Süssigkeiten, für 50 Rappen Erdnüsschen und dergleichen. Für die ordentlichen BGE 86 II 243 S. 255 Einkäufe, namentlich für die Beschaffung grösserer Warenmengen, sucht man dagegen das besser ausgestattete, die sorgfältige Prüfung und Auswahl ermöglichende "Geschäft" auf. Wer eine Kiste Zigarren, eine grössere Packung Zigaretten, einen guten Pfeifentabak, eine Schachtel Biscuits für den Haushalt, ein Paket Schokolade und dergleichen sich beschaffen will, geht in der Regel nicht zum Kiosk, sondern zum Kolonialwarenhändler oder ins Spezialgeschäft. c) Gewiss wird den Beklagten auf dem Gebiete der streitigen Waren aus dem Kioskbetrieb eine nicht unbeträchtliche Konkurrenz erwachsen. Das rechtfertigt es aber nach dem Gesagten nicht, das Verbot über den Grundbucheintrag hinaus auf einen Betrieb solcher Art auszudehnen. Es ist belanglos, aus welchem Grunde die Dienstbarkeit nicht weiter gefasst wurde, sei es durch Einbeziehung von Kioskbetrieben, sei es durch ein Verbot des Verkaufs gewisser Waren als solcher statt bloss eigentlicher "Geschäfte". Die Vermutung der Vorinstanz, man dürfte beim Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages nicht an die Möglichkeit der Konkurrenzierung durch einen Kioskbetrieb gedacht haben, weil sich wohl damals in Riehen noch gar kein Kiosk befunden habe, kann daher auf sich beruhen bleiben. Sie steht übrigens auf schwachen Füssen; denn nicht nur war der Name Kiosk und sein heutiger Begriff als Kleinverkaufsstätte damals in Europa längst bekannt (vgl. Brockhaus'Konversationslexikon von 1894), sondern nach Feststellung der Vorinstanz gab es im Jahre 1910 in der Stadt Basel auf grossen Plätzen und an wichtigen Tramhaltestellen bereits solche Kioske. Zur Zeit der Errichtung der Dienstbarkeit war Riehen auch nicht etwa ein einsames Bauerndorf, sondern ein Vorort von Basel mit über 3000 Einwohnern (Statistisches Jahrbuch von Basel Stadt 1921, Tabelle a 2 mit chronologischer Übersicht), und die Vertragschliessenden waren Geschäftsleute, die mit den Verhältnissen in Basel vertraut sein mussten. BGE 86 II 243 S. 256 8. Dem von den Beklagten endlich eingenommenen Standpunkt, der geplante Kiosk habe als ein von der Dienstbarkeit verbotenes "Warenhaus" zu gelten, ist ebenfalls nicht beizutreten. Das - auf Befriedigung des Massenbedarfs an Waren zahlreicher Gattungen ausgerichtete - Warenhaus ist ein "Geschäft" der ausgeprägtesten Art, mit dem ein Kiosk vollends nicht auf gleiche Linie zu stellen ist. Niemand nennt denn auch im Ernst einen Kiosk ein Warenhaus und den Kioskinhaber Leiter eines Warenhauses. Vom Verbot des Betriebes eines solchen Grossgeschäftes wird daher der geplante Kiosk nicht betroffen.
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Sachverhalt ab Seite 542 BGE 108 II 542 S. 542 A.- L. hatte in X. ein grosses Stück Land erworben, um es zu erschliessen und zu überbauen, bzw. parzellenweise als Bauland zu verkaufen. Bei der Parzellierung seines Grundbesitzes liess er im Jahre 1961 auf den neu gebildeten Grundstücken eine als BGE 108 II 542 S. 543 Baubeschränkung bezeichnete Grunddienstbarkeit im Grundbuch eintragen, und zwar auf jedem Grundstück gleichzeitig als Last zugunsten und als Recht zulasten der übrigen Parzellen. In dem für die Eintragung massgebenden Grundbuchbeleg wurde diese Baubeschränkung wie folgt umschrieben: "Die jeweiligen Eigentümer der Parzellen Nr. 1920 bis 1931, 1934 bis 1941 und 1943 bis 1951 verpflichten sich gegenseitig dinglich, auf ihren Parzellen Bauten zu erstellen, die lediglich ein Untergeschoss, ein Obergeschoss ( = Parterre) und ein Dachgeschoss enthalten. Die auszuführenden Bauten dürfen keine Flachdächer aufweisen." Nach den Aussagen, die L. im vorliegenden Prozess als Zeuge machte, war äusserer Anlass der Servitutsbegründung die Kritik der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Fremden, die mit der Überbauung des betreffenden Landes nach X. kommen sollten. Mit der Servitut hätten der bauliche Charakter, wie er damals in jenem Gebiet vorgeherrscht habe, erhalten und grössere Bauvorhaben verhindert werden wollen. Auf entsprechend häufige Fragen von Bauinteressenten hin habe sodann auf Grund der Dienstbarkeit versichert werden können, dass die Aussicht garantiert sei. Wichtig sei vor allem gewesen, dass bloss kleine Chalets wie im betreffenden Gebiet üblich und keine halben Hotels im Chaletstil gebaut würden. Zweck der Servitut sei demnach gewesen, die Dimension und die Höhe der Häuser zu beschränken. B.- Eine der aus der Parzellierung des Landes von L. hervorgegangenen Parzellen (Grundbuchblatt-Nr. 1938) war von I. erworben worden. Dieser stellte am 22. April 1977 ein Baugesuch zur Erstellung eines Mehrfamilienhauses auf seinem Grundstück. Verschiedene Eigentümer von Nachbargrundstücken bekämpften dieses Projekt und fochten die Baubewilligung vor sämtlichen kantonalen Instanzen an. Diesen Bemühungen blieb indessen der Erfolg versagt. Mit Urteil vom 27. April 1981 wies letztinstanzlich das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde der Nachbarn gegen die Bestätigung der Baubewilligung durch den Regierungsrat ab. Inzwischen war das Eigentum am betreffenden Grundstück von I. auf die B. AG übergegangen, die anstelle des bisherigen Eigentümers in das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingetreten war. Die B. AG reichte am 19. April 1982 gestützt auf Baupläne vom 18. und 30. November 1981 ein Gesuch um Abänderung des ursprünglichen Projektes ein, das sie mit einem Entgegenkommen gegenüber den Nachbarn begründete. Die abgeänderten Pläne BGE 108 II 542 S. 544 sehen eine Reduktion der Gebäudehöhe um ca. 0,95 m und eine solche der Gebäudebreite um 2 m vor. C.- Am 27. April 1981 erhoben vier Eigentümer von Nachbargrundstücken der B. AG beim Appellationshof des Kantons Bern Klage gegen diese. Sie verlangten die Feststellung, dass das Bauprojekt der Beklagten die Baubeschränkungsservitut verletze (Klagebegehren Ziff. 1), und beantragten, es sei der Beklagten die Erstellung des geplanten Mehrfamilienhauses unter Strafandrohung zu verbieten (Klagebegehren Ziff. 2). Nachdem die Beklagte das ursprüngliche Projekt am 19. April 1982 abgeändert hatte, beantragten die Kläger im Sinne einer Klageänderung neu, es sei festzustellen, dass auch das Projekt gemäss Abänderungsgesuch der Beklagten die Dienstbarkeit verletze, und es sei der Beklagten unter der gleichen Androhung zu verbieten, auf ihrem Grundstück ein Haus nach den abgeänderten Plänen zu bauen. Die Beklagte erhob keine Einwendungen gegen die Klageänderung und erklärte, sich den Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 der Klage zu unterziehen.
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2. Die nähere Erfassung noch nicht existierender, erst zukünftiger Immissionen ist nicht eine reine Rechtsfrage, sondern wesentlich eine Frage der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes (E. 2). 3. Anwohner einer Dorfstrasse, auf welcher der Lastwagenverkehr infolge des Betriebs einer 900 m entfernten Abfalldeponie zunimmt, sind von diesen Lärmimmissionen nicht stärker betroffen als jedermann. Sie sind deshalb nicht legitimiert, die Bau- und Betriebsbewilligung für die Abfalldeponie, welche unter anderem aufgrund von Art. 24 RPG erteilt worden ist, anzufechten (E. 3). Sachverhalt ab Seite 155 BGE 112 Ib 154 S. 155 In der Gemeinde Obfelden wurde im Gebiet "Tambrig", das gemäss geltendem Zonenplan im übrigen Gemeindegebiet liegt, in früheren Jahren eine Kiesgrube betrieben, die nun wieder aufgefüllt werden soll. Die Spross Ga-La-Bau AG (hiernach: Firma Spross) erwarb vom Grundeigentümer als Personaldienstbarkeit das alleinige Auffüllrecht mit Muldenmaterial. Die Baudirektion des Kantons Zürich bewilligte am 15. August 1983 der Firma Spross unter Hinweis auf § 26 EG zum GSchG vom 8. Dezember 1974 und gestützt auf § 2 lit. h der Verordnung des Regierungsrates über den Gewässerschutz vom 22. Januar 1975 den Betrieb einer Multikomponentendeponie. Der Gemeinderat Obfelden erteilte daraufhin der Firma Spross am 18. Oktober 1983 die baurechtliche Bewilligung für diese Deponie. Die Baubewilligung wurde von der Baudirektion gestützt auf § 2 der Einführungsverordnung zum Bundesgesetz über die Raumplanung (EV RPG) am 28. März 1984 genehmigt. Gegen diese Bewilligung erhoben X. und Y. Rekurs. Die Baurekurskommission II des Kantons Zürich bejahte die Legitimation der Beschwerdeführer, hiess das Rechtsmittel gut und hob die angefochtene Baubewilligung auf. Darauf führten die Gemeinde Obfelden, die Zürcher Planungsgruppe Knonaueramt und die Firma Spross Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses verneinte die Beschwerdebefugnis von X. und Y., hob den Entscheid der Baurekurskommission II auf und stellte die vom Gemeinderat Obfelden erteilte Baubewilligung wieder her. Das Gericht prüfte die Beschwerdebefugnis nach den Kriterien von BGE 112 Ib 154 S. 156 § 338a des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (PBG). Es anerkannte trotz der Distanz von ca. 900 m zwischen der Deponie und den Wohnhäusern von X. und Y. eine gewisse, wenn auch nur indirekte räumliche Beziehung. Doch verneinte es, dass der deponiebedingte zusätzliche Lastwagenverkehr auf der Dorfstrasse in Obfelden merkliche, X. und Y. in rechtserheblichem Ausmass berührende Sekundärimmissionen auslöse. Es fehle daher an einem schutzwürdigen Anfechtungsinteresse, weshalb die Baurekurskommission die Legitimation der beiden Einsprecher zu Unrecht bejaht habe. X. und Y. führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Begehren, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache sei an dieses zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, das Gericht habe ihre Legitimation im kantonalen Verfahren zu Unrecht verneint. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 1. a) Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist auf der Basis kantonalen Ausführungsrechts zum BG vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG) und zum BG vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG) ergangen. Soweit das Raumplanungsgesetz des Bundes in Frage steht, fällt der Entscheid in den Sachbereich von Art. 24 RPG , da die streitige Deponie nach der zur Zeit geltenden kommunalen Zonenplanung im übrigen Gemeindegebiet liegt. Eine Baubewilligung nach Art. 22 RPG , gegen die nur die staatsrechtliche Beschwerde gegeben wäre, liegt deshalb nicht vor, weil die kantonale Gesamtplanung mit der Festlegung des streitigen Gebietes als Auffüllgebiet in der kommunalen Nutzungsplanung noch keine Konkretisierung erfahren und mithin noch keine Verbindlichkeit für den Grundeigentümer erhalten hat. Der Entscheid in der Sache wäre somit gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weiterziehbar. Die Beschwerdeführer machen vor Bundesgericht geltend, das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich habe Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG verletzt. Gemäss dieser Bestimmung müsse das kantonale Recht in solchen Fällen die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor Bundesgericht gewährleisten. Sie rügen damit eine Verletzung von Bundesrecht; die vorliegende Beschwerde ist zulässig. BGE 112 Ib 154 S. 157 b) Die Beschwerdeführer sind Adressaten des angefochtenen Entscheides. Indem dieser ihnen die Beschwerdebefugnis abspricht, sind sie durch ihn beschwert und in ihren schutzwürdigen Interessen betroffen ( Art. 103 lit. a OG ). Die übrigen Prozessvoraussetzungen sind gegeben; auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzutreten. 2. Das Verwaltungsgericht ist gestützt auf eine Prognose zum Schluss gekommen, der durch die Deponie "Tambrig" bedingte Lastwagenverkehr mache eindeutig weniger als einen Zehntel der gesamten Bewegungen dieses Fahrzeugtyps auf der Dorfstrasse von Obfelden aus. Zudem sei die fahrzeugbedingte Lärmzunahme quantitativ auf weniger als 5% zu veranschlagen. Die Beschwerdeführer machen gegen diese Voraussage geltend, sie beruhe auf Annahmen, die aufgrund der Umstände des Falles auch anders formuliert werden könnten. Sie sind der Meinung, das Verwaltungsgericht hätte diejenigen als die massgebenden in Betracht ziehen müssen, die im schlimmsten Fall mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien. Die herrschende Ungewissheit dürfe sich nicht zulasten der Betroffenen auswirken. Die nähere Erfassung noch nicht existierender, erst zukünftiger Immissionen ist nicht eine reine Rechtsfrage, sondern wesentlich eine Frage der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes (vgl. dazu FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 273 ff.). Da im vorliegenden Fall ein Gericht als Vorinstanz entschieden hat, bindet dessen Sachverhaltsfeststellung das Bundesgericht, es sei denn, jenes habe diesen offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Dass die letztgenannte Voraussetzung zutreffe, wird nicht geltend gemacht. Es kann sich daher nur fragen, ob das Verwaltungsgericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt hat. Das ist indessen nicht der Fall. Vorerst ist festzustellen, dass es keine bundesrechtliche Regel gibt, die bei der Ungewissheit künftiger Entwicklungen die Annahme derjenigen Variante vorschriebe, die im schlimmsten Fall zu erwarten sei. Die vom Bundesrat bei der Beurteilung der Auswirkungen von Kernkraftwerken in VPB 42/1978, Nr. 96, E. 4, S. 429 ff. angestellten Überlegungen sind nicht als solche auf die Erfassung aller zukünftiger Tatbestände anwendbar. Atomanlagen bringen spezifische Risiken mit sich und enthalten ein Gefährdungspotential für Leib und Leben der in ihrer Umgebung lebenden Menschen, das als besonders BGE 112 Ib 154 S. 158 hoch einzuschätzen ist. Die zu erwartenden Immissionen aus dem Betrieb der Abfalldeponie "Tambrig" sind damit überhaupt nicht zu vergleichen. Es ist deshalb keineswegs unhaltbar, wenn das Verwaltungsgericht seinen Berechnungen nicht die schlimmstmöglichen Annahmen zugrunde gelegt hat, sondern von statistisch ermittelten Durchschnitts- und Prozentzahlen ausgegangen ist. Es versteht sich von selbst, dass dabei von gewissen, auch noch möglichen Differenzierungen abgesehen werden muss. Im übrigen behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht, dieses Vorgehen des Gerichts sei willkürlich. Hält aber die Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts vor Art. 105 Abs. 2 OG stand, so hat das Bundesgericht in den folgenden Erwägungen davon auszugehen, dass die zu erwartende Zunahme des Lastwagenverkehrs auf der Dorfstrasse von Obfelden weniger als einen Zehntel ausmacht, und dass die Lärmzunahme auf weniger als 5% zu veranschlagen ist. 3. Zu prüfen bleibt, ob das Verwaltungsgericht die Legitimation der Beschwerdeführer zu Recht verneint hat. Es hat sich dabei auf § 338a PBG gestützt. Dies ist vorliegend jedoch ohne Belang, da gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG das kantonale Recht die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten hat (ZBl 86/1985, S. 505 E. 1). Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, das zürcherische Recht ziehe die Grenzen der Beschwerdebefugnis weiter als das Bundesrecht. Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht ( BGE 110 Ib 400 E. 1b, 100 E. 1a; je mit Hinweisen). Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt deshalb dann eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn wie hier nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid anficht (vgl. dazu FRITZ GYGI, Vom Beschwerderecht in der Bundesverwaltungsrechtspflege, in recht 1986, S. 8 ff., S. 9). Ist auch BGE 112 Ib 154 S. 159 in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine spezifische Beziehungsnähe gegeben, so hat der Beschwerdeführer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder geändert wird. Dieses Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde, d.h. in der Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte (ZBl 86/1985, S. 505, E. 2 mit Hinweisen). Diese Formulierungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lassen erkennen, dass es keine begrifflich fassbare Eingrenzung der Legitimation Dritter zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde geben kann (FRITZ GYGI, a.a.O., S. 11). Es bleibt in Grenzfällen ein Beurteilungsspielraum, bei dessen Ausübung einerseits eine kaum mehr zu begrenzende Öffnung des Beschwerderechts zu vermeiden ist und andererseits die Schranken auch nicht zu eng gezogen werden dürfen, um nicht die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung in Fällen, in denen der Beschwerdeführer ein aktuelles und schützenswertes Interesse besitzt, auszuschliessen ( BGE 109 Ib 200 E. 4b). Das Bundesgericht hat bereits entschieden, die Tatsache allein, dass der Verkehr auf einer Kantonsstrasse infolge des Baus einer Autobahn und eines Halbanschlusses in 1 km Entfernung zunehmen könnte, begründe noch kein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des Ausführungsprojektes; der Nationalstrassenbau führe bekanntlich weitherum auf dem bestehenden kantonalen und kommunalen Strassennetz zu Änderungen des Verkehrsflusses ( BGE 111 Ib 290 ff.). In gleicher Weise hat es die Legitimation von Einwohnern eines Dorfes gegen einen Quartiergestaltungsplan verneint. Weder der Mehrverkehr, der durch die künftigen Bewohner des Quartierplangebietes ausgelöst wird, noch die Quartierzugehörigkeit allein vermag ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG zu begründen (ZBl 82/1981, S. 183; nicht veröffentlichte Erwägung 2b von BGE 107 Ib 112 ff.; vgl. auch BGE 111 Ib 160 E. 1b). Andererseits wird die Beschwerdebefugnis dann weit gezogen, wenn die Auswirkungen eines Werkes deutlich als solche wahrnehmbar und ohne technisch aufwendige und kostspielige Abklärungen festgestellt und von den allgemeinen Immissionen geschieden werden können (z.B. Schiessplatzlärm, BGE 110 Ib 100 E. 1c; Flugplatzlärm, BGE 104 Ib 318 E. 3b). Dabei besteht die Tendenz, materiellen Immissionen mehr Bedeutung zuzumessen als rein ideellen, d.h. diese müssen ein ungleich stärkeres Mass BGE 112 Ib 154 S. 160 annehmen als jene, damit die Legitimation bejaht werden kann (vgl. dazu ZBl 85/1984, S. 379 f.; BGE 111 Ib 160 E. 1b). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der vorliegende Fall zu entscheiden. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, sie seien von der ca. 900 m entfernten Deponie direkt betroffen. Doch stützen sie ihr Interesse an der Rekurserhebung auf ihre Betroffenheit durch den deponiebedingten zusätzlichen Lastwagenverkehr auf der Dorfstrasse, an der sie wohnen. Der Sachverhalt lässt sich somit grundsätzlich mit demjenigen in den zitierten Urteilen i.S. Nationalstrassenzubringer und Quartiergestaltungsplan vergleichen. Indessen ist zu beachten, dass der Lärm aus dem Lastwagenverkehr eine ganz bestimmte Ursache hat, nämlich den Betrieb der Abfalldeponie "Tambrig", der einen quantifizierbaren, nicht unerheblichen Schwerverkehr bedingt. Dies würde eher für eine weitherzige Anerkennung der Beschwerdelegitimation sprechen. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die beanstandeten Auswirkungen dort, wo die Beschwerdeführer wohnen, weitgehend mit den allgemeinen Strassenimmissionen vermischt sein werden. Sie wären deshalb kaum als eigenständige Belastung feststellbar. Mit zunehmender Entfernung vom Primärbetrieb nimmt diese ab, und gleichzeitig schieben sich die Auswirkungen des allgemeinen Verkehrs immer mehr in den Vordergrund. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, die Beschwerdeführer stünden in einer besonderen, beachtenswerten Beziehung zur Streitsache und hätten deshalb ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der Bau- und Betriebsbewilligung für die Deponie "Tambrig". So wie die Dinge hier liegen, handelt es sich um ein Problem von allgemeiner Tragweite, zu dessen Lösung die politischen Behörden aufgrund ihrer Funktion und Kompetenz besser geeignet sind als die gerichtlichen Instanzen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat die Legitimation der Beschwerdeführer daher ohne Verletzung von Bundesrecht verneint. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als ungerechtfertigt und ist abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 311 BGE 87 I 311 S. 311 A.- Am 15. Juni 1960 hat die Kurhaus Rosenlaui AG ihr Hotelgrundstück (Gebäude mit Umschwung, rund 102 Aren) an Ernst Kehrli verkauft. Zugleich hat sie zu Gunsten des Kaufgrundstücks zwei Dienstbarkeiten eingeräumt: 1. zu Lasten der angrenzenden Alp Rosenlaui (Grundstück Nr. 595, bestehend aus 30 Kuhrechten Weide und BGE 87 I 311 S. 312 rund 23, 13 Hektaren Wald) ein dauerndes und unkündbares "Benützungsrecht", umschrieben als "das Recht, die für den Hotelbetrieb erforderlichen Parkplätze auf dem belasteten Grundstück zu erstellen und dieselben zu unterhalten... Zum Schutze der parkierten Fahrzeuge gegen das weidende Vieh hat der Eigentümer des berechtigten Grundstücks die Parkplätze auf dem belasteten Grundstück soweit notwendig einzuzäunen."; 2. zu Lasten der erwähnten Alp (Nr. 595) und eines weitern Grundstücks Nr. 597 (72 Aren Alpweide) eine dauernde und unkündbare "Gewerbebeschränkung" des Inhaltes, dass auf den beiden belasteten Grundstücken ohne ausdrückliche Zustimmung des Hotelbesitzers kein Gastwirtschaftsbetrieb geführt werden dürfe. Dieser Begriff wird anschliessend genau gemäss Art. 1 des bernischen Gesetzes vom 8. Mai 1938 über das Gastwirtschaftsgewerbe umschrieben. Beigefügt ist folgende Klausel: Wird der Gastwirtschaftsbetrieb im Sinne von Art. 3 Ziffer 1 und 2 des Gesetzes über das Gastwirtschaftsgewerbe auf dem berechtigten Grundstück dauernd eingestellt, so fällt die Gewerbebeschränkung dahin und der Eigentümer der belasteten Grundstücke kann die Löschung der Gewerbebeschränkung verlangen. B.- Der Grundbuchführer von Oberhasli hat die Eintragung des Kauf- und Dienstbarkeitsvertrages abgelehnt, weil die räumliche Ausdehnung des "Benützungsrechtes" nicht genau umgrenzt und die der "Gewerbebeschränkung" angefügte auflösende Bedingung unzulässig sei. C.- Über die Abweisung der Anmeldung beschwerte sich die Verkäuferin beim Regierungsrat des Kantons Bern, doch hat dieser die angefochtene Verfügung mit Entscheid vom 7. Februar 1961 geschützt und die Beschwerde abgewiesen. D.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Verkäuferin an das Bundesgericht. Sie hält am Antrag fest, es sei die Eintragung des Kauf- und Dienstbarkeitsvertrages vom 15. Juni BGE 87 I 311 S. 313 1960 zu verfügen, und erhebt Anspruch auf Rückerstattung der kantonalen Verfahrenskosten. E.- Namens des Regierungsrates beantragt die Justizdirektion des Kantons Bern die Abweisung der Beschwerde. Der Antrag des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes im Vernehmlassungsverfahren nach Art. 108 OG geht auf Gutheissung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Dass das "Benützungsrecht" mangels genauer räumlicher Umgrenzung der zu Parkplätzen zur Verfügung stehenden Bodenfläche nicht als Grunddienstbarkeit eintragungsfähig sei, kann dem Regierungsrate nicht zugegeben werden. Läge es in der Absicht der Vertragsparteien, diesem Zwecke nur eine bestimmte Teilfläche des belasteten Alpgrundstücks dienstbar zu machen, so bedürfte es freilich der nähern Festlegung nach Umfang, Gestalt und Ortslage, was nach den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Entscheides am besten durch Einzeichnung auf einem dem Vertrag beizufügenden Plane geschehen könnte. Nun geht aber der Vertragswille, laut dem einfach auf die - jeweiligen - Bedürfnisse des auf dem berechtigten Grundstück geführten Hotelbetriebes abstellenden Vertragstext, dahin, die zu Parkplätzen dienende Bodenfläche nach Lage und Umfang eben nicht ein- für allemal genau zu bezeichnen. Die Vertragsparteien rechnen, wie sich auch aus den Eingaben der Beschwerdeführerin ergibt, von vornherein mit einer zukünftigen beträchtlichen Erhöhung des Bedarfs an solchen Abstellmöglichkeiten für die Hotelgäste, namentlich im Hinblick auf einen Ausbau der Zufahrtstrasse. Die Beschwerdeführerin ist willens, diese vorauszusehende Entwicklung zu berücksichtigen, und bietet deshalb Hand zur Einräumung einer nicht auf den gegenwärtigen Bedarf beschränkten, sondern auf Anpassung an zukünftigen Mehrbedarf angelegten Dienstbarkeit. BGE 87 I 311 S. 314 Somit entspricht die hinsichtlich der Parkierungsfläche unbestimmte Fassung der Dienstbarkeit dem wahren Vertragswillen, während die von den kantonalen Grundbuchbehörden verlangte genaue räumliche Umgrenzung diesem Willen zuwider liefe und nicht geeignet wäre, den wahren (gewollten) Inhalt der Dienstbarkeit für jeden Dritten erkennbar zu machen (vgl. BGE 44 II 397 ; WALDIS, Das Nachbarrecht, 4. Auflage, S. 8, N. 33). Es verstösst nicht gegen objektive Rechtsnormen, eine Dienstbarkeit auf solche Weise für wechselnde, in Zukunft steigende Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks einzuräumen. Im vorliegenden Fall ist auch nicht etwa zu befürchten, dass jemals die ganze Alp von 30 Kuhrechten Weide und 23 ha Wald zu Parkplätzen für den benachbarten Hotelbetrieb in Anspruch genommen werden könnte und so das Eigentum an der Alp nicht mehr bloss gemäss Art. 730 ZGB eingeschränkt, sondern völlig entleert würde (vgl. LIVER, N. 63/64 der Einleitung zum 21. Titel des ZGB, und N. 7 zu Art. 730). Das Alpgrundstück eignet sich übrigens sicher nur zum Teil zu solchem Gebrauch. Ferner steht nichts entgegen, die Parkierungsmöglichkeit (wozu es nicht überall besonderer baulicher Massnahmen bedarf) wie in zeitlicher, so auch in räumlicher Hinsicht als ungemessene Dienstbarkeit zu errichten. Die Last ruht auf dem Grundstück als solchem, nicht auf bestimmt umgrenzten Teilflächen, und als Massstab ihres Umfanges durfte nach dem Gesagten das jeweilige Bedürfnis des auf dem berechtigten Grundstück geführten Hotelbetriebes bezeichnet werden. Angesichts dieses Dienstbarkeitsinhaltes liegt endlich bei stärkerer Inanspruchnahme infolge steigenden Bedarfs keine durch Art. 739 ZGB verpönte Mehrbelastung vor. Das Recht wird alsdann einfach gemäss seiner vertraglichen Zweckbestimmung intensiver ausgeübt. Art. 739 verbietet derartige Dienstbarkeitsvereinbarungen nicht, sondern will dem Eigentümer des belasteten Grundstücks bloss solche Mehrbelastungen nicht zumuten, die durch den vertraglichen, BGE 87 I 311 S. 315 allenfalls auf Anpassung an eine voraussichtliche Änderung der Verhältnisse angelegten Rechtsinhalt nicht mehr gedeckt wären (vgl. LEEMANN, N. 2 zu Art. 739 ZGB ). Die Justizdirektion des Kantons Bern hält endlich eine bestimmte räumliche Umgrenzung der zum Parkieren benutzbaren Bodenfläche für notwendig, um einen "gutgläubigen Erwerber" des belasteten Alpgrundstückes vor falschen Annahmen zu bewahren, zu denen er sich durch die zum Schutz gegen das weidende Vieh angebrachte Umzäunung könnte verleiten lassen. Allein ein zukünftiger Erwerber dieses Grundstücks wird sich nicht auf die summarische Benennung der Dienstbarkeit im Hauptbuch und auf einen allfälligen Augenschein verlassen dürfen, sondern den als Beleg dienenden, den eigentlichen Inhalt des "Benützungsrechtes" angebenden Dienstbarkeitsvertrag einsehen müssen (vgl. HOMBERGER, N. 20 zu Art. 971 ZGB ). Er wird dann ebenso wie der heutige Eigentümer damit zu rechnen haben, dass die räumliche Belastung entsprechend den Bedürfnissen des Hotelbetriebes zunimmt. Nach alldem beanstandet der angefochtene Entscheid die Umschreibung des "Benützungsrechtes" ohne genügenden Grund. Keinesfalls bedarf es zur Orientierung Dritter einer inhaltlichen Änderung des Vertrages. Man könnte sich höchstens fragen, ob die Berücksichtigung des "jeweiligen" Bedarfs für den Hotelbetrieb noch deutlicher ausgedrückt werden könnte, als wie es geschehen ist. Indessen erscheint ein Irrtum hierüber angesichts des Vertragstextes als ausgeschlossen. 2. Im zweiten Punkt wendet sich die Beschwerde gegen die Ansicht des Regierungsrates, es sei unzulässig, eine auflösend bedingte Dienstbarkeit in das Grundbuch einzutragen. Indessen folgt der angefochtene Entscheid hierin der ständigen Grundbuchpraxis des Bundesrates (vgl. ZBGR 1 S. 3 ff., 2 S. 109 ff., 10 S. 149 ff.). In gleichem Sinne hat sich das Bundesgericht in BGE 52 II 40 , freilich nur beiläufig, geäussert. In der Lehre sind die Ansichten geteilt. Die einen Autoren treten der erwähnten Rechtsprechung BGE 87 I 311 S. 316 bei (vgl. HAAB, N. 8 zu Art. 655; LEEMANN, N. 21 zu Art. 731; F. JENNY, Das Legalitätsprinzip im schweizerischen Grundbuchrecht, in ZBGR 11 S. 193; SCHATZMANN, Eintragungsfähigkeit der dinglichen Rechte..., Diss. 1939, S. 86 ff., mit gewissen Einschränkungen; unentschieden OSTERTAG, einerseits N. 1 zu Art. 958 für Zulassung, N. 3 zu Art. 972 für Ablehnung derart bedingter Dienstbarkeiten). Andere Lehrmeinungen sprechen sich für Eintragungsfähigkeit auflösend bedingter Dienstbarkeiten aus (namentlich H. PFISTER, Der Inhalt der Dienstbarkeit, in ZSR NF 52 S. 369/70; HOMBERGER, N. 8 und 9 zu Art. 958 ZGB ; so auch SCHÖNBERG, Grundbuchpraxis, 1924, S. 22 ff.). Eine kritische Sichtung der Standpunkte findet sich bei LIVER (N. 66-72 zu Art. 730 ZGB ), der anerkennt, dass sich die Praxis auf den Grundsatz der Klarheit, Übersichtlichkeit und Geschlossenheit des Grundbuches stützen lässt, jedoch findet, es werde damit wohl schutzwürdigen Interessen, denen das Grundbuch letzten Endes dienen sollte, zu wenig Beachtung geschenkt. Die Frage verdient neu geprüft zu werden, zumal der Chef des eidgenössischen Grundbuchamtes, G. EGGEN, dies kürzlich als wünschenswert bezeichnet hat (ZBGR 39 S. 133-135) und sich das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zur vorliegenden Beschwerde im Sinne der Gutheissung auch in diesem Punkte vernehmen lässt. Käme einer die Dienstbarkeit auflösend bedingenden Klausel nur die Bedeutung eines persönlichen Rechtes gegenüber dem Vertragspartner zu, an das kein Dritter gebunden wäre und das daher das Grundbuch nicht berühren würde (wie SCHÖNBERG a.a.O. anzunehmen scheint; vgl. auch ZBGR 9 S. 120/21), so dürften die Grundbuchbehörden ohne Bedenken an einer solchen Klausel vorbeisehen, den Vertrag also deren ungeachtet eintragen. Nun ist aber (was HOMBERGER a.a.O. zutreffend hervorhebt) eine solche Klausel, wenn sie vorbehaltlos lautet, dahin zu verstehen, dass auch ein Dritterwerber des Grundstücks daraus berechtigt bzw. daran gebunden BGE 87 I 311 S. 317 wäre (wobei offen bleiben kann, ob die Dienstbarkeit mit dem Eintritt der Bedingung von selbst dahinfiele, oder ob dieses Ereignis nur einen Anspruch auf Löschung entstehen liesse, die erst den Untergang der Dienstbarkeit herbeiführen würde). Um dieser Wirkung gegenüber Dritten willen, die mancherlei Unsicherheit in sich birgt, erscheint es nun nach wie vor als gerechtfertigt, Bedingungen - auflösende ebenso wie aufschiebende - bei Dienstbarkeiten nicht zuzulassen, also auflösend bedingte gleich wie aufschiebend bedingte Dienstbarkeiten nicht einzutragen. Dass die Bedingung mitunter ernstlichen Interessen dienen könnte, ist zuzugeben. Immerhin besteht die Möglichkeit, durch genaue Umschreibung des Dienstbarkeitszweckes in ähnlicher Weise, wie es durch Aufstellung einer auflösenden Bedingung geschehen könnte, dafür zu sorgen, dass der belastete Grundeigentümer bei grundlegender Veränderung der Verhältnisse die Löschung der Dienstbarkeit gemäss Art. 736 Abs. 1, allenfalls Abs. 2, ZGB verlangen kann. Die Beschwerdeführerin erklärt denn auch in der Beschwerde an das Bundesgericht: "Die von uns gewählte Formulierung ist nichts anderes als ein Anwendungsfall von Art. 736 ZGB . Die Gewerbebeschränkung ist bereits durch Art. 736 resolutiv bedingt. Durch die beanstandete Vertragsbestimmung wurde an der gemäss Gesetz bereits bestehenden Rechtslage nichts geändert." Trifft dies zu, so ist die Auflösungsklausel des Vertrages ohnehin überflüssig. Im übrigen handelt es sich bei dem im Vertrage vorgesehenen Auflösungsgrund der "dauernden" Einstellung des Gastwirtschaftsbetriebes auf dem berechtigten Grundstück um einen Sachverhalt, über dessen Eintritt unter Umständen in guten Treuen gestritten werden könnte. In grundsätzlicher Hinsicht ist an der Rechtsprechung festzuhalten. Kann doch nicht zweifelhaft sein, dass vertragliche Bedingungen, von denen der Fortbestand einer Dienstbarkeit abhängig gemacht würde, im allgemeinen geeignet wären, Unsicherheit zu schaffen und die Klarheit des Grundbuches zu beeinträchtigen. BGE 87 I 311 S. 318 Ob aber im einzelnen Falle mehr oder weniger grosse Interessen an solcher Bedingtheit des Rechtes vorhanden seien und anderseits nach dem Inhalt der Bedingung nicht ernstlich mit spätern Streitigkeiten zu rechnen sei, darüber kann sich der Grundbuchführer nicht leicht ein sicheres Urteil bilden. Jedenfalls würde die Amtsführung durch eine solche Prüfungspflicht in beträchtlichem Mass erschwert. Die vom Bundesrat befolgte Grundbuchpraxis hat den Vorteil, auch diese Unzukömmlichkeit zu vermeiden. Es besteht somit kein genügender Grund, davon abzugehen, zumal die gesetzlichen Löschungs- und Verlegungsgründe ( Art. 736 und 742 ZGB ) gewichtige Interessen des belasteten Grundeigentümers in weitem Masse berücksichtigen.
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44f0775d-be1f-49b2-ad31-8c96d0713f05
Sachverhalt ab Seite 742 BGE 138 III 742 S. 742 A. Die X. AG ist Eigentümerin des Grundstücks GBB-1. Mit öffentlicher Urkunde vom 19. Januar 2012 räumten ihr die Eigentümer des Nachbargrundstückes GBB-2 ein Näherbaurecht ein. Inhalt dieser Dienstbarkeit ist das Recht zur Erstellung einer Baute auf einer Länge von 37,64 m im Abstand von 3,745 bis 3,985 m zur Grundstücksgrenze. B. Mit Anmeldung vom 23. Januar 2012 ersuchte die X. AG das Grundbuchamt (...) zu Gunsten ihres und zu Lasten des BGE 138 III 742 S. 743 Nachbargrundstücks das Näherbaurecht im Grundbuch einzutragen. Dabei reichte sie dem Grundbuchamt einen Architektenplan ein, worin die im Unterabstand zu erstellende Baute eingezeichnet ist. Mit Verfügung vom 7. Februar 2012 wies das Grundbuchamt die Anmeldung ab mit der Begründung, der eingereichte Architektenplan stelle keinen Plan für das Grundbuch im Sinn von Art. 732 Abs. 2 ZGB dar. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 10. Juli 2012 ab. C. Gegen diesen Entscheid hat die X. AG am 20. August 2012 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Anweisung des Grundbuchamtes, das fragliche Näherbaurecht einzutragen. (...) (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitgegenstand ist, ob ein Architektenplan als Plan für das Grundbuch im Sinn von Art. 732 Abs. 2 ZGB dienen kann. Das Grundbuchamt wie auch das Obergericht haben die Frage verneint und befunden, im Kanton Luzern seien entsprechend dem Informationsschreiben der Leitung Gruppe Grundbuch vom 19. Dezember 2011 nur drei Varianten als Plan für das Grundbuch zu akzeptieren, nämlich der Plan des Geometers (Format A4 oder A3), der Ausdruck aus dem GRAVIS oder der Ausdruck aus dem Geoportal. Die Beschwerdeführerin hält dies für bundesrechtswidrig bzw. der ratio legis von Art. 732 Abs. 2 ZGB widersprechend, indem der Sinn und Zweck der zeichnerischen Darstellung einzig darin bestehe, spätere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Rechtsnachfolgern zu vermeiden. Vorliegend entspreche der Architektenplan exakt dem Grundbuchplan, wie er im Internet aufgeschaltet sei, und die geplante Lagerhalle sei massstabgetreu eingezeichnet; der Architektenplan entspreche somit im Ergebnis dem Plan des Geometers. 2.1 Das Näherbaurecht wird in der Form einer Dienstbarkeit begründet. Diese belastet ein Grundstück immer als Ganzes. Die Parteien können die Ausübung einer Dienstbarkeit jedoch auf einen Teil des Grundstücks beschränken, was beim Näherbaurecht regelmässig zutrifft; diesfalls muss der betreffende Teil anhand des Vertrages bzw. eines Planes eruiert werden können (HÜRLIMANN-KAUP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, in: Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, 2012, S. 36). BGE 138 III 742 S. 744 2.2 Im Rahmen der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Sachenrechtsrevision wurde diesbezüglich Art. 732 ZGB neu gefasst und präzisiert: Beschränkt sich die Ausübung einer Dienstbarkeit auf einen Teil des Grundstücks und ist die örtliche Lage im Rechtsgrundausweis nicht genügend bestimmbar umschrieben, so ist sie gemäss Art. 732 Abs. 2 ZGB in einem Auszug des Planes für das Grundbuch zeichnerisch darzustellen. Was ein "Plan für das Grundbuch" ist, wird aufgrund der Verweise in Art. 950 ZGB , Art. 29 Abs. 2 lit. e und Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2007 über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeoIG; SR 510.62) sowie Art. 2 lit. f der Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (GBV; SR 211.432.1) in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung vom 18. November 1992 über die amtliche Vermessung (VAV; SR 211.432.2) verbindlich definiert: "Es handelt sich um einen aus den Daten der amtlichen Vermessung erstellten analogen oder digitalen graphischen Auszug, der als Bestandteil des Grundbuchs die Liegenschaften sowie die flächenmässig ausgeschiedenen selbständigen und dauernden Rechte und Bergwerke abgrenzt; ihm kommen die Rechtswirkungen von Eintragungen im Grundbuch zu." Der Plan für das Grundbuch ist mithin ein graphischer Auszug aus dem Grunddatensatz, der die Grundstücke voneinander abgrenzt und am öffentlichen Glauben des Grundbuches teilhat (vgl. ZOBL, Grundbuchrecht, 2. Aufl. 2004, Rz. 233 und 235). Gemäss der Botschaft zur Revision des Sachenrechts ist im Zusammenhang mit Art. 732 Abs. 2 ZGB kein eigentlicher, vom Geometer ausgestellter und unterzeichneter Plan, wie dies bislang praxisgemäss in verschiedenen Kantonen verlangt wurde, erforderlich; es soll vielmehr ein Auszug aus dem Plan für das Grundbuch, der beispielsweise aus dem Internet heruntergeladen wurde und auf welchem die Grundstücksgrenzen und die Lage der Gebäude sichtbar sind, genügen (vgl. Botschaft vom 27. Juni 2007 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht], BBl 2007 5310 Ziff. 2.2.1.1). In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen aktuellen Plan desNachführungsgeometers mit sichtbaren Grundstückgrenzen und Grundstücknummern handeln muss, wobei die Einzeichnungen der Dienstbarkeiten nicht zwingend vom Nachführungsgeometer vorgenommen werden müssen (PFÄFFLI, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, in: Revision des Immobiliarsachenrechts, 2011, S. 121; derselbe Dienstbarkeitsvertrag und grundbuchlicher Vollzug, in: Die Dienstbarkeiten BGE 138 III 742 S. 745 und das neue Schuldbriefrecht, 2012, S. 89; PFÄFFLI/BYLAND, Sachenrecht und Notar: Neuerungen, Der bernische Notar 2011 S. 80; ARNET, Neuerungen bei den Dienstbarkeiten, in: Revision des Sachenrechts - ein erster Überblick für Eilige, 2012, S. 10 f.; SCHMID, Das Dienstbarkeitsrecht im Lichte der Revision des Immobiliarsachenrechts, ZBGR 93/2012 S. 157). Im Unterschied zur amtlichen Vermessung, welche als Bestandteil des Grundbuches die genauen Grenzverläufe der Grundstücke festhält, finden die privaten Einzeichnungen keinen Eingang ins Vermessungswerk und sie bilden auch nicht Gegenstand des öffentlichen Glaubens (PFÄFFLI, Dienstbarkeiten: Neuerungen mit besonderer Berücksichtigung des Bereinigungsverfahrens, ZBGR 91/2010 S. 362). Während nach dem Gesagten die Parteien die Einzeichnungen selber vornehmen können, genügt ein privat erstellter Plan nach neuem Recht nicht mehr (SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 4. Aufl. 2012, Rz. 1246; HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., S. 36; anders das frühere Recht, vgl. Urteil 5A_641/2008 vom 8. Januar 2009 E. 4.1; anders auch in noch unvermessenen Gebieten, vgl. Botschaft, BBl 2007 5310 Ziff. 2.2.1.1). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass der von ihr eingereichte Plan materiell allen Anforderungen genüge oder sogar darüber hinausgehe, stösst deshalb ins Leere. Sie geht ferner deshalb an der Sache vorbei, weil die materielle Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters beschränkt ist (vgl. BGE 124 III 341 E. 2b) und ihm - ebenso dem verurkundenden Notar - auch faktisch nicht zuzumuten wäre, die Übereinstimmung der im Architektenplan eingezeichneten Grenzverläufe auf ihre tatsächliche Übereinstimmung mit dem Vermessungswerk abzugleichen. Indes hat der Grundbuchverwalter, soweit die örtliche Lage im Rechtsgrundausweis nicht genügend bestimmbar umschrieben werden kann und deshalb ein Plan nötig ist, gemäss Art. 70 Abs. 3 GBV zu prüfen, ob es sich dabei um einen Auszug des Planes für das Grundbuch handelt. Dass ein Architektenplan nicht zwingend den Daten der amtlichen Vermessung entsprechen muss, stellt im Übrigen auch die Beschwerdeführerin nicht in Abrede. Insbesondere ist, selbst wenn der Architekt die Rohdaten online direkt in sein eigenes System übernommen hat, nicht sichergestellt, dass diese in der Folge nicht verändert worden sind. Das ist nicht der Fall, wenn der Plan direkt aus den Registerdaten der amtlichen Vermessung generiert und über das Publikationsportal ausgedruckt wird. Theoretisch wäre auch hier eine anschliessende Manipulation möglich; indes würde es sich um eine bewusste Änderung BGE 138 III 742 S. 746 handeln, während es bei den ins eigene System gelesenen Daten ohne weiteres zu unbeabsichtigten Veränderungen kommen kann. 2.3 Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass ein Architektenplan nicht als Plan für das Grundbuch im Sinn von Art. 732 Abs. 2 ZGB taugt und die Beschwerde in Zivilsachen deshalb abzuweisen ist.
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Sachverhalt ab Seite 306 BGE 119 Ia 305 S. 306 Im 18. und 19. Jahrhundert entstand in Zürich unmittelbar nördlich des Kreuzplatzes zwischen dem Zeltweg und der Klosbachstrasse eine typische Bebauung für Kleinhandwerker und Taglöhner. Trotz mehrfachen Umbauten und Veränderungen der Bausubstanz sind die Siedlungsstruktur und der Charakter der Gebäude bis heute erhalten geblieben. Der Zustand der aus 16 Häusern und Hausteilen bestehenden Überbauung ist jedoch sehr schlecht. Die privaten Eigentümer der Liegenschaften möchten die alten Häuser deshalb abreissen und das Areal neu überbauen. Eine Liegenschaft ist im Eigentum der Stadt Zürich. Die privaten Eigentümer der Liegenschaften gelangten am 25. Juli 1984 an den Stadtrat von Zürich mit dem Ersuchen, förmlich festzustellen, dass die bestehende, "hoffnungslos überalterte" Überbauung zwischen Zeltweg, Kreuzplatz und Klosbachstrasse nicht schutzwürdig sei. Der Stadtrat verzichtete mit Beschluss vom 5. Juni 1985 auf die Unterschutzstellung sämtlicher Häuser im erwähnten Geviert, traf Anordnungen bezüglich der Dokumentation durch das baugeschichtliche Archiv sowie bezüglich allfälliger archäologischer Sondierungen. Zugleich nahm er Kenntnis von der Verpflichtung der Grundeigentümer, zur Erlangung eines geeigneten Neubauprojekts gemeinsam mit dem Stadtrat einen Ideenwettbewerb durchzuführen, dessen Federführung städtischerseits beim Hochbauamt liegen sollte. Am 4. Oktober 1985 stellte die Bausektion II des Stadtrats mittels Vorentscheid fest, dass ein von den Grundeigentümern zur Ermittlung der zulässigen Bruttogeschossfläche eingereichtes Projekt den derzeitigen, allerdings in Änderung befindlichen Bauvorschriften entspreche. Für das aus dem Ideenwettbewerb hervorgegangene Projekt "Stadt-Park" wurde am 12. Mai 1987 um einen Vorentscheid BGE 119 Ia 305 S. 307 über die Bewilligungsfähigkeit nachgesucht. Die Bausektion II trat am 12. Februar 1988 auf dieses Begehren nicht ein, weil die Stadt Zürich als Eigentümerin eines von der Baueingabe erfassten Grundstücks ihre Zustimmung zum Baugesuch zurückgezogen hatte. Am 3. August 1988 wies der Stadtrat ein von den privaten Grundeigentümern eingereichtes Gesuch zur Einleitung eines Quartierplanverfahrens für das fragliche Areal am Kreuzplatz provisorisch ab. Rechtsmittel gegen diese Entscheide blieben ohne Erfolg. Unterdessen hatte der Gemeinderat der Stadt Zürich am 19. November 1986 eine Einzelinitiative unterstützt, die für das Häusergeviert am Kreuzplatz einen öffentlichen Gestaltungsplan verlangte, welcher unter anderem die Unterschutzstellung des Ensembles als eines der letzten Zeugen Alt-Hottingens gewährleisten sollte. In der Folge beauftragte das städtische Büro für Denkmalpflege den Kunsthistoriker PD Dr. Hans Martin Gubler mit der Ausarbeitung eines kulturgeschichtlichen Gutachtens über die Häusergruppe am Kreuzplatz. Es wurde am 10. April 1987 erstattet. Am 5. Mai 1987 legte Architekt Jürg Lendorff ein Gutachten über den architektonischen Zustand der Häuser vor. Beim Architekturbüro Peter Fässler wurde schliesslich eine Expertise eingeholt, welche - ausgehend von der im Gutachten Gubler dargelegten Schutzwürdigkeit des Ensembles - aufzeigen sollte, inwieweit die Bauten saniert und gemäss den heutigen Bedürfnissen genutzt werden könnten und ob eine solche Sanierung den Schutzcharakter zunichte machen würde. Sodann sprach sich die städtische Denkmalpflegekommission am 6. November 1989 mehrheitlich für eine möglichst weit gehende Unterschutzstellung der Häusergruppe aus. Am 14. November 1990 erliess der Stadtrat von Zürich zum Schutz der Siedlung zwischen Zeltweg und Klosbachstrasse am Kreuzplatz eine Schutzverordnung. Die betroffenen privaten Grundeigentümer fochten diese bei der Baurekurskommission I des Kantons Zürich an. Sie hiess am 23. August 1991 ihre Rechtsmittel gut und hob die stadträtliche Schutzverordnung auf. Die dagegen erhobenen Beschwerden der Stadt Zürich und des Zürcher Heimatschutzes wies das Verwaltungsgericht am 20. August 1992 ab. Es fügte seinem Urteil eine abweichende Minderheitsmeinung an. Nach dieser sollte der Entscheid der Baurekurskommission aufgehoben und die Sache zur weiteren Untersuchung und zu neuem Entscheid an den Stadtrat zurückgewiesen werden. Die Stadt Zürich hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt die Aufhebung BGE 119 Ia 305 S. 308 des angefochtenen Entscheids, weil er ihre Gemeindeautonomie verletze. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die Schutzverordnung Kreuzplatz des Stadtrats vom 14. November 1990 laufe auf einen unzulässigen Widerruf des früheren stadträtlichen Verzichts auf eine Unterschutzstellung vom 5. Juni 1985 hinaus, und es hat aus diesem Grund die Aufhebung der neuen Schutzverordnung durch die Baurekurskommission bestätigt. Die Stadt Zürich ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung der Zulässigkeit des Widerrufs private und öffentliche Interessen willkürlich gewürdigt, die erforderliche Abwägung willkürlich vorgenommen, der Eigentumsgarantie und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes eine zu weit gehende Bedeutung beigemessen und überdies durch den Einbezug der finanziellen Situation seine Prüfungsbefugnis überschritten. Um diese Rügen im einzelnen prüfen zu können, sind zunächst die massgeblichen Verfassungsgrundsätze und Gesetzesbestimmungen zu ermitteln. a) Im Kanton Zürich sind die Voraussetzungen und Wirkungen von Heimatschutzmassnahmen in den § § 203 ff. PBG geregelt. Diese sind am 1. September 1991 teilweise revidiert worden und gelten seit dem 1. Februar 1992 in der neuen Fassung. Das angefochtene Urteil erging am 22. August 1992, also nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich auf das im Zeitpunkt des Erlasses der Schutzverordnung Kreuzplatz am 14. November 1990 bzw. des Beschlusses auf Nichtunterschutzstellung des Häusergevierts am 5. Juni 1985 massgebende kantonale Recht abgestellt. Nichts anderes gilt für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren, soweit es bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit des angefochtenen Urteils direkt oder indirekt um die Gültigkeit der beiden genannten stadträtlichen Beschlüsse geht. Konkret heisst dies, dass mit Ausnahme von § 211 Abs. 2 (hier gilt die Fassung vom 20. Mai 1984) die ursprüngliche Fassung des PBG vom 7. September 1975 zur Anwendung gelangt. b) Nach § 203 lit. c PBG - in der hier massgebenden Fassung vom 7. September 1975 - erstrecken sich die Massnahmen des Heimatschutzes BGE 119 Ia 305 S. 309 auf Orts-, Quartier-, Strassen-, und Platzbilder, Gebäudegruppen, Gebäude und Teile sowie Zugehör von solchen, die als wichtige Zeugen einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen und baukünstlerischen Epoche erhaltenswürdig sind. Die vom Stadtrat von Zürich gestützt auf diese Bestimmung erlassene Schutzverordnung Kreuzplatz bringt für die Grundeigentümer schwerwiegende Einschränkungen ihrer Befugnisse mit sich: Sie sind gehalten, ihre Gebäude mit ihren Hof- und Gartenflächen in ihrer wesentlichen Substanz zu erhalten und durch geeigneten Unterhalt wirksam vor Beeinträchtigung und Beschädigung zu schützen. An den Gebäuden, Hof- und Gartenflächen dürfen keine Änderungen vorgenommen werden, die den sozialgeschichtlichen oder kulturhistorischen Wert der geschützten Teile beeinträchtigen. Einschränkungen des Privateigentums sind nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und unter den gegebenen Umständen verhältnismässig sind ( Art. 22ter Abs. 2 BV ; vgl. BGE 116 Ia 181 E. 3c S. 185; BGE 115 Ia 350 E. 3a S. 351; BGE 109 Ia 257 E. 4 S. 258). Eigentumsbeschränkungen zum Schutz von Baudenkmälern liegen allgemein im öffentlichen Interesse ( BGE 116 Ia 41 E. 4d S. 49; BGE 115 Ia 370 E. 3a S. 373; 109 Ia 257 E. 5a S. 259). Allerdings ist je im konkreten Fall zu prüfen, wie weit das öffentliche Interesse reicht, insbesondere welche Objekte denkmalpflegerischen Schutz verdienen und in welchem Ausmass. c) § 213 PBG sieht vor, dass jeder Grundeigentümer vom Gemeinwesen einen innert Jahresfrist zu fällenden Entscheid über die Schutzwürdigkeit seines Grundstücks und den Umfang allfälliger Schutzmassnahmen verlangen kann. Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, Rechtssicherheit darüber zu schaffen, ob, und wenn ja, welche denkmalpflegerisch begründeten Hindernisse für die bauliche Nutzung eines Grundstücks bestehen (sog. Provokationsrecht). Im Gegensatz zum hier anwendbaren früheren Recht regelt die neue, auf den 1. Februar 1992 in Kraft getretene Fassung von § 213 Abs. 3 PBG auch die Folgen eines ausbleibenden Provokationsentscheids. Danach darf eine Schutzmassnahme nur noch bei wesentlich veränderten Verhältnissen angeordnet werden, wenn innerhalb der mit dem Provokationsgesuch ausgelösten und allenfalls einmalig verlängerten Frist kein Entscheid über die Schutzanordnung erfolgte. Mit dem Erlass der neuen Schutzverordnung Kreuzplatz am 14. November 1990 wurde der 1985 verfügte Verzicht auf eine Unterschutzstellung zurückgenommen. Weder im alten noch im neuen Recht wird die Frage geregelt, wie lange ein im Provokationsverfahren BGE 119 Ia 305 S. 310 ausgesprochener Verzicht auf die Anordnung von Schutzmassnahmen das zuständige Gemeinwesen zu binden vermag. Da eine ausdrückliche gesetzliche Ordnung fehlt, hat das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Rücknahme eines Provokationsentscheids nach den allgemeinen Grundsätzen über den Widerruf von Verfügungen beurteilt. Von dieser zutreffenden Beurteilungsgrundlage geht auch die Stadt Zürich aus. Danach können Verwaltungsakte, die dem Gesetz nicht oder nicht mehr entsprechen, grundsätzlich widerrufen werden. Der Widerruf ist allerdings in diesen Fällen nur unter den von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen zulässig. Danach sind das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts und dasjenige an der Wahrung der Rechtssicherheit gegeneinander abzuwägen. Dem Postulat der Rechtssicherheit kommt in der Regel dann der Vorrang zu, wenn durch die frühere Verfügung ein subjektives Recht begründet worden ist oder wenn die Verfügung in einem Verfahren ergangen ist, in welchem die sich gegenüberstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinander abzuwägen waren, oder wenn der Private von einer ihm durch die fragliche Verfügung eingeräumten Befugnis bereits Gebrauch gemacht hat. Diese Regel gilt allerdings nicht absolut; ein Widerruf kann auch in einem der drei genannten Fälle in Frage kommen, wenn er durch ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse geboten ist (vgl. BGE 115 Ib 152 E. 3a S. 155; BGE 109 Ib 246 E. 4b S. 252; BGE 107 Ib 35 E. 4a S. 36 f.; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, 1984, S. 431 ff.). d) Die von der Stadt Zürich vorgebrachten Rügen beziehen sich auf das Gewicht der privaten und öffentlichen Interessen im Rahmen der unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie und des Widerrufs vorzunehmenden Abwägungen sowie auf die Durchführung der Abwägung selbst. Dementsprechend ist nachstehend zuerst die Bedeutung des öffentlichen Interesses an der Unterschutzstellung (E. 5a), hierauf der entgegenstehenden Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und des Eigentumsschutzes (E. 5b) und schliesslich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung zu prüfen (E. 5c). Dabei ist an die bereits erwähnten Beschränkungen der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis zu erinnern. 5. a) Die Stadt Zürich wirft dem Verwaltungsgericht vor, es sei in willkürlicher Weise davon ausgegangen, der Beschluss über den Verzicht auf die Unterschutzstellung vom 5. Juni 1985 sei nicht fehlerhaft BGE 119 Ia 305 S. 311 gewesen. Das Gutachten des Kunsthistorikers Hans Martin Gubler habe den bedeutenden Zeugenwert des fraglichen Häuserensembles nachgewiesen und die Beurteilung im Jahre 1985 als klar unzutreffend herausgestellt. Im angefochtenen Entscheid werde das grosse öffentliche Interesse an der Erhaltung der Häusergruppe in unhaltbarer Weise unterbewertet. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Stadtrat seinerzeit gestützt auf eine durchaus sachgerechte Überprüfung des denkmalpflegerischen Sachverhalts und der massgebenden Interessen zum Schluss gelangte, auf eine Unterschutzstellung des Häusergevierts am Kreuzplatz könne verzichtet werden. Was die beschwerdeführende Stadt Zürich in vorwiegend appellatorischer und daher unzulässiger Weise dagegen einwendet, lässt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht als mit den Tatsachen in Widerspruch stehend und unhaltbar erscheinen. Die erhobenen Einwände vermögen insbesondere nicht aufzuzeigen, dass die Sachverhaltsabklärungen vor dem Entscheid über den Verzicht auf die Unterschutzstellung im Jahre 1985 (Besichtigung der Gebäude durch die städtische Kommission für Denkmalpflege am 11. Oktober 1984; Stellungnahme des städtischen Büros für Denkmalpflege zu einem Bericht der Karl Steiner AG über den baulichen Zustand der betroffenen Liegenschaften; Weisung vom 22. Mai 1985 des Vorstands des Bauamtes II an den Stadtrat, welche sich einlässlich mit den Fragen der Schutzwürdigkeit und der Verhältnismässigkeit von denkmalpflegerischen Massnahmen im vorliegenden Fall befasste) ein völlig unzutreffendes Bild ergeben hätten. Wenn das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang erwogen hat, der Stadtrat habe im Jahre 1985 bei seinem Ermessensentscheid über den Verzicht auf eine Unterschutzstellung des Häusergevierts mit guten Gründen Überlegungen zur Verhältnismässigkeit allfälliger Schutzmassnahmen angestellt und dabei eingedenk möglicher Enteignungsfolgen einer Unterschutzstellung auch auf das Gebot des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln Bedacht genommen, so liegen hierin sachlich vertretbare Überlegungen. Anders als die Beschwerdeführerin in wiederum vorwiegend appellatorischer Kritik meint, kann jedenfalls nicht gesagt werden, das Verwaltungsgericht habe insoweit seine Überprüfungsbefugnis überschritten und in die Finanzautonomie der Gemeinde eingegriffen. Überdies ist der Stadt Zürich in diesem Zusammenhang in Erinnerung zu rufen, was der Stadtrat auf Antrag der Vorsteherin des Bauamtes II am 29. Oktober 1986 im Rahmen einer Interpellationsantwort BGE 119 Ia 305 S. 312 zur Begründung des Verzichts auf die Unterschutzstellung wörtlich ausgeführt hat: "Die städtebauliche Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass sich zwischen Zeltweg und Klosbachstrasse eine Gruppe der früheren dörflichen Siedlung erhalten hat. Diese ländlich anmutenden Häuser wirken zwar vertraut, sie stehen aber heute zunehmend isoliert im sich verdichtenden Stadtgefüge. Bergwärts schliesst zwar das Artergut mit seinem grossen Grünumschwung an, aber auch hier fehlt ein baulicher Zusammenhang. Aus der Sicht der Denkmalpflege bildet die Häusergruppe einen zufällig herausgeschnittenen Überrest einer früheren Besiedlungsstruktur, die für sich allein schwer einzuordnen ist und bloss aufgrund geschichtlicher Kenntnisse verständlich ist. Das Ensemble wurde auch nie als schützenswertes Ortsbild im engeren Sinn bezeichnet, weder in städtischen noch in kantonalen Richtplänen. Die Bausubstanz ist in sehr schlechtem Zustand. Da auch mit dem Einsatz beträchtlicher Mittel die Ausbauten in ihrer ländlichen Charakteristik nicht mehr unberührt weitergetragen werden können, würde der Aufwand für eine Instandstellung im Verhältnis zum Nutzen unverhältnismässig. Die Kommission für Denkmalpflege der Stadt Zürich hat die Gebäude im Oktober 1984 besichtigt und auf einen Antrag auf Unterschutzstellung der Häusergruppe verzichtet." Es ist zwar richtig, dass das Gutachten Gubler, welches nach Auffassung der Beschwerdeführerin mit seiner sozial-, wirtschafts- und siedlungsgeschichtlichen Sicht "den Weg vom bloss vertrauten Bild zum Denkmal gewiesen" haben soll, erst am 10. April 1987 vorlag. Indessen vermag nach dem Gesagten diese im Verhältnis zum Provokationsverfahren nachträgliche Expertenmeinung für sich allein weder den Verzicht auf die Unterschutzstellung aus dem Jahre 1985 als qualifiziert fehlerhaft hinzustellen noch gar den negativen Provokationsentscheid ungeschehen zu machen. Solches anzunehmen wäre um so weniger haltbar, als diese nachträglich eingenommene andere Sichtweise lediglich ein einziges von mehreren für die Unterschutzstellung massgebenden Kriterien anders gewichtet. Dass im Vorfeld des negativen Provokationsentscheides und unter Beizug der städtischen Kommission für Denkmalschutz die sozial- und siedlungshistorischen Aspekte nicht einfach ausgeblendet worden sind, ergibt sich neben den im angefochtenen Entscheid erwähnten Untersuchungshandlungen auch aus der vorstehend zitierten stadträtlichen Interpellationsantwort sowie aus dem Umstand, dass in den Ziffern 2 und 3 des Beschlusses vom 5. Juni 1985 Anordnungen zur Dokumentation baugeschichtlich und archäologisch bedeutsamer Sachverhalte getroffen worden sind. Weiter ist schliesslich zu beachten, dass seit dem Verzicht auf die Unterschutzstellung im Jahre 1985 am BGE 119 Ia 305 S. 313 oder um das interessierende Ensemble herum keine neuen für den Denkmalschutz erheblichen Sachverhalte zutage getreten sind. Das Verwaltungsgericht konnte somit ohne Willkür annehmen, das öffentliche Interesse an einer Unterschutzstellung sei auch aus heutiger Sicht nicht erheblich höher zu bewerten als im Jahre 1985, als der Stadtrat auf die Anordnung von Schutzmassnahmen verzichtete. b) Die beschwerdeführende Stadt Zürich kritisiert weiter, der angefochtene Entscheid räume den privaten Interessen der Grundeigentümer, die rein finanzieller Natur seien, ein viel zu grosses Gewicht ein. Auch das "abstrakte Interesse" an der Wahrung der Rechtssicherheit sei im vorliegenden Fall nicht allzu hoch zu veranschlagen, da die privaten Beschwerdegegner bereits im Vorentscheid der Bausektion II vom 4. Oktober 1985 auf das Fehlen einer planungsrechtlichen Festlegung für das fragliche Areal hingewiesen worden seien und demzufolge nicht hätten darauf vertrauen dürfen, dass eine neue Zonenfestlegung die ins Auge gefasste Gesamtüberbauung noch ermöglichen würde. Sogar wenn man den Provokationsentscheid vom 5. Juni 1985 als ursprünglich fehlerhaft bezeichnet, wie dies der Sichtweise der Stadt Zürich entspricht, bleibt festzuhalten, dass er in einem gesetzlich vorgesehenen, qualifizierten Verfahren ergangen ist, weshalb nach der dargestellten Rechtsprechung der Rechtssicherheit grundsätzlich der Vorrang vor der Verwirklichung des objektiven Rechts zukommt. Dies gilt um so mehr, als die privaten Eigentümer gestützt auf den Provokationsentscheid Dispositionen getroffen haben. Zu erwähnen sind namentlich die Ausarbeitung eines Vorprojekts für den baurechtlichen Vorentscheid vom 4. Oktober 1985, die Durchführung des Ideenwettbewerbs (hälftige Kostenbeteiligung) für eine Gesamtüberbauung, das Bereitstellen der Gesuchsunterlagen zum Vorentscheid über die Bewilligungsfähigkeit des aus dem Wettbewerb hervorgegangenen Neubauprojekts, das Einreichen eines Gesuchs für ein Quartierplanverfahren und das Ergreifen von Rechtsmitteln gegen die negativen Entscheide in den zuletzt genannten Gesuchssachen. Zwar soll nicht verkannt werden, dass der Verzicht auf die Unterschutzstellung vom 5. Juni 1985 keine unbeschränkt tragfähige Vertrauensbasis abgab. So konnten die Grundeigentümer beispielsweise eine Änderung der Zonenordnung nicht zum vornherein ausschliessen. Dennoch durften, ja mussten die betroffenen Grundeigentümer im Nachgang zum stadträtlichen Entscheid vom 5. Juni 1985 in der BGE 119 Ia 305 S. 314 beschriebenen Weise tätig werden. Ein anderes Verhalten hätte dem Sinn und Zweck des Provokationsentscheides widersprochen und wäre praktischer Vernunft zuwidergelaufen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann jedenfalls nicht gesagt werden, das Verwaltungsgericht habe zulasten der Gemeindeautonomie anerkannte Regeln des Vertrauensschutzes missachtet, indem es diese Dispositionen der Grundeigentümer als ein dem Widerruf des Provokationsentscheids grundsätzlich entgegenstehendes Element berücksichtigte. c) Die Stadt Zürich macht ebenfalls geltend, bei der Abwägung aller auf dem Spiele stehenden Interessen habe das Verwaltungsgericht der Eigentumsgarantie und dem Vertrauensschutz eine zu weit gehende Bedeutung beigemessen. Vor allem sei dem besonders gewichtigen öffentlichen Interesse an der Unterschutzstellung zu Unrecht nicht der Vorrang eingeräumt worden. Das Verwaltungsgericht hat in dem vornehmlich durch das Gutachten Gubler aufgezeigten sozial-, wirtschafts- und siedlungsgeschichtlich begründeten Denkmalschutzanliegen kein besonders gewichtiges öffentliches Interesse gesehen, das den Widerruf des Unterschutzstellungsverzichts gebieten würde. Es durfte so verfahren, ohne in Willkür zu verfallen. Das auch vom Verwaltungsgericht unbestrittene Denkmalschutzanliegen erleidet im vorliegenden Fall keine unhaltbare Zurücksetzung, wenn ihm nicht widerrufsbegründende Kraft beigemessen wird. Eine andere Beurteilung drängt sich auch nicht durch den Umstand auf, dass das fragliche Häusergeviert im Rahmen der neuen, noch nicht rechtskräftigen Bau- und Nutzungszonenordnung der Kernzone zugewiesen wurde. Da diese Kernzone - sollte sie rechtskräftig werden - in ihren Wirkungen hinter der Schutzverordnung vom 14. November 1990 zurückliegt und für sich allein namentlich keine Substanzerhaltung (sc. Abbruchverbot) zu bewirken vermag (vgl. § 50 PBG in der Fassung vom 1. September 1991), hat ihr das Verwaltungsgericht mit sachlich haltbarem Grund keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Ebensowenig gab das Verwaltungsgericht dem Vertrauensschutz und der Eigentumsgarantie eine zu grosse Tragweite, als es in Rechnung stellte, dass die Sanierung der Liegenschaften gemäss dem Gutachten von Architekt Fässler ca. Fr. 1'000.--/m3 kosten würde; ferner dass dabei im Gegensatz zu einem Neubau erst noch lediglich in beschränktem Mass eine Verbesserung der wohnhygienischen Verhältnisse oder andere wünschbare Anpassungen an heutige BGE 119 Ia 305 S. 315 Bedürfnisse möglich wären. Die Stadt Zürich legt nicht dar, dass diese Annahmen unzutreffend wären. d) Zusammenfassend ergibt sich, dass dem Verwaltungsgericht keine Verletzung der Gemeindeautonomie vorzuwerfen ist, und zwar weder mit Blick auf Auslegung und Anwendung der hier in Frage stehenden Denkmalschutzvorschriften des PBG noch in bezug auf die von der Beschwerdeführerin angerufenen Verfassungsgrundsätze. Es ist somit aus verfassungsrechtlicher Sicht haltbar, dass das Verwaltungsgericht den faktischen Widerruf des stadträtlichen Beschlusses vom 5. Juni 1985 durch die Schutzverordnung Kreuzplatz vom 14. November 1990 als unzulässig betrachtete. Soweit die Autonomiebeschwerde der Stadt Zürich im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügend begründet worden ist und darauf eingetreten werden kann, muss sie demnach abgewiesen werden.
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436b7cd9-d6f4-4023-8500-e5d73e5a97f1
Sachverhalt ab Seite 311 BGE 139 IV 310 S. 311 A. X. veranlasste als Einzelzeichnungsberechtigter der Y. Vorsorgestiftung und als Verwaltungsratspräsident der Z. AG, dass Erstere der sich in geschäftlichen Schwierigkeiten befindlichen Letzteren ein de facto ungesichertes Darlehen von 1 Mio. Franken zukommen liess. Die Z. AG fiel am 2. September 2003 in Konkurs. Die Y. Vorsorgestiftung konnte die Darlehensforderung nicht mehr eintreiben, wurde zahlungsunfähig und am 23. September 2004 vom Amt für Sozialversicherung und der Stiftungsaufsicht des Kantons Bern in Liquidation gesetzt. Am 23. Februar 2005 gewährte die Stiftung Sicherheitsfonds BVG der Y. Vorsorgestiftung in Liquidation einen Vorschuss von Fr. 700'000.- für die Sicherstellung von Versichertenleistungen gemäss Art. 26 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG (SFV; SR 831.432.1). Ein Teil des Vorschusses wurde zurückbezahlt. Insgesamt hat die Stiftung Sicherheitsfonds BVG Insolvenzleistungen von Fr. 615'590.45 ausgerichtet. Am 15. Dezember 2011 konstituierte sich die Stiftung Sicherheitsfonds BVG im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, gegen X. wegen qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Y. Vorsorgestiftung in Liquidation als Privatklägerin im Zivilpunkt. Sie beantragte, X. gestützt auf Art. 52 i.V.m. Art. 56a Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) zu verpflichten, ihr Fr. 615'590.45 nebst Zinsen zu bezahlen. Anlässlich der Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen X. vom 8. Januar 2013 wies das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern die Stiftung Sicherheitsfonds BVG als Privatklägerin vorfrageweise aus dem Verfahren. Tags darauf verurteilte es X. wegen qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung zu einer Geldstrafe. Die Stiftung Sicherheitsfonds BVG beschwerte sich gegen ihren Ausschluss aus dem Verfahren beim Obergericht des Kantons Bern und BGE 139 IV 310 S. 312 beantragte in der Sache, diesen Beschluss des Wirtschaftsstrafgerichts aufzuheben, sie als Privatklägerin zum Verfahren zuzulassen und die Sache zur Beurteilung der Zivilklage ans Wirtschaftsstrafgericht zurückzuweisen. Am 19. März 2013 wies das Obergericht die Beschwerde ab. B. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Stiftung Sicherheitsfonds BVG, diesen Beschluss des Obergerichts aufzuheben, sie als Privatklägerin zum Strafverfahren zuzulassen und die Sache zur Beurteilung der Zivilklage ans Wirtschaftsstrafgericht zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist das Wirtschaftsgericht an, die Zivilklage der Beschwerdeführerin adhäsionsweise zu beurteilen. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der angefochtene Entscheid bestätigt den Ausschluss der Beschwerdeführerin als Privatklägerin vom Strafverfahren. Er schliesst damit das Verfahren für sie ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist ( Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG ). Die Beschwerdeführerin ist somit zur Beschwerde befugt, wenn sie sich als Privatklägerin am kantonalen Verfahren beteiligt oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung allfälliger Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG). 1.1 Der Beschwerdegegner hat der Y. Vorsorgestiftung nach der Überzeugung des Wirtschaftsstrafgerichts in strafbarer bzw. vertragswidriger Weise 1 Mio. Franken entzogen, womit eine Letzterer zustehende, zivilrechtliche Schadenersatzforderung entstanden ist ( Art. 52 Abs. 1 BVG ; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, BVG/FZG, Kommentar, 3. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 52 BVG ). Die Beschwerdeführerin hat gestützt auf Art. 56 Abs. 1 lit. b BVG die offengebliebenen Leistungen der Y. Vorsorgestiftung in Liquidation übernommen und ist nach Art. 56a Abs. 1 BVG in diesem Umfang in deren Ansprüche eingetreten. Sowohl die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin als auch die gesetzliche Subrogation haben somit ihre Grundlage im öffentlichen Recht; das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der Forderung der Y. Vorsorgestiftung in Liquidation BGE 139 IV 310 S. 313 gegen den Beschwerdegegner, in die sie im Umfang ihrer Insolvenzleistungen eingetreten ist, um eine zivilrechtliche Forderung handelt. Der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beschwerdegegner kann sich somit im Sinn von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG auf die Beurteilung der Zivilansprüche der Beschwerdeführerin auswirken. 1.2 Als Rechtsnachfolgerin der unmittelbar geschädigten Y. Vorsorgestiftung ist die Beschwerdeführerin zwar nur mittelbar geschädigt, was zur Begründung der Befugnis zur Geltendmachung von Zivilforderungen im Strafverfahren grundsätzlich nicht ausreicht ( Art. 115 Abs. 1 StPO ; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 26 zu Art. 115 StPO ; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 121 StPO ). Als gesetzliche Rechtsnachfolgerin ist die Beschwerdeführerin dagegen kraft der besonderen Bestimmung von Art. 121 Abs. 2 StPO zur Teilnahme am Strafverfahren befugt, wobei ihr nur jene Verfahrensrechte zustehen, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen. Die Beschwerdeführerin hätte somit im Strafverfahren als Zivilklägerin zugelassen werden müssen. Sie ist damit befugt, sich gegen ihren Ausschluss vom Strafverfahren vor Bundesgericht zur Wehr zu setzen ( Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG ). 1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, womit auf die Beschwerde einzutreten ist. 2. Mit der Beantwortung dieser Eintretensfrage ist zugleich auch der dem Bundesgericht unterbreitete Rechtsstreit materiell entschieden: Das Obergericht hat Bundesrecht verletzt, indem es den vom Wirtschaftsstrafgericht vorgenommenen Ausschluss der Beschwerdeführerin als Zivilklägerin vom Strafverfahren schützte. Insbesondere kann der vorinstanzlichen Argumentation nicht gefolgt werden, wonach adhäsionsfähig lediglich Zivilansprüche seien, die auf dem Zivilweg vor einem Zivilgericht eingeklagt werden können. Nach Art. 73 Abs. 1 lit. c BVG entscheidet das Gericht, das für die Beurteilung von Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten zuständig ist, auch über Verantwortlichkeitsansprüche nach Art. 52 BVG . Im Kanton Bern kommt diese Befugnis dem Verwaltungsgericht zu (Art. 87 lit. c VRPG [BSG 155.21]). Mit dieser Regelung soll die prozessuale Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen vereinfacht BGE 139 IV 310 S. 314 werden (vgl. den Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats vom 24. August 1995 zur Parlamentarischen Initiative "Verbesserung der Insolvenzdeckung in der beruflichen Vorsorge", BBl 1996 576 zu Art. 73 Abs. 1). Diese Zielsetzung steht der Zulassung von Adhäsionsklagen gemäss Art. 122 ff. StPO für Verantwortlichkeitsansprüche nach Art. 52 BVG nicht entgegen. Letztere ermöglichen es, Zivilansprüche gewissermassen "im Schlepptau des Strafverfahrens" geltend zu machen, ohne dafür einen gesonderten und damit in der Regel wesentlich aufwendigeren Zivilprozess führen zu müssen (vgl. LIEBER, a.a.O., N. 1 zu Art. 122 StPO ). Adhäsionsklagen dienen damit ebenfalls der vereinfachten Geltendmachung der Ansprüche nach Art. 52 BVG . Wo allerdings eine vollständige Beurteilung durch den Strafrichter unverhältnismässig aufwendig ist, kann dieser über die Ansprüche nur im Grundsatz entscheiden und im Übrigen die Sache an die normalerweise zuständige Instanz, hier also an das Verwaltungsgericht, verweisen ( Art. 126 Abs. 3 StPO ).
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Sachverhalt ab Seite 164 BGE 140 IV 162 S. 164 A. Gestützt auf eine Strafanzeige vom 1. April 2011 der E. AG führt die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern eine Strafuntersuchung gegen B., C. und D. wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung bzw. Teilnahme daran. Gemäss Fusionsvertrag vom 25. März 2013 wurde die E. AG durch Fusion mit Aktiven und Passiven von der A. AG übernommen und infolgedessen im Handelsregister gelöscht. Am 18. April bzw. 17. Mai 2013 beantragte die A. AG ihre Zulassung als Privatklägerin im Strafverfahren. Mit Verfügung vom 3. Juli 2013 verneinte die Staatsanwaltschaft eine Parteistellung der A. AG als Privatklägerin. Eine von dieser dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Beschluss vom 3. Januar 2014 ab. B. Gegen den Beschluss des Obergerichtes gelangte die A. AG mit Beschwerde vom 10. Februar 2014 an das Bundesgericht. Sie beantragt (im Hauptstandpunkt) die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und ihre Zulassung als Privatklägerin im Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaft, B. und C. beantragen mit Vernehmlassungen vom 3. bzw. 18. März 2014 je die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet, während von D. innert angesetzter Frist keine Vernehmlassung eingegangen ist. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Parteien des Strafverfahrens sind (von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen) die beschuldigte Person, die Privatklägerschaft und (im Haupt- und Rechtsmittelverfahren) die Staatsanwaltschaft ( Art. 104 Abs. 1 StPO ). Als geschädigte Person gilt die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist ( Art. 115 Abs. 1 StPO ). Unter dem 3. Titel der StPO ("Parteien und andere Verfahrensbeteiligte") regelt der 3. Abschnitt ( Art. 118- 121 StPO ) des 3. Kapitels die Rechtsstellung der Privatklägerschaft . Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder BGE 140 IV 162 S. 165 -kläger zu beteiligen ( Art. 118 Abs. 1 StPO ). Neben den geschädigten (unmittelbar verletzten) Personen ( Art. 115 Abs. 1 StPO ) können auch Angehörige von Opfern ( Art. 116 Abs. 2 StPO ) originäre Parteirechte (betreffend Zivilansprüche) ausüben ( Art. 117 Abs. 3 StPO ). Art. 121 Absätze 1-2 StPO bestimmen zur Rechtsnachfolge der Privatklägerschaft Folgendes: Abs. 1 Stirbt die geschädigte Person, ohne auf ihre Verfahrensrechte als Privatklägerschaft verzichtet zu haben, so gehen ihre Rechte auf die Angehörigen im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 StGB in der Reihenfolge der Erbberechtigung über. Abs. 2 Wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten ist, ist nur zur Zivilklage berechtigt und hat nur jene Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen. Die Zivilklage der Privatklägerschaft ist im 4. Abschnitt ( Art. 122-126 StPO ) geregelt. 4.2 Art. 22 Abs. 1 (Sätze 1-2) des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (FusG; SR 221.301) bestimmt Folgendes: Die Fusion wird mit der Eintragung ins Handelsregister rechtswirksam. In diesem Zeitpunkt gehen alle Aktiven und Passiven der übertragenden Gesellschaft von Gesetzes wegen auf die übernehmende Gesellschaft über. 4.3 Art. 83 ZPO regelt den Parteiwechsel im Zivilprozess wie folgt: Abs. 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten. (...) Abs. 4 Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten. 4.4 Nach herrschender Lehre und Praxis ist zwischen der privatrechtlichen materiellen Rechtsnachfolge und der zivil- oder strafprozessualen Parteistellung inhaltlich zu unterscheiden (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_27/2014 vom 10. April 2014 E. 1.2; JEANDIN/MATZ, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 2 zu Art. 121 StPO ; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber[Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 121 StPO ; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, BGE 140 IV 162 S. 166 in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 2 zu Art. 121 StPO ). Zwar können auch (unmittelbar geschädigte) juristische Personen Privatkläger (im Sinne von Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 115 Abs. 1 StPO ) sein. Deren Rechtsnachfolger treten jedoch nicht automatisch (ebenso wenig wie diejenigen von natürlichen Personen) in die strafprozessualen Verfahrensrechte ihrer Rechtsvorgänger ein. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Privatklägerschaft per Rechtsnachfolge sind vielmehr in Art. 121 StPO geregelt. Rechtsnachfolger einer geschädigten natürlichen oder juristischen Person sind als mittelbar Geschädigte einzustufen, die sich grundsätzlich (vorbehältlich der Ausnahmefälle von Art. 121 Abs. 1-2 StPO ) nicht als Privatkläger im Strafverfahren konstituieren können ( BGE 139 IV 310 E. 1.2 S. 313; Urteil 1B_298/2012 vom 27. August 2012 E. 2.3.2). Insbesondere führt die privatrechtliche Universalsukzession aufgrund von Art. 22 Abs. 1 FusG nicht (per se) zur Parteistellung der übernehmenden Gesellschaft im Strafprozess (Urteil des Bundesgerichtes 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.2). 4.5 Im Gegensatz zu ihrer Rechtsvorgängerin (übertragende Gesellschaft) wurde die Beschwerdeführerin durch die inkriminierten Vermögensdelikte nicht unmittelbar geschädigt. Im Zeitpunkt der Tathandlungen (bis zur Strafanzeige im April 2011) war sie gar noch nicht Trägerin der verletzten Rechtsgüter bzw. der betroffenen Vermögensrechte. Ihr Vermögensinteresse leitet sich erst mittelbar daraus ab, dass sie nachträglich (infolge Fusion und privatrechtlicher Universalsukzession im März 2013) Vermögensansprüche der übertragenden Gesellschaft erworben hat. Eine originäre Parteistellung (im Sinne von Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. b und Art. 115 Abs. 1 StPO ) scheidet daher aus (vgl. BGE 139 IV 310 E. 1.2 S. 313; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 14 zu Art. 121 StPO ). Die Beschwerdeführerin ist auch keine Opferangehörige (im Sinne von Art. 116 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 Abs. 3 StPO ). Zu prüfen bleibt, ob und inwieweit die strafprozessualen Parteirechte der übertragenden Gesellschaft per Rechtsnachfolge ( Art. 121 StPO ) auf die Beschwerdeführerin übergegangen sind. Diese juristische Frage gilt in der Lehre und Rechtsprechung bisher als "weitgehend ungelöst" (MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 14 zu Art. 121 StPO ). 4.6 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet zunächst der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu BGE 140 IV 162 S. 167 berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt ihr eine besondere Bedeutung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ( BGE 138 IV 232 E. 3 S. 234 f.; BGE 136 I 297 E. 4.1 S. 299 f.; je mit Hinweisen). 4.7 Zunächst ist zu prüfen, ob sich aus dem Gesetzeswortlaut von Art. 121 StPO und der inneren Systematik des Gesetzes eine Privatklägerschaft der Beschwerdeführerin ableiten lässt: 4.7.1 Art. 121 Abs. 1 StPO ist nach seinem Wortlaut offensichtlich nur auf natürliche Personen anwendbar. Eine juristische Person "stirbt" nicht. Ebenso wenig hat sie erbberechtigte Angehörige im Sinne von Art. 110 Abs. 1 StGB , nämlich Ehegatten, eingetragene Partner oder Verwandte im Sinne dieser Bestimmung (Urteil des Bundesgerichtes 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.2). Der Wortlaut von Art. 121 Abs. 2 StPO beschränkt sich zwar nicht auf Fälle der Rechtsnachfolge unter natürlichen Personen. Er räumt eine Privatklägerstellung, welche sich zudem auf die unmittelbare Durchsetzung der Zivilklage (nach Art. 122-126 StPO ) beschränkt, jedoch nur jenen (juristischen oder natürlichen) Personen ein, die von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten sind. Dies trifft im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht zu. Die Vermögensansprüche der übertragenden Gesellschaft sind zunächst rechtsgeschäftlich (nämlich per Fusionsvertrag vom 25. März 2013) auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Im Gegensatz zu anderen Konstellationen (vgl. dazu unten, E. 4.9.4) sind die Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche der geschädigten Person hier nicht aufgrund einer gesetzlichen Regressnorm (automatisch) auf die Rechtsnachfolgerin übergegangen (direkte gesetzliche Subrogation bzw. Legalzession, vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.2). BGE 140 IV 162 S. 168 4.7.2 Neben dem Gesetzeswortlaut spricht auch die innere Systematik des 3. Kapitels ("Geschädigte Person, Opfer und Privatklägerschaft") unter dem 3. Titel StPO ("Parteien und andere Verfahrensbeteiligte") für eine abschliessende und restriktive Regelung der Privatklägerschaft im dargelegten Sinne: Die geschädigte Person wird im 1. Abschnitt ("Geschädigte Person") als (natürliche oder juristische) Person definiert, die in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist ( Art. 115 Abs. 1 StPO ). Die (originäre) Privatklägerschaft wird im 3. Abschnitt ("Privatklägerschaft") auf geschädigte Personen im Sinne dieser gesetzlichen Definition eingegrenzt ( Art. 118 Abs. 1 StPO , "Begriff und Voraussetzungen"). Die Privatklägerschaft per Rechtsnachfolge wird (im gleichen 3. Abschnitt) in Art. 121 Abs. 1-2 StPO ("Rechtsnachfolge") systematisch abschliessend geregelt. 4.8 Auch aus den Materialien zur StPO ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber von der Regel hätte abweichen wollen, wonach Rechtsnachfolger als mittelbar Geschädigte grundsätzlich (und vorbehältlich der Fälle von Art. 121 Abs. 1-2 StPO ) keine Parteistellung im Strafprozess haben: 4.8.1 Die betreffende Praxis, insbesondere zur Rechtsnachfolge im Rahmen der gesetzlichen Subrogation ( Art. 121 Abs. 2 StPO ), galt grundsätzlich schon nach altem (kantonalem) Strafverfahrensrecht (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1P.759/2006 vom 27. März 2007 E. 2.3; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 38 Rz. 3; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2001, § 31 Rz. 505). Es finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte, dass die für die Parteistellung im Zivilprozess geltenden Regeln ( Art. 83 Abs. 1 und 4 ZPO , s. oben, E. 4.3) neu auch im Strafverfahren Anwendung finden sollten. Im Gegenteil wird in der Botschaft zur StPO ausdrücklich ausgeführt, dass die privaten Verfahrensbeteiligten eines Strafprozesses "nicht mit den Parteien in einem Zivilprozess vergleichbar" sind, zumal ihnen die Parteiherrschaft fehlt (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085, 1162 Ziff. 2.3.1.1). Auch für Vermögensdelikte hatte der Gesetzgeber keine abweichende Regelung im Sinn (vgl. Botschaft StPO, BBl 2006 1169 f. Ziff. 2.3.3.1). 4.8.2 Zwar weist der Bundesrat an anderer Stelle darauf hin, dass für beschuldigte juristische Personen (bzw. Unternehmen) die allgemeinen Bestimmungen zu den beschuldigten natürlichen Personen BGE 140 IV 162 S. 169 sinngemäss anwendbar sind, soweit keine Sonderregelungen bestehen. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Gesetzgeber - entgegen dem klaren Wortlaut von Art. 121 Abs. 1-2 StPO - den bloss mittelbar geschädigten juristischen Personen (als Rechtsnachfolgerinnen gestützt auf private Rechtsgeschäfte) automatisch eine Privatklägerschaft zuerkennen wollte. Zumindest indirekt lässt sich der Botschaft entnehmen, dass der Bundesrat sich durchaus bewusst war, dass für die Frage der Privatklägerschaft von rechtsnachfolgenden juristischen Personen ausschliesslich Art. 121 Abs. 2 StPO (als lex specialis) anwendbar ist. So führt er bei dessen Kommentierung (Art. 219 Abs. 2 E-StPO) aus, dass beispielsweise Behörden und Versicherungen als Rechtsnachfolger (aufgrund gesetzlicher Subrogation) in Frage kommen (vgl. Botschaft StPO, BBl 2006 1172 Ziff. 2.3.3.3). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den Protokollen der parlamentarischen Beratungen zu Art. 121 StPO . 4.9 Ebenso wenig spricht der Sinn und Zweck der fraglichen Bestimmungen für eine korrigierende Auslegung (contra bzw. extra legem) oder für die Annahme einer Gesetzeslücke. Für gewisse Ausnahmefälle wollte der Gesetzgeber vom Grundsatz abweichen, dass Rechtsnachfolger als bloss indirekt Geschädigte keine Parteistellung im Strafprozess haben, nämlich für geschädigte natürliche Personen und ihre erbberechtigten nahen Angehörigen ( Art. 121 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 110 Abs. 1 StGB ) sowie - eingeschränkt auf die Verfahrensrechte zur unmittelbaren (adhäsionsweisen) Durchsetzung der Zivilklage - für natürliche und juristische Personen, die von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten sind ( Art. 121 Abs. 2 StPO ): 4.9.1 Nach der klaren Regelung von Art. 121 Abs. 1 StPO sind beispielsweise Angehörige des verstorbenen Geschädigten mit nachrangiger Erbberechtigung von der Privatklägerschaft per Rechtsnachfolge ausgeschlossen (vgl. JEANDIN/MATZ, a.a.O., N. 6 zu Art. 121 StPO ). Bei einer Gesellschaftsfusion erfüllt auch die übernehmende Gesellschaft keine "Angehörigen"-Funktion gegenüber der übertragenden und aufgelösten Gesellschaft (Urteil des Bundesgerichtes 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.2). 4.9.2 Für eingesetzte Erben (welche den Angehörigenbegriff von Art. 110 Abs. 1 StGB nicht erfüllen) befürwortet die Lehre nur dann eine Ausnahme, wenn eingesetzte zusammen mit gesetzlichen Erben (welche den Angehörigenbegriff erfüllen) im Rahmen einer BGE 140 IV 162 S. 170 Erbengemeinschaft eine notwendige Streitgenossenschaft (für Gesamthandansprüche) bilden müssen (vgl. JEANDIN/MATZ, a.a.O., N. 9 zu Art. 121 StPO ; LIEBER, a.a.O., N. 5 zu Art. 121 StPO ; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 12 zu Art. 121 StPO ). Für alle übrigen eingesetzten Erben kommt höchstenfalls eine (auf den Zivilpunkt beschränkte) Privatklägerschaft gestützt auf Art. 121 Abs. 2 StPO in Frage (so MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 21 zu Art. 121 StPO ). Andere Autoren vertreten die Auffassung, dass eingesetzte Erben (vom oben genannten Ausnahmefall der Erbengemeinschaft abgesehen) den Weg des Zivilprozesses ("devant le juge civil") zu beschreiten haben; dies gelte insbesondere für juristische Personen als eingesetzte Erben (JEANDIN/MATZ, a.a.O., N. 3 zu Art. 121 StPO ). Stirbt die geschädigte Person nach Abschluss des Vorverfahrens, ohne sich als Privatklägerschaft konstituiert zu haben, ist dieses Recht auch für die Angehörigen (im Sinne von Art. 121 Abs. 1 StPO ) verwirkt ( Art. 118 Abs. 3 StPO ). Voraussetzung dafür ist aber, dass die geschädigte Person während des Vorverfahrens die Gelegenheit hatte, sich als Privatklägerin zu konstituieren ( Art. 118 Abs. 4 StPO ; vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1B_298/2012 vom 27. August 2012 E. 2.4.1; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 9 zu Art. 121 StPO ). Der Wortlaut von Art. 121 Abs. 1 StPO ist nach der Praxis des Bundesgerichtes im Übrigen restriktiv zu interpretieren (Urteil 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.1; ebenso MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 10 zu Art. 121 StPO ). 4.9.3 Diese vom Gesetzgeber (mit Art. 121 Abs. 1 StPO ) angestrebte Privilegierung der engsten Angehörigen (eines verstorbenen Geschädigten) als rechtsnachfolgende Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt rechtfertigt sich sachlich aufgrund der verwandtschaftlichen bzw. lebenspartnerschaftlichen affektiven Nähe und Solidarität der betroffenen natürlichen Personen untereinander. Damit führt Art. 121 Abs. 1 StPO nicht zu einer stossenden Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen. 4.9.4 Mit Art. 121 Abs. 2 StPO bezweckte der Gesetzgeber sodann die (teilweise) Privilegierung von (nicht selbst geschädigten) natürlichen und juristischen Personen, welche von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten sind (sogennannte gesetzliche Subrogation bzw. Legalzession von zivilrechtlichen Ansprüchen; vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.1; Botschaft StPO, BBl 2006 1172 Ziff. 2.3.3.3). Diese Personen können zwar nicht zum Strafpunkt plädieren; sie sind jedoch zur adhäsionsweisen Zivilklage ( Art. 122-126 StPO ) BGE 140 IV 162 S. 171 berechtigt und können jene Verfahrensrechte beanspruchen, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen. Unter die gesetzliche Subrogation fallen insbesondere staatliche Regressansprüche gegen Beschuldigte nach Entschädigungs- und Genugtuungszahlungen an Opfer von Straftaten ( Art. 7 Abs. 1 OHG [SR 312.5]) sowie privat- und sozialversicherungsrechtliche, privathaftpflicht- bzw. staatshaftungsrechtliche oder konkursrechtliche Regressansprüche (z.B. Art. 72 Abs. 1 VVG [SR 221.229.1], Art. 72 Abs. 1 ATSG [SR 830.1], Art. 56a Abs. 1 BVG [SR 831.40], Art. 197 SchKG oder Subrogationen gemäss kantonalem Gebäude- und Feuerschadenversicherungsrecht; vgl. BGE 139 IV 310 E. 1.1-1.2 S. 312 f.; Urteile 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.1; 1P.759/2006 vom 27. März 2007 E. 2.3; Botschaft StPO, BBl 2006 1172 Ziff. 2.3.3.3; JEANDIN/MATZ, a.a.O., N. 12 zu Art. 121 StPO ; LIEBER, a.a.O., N. 7. zu Art. 121 StPO ; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 13 zu Art. 121 StPO ; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 5 zu Art. 121 StPO ). 4.9.5 Damit normierte der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Zivilansprüchen, die auf rechtsgeschäftlichem Erwerb beruhen (z.B. Abtretung von Forderungen und Schuldübernahme [Art. 164 ff. undArt. 757 Abs. 2 OR, Art. 260 SchKG ], gesellschafts- oderfusionsrechtliche vertragliche Übertragung von Aktiven[ Art. 69 ff. FusG ] usw.) undAnsprüchen, die unmittelbar aufgrund privat- oder öffentlichrechtlicher Regressnormen (per Legalzession bzw. Subrogation) auf die rechtsnachfolgende juristische oder natürliche Person übergegangen sind (vgl. JEANDIN/MATZ, a.a.O., N. 6 und 13 zu Art. 121 StPO ; LIEBER, a.a.O., N. 8b zu Art. 121 StPO ; MAZZUCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 3-5 und 15 zu Art. 121 StPO ). Auch wenn eine Gesellschaftsfusion nach Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 FusG (im Gegensatz zur Spaltung nach Art. 29 lit. b FusG oder zur Vermögensabtretung nach Art. 69 ff. FusG ) zur Universalsukzession der Aktiven und Passiven führt, beruht sie primär auf einem rechtsgeschäftlichen Akt, weshalb sie nach der Praxis des Bundesgerichtes nicht unter Art. 121 Abs. 2 StPO fällt (Urteil 6B_549/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2.1-3.2.2). Als Privatkläger (gestützt auf Art. 121 StPO ) scheiden zum Beispiel auch reflexgeschädigte natürliche oder juristische Personen aus, die keinen (privat- oder öffentlichrechtlichen) gesetzlichen Regressanspruch gegenüber dem Beschuldigten haben ( Art. 121 Abs. 2 StPO ) und weder unmittelbar verletzt (Art. 115 Abs. 1 i.V.m. Art. 118 Abs. 1 StPO ) noch enge Angehörige ( Art. 121 Abs. 1 StPO ) BGE 140 IV 162 S. 172 oder Opferangehörige (Art. 116 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 Abs. 3 StPO ) eines verstorbenen Geschädigten sind. 4.9.6 Angesichts dieser detaillierten und abschliessenden Regelung der Privatklägerschaft per Rechtsnachfolge liegt keine (echte) Gesetzeslücke vor. Es wäre Sache des Gesetzgebers, korrigierend einzugreifen, wenn er nötigenfalls Art. 121 StPO revidieren wollte. Die engen Erfordernisse für das ausnahmsweise Füllen einer (unechten) Gesetzeslücke durch das Bundesgericht bzw. für das Abweichen vom klaren Gesetzeswortlaut (vgl. E. 4.6) sind hier nicht dargetan. Insbesondere führen die anwendbaren Normen zu keinen sachlich unhaltbaren oder stossend rechtsungleichen Konsequenzen. 4.10 Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Privatklägerschaft der Beschwerdeführerin (Art. 115 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 121 StPO ) sind nach dem Gesagten nicht erfüllt. Damit erweist sich der angefochtene Entscheid, auch im Lichte der in der Beschwerde noch ergänzend angerufenen Bestimmungen (insbesondere von Art. 8 Abs. 1-2 und Art. 29 Abs. 1 BV ), als bundesrechtskonform.
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Sachverhalt ab Seite 416 BGE 136 II 415 S. 416 A. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der Verein X. haben am 7. Juli 2009 eine Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe abgeschlossen. Zweck der Vereinbarung ist gemäss deren Ziff. 1, "die organisierte Suizidhilfe zwecks Qualitätssicherung gewissen Rahmenbedingungen zu unterstellen". Die Vereinbarung enthält unter anderem Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Ablauf der Suizidhilfe, das Sterbemittel (Natrium-Pentobarbital), dessen Verschreibung und den Umgang damit. Weiter werden das Vorgehen der Strafuntersuchungsbehörden nach gewährter Suizidhilfe und die Meldung von Verstössen gegen die Vereinbarung geregelt. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 10. September 2009 beantragen A., B., C., D., E., F., G. und H., die Vereinbarung sei aufzuheben. Sie rügen eine Verletzung verschiedener verfassungsmässiger Rechte sowie der Heilmittel- und Betäubungsmittelgesetzgebung des Bundes. (...) Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein und stellt im Urteilsdispositiv fest, dass die Vereinbarung nichtig ist. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Gemäss Art. 82 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (lit. a), gegen kantonale Erlasse (lit. b) und betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen (lit. c). Angefochten ist vorliegend eine Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Verein X. Es handelt sich dabei nicht um einen Entscheid im Sinne von lit. a ( BGE 135 II 22 E. 1.2 S. 24 mit Hinweisen). Ebenso wenig steht eine Verletzung politischer Rechte zur Diskussion (lit. c). Genauer zu untersuchen ist dagegen, ob es sich bei der Vereinbarung entgegen ihrer Bezeichnung um einen kantonalen Erlass handelt beziehungsweise ob eine Verwaltungsverordnung vorliegt, die unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls abstrakt angefochten werden kann ( BGE 128 I 167 E. 4.3 S. 171 f. mit Hinweisen). BGE 136 II 415 S. 417 Verwaltungsverordnungen sind generelle Dienstanweisungen und richten sich an untergeordnete Behörden oder Personen ( BGE 128 I 167 E. 4.3 S. 171 mit Hinweisen). Die vorliegend umstrittene Vereinbarung weist gewisse Züge einer Verwaltungsverordnung auf. So enthält Ziff. 5.2 der Vereinbarung verschiedene Bestimmungen über das Vorgehen der Strafuntersuchungsbehörden. Zudem können die Adressaten der Vereinbarung bei ihrer Befolgung grundsätzlich damit rechnen, dass keine Meldung an die zuständigen Behörden erfolgt und dass gegen sie kein Strafverfahren eröffnet wird (vgl. Ziff. 10.2 der Vereinbarung). In entscheidender Weise gegen eine Qualifizierung als Verwaltungsverordnung spricht indessen der Umstand, dass sich die Vereinbarung an eine einzige Organisation (den Verein X.) richtet und somit individueller, nicht genereller Natur ist. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass allenfalls andere Organisationen unter Berufung auf rechtsgleiche Behandlung verlangen könnten, dass mit ihnen eine Vereinbarung mit entsprechendem Inhalt geschlossen werde. Schliesslich ist nicht zu übersehen, dass die Vereinbarung nur aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann (Ziff. 11 der Vereinbarung), während Verwaltungsverordnungen im Interesse einer effizienten Aufgabenerfüllung der Verwaltung leicht abgeändert und an neue Entwicklungen angepasst werden können sollen. Damit ergibt sich, dass gegen die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft und dem Verein X. die Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten nicht zulässig ist ( Art. 82 lit. a-c BGG ). 1.2 Liegt kein zulässiges Anfechtungsobjekt vor, so ist grundsätzlich auf die Beschwerde ohne jede materielle Prüfung nicht einzutreten. Indessen ist bei Vorliegen eines entsprechenden Rechtsschutzbedürfnisses zu untersuchen, ob sich die Vereinbarung nicht als geradezu nichtig erweist. Auch dies würde dazu führen, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten. Sie kann auch im Rechtsmittelverfahren festgestellt werden ( BGE 132 II 342 E. 2.1 S. 346 mit Hinweisen). 1.3 Die Beschwerdeführer D. bis H. sind natürliche Personen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis entscheidet sich danach, ob sie zumindest virtuell (das heisst mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in ihren tatsächlichen Interessen betroffen sein könnten ( Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG ; vgl. BGE 135 I 28 E. 3.4.1 BGE 136 II 415 S. 418 S. 35 mit Hinweisen). Diesbezüglich machen die Beschwerdeführer geltend, es sei nach der Vereinbarung nicht ausgeschlossen, dass dem Suizidwunsch einer psychisch kranken oder dementen Person Rechnung getragen werde. Das festgelegte Verfahren könne zudem nicht mit Sicherheit verhindern, dass in solchen Fällen fälschlicherweise eine Therapiemöglichkeit verneint werde. Sollten sie je einmal in die Situation geraten, aus psychischem Leiden heraus oder bei Demenz Suizid begehen zu wollen, bestünde die Gefahr, dass ihre Urteilsfähigkeit bejaht werden könnte und infolgedessen ihr Leben nicht ausreichend geschützt wäre. Dem hält die Oberstaatsanwaltschaft entgegen, dass gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Suizidbegleitung psychisch kranker und dementer Personen unter engen Voraussetzungen zulässig sei, sofern deren Urteilsfähigkeit bezüglich des Sterbewunsches mittels eines Fachgutachtens belegt sei. Die Vereinbarung gehe nicht darüber hinaus. Mit dem sinngemässen Argument, dass in der Vereinbarung nichts stehe, was sich nicht ohnehin aus Gesetz und Rechtsprechung ergebe, vermag die Oberstaatsanwaltschaft die virtuelle Betroffenheit, wie sie die Beschwerdeführer zutreffend dargelegt haben, nicht in Frage zu stellen. Dass eine, wenn auch geringe Möglichkeit besteht, dass die Beschwerdeführer in Zukunft einmal von der Vereinbarung betroffen sein könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Die virtuelle Betroffenheit ist deshalb zu bejahen. Inwiefern die Vereinbarung in Einklang mit der Gesetzgebung und der Rechtsprechung steht, betrifft dagegen die materielle Beurteilung. Ist das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer 4 bis 8 nach dem Gesagten zu bejahen, so kann offenbleiben, wie es sich diesbezüglich mit den übrigen Beschwerdeführern verhält. 1.4 Die Vereinbarung kann nicht mit einem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden (vgl. Art. 87 Abs. 1 BGG ; KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, N. 24 zu § 20 und N. 38 f. zu § 82 VRG). Weder die Oberstaatsanwaltschaft noch der Regierungsrat vertreten denn auch die Auffassung, dass der kantonale Rechtsmittelweg nicht erschöpft wurde. 2. 2.1 Ob die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft und dem Verein X. nichtig ist, beurteilt sich einerseits nach ihrem Inhalt (E. 2.2-2.5 hiernach) und andererseits danach, ob eine BGE 136 II 415 S. 419 hinreichende gesetzliche Grundlage für ihren Abschluss bestand (E. 2.6 hiernach), wobei diese beiden Fragen zusammenhängen. 2.2 Die Beschwerdeführer argumentieren, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Vereinbarung nicht im Widerspruch zu Art. 115 StGB stehe, seien die in ihr enthaltenen Vorschriften unzulässig. In Art. 115 StGB werde die Beteiligung am Suizid abschliessend geregelt. Zudem verstiessen Ziff. 6.2 und 6.7 der Vereinbarung gegen Art. 44 Abs. 2 der Verordnung vom 29. Mai 1996 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmV; SR 812.121.1). Auch würden die gesetzlichen Bestimmungen über die ärztliche Betreuung und Kontrolle nicht eingehalten. 2.3 2.3.1 Gemäss Art. 123 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts Sache des Bundes. Der Bund hat von dieser Kompetenz mit Erlass des Strafgesetzbuchs Gebrauch gemacht. Art. 335 StGB macht zwar einen Vorbehalt im Bereich des Übertretungsstrafrechts (Abs. 1) und ermächtigt die Kantone, Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen (Abs. 2). Vorliegend geht es jedoch weder um das eine noch um das andere. 2.3.2 Die Strafuntersuchungsbehörden werden durch die Vereinbarung verbindlich angewiesen, wie sie nach einer gewährten Suizidhilfe vorzugehen haben (Ziff. 5.2 der Vereinbarung). Die Adressaten der Vereinbarung können grundsätzlich damit rechnen, dass bei deren Befolgung keine Meldung an die zuständigen Behörden erfolgt und dass gegen sie kein Strafverfahren eröffnet wird (Ziff. 10.2 der Vereinbarung). In materieller Hinsicht regelt die Vereinbarung unter anderem, unter welchen Voraussetzungen Suizidbeihilfe geleistet werden darf. So ist diese nur dann zu gewähren, wenn der Suizidwunsch aus einem schweren, krankheitsbedingten Leiden heraus entstanden ist. Fachpersonen oder Personen der Suizidhilfeorganisation müssen zusammen mit der suizidwilligen Person mögliche Alternativen zum Suizid wie medizinische Behandlung, Therapie (insbesondere Palliativtherapie) und Sozialhilfe abklären und dem Wunsch der suizidwilligen Person entsprechend ausschöpfen. Bei psychisch gesunden Personen ist die Urteilsfähigkeit bezogen auf den Suizidwunsch durch die Suizidhelfer und die mit der suizidwilligen Person befassten Ärzte in der Regel mittels wiederholter, länger dauernder und BGE 136 II 415 S. 420 im Abstand mehrerer Wochen geführter persönlicher Gespräche zu klären. Dabei sind Lebenssituation, Umfeld und Lebensgeschichte anzusprechen. Ist die Suizidalität Ausdruck oder Symptom einer psychischen Krankheit, so darf gemäss der Vereinbarung grundsätzlich keine Suizidhilfe gewährt werden. Psychisch kranke Personen können laut der Vereinbarung bezüglich ihres Sterbewunsches jedoch durchaus urteilsfähig sein, wobei eine solche Annahme äusserste Zurückhaltung gebiete. Es wird deshalb ein entsprechendes psychiatrisches Fachgutachten gefordert. Die Vereinbarung regelt weiter die Voraussetzungen von Suizidbeihilfe für Personen mit fortschreitender Demenz und besondere Fälle (geplante Doppelsuizide und suizidwillige junge Personen), zudem enthält sie Bestimmungen über die Autonomie, Wohlerwogenheit und Konstanz des Suizidentscheids (zum Ganzen: Ziff. 4 der Vereinbarung). 2.3.3 Art. 115 StGB enthält in Bezug auf den Tatbestand der Beihilfe zum Selbstmord eine abschliessende Regelung (CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 2 zu Art. 115 StGB ). Nach dieser Bestimmung macht sich (nur) strafbar, wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmord verleitet oder dazu Hilfe leistet. Ihrer Einführung lag der Gedanke zu Grunde, dass nicht bestraft werden soll, wer durch freundschaftliche Motive veranlasst ist, namentlich wer aus reinem Mitleid oder Mitgefühl, im reinen Interesse des Suizidwilligen handelt (CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, Selbstsüchtige Beweggründe bei der Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord [ Art. 115 StGB ], in: Sicherheitsfragen der Sterbehilfe, 2008, S. 100 ff.; PETRA VENETZ, Suizidhilfeorganisationen und Strafrecht, 2008, S. 108 ff.). An den Fall einer Tätigkeit im Rahmen einer organisierten Suizidhilfe dachte der (historische) Gesetzgeber nicht. 2.3.4 In ihrer Gesamtheit bedeuten die Bestimmungen der Vereinbarung eine Präzisierung von Art. 115 StGB . Das gilt namentlich hinsichtlich der kumulativen Voraussetzungen für die organisierte Suizidbeihilfe, bei deren Erfüllung keine Meldung erstattet wird, was auf die Statuierung eines Rechtfertigungsgrunds hinausläuft. Besonders deutlich kommt dies bei der Suizidhilfe an psychisch kranken Personen und solchen mit fortschreitender Demenz zum Ausdruck (Ziff. 4.4.2 und 4.4.3 der Vereinbarung); mithin in einem Bereich, wo die Meinungen in der Lehre bezüglich der Urteilsfähigkeit der betroffenen Personen auseinandergehen (VLADETA AJDACIC-GROSS, Fakten über Suizid: Begriffe, Zahlen, Theorien, ph akzente BGE 136 II 415 S. 421 2007 Nr. 3 S. 4; EBNER/KURT, Suizidbeihilfe bei Psychischkranken, Schweizerische Ärztezeitung 86/2005 S. 880 ff.; GERHARD EBNER, Assistierter Suizid bei psychisch Kranken - eine Gratwanderung?, in: Sicherheitsfragen der Sterbehilfe, 2008, S. 245 ff.; CÉCILE ERNST, Assistierter Suizid in den Stadtzürcher Alters- und Krankenheimen, Schweizerische Ärztezeitung 82/2001 S. 293 ff.; FREI/SCHENKER/FINZEN/HOFFMANN-RICHTER, Beihilfe zum Suizid bei psychisch Kranken, Der Nervenarzt 11/1999 S. 1014 ff.; MARIO GMÜR, Suizidbeihilfe und Urteilsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht, Schweizerische Ärztezeitung 89/2008 S. 1 ff.; DANIEL HELL, Ergebnisse der Suizidforschung, in: Beihilfe zum Suizid in der Schweiz, 2006, S. 24; JEAN MARTIN, Suizidbeihilfe und "Lebensmüdigkeit", Schweizerische Ärztezeitung 89/2008 S. 2098; Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, Thesen über Suizidbeihilfe vom 15. September 2004, Ziff. 4; FRANK PETERMANN, Demenz-Erkrankungen und Selbstbestimmung - ein Widerspruch in sich?, in: Sicherheitsfragen der Sterbehilfe, 2008, S. 153 ff., insb. 167 ff.; MARTIN SCHUBARTH, Assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen, ZStrR 127/2009 S. 3 ff.; JOHANN FRIEDRICH SPITTLER, Urteilsfähigkeit zum Suizid - eine neurologisch-psychiatrische Sicht, in: Sterbehilfe, 2006, S. 99 ff.; VENETZ, a.a.O., S. 147 ff.). Erkenntnisse der Suizidforschung und die Erfahrungen von Fachpersonen zeigen, dass der Suizidwunsch regelmässig Ausdruck einer existentiellen Krisensituation ist und kaum Zeugnis eines in sich abgeklärten und gefestigten Willens. Bekannt ist zudem die Labilität des Todeswunsches, gerade auch bei Schwerkranken. Zudem scheint das Sterben-Wollen wesentlich von Schmerzen, von depressiven Symptomen und der erlebten Qualität der Pflege abhängig zu sein, aber auch von der Furcht, im Stich gelassen zu werden und andern zur Last zu fallen, schliesslich von der Sorge um die finanziellen Folgen der Pflege (REGINA KIENER, Organisierte Suizidhilfe zwischen Selbstbestimmungsrecht und staatlichen Schutzpflichten, ZSR 129/2010 I S. 271 ff. mit Hinweisen). Damit erscheint fraglich, ob die Urteilsfähigkeit bezüglich des Sterben-Wollens das ausschlaggebende Kriterium für die Bejahung eines autonomen Sterbewunsches sein kann. Es drängt sich auf, die Beantwortung derartiger Fragen und die Umschreibung allfälliger Rechtfertigungsgründe für die sogenannte organisierte Sterbehilfe dem Bundesgesetzgeber vorzubehalten. 2.3.5 Das Bundesgericht hat sich in BGE 133 I 58 mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Tötungsmittel Natrium-Pentobarbital BGE 136 II 415 S. 422 einem Sterbewilligen nach dem Betäubungsmittel- und dem Heilmittelrecht ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden kann. Dabei hat es unter Hinweis auf ethische, rechtliche und medizinische Stellungnahmen in der Literatur ausgeführt, dass unterschieden werde zwischen dem Sterbewunsch als Ausdruck einer therapierbaren psychischen Störung und dem wohlerwogenen und dauerhaften Entscheid einer urteilsfähigen Person. In letzterem Fall dürfe "unter Umständen" auch psychisch Kranken Natrium-Pentobarbital verschrieben werden (a.a.O., E. 6.3.5.1 S. 74 f. mit Hinweisen). Vorausgesetzt sei ein psychiatrisches Fachgutachten, was wiederum nur als sichergestellt erscheine, wenn an der ärztlichen Verschreibungspflicht festgehalten und die Verantwortung nicht (allein) in die Hände privater Sterbehilfeorganisationen gelegt werde (a.a.O., E. 6.3.5.2 S. 75 mit Hinweisen). Mit diesen Ausführungen hat sich das Bundesgericht allerdings weder in abschliessender Weise noch im strafrechtlichen Kontext mit den Voraussetzungen der straffreien organisierten Suizidbeihilfe bei psychisch kranken Personen auseinandergesetzt. In einem einzigen Fall musste sich das Bundesgericht bisher mit der strafrechtlichen Seite der Suizidbeihilfe befassen. Es bestätigte dabei ein kantonales Urteil, welches einen sogenannten "Sterbebegleiter" wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt hatte. Dieser hatte in Kauf genommen, auf den Todeswunsch einer urteilsunfähigen Person abzustellen (Urteil 6B_48/2009 vom 11. Juni 2009 insbesondere E. 5.3.2). 2.3.6 Entgegen der Meinung der Beschwerdegegner trifft somit nicht zu, dass die Bestimmungen der Vereinbarung ausschliesslich deklaratorischer Natur sind und lediglich wiedergeben, was bereits in der Gesetzgebung ( Art. 115 StGB ) und der dazugehörigen Rechtsprechung festgehalten ist (wie dies in BGE 98 Ia 508 E. 3a S. 512 f. der Fall war). Dass die Praxis auch ohne die umstrittene Präzisierung von Art. 115 StGB , allein auf dem Wege der Auslegung (namentlich gestützt auf Literaturmeinungen oder Empfehlungen der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften) zu gleichen oder ähnlichen Resultaten gelangen könnte, ist irrelevant. Ebenso wenig ist entscheidend, ob eine detailliertere Regelung der (organisierten) Suizidhilfe wünschbar oder nützlich wäre (vgl. zum eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren http://www.bj.admin.ch/bj/de/home/themen/gesellschaft/gesetzgebung/sterbehilfe.html [besucht am 13. August 2010]; vgl. weiter etwa FRANK PETERMANN, BGE 136 II 415 S. 423 Rechtliche Überlegungen zur Problematik der Rezeptierung und Verfügbarkeit von Natrium-Pentobarbital, AJP 2006 S. 447 ff.; MARTIN SCHUBARTH, a.a.O., S. 3 ff.; Urteil 2C_839/2008 vom 1. April 2009 E. 3.2.2 mit Hinweisen). 2.4 Für die Verschreibung von Natrium-Pentobarbital gilt Art. 44 BetmV (vgl. Art. 3 lit. b BetmV und Anhang b zur Verordnung vom 12. Dezember 1996 des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe [BetmV-Swissmedic; SR 812.121.2]; Art. 2 Abs. 1 bis BetmG [SR 812.121]; BGE 133 I 58 E. 4 mit Hinweisen; PETERMANN, a.a.O., S. 443). Dessen Abs. 2 sieht vor, dass die verschriebene Menge nicht über den Bedarf für die Behandlung während eines Monats hinausgehen darf. Wenn es die Umstände rechtfertigen und unter Einhaltung der Bestimmungen von Art. 11 BetmG kann die Dauer für die Behandlung auf höchstens sechs Monate verlängert werden. Der verschreibende Arzt hat in diesem Fall die genaue Dauer der Behandlung auf dem Rezept anzugeben. Nach Ablauf dieser Dauer ist ein neues Rezept auszustellen. Art. 44 Abs. 2 BetmV regelt die zeitliche Gültigkeit von Verschreibungen abschliessend und lässt keinen Raum für weitergehende Regelungen. Indem die Vereinbarung in Ziff. 6.2 und 6.7 vorsieht, dass das Rezept für den Bezug von Natrium-Pentobarbital maximal sechs Monate gültig bleibt und die Geschäftsstelle des Vereins X. das nicht verwendete Natrium-Pentobarbital unmittelbar nach Durchführung der Suizidbegleitung, spätestens jedoch sechs Monate nach Ausstellung des Rezeptes an die Bezugsapotheke abgibt, verletzt sie diese Bestimmung. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob darüber hinaus gesetzliche Bestimmungen über die ärztliche Betreuung und Kontrolle nicht eingehalten werden, wie dies die Beschwerdeführer behaupten. 2.5 2.5.1 Anzufügen ist, dass die umstrittene Vereinbarung in verschiedener Hinsicht auch mit dem Verfahrensrecht nicht vereinbar ist. Sie steht namentlich nicht in Einklang mit der am 1. Januar 2011 in Kraft tretenden Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; BBl 2007 6977). Gemäss deren Art. 309 Abs. 1 lit. a eröffnet die Staatsanwaltschaft unter anderem dann eine Untersuchung, wenn sich aus Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein BGE 136 II 415 S. 424 hinreichender Tatverdacht ergibt. Sie eröffnet die Untersuchung mit einer Verfügung (Abs. 3), es sei denn, dass sie sofort eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt (Abs. 4). Eine Nichtanhandnahmeverfügung ergeht gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO dann, wenn aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a), Verfahrenshindernisse bestehen (lit. b) oder aus den in Art. 8 StPO genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist (lit. c). Die Einstellung des Verfahrens verfügt die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO insbesondere dann, wenn kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b) oder Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c). Weder zu einer Eröffnungs- noch zu einer Nichtanhandnahmeverfügung, sondern zu einer informellen Erledigung kommt es, wenn die Polizei von der Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft absehen kann. Dies ist gemäss Art. 307 Abs. 4 StPO der Fall, wenn zu weiteren Schritten der Staatsanwaltschaft offensichtlich kein Anlass besteht und keine Zwangsmassnahmen oder andere formalisierte Ermittlungshandlungen durchgeführt worden sind. Die Adressaten der Vereinbarung können grundsätzlich damit rechnen, dass bei deren Befolgung keine Meldung an die zuständigen Behörden erfolgt und dass gegen sie kein Strafverfahren eröffnet wird (Ziff. 10.2 der Vereinbarung). Zwar ist die zur Freigabe des Leichnams zuständige Staatsanwaltschaft zu orientieren (Ziff. 5.2.4), was aber nicht mit der Meldung gemäss Ziff. 10.2 zu verwechseln ist. Dies bedeutet, dass bei Einhaltung der Vereinbarung, insbesondere der Regelungen gemäss Ziff. 4 (Voraussetzungen der Suizidhilfe) und Ziff. 5 (Ablauf der Suizidhilfe) von vornherein kein Strafverfahren eröffnet wird. Namentlich in Fällen, wo eine psychisch kranke Person oder eine Person mit fortschreitender Demenz als urteilsfähig begutachtet wurde (Ziff. 4.4.2 und 4.4.3), wird kein Untersuchungsverfahren eröffnet, geschweige denn der Tatbestand von Art. 115 StGB richterlich geprüft, es sei denn, es bestünden Unklarheiten beziehungsweise Anhaltspunkte einer Straftat (Ziff. 5.2.4 und 10.2). Das ist aber bei Einhalten der Vereinbarung nach dem Gesagten gerade nicht der Fall. Bei psychisch Kranken sieht die Vereinbarung vor, dass ein psychiatrisches Gutachten die Urteilsfähigkeit im Hinblick auf den Sterbewunsch bestätigt (Ziff. 4.4.2). Für Personen mit fortschreitender Demenz ist vorgesehen, dass zwei Ärzte, wovon einer der für die Rezeptausstellung verantwortliche Arzt ist, die Urteilsfähigkeit beurteilen, wobei in der Regel ein BGE 136 II 415 S. 425 fachärztliches Gutachten zu erstellen ist (Ziff. 4.4.3). Dabei ist zu vermuten, dass Suizidwillige beziehungsweise Sterbehilfeorganisationen keine Ärzte mandatieren, von denen anzunehmen ist, dass sie gegenüber der Urteilsfähigkeit zum Suizid bereiter Personen grundsätzlich kritisch eingestellt sind. Hinzu kommt, dass die in der Literatur umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen in solchen Fällen von Urteilsfähigkeit überhaupt die Rede sein kann, höchstrichterlich noch nie geprüft werden musste. 2.5.2 Weiter fällt auf, dass die Vereinbarung auch von der ansonsten gültigen Weisung der Oberstaatsanwaltschaft betreffend Abklärungen von ausserordentlichen Todesfällen abweicht, wozu auch assistierte Suizide gehören ( http://www.staatsanwaltschaften.zh.ch/Diverses/Weisungen.shtml , Ziff. 33.2 [besucht am 13. August 2010]). Während diese Weisungen vorsehen, dass solche Fälle in einem besonderen Verfahren geführt werden und in der Regel durch den Staatsanwalt vor Ort zu leiten sind, gilt diese Ordnung nach der Vereinbarung gerade nicht. Gemäss dieser rücken in der Regel die Polizei und der Amtsarzt aus, die Staatsanwaltschaft dagegen nur, wenn sich hinsichtlich Todesursache und Todesart Unklarheiten beziehungsweise Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben. 2.6 2.6.1 Das Legalitätsprinzip erfordert, dass der verwaltungsrechtliche Vertrag zwei Voraussetzungen erfüllt. Zunächst muss eine kompetenzgemäss erlassene Rechtsnorm den Vertrag vorsehen, dafür Raum lassen oder ihn jedenfalls nicht ausdrücklich ausschliessen. Weiter muss der Vertrag nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die er im Einzelfall konkretisiert, die geeignetere Handlungsform sein als die Verfügung. Der Vertragsinhalt darf nicht gegen eine gültige Rechtsnorm verstossen und muss auf einem generell-abstrakten, genügend bestimmten Rechtssatz beruhen, der in Form eines Gesetzes erlassen worden sein muss, wenn es sich um eine wichtige Regelung handelt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Rechtssatzes sind geringer als bei Verfügungen, sofern das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit wegen der Zustimmung zur Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses durch die Privaten als geringfügig erscheint. Auch die Grundlage im Gesetz kann bei Verträgen im Allgemeinen schmaler sein als bei Verfügungen, weil staatliche Eingriffe in die Rechte der Privaten weniger intensiv und damit weniger wichtig sind, wenn die Betroffenen ihnen zustimmen ( BGE 136 I 142 E. 4.1 S. 146 f.; BGE 105 Ia 207 E. 2a S. 209; je mit Hinweisen). BGE 136 II 415 S. 426 2.6.2 Angesichts der Bedeutung des Regelungsinhalts (vgl. dazu auch E. 3.2 hiernach) ist vorliegend eine klare gesetzliche Grundlage erforderlich. Eine derartige Grundlage besteht jedoch nicht, insbesondere sieht weder das Strafgesetzbuch noch das Strafprozessrecht den Abschluss vertraglicher Vereinbarungen der Strafverfolgungsbehörden mit Privaten vor. Darüber hinaus verstösst die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft und dem Verein X. nach den vorangehenden Ausführungen sowohl gegen das Strafrecht wie auch gegen das Betäubungsmittelrecht. Es ist damit von vornherein ausgeschlossen, in diesem Bereich verwaltungsvertragliche Regelungen zu vereinbaren. 3. 3.1 Zusammenfassend ergibt sich, dass die angefochtene Vereinbarung rechtswidrig ist. Sie entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und verstösst darüber hinaus gegen das materielle Strafrecht und das Betäubungsmittelrecht. Zudem bestehen Abweichungen von der am 1. Januar 2011 in Kraft tretenden Schweizerischen Strafprozessordnung und den Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft betreffend Abklärungen von ausserordentlichen Todesfällen. 3.2 Der Mangel, mit dem die Vereinbarung aufgrund dessen behaftet ist, ist nicht nur offensichtlich, sondern auch gravierend. Dabei fällt ins Gewicht, dass sowohl das Recht auf Leben wie auch die persönliche Freiheit in einem zentralen Bereich betroffen sind ( Art. 10 Abs. 1 und 2 BV , Art. 2 und 8 EMRK ). Das Recht auf Leben bildet als fundamentales Grundrecht Ausgangspunkt und Voraussetzung für alle anderen Grundrechte. Es gehört unbestritten zu den zwingenden Normen des Völkerrechts und den notstandsfesten Garantien der EMRK ( Art. 139 Abs. 2 und Art. 194 Abs. 2 BV , Art. 53 und 64 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [SR 0.111], Art. 15 EMRK ). Zudem erscheint die Vereinbarung der Rechtssicherheit abträglich, zumal sowohl für den Verein X. wie auch für Dritte nicht klar sein dürfte, ob und inwieweit sie sich bei einer allfälligen Abweichung vom geltenden Recht auf die von der Staatsanwaltschaft abgegebenen Erklärungen verlassen dürfen. Aus alledem folgt, dass die Vereinbarung - unbesehen ihrer rechtlichen Qualifikation (vgl. E. 1.1 hiervor) - nichtig ist (vgl. Urteil 2C_164/2009 vom 13. August 2009 E. 8.1, in: RDAF 2009 II p. 531; BGE 135 I 28 E. 5 S. 36; BGE 134 I 125 E. 2.1 S. 128 f.; BGE 129 I 402 E. 2 S. 404 f.; je mit Hinweisen). 3.3 Schliesslich fragt sich, ob die Nichtigkeitsfolge die Vereinbarung insgesamt oder nur einzelne ihrer Teile trifft. Mehrere BGE 136 II 415 S. 427 Bestimmungen, so etwa jene über die Rechtsform der Vereinigung(Ziff. 3.1), die finanzielle Transparenz und namentlich die Buchführung (Ziff. 3.2.3 und 3.2.4), erscheinen unbedenklich und wurden in der Beschwerdeschrift auch nicht kritisiert. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Verein X. nur bereit war, die Vereinbarung als Ganzes zu unterzeichnen. Zudem ist nicht zu übersehen, dass dieVereinbarung in ihrem wesentlichen Gehalt bundesrechtswidrig ist. Es rechtfertigt sich daher, sie gesamthaft als nichtig zu bezeichnen (vgl. Urteil 1P.274/1988 vom 26. Oktober 1988 E. 3a, nicht publ. in: BGE 114 Ia 452
de
66b11b3e-1ff3-40e1-a9bc-5c67e9bb95c4
Erwägungen ab Seite 191 BGE 104 V 191 S. 191 Aus den Erwägungen: a) Streitig ist die Frage des Rentenbeginns. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gingen die Verwaltung und die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass vorliegend die Variante II zur Anwendung kommt: Das Leiden des Beschwerdeführers hatte in keinem Zeitpunkt die für die Anwendung der Variante I erforderliche Stabilität erreicht. So beschrieb Dr. K., der den Beschwerdeführer vom 21. Oktober 1975 bis 7. April 1976 beobachtete, den Krankheitszustand als unverändert bis leicht progredient. Dr. M., bei dem der Beschwerdeführer vorher während mehrerer Jahre in Behandlung war, bescheinigte ein starkes Fortschreiten des Leidens, das er auf Grund einer am 16. September 1976 erfolgten Untersuchung als sich weiterhin verschlechternd betrachtete. Der Beschwerdeführer kann somit eine Rente erst beanspruchen, wenn er während 360 Tagen durchschnittlich zur Hälfte arbeitsunfähig war. Zur Frage, welcher minimale Grad für die Eröffnung der Wartezeit erforderlich ist, hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass jedenfalls ein Behinderungsgrad von 25% bereits als erheblich zu betrachten ist ( BGE 96 V 34 ff., insbesondere 40). b) Die Vorinstanz hat den Rentenbeginn nicht auf Grund der erwähnten Durchschnittsberechnung ermittelt, weil sie der Auffassung war, dass die 360tägige Frist nicht zu laufen beginne, solange ein Versicherter Taggelder der Arbeitslosenversicherung BGE 104 V 191 S. 192 beziehe; Personen, die ein Taggeld beziehen, hätten als vermittlungsfähig und somit auch als arbeitsfähig zu gelten. Diese Überlegung stützt sich auf die verwaltungsinterne Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung, wonach die Gewährung einer Rente während und auch nach dem Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sein soll (Kreisschreiben vom 30. Mai 1975 betr. Eingliederungsmassnahmen und Rentenanspruch bei Invaliden, die zufolge Änderung in der Wirtschaftslage ihren Arbeitsplatz verloren haben). Diese Weisung wurde inzwischen vom Bundesamt relativiert. So könne ein Versicherter, der ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung beziehe, kumulativ Anspruch auf eine halbe Rente haben. Auch könne es vorkommen, dass sich der Gesundheitszustand eines Taggeldberechtigten in einer Weise verschlechtere, dass er von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr als vermittlungsfähig betrachtet werden könne, so dass auch nach der Ausrichtung von Arbeitslosengeld ein Rentenanspruch möglich sei. Grundsätzlich werde aber an der im erwähnten Kreisschreiben genannten Regelung festgehalten (ZAK 1976 S. 487). c) In Art. 16 AlVV werden die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung von Invaliden in der Arbeitslosenversicherung genannt. So wird festgehalten, dass Bezüger einer ganzen Invalidenrente und Behinderte, die eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte ausüben können, nicht als vermittlungsfähig gelten (Abs. 5). Ist einem Versicherten noch eine Halbtagsarbeit zuzumuten, so darf ihm nur eine halbe Invalidenrente zugesprochen werden. Für den restlichen, wirtschaftlich und nicht gesundheitlich bedingten Erwerbsausfall muss er an die Arbeitslosenversicherung gelangen, gilt er doch in der Regel für eine Halbtagsarbeit als vermittlungsfähig (vgl. Abs. 3). Insoweit können korrespondierende Schlüsse aus der Anspruchsberechtigung der Arbeitslosenversicherung und der Invalidenversicherung gezogen werden. Weitergehende Folgerungen aus den Bestimmungen über das Verhältnis der einen Versicherung zur andern zu ziehen, erscheint indessen problematisch. Jedenfalls trifft es nicht zu, dass die Wartezeit der Variante II in der Invalidenversicherung erst ab Einstellung der Taggelder eröffnet wird. Da die Wartezeit auch in Fällen laufen kann, in denen der betreffende Versicherte BGE 104 V 191 S. 193 keine Erwerbseinbusse erleidet oder keiner Erwerbstätigkeit nachgeht ( BGE 97 V 231 , 102 V 167 ff.), kann sie auch in einem Zeitpunkt eröffnet werden, in dem der Versicherte noch Arbeitslosenentschädigung erhält. Da in der Invalidenversicherung während der Wartezeit nach der Variante II von Art. 29 Abs. 1 IVG lediglich eine durchschnittlich hälftige Arbeitsunfähigkeit verlangt wird, kann ein Versicherter im Zeitraum von 360 Tagen durchaus noch zeitweise vermittlungsfähig im Sinne des Arbeitslosenversicherungsrechts sein.
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0c342a81-6d80-44f4-949a-f971bba60d8e
Sachverhalt ab Seite 190 BGE 133 III 189 S. 190 Die Y. GmbH (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts, ist Inhaberin eines unter anderem mit Wirkung für die Schweiz bei der WIPO am 28. November 1994 hinterlegten Designs, das eine Schmuckschatulle darstellt. Die X. Ltd. (Beklagte) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Hongkong. Sie zeigte an der Uhren- und Schmuckmesse "Baselworld" Schmuckschatullen, die dem von der Klägerin hinterlegten Design glichen. Um dies in Zukunft zu unterbinden, reichte die Klägerin am 8. Juni 2004 beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage ein. Zudem verlangte sie Auskunft über die Herkunft und die gewerblichen Abnehmer der Schmuckschachteln und über den mit diesen erzielten Gewinn, dessen Herausgabe und Schadenersatz. Das Zivilgericht hiess die Klage am 26. April 2006 im Wesentlichen gut und verbot der Beklagten, Schmuckschatullen mit parallel gewölbtem Boden und Deckel und kreissegmentförmigem Abstand zwischen Deckel und Schachtel sowie einer parallel zu den Kanten verlaufenden Verzierungslinie in die Schweiz einzuführen, in der Schweiz zu lagern, anzubieten, in Verkehr zu bringen, durch die Schweiz durchzuführen oder aus der Schweiz auszuführen. Es verpflichtete die Beklagte, Herkunft und Umfang der von ihr anlässlich der "Baselworld" 2004 eingeführten und ausgestellten Schmuckschatullen bekannt zu geben und der Klägerin Fr. 10'539.50 nebst Zins zu bezahlen. Gegen dieses Urteil führt die Beklagte Berufung und beantragt dem Bundesgericht, die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur Durchführung eines gerichtlichen Gutachtens zur Frage, ob das von der Klägerin registrierte Design im Zeitpunkt der Registrierung eine schutzfähige Eigenart aufgewiesen hat und zur Befragung des Geschäftsführers der Firma A. Srl als Zeugen an das Zivilgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen bleibt der Einwand der Beklagten, das strittige Design weise keine Eigenart auf. BGE 133 III 189 S. 191 3.1 Ein Design weist keine Eigenart auf, wenn es sich nach dem Gesamteindruck von Design, welches den in der Schweiz beteiligten Verkehrskreisen bekannt sein konnte, nur in unwesentlichen Merkmalen unterscheidet ( Art. 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design [Designgesetz, DesG; SR 232.12] ). Mit dieser Formulierung lehnt sich das DesG an jene von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (EU-MRL) bzw. von Art. 6 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (EU-MVO) an, die ebenfalls auf den Unterschied im Gesamteindruck von bereits bekanntem Design abstellen, den das hinterlegte Muster beim "informierten Benutzer" hervorruft. Nach den insoweit unwidersprochenen und zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz besteht die Eigenart in einer objektiven Abweichung vom Vorbekannten, ohne dass Originalität im Sinne einer eigentlichen schöpferischen Leistung erforderlich wäre. Auch ein banales Design kann unter dem Gesichtspunkt der Eigenart schutzfähig sein, wenn es sich nach dem Gesamteindruck nach den wesentlichen Elementen vom Vorbekannten unterscheidet (HEINRICH, DesG/HMA: Kommentar, N. 2.64-2.66 zu Art. 2 DesG ; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, Handkommentar Designgesetz, N. 81 zu Art. 1 DesG ). 3.2 Nach der Botschaft vom 16. Februar 2000 (BBl 2000 S. 2739 f.) sollen sich die Anforderungen an die Eigenart an der Rechtsprechung zur Originalität, wie sie nach MMG (Bundesgesetz vom 30. März 1900 betreffend die gewerblichen Muster und Modelle [BS 2 S. 873; aufgehoben durch Ziff. I des Anhangs zum DesG, AS 2002 S. 1469]) erforderlich war, orientieren. Danach war ein Muster oder Modell dann schutzfähig, wenn es eine gewisse Originalität, ein Mindestmass an geistigem Aufwand aufwies ( BGE 113 II 77 E. 3c S. 80; BGE 106 II 71 E. 2a S. 73; BGE 104 II 322 E. 3b S. 329). Die Lehre steht dieser Auffassung kritisch gegenüber, da mit dem Designgesetz die Anforderungen jedenfalls qualitativ geändert wurden, indem statt der subjektiven Leistung ein objektives Anderssein verlangt wird. Die Schutzvoraussetzung der Eigenart soll vielmehr als erweiterte, in örtlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht aufgehende Neuheitsprüfung zu verstehen sein (HEINRICH, a.a.O., N. 2.69 zu Art. 2 DesG ; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 29 und 94 zu Art. 2 DesG ). Soweit aber die Eigenart bereits nach der bisherigen Rechtsprechung als BGE 133 III 189 S. 192 gegeben erachtet wurde, wenn im Vergleich mit bereits bestehendem Design der Gesamteindruck der Unähnlichkeit hervorgerufen wird ( BGE 84 II 653 E. 2e S. 661), steht einer Übernahme der zum MMG ergangenen Rechtsprechung nichts entgegen. Hieran schliesst das neue Recht an. Unterschiede in einer bedeutenden Anzahl von Einzelheiten im Vergleich zum früheren Design sind unerheblich, sofern der Gesamteindruck der Ähnlichkeit bejaht werden kann (Botschaft, BBl 2000 S. 2740). 3.3 Entsprechend hat das Bundesgericht für die Definition des Schutzbereichs des Designrechts gleich wie im Anwendungsbereich des Modellrechts ( BGE 104 II 322 E. 4 S. 329 f.; Urteil des Bundesgerichtes 4C.205/1988 vom 22. November 1988, E. 3a, publ. in: SMI 1989 I S. 105 ff., je mit Hinweisen) den Gesamteindruck für massgebend erklärt, der namentlich durch die wesentlichen Merkmale bestimmt wird, wie sie sich einem am Kauf interessierten Verbraucher präsentieren ( BGE 130 III 636 E. 2 S. 639; BGE 129 III 545 E. 2 S. 548 ff. mit Hinweisen). Die Beurteilung, ob sich das Design genügend vom Vorbekannten abhebt, hat demgemäss nicht nach der Sichtweise einer Fachperson zu erfolgen, sondern aus der Perspektive der an einem Erwerb interessierten Personen, welche die betreffenden Produkte ihrer Bewertungsfähigkeit entsprechend aufmerksam begutachten (Botschaft, BBl 2000 S. 2740; ebenso schon zum MMG Urteil des Bundesgerichts 4C.110/1990 vom 15. Oktober 1990, E. 2a/ cc mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 116 II 471 ). 3.4 Wenn unter der Geltung des DesG von "origineller Gestaltung" die Rede ist ( BGE 130 III 636 E. 2.1.3 S. 641), geschieht dies in Anlehnung an die romanischen Gesetzestexte von Art. 2 Abs. 1 DesG ("Un design peut être protégé à condition d'être nouveau et original"; "Un design può esser protetto se è nuovo e originale") und ist als Würdigung des Gestaltungsergebnisses zu verstehen, ohne dass das Augenmerk auf den Kreationsakt gerichtet würde, wenngleich schwer vorstellbar ist, wie eine neue und sich in ihrem Gesamteindruck als solche präsentierende Form zustande kommen soll, ohne dass ihr ein Schöpfungsakt, ein Mindestmass an geistigem Aufwand zugrunde läge. Behält man im Auge, dass das Designgesetz den Schutzbereich erweitert hat, steht nichts entgegen, die Erfordernisse im Lichte der unter der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu prüfen, wie dies in der Botschaft vorgesehen ist (BBl 2000 S. 2739 f.). Dass nach DesG nicht mehr der synoptische Vergleich, sondern der Gesamteindruck, wie ihn der Kaufsinteressent in BGE 133 III 189 S. 193 kurzfristiger Erinnerung behält, massgeblich ist ( BGE 129 III 545 E. 2.6 S. 553), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. 4. 4.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich beim klägerischen Design um eine Schatulle, bestehend aus einer Box und einem Deckel. Deckel und Boden weisen jeweils im Quer- und Längsschnitt eine parallele sphärische Krümmung auf, so dass der Boden auf einer ebenen Standfläche nur an den Ecken aufliegt. Die Seiten der Box stehen nicht senkrecht zur Standfläche, sondern ungefähr rechtwinklig zur Tangente des Bodens im Auflagepunkt. Der obere Rand der Box ist parallel zur Standfläche ausgebildet, so dass zwischen dem gekrümmten Deckel und dem Rand der Box eine Lücke in Form eines Kreissegments gebildet wird. Der Deckelrand ist etwas erhaben. 4.2 Nach Einschätzung der Vorinstanz wird das Design der Klägerin in erster Linie durch die parallele Wölbung von Deckel und Boden und in zweiter Linie durch die kreissegmentförmige Lücke zwischen Deckel und Box charakterisiert, wobei die Wölbung des Bodens entgegen der Meinung der Beklagten keineswegs nur technisch bedingt sei. Sie sei gut sichtbar und präge den Gesamteindruck mit. Die von der Beklagten bezeichneten vorbestandenen Vergleichsmodelle ("New York Line", "Seville", "Modern Style 1/2", "Alexandria Line") hätten zwar teils bombierte, aber nicht sphärisch gekrümmte Deckel oder seitlich eingeprägte Kreissegmente. Sie wiesen aber weder die parallele Wölbung von Deckel und Boden noch die kreissegmentförmige Lücke zwischen Deckel und Boden auf. 5. Die Beklagte rügt in der Berufung in zweierlei Hinsicht eine Verletzung ihres Beweisführungsanspruchs. 5.1 Zum einen macht sie in der Berufung mit Aktenhinweis geltend, sie habe in der Klageantwort nicht nur zur Neuheit, sondern auch zur Frage der Eigenart des Designs das Einholen eines Gutachtens verlangt. Die Vorinstanz habe diesem Antrag ohne jegliche Begründung nicht stattgegeben. Ihr Urteil sei insoweit unter Verletzung von Art. 8 ZGB zustande gekommen. 5.1.1 Der Entscheid über die Rechtsfrage der Schutzfähigkeit des Designs bedingt die Beantwortung der Frage, ob sich in der Beurteilung der massgebliche Verkehrskreise, d.h. der an einem Kauf der entsprechend gestalteten Produkte interessierten Personen (vgl. Botschaft, BBl 2000 S. 2740; VON BÜREN/MARBACH, Immaterialgüter- und BGE 133 III 189 S. 194 Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Rz. 417 S. 84) der Gesamteindruck des klägerischen Designs vom Vorbekannten massgeblich abhebt. Beim Vergleich der Gestaltungen sind dementsprechend die prägenden Hauptelemente ausschlaggebend. Stimmen sie überein, so wird ein Kaufinteressent die Vergleichsprodukte in Bezug auf das Design als ebenso gleichwertig erachten wie in Bezug auf die technisch notwendigen Elemente. Geringfügige Abweichungen wird ein Kaufinteressent nicht beachten, aber gestalterische Besonderheiten dürften ihm auffallen und allenfalls seinen Kaufentschluss bestimmen ( BGE 129 III 545 E. 2.3 S. 551). Diese vom Bundesgericht mit Bezug auf den Schutzbereich nach Art. 8 DesG , wo es ebenfalls den Gesamteindruck beim Abnehmer zu ermitteln gilt, angewandten Beurteilungskriterien haben auch Gültigkeit, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob sich ein Design nach seinem Gesamteindruck vom Vorbekannten abhebt und daher Eigenart beanspruchen kann, korreliert doch der Massstab zur Beurteilung der Eigenart mit dem Schutzumfang (STAUB/CELLI, Designrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über den Schutz von Design, N. 75 zu Art. 2 DesG , mit Hinweisen). Demgemäss darf die Beurteilung nicht bei der Betrachtung der einzelnen, wenn auch charakterisierenden Elemente stehen bleiben, sondern sie hat sich auf deren Zusammenspiel zu erstrecken (STAUB/CELLI, a.a.O., N. 70 zu Art. 2 DesG ). 5.1.2 Welches Fachwissen erforderlich sein soll, um auf die dargestellte Weise zu einem Urteil über das Vorliegen von Eigenart zu gelangen, zeigt die Beklagte nicht auf und ist nicht ersichtlich. Soweit nicht die Anordnung einer geeigneten demoskopischen Untersuchung zur Debatte steht, nimmt das Bundesgericht Untersuchungen der dargelegten Art seit jeher aus eigener Anschauung und Kenntnis vor und überprüft entsprechende Entscheidungen kantonaler Gerichte auf Berufung hin als Rechtsfragen, soweit kein Branchenverständnis spezifischer Verkehrskreise in Frage steht, wie das Bundesgericht hinsichtlich der Verwechslungsgefahr erkannte ( BGE 128 III 401 E. 5 S. 404; BGE 126 III 239 E. 3a S. 245 mit Hinweis; zur Abgrenzungsproblematik zwischen Tat- und Rechtsfrage im Bereich Verkehrsanschauung allgemein und im Ergebnis in Analogie zur normativen Auslegung von Willenserklärungen zustimmend auch BAUDENBACHER, Lauterkeitsrecht, N. 268 ff. zu Art. 3 lit. b UWG [SR 241]). Wenn sich das angerufene Sachgericht in die Lage eines interessierten Abnehmers versetzt und seinen eigenen, aus einem Vergleich mit den von der Beklagten bezeichneten Objekten gewonnenen Eindruck BGE 133 III 189 S. 195 jenem des durchschnittlichen Kaufinteressenten zuordnet, verletzt es somit kein Bundesrecht, zumal die Beklagte nicht darlegt, inwiefern Branchenverständnis erforderlich sein sollte, um den Gesamteindruck entsprechend zu bestimmen. Ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, nahm das Bundesgericht die entsprechende Beurteilung denn auch in BGE 130 III 636 ebenfalls aus eigener Anschauung vor (E. 2.1.3). Die Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB ist daher unbegründet. 5.2 Eine weitere Verletzung von Art. 8 ZGB sieht die Beklagte in der Verweigerung der Befragung des Geschäftsführers der A. Srl als Zeugen. 5.2.1 Mit Bezug auf die weitere zum Vergleich angeführte, von der A. Srl angeblich seit Jahren vertriebene Gestaltung der Schatullenserie "Domino Dèco A" (act. 9 Nr. 5) erwog die Vorinstanz, die aus dem Internet stammende Abbildung sei zwar schwer erkennbar. Weil die betreffenden Schatullen jedoch keine Krümmung des Deckels und des Bodens aufzuweisen schienen, erübrige sich die beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der A. Srl als Zeugen. Die Beklagte entnimmt dem Wortlaut des angefochtenen Urteils, wonach es scheine , dass die Schachteln keine Krümmung des Deckels aufwiesen, die Vorinstanz gehe diesbezüglich von einem offenen Beweisergebnis aus. Bei dieser Sachlage verletze die Vorinstanz durch die Nichtabnahme des angebotenen Beweismittels den Beweisführungsanspruch der Beklagten. 5.2.2 Auch wenn das Gericht eine Behauptung weder als erwiesen noch als widerlegt erachtet, ist es nach Art. 8 ZGB nur verpflichtet, weitere Beweisanträge abzunehmen, wenn diese rechtserhebliche Tatsachen betreffen ( BGE 132 III 222 E. 2.3 S. 226, BGE 132 III 545 E. 3.3.2 S. 548, je mit Hinweisen) und nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts entsprechen ( BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 24 f.; BGE 114 II 289 E. 2a S. 290, je mit Hinweisen). Hinsichtlich der Eigenart ist auf die Abweichung von Design, welches den in der Schweiz beteiligten Verkehrskreisen bekannt sein konnte, abzustellen ( Art. 2 Abs. 3 DesG ; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 114 zu Art. 2 DesG ). Aus diesem Grund sind Veröffentlichungen nur zu berücksichtigen, wenn sich das Design aufgrund der Bildqualität erkennen lässt (vgl. STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 71 zu Art. 2 DesG ). Da auf der Abbildung im Internet keine Krümmung zu erkennen ist, steht die Internetabbildung der Eigenart nicht entgegen. Die Frage, BGE 133 III 189 S. 196 ob der Boden der abgebildeten Schachteln tatsächlich gekrümmt ist, wird nur relevant, falls die abgebildeten Schachteln bereits vor dem 28. November 1994 produziert wurden und in diesem Zeitpunkt den in der Schweiz beteiligten Verkehrskreisen hätten bekannt sein können. Soweit sich aus dem angefochtenen Entscheid nicht ergibt, dass die Beklagte diese Punkte behauptet und prozesskonform dazu Beweise angeboten hat, ist dies in der Berufungsschrift detailliert darzulegen und mit Aktenhinweisen zu belegen ( BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106; BGE 115 II 484 E. 2a S. 485 f., je mit Hinweisen). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen und Hinweise der Beklagten in der Berufungsschrift nicht. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB ist nicht dargetan. 6. Um das Vorliegen der Eigenart in Abrede zu stellen, bringt die Beklagte vor, die Wölbung des Bodens sei entgegen den Ausführungen der Vorinstanz so gut wie nicht sichtbar, diene einzig der Stapelbarkeit und sei somit durch die technische Funktion bestimmt. 6.1 Nach Art. 4 lit. c DesG ist der Designschutz ausgeschlossen, wenn die Merkmale des Designs ausschliesslich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind. Damit soll dem Freihaltebedürfnis Rechnung getragen werden, das wegen des fehlenden gestalterischen Spielraums besteht. 6.1.1 In anderer Formulierung war ein entsprechender Ausschlussgrund bereits in Art. 3 MMG verankert (Botschaft, BBl 2000 S. 2741). Daraus ergab sich nach der Rechtsprechung, dass es bei der Formgebung darum gehen musste, den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen ( BGE 95 II 470 E. II.1 S. 472); für eine durch die Herstellungsweise, den Nützlichkeitszweck oder die technische Wirkung des Gegenstandes bedingte Form konnte der Modellschutz nicht beansprucht werden (Urteil des Bundesgerichts 4C.110/1990 vom 15. Oktober 1990, E. 2a/aa nicht publ. in BGE 116 II 471 ). Gemäss Art. 3 MMG hatten für die Beurteilung der Schutzfähigkeit alle auf Nützlichkeitszwecke und technische Wirkung ausgerichteten Elemente auszuscheiden. Dem Modellschutz sind nur die verbleibenden Elemente zugänglich ( BGE 116 II 191 E. 2c/aa S. 193; BGE 113 II 77 E. 3c und d S. 80 ff., je mit Hinweisen). Im zuletzt erwähnten Entscheid verweigerte das Bundesgericht den Modellschutz, obwohl die betreffenden funktionellen Elemente des umstrittenen Plattenspielertonkopfs auch mittels anderer Formen realisiert werden konnten, die hinterlegte Form mithin nicht im eigentlichen Sinne technisch BGE 133 III 189 S. 197 notwendig war. Generell wurde die Schützbarkeit nur bejaht, wenn die Formgebung nicht überwiegend zu Nützlichkeitszwecken erfolgte (DAVID, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 4 zu Art. 3 MMG ). 6.1.2 In der Lehre wird aufgrund des Wortlauts von Art. 4 lit. c DesG mit gutem Grund die Meinung vertreten, entgegen dem alten Recht sei Designschutz möglich, sobald eine Formalternative bestehe, denn diesfalls sei das Design nicht ausschliesslich durch seine technische Funktion bedingt (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 42 zu Art. 4 DesG mit Hinweis; ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 405; a.A. HEINRICH, a.a.O., N. 4.14 ff. zu Art. 4 DesG , der den Schutz bereits bei geringer Freiheit der Formgestaltung innerhalb der technischen Anforderungen ausschliessen will). Allerdings ist auch nach dieser Lehrmeinung ausschliesslich technische Bedingtheit anzunehmen, wenn im Hinblick auf eine technische Lösung verschiedene gleichwertige Varianten zur Verfügung stehen, deren jede einen subjektiv unterschiedlich zu gewichtenden Vorteil für sich in Anspruch nehmen kann (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 44 zu Art. 4 DesG ). Das Bundesgericht erkannte hinsichtlich Art. 2 lit. b MSchG (SR 232.11), der u.a. Formen der Ware oder Verpackungen, die technisch notwendig sind, vom Markenschutz ausschliesst, der Ausschlussgrund der technischen Notwendigkeit sei nur gegeben, wenn keine andere Form zur Verfügung stehe oder vernünftigerweise verwendet werden könne oder wenn zwar eine andere Möglichkeit bestehe, deren Ausführung aber wenig praktisch oder mit grösseren Herstellungskosten verbunden wäre, sei doch den Mitbewerbern nicht zuzumuten, auf die nächstliegende und am besten geeignete Form zu verzichten ( BGE 131 III 121 E. 3.1 S. 124; BGE 129 III 514 E. 3.2 S. 522 ff.). Diese Umschreibung der technischen Notwendigkeit mit Bezug auf die Formmarke stimmt in ihrem Gehalt mit der wiedergegebenen Lehrmeinung zur Bedeutung von Art. 4 lit. c DesG überein. Dadurch lässt sich auch verhindern, dass bei begrenztem Gestaltungsspielraum alle möglichen Designvarianten hinterlegt werden, um eine Idee für andere zu sperren (vgl. HEINRICH, a.a.O., N. 4.14 ff. zu Art. 4 DesG ), denn die technisch nächstliegende und am besten geeignete Form bleibt vom Ausschluss in Art. 4 lit. c DesG erfasst, während weniger naheliegende Varianten Designschutz beanspruchen können. Es erscheint daher gerechtfertigt, den Begriff der ausschliesslich technischen Bedingtheit gemäss dieser Bestimmung im Sinne der zitierten Lehre und Rechtsprechung zu verstehen. BGE 133 III 189 S. 198 6.2 Die wichtigste Funktion einer Schmuckschatulle besteht in der Aufbewahrung von Schmuck. Diese Aufgabe lässt sich in mannigfacher Formgebung erfüllen. Dass dem hinterlegten Design insoweit ein Freihaltebedürfnis entgegenstünde, macht die Beklagte nicht geltend. Dennoch lässt sich nicht gänzlich von der Hand weisen, dass der Stapelbarkeit auch bei Schmuckschatullen eine gewisse Bedeutung zukommt, wenngleich es sich beim darin abzulegenden Schmuck in aller Regel nicht um einen Massenartikel handelt und zahlreiche Schatullenmodelle derart gestaltet sind, dass sie sich von vornherein gegen eine Stapelung sperren (z.B. bombierte Deckel - gerader Boden; Verschluss auf der Oberseite, etc.). Ob die Stapelbarkeit als eine vom Zweck des Gegenstandes diktierte Eigenschaft angesehen und technische Anforderungen zur Erreichung dieses Zwecks überhaupt ins Feld geführt werden könnten, ist daher fraglich, kann aber offen bleiben. Entscheidend ist, dass die von der Beklagten angesprochene technische Funktion, eine Stapelung zu ermöglichen, die Wahl des hinterlegten Designs keineswegs gebietet. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass sich auch Schachteln der gängigen Form mit auf gerader Unterlage aufliegendem Boden und geradem Deckel ohne weiteres stapeln lassen und dass in Grosszahl weitere Gestaltungen denkbar sind, welche denselben Zweck erfüllen (z.B. Auflage der Schachtel auf vier Füssen mit passendem Deckel, konvexer Deckel mit entsprechendem Boden, etc.). Die Vorinstanz erkannte daher zu Recht, dass die parallelen sphärischen Bögen von Boden und Deckel technisch nicht notwendig sind. Art. 4 lit. c DesG ist daher nicht verletzt. Demnach durfte die Vorinstanz das als prägend erachtete Gestaltungselement der parallelen, kreissegmentförmigen Wölbung in die Prüfung des Gesamteindrucks des hinterlegten Modells einbeziehen. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, die parallele Kreisform sei zumindest in Bezug auf Schachteln mit sphärisch gewölbten Deckeln hinsichtlich der Stapelbarkeit technisch bedingt, schlösse dies nach der Lehre eine Berücksichtigung nicht aus, da einzelne technisch bedingte Merkmale den Gesamteindruck des Designs mitprägen können, weshalb die Beurteilung von Neuheit nicht auf die "übrig bleibenden" Elemente zu beschränken ist, sondern auch schutzunfähige Elemente zu berücksichtigen sind (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 45 zu Art. 4 DesG ; STAUB/CELLI, a.a.O., N. 28 zu Art. 4 DesG ). 6.3 Unerheblich ist, ob die Wölbung gut sichtbar ist, wie die Vorinstanz annimmt und die Beklagte bestreitet, kann doch gerade eine BGE 133 III 189 S. 199 diskrete, aber spezielle Formgebung den Gesamteindruck des Designs massgeblich prägen. So verhält es sich im vorliegenden Falle. Die parallelen Wölbungen von Deckel und Boden, die namentlich in der Seitenansicht deutlich hervortreten, in Kombination mit der diskreten, nicht überwindbaren kreissegmentförmigen Öffnung zwischen Deckel und Box vermitteln einen Eindruck, der sich vom bisher Bekannten abhebt, als solcher zumindest über kurze Zeit in der optischen Erinnerung des interessierten Käufers vorherrschen wird und von keiner der zum Vergleich herangezogenen Formgebungen erweckt werden konnte. Wenn die Vorinstanz bei dieser Sachlage annahm, das umstrittene Design erfülle das Erfordernis der Eigenart, hat sie Art. 2 DesG im Ergebnis bundesrechtskonform angewandt. Die Diskussion der Beklagten über die Bedeutung der von der Vorinstanz verwendeten Begriffe "sphärisch" und "bombiert" erweist sich unter diesen Umständen als fruchtloser Streit um Worte.
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40250d17-e215-4907-8aa2-bfe9af47b19e
Sachverhalt ab Seite 192 BGE 98 II 191 S. 192 A.- Die Sigrist & Grüebler AG besass an der Fürstenlandstrasse in St. Gallen Bauland, das insbesondere die aneinander grenzenden Parzellen Nr. 3349 und 3322 umfasste. Am 6. Januar 1964 verkaufte sie die Parzelle Nr. 3349 der E. Mainetti AG Da zur Parzelle Nr. 3322 keine Zufahrt bestand, vereinbarten die Parteien in Ziff. 5 des Vertrages, die 5.20 m breite Moosstrasse über die Parzelle 3349 in östlicher Richtung um etwa 80 m zu verlängern. Die Verkäuferin sollte dieses Strassenstück samt Kehrplatz und Kanalisation im Frühjahr 1964 auf ihre Kosten erstellen, und die Käuferin verpflichtete sich, das dafür nötige Land unentgeltlich abzutreten. Das vereinbarte Wegrecht wurde im Grundbuch nicht eingetragen. BGE 98 II 191 S. 193 Die E. Mainetti AG liess das gekaufte Grundstück in zwei Parzellen unterteilen. Die östliche davon, bestehend aus 1560 m2, verkaufte sie am 13. Februar 1968 als (neue) Parzelle Nr. 3349 zum Preise von Fr. 260'000.-- an die AGIP (SUISSE) SA Die mit der Sigrist & Grüebler AG vereinbarte Verlängerung der Moosstrasse war damals im Rohbau erstellt. Ein Teilstück von rund 115 m2 (32 m x 3,60 m) entfiel auf die Restparzelle Nr. 3349, die an ihrer Südgrenze von der neuen Strasse angeschnitten wurde. Die Mainetti AG gab der AGIP SA von ihrer Verpflichtung, die sie gemäss Ziff. 5 der Vertrages mit der Sigrist & Grüebler AG einging, nicht Kenntnis, noch machte sie die Käuferin auf den Verlauf der Strasse aufmerksam. Die AGIP SA will davon erst am 19. März 1968, als ihr Vertreter das Grundstück zusammen mit einem Architekten besichtigte, Kenntnis erhalten haben. Drei Tage später teilte sie der Verkäuferin mit, dass sie "ungeachtet der über das Grundstück führenden Privatstrasse die gesamte Parzelle beanspruchen" werde. Später entschloss sie sich, die durch die Verlängerung der Moostrasse entstandene Eigentumsbeschränkung hinzunehmen, musste aber ein schon vor dem Kauf in ihrem Auftrag durch die Grünegg AG verfasstes und am 24. Januar 1968 von der Behörde genehmigtes Bauprojekt für eine Tankstelle abändern, was ihr sehr geschadet haben soll. B.- Im April 1969 klagte die AGIP SA gegen die Mainetti AG auf Zahlung von Fr. 125'000.-- Schadenersatz nebst Zins. Im Verfahren setzte sie ihre Forderung auf Fr. 104'000.-- herab. Durch Vorentscheid vom 27. Mai 1971 stellte das Bezirksgericht St. Gallen fest, dass die Beklagte für den der Klägerin erwachsenen Schaden grundsätzlich haftbar sei. Die Beklagte appellierte an das Kantonsgericht St. Gallen, das die Klage am 27. Januar 1972 abwies. C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung, dieses Urteil aufzuheben, die grundsätzliche Haftung der Beklagten, sei es aus teilweiser Entwehrung oder aus Sachgewährleistung, zu bejahen und die Sache zur Abklärung des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie macht geltend, das Kantonsgericht habe Art. 2 und 674 ZGB sowie Art. 192 ff. und 197 ff. OR verletzt. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen. BGE 98 II 191 S. 194 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Die Klägerin wirft dem Kantonsgericht in erster Linie eine Verletzung von Art. 674 ZGB vor. Dabei macht sie erstmals geltend, soweit die verlängerte Moosstrasse über ihr Grundstück führe, handle es sich um einen Überbau im Sinne von Art. 674 ZGB . Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sei sie aber verpflichtet, dem Ueberbauenden das dingliche Recht auf den Ueberbau zu gewähren oder ihm das Eigentum am Boden abzutreten. Dass sie den dinglichen Anspruch des Überbauenden freiwillig anerkannt habe, schade ihr daher nicht. Diese Vorbringen sind entgegen den Einwänden der Beklagten nicht unzulässig im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG . Es geht nicht um neue Tatsachen, sondern um eine neue rechtliche Begründung, die das Bundesgericht für den Fall, dass sie zutrifft, selbst dann bei der Rechtsanwendung berücksichtigen dürfte, wenn die Klägerin sich nicht ausdrücklich auf Art. 674 ZGB berufen würde ( Art. 63 Abs. 1 Satz 2 OG ). Es ist unbestritten, dass die verlängerte Moosstrasse nach dem Willen der seinerzeit beteiligten Grundeigentümer zum Teil über die Parzelle Nr. 3349 führt, die dingliche Belastung im Grundbuch aber nicht eingetragen worden ist. Es kommt daher bei der Frage nach einem allfälligen Überbau nicht darauf an, wer seit Einreichung der Klage Eigentümer der neuen Strasse oder der südlich davon liegenden Parzellen geworden ist und wem gestützt auf Art. 674 Abs. 3 ZGB nun entweder das dingliche Recht auf denÜberbau oder das Eigentum am Boden zuzuweisen wäre. Unerheblich ist ferner, dass die Firma Sigrist & Grüebler AG die Parzelle Nr. 3322 ebenfalls veräussert hat und die Erwerber sie, wie aus den Akten erhellt, mit Mehrfamilienhäusern überbaut haben. Die Auffassung der Klägerin ist jedoch aus anderen Gründen unbehelflich. Art. 674 ZGB regelt nach seinem Randtitel und Wortlaut die dinglichen Rechtsverhältnisse an Bauten und andern Vorrichtungen, die von einem Grundstück auf ein anderes überragen. Unter Bauten und andern Vorrichtungen im Sinne dieser Bestimmung sind nach dem Schrifttum nicht bloss Gebäude, gebäudeähnliche Bauwerke und deren Bestandteile (z.B. Treppen, Erker, Dachvorsprünge, Scheidemauern, Keller), sondern auch ober- oder unterirdische Werke wie Brunnen, Schleusen, Dämme, eingemauerte Gruben, Leitungen, BGE 98 II 191 S. 195 Brennstoffbehälter und dergleichen zu verstehen. Der Begriff der Bauten und andern Vorrichtungen ist jedoch enger als der Werkbegriff des Art. 58 OR ; er umfasst insbesondere keine Anlagen, die sich in einer blossen Umgestaltung des Bodens erschöpfen (HAAB, N. 14 zu Art. 667 und N. 1 zu Art. 674 ZGB ; MEIER-HAYOZ, N. 6 und 8 zu Art. 674 ZGB ). Dies aber trifft auf Strassen überall dort zu, wo der Boden für den Verkehr beansprucht wird, gleichviel wie die Strassenfläche baulich beschaffen ist. Das Material, das für den Strassenkörper verwendet wird (Schotter, Belag usw.), gehört nach dem Akzessionsprinzip des Art. 667 ZGB dem Grundeigentümer. Anders verhält es sich bei Strassenteilen, die aus Kunstbauten wie Brücken, Wendeplatten, Lehnenviadukten und dergleichen bestehen. In BGE 95 II 7 ff. wurde die gemauerte Wendeplatte eines Weges denn auch als Baute behandelt, die Anlage eines gewöhnlichen Weges dagegen nicht. Die Klägerin irrt deshalb, wenn sie meint, die Sigrist & Grüebler AG oder deren Rechtsnachfolger dürften sich auf Art. 674 ZGB berufen. Sie können sich einzig auf das in Ziff. 5 des Kaufvertrages vom 6. Januar 1964 miteinander vereinbarte Wegrecht stützen, das seinem Inhalt nach eine Dienstbarkeit enthält, aber nicht als solche im Grundbuch eingetragen worden ist. Beim Verkauf des Grundstücks Nr. 3349 wurde der Klägerin die von der Beklagten eingegangene Verpflichtung, das für den Strassenbau nötige Land unentgeltlich abzutreten, nicht überbunden. Sie war auch nicht sonstwie aus dem Grundbuch ersichtlich. Im Kaufvertrag vom 13. Februar 1968, der sich auf den Grundbuchauszug stützte, war vielmehr von 1560 m2 Boden und Grenzen laut Grundbuchplan Nr. 29 die Rede. Die Klägerin brauchte daher die Strasse nicht zu dulden; mit der Eigentumsfreiheitsklage hätte sie vielmehr deren Beseitigung verlangen können. Ob die Nachbarn diesfalls ein Notwegrecht gemäss Art. 694 ZGB hätten beanspruchen dürfen oder ob dem Gemeinwesen das Enteignungsrecht zugestanden hätte, beides gegen Entschädigung, ist hier nicht zu prüfen. 3. Bei dieser Rechtslage kann die Klägerin auch aus Art. 192 Abs. 1 OR nichts für sich ableiten. Sie durfte das Grundstück ohne Rücksicht auf die Strasse überbauen, und die Sigrist & Grüebler AG konnte sie daran weder hindern noch ihr die Parzelle ganz oder teilweise entziehen. Die Klägerin meint freilich, sie habe den Anspruch auf Eintragung eines BGE 98 II 191 S. 196 dinglichen Rechtes der Drittansprecher jedenfalls in guten Treuen anerkennen dürfen. Die Beklagte handle entgegen der Annahme des Kantonsgerichts rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 ZGB , wenn sie das bestreite. Nach Art. 194 Abs. 1 OR besteht die Pflicht zur Gewährleistung auch dann, wenn der Käufer, ohne es zur richterlichen Entscheidung kommen zu lassen, das Recht des Dritten in guten Treuen anerkannt oder sich einem Schiedsgericht unterworfen hat, sofern dieses dem Verkäufer rechtzeitig angedroht und ihm die Führung des Prozesses erfolglos angeboten worden war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dass Dritte den Anspruch der Klägerin, das Grundstück gemäss der ihr am 24. Januar 1968 erteilten Bewilligung zu überbauen, bestritten haben, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Ebensowenig steht fest, dass sie ein obligatorisches oder dingliches Recht auf den von der Strasse beanspruchten Teil der Parzelle Nr. 3349 gerichtlich geltend gemacht haben; die Sigrist & Grüebler AG war dazu übrigens nicht mehr befugt, da sie die südlich der Strasse gelegenen Parzellen inzwischen ebenfalls veräussert hatte. Aus den Klagebeilagen erhellt im Gegenteil, dass die Klägerin sich zunächst nicht nur der Beklagten, sondern auch der Sigrist & Grüebler AG gegenüber richtigerweise auf den Standpunkt stellte, sie habe das Grundstück ohne die Belastung mit einem Wegrecht gutgläubig erworben und müsse deshalb gemäss Art. 973 ZGB in diesem Erwerb geschützt werden. Erst am 10. Mai 1968 schrieb sie der Beklagten, so wie die Dinge lägen, könne sie die erstellte Strasse nicht einfach übersehen und das Grundstück gemäss dem bewilligten Projekt überbauen. Sie wich von ihrer zutreffenden Rechtsauffassung jedoch ab, ohne dass die Eigentümer der südlich der Strasse gelegenen Parzellen ihr Anlass gegeben hätten, das vermeintliche Recht Dritter anzuerkennen (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 194 OR ). Die Berufung auf Art. 194 Abs. 1 OR geht daher fehl. Die Klägerin kann der Beklagten auch nicht Rechtmissbrauch vorwerfen. Der Vorwurf wäre begründet, wenn die Beklagte ihre Haftung grundsätzlich anerkannt und damit die Klägerin abgehalten hätte, das Grundstück gemäss dem bereits bewilligten Projekt zu überbauen. Der Widerstand der Beklagten erschöpfte sich indes darin, über die Streitfrage, ob das bewilligte Projekt unbekümmert um das zwischen den frühern Grundeigentümern BGE 98 II 191 S. 197 vereinbarte Wegrecht ausgeführt werden durfte, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten als die Klägerin. Darin liegt kein Rechtsmissbrauch. Ebensowenig verstösst gegen die gute Treue, dass die Beklagte im Verfahren ihre Rechtsauffassung geändert und den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin hätte sich über das Wegrecht hinwegsetzen dürfen. Stossend daran ist bloss, dass die Beklagte diesfalls den aus dem Wegrecht Berechtigten gehaftet hätte, weil sie ihre obligatorische Verpflichtung, das nötige Land unentgeltlich abzutreten, nicht der Klägerin überbunden hat. 4. Nach Art. 197 OR haftet der Verkäufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern. Das Bezirksgericht nahm an, die Parzelle Nr. 3349 sei durch die Strasse in ihrem Wert vermindert worden, wofür die Beklagte hafte. Das Kantonsgericht nimmt dazu nicht Stellung, sondern übergeht die Frage, weil es der Auffassung ist, die Klägerin sei der ihr nach Art. 201 obliegenden Prüfungs- und Anzeigepflicht nicht rechtzeitig nachgekommen, weshalb die Kaufsache als genehmigt zu gelten habe und die Haftung der Beklagten entfalle. Die Klägerin hat das Grundstück erworben, ohne zu wissen, dass etwa 115 m2 davon für die Verlängerung der Moosstrasse beansprucht wurden. Dieser Umstand erwies sich als körperlicher Mangel, für den die Beklagte einzustehen hat; denn es leuchtet ein, dass das Strassenareal für die Klägerin nicht bloss wertlos war, sondern die Ausnützungsziffer verminderte und ein neues Projekt erforderte. Freilich hätte die Klägerin die Strasse nicht beachten müssen. Das wäre indes, wie ihr der Anwalt der Beklagten eindrücklich vorgehalten hat, wirtschaftlich unsinnig und - wenn rechtlich auch nicht unmöglich - so doch mit unabsehbaren Schwierigkeiten verbunden gewesen. Die am Wegrecht interessierten Grundeigentümer hätten vorläufige Massnahmen im Befehlsverfahren ( Art. 389 ff. ZPO ) erwirken und damit das Bauvorhaben der Klägerin erheblich verzögern können. Auch bei einem Enteignungsverfahren hätte sie mit einer Bausperre und einer Änderung des Projektes rechnen müssen. Angesichts solcher Schwierigkeiten war der Klägerin nicht zuzumuten, an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten und zu versuchen, die bewilligte Überbauung ohne BGE 98 II 191 S. 198 Rücksicht auf die Strasse durchzusetzen. Ihr Entschluss, den drohenden Schwierigkeiten auszuweichen und sich aus nachbarlichem Entgegenkommen mit der Strasse abzufinden, kann ihr daher nicht schaden. Es steht der Beklagten nicht an, diesen Entschluss hinterher zu kritisieren, hat sie durch ihr Verhalten doch dazu beigetragen, dass die Klägerin in Bedrängnis geriet und so oder anders mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen musste. Dem Kantonsgericht kann auch darin nicht gefolgt werden, dass die Klägerin ihre Untersuchungs- und Rügepflicht versäumt habe. Die Klägerin kaufte ein Grundstück, das nach dem Vertrag 1560 m2 Boden umfasste und für dessen Grenzen auf den Grundbuchplan Nr. 29 verwiesen wurde. Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, in dem alle dinglichen Rechtsverhältnisse an buchungspflichtigen Grundstücken in umfassender Weise aufgezeichnet sind. Gegenstand des öffentlichen Glaubens bilden auch die Pläne mit den darin angegebenen Grundstückgrenzen ( BGE 44 II 467 ); sie sind wesentliche Bestandteile des Grundbuchs (HAAB, N. 10 zu Art. 668/69; HOMBERGER, N. 5 zu Art. 950 und 973 ZGB ). Nach dem Grundbuchplan Nr. 29, wovon die Klägerin bereits seit Einreichung des Baugesuches im September 1967 eine Kopie besass, hörte die Moosstrasse aber an der Westgrenze der ursprünglichen Parzelle Nr. 3349 auf; die Verlängerung war daraus nicht ersichtlich. Die Grünegg AG stellte bei der Ausarbeitung des "Vorprojektes" denn auch auf diesen Plan ab und legte eine Kopie davon dem Baugesuch bei. Die Kopie des Planes und das "Vorprojekt" wurden übrigens von E. Mainetti, dem zuständigen Organ der Beklagten, mitunterzeichnet. Umsoweniger geht es an, der Klägerin daraus, dass sie sich beim Kauf auf den Grundbuchplan verliess und von einer Besichtigung des Grundstücks absah, einen Vorwurf zu machen. Dass der Verlauf der im Rohbau ausgeführten Strasse damals im Gelände ohne weiteres erkennbar war, wie das Kantonsgericht feststellt, hilft darüber nicht hinweg. Die Klägerin hatte keinen Anlass, den Grundbuchplan anzuzweifeln, war folglich auch nicht verpflichtet, die Vermarkung und Vermessung des Grundstückes überprüfen zu lassen. Nachdem sie am 19. März 1968 bei einer Begehung der Parzelle den Mangel festgestellt hatte, rügte sie ihn aber mit Schreiben vom 22. März 1968 an die Beklagte, also rechtzeitig. BGE 98 II 191 S. 199 Das Urteil des Kantonsgerichts, das die Haftung der Beklagten gemäss Art. 197 Abs. 1 OR zu Unrecht verneint hat, ist daher aufzuheben und die Sache zur Abklärung des Schadens und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob der Beklagten "culpa in contrahendo" vorzuwerfen und ihre Haftung auch deswegen zu bejahen wäre.
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5fc49015-6f5a-47bd-9711-858f61b34abc
Sachverhalt ab Seite 285 BGE 81 IV 285 S. 285 A.- Novic war im Mai 1948 vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt BGE 81 IV 285 S. 286 worden. Dem Vollzug dieser Strafe entzog er sich durch die Flucht ins Ausland. Wegen der deshalb erfolgten Ausschreibung im Schweiz. Polizeianzeiger konnte er die Gültigkeit seines Schweizerpasses, die am 29. Juli 1950 abgelaufen war, nicht auf dem ordentlichen Weg verlängern lassen. Ende Sommer 1950 liess er Buser, einen früheren Angestellten des Kontrollbureaus Basel, nach St. Louis (Frankreich) kommen, wo er ihn dazu überredete, einen Beamten des Kontrollbureaus Basel zu veranlassen, die Passverlängerung heimlich vorzunehmen. Buser war damit einverstanden und bestimmte nach seiner Rückkehr den Aktuar des Kontrollbureaus, Frei, im abgelaufenen Pass Novics die erforderlichen Verlängerungsstempel anzubringen. Frei führte die Eintragungen am 17. September 1950 aus. Nach Empfang des abgeänderten Passes beauftragte Novic in Frankreich einen Dritten mit der handschriftlichen Vervollständigung des Verlängerungsvermerks, insbesondere durch Beifügung der Unterschrift des Vorstehers des Kontrollbureaus. Novic wurde im August 1952 zur Erstehung der 1948 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von Frankreich den schweizerischen Behörden ausgeliefert. Am 18. Februar 1953 wurde er bedingt aus dem Gefängnis entlassen und für ein Jahr unter Probe gestellt. B.- Am 25. Januar 1955 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Frei wegen Urkundenfälschung ( Art. 317 StGB ) und Begünstigung ( Art. 305 StGB ), Buser wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung und wegen Begünstigung zu je einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen und Novic wegen Anstiftung eines Beamten zur Urkundenfälschung zu 6 Monaten Gefängnis. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte dieses Urteil am 8. Juli 1955. C.- Buser und Novic erklärten die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Beide beantragen, es sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung, BGE 81 IV 285 S. 287 eventuell zur Verurteilung wegen Anstiftung zur Fälschung eines Ausweises nach Art. 252 StGB , an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt schliesst auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerden. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: I.1. (Ausführungen darüber, dass Frei durch Anbringen der für die Passverlängerung erforderlichen Stempelabdrücke als Mittäter eine Urkundenfälschung begangen hat und Buser wegen Anstiftung dazu strafbar ist). I.2. Art. 252 StGB privilegiert die Fälschung von Ausweisen insoweit, als der Täter lediglich beabsichtigt, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern. Handelt er in der Absicht, jemanden zu schädigen oder einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, so ist Art. 251 StGB auch auf den Tatbestand der Fälschung von Ausweisen anwendbar. Art. 252 StGB kann ferner nur zur Anwendung kommen, wenn der Täter überhaupt den allgemeinen Bestimmungen über die Urkundenfälschungen des 11. Titels des StGB unterworfen ist. Diesen geht die Sonderbestimmung des Art. 317 StGB vor. Sie bestraft die von einem Beamten begangene Urkundenfälschung ohne Rücksicht auf dessen Absicht; denn diese Handlung ist ein Verbrechen gegen die Amtspflicht, verletzt also ein Rechtsgut, das durch die Art. 251 f. StGB nicht geschützt wird. Die Vorinstanz hat deshalb Frei zu Recht wegen Urkundenfälschung nach Art. 317 StGB verurteilt, falls er als Beamter gehandelt hat. Nach Art. 317 StGB sind strafbar "Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen...". Diese Bestimmung trifft nach der Überschrift zum 18. Titel des StGB nur auf Fälschungen zu, die ein Beamter in Verletzung seiner Amtspflicht begeht. Ihre Anwendbarkeit setzt aber nicht BGE 81 IV 285 S. 288 voraus, dass es sich um eine Urkunde handle, deren Herstellung oder Abänderung normalerweise zum Aufgabenbereich des Täters gehört. Eine derartige Beschränkung kann dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Sie hätte zur Folge, dass die vorliegende Verfälschung nur dann unter Art. 317 StGB fiele, wenn die beanstandete Eintragung durch einen Beamten gemacht worden wäre, dessen Funktion gerade in der Anbringung des Verlängerungsvermerks bestand. Es wäre jedoch stossend, wenn die von einem andern Beamten des gleichen Dienstzweiges begangene Tat einzig deshalb milder bestraft würde, weil er mit einer andern Aufgabe betraut ist. Entscheidend für die Anwendung des Art. 317 StGB kann nur sein, dass der Beamte zur Begehung einer Urkundenfälschung seine Amtspflicht missbraucht, zwischen der von ihm begangenen Fälschung und seinem Amt ein enger Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Frei waren die Stempel des Kontrollbureaus kraft seiner Stellung als Aktuar dieses Amtes zugänglich, und er hat sie in dieser Eigenschaft missbraucht. Nicht stichhaltig ist deshalb der Einwand des Beschwerdeführers, die Stellung des Frei sei mit derjenigen einer Putzfrau vergleichbar, die in einem ihr zugänglichen Amtsraum amtliche Stempel missbräuchlich verwendet. Unerheblich ist auch, dass Frei sich nicht am eigenen Arbeitsplatz der Stempel bedienen konnte, sondern sich an eine andere Stelle des Schalterraumes, in dem er arbeitete, begeben musste. I.3. Streitig ist, ob Art. 317 StGB auch auf den nicht qualifizierten Anstifter anwendbar ist oder ob es sich bei der Beamteneigenschaft um einen besondern persönlichen Umstand im Sinne des Art. 26 StGB handelt, der nur die Strafbarkeit der Tat desjenigen erhöht, bei dem er vorliegt. Nach herrschender Auffassung findet Art. 26 StGB keine Anwendung auf reine Sonderdelikte (z.B. Art. 313), weil die für die Erfüllung dieser Tatbestände geforderten Eigenschaften oder Umstände die Strafbarkeit überhaupt erst begründen; dagegen wird die Anwendbarkeit des BGE 81 IV 285 S. 289 Art. 26 StGB auf unechte Sonderdelikte (z.B. Art. 317), also Handlungen, die allgemein unter Strafe gestellt und nur unter bestimmten Umständen einer besondern Strafdrohung unterworfen sind, bejaht. Daraus wird gefolgert, der nicht qualifizierte Anstifter (und Gehilfe) unterstehe im ersten Fall der auf den Täter anwendbaren Sondernorm, im zweiten aber der der Sondernorm entsprechenden allgemeinen Strafbestimmung. Allein diesen Schluss rechtfertigt nicht die Tatsache, dass die Beamteneigenschaft des Täters beim reinen Sonderdelikt ein die Strafbarkeit begründendes und beim unechten Sonderdelikt nur ein strafschärfendes Element ist. Sie erklärt nicht, weshalb derselbe besondere Umstand z.B. dem Anstifter zur Gebührenüberforderung (Art. 313) schaden, das Verschulden und die Strafe des Anstifters zur Beamtenurkundenfälschung dagegen nicht beeinflussen soll. Wenn ein Nichtbeamter einen Beamten zu einem Sonderdelikt anstiftet, so ist das Verschulden des Anstifters dasselbe, ob der Umstand der Beamteneigenschaft konstitutive oder nur strafschärfende Wirkung besitzt; ihn in den beiden Fällen ungleich zu behandeln, ist nicht begründet. Geht man mit der Lehre, dem Grundsatz der Akzessorietät folgend, davon aus, dass der Anstifter zu einem echten Sonderdelikt wie der Täter bestraft wird, so drängt sich logischerweise die gleiche Lösung auch im Falle der Anstiftung zu einem unechten Sonderdelikt auf. Dieser Grundsatz widerspricht der geltenden Ordnung nicht, wenn die Beamteneigenschaft ein Umstand sachlicher und nicht persönlicher Natur ist; Art. 26 StGB bildet dann keinen Hinderungsgrund, den nicht ausgezeichneten Teilnehmer auch in den Fällen unechter Sonderdelikte der gleichen Strafe zu unterziehen, die den Täter trifft. Sachliche Umstände unterscheiden sich von den persönlichen dadurch, dass sie nicht die Besonderheit des Täters kennzeichnen, sondern die objektive Schwere der Tat verändern. Bei den Amtsdelikten erhöht nicht die Beamteneigenschaft als solche die Strafbarkeit; es ist vielmehr der BGE 81 IV 285 S. 290 Umstand, dass sie unter missbräuchlicher Verwendung der den Beamten vom Staat verliehenen Amtsgewalt begangen werden. Die mittels solcher Befugnisse verübte Urkundenfälschung verletzt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Echtheit der Urkunden, sondern auch das besondere Vertrauen, das sie den Amtshandlungen des Staates entgegenbringt, und ebenso das Interesse des Staates an einer zuverlässigen Amtsführung seiner Beamten. Die Urkundenfälschung des Beamten ist objektiv schwerer und wirksamer als diejenige eines Nichtbeamten; es ist deshalb der in Art. 317 geforderte besondere Umstand ein sachlicher und folglich billig, dass auch der Anstifter schwerer bestraft wird. Buser ist demnach zu Recht auf Grund von Art. 317 StGB verurteilt worden. II.1. Novic bestreitet, dass die Voraussetzungen zur Verfolgung und Beurteilung seiner Tat durch die schweizerischen Behörden erfüllt seien. In erster Linie macht er geltend, die Tat sei in Frankreich begangen worden und unter den Auslieferungsdelikten des französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages nicht aufgeführt, so dass das schweizerische Strafrecht auf ihn nicht anwendbar sei ( Art. 6 StGB ). Im weitern bringt er vor, eine Verurteilung hätte auch nicht ausgesprochen werden dürfen, weil er einzig zur Verbüssung der 1948 über ihn verhängten Strafe ausgeliefert worden und die Wirkung der Spezialität nicht dahingefallen sei. a) Der Grundsatz der Spezialität, wonach die Auslieferung an die Bedingung geknüpft ist, dass der Ausgelieferte für kein anderes (vor der Auslieferung begangenes) Delikt verfolgt oder bestraft werden dürfe als für dasjenige, wegen welchem die Auslieferung bewilligt wurde, wird sowohl im schweizerischen Auslieferungsgesetz von 1892 (Art. 7) als auch im französisch-schweizerischen Auslieferungsvertrag von 1869 (Art. 8) ausdrücklich anerkannt. BGE 81 IV 285 S. 291 Der Vertrag, der für die Auslieferung eines Verbrechers von Frankreich in die Schweiz massgebend ist, lässt eine Ausnahme vom Grundsatz der Spezialität nur in zwei Fällen zu, nämlich, wenn der Angeklagte ausdrücklich und freiwillig seine Zustimmung dazu gegeben und der ausliefernde Staat davon Kenntnis erhalten hat, und ferner, wenn vorher die Einwilligung der ausliefernden Regierung eingeholt worden ist und ein Auslieferungsdelikt im Sinne des Vertrages vorliegt. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages hätte die Nichtzustimmung des Angeklagten oder die Unmöglichkeit, mangels Vorliegens eines Auslieferungsdelikts die Einwilligung des ausliefernden Staates einzuholen, zur Folge, dass sich der Ausgelieferte ohne zeitliche Beschränkung auf den Grundsatz der Spezialität berufen könnte. Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung kann aber nicht sein, dem Ausgelieferten auf unbestimmte Zeit Straffreiheit für alle von ihm vor der Auslieferung begangenen, nicht zu den Auslieferungsdelikten gehörenden Straftaten zu garantieren. Der Schutz vor der Bestrafung für früher begangene Straftaten, den die Spezialität gewährt, kann nicht unbefristet andauern. Schweigt der Auslieferungsvertrag zur Frage der Dauer der Spezialität, wie im vorliegenden Fall, so ist sie auf Grund der staatlichen Gesetze zu lösen. Da das schweizerische und französische Auslieferungsgesetz übereinstimmend eine Schonfrist von einem Monat vorsehen, ist die analoge Anwendung dieser Fristbestimmung auf französisch-schweizerische Auslieferungsfälle gerechtfertigt. Ist davon auszugehen, dass Novic am 18. Februar 1954 endgültig aus der Strafverbüssung entlassen worden ist und innert Monatsfrist die Schweiz nicht verlassen hat, so stand der Grundsatz der Spezialität seiner Verfolgung nicht im Wege. b) Nach Art. 7 StGB gilt ein Verbrechen oder Vergehen als da verübt, wo der Täter es ausführt, als auch dort, wo der Erfolg eingetreten ist. Diese Bestimmung gilt auch für die Anstiftung. Sie setzt nach Art. 24 Abs. 1 StGB voraus, BGE 81 IV 285 S. 292 dass der Anstifter einen andern zu dem von ihm "verübten" Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat. Vollendete Anstiftung liegt demnach nur vor, wenn der Angestiftete die Tat, zu der er bestimmt wurde, ausgeführt oder zum mindesten zu verwirklichen versucht hat. Zum Erfolg der Anstiftung gehört also nicht nur, dass es dem Anstifter gelungen ist, im andern den Willen zur Tatbegehung hervorzurufen, sondern auch, dass der Angestiftete mit der Ausführung der Tat begonnen hat. Ohne das letztere wäre der zur Vollendung der Anstiftung erforderliche Erfolg nicht abgeschlossen ( Art. 22 Abs. 1 StGB ). Buser hat zwar den Entschluss, Frei zur Verfälschung des Passes zu veranlassen, in Frankreich gefasst, ihn aber erst in der Schweiz ausgeführt. Ist somit der Erfolg der von Novic begangenen Anstiftung auch in der Schweiz eingetreten, so gilt nach Art. 7 StGB seine Tat auch als dort verübt. Sie ist daher nach schweizerischem Recht zu beurteilen und unterliegt gemäss Art. 24 Abs. 1 StGB der Strafandrohung, die auf den angestifteten Buser Anwendung findet. Ob sie als Anstiftung zu der von Buser begangenen Anstiftung oder als indirekte Anstiftung zu der von Frei verübten Urkundenfälschung bezeichnet wird, ändert am Ergebnis nichts. ...
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Sachverhalt ab Seite 269 BGE 97 I 268 S. 269 Gekürzter Tatbestand: A.- Mit Vertrag vom 2. Juli 1965 räumte Fritz Singeisen Dr. W.A. Marti ein zeitlich unbeschränktes Kaufsrecht an seinen im Grundbuchkreis Gelterkinden gelegenen Grundstücken Nr. 1615 und 2533 ein, das für zehn Jahre im Grundbuch vorgemerkt wurde. Der Kaufpreis für die beiden 4738 m2 und 5070 m2 messenden Parzellen wurde auf Fr. 35.- pro m2 oder insgesamt Fr. 343'280.-- festgesetzt. In Ziffer 1 der Vertragsbestimmungen wurde u.a. folgendes vereinbart: "Der Grundstückeigentümer ermächtigt hiemit den Kaufsberechtigten bzw. die vom Kaufsberechtigten bezeichnete natürliche oder juristische Person unwiderruflich heute schon, anlässlich der Geltendmachung des Rechtes die Eigentumsübertragung beim Grundbuchamt Sissach allein und einseitig zu beantragen." Am 6. März 1970 sprach der Vertreter des Dr. Marti beim zuständigen Grundbuchamt Sissach vor und versuchte, gestützt auf den Kaufsrechtsvertrag und eine Ausübungserklärung den Eigentumsübergang zur Eintragung im Grundbuch anzumelden. Da jedoch verschiedene hiefür erforderliche Unterlagen fehlten, wie insbesondere die Bewilligung der Landwirtschaftsdirektion BGE 97 I 268 S. 270 für die Veräusserung der beiden Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist des Art. 218 OR , wurde diese Anmeldung an jenem Tag noch nicht entgegengenommen, sondern erst am 12. März 1970, nachdem die betreffenden Unterlagen beim Grundbuchamt eingegangen waren. Am 7. März 1970 war aber F. Singeisen, der Eigentümer der mit dem Kaufsrecht belasteten Liegenschaften, gestorben. Über seinen von den Erben ausgeschlagenen Nachlass wurde am 21. Juli 1970 der Konkurs eröffnet. B.- Mit Verfügung vom 29. Juli 1970 wies das Grundbuchamt Sissach die Anmeldung zur Eigentumsübertragung ab mit der Begründung, die Dr. Marti im Kaufsrechtsvertrag erteilte Vollmacht sei mit dem Tod des Eigentümers der Grundstücke erloschen und von dessen Erben sei keine Ermächtigung zur Ammeldung der Eigentumsübertragung erteilt worden. Hiegegen beschwerte sich Dr. Marti beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft als kantonaler Aufsichtsbehörde über die Grundbuchverwalter. Er machte geltend, die ihm erteilte Ermächtigung zur Vornahme der Grundbuchanmeldung habe über den Tod des Vollmachtgebers hinaus Geltung gehabt; das Grundbuchamt hätte im übrigen bereits am 6. März 1970, also am Tage vor dem Tod des Eigentümers Singeisen, im Tagebuch vorsorglich von der Anmeldung Notiz nehmen sollen, auch wenn die erforderlichen Unterlagen damals noch nicht vorgelegen hätten. Der Regierungsrat wies die Beschwerde am 25. August 1970 ab. C.- Dr. Marti ficht diesen Entscheid mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an und stellt den Antrag, das Grundbuchamt Sissach sei anzuweisen, ihn als Eigentümer der Grundstücke Nr. 1615 und 2533 in das Grundbuch Gelterkinden einzutragen. D.- In ihren Vernehmlassungen beantragen der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und das Konkursamt Liestal, dieses für die Konkursmasse des F. Singeisen, die Abweisung der Beschwerde; den gleichen Antrag stellt das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 103 Abs. 1 und 4 der Grundbuchverordnung (GBV) ist gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler BGE 97 I 268 S. 271 Aufsichtsbehörden in Grundbuchsachen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht möglich, sofern die Anmeldung einer Eintragung abgewiesen wird. Das OG erwähnte diesen Beschwerdefall in seiner Fassung vom 16. Dezember 1943 denn auch ausdrücklich in Art. 99 I lit. c, währenddem es in seiner heutigen, seit dem 1. Oktober 1969 in Kraft stehenden Fassung eine solche Weiterzugsmöglichkeit nicht mehr besonders aufführt. Art. 97 Abs. 1 OG bezeichnet als Anfechtungsobjekt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lediglich Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, d.h. Anordnungen von Behörden, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen. Wollte man daraus ableiten, die Entscheide der Aufsichtsbehörden in Registersachen könnten nicht mehr mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden, weil sie sich nicht auf öffentliches, sondern auf privates Recht des Bundes stützten, so würde damit im Vergleich zum früheren Recht eine klare Einschränkung der Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht herbeigeführt. Die Gesetzesnovelle vom 20. Dezember 1968 wollte aber grundsätzlich gerade das Gegenteil, nämlich einen Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde, erreichen (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung BBl 1965 Bd. II S. 1265 ff.; BGE 96 I 410 Erw. 2 d). Zudem kann nicht gesagt werden, die Bestimmungen über das Grundbuchwesen stützten sich auf Bundesprivatrecht. Materiell regeln sie nämlich Bundesverwaltungsrecht, auch wenn sie im ZGB enthalten sind (vgl. BGE 96 I 409 Erw. 2 c und das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 12. November 1970 i.S. C., S. 4). Das Bundesgericht ist daher auch nach der heutigen Fassung des OG zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. 2. Der Beschwerdeführer berief sich bei der Anmeldung der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch auf die ihm hiefür vom Eigentümer Singeisen im Kaufsrechtsvertrag erteilte Ermächtigung. Nachdem die Anmeldung abgewiesen worden war, erachtete er sich als legitimiert, in seinem eigenen Namen und nicht etwa als Vertreter der Eigentümerschaft Beschwerde zu erheben. Obwohl weder die Vorinstanzen noch die Beschwerdegegnerin die Legitimation des Dr. Marti zur Beschwerdeführung verneinten, hat das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen, ob dieser berechtigt war, in seinem Namen eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzureichen. BGE 97 I 268 S. 272 In einem nicht veröffentlichten Urteil vom 19. Oktober 1967 in Sachen S. und A. gegen Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern hat das Bundesgericht die Legitimation des Grundstückerwerbers zur Beschwerdeführung gegen einen die Abweisung der Grundbuchanmeldung bestätigenden Entscheid verneint. Es hielt dafür, der Erwerber, welcher vom Verkäufer in der öffentlichen Urkunde zur Anmeldung des Eigentumsübergangs beim Grundbuchamt ermächtigt worden war, handle nicht kraft eigenen Rechtes, sondern als Stellvertreter des Verfügungsberechtigten; er könnte sich demzufolge gegen eine abweisende Verfügung nur im Namen und im Auftrag des Vollmachtgebers beschweren. Nach Art. 103 Abs. 1 GBV steht indessen das Recht zur Beschwerdeführung dem Anmeldenden zu. Dieser Wortlaut schliesst nicht aus, auch den sich auf eine Vollmacht des Verfügungsberechtigten stützenden Vertreter als beschwerdelegitimiert zu betrachten. Art. 103 OG bezeichnet in lit. a als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerdelegitimation ist damit recht weit gefasst. Dass der Beschwerdeführer Marti, dessen Anmeldung mangels genügender vollmacht abgewiesen wurde, im Sinne von Art. 103 lit. a OG durch die angefochtene Verfügung berührt ist, lässt sich nicht bestreiten. Er wird durch die Nichtanerkennung der Vollmacht in seiner Stellung als Vertreter getroffen und macht somit in erster Linie eigene Interessen geltend, wenn er sich gegen die Abweisung der von ihm abgegebenen Anmeldung zur Wehr setzt. Sein Interesse an der Anfechtung hat auch als schutzwürdig zu gelten, wenn berücksichtigt wird, was für ihn dabei auf dem Spiel steht. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. 3. Hingegen stellt sich die Frage, ob die Beschwerde, soweit damit geltend gemacht wird, das Grundbuchamt hätte die Anmeldung des Eigentumsübergangs bereits unter dem Datum des 6. März 1970 im Tagebuch eintragen oder wenigstens im Sinne von Art. 966 Abs. 2 ZGB vorläufig vormerken sollen, nicht verspätet ist. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren und Art. 97 Abs. 2 OG hätte die Weigerung des Grundbuchamtes, auf das Gesuch des Beschwerdeführers hin tätig zu werden, als selbständig anfechtbare BGE 97 I 268 S. 273 Verfügung zu gelten. Da eine Anfechtung innert Frist nicht erfolgte, wäre die Beschwerde in diesem Punkt grundsätzlich als verspätet zu betrachten. Nun sieht jedoch Art. 104 GBV ausdrücklich vor, gegen die Weigerung des Grundbuchverwalters, eine Anmeldung entgegenzunehmen, könne ohne Einhaltung einer besondern Frist Beschwerde geführt werden. Diese den sonst geltenden Grundsätzen vorgehende Spezialbestimmung beruht auf der in Art. 24 GBV enthaltenen Regelung, nach welcher der Anmeldende einen Rechtsanspruch auf förmliche Abweisung seiner Anmeldung besitzt, sofern diese den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht (vgl. BGE 56 I 199 ; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters nach schweizerischem Recht, S. 53; ANDERMATT, Die grundbuchliche Anmeldung nach schweizerischem Recht, S. 206; WESPI, Die Beschwerde in Grundbuchsachen, S. 68/69). Auf die Beschwerde wäre somit unter dem Gesichtspunkt ihrer Rechtzeitigkeit an sich einzutreten, soweit damit gerügt wird, dass das Grundbuchamt die Anmeldung am 6. März 1970 nicht entgegengenommen und keinen förmlichen Entscheid darüber gefällt habe. Nachdem jedoch das Grundbuchamt am 12. März 1970 eine Verfügung über die inzwischen vervollständigte Anmeldung getroffen und diese abgewiesen hat, ist eine Aufsichtsbeschwerde gemäss Art. 104 GBV überflüssig geworden; denn der Beschwerdeführer kann nicht auf dem Wege einer unbefristeten Beschwerde im Sinne von Art. 104 GBV beantragen, die gewünschte Eintragung sei im Grundbuch auf einen Zeitpunkt hin vorzunehmen oder wenigstens vorläufig vorzumerken, der vor der Entgegennahme seiner - in der Folge abgewiesenen - Anmeldung durch das Grundbuchamt liegt. In diesem Sinne ist an der vom Bundesrat und vom Bundesgericht vertretenen Auffassung festzuhalten, dass die allgemeine Aufsichtsbeschwerde gemäss Art. 104 GBV nicht mit der speziellen Beschwerde des Art. 103 GBV verbunden werden kann (ZBGR 14 S. 272 f. N. 78 = SJZ 14 S. 176 Ziff. 142; BGE 85 I 167 ; vgl. die von WESPI an dieser Praxis geübte Kritik, a.a.O. S. 64 f.). Wenn der Beschwerdeführer die Nichtanhandnahme der am 6. März 1970 erfolglos versuchten Anmeldung als ungerechtfertigt betrachtet, ist er auf die Möglichkeit einer Verantwortlichkeits- und Schadenersatzklage gegen den zuständigen Grundbuchverwalter zu verweisen, zu deren Behandlung allein die Gerichte zuständig sind (ZBGR BGE 97 I 268 S. 274 14 S. 273 = SJZ 14 S. 176 Ziff. 142). Auf die Beschwerde ist daher in diesem Punkt nicht einzutreten. Es mag im übrigen beigefügt werden, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch am 6. März 1970 offensichtlich noch nicht erfüllt waren, nachdem insbesondere die Bewilligung der kantonalen Landwirtschaftsdirektion für die Veräusserung der Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist des Art. 218 OR damals noch ausstand; sie datiert erst vom 11. März 1970. Ein genügender Ausweis über den Rechtsgrund für die Eintragung im Sinne von Art. 965 ZGB lag somit noch nicht vor. 4. Was die Abweisung der vom Grundbuchamt am 12. März 1970 entgegengenommenen Anmeldung anbetrifft, ist streitig, ob die dem Beschwerdeführer im Kaufsrechtsvertrag erteilte Ermächtigung zur Grundbuchanmeldung über den - am 7. März 1970 eingetretenen - Tod des Kaufsrechtsgebers hinaus gültig war. In der Literatur ist vereinzelt die Auffassung vertreten worden, dass eine Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus im Grundbuchverkehr überhaupt als unzulässig zu betrachten sei (NUSSBAUM, Beiträge zum Notariats- und Grundbuchrecht, ZBGR 33 (1952) S. 108 ff.). Das Bundesgericht hat diese Frage bisher noch nie entschieden. Sie kann auch hier offen gelassen werden, wenn mit dem Grundbuchamt Sissach und der kantonalen Aufsichtsbehörde angenommen wird, dass die dem Beschwerdeführer im Kaufsrechtsvertrag erteilte Vollmacht mit dem Tode von F. Singeisen erloschen ist. Sollte nämlich eine Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus im Grundbuchverkehr grundsätzlich zulässig sein, stellte sich hier die weitere Frage, ob eine solche Vollmacht ausdrücklich als vererblich gekennzeichnet sein müsse oder ob sich ihre Weitergeltung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus auch aus der Natur des Geschäftes ergeben könne, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 35 Abs. 1 OR behauptet. Die Übertragung dieser obligationenrechtlichen Regel auf das Grundbuchrecht ist deshalb nicht selbstverständlich, weil nicht ohne weiteres ersichtlich ist, wie in einem solchen Fall der gemäss Art. 965 Abs. 2 ZGB erforderliche Nachweis geleistet werden soll, dass der Anmeldende von der nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigten Person eine (über deren Tod hinaus gültige) Vollmacht erhalten hat. Diese Frage grundsätzlicher BGE 97 I 268 S. 275 Natur braucht aber ebenfalls nicht entschieden zu werden, wenn mit den kantonalen Instanzen davon auszugehen ist, dass sich die Fortdauer der von F. Singeisen erteilten Vollmacht über dessen Tod hinaus aus der Natur des betreffenden Geschäftes gar nicht ableiten lasse. Aus der Natur des Geschäftes lässt sich auf den Fortbestand einer Vollmacht schliessen, wenn diese in einem Betrieb oder Gewerbe erteilt ist, welches durch den Tod des Vollmachtgebers keine sofortige Unterbrechung erleidet, oder wenn es sich um Geschäfte handelt, die nach dem Tod des Vollmachtgebers zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werden müssen (VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, I. Halbband, S. 321). Das gleiche gilt, wenn eine Unterbrechung der Geschäftsführung dem Vollmachtgeber oder seinen Erben zum Schaden gereichen würde und sie selbst nicht rechtzeitig verfügen können (BECKER, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 35 OR ; MÜLLER, Vererbliche Vollmacht, SJZ 43 (1947) S. 317). Danach sind für die Annahme der Vererblichkeit einer Vollmacht grundsätzlich die Interessen des Vollmachtgebers und seiner Erben massgebend. Diese Betrachtungsweise erscheint als gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass eine Vollmacht einseitig auf dem Willen des Vollmachtgebers beruht (vgl. VON TUHR/SIEGWART, a.a.O., S. 309) und daher gemäss Art. 34 Abs. 1 OR jederzeit widerrufen werden kann (und zwar nach Art. 34 Abs. 2 OR selbst bei zum voraus erklärtem Verzicht auf dieses Recht). Demnach ist Zurückhaltung am Platz, auf die Vererblichkeit einer Vollmacht zu schliessen, wenn im Interesse des Vertreters Verfügungen getroffen werden sollen, die unwiderruflich in die Rechtsverhältnisse der Erben eingreifen (BÖCKLI, Die vererbliche Vollmacht, SJZ 19 S. 145 f.). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Von der in erster Linie massgebenden Interessenlage des Vollmachtgebers und seiner Erben aus betrachtet ist daher die Vererblichkeit der Vollmacht auf Grund der Natur des Geschäftes zu verneinen. Selbst wenn man aber vor allem die Interessenlage auf Seiten des Vertreters berücksichtigen wollte, könnte nicht gesagt werden, das der Bevollmächtigung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, d.h. der Kaufsrechtsvertrag, spreche zwingend für die Fortdauer der Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Das dem Beschwerdeführer eingeräumte Kaufsrecht war zeitlich nicht begrenzt; es dauerte denn auch mehrere BGE 97 I 268 S. 276 Jahre, bis es ausgeübt wurde. Es handelte sich somit um ein auf längere Sicht eingegangenes Rechtsgeschäft, mit dessen Verwirklichung vor dem Ableben des Kaufsrechtsgebers in keiner Weise zum voraus gerechnet werden konnte. Unter diesen Umständen hätte die Vererblichkeit der Vollmacht ausdrücklich vorgesehen werden müssen, wenn sie von den Vertragspartnern wirklich beabsichtigt gewesen wäre. Ergibt sich jedoch aus der Natur des Geschäftes nicht eindeutig, dass die Vollmacht den Tod des Vollmachtgebers überdauern sollte, ist die Beschwerde abzuweisen, ohne dass näher geprüft werden müsste, ob es eine vererbliche Vollmacht im Verkehr mit dem Grundbuchamt überhaupt gibt, und wenn ja, ob nicht eine solche Vollmacht die Weitergeltung nach dem Tode des Vollmachtgebers ausdrücklich vorsehen müsste.
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Erwägungen ab Seite 518 Aus den Erwägungen: 3. Die Vorinstanz qualifizierte das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien als Agenturvertrag im Sinne von Art. 418a ff. OR . Diese BGE 136 III 518 S. 519 Qualifikation blieb hier unbestritten, so dass die strittigen Fragen auch im vorliegenden Verfahren ohne Prüfung der Rechtsnatur des Vertrages (vgl. BGE 129 III 664 E. 3.1; BGE 84 II 493 E. 2 S. 496) nach Agenturvertragsrecht zu beurteilen sind (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 4. Ein Agenturvertrag kann aus wichtigen Gründen sowohl vom Auftraggeber als auch vom Agenten jederzeit mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden ( Art. 418r Abs. 1 OR ). Art. 418r Abs. 2 OR verweist für die Kündigung des Agenturvertrages aus wichtigen Gründen auf "die Bestimmungen über den Dienstvertrag", d.h. über den Arbeitsvertrag ( Art. 337 ff. OR ). Nach Art. 337 Abs. 2 OR gilt als wichtiger Grund namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen ( Art. 337 Abs. 3 OR ). (...) 4.4 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung äusserte sich zur Frage der Weisungsgebundenheit des Agenten bisher nur im Rahmen der Abgrenzung des Agenturvertrages gegenüber dem Arbeitsvertrag, insbesondere in seiner Form als Handelsreisendenvertrag (vgl. BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 667). Insoweit hielt das Bundesgericht fest, dass zwischen den Vertragsparteien des Agenturvertrags, im Gegensatz zu denen des Arbeitsverhältnisses, kein Subordinationsverhältnis besteht und dass der Arbeitnehmer im Gegensatz zum Agenten an Instruktionen und Weisungen des Vertragspartners gebunden ist ( BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 668; BGE 99 II 314 ). In einem neueren Entscheid führte das Bundesgericht sodann präzisierend aus, es sei zwar für das Bestehen eines Subordinationsverhältnisses entscheidend, dass der Arbeitnehmer in eine fremde, hierarchische Arbeitsorganisation eingegliedert werde und damit von bestimmten Vorgesetzten Weisungen erhalte. Die Schwierigkeit liege allerdings darin, dass auch bei anderen Verträgen auf Arbeitsleistung, zum Beispiel beim Auftrag, ein Weisungsrecht bestehe. Es komme deshalb auf das Mass der Weisungsgebundenheit an. Im konkreten Fall schloss das Bundesgericht angesichts einer schwach ausgeprägten Weisungsgebundenheit, des hohen Masses an Selbständigkeit des Beauftragten in der Ausführung seiner Arbeit im Bereich der Finanz- und Wirtschaftsberatung sowie in Berücksichtigung aller weiteren massgeblichen Umstände (insbesondere keine Eingliederung in eine fremde BGE 136 III 518 S. 520 Arbeitsorganisation in zeitlicher und örtlicher Hinsicht, weitgehend fehlende wirtschaftliche Abhängigkeit) auf das Vorliegen eines Auftrags bzw. Agenturvertrags, wenn auch der Beauftragte regelmässige Besprechungen mit der Geschäftsführung der Auftraggeberin an deren Sitz hatte und verpflichtet war, sämtliche Arbeitsunterlagen der Beklagten zur Verfügung zu halten, damit diese ein einheitliches Auftreten kontrollieren konnte; ferner bestanden klare Weisungen bezüglich des Datenschutzes und der Vorkehren gegen Geldwäscherei, wobei sich dies zwingend aus der Art der Geschäfte und den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen ergab (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.3 und 5). In der Literatur besteht soweit ersichtlich Einigkeit darüber, dass der Agent zwar in einem gewissen Mass weisungsgebunden ist und die übernommenen Geschäfte vertragsgemäss und weisungsgemäss zu besorgen hat (GEORG GAUTSCHI, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1964, N. 6a zu Art. 418c OR ; DOMINIQUE DREYER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 9 f. zu Art. 418c OR ; vgl. auch ANDRÉ THOUVENIN, Das Agenturvertragsrecht in der Schweiz, in: Internationales Handelsrecht 5/2007 S. 193; ERNST SONTAG, Kommentar zum Bundesgesetz über den Agenturvertrag, 1949, N. 1 zu Art. 418a OR ; GUIDO MEISTER, Bundesgesetz über den Agenturvertrag, 1949, S. 23). Dabei sind auch einseitige Ausführungsanweisungen des Auftraggebers möglich, namentlich was die Einhaltung der Vertrags- und Zahlungsbedingungen für die vermittelten Geschäfte angeht. Dem Weisungsrecht im Agenturvertrag sind indessen relativ enge Grenzen gezogen, ist doch der Agent selbständiger Gewerbetreibender und kommt er für die Kosten seines Geschäftsbetriebes selber auf. Oneröse Weisungen, insbesondere solche, die dem Agenten die Erreichung des Auftragserfolgs erschweren, sind unzulässig (GAUTSCHI, a.a.O., N. 6a und c zu Art. 418c OR ; SUZANNE WETTENSCHWILER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 3 zu Art. 418c OR ; DREYER, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 418c OR ). Organisatorisch ist der Agent weisungsungebunden, verfügt über seine Arbeitszeit frei, beschäftigt eigenes Hilfspersonal oder beauftragt in den Schranken von Art. 399 Abs. 2 OR Unteragenten. Diese Freiheit findet ihre Grenzen in der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftserledigung sowie in Parteivereinbarungen (WETTENSCHWILER, a.a.O., N. 3 zu Art. 418a OR ; THEODOR BÜHLER, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2000, N. 17 und 32 zu Art. 418a OR ; GAUTSCHI, a.a.O., N. 6 zu Art. 418c OR ; MEISTER, a.a.O., S. 23). BGE 136 III 518 S. 521 Von der Weisungsgebundenheit ist die Treuepflicht zu unterscheiden, die namentlich in Art. 418c OR umschrieben und begrenzt wird. Danach hat der Agent die Interessen des Auftraggebers (mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes) zu wahren ( Art. 418c Abs. 1 OR ). Sofern nichts anderes schriftlich vereinbart ist, darf er auch für andere Auftraggeber tätig sein ( Art. 418c Abs. 2 OR ). Die gesetzliche Treuepflicht kann dem Agenten aber insbesondere verbieten, für einen Konkurrenten des Auftraggebers tätig zu werden oder den Auftraggeber selber zu konkurrenzieren. Ferner ist ihm verboten, eine Doppelvermittlung zu betreiben (Provisionsbezug sowohl vom Auftraggeber als auch vom Kunden). Sodann gebietet ihm die Treuepflicht, Interessenkollisionen zu vermeiden oder bei solchen sein Interesse vor dem des Auftraggebers zurücktreten zu lassen (WETTENSCHWILER, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 418c OR ; DREYER, a.a.O., N. 14 f. zu Art. 418 OR ; GAUTSCHI, a.a.O., N. 3c zu Art. 418c OR und N. 4c zu Art. 418d OR ; BÜHLER, a.a.O., N. 5 zu Art. 418c OR ; PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse, 2. Aufl. 2000, S. 543 Ziff. 3 und S. 545 Ziff. 10; TERCIER/FAVRE/CONUS, Les contrats spéciaux, 4. Aufl. 2009, Rz. 5745 ff.; SONTAG, a.a.O., N. 11 zu Art. 418a OR , N. 1 zu Art. 418c OR und Kommentierung zu Abs. 2 von Art. 418c OR ). Aus der Treuepflicht des Agenten lässt sich dagegen nicht auf eine weitere Weisungsgebundenheit schliessen, als sie vorstehend umschrieben wurde. Es bleibt somit auch bei Berücksichtigung der Treuepflicht des Agenten dabei, dass den Weisungsbefugnissen des Auftraggebers im Rahmen des Agenturvertrags enge Grenzen gezogen sind. Insbesondere ist es ohne gegenteilige Parteivereinbarung Sache des Agenten, auf welche Weise er für den Auftraggeber Geschäfte vermittelt, und muss er sich die zu verfolgende Strategie nicht vom Auftraggeber vorschreiben lassen. Ebenso wenig kann vom Agenten verlangt werden, gegen seinen Willen mit einer neu geschaffenen Verkaufsorganisation des Auftraggebers zusammenzuarbeiten, wie dies der Beschwerdeführerin nach ihren Vorbringen im vorinstanzlichen Verfahren vorschwebt, wenn dies im Vertrag nicht vorgesehen ist. Darin läge ein nicht unerheblicher Eingriff in seine Freiheit zur organisatorischen und zeitlichen Gestaltung seiner Tätigkeit oder gar eine mehr oder weniger starke Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Dies ist dem Agenturvertrag fremd und braucht sich der Agent nicht gefallen zu lassen. Da der Beschwerdegegner nach den vorinstanzlichen Feststellungen keine vertragliche Verpflichtung eingegangen war, sich an einer neuen BGE 136 III 518 S. 522 Vermarktungsstrategie der Beschwerdeführerin für das B.-Produkt zu beteiligen und mit deren hierfür geschaffenen Verkaufsorganisation zusammenzuarbeiten oder sich in eine solche einbetten zu lassen, kann ihm keine Vertragsverletzung vorgeworfen werden, wenn er eine entsprechende Zusammenarbeit verweigerte. Dies erkannte die Vorinstanz zu Recht. Der Beschwerdeführerin wäre es bei Vertragsabschluss freigestanden, auf einer zweiseitigen Regelung zu bestehen, die eine Einbindung des Beschwerdegegners in eine neu zu schaffende Verkaufsorganisation vorgesehen hätte. Nachdem sie dies nicht tat, kann sie sich nicht darauf berufen, ihr wäre die Weiterführung des Agenturverhältnisses bis zum vertraglichen Beendigungstermin nicht zumutbar gewesen, weil die Weigerung des Agenten, mit der neu geschaffenen Verkaufsorganisation zusammenzuarbeiten, für sie fatal gewesen wäre und im Ergebnis dazu geführt hätte, dass der Agent geradezu das Recht gehabt hätte, organisatorische Massnahmen der Auftraggeberin zu genehmigen, mithin dieser Weisungen zu erteilen. Ohnehin können die entsprechenden Vorbringen grösstenteils nicht gehört werden, weil sie sich weitgehend auf Sachverhaltselemente stützen, hinsichtlich derer die Vorinstanz keine Feststellungen traf, ohne dass die Beschwerdeführerin dazu taugliche Sachverhaltsrügen erheben würde (nicht publ. E. 1.3). Nach dem Ausgeführten ist der Vorinstanz von vornherein keine Rechtsverletzung vorzuwerfen, wenn sie keine weitergehenden Sachverhaltsfeststellungen dazu traf, worin die vom neuen Verkaufsleiter gewünschte kooperative Zusammenarbeit mit dem Beschwerdegegner im Einzelnen bestanden hätte. Ohnehin erhebt die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den dazu vorgebrachten, über den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt hinausgehenden Tatsachenbehauptungen keine rechtsgenüglich substanziierten Sachverhaltsrügen, die zur Ergänzung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts durch das Bundesgericht oder zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung führen könnten (nicht publ. E. 1.3). 4.5 Die Vorinstanz schloss damit zutreffend, die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses sei mangels Vertragsverletzung durch den Beschwerdegegner zu Unrecht erfolgt. (...)
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Sachverhalt ab Seite 161 BGE 122 III 160 S. 161 R. bot für Fr. 30'300.-- einen Personenwagen der Marke Porsche, Modell 928 S, zum Verkauf an. K. besichtigte diesen Porsche am 2. Juni 1990 und erklärte, er wolle ihn kaufen, könne jedoch den Kaufpreis nicht sofort aufbringen. R. anerbot daraufhin, K. bei der Vermittlung eines Kredites behilflich zu sein. K. verzichtete jedoch vorläufig auf dieses Angebot, weil er hoffte, bei seiner Hausbank ein Darlehen erhalten zu können, und unterzeichnete noch am selben Tag einen Kaufvertrag bezüglich des genannten Porsches, worin die Zahlungsmodalitäten mit "36 Mt./oder bar" umschrieben wurden. Da K. von seiner Hausbank kein Darlehen erhielt, begab er sich am 6. Juni 1990 wiederum zu R., welcher ihm ein Kreditantragsformular der Bank X. (nachstehend: Bank) übergab und ihm beim Ausfüllen desselben behilflich war. Auf dem Formular wurde der Zweck des Darlehens mit "Autokauf" bezeichnet. In der Folge gewährte die Bank K. das beantragte Darlehen in der Höhe des Kaufpreises und bezahlte dieses zuzüglich einer Vermittlungsprovision direkt an R. aus. Im Juli 1991 klagte K. beim Amtsgericht Luzern-Land gegen R. mit dem Begehren, es sei die Nichtigkeit des Kaufvertrages festzustellen und R. sei zu verurteilen, ihm gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis zuzüglich Fr. 8'182.-- als Kostenersatz nebst Verzugszins von 5% zu bezahlen. Zudem sei R. zu verpflichten, ihm die monatlichen Zinsen für die Garagenmiete von Fr. 100.-- ab 1. Januar 1991 bis zur Rücknahme des Fahrzeuges zu ersetzen. Das Amtsgericht trat auf die Feststellungsklage nicht ein und verpflichtete R., Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Porsches Fr. 36'579.-- nebst 5% Zins auf Fr. 30'300.-- seit dem 6. Juni 1990 und auf Fr. 6'279.-- seit dem 1. November 1990 an K. zu bezahlen. Es verpflichtete R. zudem, K. die Garagenmiete in der Höhe von monatlich Fr. 100.-- zuzüglich 5% Zins je seit Verfall (1. jeden Monats) vom 4. April 1991 bis zur Rücknahme des Kaufgegenstandes zu ersetzen. R. appellierte an das Obergericht des Kantons Luzern, welches das Urteil des Amtsgerichts am 18. Februar 1994 bestätigte. Es erhöhte lediglich die von K. geschuldete Entschädigung für die Benützung des Personenwagens um einen Franken. BGE 122 III 160 S. 162 Gegen das Urteil des Obergerichts erhob R. eine Kassationsbeschwerde. Diese wurde vom Gesamtobergericht des Kantons Luzern am 10. Januar 1995 abgewiesen, soweit es darauf eintrat. R. hat gegen den Entscheid des Gesamtobergerichts vom 10. Januar 1995 eine staatsrechtliche Beschwerde und gegen das Urteil des Obergerichts vom 18. Februar 1994 eine eidgenössische Berufung eingereicht. Das Bundesgericht hat die Beschwerde mit Urteil vom 12. April 1996 abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Mit seiner Berufung beantragt R., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Obergericht ging davon aus, der Beklagte habe mit der Bank im Sinne von Art. 226m Abs. 2 OR zusammengewirkt, wobei der Kauf- und der Darlehensvertrag wirtschaftlich eine Einheit darstellten, die dem Kläger die Position eines Abzahlungsschuldners verschaffe. Die Vorinstanz leitete daraus ab, der Kaufvertrag unterstehe den Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag und sei nichtig, weil er die Gültigkeitserfordernisse gemäss Art. 226a ff. OR in mehrfacher Hinsicht nicht erfülle. Der Beklagte rügt, die Vorinstanz habe den Kaufvertrag zu Unrecht dem Abzahlungsrecht unterstellt. Er begründet dies damit, dass der Vertrag als Barkauf gewollt gewesen sei, weil sich der Kläger dazu entschieden habe, die Finanzierung unabhängig vom Beklagten mit seiner Hausbank zu regeln. Wenn der Verkäufer dem Käufer erst nach dem Vertragsabschluss bei der Finanzierung helfe, so fände Art. 226m Abs. 2 OR keine Anwendung. Das Zusammenwirken könne diesfalls keinen Einfluss auf den Kaufentschluss des Käufers haben. Es diene damit auch nicht dem wirtschaftlichen Zweck eines Abzahlungskaufes. Im übrigen habe die Vorinstanz bei der Beurteilung der Einhaltung der Formvorschriften den zwischen dem Kläger und dem Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag nicht einbezogen, was für die korrekte Anwendung des Bundesrechts notwendig gewesen sei. Diesbezüglich seien noch Abklärungen nötig. a) Der Abzahlungsvertrag wird in den Art. 226a bis 226m OR geregelt. Diese Bestimmungen wurden durch eine Gesetzesnovelle vom 23. März 1962 ins BGE 122 III 160 S. 163 Obligationenrecht eingefügt, um den Abzahlungskäufer vor Missbräuchen im Abzahlungswesen und vor unüberlegten Vertragsabschlüssen, welche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigen, zu schützen (GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Auflage, S. 324 f.; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 2. Auflage, S. 143; Botschaft des Bundesrats vom 26. Januar 1960 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, nachstehend: Botschaft, BBl 1960 I 523 ff., S. 538 f.). So verlangt zum Beispiel Art. 226a OR als Gültigkeitsvoraussetzung eines Abzahlungsvertrages die Schriftform und die Angabe der Höhe der Anzahlung, des Barkaufpreises, des Gesamtkaufpreises und des Rechts des Käufers, unter den in Art. 226c genannten Bedingungen auf den Abschluss zu verzichten. Art. 226c OR sieht insbesondere vor, dass der Abzahlungsvertrag für den Käufer erst fünf Tage nach Erhalt eines beidseitig unterzeichneten Vertragsdoppels in Kraft tritt und der Käufer innerhalb dieser Frist dem Verkäufer schriftlich seinen Verzicht auf den Vertragsabschluss erklären kann. Um Umgehungsgeschäfte zu verhindern, bestimmt Art. 226m Abs. 1 OR , dass die Vorschriften über den Abzahlungsvertrag für alle Rechtsgeschäfte und Verbindungen von solchen gelten, soweit die Parteien damit den gleichen wirtschaftlichen Zweck wie bei einem Kauf auf Abzahlung verfolgen (HONSELL, a.a.O., S. 143 f.; Botschaft, a.a.O., S. 568). Dieser Zweck besteht darin, dem Käufer eine bewegliche Sache gegen eine nachträgliche Leistung des Entgelts in Teilzahlungen zu verschaffen, d.h. zu ungestörtem und dauerndem Gebrauch bis zur völligen Entwertung zu überlassen ( BGE 118 II 150 E. 5a S. 154 mit Hinweis; vgl. auch Art. 226m Abs. 2 OR ). Art. 226m Abs. 1 OR erfasst somit insbesondere den Fall, dass der Käufer mit dem Verkäufer neben dem Kauf- auch einen Darlehensvertrag abschliesst und der Käufer dadurch die wirtschaftliche Stellung eines Abzahlungskäufers erhält (Botschaft, a.a.O., S. 544). Schliesst der Käufer aber unabhängig vom Verkäufer mit einem Dritten einen Darlehensvertrag ab, um den Kauf zu finanzieren, so wird der wirtschaftliche Zweck des Abzahlungskaufs zwar vom Käufer, nicht aber vom Verkäufer verfolgt, welcher diesfalls mit dem Darlehen zwischen dem Käufer und dem Darleiher nichts zu tun hat. Unter diesen Umständen unterstehen weder der Kauf- noch der Darlehensvertrag den Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag (GIGER, Das drittfinanzierte Abzahlungsgeschäft, S. 152 f.). Wirken der Verkäufer und der Darleiher BGE 122 III 160 S. 164 jedoch zusammen, um dem Käufer die Kaufsache gegen eine nachträgliche Leistung des Entgelts in Teilzahlungen zu verschaffen, so sind gemäss Art. 226m Abs. 2 OR die Bestimmungen des Abzahlungskaufs auf den Darlehensvertrag sinngemäss anwendbar. Das Zusammenwirken kann dabei durch die Abtretung der Kaufpreisforderung an den Darleiher oder in anderer Weise erfolgen ( Art. 226m Abs. 2 Satz 1 OR ). Das Gesetz verlangt somit nicht eine bestimmte Art des Zusammenwirkens. Es genügt vielmehr, wenn der Verkäufer und der Darleiher in irgendeiner Weise zusammenwirken (GUHL/MERZ/KOLLER, a.a.O., S. 334; vgl. ferner: HONSELL, a.a.O., S. 144; JEANPRÊTRE, L'article 226m CO, SJZ 74/1978 S. 269 ff., S. 272 f.; a.M. GIGER, a.a.O., S. 137 ff., der ein "qualifiziertes" Zusammenwirken verlangt). Als im Gesetz nicht genanntes Beispiel des Zusammenwirkens sei insbesondere die Vermittlung des Darlehens durch den Verkäufer genannt (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 562 und 569). Gemäss Art. 226m Abs. 2 OR ist aber erforderlich, dass das Zusammenwirken erfolgt, um dem Käufer die Kaufsache gegen eine nachträgliche Leistung des Entgelts in Teilzahlungen zu verschaffen. Verkäufer und Darleiher müssen mit anderen Worten durch ihr Zusammenwirken dem Käufer den wirtschaftlichen Zweck eines Kaufs auf Abzahlung ermöglichen wollen. Dies setzt voraus, dass der Darleiher weiss, dass der Borger das Darlehen zum Erwerb beweglicher Sachen verwendet, und der Verkäufer sich bewusst ist, dass der Käufer den Kauf durch ein Darlehen finanziert. Wirken Verkäufer und Darleiher in diesem Bewusstsein zusammen, so führt dies gemäss Art. 226m Abs. 2 OR dazu, dass die Vorschriften über den Abzahlungsvertrag sinngemäss auf den Darlehensvertrag anzuwenden sind. Das heisst, dass insbesondere die Formvorschriften des Abzahlungsvertrages ihrem Sinn entsprechend auf den Darlehensvertrag zu übertragen sind (Botschaft, a.a.O., S. 569). So ist zum Beispiel beim Darlehensvertrag anstelle des Bar- und Gesamtkaufpreises der Nennwert und der Gesamtbetrag des Darlehens anzugeben ( Art. 226m Abs. 2 Satz 2 OR ; STOFER, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, 2. Auflage, S. 159 f.). Untersteht ein Darlehensvertrag gemäss Art. 226m Abs. 2 OR den Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag, so geht das Gesetz stillschweigend davon aus, dies gelte auch für den damit zusammenhängenden Kaufvertrag (GIGER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 6 zu Art. 226m OR ; Botschaft, a.a.O., S. 570). Von dieser Regel sieht das Gesetz in Art. 226m Abs. 3 OR BGE 122 III 160 S. 165 allerdings eine Ausnahme vor, indem es Barkäufe in Verbindung mit Teilzahlungsdarlehen nicht den Vorschriften über den Abzahlungsvertrag unterstellt, wenn der Kaufpreis ohne Zuschlag beim Kaufabschluss getilgt wird und die gesetzliche Mindestanzahlung beim Darleiher geleistet bzw. das Darlehen um den entsprechenden Betrag gekürzt worden ist (GUHL/MERZ/KOLLER, a.a.O., S. 334; STOFER, a.a.O., S. 166 f.; Botschaft, a.a.O., S. 570; vgl. ferner die Kritik an dieser Bestimmung bei: GIGER, Systematische Darstellung des Abzahlungsrechts, S. 66; HONSELL, a.a.O., S. 144 f.). b) Im vorliegenden Fall vermittelte der Beklagte dem Kläger für den Autokauf einen Kredit bei einer Bank, welche jenem dafür eine Vermittlungsprovision bezahlte. Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass im Kreditantrag als Zweck ein Autokauf angegeben und der Darlehensbetrag direkt an den Beklagten ausbezahlt wurde. Die Bank wusste somit, dass der Kläger das Darlehen für den Kauf eines Autos verwendete. Der Beklagte und die Bank wirkten demnach im Bewusstsein zusammen, dem Kläger als Käufer eine bewegliche Sache gegen eine nachträgliche Leistung des Entgelts in Teilzahlungen zu verschaffen. Gemäss Art. 226m Abs. 2 OR sind daher die Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag sinngemäss auf den Darlehensvertrag anzuwenden. Daraus folgt, dass auch der Kaufvertrag dem Abzahlungsrecht untersteht, sofern keine Ausnahme gemäss Art. 226m Abs. 3 OR vorliegt. Dies ist nicht der Fall, da der Kläger bei der Bank auf das Darlehen keine Mindestanzahlung leistete und der Barkaufpreis nicht schon bei, sondern erst nach dem Abschluss des Kaufvertrages von der Bank an den Beklagten überwiesen wurde. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie annahm, der Kaufvertrag unterstehe den Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag. Daran vermag entgegen der Auffassung des Beklagten auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kaufvertrag dem Kläger die Möglichkeit einräumte, den Kaufpreis in bar zu bezahlen, und der Kläger hoffte, er könne das für den Kauf erforderliche Darlehen ohne die Hilfe des Beklagten erhalten. Für die Anwendbarkeit des Abzahlungsrechts ist allein entscheidend, dass der Beklagte das Darlehen tatsächlich vermittelte und er dabei mit der Bank zusammenwirkte, um dem Kläger den wirtschaftlichen Zweck eines Abzahlungskaufs zu ermöglichen. Dieser nach Abschluss des Kaufvertrages eingetretene Umstand verlangte daher eine Anpassung des Vertrages an die Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag. Der Kaufvertrag hätte somit, weil kein Fall von Art. 226m Abs. 4 OR vorlag, BGE 122 III 160 S. 166 insbesondere mit einem Hinweis auf das Verzichtsrecht des Käufers ergänzt werden müssen ( Art. 226a Abs. 3 OR ). Da dies nicht geschah und der Kaufvertrag auch in anderer Hinsicht den Gültigkeitsvoraussetzungen eines Abzahlungsvertrages nicht entsprach, hat ihn die Vorinstanz zu Recht als nichtig erklärt. Sie musste dabei entgegen der Auffassung des Beklagten den Darlehensvertrag nicht berücksichtigen, weil die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben - auch wenn sie sinngemäss dem separaten Darlehensvertrag anzupassen sind - im Kaufvertrag selber enthalten sein müssen und nicht durch Angaben im Darlehensvertrag ersetzt werden können. Es braucht daher nicht abgeklärt zu werden, wie der Darlehensvertrag abgefasst wurde.
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0d197818-5faf-4a46-a5a3-c6e8fcfb0aa3
Sachverhalt ab Seite 169 BGE 113 II 168 S. 169 A.- K. schloss am 29. Januar 1979 mit der P. AG (nunmehr A.B. Leasing AG) einen Mietvertrag über einen Personenwagen Pontiac. Der monatliche Mietzins und die damit abgegoltenen Fahrkilometer wurden wiederholt abgeändert, zuletzt ab April 1980 auf monatlich Fr. 1'301.-- Miete einschliesslich 4150 Kilometer. Am 5. September 1980 setzte die A.B. Leasing AG unter Hinweis auf Art. 265 OR K. Frist an zur Zahlung rückständiger Betreffnisse. Darauf brachte dieser den Wagen am 16. Oktober 1980 zurück. Es kam zu Differenzen hinsichtlich des Ausstandes, worauf die Vermieterin ihre Forderungen an die W. Inkasso AG abtrat. B.- Am 4. Mai 1983 erhob die W. Inkasso AG beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen K. auf Zahlung von Fr. 10'732.90 nebst 12% Zins. Der Beklagte erhob Widerklage über Fr. 240.--. In der Folge reduzierte die Klägerin ihre Hauptklage auf Fr. 10'439.10 und der Beklagte anerkannte diese für Fr. 436.50 nebst Zins. Im übrigen wies das Bezirksgericht Haupt- und Widerklage ab. Vor dem Obergericht des Kantons Zürich war nur noch die reduzierte Hauptklage streitig, wurde aber mit Urteil vom 1. September 1986 ebenfalls abgewiesen. C.- Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage für Fr. 9'457.90 nebst 12% Zins seit 20. November 1980 gutzuheissen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung im Sinn der Gutheissung der Klage in Anwendung von Art. 253 ff. OR an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte ersucht, die Berufung abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Erwägungen: 1. Das Obergericht nimmt an, der streitige Mietvertrag unterstehe nach Art. 226m Abs. 1 OR den Vorschriften über den Abzahlungskauf und sei ungültig, weil er den Anforderungen von Art. 226a OR nicht genüge. Die Klägerin hält daran fest, dass ein echter und gültiger Mietvertrag gegeben sei. Sie bestreitet nicht, dass andernfalls die Anwendung der Bestimmungen des Abzahlungskaufs zur Ungültigkeit führen würde, namentlich keine Ausnahme nach Art. 226m Abs. 4 OR vorläge, was gemäss BGE 103 II 116 E. 3 zutrifft. Entscheidend wird damit Art. 226m Abs. 1 OR . Danach gelten die Bestimmungen über den Abzahlungskauf für alle Rechtsgeschäfte BGE 113 II 168 S. 170 und Verbindungen von solchen wie Miet-Kauf-Verträge, soweit die Parteien damit die gleichen wirtschaftlichen Zwecke wie bei einem Kauf auf Abzahlung verfolgen, gleichgültig welcher Rechtsform sie sich bedienen. 2. Das Obergericht misst der rechtlich umstrittenen Unterscheidung zwischen Mietvertrag und Leasing für den Entscheid keine Bedeutung bei, weil bei Konsumgütern regelmässig beide Verträge unter das Abzahlungsrecht fielen. Die Klägerin bezweifelt zu Unrecht, dass Autos in diesem Sinn als Konsumgut zu verstehen sind ( BGE 110 II 246 E. 1). Insoweit macht es für die Anwendung von Art. 226m Abs. 1 OR in der Tat keinen Unterschied, ob Miete oder Leasing angenommen wird; häufig wird ohnehin aus Werbegründen ein gewöhnlicher Mietvertrag als Leasing bezeichnet (GIGER, Der Leasingvertrag, S. 18; RINDERKNECHT, Leasing von Mobilien, Diss. Zürich 1984, S. 109). Vorliegend ist das nicht der Fall, sondern es liegt dem Wortlaut nach ein Mietvertrag vor; dass die Vermieterin im übrigen auch Leasingverträge abschloss und damit warb, fällt für die Beurteilung des vorliegenden Mietvertrags nicht ins Gewicht. Jedoch geht die Vorinstanz zu weit, wenn sie für den Regelfall die Miete von Konsumgütern dem Abzahlungsrecht unterstellen will; sie widerlegt das denn auch durch die eigenen Ausführungen, mit welchen sie zu Recht näher auf die Einzelheiten des streitigen Vertrages eingeht (so auch SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 20 vor Art. 253 OR ; LÜEM, Typologie der Leasingverträge, in: Neue Vertragsformen der Wirtschaft, St. Galler Studien Bd. 5, S. 52 f.). 3. Der Vertrag sieht weder einen Eigentumsübergang nach Vertragsablauf noch ein Kaufsrecht vor. Die Vorinstanz hält dies für unerheblich und erachtet es als stossend, wenn die Eigentumsübertragung verweigert werde, nachdem das Mietobjekt praktisch abbezahlt sei. Der Vertrag sei auf dauernde Nutzung angelegt gewesen, wobei der Beklagte in guten Treuen habe annehmen dürfen, dass ihm nach Vertragsablauf das Auto zu Eigentum überlassen werde. a) Die Klägerin bestreitet, dass der Wille der Parteien bei Vertragsschluss auf einen solchen Eigentumserwerb gerichtet gewesen sei. Die Vorinstanz stellt insoweit auch keinen übereinstimmenden wirklichen Willen fest, an den das Bundesgericht gebunden wäre. Ihre Argumentation erscheint als etwas widersprüchlich, wenn einerseits aus Treu und Glauben ein Anspruch auf Eigentumserwerb nach Abzahlung angenommen, anderseits aber ein Rechtsanspruch BGE 113 II 168 S. 171 verneint und ein solcher Erwerb von einem nachträglichen Kauf zum Occasionspreis abhängig gemacht wird. b) Zu Recht hält aber das Obergericht die Frage eines solchen Eigentumserwerbs gar nicht für entscheidend. Das Vorhandensein einer diesbezüglichen Klausel spricht zwar im vornherein für einen Abzahlungskauf in Form eines Miet-Kauf-Vertrags. Ihr Fehlen schützt den Mietvertrag aber nicht mit Sicherheit gegen seine Unterstellung unter das Abzahlungsrecht (SCHMID, a.a.O. N. 31; SCHUBIGER, Der Leasing-Vertrag nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Freiburg 1969, S. 98 ff.; ITEN, Der Leasingvertrag in der Büromaschinenbranche, Diss. Zürich 1983, S. 37; STAUDER, Die Behandlung des Leasingvertrages im schweizerischen Recht, in: Neue Vertragsformen der Wirtschaft, S. 72; RINDERKNECHT, a.a.O. S. 111 ff.). Entscheidend ist vielmehr, ob damit die gleichen wirtschaftlichen Zwecke wie mit einem Abzahlungskauf verfolgt werden ( Art. 226m Abs. 1 OR ). Massgebend ist dafür nicht die Frage nach einem Eigentumserwerb im Rechtssinn, sondern nach der wirtschaftlichen Situation, in der dem Mieter eine dauernde und ungestörte Benützung der Sache gewährleistet wird und er deren Wert während der Vertragsdauer praktisch abzahlt (HUG, Zur Problematik des Miet-Kauf-Vertrages, in: Festgabe Schönenberger, Freiburg 1968, S. 282; ITEN, a.a.O. S. 37; STAUDER, a.a.O. S. 73 f.; HAUSHEER, Finanzierungs-Leasing beweglicher Investitionsgüter, in: ZBJV 106 (1970) S. 224, 227; vgl. auch Botschaft betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag vom 26. Januar 1960, BBl 1960 I S. 568). Das Obergericht stellt in tatsächlicher Hinsicht und damit verbindlich fest, dass es dem Beklagten darum gegangen sei, sich die dauernde Nutzung des Fahrzeugs zu verschaffen und dass dieses bei einer Vertragsdauer von 36 Monaten mehr als nur abbezahlt gewesen wäre. Dass die Klägerin dem entgegenhält, der Beklagte habe den Wagen nach 36 Monaten zurückgeben und einen neuen mieten wollen, erscheint als unerheblich, wenn das Fahrzeug nach 21 Monaten bereits praktisch abbezahlt war. Was gegen die entsprechenden Berechnungen des Obergerichts vorgebracht wird, widerspricht tatsächlichen Feststellungen und ist deshalb unbeachtlich ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). 4. Die Besonderheit des vorliegenden Mietvertrags liegt darin, dass er zwar nicht auf die erwähnten 36 Monate fest abgeschlossen worden ist, sondern unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten aufgelöst werden konnte. Die Tendenz zur BGE 113 II 168 S. 172 Dauermiete über mindestens 36 Monate entnimmt die Vorinstanz jedoch dem vereinbarten Treuebonussystem. Der Beklagte hatte bei Vertragsbeginn eine Kaution von Fr. 1'990.-- (10% des Wagenwertes) zu leisten (Ziffer 3); damit war praktisch der Unkosten- und Verwaltungsbeitrag gleicher Höhe bezahlt, der bei Vertragsablauf geschuldet war (Ziffer 42). Bei einer Mietdauer von mehr als 18 Monaten wurde dem Beklagten sodann ein Treuebonus von 2,5% des Wagenwerts gutgeschrieben, der sich dann halbjährlich wiederholte und nach 36 Monaten das Maximum von 10% erreichte (Ziffer 41); erst jetzt war die Kaution von Fr. 1'990.-- voll zurückzuerstatten. a) Das Obergericht erklärt zu Recht, dass damit gewissermassen eine Vertragsdauer von drei Jahren signalisiert worden ist. Im übrigen anerkennt die Klägerin, dass sowohl der Treuebonus wie der einmalige Unkostenbeitrag für einen Mietvertrag atypisch, aber nicht verboten seien und nicht zu einem Abzahlungsvertrag führten. Für das Obergericht ist dagegen entscheidend, dass bei einer Mietdauer unter 18 Monaten der Beklagte die bei Vertragsschluss bezahlten 10% des Wagenwertes oder Fr. 1'990.-- wegen des Bonussystems verloren hätte. Die Mindestdauer betrage im unwahrscheinlichen Fall einer Kündigung vor Mietbeginn drei Monate, sonst vier Monate; für diese Zeit seien Fr. 2'232.-- bzw. 2'976.-- Mietzins zu bezahlen, was einschliesslich Unkostenbeitrag Fr. 4'222.-- bzw. 4'966.-- oder 21 bzw. 25% des Wagenwertes ergebe. Damit seien die Limiten überschritten, bei welchen das Bundesgericht einen Abzahlungsvertrag annehme. b) Die erwähnte Rechtsprechung beruht auf Entscheidungen des Kassationshofes, in welchen Miet-Kauf-Verträge den Abzahlungsvorschriften unterstellt wurden, weil eine Kündigung erst nach Zahlung von einem Drittel bzw. einem Fünftel des Kaufpreises möglich war ( BGE 95 IV 101 ff., BGE 101 IV 98 ff.). Dass diese Urteile Strafsachen und nicht Autos, sondern Unterhaltungselektronik betreffen, ändert an ihrer grundsätzlichen Bedeutung nichts. Diese beschränkt sich auch keineswegs auf den Fall von Miet-Kauf-Verträgen, was der Kassationshof in einem späteren unveröffentlichten Urteil ausdrücklich bestätigt hat (Urteil in Sachen S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 13. Februar 1984, E. 2d, S. 9). Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat denn auch unter Hinweis auf jene Urteile die Tendenz von Lehre und Rechtsprechung dahin zusammengefasst, dass die Abzahlungsvorschriften BGE 113 II 168 S. 173 anzuwenden seien, wenn die Miete nicht aufgelöst werden könne, bevor ein bedeutender Teil des Warenwertes bezahlt sei, so dass der Mieter aus wirtschaftlichen Gründen praktisch auf eine Kündigung verzichte ( BGE 110 II 246 E. 1 mit zahlreichen Hinweisen, für den damals gegebenen Fall offengelassen). Das kann heute als herrschende Lehre bezeichnet werden (HUG, a.a.O. S. 278, 283 f.; STOFER, Kommentar zum Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, 2. A., S. 143, 156; SCHUBIGER, a.a.O. S. 86; JEANPRÊTRE, L'article 226m CO, in: SJZ 74 (1978) S. 271; STAUDER, a.a.O. S. 72; HAUSHEER, a.a.O. S. 225; HEDINGER, Leasingvertrag und Abzahlungsgeschäft, in: "recht" 1986 S. 29 f.; kritisch offenbar RINDERKNECHT, a.a.O. S. 117 f.). Es besteht kein Grund, vorliegend von der geschilderten Tendenz von Lehre und Rechtsprechung abzuweichen. In der gleichen Richtung ging auch der Entwurf eines Konsumkreditgesetzes vom 12. Juni 1978; darin wurde unter Hinweis auf die genannten Urteile des Kassationshofes die Unterstellung von Mietverträgen unter Abzahlungsrecht vorgeschlagen, wenn diese frühestens nach Zahlung von 25% des Barkaufpreises kündbar sind (Art. 226a Abs. 1 des Entwurfs, BBl 1978 II S. 532 f. und 618). Nachdem dieser Entwurf gescheitert ist, kann die Klägerin sich nicht auf die Limite von 25% berufen. Auch wenn vorliegend der Beklagte je nach Betrachtungsweise nur eine Mindestzahlung von 21% zu leisten hatte, rechtfertigt dies die Feststellung, dass er in einer Weise an den Mietvertrag gefesselt war, die eine Unterstellung unter die Abzahlungsvorschriften nahelegt. Freilich begründet dies nur die Vermutung, dass der streitige Vertrag gleiche Zwecke wie ein Abzahlungskauf verfolgt hat, und der Entwurf des Konsumkreditgesetzes hat das ausdrücklich so formuliert. Die weiteren Umstände des vorliegenden Geschäfts, auf die bereits eingegangen worden ist, namentlich auch die anerkanntermassen für einen Mietvertrag atypischen Bestimmungen über Unkostenbeitrag und Treuebonus, sind nicht geeignet, diese Vermutung zu entkräften. 5. Die Berufung erweist sich demnach in der Hauptsache als unbegründet. Das Obergericht legt ausführlich dar, dass die finanzielle Auseinandersetzung der Parteien auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung ( BGE 110 II 247 E. 2) nicht zu einer Gutheissung der Klage führen könne. Die Klägerin macht nicht geltend, dass das angefochtene Urteil diesbezüglich bundesrechtswidrig sei; sie beschränkt sich darauf, ihren Anspruch bei BGE 113 II 168 S. 174 Annahme eines vollgültigen Mietvertrags darzulegen. Diese Annahme hat sich aber als unzutreffend erwiesen. Das angefochtene Urteil ist daher auch im Ergebnis zu bestätigen.
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Sachverhalt ab Seite 336 BGE 121 III 336 S. 336 A.- Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich, die in erster Linie mit Briefmarken handelt und entsprechende Auktionen durchführt. Der Beklagte ist Briefmarkensammler mit Wohnsitz in Bath, England. Er gab der Klägerin in den letzten zwanzig Jahren in BGE 121 III 336 S. 337 unregelmässigen Abständen Briefmarken in Kommission, welche diese an ihren Auktionen in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Beklagten versteigerte. Die Geschäfte wurden in der Regel so abgewickelt, dass die Klägerin dem Beklagten eine zu verzinsende Vorauszahlung leistete und in gewissen Zeitabständen das durch sie geführte Konto abrechnete. War der Erlös der Auktion geringer als die Vorauszahlung, was die Regel war, wurde der Saldo auf die neue Rechnung vorgetragen, bis aufgrund einer weiteren Versteigerung neu abgerechnet wurde. Der Negativsaldo nahm im Laufe der Zeit beträchtliche Ausmasse an. Nachdem die Parteien sich auf ein weiteres Vorgehen nicht einigen konnten, verlangte die Klägerin schliesslich die Begleichung der Ausstände bis zum 6. Januar 1992. Der Beklagte kam dieser Zahlungsaufforderung nicht nach. B.- Mit Klage vom 25. Januar 1993 verlangte die Klägerin vor Bezirksgericht Zürich die Verpflichtung des Beklagten, ihr Fr. 333'141.-- nebst Zins zu bezahlen. Das Bezirksgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit und trat mit Beschluss vom 29. September 1993 auf die Klage nicht ein. Einen dagegen gerichteten Rekurs der Klägerin wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 23. März 1994 ab. Das Kassationsgericht trat auf eine Beschwerde der Klägerin am 31. August 1994 nicht ein. Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Die Klägerin rügt eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 LugÜ (SR 0.275.11). Die Vorinstanz habe zu Unrecht die Streitigkeit als Verbraucherangelegenheit im Sinne von Art. 13 LugÜ qualifiziert und damit ihre Zuständigkeit verneint. a) Art. 13 Abs. 1 LugÜ definiert als Verbrauchervertrag denjenigen, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann. Der private Endverbraucher muss das Rechtsgeschäft erkennbar ausserhalb des Rahmens seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit eingehen (SCHWANDER, Die Gerichtszuständigkeiten im Lugano-Übereinkommen, in PETERSMANN/SCHWANDER (Hrsg.), Das Lugano-Übereinkommen, St. Galler BGE 121 III 336 S. 338 Schriften zum internationalen Recht, Band 2, St. Gallen 1990, S. 84). Das Übereinkommen unterstellt seiner Gerichtsstandsnorm in Art. 13 LugÜ den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung (Abs. 1 Ziff. 1), Kreditgeschäfte zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen (Abs. 1 Ziff. 2) sowie andere Verbraucherverträge (Abs. 1 Ziff. 3), welche die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Letztere werden nur als Verbraucherverträge qualifiziert, sofern zusätzlich die Anforderungen von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a und b LugÜ erfüllt sind, das heisst dem Vertragsschluss im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (vgl. dazu KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zum EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen, 4. Aufl. 1993, N. 9 ff. zu Art. 13). Liegt einer der genannten Verbraucherverträge vor (Ziff. 1-3), kann der Verbraucher gegen seinen Vertragspartner vor den Gerichten des Vertragsstaats klagen, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat ( Art. 14 Abs. 1 LugÜ ). Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann dagegen nur vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat ( Art. 14 Abs. 2 LugÜ ). b) Streitig ist im vorliegenden Fall, ob eine Verbraucherstreitigkeit im Sinne des Übereinkommens vorliegt, namentlich ob die Beanspruchung der Klägerin als Dienstleistung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ zu qualifizieren ist. c) Staatsverträge sind in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen, wie ihn die Vertragsparteien nach dem Vertrauensprinzip im Hinblick auf den Vertragszweck verstehen durften. Der von den beteiligten Staaten anerkannte Wortlaut bildet den nächstliegenden und zugleich wichtigsten Anhaltspunkt für den wahren gemeinsamen Vertragswillen, welcher die Auslegung beherrscht. Ferner kommt im Fall eines Staatsvertrages, der wie das Lugano-Übereinkommen vor allem eine internationale Rechtsvereinheitlichung bewirken soll, der ausländischen Lehre und Rechtsprechung sowie den Bemühungen, diese Einheit herbeizuführen, besondere Bedeutung zu ( BGE 117 II 480 E. 2b S. 486 f.). Da es sich beim Lugano-Übereinkommen um ein Parallel-Übereinkommen zum gleichnamigen EG-internen Europäischen BGE 121 III 336 S. 339 Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüsseler-Übereinkommen) handelt (vgl. VOLKEN, Das Lugano-Übereinkommen - Entstehungsgeschichte und Regelungsbereich, in PETERSMANN/SCHWANDER, Das Lugano-Übereinkommen, a.a.O., S. 37 ff., S. 40), sind für seine Auslegung auch Lehre und Rechtsprechung zu diesem Übereinkommen heranzuziehen (SCHWANDER, a.a.O., S. 85). Schliesslich können im Rahmen dieser Auslegung auch Normen des schweizerischen Rechts zum Konsumentenvertrag berücksichtigt werden, zumal der schweizerische Gesetzgeber die fraglichen Normen, ausgenommen die Verfassungsbestimmung, in Anlehnung an ihren internationalen Vorgänger formuliert hat und sie vom gleichen Schutzgedanken beherrscht sind. Dies trifft namentlich auf die Bestimmungen von Art. 31sexies Abs. 3 BV , Art. 40a OR , Art. 114 und Art. 120 IPRG (SR 291) zu. Im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sind die Erfordernisse des Konsumentenvertrages für diese vier Bestimmungsgruppen möglichst gleich zu umschreiben (vgl. hiezu auch STAEHELIN, Die bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften über konsumentenrechtliche Streitigkeiten - ein Überblick, FS Hans Ulrich Walder, Zürich 1994, S. 125 ff., S. 128; ALEXANDER BRUNNER, Der Konsumentenvertrag im schweizerischen Recht, AJP 1992, S. 591 ff., S. 595). d) Der Verbraucher- oder Konsumentenvertrag lässt sich nicht ohne weiteres in das übliche Schema der Vertragsarten eingliedern. Entscheidend ist nach der gesetzlichen Definition vielmehr, dass der Vertrag zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher (Konsument) geschlossen wird und die vertragliche Sache oder Leistung für dessen privaten Bedarf bestimmt ist. Konsument ist daher, wer Waren oder Dienstleistungen für den privaten, persönlichen Verbrauch empfängt oder beansprucht; er gilt als Letztverbraucher (STAEHELIN, a.a.O., S. 129). So hat der Konsumentenvertrag nach Art. 120 Abs. 1 IPRG oder Art. 13 LugÜ Leistungen zum Gegenstand, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten bestimmt sind und nicht in Zusammenhang mit seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit stehen. Der Begriff des Konsumentenvertrags kann damit sämtliche obligationenrechtlichen Verträge umfassen, sofern Vertragsparteien Anbieter und Konsumenten sind. In der Literatur wird zudem ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den beiden gefordert (ALEXANDER BRUNNER, a.a.O., BGE 121 III 336 S. 340 S. 599; EIKE VON HIPPEL, Verbraucherschutz, 3. Aufl. 1986, S. 3 ff.; ANNE-CATHERINE IMHOFF-SCHEIER, Protection du consommateur et contrats internationaux, Diss. Genf 1981, S. 30 ff.). Für die Umschreibung des Inhalts des Konsumenten- oder Verbrauchervertrags und der daran beteiligten Personen ist damit auf den besonderen Schutzzweck der im Interesse des Konsumenten erlassenen Bestimmungen abzustellen. e) Unter die Konsumenten- oder Verbraucherverträge fallen nach dem Gesagten auch Dienstleistungen, was bereits aus der gesetzlichen Definition in Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ hervorgeht. Ob indessen eine Dienstleistung als Konsumentenvertrag zu qualifizieren ist, ist wiederum davon abhängig, ob sie für die privaten (persönlichen oder familiären) Zwecke des Konsumenten erbracht wird (ALEXANDER BRUNNER, a.a.O., S. 595). In der Literatur wird im allgemeinen der Begriff der Dienstleistung weit ausgelegt (MIKAEL SCHMELZER, Der Konsumentenvertrag - Betrachtung einer obligationenrechtlichen Figur unter Berücksichtigung des IPR und der europäischen Rechtsangleichung, Diss. St. Gallen 1994, S. 199; MünchKomm-MARTINY, N. 9 zu Art. 29 EGBGB). aa) Der Dienstleistungsbegriff des EuGVÜ ist ein europäischer Begriff, der losgelöst von den rechtlichen Kategorien des betreffenden Landes zu interpretieren ist. Zu seiner Auslegung bietet der Leistungsbegriff nach Art. 60 des EWG-Vertrages eine Hilfe. Darunter fallen Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten (Art. 60 Abs. 1 und 2 EWG-Vertrag). Bei Dienstleistungsverträgen geht es um Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, um Werk- und Werklieferungsverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge. Gemeinsames Merkmal ist, dass eine tätigkeitsbezogene Leistung an den Verbraucher erbracht wird (BGH, Urteil vom 26.10.1993, IPRax 1994, S. 449 ff.). Ein derart weitgefasster Dienstleistungsbegriff liegt auch der Verbraucherschutzvorschrift des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zugrunde (LG Berlin, Urteil vom 1.10.1991, IPRax 1992, S. 243 ff.). bb) Unter Art. 13 LugÜ fallen nach dem Gesagten somit Dienstleistungen aller Art, soweit sie für den privaten Konsum in Anspruch genommen werden, nicht Beförderung, Versicherung oder Immobiliarmiete betreffen, und die BGE 121 III 336 S. 341 spezifischen, in Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a und b genannten räumlichen Beziehungen zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers (Angebot, Werbung, Perfektion des Vertrags) aufweisen (SCHWANDER, a.a.O., S. 85). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Zielsetzungen von Art. 13 und 14 LugÜ ausschliesslich vom Bemühen um den Schutz bestimmter Gruppen von Konsumenten geleitet sind, die als Partner von Verbraucherverträgen nur vor den Gerichten des Staates belangbar sein sollen, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren Wohnsitz haben. In der Literatur werden etwa folgende, von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ erfasste Dienstleistungsverträge aufgezählt: Pauschalreisen, Schlankheitskuren, Reparaturen, Kleiderreinigungen, Fernkurse, Heiratsvermittlungen, Verträge über Hotelunterkunft sowie über Lehrveranstaltungen (Sprach-, Ski- oder Segelkurse). Hingegen werden solche Rechtsgeschäfte vom Begriff des Konsumentenvertrags ausgenommen, bei welchen nicht der kommerzielle Charakter, sondern die persönlichen Beziehungen, insbesondere das Treueverhältnis zwischen den Parteien, im Vordergrund stehen (z.B. beim Auftrag; STAEHELIN, a.a.O., S. 130 f.; vgl. auch die Aufzählung bei IPRG-KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, N. 60 ff. zu Art. 117 IPRG ). Nach deutschem und europäischem Recht fallen unter die Verbraucherverträge weiter Kommissionsgeschäfte auf den Abschluss ausländischer Warentermingeschäfte, welcher Qualifikation die Gewinnerzielungsabsicht des Privatkunden nicht schadet (KROPHOLLER, a.a.O., N. 10 zu Art. 13 mit Rechtsprechungshinweisen; MünchKomm-MARTINY, N. 9 zu Art. 29 EGBGB; offen gelassen im Urteil des EuGH vom 19.1.1993 in der Rechtssache C-89/91, Slg. 1993, I-139; EuGH 15.9.1994, Brenner und Noller, C-318/93, Slg. 1994, I-4275). cc) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, im Zweifel sei ein Konsumentenvertrag anzunehmen (MIKAEL SCHMELZER, a.a.O., S. 221; MünchKomm-MARTINY, N. 5 zu Art. 29 EGBGB). Bei einer Mischnutzung sei nach der Präponderanzmethode zu entscheiden (MIKAEL SCHMELZER, a.a.O., S. 228; KROPHOLLER, a.a.O., N. 4 zu Art. 13 LugÜ ; MünchKomm-MARTINY, N. 4 zu Art. 29 EGBGB). Demgegenüber verlangt die Rechtsprechung zum europäischen Recht im Hinblick auf den angestrebten Zweck der Verbraucherschutzbestimmungen, dass Art. 14 Abs. 2 LugÜ restriktiv auszulegen und der privilegierte Gerichtsstand ausschliesslich schutzbedürftigen Konsumenten vorzubehalten sei, deren wirtschaftliche Stellung durch ihre Schwäche gegenüber dem Vertragspartner gekennzeichnet ist, weil sie private Endverbraucher sind BGE 121 III 336 S. 342 und den Vertrag nicht im Zusammenhang mit einer geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit abschliessen (EuGH, 21.6.1978, Betrand/Ott, Rs 150/77, Slg. 1978, II-1431; auch Urteil des OLG Koblenz vom 9.1.1987, IPRax 1987, S. 308 ff.). dd) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es bei der Beurteilung eines Dienstleistungsvertrags im Hinblick auf dessen Qualifizierung als Konsumenten- oder Verbrauchervertrag nicht darauf ankommen kann, um welche Art von Vertrag es sich handelt, unter Vorbehalt der von der Schutzbestimmung ausdrücklich ausgenommenen Verträge. Ohne Belang ist auch die Struktur des Schuldverhältnisses, ob es sich um ein einfaches Schuldverhältnis, ein Dauerschuldverhältnis, einen Sukzessivlieferungsvertrag oder einen anderen Vertragstyp handelt. Entscheidend ist einerseits vielmehr, für welche Zwecke die fraglichen Verträge abgeschlossen werden, ob zu privaten oder beruflichen Zwecken. Nur Privatgeschäfte zwischen einem kommerziellen Anbieter und einem Verbraucher erfahren die genannte Sonderregelung. Anderseits ist die Rollenverteilung zwischen den Vertragsparteien massgebend. Anbieter ist, wer die charakteristische Leistung zu erbringen hat, Konsument oder Verbraucher dagegen, wer Waren oder Dienstleistungen für private Zwecke gebraucht oder beansprucht. f) Damit die Zuständigkeitsvorschriften gemäss Art. 13 ff. LugÜ auf Dienstleistungsverträge zur Anwendung kommen können, müssen einerseits dem Vertragsschluss eine Werbung oder ein Angebot im Wohnsitzstaat des Verbrauchers vorangegangen sein (Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a LugÜ), anderseits der Verbraucher in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen haben (Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. b LugÜ). Dass zwischen der anbieterseits betriebenen Werbung und dem streitigen Vertragsschluss eine adäquate Kausalität vorliegen muss, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Vielmehr genügt eine beliebige Art der Werbung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers (so auch Münch-Komm-MARTINY, N. 12 zu Art. 29 EGBGB; a.A. MIKAEL SCHMELZER, a.a.O., S. 109). 6. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist im vorliegenden Fall unbestritten, dass der Beklagte der Klägerin jahrelang Briefmarken geliefert hat, welche diese an ihren Auktionen auf Rechnung des Beklagten verkaufte. Auf der andern Seite zahlte die Klägerin dem Beklagten jeweils Vorschüsse bzw. Darlehen aus. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf dieses Abrechnungsverhältnis und macht den Saldo geltend. BGE 121 III 336 S. 343 a) Um welche Art von Vertrag es sich handelt, kann vorliegend offenbleiben. Massgebend ist vielmehr, dass der Beklagte der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ausschliesslich im Rahmen seiner privaten Tätigkeit Briefmarken zur Versteigerung zukommen liess. Nach diesen Feststellungen hat die Klägerin im Zusammenhang mit den streitigen Geschäften immer die Privatadresse des Beklagten verwendet. Mithin sei in der Abrechnung klar zwischen den persönlichen Ausständen des Beklagten sowie jenen der beiden Philateliegesellschaften, welchen der Beklagte als Direktor vorstehe, unterschieden worden. Zudem habe die Klägerin selbst den Beklagten als Markensammler, nicht als Markenhändler bezeichnet. Aufgrund dieser Feststellungen kann eine Inanspruchnahme der klägerischen Dienste zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken bundesrechtskonform verneint werden. Es ist keineswegs ausgeschlossen, Dienstleistungen, welche auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, auch im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung zu beanspruchen. Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Geschäfte der Vertragsparteien sich nicht ausschliesslich in der Auktionstätigkeit der Klägerin erschöpften, sondern die Klägerin dem Beklagten jeweils verzinsbare Vorschüsse bzw. Darlehen zahlte, welche dann durch den Versteigerungserlös teilweise kompensiert wurden. Es ist infolgedessen von einer Verkoppelung von Dienstleistungs- und Kreditverträgen auszugehen, welche ihrerseits Gegenstand von Verbraucherverträgen ( Art. 13 Abs. 1 Ziff. 2 LugÜ ) sind. Diese Verbindung von Kommissions- und Kreditgeschäften rechtfertigt es, die Streitsache als Verbraucherstreitigkeit zu qualifizieren, auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Beklagte in gewissem Sinn selbst als Anbieter aufgetreten ist, indem er Briefmarken veräussert hat. Die Subsumtion des vorliegenden Streitgegenstandes unter den Begriff einer Verbraucherstreitigkeit stellt allerdings einen Grenzfall dar, der nur aufgrund seiner Besonderheiten sowie nach dem Grundsatz, dass im Zweifel ein Konsumentenvertrag anzunehmen ist, diesem Begriff untersteht. Dabei kann offenbleiben, ob reine Kommissionsverträge - wie sie im Auktionswesen üblich sind - allgemein unter den Begriff der Verbraucherstreitigkeit fallen. Wie aus der dargestellten Rechtsprechung folgt, spielt keine Rolle, ob der Verbraucher das Geschäft in Gewinnabsicht abgeschlossen und daraus einen Erlös erzielt hat. b) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind auch die übrigen Voraussetzungen der Werbung sowie der Vornahme der zum BGE 121 III 336 S. 344 Vertragsschluss erforderlichen Rechtshandlungen im Wohnsitzstaat gegeben, welche als Tatfragen das Bundesgericht binden ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Die Klägerin macht denn auch nicht geltend, die Vorinstanz habe die Rechtsbegriffe der Werbung und der erforderlichen Rechtshandlungen zum Vertragsabschluss im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ verkannt. Infolgedessen richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2 LugÜ . Die Klage ist daher am Wohnsitz des Beklagten zu erheben.
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Sachverhalt ab Seite 26 BGE 115 IV 26 S. 26 A. ist Eigentümer der Parzelle Nr. 105 in X. Ein Dienstbarkeitsvertrag bestimmt zugunsten der Parzelle Nr. 105 ein unbeschränktes BGE 115 IV 26 S. 27 Fuss- und Fahrwegrecht über die Parzelle Nr. 115, welche C. gehört. Am 24. Juni 1987 schickte sich A. an, in einer Kurve des Fahrwegs Erdmaterial abzutragen und wegzuschaffen. Dabei entfernte er die Grasnarbe an der Böschung, welche die dienstbarkeitsbelastete Fläche der Wiese abgrenzt. Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte A. am 30. August 1988 wegen Sachbeschädigung, nahm jedoch von Strafe Umgang. Dagegen erhebt A. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Das Obergericht führte aus, durch das Abtragen der Erde habe der Beschwerdeführer in das Eigentum des Beschwerdegegners eingegriffen und dadurch seine Rechte aus der Dienstbarkeit überschritten. Er habe dabei die Grasnarbe an der Böschung, welche die dienstbarkeitsbelastete Fläche von der Wiese des Beschwerdegegners abgrenze, entfernt und so deren Substanz verändert. Er habe auch die Ansehnlichkeit der Böschung beeinträchtigt, weshalb der objektive Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt sei. Der Vorsatz sei ebenfalls zu bejahen. Abweichend von der ersten Instanz könne im übrigen nicht von einem Rechtsirrtum des Beschwerdeführers ausgegangen werden; wegen des Verbots der reformatio in peius müsse jedoch in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils von einer Bestrafung Umgang genommen werden. b) Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, er habe in seiner Eigenschaft als Servitutsberechtigter verschiedentlich eine Instandstellung des Weges verlangt. Auf einer bereits bestehenden Unebenheit habe der Beschwerdegegner "schikanös zusätzlich schlechtes Erdmaterial und Steine aufgetragen". Wegen der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen habe er sich angeschickt, den hinderlichen "Buckel" abzutragen und wegzuschaffen. Im Hinblick auf seine Servitutsberechtigung stelle sich die Frage, ob überhaupt von einer fremden Sache im Sinne von Art. 145 StGB gesprochen werden könne. Auch sonst sei die tatbestandsmässige Handlung nicht erfüllt: Grund und Boden des Beschwerdegegners seien überhaupt nicht beschädigt, sondern die Sache vielmehr objektiv verbessert worden. Entsprechend fehle auch der BGE 115 IV 26 S. 28 Schädigungsvorsatz. Überdies habe die Vorinstanz einen Verbotsirrtum zu Unrecht verneint und eventualiter sei der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen anzunehmen. 2. Gemäss Art. 145 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer eine fremde Sache beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht. a) Fremd ist eine Sache, wenn sie im Eigentum eines andern als des Täters steht (THORMANN/VON OVERBECK, Art. 145 N. 4 i.V.m. Art. 137 N. 6; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht BT, S. 218; LOGOZ, Art. 145 Ziff. 2a; NOLL, Schweizerisches Strafrecht, BT I, S. 165). Die Liegenschaft, über welche der Feldweg führt, steht im Eigentum des Beschwerdegegners. Daran ändert auch das Fahrwegrecht des Beschwerdeführers nichts. Diese Servitut erlaubt dem Berechtigten nur, die fremde Liegenschaft im Rahmen der Dienstbarkeit zu benützen, ändert jedoch nichts daran, dass die belastete Liegenschaft für den Berechtigten zivilrechtlich fremd bleibt. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der fremden Sache ist somit das angefochtene Urteil bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings wird durch die Einräumung einer Dienstbarkeit das Eigentum im Umfang des beschränkten dinglichen Rechts beschränkt. Auf diesen Gesichtspunkt ist bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens zurückzukommen. b) Die Tathandlung besteht im Beschädigen, Zerstören oder Unbrauchbarmachen. Eine Beschädigung ist immer gegeben, wenn in die Substanz der Sache eingegriffen wird (THORMANN/VON OVERBECK, Art. 145 N. 6; LOGOZ, Art. 145 Ziff. 2b; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 3. Aufl., S. 221; REHBERG, Strafrecht III, 4. Aufl., S. 72). Vorliegend stellte die Vorinstanz verbindlich fest (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277bis Abs. 1 BStP), dass der Beschwerdeführer die Grasnarbe an der Böschung entfernt und so deren Substanz verändert habe. Damit hat sie die Tathandlung zu Recht bejaht. Eine Beschädigung liegt überdies vor, wenn die Ansehnlichkeit der Sache beeinträchtigt wird (STRATENWERTH, a.a.O., S. 222; REHBERG, a.a.O., S. 73). Die Vorinstanz hielt fest, dass auch die Ansehnlichkeit der Böschung beeinträchtigt wurde. Der Tatbestand ist somit auch in dieser Hinsicht erfüllt. Die Vorinstanz ging nicht davon aus, der Beschwerdeführer habe nur einen hinderlichen Buckel abgetragen und die Sache verbessert, weshalb nach NOLL (a.a.O., S. 165) eine Sachbeschädigung BGE 115 IV 26 S. 29 ausgeschlossen sein könnte. Auf die diesbezügliche Rüge des Beschwerdeführers kann somit nicht eingetreten werden. 3. Zu prüfen bleibt, ob sich der Beschwerdeführer auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. a) Zunächst ist zu erörtern, ob sich für den Beschwerdeführer aus der Dienstbarkeit ein Rechtfertigungsgrund ergibt, womit anderseits der Beschwerdegegner zur Duldung des entsprechenden Eingriffs verpflichtet wäre. Der Beschwerdeführer hat in seiner Eigenschaft als Servitutsberechtigter gehandelt. Gemäss Art. 737 Abs. 1 ZGB ist der Servitutsberechtigte befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist. Er ist jedoch verpflichtet, sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben (Abs. 2). Der Belastete darf nichts vornehmen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert (Abs. 3). In der Literatur wird angenommen, wer das Recht zur Benutzung eines gebahnten Fahrweges habe, sei auch befugt, diesen Weg so auszubauen und zu unterhalten, dass er den Zweck des Wegrechtes erfüllt (LIVER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl., Art. 737 N. 12; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht V/1, S. 583). Wer ein Wegrecht hat, ist befugt, das Trassee durch Reutung und Zurückschneiden von Sträuchern, Baumästen und Zweigen freizumachen (LIVER, Art. 737 N. 13). Zur Berechtigung, alles zu tun, was zur Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist, gehört etwa beim Quellenrecht, dass der Berechtigte das Wasser der Quelle fassen und sich zuleiten, und damit auf dem belasteten Grundstück Anlagen errichten, unterhalten, erneuern und gegebenenfalls auch erweitern darf (LIVER, Art. 737 N. 10). Es stellt sich die Frage, ob der Dienstbarkeitsberechtigte diese Handlungen im Streitfall auch gegen den Willen des Eigentümers des belasteten Grundstücks vornehmen darf oder ob er den Rechtsweg beschreiten muss (Besitzesschutz oder actio confessoria, vgl. LIVER, Art. 737 N. 126 ff., N. 173 ff.). Nach der Art der Berechtigung ist der Grundeigentümer entweder verpflichtet, Handlungen des Dienstbarkeitsberechtigten zu dulden, die er als Eigentümer abwehren könnte, wenn sein Grundstück frei von Lasten wäre (positive oder affirmative Dienstbarkeit), oder Handlungen zu unterlassen, zu denen er als Eigentümer berechtigt wäre, wenn sein Grundstück frei von dieser Last wäre (negative Dienstbarkeit mit der Befugnis des Berechtigten zu einem Verbieten) (vgl. LIVER, Art. 730 N. 4). BGE 115 IV 26 S. 30 Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit erforderlich ist ( Art. 737 Abs. 1 ZGB ). Unter Erhaltung ist nicht etwa die Verteidigung der Dienstbarkeit im Besitzes- oder Rechtsschutzverfahren zu verstehen; erhalten wird vielmehr die Dienstbarkeit, indem auf dem dienenden Grundstück der tatsächliche Zustand hergestellt, aufrechterhalten oder wiederhergestellt wird, welcher die ungehinderte Ausübung der Dienstbarkeit ermöglicht (LIVER, Art. 737 N. 38 f.). Dazu gehören insbesondere Unterhalts-, Reparatur- und Erneuerungsarbeiten an den Dienstbarkeitsanlagen auf dem belasteten Grundstück. Jedenfalls für den Bereich der affirmativen Dienstbarkeiten wird man deshalb annehmen müssen, dass der Servitutsberechtigte, der die geschilderten Handlungen zur Erhaltung der Dienstbarkeit unternimmt, nicht gezwungen ist, den Rechtsweg einzuschlagen, sondern kraft seiner Stellung als (beschränkt) dinglich Berechtigter vorgehen darf. Daraus ergibt sich, dass vorliegend zunächst der Inhalt der Servitutsberechtigung zu prüfen ist. Da die Vorinstanz diesbezüglich keine Feststellungen getroffen hat, ist der Fall an sie zurückzuweisen. Sie wird also abklären müssen, welche Rechte dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Stellung als Dienstbarkeitsberechtigtem zustanden, insbesondere, ob das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Abtragen von Erde zur Ausübung des Wegrechts notwendig und sinnvoll war und ob die "Wegbereinigung" gemäss Art. 737 Abs. 2 ZGB in möglichst schonender Weise ausgeübt wurde. Kommt sie zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Servitutsberechtigung gehandelt hat, hat sie ihn freizusprechen. Verneint sie dies, wird sie sich insbesondere zur Frage des Vorsatzes auszusprechen haben. Denn ebenso wie der Irrtum über ein Eigentumsrecht, also etwa die irrtümliche Annahme, eine Sache stehe im Eigentum des Täters, als vorsatzausschliessender Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 19 StGB zu qualifizieren ist (vgl. BGE 85 IV 192 f.), wäre ein Irrtum des Beschwerdeführers in bezug auf den Umfang seiner Dienstbarkeit als vorsatzausschliessender Irrtum zu werten. b) Andere Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. So kann sich der Beschwerdeführer nicht über seine in Art. 737 ZGB umschriebene Berechtigung hinaus auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Ebensowenig hilft ihm der Hinweis auf eine mutmassliche Einwilligung des Verletzten, nachdem der Beschwerdegegner BGE 115 IV 26 S. 31 gemäss ausdrücklicher Feststellung der Vorinstanz in die verlangte Änderung des Weges nicht eingewilligt hatte.
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Sachverhalt ab Seite 33 BGE 106 Ia 33 S. 33 X. wurde im Jahre 1942 geboren und ist seit seinem 20. Altersjahr wegen Geistesschwäche im Sinne von Art. 369 ZGB entmündigt. Im Jahre 1958 wurde er erstmals "zur Beobachtung" in die Heil- und Pflegeanstalt Münsingen eingewiesen, von wo er mit Beschluss des Waisenamtes H. vom 3. November 1961 "zur Rückkehr zu seinen Eltern" entlassen wurde. In der Folge wurde X. aber immer wieder von neuem in die verschiedensten Heime und Anstalten eingewiesen und nach längerer oder kürzerer Zeit endgültig oder "probeweise" entlassen. Von den Leitern der meisten Heime und Anstalten wurde er als arbeitsfähig und arbeitswillig eingestuft, hielt es aber trotzdem BGE 106 Ia 33 S. 34 an keiner Arbeitsstelle während längerer Zeit aus. Zuletzt war er in der Zeit zwischen September 1977 und Mai 1979 in Freiheit. Nachdem er in dieser Zeit drei Stellen nach verhältnismässig kurzer Zeit wieder verlassen hatte, soll er sich seit Mitte Mai 1979 nicht mehr um eine neue Arbeit bemüht haben. X. bezieht eine Invalidenrente. Am 5. und 26. Juni 1979 beschloss die Vormundschaftsbehörde H., dem Vormund von X. im Sinne von Art. 421 Ziff. 13 ZGB die Zustimmung zu erteilen, das Mündel in die aargauische Arbeitskolonie Murimoos einzuweisen, und zwar "für die Dauer von mindestens einem Jahr". Eine hiegegen von X. erhobene Beschwerde wies der Bezirksrat am 25. September 1979 ab. X. zog die Sache an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich weiter. Mit Verfügung vom 15. März 1980 verwarf diese das Rechtsmittel. X. führt beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der persönlichen Freiheit und von Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK . Er ersucht um Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, und zwar im Sinne der folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. In ihrem Entscheid ging die Justizdirektion von Art. 421 Ziff. 13 und Art. 406 ZGB aus, wonach die vormundschaftlichen Organe die Befugnis haben, eine bevormundete Person in eine Anstalt einzuweisen. Diese Bestimmungen kann das Bundesgericht nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfen ( Art. 113 Abs. 3 BV ). Allerdings ist zu vermuten, dass sich der Gesetzgeber von der Verfassung nicht entfernen wollte. Die erwähnten Vorschriften des ZGB sind daher verfassungskonform auszulegen, es wäre denn, Wortlaut oder Sinn und Zweck dieser Bestimmungen stünden dem entgegen ( BGE 95 I 332 E. 3, BGE 92 I 433 mit Hinweisen). 3. Das ungeschriebene Individualrecht der persönlichen Freiheit schützt alle elementaren Erscheinungen menschlicher Persönlichkeit, die nicht durch andere Freiheitsrechte der Bundesverfassung gewährleistet sind. Dazu gehört namentlich auch die Bewegungsfreiheit ( BGE 104 Ia 39 E. 5a, 486 E. 4a, BGE 103 Ia 171 E. 2, BGE 101 Ia 345 E. 7a mit Hinweisen). Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen BGE 106 Ia 33 S. 35 Interesse stehen und verhältnismässig sind ( BGE 104 Ia 299 E. 2, 486 E. 4b mit Hinweisen). Dass im vorliegenden Falle die persönliche Freiheit berührt ist, liegt auf der Hand, wird doch durch die in Frage stehende Massnahme das elementare Recht des Beschwerdeführers auf Bewegungsfreiheit wesentlich eingeschränkt. Aus Art. 406 in Verbindung mit Art. 369 Abs. 1 ZGB ergibt sich, dass ein Bevormundeter in eine Anstalt verbracht werden kann, wenn er infolge Geisteskrankheit oder Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Mit der Beschwerde wird diese gesetzliche Grundlage der angefochtenen Massnahme nicht beanstandet, sondern nur die Verhältnismässigkeit ihrer Anwendung im konkreten Fall. Zusätzlich rügt der Beschwerdeführer auch eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK , wonach die Freiheit unter anderem wegen Geisteskrankheit entzogen werden darf. Diese Rüge hat gegenüber derjenigen der Verletzung der persönlichen Freiheit keine selbständige Bedeutung. Trotzdem ist Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK heranzuziehen, sind doch die von der Konvention geschützten Rechte in Verbindung mit den Individualrechten des geschriebenen oder ungeschriebenen Verfassungsrechtes zu bestimmen. Richtschnur für die Auslegung der erwähnten Bestimmungen des ZGB ist somit das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit, das durch die angerufene Garantie von Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK konkretisiert wird ( BGE 105 Ia 29 E. 2b, BGE 102 Ia 381 mit Hinweisen). 4. a) Nach Art. 406 ZGB darf die Anstaltseinweisung nur "nötigenfalls" erfolgen. Das stimmt überein mit dem verfassungsmässigen Gebot, bei Eingriffen in die persönliche Freiheit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen. Der Eingriff darf daher nicht weiter gehen, als es das zu erreichende Ziel erfordert ( BGE 102 Ia 522 E. 4, BGE 100 Ia 459 E. IIIa, BGE 99 Ia 753 E. 2c, BGE 96 I 242 E. 5). Ob das Gebot der Verhältnismässigkeit im Rahmen eines Freiheitsentzuges gewahrt wird, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 103 Ia 296 E. 4b, BGE 101 Ia 53 E. 7, BGE 98 Ia 100 E. 2). Es liegt auf der Hand, dass eine auf Art. 406 ZGB gestützte Einweisung nur als letzte Massnahme in Betracht kommen kann. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Einweisung des Betroffenen muss dessen eigenes Interesse an der Wahrung seiner persönlichen Freiheit klar übersteigen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn feststeht, dass der Bevormundete BGE 106 Ia 33 S. 36 geistesschwach oder geisteskrank ist, vermögen doch zahlreiche Geisteskranke und Geistesschwache bei fachgerechter Betreuung ein Leben ausserhalb von Anstalten zu führen. Voraussetzung für eine Einweisung ist vielmehr, dass entweder begründete Aussichten dafür bestehen, das durch die Geisteskrankheit oder Geistesschwäche bedingte, aus dem Rahmen des Üblichen fallende soziale Verhalten des Betroffenen könne in einer Anstalt innerhalb absehbarer Zeit im Sinne einer Besserung beeinflusst werden, oder dass der Bevormundete für sich oder Dritte eine Gefahr bildet, indem er hochwertige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit gefährdet (vgl. EGGER, N. 26 und 27 zu Art. 406 ZGB ). b) Die Justizdirektion stützte sich auf ein von der kantonalen Heil- und Pflegeanstalt Münsingen am 4. Oktober 1961 erstattetes Gutachten. Dieses wurde seinerzeit vom Waisenamt H. eingeholt, und zwar vorab zur Abklärung der Frage, ob der Beschwerdeführer "seine Angelegenheiten nach Erreichung der Volljährigkeit nicht selbst zu besorgen vermag". Ferner sollte geprüft werden, ob er "zu seinem Schutze dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf" und ob er die Sicherheit anderer gefährde. Die Sachverständigen kamen zum Schluss, der Beschwerdeführer sei in leichtem bis mittlerem Grade schwachsinnig, d.h. es liege eine "schwere Debilität an der Grenze zur Imbezillität" vor. Seine Wesensart sei infantil. Den Anforderungen des Lebens stehe er hilflos gegenüber. Er bedürfe daher zu seinem Schutze dauernd des Beistandes und der Fürsorge. Eine Gefahr für Dritte bedeute er nicht. Gestützt auf dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführer in der Folge entmündigt. Dieses Gutachten genügt nicht, um die vom Bundesgericht frei zu prüfende Verhältnismässigkeit der in Frage stehenden Massnahme beurteilen zu können. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers trifft es zwar nicht zu, dass das Gutachten sehr summarisch gehalten ist. Vielmehr wirkt es sorgfältig und gab den zuständigen Behörden in den Jahren 1961 und 1962 eine ausreichende Grundlage, um über die Entmündigung des Beschwerdeführers zu befinden. Das ist jedoch nicht der Fall hinsichtlich der heute von den vormundschaftlichen Behörden ins Auge gefassten Massnahme. Zu beachten ist nämlich, dass jeder Mensch, auch der Schwachsinnige, im Laufe der Zeit Erfahrungen sammelt und sich weiterentwickelt. Da es um das fundamentale Recht des Menschen auf persönliche Freiheit BGE 106 Ia 33 S. 37 geht, durfte die Justizdirektion daher den 38jährigen Beschwerdeführer nicht auf Grund eines vor 19 Jahren eingeholten Gutachtens beurteilen. Im übrigen war die Fragestellung an die Sachverständigen im Jahre 1961 darauf ausgerichtet, ob der Beschwerdeführer entmündigt werden sollte. Heute geht es demgegenüber um eine ganz andere Frage, nämlich um die, ob der Beschwerdeführer sein Leben für kürzere oder längere Zeit in einer Anstalt verbringen soll. Zu ermitteln ist in diesem Zusammenhang namentlich, welcher Sinn einer derartigen Einweisung zukommt, und es ist zu prüfen, ob sich durch die Einweisung die Aussicht darauf, dass der Beschwerdeführer künftig selber für seine Lebensbedürfnisse in Freiheit sorgen kann, verbessern lasse. Gegebenenfalls ist aber auch abzuklären, ob der Beschwerdeführer für sich oder Dritte eine derartige Gefahr bedeutet, dass sich seine Einweisung aufdrängt. Sollte der zu bestellende Sachverständige zum Schlusse kommen, eine solche Massnahme rechtfertige sich nicht, dann hätte er Vorschläge zu machen, welche andere Formen der Betreuung im Falle des Beschwerdeführers statt dessen angeordnet werden sollten. Kann aber auf Grund des Gutachtens aus dem Jahre 1961 die Frage nicht beurteilt werden, ob die getroffene Massnahme im Rahmen des Grundrechts der persönlichen Freiheit als verhältnismässig zu gelten hat, dann steht auch dahin, ob die Justizdirektion Art. 406 ZGB verfassungskonform angewendet hat. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Die Justizdirektion oder die von ihr beauftragte Behörde wird vor einem neuen Entscheid betreffend die Einweisung des Beschwerdeführers ein psychiatrisches Gutachten einzuholen haben. Wegen seiner Geistesschwäche wird es sich der Beschwerdeführer allerdings unter Umständen gefallen lassen müssen, dass er sich im Rahmen dieser Begutachtung zur Beobachtung in einer Anstalt aufzuhalten haben wird. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen.
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Sachverhalt ab Seite 194 BGE 123 III 193 S. 194 A.- Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie FH ist ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB . Mit Beschluss seiner Generalversammlung vom 24. November 1994 schloss er eines seiner Mitglieder, die Titoni AG, in Anwendung von Art. 72 ZGB aus mit der Begründung, dieses Unternehmen habe durch sklavische Nachahmung der Produktereihe eines andern Mitgliedes (Rolex Oyster) eines der zentralen Vereinsziele verletzt. Die Titoni AG erhob beim Appellationshof des Kantons Bern Klage mit dem Begehren, den besagten Beschluss nichtig zu erklären, eventuell ihn aufzuheben, und verlangte gleichzeitig Schadenersatz. B.- Mit Urteil vom 17. April 1996 hiess der Appellationshof die Anfechtungsklage gut und hob den angefochtenen Beschluss auf. Das Begehren um Schadenersatz wies er jedoch ab. C.- Dagegen hat der Beklagte beim Bundesgericht unter anderem Berufung eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des Appellationshofs aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt ihrerseits, die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. a) Die Vorinstanz hat die Ausschliessung der Klägerin aus dem Beklagten aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, bei einer Berufs- oder Standesorganisation verletze die Ausschliessung eines Mitgliedes dessen Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche Entfaltung und berufliches Ansehen in gravierender Weise; ein Ausschluss könne daher nur dann als zulässig gelten, wenn im Einzelfall das Interesse des Vereins an der Ausschliessung höher zu werten sei als dasjenige des Mitgliedes an der Beibehaltung BGE 123 III 193 S. 195 der Mitgliedschaft; er dürfe mit anderen Worten nur aus wichtigen Gründen erfolgen. Die Vorinstanz hat solche Gründe verneint und dazu festgehalten, die Klägerin habe ihre Uhren "Genre Rolex" während Jahrzehnten produziert, ohne dass Rolex oder der Beklagte, die beide davon hätten wissen müssen, bis 1990 je eingeschritten seien. Abgesehen davon habe sich die Klägerin in ihrer Tätigkeit in Gesellschaft mehrerer Mitglieder des Beklagten befunden und sich qualitativ von diesen nicht unterschieden. Wie alle anderen Hersteller und Brancheninsider habe sie davon ausgehen dürfen, dass Rolex Oyster im Fernen Osten als modèle public gelte, und sich dabei auf ein Urteil i.S. Rolex c. Sicura stützen können. Die zwiespältige Haltung von Rolex ihren Nachahmern gegenüber sei auch nicht dazu angetan gewesen, die Klägerin an ihrem Vorgehen zu hindern. Da auch nicht bewiesen sei, dass sie sich mit ihrer Produktion mengenmässig von derjenigen anderer Mitglieder des Beklagten abgehoben habe, könne ihr für die Zeit vor 1990 keine schwerwiegende Verletzung der Statuten oder der Verbandsinteressen vorgeworfen werden. Nach 1990 habe sich die Klägerin in durchaus vernünftigem und angemessenem Rahmen kompromissbereit gezeigt, was vom Beklagten ja auch unterstützt worden sei. Dass sie sich nicht bereit erklärt habe, ein rechtliches Schuldbekenntnis abzulegen, könne ihr angesichts der schweizerischen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Zwei Instanzen hätten in dem von Rolex gegen die Klägerin angestrengten Verfahren zu deren Gunsten entschieden. Auch die in der Schlussphase von der Klägerin an Rolex gestellte Forderung, ebenfalls gegen die anderen Nachahmer vorzugehen, sei angesichts der wirtschaftlichen Konsequenzen eines Rückzuges der Klägerin aus dem Markt des "Genre Rolex" im Fernen Osten durchaus gerechtfertigt. Nachdem der Beklagte lange Zeit die Position eines Schiedsrichters eingenommen habe, sei er von dieser Position abrupt abgewichen und habe sich im Frühling 1994 ohne jeden ersichtlichen Grund gegen die Klägerin gestellt. Er habe ihr die Schuld am Fehlen einer gütlichen Lösung zugewiesen, obwohl von ihm nie ein eigener Kompromissvorschlag unterbreitet worden sei, an dem sie das Verhandlungsverhalten und die Kompromissbereitschaft der Parteien hätte messen können. Nachahmungen von Rolex durch andere seiner Mitglieder seien vom Beklagten, ohne sich auf Untersuchungen stützen zu können, bagatellisiert und nicht als Entschuldigung für das Verhalten der Klägerin akzeptiert worden. Abgesehen davon habe der Beklagte sich bei seinem Ausschliessungsentscheid weder mit der in der Stellungnahme BGE 123 III 193 S. 196 der Klägerin vom 18. Oktober 1994 geltend gemachten langjährigen Produktion ihrer Linie Cosmo noch mit dem in der Stellungnahme ebenfalls erwähnten Urteil vom 31. März 1994 des Amtsgerichtes Solothurn-Lebern auseinandergesetzt. Mithin könne der Klägerin auch für die Zeit nach 1990 nicht vorgeworfen werden, sie habe durch ihr Verhalten in den Verhandlungen mit Rolex die Statuten oder die Interessen des Beklagten in schwerwiegender Weise verletzt. Gesamthaft gesehen sei damit das Interesse der Klägerin daran, nicht ausgeschlossen zu werden, als grösser zu gewichten als dasjenige des Beklagten an der Ausschliessung. Überdies verletze der gegenüber der Klägerin verfügte Ausschluss das Gebot der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder, da der Beklagte um die Nachahmung von Rolex-Uhren durch andere Mitglieder gewusst habe, den entsprechenden Vorwürfen aber nicht nachgegangen sei. b) Der Beklagte erblickt einen Verstoss gegen Art. 72 ZGB , weil die Vorinstanz trotz Art. 72 Abs. 2 ZGB den Ausschliessungsentscheid nicht allein unter dem Gesichtswinkel des Rechtsmissbrauchs geprüft habe, der im konkreten Fall zu verneinen sei; abgesehen davon, dass er keinen Verein mit wirtschaftlicher Zwecksetzung darstelle, sei auch die Auffassung der Vorinstanz unzutreffend, bei atypischen Vereinen, insbesondere solchen mit wirtschaftlicher Zwecksetzung, könnten die Mitglieder nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden. Solche würden im übrigen zu Unrecht verneint, und es treffe auch nicht zu, dass er mit seinem Vorgehen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen habe. c) aa) Gemäss Art. 72 Abs. 1 ZGB können die Vereinsstatuten Gründe bestimmen, aus denen ein Mitglied ausgeschlossen werden darf, oder aber die Ausschliessung ohne Angabe von Gründen gestatten. Gemäss Art. 72 Abs. 2 ZGB ist in diesen Fällen eine Anfechtung der Ausschliessung wegen ihres Grundes nicht statthaft, wobei dies allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts lediglich unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots i.S.v. Art. 2 Abs. 2 ZGB gilt ( BGE 51 II 237 E. 2 S. 242; BGE 85 II 525 E. 8 S. 541; BGE 90 II 346 E. 1 S. 347); ausserdem schliesst Art. 72 Abs. 2 ZGB eine Anfechtung der Ausschliessung wegen vereinsinterner Verfahrensmängel nicht aus ( BGE 51 II 237 E. 2 S. 242; vgl. auch BGE 114 II 193 ff.). Soweit im Zusammenhang mit Art. 72 ZGB eine Anfechtungsklage erhoben wird, richtet sich diese grundsätzlich - insbesondere auch hinsichtlich der Frist - nach Art. 75 ZGB . BGE 123 III 193 S. 197 Gemäss Art. 8 der Statuten des Beklagten kann dessen Generalversammlung ein Mitglied ausschliessen, wenn dieses eine Politik verfolgt oder Tätigkeiten ausübt, die mit den allgemeinen Zielen des Verbandes unvereinbar sind, oder wenn es seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verband nicht nachkommt. Gestützt darauf erfolgte am 24. November 1994 die Ausschliessung der Klägerin. Vorliegend ist unbestritten, dass diese Ausschliessung unter den ersten Teil von Art. 72 Abs. 1 ZGB fällt und daher aufgrund von Art. 72 Abs. 2 ZGB nicht anfechtbar ist; einig sind sich die Parteien und die Vorinstanz ferner darin, dass kein Fall von Rechtsmissbrauch vorliegt, Verfahrensmängel nicht zur Diskussion stehen und die formellen Anfechtungsvoraussetzungen gemäss Art. 75 ZGB erfüllt sind. bb) In der neueren Lehre wird indessen überwiegend die Ansicht vertreten, bei Berufs- und Standesorganisationen bzw. Wirtschaftsverbänden würden der Ausschliessungsbefugnis des Vereins auch durch den Schutz der Persönlichkeit des Mitgliedes ( Art. 28 ZGB ) Grenzen gesetzt: Angesichts der wirtschaftlichen bzw. beruflichen Bedeutung einer derartigen Vereinsmitgliedschaft für das einzelne Mitglied, insbesondere auch im Hinblick auf seinen geschäftlichen Ruf, könne die Ausschlussautonomie des Vereins nicht so (weitgehend) schrankenlos sein wie bei einem "gewöhnlichen" Verein; vielmehr sei in solchen Fällen eine Abwägung zwischen den Interessen an der Ausschliessung des Mitgliedes und dessen Interessen an der Mitgliedschaft vorzunehmen; ein Ausschluss könne nur bei überwiegenden Interessen des Vereins - und damit im Ergebnis nur aus wichtigen Gründen - erfolgen (vgl. RIEMER, BERNER KOMMENTAR, N. 44 ff. zu Art. 72 ZGB ; HEINI, Das Schweizerische Vereinsrecht, Basel 1988, S. 65; derselbe, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I, Basel 1996, N. 11/12 zu Art. 72 ZGB ; ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Verein, Diss. Freiburg i.Ue. 1979, S. 120/121; THOMAS BÜTLER, Der Persönlichkeitsschutz des Vereinsmitglieds, Diss. Basel 1986, S. 72 ff.; HANS BODMER, Vereinsstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit, Diss. St. Gallen 1989, S. 191 ff.; in Erwägung gezogen auch von MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des Schweizerischen Gesellschaftsrechts, 7. Aufl., Bern 1993, § 16 N. 43, und VON TUOR/ SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl., Zürich 1995, S. 142 Anm. 31). Die gegenteilige Meinung wird von Beat Badertscher (Der Ausschluss aus dem Verein nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1980, S. 216/217, 218/ BGE 123 III 193 S. 198 219) vertreten. Die vorherrschende Auffassung entspricht dem Standpunkt, welcher in der neueren kantonalen Rechtsprechung und in der Literatur betreffend Sportvereine eingenommen wird, sobald bei diesen erhebliche wirtschaftliche Interessen des Mitgliedes eine Rolle spielen (vgl. ZBJV 124/1988, S. 311 ff.; SJZ 84/1988, Nr. 13 S. 85 ff. und auch schon SJZ 75/1979, Nr. 13 S. 78; KUMMER, Spielregel und Rechtsregel, Bern 1973, S. 55 ff.; MARGARETA BADDELEY, L'association sportive face au droit, Basel 1994, S. 97 f.). Das Bundesgericht hat sich zu dieser Frage nicht abschliessend geäussert. In einem nicht publizierten Entscheid vom 22. November 1996 i.S. C./GST hat es die Anwendbarkeit von Art. 28 ZGB gegenüber Art. 72 ZGB eher bejaht (E. 4b), in einem weiteren, ebenfalls nicht publizierten Urteil vom 28. Februar 1997 i.S. B./SVMD hingegen eher verneint (E. 3), wobei es allerdings in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Prüfung nach Art. 28 ZGB als nicht gegeben erachtet hat. cc) Der herrschenden Lehrmeinung, welche auch dem vorinstanzlichen Urteil zugrunde liegt und in der Sache überzeugt, ist zu folgen. Tritt ein Verein in der Öffentlichkeit wie auch gegenüber Behörden, potentiellen Kunden seiner Mitglieder usw. als massgebende Organisation des betreffenden Berufsstandes oder Wirtschaftszweigs auf, so kann er für sich nicht dieselbe umfassende Ausschlussautonomie gemäss Art. 72 Abs. 2 ZGB beanspruchen, wie sie etwa einem Geselligkeitsverein oder dergleichen zugestanden wird; vielmehr verlangt hier das Persönlichkeitsrecht der Mitglieder auf wirtschaftliche Entfaltung ( Art. 28 ZGB ) nach einer Beschränkung des Rechts auf Ausschliessung; andernfalls lägen der geschäftliche bzw. berufliche Ruf der betreffenden Mitglieder (und ihrer Unternehmen) und weitere für sie wichtige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, wie Marktzutritt mittels Ausstellungen, Marktinformationen usw., zu einem beträchtlichen Teil in der Macht des Vereins. Beim Beklagten handelt es sich offensichtlich um einen Verein im vorgenannten Sinn; dabei erweist sich allerdings die Umschreibung mit "wirtschaftlicher Zweck" als ungenau, da es sich in Wirklichkeit um einen wirtschaftspolitischen Zweck handelt. Das ergibt sich ohne weiteres aus Art. 2 der Statuten, wonach der Verband die repräsentative Organisation der gesamten schweizerischen Uhrenindustrie darstellt, und wird vom Beklagten auch eingeräumt. Die Vorinstanz hat mithin zu Recht die Ausschliessung nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs überprüft, sondern BGE 123 III 193 S. 199 aufgrund von Art. 28 ZGB eine Interessenabwägung vorgenommen und abgeklärt, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Sie hat dies aufgrund der vorstehend (E. 2a) wiedergegebenen, für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs. 2 OG ) verneint und damit das ihr in dieser Frage zustehende Ermessen ( Art. 4 ZGB ) weder überschritten noch missbraucht ( BGE 119 II 197 E. 2 a.E. mit Hinweis; zum Umfang der Prüfung bei Ermessensentscheiden: BGE 118 II 50 E. 4 S. 55). dd) Ist aber der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden, so kann offenbleiben, ob der Beklagte mit seinem Entscheid auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Mitglieder verstossen hat.
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Sachverhalt ab Seite 183 BGE 145 II 182 S. 183 A. A.A. und B.A. führen in der aargauischen Gemeinde Wölflinswil das landwirtschaftliche Gewerbe "B.", auf dem sie Pferde und Sömmerungsrinder halten, Acker- und Futterbau betreiben sowie eine Obstanbaufläche bewirtschaften. Am 5. Dezember 2016 ersuchten sie beim Gemeinderat Wölflinswil um den baurechtlichen Vorentscheid, dass sie auf dem Gewerbe Wohnraum für die abtretende Generation bzw. ein Stöckli erstellen dürften. Am 16. März 2017 verneinte das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau die Bewilligungsfähigkeit des zusätzlichen Wohnraums bzw. eines Stöckli und wies ihr Gesuch ab. Diesen Entscheid eröffnete ihnen der Gemeinderat mit Beschluss vom 3. April 2017. Ihre dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Aargau am 13. September 2017 ab. B. Gegen den Entscheid des Regierungsrats gelangten A.A. und B.A. an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Am 24. Mai 2018 wies dieses ihr Rechtsmittel ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Juni 2018 an das Bundesgericht beantragen A.A. und B.A., das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihr Vorentscheidsgesuch zu bewilligen. Der Gemeinderat beurteilt die Beschwerde als plausibel und nachvollziehbar. Der Regierungsrat beantragt deren Abweisung, soweit BGE 145 II 182 S. 184 darauf eingetreten werden könne. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE erachtet das angefochtene Urteil als im Ergebnis korrekt und schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A.A. und B.A. haben am 15. Oktober 2018 eine weitere Stellungnahme eingereicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Ob Art. 34b Abs. 5 RPV (SR 700.1) bei der Beurteilung der Zonenkonformität des strittigen Wohnraums zur Anwendung kommt, ist nachfolgend mittels Auslegung zu klären. Ausgangspunkt bildet dabei der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 144 II 121 E. 3.4 S. 126 mit Hinweisen). 5.2 Gemäss dem in den drei Amtssprachen übereinstimmenden Wortlaut von Art. 34b Abs. 5 RPV ist die Errichtung neuer Wohnbauten im Zusammenhang mit der Haltung und Nutzung von Pferden allgemein unzulässig. Dass die Bestimmung nur für bestimmte neue Wohnbauten mit einem solchen Zusammenhang gelten würde oder auf gewisse nicht zur Anwendung käme, geht daraus nicht hervor. Wann von einem derartigen "Zusammenhang mit der Haltung und Nutzung von Pferden" auszugehen ist, wird aus dem Wortlaut der Bestimmung allerdings nicht gänzlich klar. So ist etwa denkbar, dass diese lediglich Wohnbauten betrifft, die einen unmittelbaren Bezug zur Pferdehaltung und -nutzung haben, aber auch, dass sie nebst diesen zusätzlich für Wohnbauten mit einem bloss mittelbaren Bezug gilt. Zur Klärung der Tragweite der Bestimmung sind demnach die weiteren Auslegungselemente zu berücksichtigen. BGE 145 II 182 S. 185 5.3 Die Beschwerdeführer bringen in diesem Zusammenhang insbesondere vor, die Anwendung von Art. 34b Abs. 5 RPV auf die Erstellung von neuen Wohnbauten für die abtretende Generation hätte für sämtliche Landwirtschaftsbetriebe, auf denen im Zusammenhang mit der Pferdezucht zonenkonformer Wohnraum erstellt worden sei, zur Folge, dass die abtretende Generation nach der Betriebsübergabe den Hof verlassen müsste. Dies sei mit Sinn und Zweck von Art. 34 Abs. 3 RPV , wonach der abtretenden Generation nicht zugemutet werden könne, den von ihr ein Leben lang bewohnten Hof zu verlassen, nicht zu vereinbaren, ebenso wenig mit Sinn und Zweck von Art. 34b Abs. 5 RPV . Der Verordnungsgeber habe mit dieser Bestimmung nicht verhindern wollen, dass bei Bestehen eines zonenkonformen Wohngebäudes Wohnraum für die abtretende Generation erstellt werde. Die Bestimmung könne und dürfe sich vielmehr nur auf Fälle beziehen, in denen zunächst Bauten im Sinne von Art. 34b Abs. 2-4 RPV errichtet worden seien und anschliessend wegen dieser Bauten ein Anspruch auf die Erstellung von Wohnraum geltend gemacht werde. 5.4 Art. 34b Abs. 5 RPV konkretisiert wie die weiteren Absätze von Art. 34b RPV den am 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Art. 16a bis RPG (SR 700; vgl. Art. 16a bis Abs. 4 RPG ). Dieser sieht insbesondere vor, dass Bauten und Anlagen, die zur Haltung von Pferden nötig sind, auf einem bestehenden landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne des BGBB (SR 211.412.11) als zonenkonform bewilligt werden, wenn dieses Gewerbe über eine überwiegend betriebseigene Futtergrundlage und Weiden für die Pferdehaltung verfügt (Abs. 1). Zudem erklärt er gewisse Bauten und Anlagen für die Nutzung von Pferden für bewilligungsfähig (Abs. 2 und 3). Er geht zurück auf die Teilrevision des RPG vom 22. März 2013 (AS 2014 905), mit der mit Bezug auf die Zonenkonformität die frühere Unterscheidung zwischen den grundsätzlich zonenkonformen Pferdezucht- und den nicht oder nur beschränkt zonenkonformen Pferdepensionsbetrieben aufgegeben wurde und die Haltung von Sport- und Freizeitpferden in der Landwirtschaftszone sowie der Vollzug erleichtert werden sollte (vgl. Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats vom 24. April 2012 zur parlamentarischen Initiative "Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone" [04.472], BBl 2012 6593 ff., 6601 Ziff. 4.2). 5.5 Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats führt in ihrem Bericht zu dieser Teilrevision aus, die BGE 145 II 182 S. 186 vorgesehene Öffnung berge die Gefahr in sich, dass Nichtlandwirte "Landwirtschaftsbetriebe" gründeten, nur um Wohnhäuser und Reitställe in der Landwirtschaftszone zu errichten. Dem werde dadurch begegnet, dass nur bestehende Betriebe, die zudem die Anforderungen an ein landwirtschaftliches Gewerbe gemäss BGBB erfüllten, in den Genuss der neuen Möglichkeiten kommen sollten. Ein Betrieb, der Pferde halten wolle, müsse also einerseits eine bestimmte Mindestgrösse aufweisen und andererseits über bestehende Betriebsgebäude verfügen. Dazu gehöre namentlich eine bestehende Wohnbaute, damit die Überwachung der Pferde sichergestellt sei. Die Pferdehaltung solle nicht zur Errichtung von neuem Wohnraum in der Landwirtschaftszone führen (vgl. den vorstehend zitierten Bericht, BBl 2012 6595 Ziff. 3.1). Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE nimmt in seinem erläuternden Bericht zum Vernehmlassungsentwurf für die Teilrevision der RPV vom 2. April 2014 (AS 2014 909), mit der unter anderem Art. 34b in die Verordnung aufgenommen wurde, auf diese Ausführungen im Kommissionsbericht Bezug. Es hält fest, Art. 34b Abs. 4 RPV des Entwurfs (der Art. 34b Abs. 5 RPV entspricht) stelle klar, dass die Pferdehaltung nicht zur Schaffung von neuem Wohnraum in der Landwirtschaftszone führen dürfe. Erfordere die vorgesehene Pferdehaltung eine dauernde Überwachung der Tiere vor Ort, müsse entsprechender Wohnraum bereits vorhanden sein. Die Bestimmung stelle eine Spezialnorm dar und gehe der allgemeinen Vorschrift von Art. 34 Abs. 3 RPV vor (vgl. Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Erläuternder Bericht zum Vernehmlassungsentwurf einer Teilrevision der Raumplanungsverordnung, 2013, S. 20). 5.6 Angesichts dieser Ausführungen in den beiden Berichten ist davon auszugehen, Art. 34b Abs. 5 RPV solle insbesondere verhindern, dass ein allfälliger mit der erleichterten Pferdehaltung einhergehender betrieblicher Überwachungsbedarf herangezogen wird, um gestützt auf Art. 34 Abs. 3 RPV die Zonenkonformität von neuen Wohnbauten in der Landwirtschaftszone zu begründen. Er gilt somit in erster Linie für Wohnbauten mit einem unmittelbaren Bezug zu einer nach der Lockerung der Regelung neu betriebenen Pferdehaltung oder -nutzung. Dass er darauf beschränkt wäre, ist aber nicht ersichtlich. Die allgemeine Feststellung in den beiden Berichten, die Pferdehaltung solle nicht zur Errichtung von neuem Wohnraum in der Landwirtschaftszone führen, deutet vielmehr darauf hin, dass Art. 34b Abs. 5 RPV neue Wohnbauten in der Landwirtschaftszone, BGE 145 II 182 S. 187 die nur wegen der Pferdehaltung oder -nutzung beansprucht werden könnten, generell ausschliessen soll. Dies gilt umso mehr, als die beiden Berichte keine einschränkenden Bemerkungen bezüglich des Anwendungsbereichs der Bestimmung enthalten. Es liegt somit nahe, dass Art. 34b Abs. 5 RPV für all jene neuen Wohnbauten gilt, welche die Anforderungen von Art. 34 Abs. 3 RPV an die Zonenkonformität nur deshalb erfüllen würden, weil auf dem betreffenden landwirtschaftlichen Betrieb Pferde gehalten oder genutzt werden. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, erfasst er nach dieser weiten Auslegung somit neue Wohnbauten auch dann, wenn diese, wie jene für die abtretende Generation, lediglich einen mittelbaren Bezug zur Pferdehaltung oder -nutzung haben. 5.7 Dieser weiten Auslegung steht nicht entgegen, dass Art. 34 Abs. 3 RPV unter anderem bezweckt, der abtretenden Generation unter gewissen Voraussetzungen den Verbleib auf dem Betrieb zu ermöglichen. Art. 34b Abs. 5 RPV soll die Tragweite der allgemeinen Bestimmung von Art. 34 Abs. 3 RPV im Zusammenhang mit der Pferdehaltung und -nutzung beschränken und geht dieser Bestimmung als zeitlich spätere Spezialnorm vor. Andernfalls könnten selbst dann neue Wohnbauten in der Landwirtschaftszone errichtet werden, wenn ein Betrieb gänzlich auf die Pferdehaltung umgestellt hat, was der Stossrichtung der Spezialregelung zuwiderläuft. Gegen die weite Auslegung spricht ebenso wenig, dass danach unter den genannten Voraussetzungen auch dann keine neuen Wohnbauten für die abtretende Generation beansprucht werden können, wenn vor der erwähnten RPG-Teilrevision im Zusammenhang mit der Pferdezucht (weiterhin) zonenkonformer Wohnraum erstellt wurde. Mit dieser Teilrevision wurden die Pferdezucht- und Pferdepensionsbetriebe einer einheitlichen Regelung unterstellt, die zwar die Pferdehaltung und -nutzung in weiterem Umfang zulässt, im Gegenzug aber die Errichtung von damit im Zusammenhang stehenden neuen Wohnbauten untersagt. Mit dieser einheitlichen Regelung wäre eine Auslegung, welche in der erwähnten Konstellation neue Wohnbauten für die abtretende Generation von der Geltung des Art. 34b Abs. 5 RPV ausnimmt, nicht vereinbar. 5.8 Soweit sich aus den übrigen Auslegungselementen massgebliche Anhaltspunkte ergeben, legen diese demnach die erwähnte weite Auslegung von Art. 34b Abs. 5 RPV nahe. In die gleiche Richtung deuten die einschlägige Wegleitung des Bundesamts für Raumentwicklung ARE und die Literatur, finden sich darin doch namentlich BGE 145 II 182 S. 188 keine einschränkenden Bemerkungen bezüglich des Anwendungsbereichs der Bestimmung (vgl. Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Wegleitung Pferd und Raumplanung, Aktualisierte Version 2015, S. 10; RUDOLF MUGGLI, in: Praxiskommentar RPG: Bauen ausserhalb der Bauzone, 2017, N. 4 zu Art. 16a bis RPG ; JEANNETTE KEHRLI, in: Handbuch zum Agrarrecht, 2017, S. 235 Rz. 108; dies. , Der Begriff der Landwirtschaft im Raumplanungsrecht des Bundes, 2015, S. 269; CAVIEZEL/FISCHER, in: Fachhandbuch Öffentliches Baurecht, 2016, S. 118 Rz. 3.74 und 3.77; IRIS BACHMANN, Pferdehaltung ausserhalb der Bauzone, Blätter für Agrarrecht 2014 S. 163 f.). Damit ist davon auszugehen, Art. 34b Abs. 5 RPV schliesse die Errichtung neuer Wohnbauten im Zusammenhang mit der Haltung und Nutzung von Pferden im genannten Sinn generell aus. Ob der vorliegend strittige Wohnraum für die abtretende Generation zonenkonform ist, hängt deshalb, wie die Vorinstanz richtig ausführt, davon ab, ob die Anforderungen von Art. 34 Abs. 3 RPV bei Ausklammerung der Pferdehaltung erfüllt sind. Soweit die Beschwerdeführer von einer engeren Auslegung von Art. 34b Abs. 5 RPV ausgehen bzw. vorbringen, diese Bestimmung komme vorliegend schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der strittige Wohnraum für die abtretende Generation in keiner Weise im Zusammenhang mit der Pferdehaltung stehe, erweist sich dies somit als unzutreffend.
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Sachverhalt ab Seite 26 BGE 147 II 25 S. 26 A. Mit Verfügung vom 10. Februar 2012 bewilligte das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn (BJD) den Umbau des Wohnhauses von A. und B. C. auf der Parzelle Nr. x Grundbuch (GB) Laupersdorf. Die Baukommission Laupersdorf erteilte am 14. März 2012 die Baubewilligung. Das Grundstück liegt in der Landwirtschaftszone. Ein erstes Gesuch hatte das BJD im Jahr 2011 zurückgewiesen, weil es das praxisgemässe Mass für zonenkonforme Wohnbauten überschritten hatte. Das Projekt war daraufhin geändert worden, beim bewilligten Gesuch wurde auf eine Wohnnutzung im Dachgeschoss verzichtet. Im Zusammenhang mit einem anderen Baugesuch von A. und B.C. (für das auch zum Landwirtschaftsbetrieb gehörende Gebäude auf Parzelle Nr. y) führte das BJD am 31. Mai 2017 einen Augenschein durch. Dabei stellte es fest, dass das Dachgeschoss des Wohnhauses auf Parzelle Nr. x entgegen der Bewilligung des BJD vom 10. Februar 2012 ausgebaut worden war. Es forderte A. und B.C. auf, die Pläne des tatsächlich ausgeführten Projekts einzureichen und den Ausbau zu begründen. Diese kamen der Aufforderung fristgerecht nach. Mit Verfügung vom 26. Januar 2018 verweigerte das BJD die Bewilligung für die ohne Bewilligung und entgegen dem bewilligten Projekt ausgeführten Ausbauarbeiten an der Liegenschaft GB Laupersdorf Nr. x; weiter ordnete es Rückbaumassnahmen an. Zur Begründung führte das BJD aus, die Abweichungen zwischen dem bewilligten und dem tatsächlich ausgeführten Bauvorhaben würden vorwiegend das Dachgeschoss und die Veränderung der übrigen Geschosshöhen betreffen. Der Ausbau des Dachgeschosses umfasse eine Wärmedämmung bis unter den First, einen Treppenaufgang, zwei Zimmer und ein WC. In der westlichen Dachfläche seien drei neue Fenster eingebaut und die bestehenden Fenster an der Fassade auf der Südseite seien im Ober- und im Dachgeschoss angehoben worden. Dafür sei auf den Einbau eines neuen Fensters auf der Südfassade verzichtet worden. Der in Abweichung von der Bewilligung von 2012 erfolgte Ausbau des Dachgeschosses überschreite das zulässige Mass. Eine nachträgliche Zustimmung könne dafür nicht erteilt werden. BGE 147 II 25 S. 27 Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies die dagegen erhobene Beschwerde am 1. Februar 2019 ab. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. März 2019 an das Bundesgericht beantragen A. und B.C. die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Bewilligung des nachträglichen Baugesuchs für den Dachausbau und die Veränderungen am Wohnhaus gegenüber dem bewilligten Baugesuch von 2012. Eventualiter sei die Sache an eine Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen. Subeventualiter sei auf den Rückbau von bezeichneten Bauteilen zu verzichten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zur Hauptsache wendet sich die Beschwerde dagegen, dass die Vorinstanz eine Bewilligung nach Art. 24c RPG (SR 700) ausgeschlossen hat. Die Beschwerdeführer behaupten, dass bereits aktive Landwirtschaftsbetriebe von Art. 24c RPG Gebrauch machen könnten. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers bei der RPG-Revision vom 23. Dezember 2011, dass künftig aktive Landwirte nicht schlechter gestellt werden sollten als solche, die ihren Betrieb aufgegeben haben. 3.1 Art. 24c Abs. 1 RPG schützt bestimmungsgemäss nutzbare, aber zonenwidrig gewordene Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen grundsätzlich in ihrem Bestand. Die Absätze 2 bis 5 von Art. 24c RPG sind in der Revision vom 23. Dezember 2011, in Kraft seit 1. November 2012 (vgl. AS 2012 5535), wie folgt neu gefasst worden: Solche Bauten und Anlagen können mit Bewilligung der zuständigen Behörde erneuert, teilweise geändert, massvoll erweitert oder wiederaufgebaut werden, sofern sie rechtmässig erstellt oder geändert worden sind (Abs. 2). Dies gilt auch für landwirtschaftliche Wohnbauten sowie angebaute Ökonomiebauten, die rechtmässig erstellt oder geändert worden sind, bevor das betreffende Grundstück Bestandteil des Nichtbaugebiets im Sinne des Bundesrechts wurde. Der Bundesrat erlässt Vorschriften, um negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft zu vermeiden (Abs. 3). Veränderungen am äusseren Erscheinungsbild müssen für eine zeitgemässe Wohnnutzung oder eine energetische Sanierung nötig oder darauf ausgerichtet sein, die Einpassung in die Landschaft zu verbessern (Abs. 4). BGE 147 II 25 S. 28 In jedem Fall bleibt die Vereinbarkeit mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vorbehalten (Abs. 5). 3.2 Art. 24c Abs. 2 und 3 RPG enthalten eine erweiterte Besitzstandsgarantie, weil sie über die Wahrung des bisherigen Bestands hinaus auch die teilweise Änderung, massvolle Erweiterung und den Wiederaufbau von rechtmässig erstellten, altrechtlichen Bauten erlauben (vgl. BGE 140 II 509 E. 2.7 S. 517; Urteil 1C_49/2019 vom 11. November 2019 E. 5). Aufgrund der Neufassung von Art. 24c RPG hängt die Zulässigkeit dieser Veränderungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Wohnbauten samt einem angebauten Ökonomieteil nicht mehr davon ab, ob die Zonenwidrigkeit der Baute auf eine Erlass- bzw. Planänderung zurückgeht oder ob sie durch tatsächliches Verhalten wie insbesondere die Aufgabe eines Landwirtschaftsbetriebs bewirkt worden ist (vgl. BGE 145 II 83 E. 5.2.1 S. 89 f.; Urteil 1C_187/2011 vom 15. März 2012 E. 3.3, in: ZBl 113/ 2012 S. 610). Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht bisher die Frage, ob ein altrechtliches Wohnhaus für die abtretende Generation in der Landwirtschaftszone, bei dem der landwirtschaftliche Verwendungszweck nicht aufgegeben wird, unter Art. 24c RPG fällt. Diese Rechtsfrage ist nachfolgend vertieft zu untersuchen. 3.3 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (sog. Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Vom klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt (vgl. BGE 145 II 182 E. 5.1 S. 184; BGE 143 II 699 E. 3.3 S. 704; je mit Hinweisen). Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (vgl. BGE 144 V 20 E. 6.1 S. 25; BGE 140 II 509 E. 2.6 S. 516; je mit Hinweisen). 3.4 Art. 24c RPG betrifft gemäss seinem Randtitel zonenwidrige Bauten. In Art. 24c Abs. 1 RPG wird die Wendung "die nicht mehr BGE 147 II 25 S. 29 zonenkonform sind" für die von der Bestimmung erfassten Bauten verwendet. Der Regelungsgehalt von Abs. 2 und 3 knüpft an diese Voraussetzung an (Abs. 2: Solche Bauten ...; Abs. 3: Dies gilt auch ...). Der Gesetzeswortlaut in den beiden anderen Amtssprachen stimmt damit überein. Art. 24c Abs. 3 Satz 2 RPG beauftragt den Bundesrat zum Erlass von Ausführungsrecht. Der 6. Abschnitt der RPV (SR 700.1) mit den Art. 39 bis 43a RPV enthält Vorschriften zu Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen. Gemäss Art. 41 Abs. 1 RPV ist Art. 24c RPG anwendbar auf Bauten und Anlagen, die rechtmässig erstellt oder geändert worden sind, bevor das betreffende Grundstück Bestandteil des Nichtbaugebiets im Sinne des Bundesrechts wurde (altrechtliche Bauten und Anlagen). Art. 43a RPV enthält gemeinsame Bestimmungen für den 6. Abschnitt. Nach Art. 43a lit. a RPV dürfen Bewilligungen nach diesem Abschnitt nur erteilt werden, wenn die Baute für den bisherigen zonenkonformen oder standortgebundenen Zweck nicht mehr benötigt wird oder sichergestellt wird, dass sie zu diesem Zweck erhalten bleibt. 3.5 Die Bundesversammlung hat die Änderung von Art. 24c RPG am 23. Dezember 2011 gestützt auf den Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats vom 22. August 2011 zur Standesinitiative "Bauen ausserhalb der Bauzone" (im Folgenden: Bericht UREK-N, BBl 2011 7083 ff.) beschlossen. Hauptzweck der Neuregelung war die Einräumung der Veränderungsmöglichkeiten von Art. 24c RPG für altrechtliche Wohnbauten in der Landwirtschaftszone, bei denen der Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben ist und die somit funktionslos geworden sind (vgl. Bericht UREK-N Ziff. 2.2, BBl 2011 7087). Der Gesetzesentwurf zur Revision von Art. 24c RPG (BBl 2011 7095) wurde im Ergebnis unverändert übernommen. Die im Nationalrat gestellten Minderheitsanträge wurden verworfen (AB 2011 N 1812 f.). Der Ständerat stimmte der nationalrätlichen Fassung zu (AB 2011 S 1163). Die abgelehnten Änderungsanträge betrafen nicht die hier aufgeworfene Fragestellung, sondern andere Einschränkungen gegenüber dem Kreis der in Art. 24c Abs. 3 RPG geregelten Gebäude sowie Anforderungen an die äussere Gestaltung. Im Bericht UREK-N wird ausgeführt, es müsse verhindert werden, dass beispielsweise Wohnbauten, die noch landwirtschaftlich benötigt werden, neu eine Bewilligung nach Art. 24c RPG erhalten und anschliessend nichtlandwirtschaftlichen Zwecken zugeführt werden. BGE 147 II 25 S. 30 Um den Art. 24c RPG nicht über Gebühr kompliziert zu machen, erscheine es angebracht, dem Bundesrat die Kompetenz zu geben, entsprechende Bewilligungsvoraussetzungen in der RPV zu verankern (vgl. BBl 2011 7089 f.). Der Bundesrat teilte in seiner Stellungnahme vom 7. September 2011 zum Bericht UREK-N die Bedenken, dass die vorgeschlagene Neuregelung unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte. Es sei insbesondere Folgendes zu beachten: Wenn praktizierende Landwirtschaftsbetriebe künftig für landwirtschaftliche Wohnbauten Bewilligungen nach Art. 24c RPG erhalten, dürfe dies nicht dazu führen, dass der bewilligte Wohnraum vom Landwirtschaftsbetrieb abgetrennt werde und dadurch Sachzwänge für zusätzlichen landwirtschaftlichen Wohnraum geschaffen würden. Voraussetzung für eine Bewilligung müsse bleiben, dass das Gebäudevolumen für die Landwirtschaft nicht mehr benötigt werde. Auch dürfe eine Bewilligung nicht dazu führen, dass zu landwirtschaftlichen Zwecken eine Ersatzbaute erstellt werden müsse (vgl. BBl 2011 7097 ff., 7099). Der Berichterstatter im Nationalrat führte aus, dass die Bemerkungen des Bundesrats global in der vorgeschlagenen Regelung berücksichtigt seien (Votum Favre, AB 2011 N 1808). Der Berichterstatter im Ständerat, auf dessen Votum sich die Beschwerdeführer berufen, wiederholte praktisch wörtlich die vorgenannten Bedenken des Bundesrats; weiter legte er dar, dass die vorberatende Kommission den vorgeschlagenen RPG-Änderungen in diesem Sinne zugestimmt hatte (Votum Bischofberger, AB 2011 S 1162). 3.6 Die Beschwerdeführer stützen sich bei ihrer Argumentation hauptsächlich auf das Ausführungsrecht der RPV und den vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) verfassten Erläuternden Bericht zur Teilrevision der RPV vom 10. Oktober 2012. Auf S. 8 dieses Berichts steht zur Neufassung von Art. 41 RPV : "Die Bedenken verschiedener Kantone, die Bewilligungsmöglichkeiten nach Artikel 24c RPG könnten mit jenen nach Artikel 16a RPG kumuliert werden, sind ernst zu nehmen. Es entspricht zwar dem Willen des Gesetzgebers, künftig aktive Landwirte nicht mehr schlechter zu stellen, als solche, die ihren Betrieb aufgegeben haben und damit bisher von den Erweiterungsmöglichkeiten nach Artikel 24d Absatz 1 RPG Gebrauch machen konnten. Hingegen soll bei einer allfälligen späteren Betriebsaufgabe aufgrund des Umstands, dass bereits aktive Landwirte von den Möglichkeiten nach Artikel 24c Gebrauch machen können, nicht mehr Gebäudevolumen bestehen, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Dies entspricht dem Grundsatz im Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzonen, dass Bewilligungen nach verschiedenen Bewilligungstatbeständen nicht kumuliert werden können. ..." BGE 147 II 25 S. 31 Ausserdem heisst es auf S. 11 zu Art. 43a RPV : "Andererseits sind neu auch Fälle zu erfassen, in denen eine Baute noch landwirtschaftlich benötigt wird, aber trotzdem unter Artikel 24c RPG fällt. In solchen Fälle muss sichergestellt werden, dass die Baute weiterhin für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung steht." Es ist nachvollziehbar, wenn die Beschwerdeführer aus diesen Erläuterungen den Schluss ziehen, dass der Anwendungsbereich von Art. 24c RPG sich auf Wohnbauten erstrecken soll, die noch landwirtschaftlichen Zwecken dienen. Zu diesen Erläuterungen ist jedoch zu bemerken, dass sie erst nach den parlamentarischen Beratungen entstanden sind. Sie können folglich nicht Gegenstand der Materialien zur Änderung von Art. 24c RPG bilden. Ausserdem handelt es sich bei diesem Bericht nicht um rechtsverbindliche Vorgaben. Er bezweckt vielmehr, eine einheitliche und rechtsgleiche Auslegung und Anwendung der Gesetze und Verordnungen durch die Verwaltung zu fördern. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das ARE sich in der Vernehmlassung an das Bundesgericht für die Abweisung der Beschwerde ausgesprochen hat. Seiner Ansicht nach überschreitet bereits die im Jahr 2012 beim Betrieb bewilligte Wohnraumfläche von gesamthaft 400 m 2 das angemessene Mass bei weitem. Seine Äusserungen lassen sich nicht anders verstehen, als dass es von einer unzulässigen Kumulation von Art. 16a und Art. 24c RPG im Anwendungsfall ausgeht. 3.7 In der Literatur spricht sich die Mehrheit der Autoren gegen eine Anwendbarkeit von Art. 24c RPG auf altrechtliche Wohnbauten in der Landwirtschaftszone aus, wenn die landwirtschaftliche Nutzung der Baute noch nicht aufgegeben worden ist (FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF/KUNZ, Zürcher Planungs- und Baurecht, 6. Aufl. 2019, S. 1498; RUDOLF MUGGLI, in: Praxiskommentar RPG, Bd. II: Bauen ausserhalb der Bauzone, Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], 2017, N. 21 zu Art. 24c RPG ; ALIG/HOFFMANN, in: Fachhandbuch Öffentliches Baurecht, Griffel/Liniger/Rausch/Thurnherr [Hrsg.], 2016, N. 3.186). Auch ALAIN GRIFFEL (Raumplanungs- und Baurecht, 3. Aufl. 2017, S. 147) ist der Ansicht, für das richtige Verständnis von Art. 24c Abs. 3 RPG müsse der Zusatz "...und deren landwirtschaftliche Nutzung später aufgegeben wurde" ergänzt werden. Denn ohne eine solche Nutzungsänderung handle es sich noch um eine zonenkonforme landwirtschaftliche Nutzung. Demgegenüber ist BARBARA JUD (Bauen ausserhalb der Bauzonen: Begriffe von A bis Z, BGE 147 II 25 S. 32 Raum & Umwelt 3/2018 S. 51) der Auffassung, auch zonenkonform genutzte Wohnbauten könnten unter Art. 24c RPG fallen; insofern sei die Überschrift zu dieser Bestimmung mit dem Begriff "zonenwidrig" nicht mehr korrekt. Ebenso hat LUKAS BÜHLMANN (Raum & Umwelt 1/2013 S. 6) mit Bezug auf Art. 24c RPG und unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte ausgeführt, all das, was nach Aufgabe der Landwirtschaft realisiert werden könne, könne auch bereits durch den aktiven Landwirt erstellt werden. Hingegen dürfe keine Kumulation von Bewilligungen nach Art. 16a und Art. 24 ff. RPG erfolgen. 3.8 Der Geltungsbereich von Art. 24c Abs. 3 RPG ist in einer Gesamtschau mit Art. 24c Abs. 1 RPG zu bestimmen. Art. 24c Abs. 3 RPG betrifft Bauten, die als Wohnhäuser mit allfällig angebautem Ökonomieteil mehreren Zwecken dienen können. Nach der Entstehungsgeschichte von Art. 24c Abs. 3 RPG genügt es, dass der landwirtschaftliche Verwendungszweck aufgegeben ist, damit das Kriterium der Zonenwidrigkeit der Baute erfüllt wird. Unter dieser Voraussetzung kann die gesamte Baute gemäss Art. 24c Abs. 2 RPG verändert werden. Der besondere Regelungsgehalt von Art. 24c Abs. 3 RPG , bei dem der angebaute Ökonomieteil das rechtliche Schicksal des Wohnhauses teilt, spricht dafür, dass das ganze altrechtliche Gebäude von dieser Bestimmung ausgenommen bleiben soll, sofern die landwirtschaftliche Nutzung im Wohnteil anhält. Ein praktizierender Landwirtschaftsbetrieb ist für eine zeitgemässe Wohnnutzung nicht auf eine Erweiterung eines altrechtlichen Gebäudes nach Art. 24c RPG angewiesen, sondern kann gegebenenfalls einen in der Landwirtschaftszone zonenkonformen Neubau erstellen (vgl. MUGGLI, a.a.O., N. 21 zu Art. 24c RPG ). Das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot ( Art. 8 Abs. 1 BV ) erfordert es nicht, die Veränderungsmöglichkeiten nach Art. 24c Abs. 2 RPG auf noch teilweise oder ganz landwirtschaftlich genutzte, altrechtliche Wohnbauten auszudehnen. Unabhängig von den Ausführungen im Erläuternden Bericht des ARE vom Oktober 2012 zur RPV-Revision (oben E. 3.6) ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Revision von Art. 24c RPG vom 23. Dezember 2011 eine solche Zielsetzung verfolgt hätte. Im Gegenteil war gerade eine Anwendung von Art. 24c RPG auf betriebsnotwendige altrechtliche Wohnbauten, solange sie landwirtschaftlich genutzt werden, unerwünscht und sollte ausgeschlossen werden. Denn bei landwirtschaftlicher Nutzung sind derartige Wohnbauten nicht BGE 147 II 25 S. 33 zonenwidrig. Der dahingehenden Ansicht der Mehrheit der Lehrmeinungen (vgl. oben E. 3.7) ist beizupflichten. Altrechtliche Wohnbauten in der Landwirtschaftszone (allenfalls mit angebautem Ökonomieteil), die über eine Betriebsleiterwohnung oder ein Altenteil verfügen, sind betriebsnotwendig, solange dieser Wohnraum landwirtschaftlich genutzt wird. Die entsprechenden Bauten fallen demzufolge gesamthaft nicht unter Art. 24c Abs. 3 RPG und sind von den Veränderungsmöglichkeiten nach Art. 24c Abs. 2 RPG ausgeschlossen. Soweit Art. 41 Abs. 1 und Art. 43 lit. a RPV die Veränderungsmöglichkeiten nach Art. 24c Abs. 2 RPG auch bei zonenkonform genutzten Wohnbauten zulassen sollten, sprengt eine solche Regelung den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers und kann keine Beachtung finden. 3.9 Zusammengefasst ist Art. 24c RPG auf eine altrechtliche Wohnbaute in der Landwirtschaftszone, bei der die vorhandene Betriebsleiterwohnung oder das vorhandene Altenteil als solche genutzt wird, nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall ist ein Umbau des Gebäudes auf Parzelle Nr. x im Jahr 2012 als zonenkonforme Wohnbaute (Altenteil im Rahmen des Landwirtschaftsbetriebs) bewilligt worden. Dem vorliegenden Verfahren liegt zugrunde, dass die Baute weiterhin als Altenteil genutzt wird. Einzig der umstrittene Umbau des Dachgeschosses soll landwirtschaftsfremden Zwecken dienen (vgl. nicht publ. E. 2.3). Die Beschwerdeführer können sich wegen der weiterhin landwirtschaftlichen Wohnnutzung bei diesem Gebäude nicht auf Art. 24c RPG berufen. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Nutzung bzw. Nutzbarkeit des betroffenen Hauses vor 2012 offenbleiben.
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06c7066a-7df6-482c-8892-b7c1bf1daa26
Sachverhalt ab Seite 468 BGE 126 V 468 S. 468 A.- Der 1950 geborene P. bezog ab 1. November 1993 eine ganze einfache Rente der Invalidenversicherung samt Zusatzrente für die Ehefrau und zwei einfache Kinderrenten sowie seit dem 1. September 1994 eine 100%ige Rente (Komplementärrente) der Unfallversicherung. Nachdem die Ehefrau des Versicherten ab 1. Juni 1995 ebenfalls (vollständig) invalid geworden war, sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen den Eheleuten je die Hälfte der ganzen Ehepaar-Invalidenrente sowie zwei Doppel-Kinderrenten zu (Verfügungen vom 20. Juni und 7. August 1996). Auf Verlangen von P. nahm die Providentia Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft als Rückversicherer der CS Columna, Sammelstiftung 2. Säule der Schweizerischen Volksbank (nunmehr Winterthur-Columna Sammelstiftung BVG; nachfolgend: BGE 126 V 468 S. 469 Columna), Vorsorgeeinrichtung des letzten Arbeitgebers des Versicherten, am 24. Juni 1997 Stellung zur Überentschädigungsberechnung und überwies dem Versicherten für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1994 eine gekürzte Invalidenrente von 270 Franken und für das Jahr 1996 eine solche von 131 Franken, mithin insgesamt 401 Franken; für 1995 und 1997 errechnete sie eine Überdeckung. B.- P. liess am 9. Juli 1997 gegen die Columna beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Teilklage (vorbehältlich einer weiteren Eingabe hinsichtlich der Frage nach der Überentschädigungsgrenze) einreichen mit dem Antrag, die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger gestützt auf eine neue Überentschädigungsberechnung ab 1. Januar 1995 höhere Rentenleistungen zu bezahlen sowie Zins zu 5% seit Fälligkeit. Er machte im Wesentlichen geltend, die Abs. 2 und 3 des Art. 24 BVV 2 seien gesetzwidrig. Bei der Berechnung der Überentschädigung seien die Zusatzrente der Invalidenversicherung für die Ehefrau nicht und die Doppel-Kinderrenten sowie die Ehepaar-Invalidenrente nur zur Hälfte anzurechnen. Die Columna beantragte Klageabweisung. Im Übrigen hatte sie der Providentia Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft den Streit verkündet, worauf diese vom kantonalen Versicherungsgericht ins Klageverfahren beigeladen wurde. Das kantonale Gericht wies die Klage mit Entscheid vom 28. Mai 1998 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt P. den vorinstanzlich gestellten Antrag erneuern. Die Columna und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Providentia Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft bestreitet ihre Qualifikation als Verfahrensbeteiligte. D.- Am 19. Juli 1999 verstarb die Ehefrau von P. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Die vorliegende Streitigkeit um Invalidenleistungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge (bzw. Überentschädigung) unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht zuständig sind ( BGE 122 V 323 Erw. 2, BGE 120 V 18 Erw. 1a, 313 Erw. 1a, je mit Hinweisen). BGE 126 V 468 S. 470 b) Der Streit um Überentschädigung ist ein Streit um Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG ( BGE 123 V 202 Erw. 6b), weshalb die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt ist, sondern sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung erstreckt; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen. 2. Die als Rückversicherer der Columna ins vorinstanzliche Klageverfahren beigeladene Providentia Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft macht geltend, ihre Teilnahme in einem Verfahren zwischen einem Anspruchsberechtigten und einer Vorsorgeeinrichtung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Diese Auffassung ist richtig, denn eine Versicherungseinrichtung, welche die versicherungstechnischen Risiken der Vorsorgeeinrichtung in Rückdeckung nimmt, ist keine Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 73 BVG (SVR 1997 BVG Nr. 81 S. 249 Erw. 2). Die Beiladung durch die Vorinstanz erfolgte demnach zu Unrecht. 3. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Überentschädigungsberechnung ab 1. Januar 1995, sodass die in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden ( BGE 122 V 316 ; vgl. auch BGE 122 V 6 ). Zu prüfen ist, ob bei der Ermittlung der Überentschädigung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 1995 die dem Beschwerdeführer seitens der Invalidenversicherung ausgerichtete Zusatzrente für die Ehefrau anzurechnen ist. Hinsichtlich der Berechnung der Überentschädigung ab 1. Juni 1995 ist zu untersuchen, in welchem Umfang die Ehepaar-Invalidenrente und die beiden Doppel-Kinderrenten zu berücksichtigen sind. Für die Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht sind diejenigen Verhältnisse massgebend, wie sie sich bis zum Erlass des kantonalen Klageentscheids vom 28. Mai 1998, dem Anfechtungsgegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens, entwickelt haben (SZS 1999 S. 149 Erw. 3 Ingress). Die hier vorzunehmende richterliche Beurteilung erstreckt sich demnach nicht auf die Berechnung der Überentschädigung nach dem Tode der Ehefrau des Versicherten am 19. Juli 1999. 4. a) Gemäss Art. 34 Abs. 2 BVG erlässt der Bundesrat Vorschriften zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner Hinterlassenen beim Zusammentreffen mehrerer BGE 126 V 468 S. 471 Leistungen (Satz 1); treffen Leistungen nach diesem Gesetz mit solchen nach dem Unfallversicherungsgesetz oder nach dem Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung zusammen, gehen grundsätzlich die Leistungen der Unfallversicherung oder der Militärversicherung vor (Satz 2). Unter dem Titel "ungerechtfertigte Vorteile" hat der Bundesrat in Art. 24 BVV 2 nähere Vorschriften zur Überentschädigung in der beruflichen Vorsorge erlassen. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung kann die Vorsorgeeinrichtung die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90% des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen. Diese Überentschädigungslimite hat das Eidg. Versicherungsgericht als gesetzmässig erachtet ( BGE 124 V 281 Erw. 1, BGE 123 V 198 Erw. 5b, 210 Erw. 5b, BGE 122 V 313 unten Erw. 6b). Unter dem Begriff des mutmasslich entgangenen Verdienstes ist das hypothetische Einkommen zu verstehen, welches die versicherte Person ohne Invalidität erzielen könnte, und zwar im Zeitpunkt, in dem sich die Kürzungsfrage stellt ( BGE 123 V 197 Erw. 5a, 209 Erw. 5b, je mit Hinweisen). b) Als anrechenbare Einkünfte galten gemäss Art. 24 Abs. 2 BVV 2 (in der bis Ende 1992 gültig gewesenen Fassung) Renten- oder Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in- und ausländischer Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen, mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen Leistungen (Satz 1); Bezügern von Invalidenleistungen wird überdies das weiterhin erzielte Erwerbseinkommen angerechnet (Satz 2). Nach Abs. 3 (in der bis Ende 1992 gültig gewesenen Fassung) durften Ehepaar-, Kinder- und Waisenrenten der AHV/IV nur zur Hälfte, Zusatzrenten für die Ehefrau überhaupt nicht angerechnet werden (Satz 1); die Einkünfte der Witwe und der Waisen wurden zusammengerechnet (Satz 2). Laut Art. 25 Abs. 1 BVV 2 (ebenfalls in der ursprünglichen, vor 1993 geltenden Fassung) konnte die Vorsorgeeinrichtung die Gewährung von Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen ausschliessen, wenn die Unfallversicherung oder die Militärversicherung für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig waren. Nachdem das Eidg. Versicherungsgericht die letztgenannte Bestimmung in BGE 116 V 189 für gesetzwidrig erklärt hatte, wurde sie - wie auch die Abs. 2 und 3 (jeweils Satz 1) von Art. 24 BVV 2 - vom Bundesrat mit Verordnungsänderung vom 28. Oktober 1992, in Kraft seit 1. Januar 1993, neu gefasst. c) Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 gelten nunmehr als anrechenbare Einkünfte Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung, BGE 126 V 468 S. 472 die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden, wie Renten oder Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in- und ausländischer Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen, mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen Leistungen. Nach Abs. 3 Satz 1 dürfen Ehepaarrenten der AHV/IV nur zu zwei Dritteln angerechnet werden. Gemäss Art. 25 Abs. 1 BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen nach Art. 24 BVV 2 kürzen, wenn die Unfallversicherung oder die Militärversicherung für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig ist. 5. Der Beschwerdeführer beanstandet einerseits, dass die Vorinstanz den Abs. 2 und 3 (je Satz 1) von Art. 24 BVV 2 einen Rechtssinn zugesprochen habe, der ihnen nicht zukomme. Anderseits bestreitet er die Gesetzmässigkeit der beiden Verordnungsbestimmungen. a) Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 126 V 58 Erw. 3, 105 Erw. 3, je mit Hinweisen). Zu beachten ist, dass Verordnungsrecht gesetzeskonform auszulegen ist, d.h. es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen. Im Rahmen verfassungskonformer oder verfassungsbezogener Auslegung ist sodann rechtsprechungsgemäss der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wobei der klare Sinn einer Gesetzesnorm nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung beiseite geschoben werden darf. Begründet wird die verfassungskonforme Auslegung hauptsächlich mit der Einheit der Rechtsordnung und der Überordnung der Verfassung. Da die neue Bundesverfassung am Stufenbau der landesinternen Rechtsordnung grundsätzlich nichts geändert hat (vgl. BGE 126 V 468 S. 473 Art. 182 Abs. 1 BV ), sind die Normen auch unter Geltung der neuen Bundesverfassung so auszulegen, dass sie mit deren Grundwerten übereinstimmen ( BGE 126 V 97 Erw. 4b, 106 Erw. 3 Ingress, je mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 8 Abs. 1 BV , wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene Rechtsprechung, welche gemäss BGE 126 V 52 Erw. 3b unter der Herrschaft der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung weiterhin Geltung beansprucht: BGE 125 V 30 Erw. 6a, 223 Erw. 3b, je mit Hinweisen). 6. Während die Vorinstanz, die Columna und das BSV die Anrechenbarkeit der Zusatzrente für die Ehefrau bejahen, stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, diese Leistung der Invalidenversicherung falle bei der von der Vorsorgeeinrichtung vorzunehmenden Überentschädigungsberechnung mangels Kongruenz ausser Betracht, weil im Rahmen der beruflichen Vorsorge keine derartige Zusatzrente ausgerichtet werde. a) Das Sozialversicherungsrecht kennt weder ein generelles Überentschädigungsverbot noch einen einheitlichen Überentschädigungsbegriff; vielmehr sind in den einzelnen Sozialversicherungszweigen unterschiedliche Kürzungsgrenzen und Anrechnungsvorschriften zu beachten ( BGE 123 V 95 Erw. 4b mit Hinweisen auf BGE 126 V 468 S. 474 Rechtsprechung und Literatur; vgl. jedoch Art. 69 Abs. 1 Satz 1 der Referendumsvorlage vom 6. Oktober 2000 betreffend das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; BBl 2000 5058]). Die Lösung für die sich hier (und in den nachfolgenden Erw. 7 und 8) stellenden Fragen ist somit aus Art. 24 Abs. 2 und 3 BVV 2 zu gewinnen, und zwar im Lichte der übergeordneten gesetzlichen Konzeption der Invalidenleistungen nach Art. 6 in Verbindung mit Art. 23 ff. BVG , der Delegationsnorm in Art. 34 Abs. 2 BVG sowie der Verfassungsgrundlage von Art. 113 BV (vgl. Art. 34quater Abs. 3 aBV ). Wie bereits erwähnt, gelten gemäss Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 (in der ab 1. Januar 1993 gültigen Fassung) als "anrechenbare Einkünfte" im Sinne von Abs. 1 der genannten Verordnungsbestimmung "Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung, die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden". In Übereinstimmung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist festzustellen, dass der Bundesrat damit den Grundsatz der sachlichen, persönlichen und ereignisbezogenen Kongruenz verankert hat (vgl. BGE 124 V 282 Erw. 2a; ERICH PETER, Die Koordination von Invalidenrenten, Zürich 1997, S. 310 und 328; vgl. auch Art. 69 Abs. 1 Satz 2 der Referendumsvorlage vom 6. Oktober 2000 betreffend das ATSG [BBl 2000 5058]). b) Wie der Beschwerdeführer zutreffend festhält, hat das Eidg. Versicherungsgericht seine Rechtsprechung, wonach die von der Invalidenversicherung ausgerichtete Zusatzrente für die Ehefrau und die (einfachen) Kinderrenten gemäss am 1. Januar 1993 in Kraft getretener Verordnungsnovelle von Art. 24 Abs. 2 BVV 2 nunmehr voll anzurechnen sind ( BGE 124 V 280 Erw. 1, BGE 123 V 202 Erw. 6c, 210 Erw. 5c, BGE 122 V 316 ), bisher nicht näher begründet. Überdies lässt sich die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretene Auffassung, die Vorsorgeeinrichtung dürfe die Zusatzrente für die Ehefrau nicht in Anrechnung bringen, weil sie selber für verheiratete Rentenberechtigte keine zusätzliche Leistung gewähre, auf Grund des Wortlautes der genannten Verordnungsbestimmung nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Wenn nämlich die erforderliche sachliche Kongruenz mit "Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung" ("les prestations d'un type et d'un but analogues", "le prestazioni di natura e scopo affine") umschrieben wird, kann eine grammatikalische Lesart durchaus dahin gehen, dass die von der Invalidenversicherung mit Blick auf den Unterhaltsbedarf der Ehefrau ausgerichtete Zusatzrente mangels einer entsprechenden BGE 126 V 468 S. 475 Leistungsart im Rahmen der beruflichen Vorsorge nicht in die Überentschädigungsberechnung mit einzubeziehen ist. Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 lässt sich indessen auch mit der entgegengesetzten Interpretation vereinbaren, wonach sämtliche dem Rentenberechtigten wegen seiner Erwerbsunfähigkeit zufliessenden Leistungen anzurechnen sind. Im Folgenden gilt es deshalb, anhand einer zweckgerichteten, systematischen und die Entstehungsgeschichte berücksichtigenden Betrachtung die wahre Tragweite des nicht ganz klaren und verschiedene Auslegungen zulassenden Verordnungstextes zu ermitteln (Erw. 5a hievor). c) Nach Art. 113 Abs. 2 lit. a BV ermöglicht die berufliche Vorsorge zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. Dieser in der Verfassung verankerte Grundgedanke ist auch im Zusammenhang mit der Überentschädigungsproblematik nicht aus den Augen zu verlieren. Die grundlegende funktionelle Gleichausrichtung von Leistungen der Invalidenversicherung und solchen der beruflichen Vorsorge verbietet die vom Beschwerdeführer geltend gemachte enge, technische Auslegung des Erfordernisses der sachlichen Kongruenz gemäss Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 (die Erfüllung der übrigen Kongruenzkriterien ist im vorliegenden Zusammenhang zu Recht unbestritten). Angesichts der beide Sozialversicherungszweige umfassenden verfassungsmässigen Gesamtkonzeption ist die von der Invalidenversicherung ausgerichtete Zusatzrente für die Ehefrau im Verhältnis zu den Invalidenleistungen der zweiten Säule als Leistung "gleicher Art und Zweckbestimmung" zu betrachten (einzige, hier nicht relevante Einschränkung: BGE 124 V 279 ). Dies umso mehr, als die Zusatzrente für die Ehefrau laut Art. 34 Abs. 1 IVG (in der vorliegend anwendbaren, bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) rentenberechtigten Ehemännern ohne Anspruch auf eine Ehepaar-Invalidenrente zusteht (vgl. auch die seit 1. Januar 1997 gültige Fassung der genannten Gesetzesbestimmung), mithin der als Hauptrente ausgerichteten einfachen Invalidenrente gleichsam wie ein Schatten folgt (AHI 2000 S. 231 Erw. 6). Für eine von der Hauptrente losgelöste Behandlung der Zusatzrente bleibt somit kein Raum. Dass letztere, wegen des finanziellen Mehraufwandes eines verheirateten Rentenberechtigten zur Ausrichtung gelangende Leistung die einfache Invalidenrente erhöht, ändert in qualitativer Hinsicht nichts an der Zweckbestimmung der von der Invalidenversicherung gewährten gesamten Rentenleistung. Wie hievor dargelegt, ist diese BGE 126 V 468 S. 476 ihrerseits auf Grund des Zusammenwirkens von erster und zweiter Säule mit den Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge kongruent. Zum gleichen Ergebnis gelangt man unter entstehungsgeschichtlichem und systematischem Blickwinkel: Obwohl nicht die hier streitige Frage Anlass zur Verordnungsnovelle des Bundesrates vom 28. Oktober 1992 bildete (vgl. Erw. 4b in fine), geht aus der Mitteilung des BSV über die berufliche Vorsorge vom 20. November 1992 unmissverständlich hervor, dass der Verordnungsgeber - analog zur Regelung in der Unfallversicherung - die Zusatzrente für die Ehefrau im Rahmen der Überentschädigungsermittlung nunmehr voll zur Anrechnung bringen wollte (ZAK 1992 S. 434). Und schliesslich stehen sich die Abs. 2 und 3 von Art. 24 BVV 2 im Verhältnis von Generalklausel und Spezialvorschrift gegenüber. Während Abs. 2 Satz 1 - wie bereits erwähnt - das von den Vorsorgeeinrichtungen bei der Überentschädigungsberechnung allgemein zu beachtende Prinzip der sachlichen, persönlichen und ereignisbezogenen Kongruenz verankert, regelt Abs. 3 Satz 1 lediglich den Einzelfall der Anrechnung von Ehepaarrenten der AHV/IV (vgl. nachfolgende Erw. 7). Die in Art. 24 BVV 2 nicht ausdrücklich angeführte Zusatzrente lässt sich ohne weiteres unter den Grundtatbestand von Abs. 2 subsumieren. d) Nach dem Gesagten führt die Interpretation anhand des normspezifischen Zwecks, der Materialien und der Systematik zum eindeutigen Ergebnis, dass die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde postulierte enge, technische Auslegung des unklaren Begriffs "Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung" nicht den wahren Sinn von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 zum Ausdruck bringt. Vielmehr ergibt sich auf Grund der übrigen massgeblichen normunmittelbaren Auslegungskriterien schlüssig, dass allein die Mitberücksichtigung der von der Invalidenversicherung ausgerichteten Zusatzrente für die Ehefrau im Rahmen der Überentschädigungsberechnung dem Rechtssinn dieser Verordnungsbestimmung entspricht. In Anbetracht des dem Bundesrat durch Art. 34 Abs. 2 BVG eröffneten überaus weiten Gestaltungsspielraums beim Erlass von Vorschriften zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile kann die Gesetzmässigkeit der streitigen, im dargelegten Rechtssinne verstandenen Verordnungsbestimmung nicht in Zweifel gezogen werden. Auf Grund vorstehender Ausführungen ist an der ständigen, bisher nicht näher begründeten Rechtsprechung, wonach Zusatzrenten für die Ehefrau der Anrechnung unterliegen, festzuhalten. 7. Was die ab 1. Juni 1995 ausgerichtete Ehepaar-Invalidenrente anbelangt, vertritt der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu BGE 126 V 468 S. 477 Vorinstanz, Columna und BSV - die Auffassung, sie sei nicht zu zwei Dritteln, sondern bloss zur Hälfte in die Überentschädigungsberechnung einzubeziehen. Gemäss Art. 33 Abs. 1 IVG (in der vorliegend anwendbaren, bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung; vgl. Ziff. 1 lit. c Abs. 5 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AHVG in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG im Rahmen der 10. AHV-Revision) hat der invalide Ehemann, dessen Ehefrau ebenfalls nach Art. 28 IVG invalid ist oder das 62. Altersjahr zurückgelegt hat, Anspruch auf eine Ehepaar-Invalidenrente. Die entsprechende Rentenberechtigung setzt somit im Gegensatz zu derjenigen auf eine Zusatzrente für die Ehefrau voraus, dass auf Seiten der Ehegattin selber ein bestimmtes Ereignis (Versicherungsfall der rentenbegründenden Invalidität oder des Erreichens des AHV-Rentenalters) eingetreten ist. Im Rahmen der vorliegenden Überentschädigungsermittlung ist indessen - um dem Kongruenzerfordernis der Ereignisbezogenheit Rechnung zu tragen - der in der Person der Ehefrau verwirklichte Sachverhalt auszublenden: Im Lichte allein der Generalklausel von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 dürfte die Ehepaar-Invalidenrente bis zum Gesamtbetrag von Hauptrente (einfache Invalidenrente) und Zusatzrente für die Ehefrau angerechnet werden, welcher dem Beschwerdeführer weiterhin zugestanden hätte, wenn seine Ehefrau nicht invalid geworden wäre. Demgegenüber erfolgt die erforderliche Ausserachtlassung des in der Person des jeweils anderen Ehegatten eingetretenen Versicherungsfalls nach der ausdrücklich auf Ehepaarrenten der AHV/IV zugeschnittenen Spezialnorm von Art. 24 Abs. 3 Satz 1 BVV 2 in der Weise, als eine Zweidrittelsanrechnung der Ehepaarrente vorgeschrieben wird. Diese pauschalierte Verwirklichung der ereignisbezogenen Kongruenz (FRANZ SCHLAURI, Beiträge zum Koordinationsrecht der Sozialversicherungen, St. Gallen 1995, S. 99, bezeichnet die Regelung des Verordnungsgebers zutreffend als "egalitär-abstrakt") ist - entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung - nicht auf die Annahme zurückzuführen, "dass Frauen weniger zu einer Ehepaarrente beigetragen haben als Männer". Vielmehr ist die Anrechnung zu zwei Dritteln gemäss der streitigen Spezialvorschrift im Umstand begründet, dass die Ehepaar-Invalidenrente 150% der dem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen entsprechenden einfachen Invalidenrente beträgt ( Art. 35 AHVG in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 IVG , je in der vorliegend anwendbaren, bis BGE 126 V 468 S. 478 Ende 1996 gültig gewesenen Fassung). Die vom Bundesrat getroffene Lösung hält sich im Rahmen der ihm durch Art. 34 Abs. 2 BVG eingeräumten Regelungskompetenz und ist mit dem verfassungsmässigen Gleichheitsgebot ( Art. 8 Abs. 1 BV ) vereinbar. Daran ändert nichts, dass bei der Berechnung der Ehepaar-Invalidenrente gemäss Art. 32 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 36 Abs. 2 IVG (je in der vor 1997 gültig gewesenen Fassung) allenfalls Erwerbseinkommen beider Ehegatten berücksichtigt werden. Auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, wie es sich verhält, wenn die Vorsorgeeinrichtungen beider Ehegatten eine Anrechnung der Ehepaarrente vorzunehmen haben, braucht im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht entschieden zu werden, weil die Ehefrau gemäss den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von ihrer Vorsorgeeinrichtung - offenbar ohne dass eine Überentschädigungsberechnung durchzuführen gewesen wäre - eine ungekürzte Invalidenrente bezog. 8. Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer eine bloss hälftige Anrechnung der ab 1. Juni 1995 ausgerichteten Doppel-Kinderrenten der Invalidenversicherung, während die Columna ihren Standpunkt einer Berücksichtigung zu zwei Dritteln bekräftigt und Vorinstanz und BSV offenbar nur eine volle Anrechnung für rechtens halten. Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, haben für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Vollwaisenrente der AHV beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Doppel-Kinderrente ( Art. 35 Abs. 1 und 2 IVG in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 AHVG , je in der vorliegend anwendbaren, bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung; vgl. Ziff. 1 lit. c Abs. 5 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AHVG in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG im Rahmen der 10. AHV-Revision). Laut Art. 38 Abs. 1 und 2 IVG (ebenfalls je in der vor 1997 gültig gewesenen Fassung) beträgt die einfache Kinderrente 40% und die Doppel-Kinderrente 60% der einfachen Invalidenrente, wobei die gleichen Berechnungsregeln wie für die jeweilige Invalidenrente gelten. Mangels einer diesbezüglichen Spezialvorschrift ( Art. 24 Abs. 3 Satz 1 BVV 2 beschränkt sich ausdrücklich auf Ehepaarrenten) sind Doppel-Kinderrenten nach den Kongruenzgrundsätzen der Generalklausel von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BVV 2 in die Überentschädigungsberechnung einzubeziehen. Um vorliegend das in der Person der Ehefrau eingetretene Ereignis der rentenbegründenden BGE 126 V 468 S. 479 Invalidität auszuklammern, sind die Doppel-Kinderrenten nur bis zu jenem Betrag anzurechnen, welcher - ohne Verwirklichung des Rentenfalls der Ehefrau - dem Beschwerdeführer in der Form einfacher (nur auf seinen eigenen Berechnungsgrundlagen beruhender) Kinderrenten weiterhin ausgerichtet würde. 9. Auf Grund vorstehender Erwägungen erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit als begründet, als die von der Invalidenversicherung ausgerichteten Doppel-Kinderrenten lediglich im unmittelbar hievor dargelegten Umfange in die Überentschädigungsberechnung einzubeziehen sind. Die Sache geht daher zur betraglichen Feststellung der dem Beschwerdeführer ab 1. Juni 1995 im Rahmen der beruflichen Vorsorge zustehenden Invalidenrente an die Columna. Diese hat mit Schreiben an den Rechtsvertreter des Versicherten vom 21. November 1996 ihre dahin gehende Bereitschaft erklärt, abweichend von der diesbezüglichen Rechtsprechung ( BGE 119 V 135 Erw. 4c) einen allfälligen Verzugszins nicht erst ab Klageeinreichung (vom 9. Juli 1997) zu vergüten. Ein Verzugszins hinsichtlich vor November 1996 fällig gewordener (höherer) Rentenbetreffnisse ist indessen - entgegen dem auf "Zins zu 5% seit Fälligkeit" lautenden Antrag des Beschwerdeführers - nicht geschuldet.
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37cff664-1d96-4f7f-b700-ac510d4a0644
Sachverhalt ab Seite 520 BGE 139 V 519 S. 520 A. Der 1966 geborene M. war bei der G. AG als Kranführer-Handlanger angestellt, als er am 6. Dezember 1999 von einem am Kran hängenden, abstürzenden Palett getroffen worden war. Für die erlittenen Verletzungen (...) sprach ihm die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger Unfallversicherer Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen zu. Mit Schreiben vom 14. September 2010 informierte die IV-Stelle des Kantons Appenzell I.Rh. (nachfolgend: IV-Stelle) die SUVA über die rückwirkende Zusprache von Rentenleistungen der Invalidenversicherung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2010 im Betrag von Fr. 288'671.-. Mit Verfügung vom 26. November 2010 hielt die SUVA aufgrund dieser Rentenleistungen der Invalidenversicherung eine Überentschädigung im Rahmen ihrer Taggeldleistungen in der Höhe von Fr. 140'005.65 fest und stellte die Rückforderung bzw. die Verrechnung dieses Betrages mit der Rente der Invalidenversicherung in Aussicht. Auf Einsprache hin reduzierte sie die Überentschädigung auf Fr. 86'807.55 (Einspracheentscheid vom 4. Juli 2012). B. Das Kantonsgericht des Kantons Appenzell I.Rh. hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 15. Januar 2013 teilweise gut, indem es den Rückforderungsanspruch der SUVA um die vom Versicherten vom 31. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2004 BGE 139 V 519 S. 521 erhaltene Arbeitslosenentschädigung im Betrag von Fr. 23'495.84 auf Fr. 63'311.70 reduzierte. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt M., in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei festzustellen, dass mangels Überentschädigung kein Rückforderungsanspruch der SUVA bestehe (Verfahren 8C_138/2013). Die SUVA erhebt ebenfalls Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 4. Juli 2012 zu bestätigen (Verfahren 8C_171/2013). Im Verfahren 8C_138/2013 beantragt die SUVA aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils BGE 139 V 108 , es sei die Beschwerde insofern teilweise gutzuheissen, als die Sache zur weiteren Abklärung hinsichtlich der Festsetzung der als Mehrkosten zu berücksichtigenden Anwaltskosten an sie zurückzuweisen sei. Im Verfahren 8C_171/2013 lässt M. Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet in beiden Verfahren auf eine Stellungnahme. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist die von der SUVA vorgenommene Überentschädigungsberechnung im Betrag von Fr. 86'807.55. (...) 3. Gemäss Art. 68 ATSG (SR 830.1) werden Taggelder unter Vorbehalt der Überentschädigung kumulativ zu Renten anderer Sozialversicherungen gewährt. Nach Art. 69 ATSG darf das Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen nicht zu einer Überentschädigung der berechtigten Person führen. Bei der Berechnung der Überentschädigung werden nur Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung berücksichtigt, die der anspruchsberechtigten Person aufgrund des schädigenden Ereignisses gewährt werden (Abs. 1). Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen (Abs. 2). Die Leistungen werden um den Betrag der Überentschädigung gekürzt. Von einer Kürzung ausgeschlossen sind die Renten der AHV und der IV sowie alle Hilflosen- und Integritätsentschädigungen. Bei Kapitalleistungen wird der Rentenwert berücksichtigt (Abs. 3). BGE 139 V 519 S. 522 Es sind diejenigen Sozialversicherungsleistungen in die Berechnung der Überentschädigung einzubeziehen, die dasselbe Ereignis betreffen (Prinzip der ereignisbezogenen Koordination). Beim Zusammentreffen von Taggeldern der Unfallversicherung mit Rentenleistungen der Invalidenversicherung hat praxisgemäss eine Abrechnung über die gesamte Bezugsperiode, beginnend ab der Entstehung des Anspruchs auf Taggelder der Unfallversicherung, zu erfolgen ( BGE 132 V 27 E. 3.1 S. 29; BGE 126 V 193 E. 3 S. 195; Urteil 8C_512/2012 vom 7. Juni 2013 E. 2.3, in: SZS 2013 S. 407 mit weiteren Hinweisen). 4. 4.1 Der Versicherte erhielt vom 9. Dezember 1999 bis 31. Dezember 2008 Taggelder der Unfallversicherung und zusätzlich, da er arbeitslos gemeldet und zu 50 % arbeitsfähig war in der Zeit vom 31. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2004 ein damit koordinationsrechtlich abgestimmtes Taggeld der Arbeitslosenversicherung in der Höhe von Fr. 23'495.84 (vgl. Art. 25 Abs. 3 UVV [SR 832.202]). Darüber hinaus sprach ihm die IV-Stelle nachträglich Rentenleistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2008 im Gesamtbetrag von Fr. 302'485.- zu. 4.2 Mit Schreiben vom 25. Juni 2010 teilte die IV-Stelle der SUVA die beabsichtigte Rentenzusprache in Form einer ganzen Rente ab 1. Dezember 2000 und einer halben Invalidenrente ab 1. September 2001 mit. Die entsprechende Verfügung der IV-Stelle erging am 3. Dezember 2010. Aufgrund dieser rückwirkenden Zusprache einer Invalidenrente nahm die SUVA eine Überentschädigungsberechnung für die in der Zeit vom 9. Dezember 1999 bis 31. Dezember 2008 erbrachten Taggeldleistungen vor und forderte mit Verfügung vom 26. November 2010 zu viel ausbezahlte Taggelder der Unfallversicherung zurück. Vorliegend führte demnach das Zusammentreffen von IV-Rente und UV-Taggeld zu einer Überentschädigung und zur streitigen Berechnung derselben. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch der SUVA von zu viel ausbezahlten Taggeldleistungen stützt sich demnach korrekterweise auf die intersystemische Koordination bei Bezug von Rentenleistungen anderer Sozialversicherungszweige nach Art. 69 ATSG , weshalb ihre Leistungen einer Kürzung zufolge Überentschädigung zugänglich sind. (...) 5. Die nach Art. 69 Abs. 1 ATSG beim Zusammenfallen von Unfalltaggeld und Rente der Invalidenversicherung vorzunehmende BGE 139 V 519 S. 523 Bemessung der Überentschädigung erfolgte zu Recht mittels Abrechnung über die gesamte Bezugsperiode, beginnend ab der Entstehung des Anspruchs auf Taggelder der Unfallversicherung (E. 3). Die vom 31. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2004 für die bestandene 50%ige Arbeitsfähigkeit ausgerichteten Arbeitslosentaggelder fielen in die Bezugsperiode der Unfalltaggelder. Wie die SUVA zutreffend ausführte, käme die gänzliche Nichtberücksichtigung dieser Leistungen bei der Bemessung der Überentschädigung einer Benachteiligung jener Personen gleich, die ihre Teilarbeitsfähigkeit tatsächlich verwerten, da ihr entsprechendes Einkommen insoweit in die Überentschädigungsberechnung einfliesst, als es bei der Festsetzung des mutmasslich entgangenen Verdienstes in Abzug zu bringen ist ( Art. 51 Abs. 3 UVV ). Vor diesem Hintergrund ist es sach- und systemgerecht, in gleicher Weise auch die Leistungserbringung der Arbeitslosenversicherung gestützt auf Art. 69 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 3 UVV im Rahmen der Überentschädigungsberechnung beim Zusammenfallen von Taggeldern der Unfallversicherung und einer Invalidenrente zu berücksichtigen. Die Arbeitslosenentschädigung ist somit als tatsächlich erzieltes Ersatzeinkommen dem tatsächlich erzielten Erwerbseinkommen gleichzusetzen. Die SUVA rechnete demnach zu Recht die erhaltene Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von Fr. 23'495.84 beim mutmasslich entgangenen Verdienst gemäss Art. 51 Abs. 3 UVV als effektiv erzieltes Ersatzeinkommen an (nicht publ. E. 6.3), weshalb sich dieser bei der Berechnung des Höchstanspruchs um die Höhe der ausgerichteten Arbeitslosenentschädigung verringerte.
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Sachverhalt ab Seite 340 BGE 98 Ia 340 S. 340 A.- Mit Klage vom 22. August 1970 verlangte Frau X. beim Amtsgericht Y. gestützt auf Art. 137 und 142 ZGB die Ehescheidung. Hinsichtlich der Nebenfolgen beantragte sie unter anderem, die vier Kinder unter ihre elterliche Gewalt zu stellen und den Ehemann zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 200.-- für sie selbst und von je Fr. 150.-- für die vier Kinder zu verurteilen. Ihr Ehemann beantragte die Abweisung dieser Begehren und verlangte seinerseits gestützt auf Art. 137 und 142 ZGB die Scheidung. Mit Entscheid vom 31. März 1970 war der Ehefrau vom Amtsgerichtspräsidenten Y. im Verfahren nach Art. 169 ff. ZGB gestattet worden, einen eigenen Haushalt zu führen. Dabei waren die vier Kinder unter ihre Obhut gestellt und der Ehemann BGE 98 Ia 340 S. 341 zur Leistung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen von insgesamt Fr. 550.-- (Fr. 150.-- an die Ehefrau, Fr. 100.--je Kind) verhalten worden. Nachdem der Amtsgerichtspräsident diese Entscheidung im Verfahren nach Art. 145 ZGB bestätigt hatte, setzte das Obergericht des Kantons Luzern die für die Dauer des Scheidungsprozesses geschuldeten Unterhaltsbeiträge am 23. März 1971 auf Rekurs des Ehemannes hin auf insgesamt Fr. 400.-- (Fr. 80.- für die Ehefrau und Fr. 80.- je Kind) fest. B.- Mit Urteil vom 7. September 1971 hiess das Amtsgericht Y. die Klage der Ehefrau gut und sprach die Scheidung aus. Es auferlegte dem Ehemann ein Eheverbot für die Dauer eines Jahres, stellte die vier Kinder unter die elterliche Gewalt der Mutter und bezeichnete diese als schuldlos im Sinne von Art. 151 und 152 ZGB . Gleichzeitig verurteilte es den Beklagten, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 80.- und für die vier Kinder einen solchen von je Fr. 80.- zu leisten, wobei es insoweit auf die Begründung des erwähnten obergerichtlichen Rekursentscheids vom 23. März 1971 verwies. Die Begehren der Klägerin um Zusprechung einer Genugtuung und eines Vorschlagsanteils wies das Amtsgericht jedoch ab. C.- Die Klägerin, die - wie ihr Ehemann - im Armenrecht prozessierte, erklärte gegen dieses Urteil die Appellation. Dabei beantragte sie, die monatlichen Unterhaltsbeiträge für sie selbst auf Fr. 150.-- und jene für die vier Kinder auf je Fr. 120.-- festzusetzen. Der Beklagte erklärte die Anschlussappellation mit dem Begehren, die vom Amtsgericht zugesprochenen Unterhaltsbeiträge auf die Dauer von 8 Jahren zu beschränken. Mit Entscheid vom 11. November 1971 entzog das Obergericht der Klägerin das Armenrecht mit der Begründung, die Appellation sei aussichtslos. Gleichzeitig forderte es die Klägerin auf, innert 10 Tagen einen erhöhten Gerichtskostenvorschuss von Fr. 350.-- zu leisten. D.- Frau X. führt gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . E.- Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wie das Bundesgericht aus Art. 4 BV abgeleitet hat, kann eine bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess verlangen, dass der Richter für sie ohne Hinterlegung BGE 98 Ia 340 S. 342 oder Sicherstellung von Kosten tätig wird und dass ihr ein unentgeltlicher Rechtsbeistand ernannt wird, wenn sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf. Ob ein Prozess aussichtslos ist, prüft das Bundesgericht in diesem Zusammenhang grundsätzlich frei. Als aussichtlos gelten dabei Prozessbegehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen hat ein Begehren nicht als aussichtslos zu gelten, wenn die Gewinnaussichten und die Verlustgefahren sich ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese ( BGE 95 I 415 , BGE 89 I 2 ff. und 161 mit Verweisungen). Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung dieses bundesrechtlichen Armenrechtsanspruchs. Das Bundesgericht hat demnach aufgrund der soeben dargestellten Grundsätze zu entscheiden, ob der angefochtene Entzug des Rechts zur unentgeltlichen Prozessführung im Appellationsverfahren gegen die Verfassung verstösst. 2. Das Obergericht hält das Appellationsbegehren der Beschwerdeführerin um Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für aussichtslos. Es führt gestützt auf seinen Rekursentscheid vom 23. März 1971 aus, der Beklagte verdiene als Landwirt schätzungsweise Fr. 735.-- pro Monat oder Fr. 8800.-- im Jahr; eine Erhöhung der vom Amtsgericht zugesprochenen Unterhaltsbeiträge sei angesichts dieser "prekären Einkommensverhältnisse" nicht möglich, zumal dem Beklagten ein dem betreibungsrechtlichen Notbedarf entsprechender Teil seines Einkommens belassen werden müsse. Was die Unterhaltsbeiträge für die Beschwerdeführerin selber anbelange, so müsse sich diese wegen ihres eigenen Ehebruchs mindestens eine Kürzung gefallen lassen. Wie im folgenden näher auszuführen ist, reicht diese Begründung nicht aus, um das Begehren um Erhöhung der Unterhaltsbeiträge als aussichtslos erscheinen zu lassen. a) Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 156 Abs. 2 ZGB sind unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Pflichtigen festzusetzen. Bei der Beurteilung der Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Ehemannes stützt sich das Obergericht ausschliesslich auf Schätzungen, die es im Verfahren nach Art. 145 ZGB d.h. im Rahmen vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses aufgrund BGE 98 Ia 340 S. 343 der Verhältnisse im Jahre 1970 angestellt hat. Dieses Vorgehen erscheint schon deshalb als fragwürdig, weil die Unterhaltsbeiträge nach den finanziellen Verhältnissen im Zeitpunkt der Ehescheidung bemessen werden müssen und weder im Scheidungsurteil des Amtsgerichts vom 7. September 1971 noch im angefochtenen Entscheid Ausführungen darüber enthalten sind, ob sich die Einkommensverhältnisse des beklagten Ehemanns seit 1970, d.h. seit Durchführung der Verfahren nach Art. 169 ff. bzw. 145 ZGB verändert haben. Hinzu kommt, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen möglichst genau anhand schlüssiger Unterlagen ermittelt werden muss und nur insoweit auf Schätzungen abgestellt werden soll, als keine andere Möglichkeit besteht, um die massgebenden Einkommensverhältnisse zuverlässig festzustellen. In diesem Zusammenhang lässt sich aufgrund der Akten durchaus die Auffassung vertreten, die tatsächlichen Verhältnisse seien noch nicht hinreichend abgeklärt. So erscheint insbesondere die Zusammenstellung im erwähnten Rekursentscheid vom 23. März 1971 als unvollständig, da offenbar noch nicht ermittelt wurde, - wie sich die teilweise Selbstversorgung aus dem Landwirtschaftsbetrieb einkommensmässig auswirkt, - für welche Schulden der Beklagte Zinsen im Betrage von jährlich Fr. 2000.-- zu entrichten haben soll, - ob die Erfüllung der Schleissverpflichtung den Beklagten tatsächlich mit Fr. 1000.-- belastet. Mit Rücksicht darauf steht nicht zum vorneherein fest, dass bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 156 Abs. 2 ZGB ohne weiteres von einem Jahreseinkommen von Fr. 8800.-- ausgegangen werden darf. Die Appellation der Beschwerdeführerin kann mithin bereits aus diesem Grunde nicht als aussichtslos bezeichnet werden. b) Selbst wenn eine sorgfältige Abklärung der finanziellen Verhältnisse des Beklagten kein wesentlich anderes Ergebnis zeitigen sollte, fiele indessen eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge nicht von vorneherein ausser Betracht, denn dass dem nach Art. 156 Abs. 2 ZGB unterhaltspflichtigen Ehegatten unter allen Umständen ein dem betreibungsrechtlichen Notbedarf entsprechender Anteil seines Einkommens erhalten bleiben muss, ist entgegen der Auffassung des Obergerichts keineswegs klares Recht. Wie ein Teil der Lehre annimmt, sind BGE 98 Ia 340 S. 344 vielmehr Fälle denkbar, in denen auch der Ehemann einen Abstrich am Lebensnotwendigen zu dulden hat (vgl. LEMP, N. 21 und 26 zu Art. 160 ZGB ; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 162 oben; vgl. im übrigen auch die Urteile 89 III 66, 84 III 31 und 71 III 177 zu Art. 93 SchKG , wonach Alimentenschulden Drittgläubigern gegenüber unter Umständen notbedarfserhöhend wirken). Dass im Falle einer Erhöhung der Unterhaltsbeiträge gegebenenfalls in den betreibungsrechtlichen Notbedarf des Beklagten eingegriffen werden müsste, genügt demnach nicht, um die entsprechenden Begehren der Beschwerdeführerin zum vorneherein als aussichtslos erscheinen zu lassen. c) Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführerin im Scheidungsurteil vom 7. September 1971 als schuldlosen Ehegatten im Sinne von Art. 151 und 152 ZGB bezeichnet und ihr gestützt auf diese Vorschriften persönliche Unterhaltsbeiträgevon monatlich Fr. 80.- zugesprochen. Es hat erkannt, die einmalige Verfehlung der Beschwerdeführerin sei für die Zerrüttung weder kausal gewesen, noch könne sie im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als schwer gelten. Trifft dies zu, so besteht - entgegen der Auffassung des Obergerichts - keine Veranlassung, den Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin zu verkürzen (vgl. BGE 95 II 289 , BGE 93 II 287 ). Was die Bedürftigkeitsrente im Sinne von Art. 152 ZGB anbelangt, so ist im übrigen darauf hinzuweisen, dass eine solche nach der neuesten Rechtsprechung selbst dann vollumfänglich zugesprochen werden könnte, wenn das Verhalten der Beschwerdeführerin bei der Zerrüttung eine gewisse, wenn auch untergeordnete Rolle gespielt hätte und ihr deshalb in diesem Zusammenhang ein leichtes Verschulden zur Last zu legen wäre (vgl. BGE 98 II 9 ff.). d) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Begehren um Erhöhung der Unterhaltsbeiträge entgegen der Ansicht des Obergerichts nicht als aussichtslos bezeichnet werden können. Die Beschwerdeführerin hat deshalb auch im Appellationsverfahren Anspruch auf die unentgeltliche Rechtspflege. 3. ...
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Sachverhalt ab Seite 120 BGE 107 II 119 S. 120 A.- Der am 23. Januar 1975 verstorbene A. K. hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau und drei Töchter. In einer öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 14. Oktober 1967 hatte er den drei Töchtern je ein gleich grosses Paket verschiedener Aktien zugewiesen und verfügt, der Rest des Nachlasses solle seiner Ehefrau zufallen; Erben, welche diese Verfügung anfechten sollten, setze er auf den Plichtteil. B.- Gestützt auf eine Weisung des Friedensrichteramtes Romanshorn vom 16. Oktober 1975 reichte die Tochter S. K. gegen ihre drei Miterbinnen beim Bezirksgericht Arbon Klage ein, mit welcher sie im wesentlichen Feststellung und Teilung des Nachlasses, Herabsetzung der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 14. Oktober 1967, soweit durch diese ihr Pflichtteilanspruch verletzt sei, sowie Feststellung und Ausrichtung ihres Pflichtteilanspruches verlangte. Mit Urteil vom 12. November 1979 erkannte das Bezirksgericht Arbon: "1. Es wird festgestellt, dass die Liegenschaft "Isola" nicht zum Nachlass des Erblassers A. K., gestorben 23. Januar 1975, gehört. 2. Es wird festgestellt, dass die Nachkommen des Erblassers wie folgt ausgleichungspflichtig sind: Klägerin mit Fr. 104'290.-, die Beklagten 2 und 3 mit je Fr. 68'175.-. 3. Es wird festgestellt, dass der Nachlass des Erblassers Fr. 2'082'598.90 beträgt, Wert gemäss Steuerinventur vom 24. Juli 1975, aufzurechnen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils. 4. Es wird festgestellt, dass die Erbquote der Klägerin 3/16 beträgt; um diese Quote wird die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 14. Oktober 1967 herabgesetzt."
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Sachverhalt ab Seite 8 BGE 82 III 8 S. 8 Gegen den am 23. März 1956 zum Preise von Fr. 159'000.-- erfolgten Steigerungszuschlag der Liegenschaft Sonneck in Wengen führte die Schuldnerin Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der Steigerung, weil diese überstürzt und auf Grund ungenügender Publikation durchgeführt worden sei, indem die Bekanntmachung nur im Schweiz. Handelsamtsblatt, im Amtsblatt des Kantons Bern und im Amtsanzeiger von Interlaken erfolgt sei, nicht aber auch in Fachblättern für Ärzte, wie es sich angesichts des Charakters des Objektes (Klinik mit medizinischen Einrichtungen und Arztpraxis) gehört hätte. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde ab mit der Begründung, eine Publikation in ärztlichen Fachblättern sei nicht erforderlich gewesen, da in der Sonneck in den letzten Jahren eine Klinik mit Arztpraxis nicht mehr, sondern lediglich eine Pension betrieben und die medizinische Ausstattung teils entfernt worden und im übrigen zum grössten Teil nicht mehr gebrauchsfähig sei. Die BGE 82 III 8 S. 9 Schuldnerin habe nie beim Betreibungsamt Publikation in weiteren Organen beantragt. Mit dem vorliegenden Rekurs hält die Schuldnerin an ihrem Begehren fest. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Liegenschaft zum Betrieb als Klinik bestimmt, eingerichtet und geeignet sei, den bisherigen ärztlichen Inhabern ein vorzügliches Auskommen gewährt habe und dies auch künftig tun würde, weshalb eine Publikation in Ärztekreisen unbedingt nötig gewesen wäre. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Nach Art. 35 SchKG haben öffentliche Bekanntmachungen durch das kantonale Amtsblatt und, wenn der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt, im Schweiz. Handelsamtsblatt zu erfolgen. "Wenn die Verhältnisse es erfordern, kann die Bekanntmachung auch durch andere Blätter ... erfolgen" (Abs. 2). Der Entscheid darüber, ob letzterer Fall vorliegt, ist mithin vom Gesetze in das Ermessen des Betreibungsamtes gestellt. Entscheide über Ermessenfragen sind jedoch nur an die kantonale Aufsichtsbehörde weiterziehbar (Art. 17/18 SchKG), nicht aber an das Bundesgericht, an das nur wegen Gesetzwidrigkeit, nicht aber wegen Unangemessenheit rekurriert werden kann (Art. 19). Um eine solche Ermessenssache handelt es sich bei der Frage der Publikation einer Bekanntmachung in weitern Blättern ausser den obligatorischen (vgl. JAEGER, Art. 35 N. 8).
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Sachverhalt ab Seite 426 BGE 131 I 425 S. 426 Seit 23. Januar 2004 führt die Schweizerische Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) ein Ermittlungsverfahren gegen Y. und weitere Beteiligte wegen des Verdachtes der Geldwäscherei. Am 23. April 2004 erliess sie eine Editionsverfügung (betreffend Konteninformationen) gegenüber der Genfer Niederlassung der Bank X. Gleichzeitig ordnete sie eine Informationssperre an. Der betroffenen Bank (sowie ihren Organen und Mitarbeitenden) wurde untersagt, ihren Kunden und dritten Personen bzw. Gesellschaften Mitteilung zu machen über die Editionsverfügung bzw. darüber, dass im vorliegenden Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren hängig ist. Die Verfügung der BA vom 23. April 2004 blieb unangefochten. Am 23. August 2004 ersuchte die betroffene Bank die BA um Aufhebung der angeordneten Informationssperre. Mit Verfügung vom 30. August 2004 wies die BA das Ersuchen ab. Die von der betroffenen Bank gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde hiess BGE 131 I 425 S. 427 das Bundesstrafgericht (Beschwerdekammer) mit Entscheid vom 24. Januar 2005 gut. Die Beschwerdekammer ordnete die Aufhebung des streitigen Mitteilungsverbotes an. Mit Eingabe vom 31. Januar 2005 erhob die BA beim Bundesgericht vorsorglich Zwangsmassnahmenbeschwerde gegen den (gleichentags eröffneten) Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 24. Januar 2005. Die BA stellte und begründete das Begehren, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Mit separater Eingabe vom 1. März 2005 begründete die BA die Beschwerde. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Mit Präsidialverfügung vom 4. März 2005 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesstrafgericht hat am 4. März 2005 auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet. Die beschwerdegegnerische Bank beantragt mit Eingabe vom 11. April 2005 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Im angefochtenen Entscheid erwägt die Beschwerdekammer Folgendes: Entgegen der Auffassung der Bundesanwaltschaft ergebe sich aus den Bestimmungen des BStP über den grundsätzlich geheimen Charakter der gerichtspolizeilichen Ermittlungen ( Art. 102 quater BStP ) "keine gesetzliche Grundlage für die Auferlegung eines Schweigegebots unter Strafandrohung". Im BStP finde sich keine ausdrückliche Ermächtigung für Informationssperren gegenüber nicht an das Amts- und Ermittlungsgeheimnis gebundenen Dritten. Durch die Strafandrohung nach Art. 292 StGB werde das streitige Mitteilungsverbot noch "nicht zur strafprozessualen Zwangsmassnahme". Allerdings schränke die Informationssperre die Kommunikations- und allenfalls die Wirtschaftsfreiheit der betroffenen Bank ein. Es handle sich aber "klar" um einen nicht schwerwiegenden Grundrechtseingriff, weshalb "die gesetzliche Grundlage für das Mitteilungsverbot (...) nicht zwingend auf Gesetzesebene geregelt sein" müsse. Als gesetzliche Grundlage komme - bei einem geringfügigen Eingriff wie hier - namentlich die Zeugenpflicht der Bankangestellten bzw. die Auskunfts- und Editionspflicht der Bank in Frage, zumal das Schweigegebot des Zeugen "eine eigenständige Nebenpflicht" der gesetzlichen Zeugenpflicht darstelle. Laut Beschwerdekammer liegt der Zweck der von der Bundesanwaltschaft angeordneten Informationssperre in der BGE 131 I 425 S. 428 "Verhinderung einer Kollusion". Der Beschuldigte "soll nicht vorgewarnt werden, um nicht durch entsprechende Dispositionen die Ermittlungen zu beeinträchtigen". Allerdings diene der Verhinderung von Kollusion "typischerweise die Untersuchungshaft", welche sich "ausschliesslich gegen den Beschuldigten selbst richtet und insofern keine Handhabe für auch minder schwere Eingriffe gegen Dritte" biete. Sodann könne geprüft werden, "ob sich ein Mitteilungsverbot als 'minus' aus der Kontensperre ableiten lässt". "Immerhin" greife "die Kontensperre" in die "Rechtsstellung der Bank ein". Diese könne "ihren vertraglichen Verpflichtungen auf Leistung gemäss den Weisungen des am Konto Berechtigten nicht nachkommen". Da Kontensperre und Mitteilungsverbot jedoch "grundsätzlich verschiedener Natur" seien, biete sich " Art. 65 BStP wohl eher nicht als gesetzliche Grundlage an". "Eine ausreichende gesetzliche Grundlage könnte" nach Auffassung der Beschwerdekammer "grundsätzlich auch Gewohnheitsrecht bilden". In diesem Zusammenhang sei "auf die Empfehlung der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren betreffend Kontosperren und Schweigepflicht der Bank vom 25. März 1997 hinzuweisen, welche auf einem Konsens zwischen der Schweizerischen Bankiervereinigung und der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren" beruhe. In der Empfehlung werde ausdrücklich festgehalten, dass "der Richter das Recht" habe, "der Bank zu verbieten, den Kunden" über die Kontensperre "und alle damit zusammenhängenden Umstände zu informieren", falls dadurch "die hängige Strafuntersuchung beeinträchtigt werden könnte". "Der Umstand der Vereinbarung der KKJPD als diesbezüglicher Vertreterin aller Kantone" belege zwar "eine allgemeine Rechtsüberzeugung". Die Vereinbarung werde "von den Strafverfolgungsbehörden der Kantone und nach Inkrafttreten der Effizienzvorlage im Jahre 2002 von den Behörden des Bundes in der Zusammenarbeit mit den Banken auch angewendet". "Die Übung dieser Praxis (mehr als sieben Jahre)" sei "indessen nicht als lange zu bezeichnen", weshalb sich die streitige Informationssperre nach Ansicht des Bundesstrafgerichtes "nicht auf Gewohnheitsrecht abstützen" lasse. "Ob ein Mitteilungsverbot an eine Bank unter Androhung einer Ungehorsamsstrafe überhaupt einer gesetzlichen Grundlage bedarf", sei "in der Lehre umstritten". In der Bundesgesetzgebung seien Informationssperren gegenüber Dritten namentlich in Art. 80n des BGE 131 I 425 S. 429 Rechtshilfegesetzes [IRSG; SR 351.1] und Art. 10 Abs. 3 des Geldwäschereigesetzes [GwG; SR 955.0] ausdrücklich vorgesehen. Die Frage einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage könne jedoch im vorliegenden Fall "letztlich offen bleiben". Das "öffentliche Interesse an der Möglichkeit, einer Bank ein Mitteilungsverbot aufzuerlegen", sei "im Übrigen offensichtlich und im Lichte neuerer Entwicklungen auch gross". Es erscheine laut angefochtenem Entscheid "bedenklich", wenn "erste Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, welche Bankerhebungen erforderlich machen, den Betroffenen durch die Bank offenbart werden könnten". Trotz diesen Erwägungen, die grossteils zu Gunsten der angefochtenen Informationssperre ausfielen, hiess das Bundesstrafgericht die Beschwerde der betroffenen Bank gut. Die Bundesanwaltschaft habe "sich im Beschwerdeverfahren zur Begründung ihres Standpunktes auf Ausführungen allgemeiner Natur beschränkt und aus dem Strafverfahren praktisch keine Akten eingereicht". "Die wenigen Unterlagen" umfassten "die Korrespondenz" mit der betroffenen Bank "sowie eine Aktennotiz über die Einsicht in die Gerichtsakten in einem US-amerikanischen Prozess vom 16. Juni 2004". Zwar sei die betroffene Bank "nicht Partei im Strafverfahren", weshalb ihr "nur ein sehr eingeschränkter Zugang zu den Akten des Strafverfahrens" zustehe. Die Bundesanwaltschaft übersehe jedoch, "dass Akteneinsicht und Verfügungsbegründung nicht das Gleiche" seien. In der Literatur würden sogar "erhöhte Anforderungen an die Begründung" verlangt. Wie weit die untersuchende Behörde dabei zu "gehen" habe, sei "im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Situation und der Untersuchungsinteressen zu entscheiden". "Die eingereichten Unterlagen und die Erläuterungen" der Bundesanwaltschaft "in der angefochtenen Verfügung und im Beschwerdeverfahren" vermöchten nach Ansicht des Bundesstrafgerichtes "selbst in groben Zügen nicht zu erklären, ob und warum das Mitteilungsverbot im heutigen Zeitpunkt erforderlich sein soll". Insbesondere sei nicht ersichtlich, "inwiefern eine Mitteilung die Untersuchung beeinträchtigen könnte". Daher sei "die Beschwerde zu schützen und das Mitteilungsverbot aufzuheben". Dies entbinde die betroffene Bank "nicht von der Pflicht sicherzustellen, dass und wie sie bei Orientierung ihres Kunden ihren Sorgfaltspflichten nachkommt". 3. Die Bundesanwaltschaft macht geltend, der angefochtene Entscheid erlaube der Beschwerdegegnerin, ihren Kunden und dritten BGE 131 I 425 S. 430 Personen über das hängige Ermittlungsverfahren und die Editionsverfügung Mitteilung zu machen. Damit werde der weitere Verlauf der Untersuchungen empfindlich tangiert, und es sei zum Nachteil der strafprozessualen Sachverhaltsabklärung ein "nicht wieder gut zu machender Schaden" zu befürchten. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass "der Beschuldigte geeignete Dispositionen über seine Vermögenswerte treffen und das Nötigste unternehmen" werde, "um die laufenden und kommenden Ermittlungen mit vielfältigsten Kollusionshandlungen zu seinen Gunsten zu beeinflussen". In einem in den USA hängigen Gerichtsverfahren seien "deutliche Verdachtsmomente" gegen den Hauptangeschuldigten dargelegt worden. Angesichts der in den Fall involvierten schweizerischen Gesellschaften bestehe ein sachlicher Bezug zwischen den mutmasslichen strafbaren Handlungen und der Schweiz. Sie, die Bundesanwaltschaft, habe schon im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesstrafgericht darauf hingewiesen und entsprechende Dokumente vorgelegt. Daher sei es "aktenwidrig", wenn im angefochtenen Entscheid ausgeführt werde, "die Bundesanwaltschaft habe selbst in groben Zügen nicht dargelegt, worum es gehe". Als Vortaten der untersuchten Geldwäscherei kämen namentlich Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung und Korruption in Betracht bei der Privatisierung bzw. beim Erwerb und Betrieb von ehemaligen russischen Staatsunternehmen in den Jahren 1997-1999. Bei dem im Mittelpunkt stehenden Ölkonzern handle es sich um ein "international ausserordentlich breit gestreutes und sehr verschachteltes Firmenkonglomerat". Die angehobenen Ermittlungen seien "im internationalen Kontext schwierig". Im Vorfeld eines Bundesstrafprozesses erfolgten diese "vorerst verdeckt". Im vorliegenden Fall erweise sich eine Informationssperre zulasten der betroffenen Bank als sachlich geboten. Es handle sich dabei nicht um einen schweren Eingriff in die Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheit der Bank. Die angeordnete Informationssperre habe "temporären Charakter". Das Mitteilungsverbot finde seine Grundlage in der strafprozessualen "Untersuchungsmaxime" ( Art. 101 Abs. 1 und 2 BStP ) sowie in der gesetzlichen Editions- und Zeugnispflicht der Bank bzw. ihrer Organe und Angestellten. Ausserdem beruhe es auf einer Vereinbarung der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren mit der Schweizerischen Bankiervereinigung aus dem Jahre 1997. In der kantonalen Strafverfahrenspraxis würden BGE 131 I 425 S. 431 Informationssperren dieser Art denn auch ("im Einzelfall" bzw. im Zusammenhang mit Editionsverfügungen an Banken) "seit Jahrzehnten" gehandhabt. Im Vorentwurf zur künftigen gesamtschweizerischen Strafprozessordnung werde eine entsprechende Geheimhaltungsverpflichtung ausdrücklich vorgesehen. Der angefochtene Entscheid sei im Ergebnis bundesrechtswidrig und gefährde die Strafverfolgung ernsthaft. 4. Die beschwerdegegnerische Bank wendet im wesentlichen Folgendes ein: Die Vermutung der Bundesanwaltschaft, wonach sich Kunden der Beschwerdegegnerin der Geldwäscherei in substanzieller Höhe schuldig gemacht hätten, stehe in offensichtlichem Widerspruch zum Umstand, dass bisher keinerlei Kontensperren verfügt worden seien. Die Verdächtigungen der Bundesanwaltschaft stützten sich auf Auszüge aus dem Internet mit verleumderischem Inhalt sowie auf Behauptungen, die in unzulässigen Zivilklagen erhoben worden seien. Sie seien Teil einer Rufmordkampagne gegen den betroffenen Kunden der Beschwerdegegnerin, welche von dessen politischen und geschäftlichen Widersachern inszeniert worden sei. Bei der streitigen Informationssperre handelt es sich nach Ansicht der Beschwerdegegnerin um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme. Das ihr auferlegte Verbot, ihre Kundschaft über das Vorliegen strafprozessualer Ermittlungen und die Edition von Bankunterlagen zu informieren, stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdegegnerin dar, der einer klaren und präzisen Verankerung in einem formellen Gesetz bedürfe. Der streitigen Zwangsmassnahme gebreche es an einer solchen gesetzlichen Grundlage. Sie sei ausserdem unverhältnismässig und werde nicht durch ein ausreichendes öffentliches Interesse begründet. Die Informationssperre verletze namentlich die von der Verfassung geschützte Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheit der Beschwerdegegnerin. Sie werde faktisch sogar gezwungen, ihre privatrechtlichen Verpflichtungen gegenüber ihrer Klientschaft zu verletzen. Es entspreche dem Wesen des Mandats- und Vertrauensverhältnisses mit dem Bankkunden, dass die Bank verpflichtet sei, ihrem Kunden alle Informationen weiterzugeben, die das Mandatsverhältnis betreffen oder betreffen könnten. Zwar könne es Fälle geben, bei denen die Interessen der Strafverfolgung während einer sehr eingeschränkten Zeit wichtiger erscheinen als die BGE 131 I 425 S. 432 privaten bzw. geschäftlichen Interessen der Bank und ihrer Klientschaft. Ein unbeschränktes Kommunikationsverbot, wie es im vorliegenden Fall verfügt worden sei, werde jedoch durch kein öffentliches Interesse legitimiert. Die Ermittlungen dauerten bereits mehr als ein Jahr an, weshalb keine Kollusionsgefahr mehr erkennbar sei. 5. Zunächst sind die rechtlichen Grundlagen der streitigen Zwangsmassnahme zu klären. 5.1 Bei hinreichendem Verdacht strafbarer Handlungen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, ordnet der Bundesanwalt die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens an ( Art. 101 Abs. 1 BStP ). Der Bundesanwalt und die gerichtliche Polizei "nehmen die zur Feststellung der Täterschaft und des wesentlichen Sachverhalts sowie die zur Sicherung der Tatspuren und Beweise erforderlichen Ermittlungshandlungen vor und treffen die unaufschiebbaren weiteren Massnahmen" ( Art. 101 Abs. 2 BStP ). Nach schweizerischem Strafprozessrecht sind die Ermittlungen und Untersuchungen grundsätzlich geheim (vgl. ROBERT HAUSER/ ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, § 52 Rz. 5 f.; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 156; Art. 76 Abs. 1 des Vorentwurfes [2001] des EJPD für eine Schweizerische Strafprozessordnung [VE/StPO]). Das Untersuchungs- und Ermittlungsgeheimnis dient der Sicherung der Zwecke des Strafprozesses. Es richtet sich an die Strafjustizbehörden und findet seine Schranken in den gesetzlichen Partei- und Teilnahmerechten (vgl. SCHMID, a.a.O., S. 55 Fn. 169, Rz. 157). Auch das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren im Rahmen des Bundesstrafprozesses (vor Einleitung der allfälligen Voruntersuchung) ist geheim. Ermittlungsdaten dürfen nur an die im Gesetz ausdrücklich bezeichneten Amtsstellen weitergeleitet werden ( Art. 102 quater Abs. 1 BStP ). Die Bundesanwaltschaft kann die Bekanntgabe von Informationen verweigern, einschränken oder mit Auflagen versehen ( Art. 102 quater Abs. 2 BStP ). Weiteren Behörden und privaten Personen dürfen Daten aus dem gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren nur "zum Schutze vor unmittelbar drohenden Gefahren" zugänglich gemacht werden ( Art. 102 quater Abs. 3 BStP ). Im Bundesstrafprozess konkretisiert sich das Ermittlungsgeheimnis auch an der Befugnis der Bundesanwaltschaft, Informationen über Personendaten zu verweigern, BGE 131 I 425 S. 433 wenn die Auskunft "den Zweck des Ermittlungsverfahrens in Frage stellen würde" ( Art. 102 bis BStP ). 5.2 Das schweizerische Strafverfahrensrecht, namentlich der Bundesstrafprozess, kennt keinen "numerus clausus" der zulässigen Zwangsmassnahmen im Ermittlungsverfahren (vgl. Art. 101 Abs. 2 BStP ; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a.a.O., § 59 Rz. 3-7). Strafprozessuale Informationsverbote gegenüber Dritten, namentlich editionspflichtigen kontenführenden Banken, dienen der ungestörten Abklärung von mutmasslichen Delikten bei drohender Kollusionsgefahr (vgl. MARCEL BUTTLIGER, Schweigepflicht der Bank im Strafverfahren, in: SJZ 90/1994 S. 377 ff., 378 f.; CHRISTIANE LENTJES MEILI, Zur Stellung der Banken in der Zürcher Strafuntersuchung, insbesondere bei Bankabfragen und Beschlagnahmen, Schweizer Schriften zum Bankenrecht, Bd. 41, Diss. Zürich 1996, S. 217 f.; LUCA MARAZZI, Sull'ordine di perquisizione e sequestro bancario. La legittimazione attiva della banca a interporre reclamo contro un ordine di perquisizione e sequestro, in: Ticino e il diritto, Raccolta di studi pubblicati in occasione delle Giornate dei giuristi svizzeri 1997, Lugano 1997, S. 501 ff., 523; s. auch Die Praxis des Kantonsgerichtes von Graubünden [PKG] 1994 Nr. 42). In Art. 319 Abs. 1 VE/StPO (2001) werden "schriftliche Weisungen" an Banken über die bei Überwachungsmassnahmen bzw. Editionsverfügungen "zu beachtende Geheimhaltung" ausdrücklich vorgesehen (vgl. auch Art. 80n Abs. 1 IRSG , Art. 10 Abs. 3 GwG ). In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, dass sich Verschwiegenheitsgebote als "Nebenverpflichtung" auch aus den gesetzlichen Editions- und Zeugnispflichten ergeben können (vgl. BUTTLIGER, a.a.O., S. 378-380; MARAZZI, a.a.O., S. 523). Im Gegensatz zu den Berufsgeheimnisträgern im Sinne von Art. 321 StGB sind Organe und Mitarbeitende einer Bank grundsätzlich editions- und zeugnispflichtig ( Art. 74 Abs. 1 und Art. 77 BStP i.V.m. Art. 88 ter , Art. 101 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 1 BStP ; vgl. BUTTLIGER, a.a.O., S. 377 f.; LENTJES MEILI, a.a.O., S. 219). Die Frage, inwieweit zur strafprozessualen Wahrheitsfindung strafbewehrte Informationssperren zulässig erscheinen, die nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sind, ist in der Lehre umstritten. Schwere Eingriffe in die Freiheitsrechte der Betroffenen bedürfen einer ausreichenden formellgesetzlichen Grundlage ( BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68, BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 362, 369 E. 7.3 S. 381, je mit Hinweisen; vgl. HAUSER/SCHWERI/ HARTMANN, a.a.O., § 59 Rz. 7). Soweit durch strafprozessuale BGE 131 I 425 S. 434 Informationssperren verfassungsmässige Individualrechte tangiert werden, gelten diesbezüglich die allgemeinen Eingriffsvorbehalte von Art. 36 BV . Namentlich ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten (vgl. BUTTLIGER, a.a.O., S. 379; LENTJES MEILI, a.a.O., S. 219, 250). 6. Zu prüfen ist, ob die hier streitige strafprozessuale Zwangsmassnahme bundesrechtskonform erscheint. 6.1 Es stellt sich die Frage, ob die streitige Informationssperre auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (vgl. Art. 36 BV ). Das Bundesgericht beurteilt diese Frage aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles. Ein schwerer Eingriff in die verfassungsmässigen Individualrechte der beschwerdegegnerischen Bank bedürfte einer klaren Grundlage im formellen Gesetz (vgl. BGE 130 I 16 E. 3 S. 18, BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68, 360 E. 14.2 S. 362, je mit Hinweisen). Liegt kein schwerer Fall vor, kann sich der Eingriff auch auf eine materiellgesetzliche Norm (etwa eine Verordnung oder auf polizeiliche bzw. strafprozessuale Generalklauseln) stützen. Das öffentliche Interesse an der streitigen Verfügung und ihre Verhältnismässigkeit prüft das Bundesgericht frei (vgl. BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68, BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 362, 369 E. 7.3 S. 381, je mit Hinweisen). Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht massgebend ( Art. 191 BV ). 6.2 Zwar ist das Ermittlungsgeheimnis im Bundesstrafprozessrecht in Art. 102 quater BStP verankert. Dieses und insbesondere die Vorschriften von Art. 102 quater Abs. 2-3 BStP richten sich jedoch primär an die Strafjustizbehörden. Das BStP kennt keine ausdrückliche formellgesetzliche Grundlage für strafbewehrte Mitteilungsverbote gegenüber von Editionsverfügungen betroffenen Privaten. Es bleibt zu prüfen, ob die Generalklausel von Art. 101 Abs. 2 BStP im vorliegenden Fall als gesetzliche Grundlage ausreicht und ob der streitige Eingriff verhältnismässig erscheint. 6.3 Nach der dargelegten Lehre und Praxis stellen sachlich notwendige und zeitlich limitierte Informationssperren gegenüber Banken grundsätzlich keinen besonders empfindlichen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheit dar (vgl. BUTTLIGER, a.a.O., S. 379-81; LENTJES MEILI, a.a.O., S. 221 f.). Das vorläufige Verbot, Ermittlungsgeheimnisse an Kunden und Dritte weiterzuleiten, hindert die betroffene Bank BGE 131 I 425 S. 435 grundsätzlich nicht daran, im Rahmen ihrer gesetzlichen und vertraglichen Pflichten legale Bankgeschäfte und Kundenberatungen abzuwickeln (vgl. LENTJES MEILI, a.a.O., S. 237 f., 247 f., 250; SIEGFRIED SICHTERMANN, Bankgeheimnis und Bankauskunft. Systematische Darstellung mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung und unter Heranziehung ausländischen Rechts, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 1984, S. 347 ff.). Ein befristetes Informationsverbot gegenüber Bankkunden wäre auch im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig. Zwar macht die beschwerdegegnerische Bank sinngemäss geltend, ihre Klientschaft könne auch an den in der Editionsverfügung vom 23. April 2004 erwähnten Informationen interessiert sein. Die Bank legt jedoch keine besonderen Gründe dar, weshalb im vorliegenden Fall ihr privates Interesse, ihre Kunden oder Dritte über hängige strafprozessuale Ermittlungen zu informieren, das öffentliche Interesse an der ungestörten Aufklärung von mutmasslichen schweren Straftaten überwiegen könnte. Noch viel weniger macht die Beschwerdegegnerin unmittelbar drohende Gefahren im Sinne von Art. 102 quater Abs. 3 BStP geltend. 6.4 Nach Darlegung der Bundesanwaltschaft handelt es sich hier um schwierige Ermittlungen wegen mutmasslicher Geldwäscherei im internationalen Kontext. Untersucht wird die Verschleierung von angeblich illegalen Erlösen aus dem Erwerb und Betrieb von ehemaligen russischen Staatsunternehmen; dabei gehe es namentlich um unrechtmässige Gewinne aus Geschäften mit jährlich mehreren Millionen Tonnen Öl. Zwar wäre es einer betroffenen Bank zuzumuten, dass sie bei schwerwiegenden strafrechtlichen Verdachtsgründen und im Falle von drohender Kollusionsgefahr das Ermittlungsgeheimnis für eine angemessene Zeit respektiert und keine vertraulichen Informationen über das hängige Strafverfahren an ihre Kundschaft, insbesondere an den Verdächtigen, oder an Dritte weitergibt. Die strafbewehrte Zwangsmassnahme muss jedoch auch in zeitlicher Hinsicht verhältnismässig sein (vgl. Art. 36 Abs. 3 BV ; Art. 50 BStP ; BUTTLIGER, a.a.O., S. 379). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die streitige Informationssperre wurde vor knapp einem Jahr (nämlich am 30. August 2004) angeordnet bzw. bestätigt. Die ursprüngliche Verfügung datiert sogar vom 23. April 2004. Weder wurde die Zwangsmassnahme zeitlich limitiert, noch von der Bundesanwaltschaft seither aufgehoben. Eine Weiterdauer der Zwangsmassnahme erscheint im heutigen Zeitpunkt nicht nur unverhältnismässig. Eine BGE 131 I 425 S. 436 unbefristete strafbewehrte Informationssperre wäre auch als schwerer Eingriff in die Wirtschafts- und Kommunikationsfreiheit der betroffenen Bank anzusehen, der einer ausdrücklichen formellgesetzlichen Grundlage bedürfte. 7. Nach dem Gesagten erscheint die Weiterdauer der streitigen Informationssperre verfassungswidrig. Der angefochtene Entscheid erweist sich im Ergebnis als bundesrechtskonform, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen ist. (...)
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Sachverhalt ab Seite 404 BGE 145 IV 404 S. 404 A. Das Obergericht des Kantons Zürich stellte im Berufungsverfahren am 27. September 2018 die Rechtskraft der folgenden vom Bezirksgericht Zürich am 12. September 2017 gegen A. ausgesprochenen Schuldsprüche fest: - mehrfacher Diebstahl ( Art. 139 Ziff. 1 StGB ), - Sachbeschädigung ( Art. 144 Abs. 1 StGB ), - mehrfacher Hausfriedensbruch ( Art. 186 StGB ), - mehrfaches Vergehen gegen Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG , - mehrfache Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 BetmG . Das Obergericht sprach ihn in einem Anklagepunkt vom Vorwurf des Diebstahls frei und bestrafte ihn mit 10 Monaten Freiheitsstrafe und Fr. 300.- Busse. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es mit einer Probezeit von vier Jahren auf. BGE 145 IV 404 S. 405
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Sachverhalt ab Seite 407 BGE 126 V 407 S. 407 A.- V. ist im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung N für Asylsuchende und bezog seit 5. Oktober 1999 Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Mit Verfügung vom 20. Januar 2000 eröffnete ihr das Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen, ihre Vermittlungsfähigkeit sei ab dem 15. Dezember 1999 nicht mehr gegeben. Einem allfälligen, hiegegen gerichteten Rekurs wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. B.- Hiegegen liess V. Beschwerde führen und unter anderem die Gewährung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Mit Zwischenentscheid vom 30. März 2000 entsprach das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen dem verfahrensrechtlichen Antrag. (...) C.- Das Amt für Arbeit führt gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es beantragt, es sei festzustellen, dass die aufschiebende Wirkung im vorliegenden Fall weder entzogen noch wiederhergestellt werden konnte. (...) BGE 126 V 407 S. 408 Während V. sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, beantragt das Staatssekretariat für Wirtschaft deren Gutheissung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Es fragt sich, ob es sich bei der Verfügung vom 20. Januar 2000, mit welcher der Versicherten die Vermittlungsfähigkeit ab dem 15. Dezember 1999 abgesprochen wurde, um eine positive, der aufschiebenden Wirkung zugängliche oder aber um eine negative Verfügung handelt, bei welcher sich die Frage der aufschiebenden Wirkung zum Vornherein gar nicht stellen kann. a) Nach vorinstanzlicher Auffassung handelt es sich bei dieser Verfügung um eine leistungsaufhebende und somit positive Anordnung, da die Vermittlungsfähigkeit für die Zeit vom 5. Oktober bis 14. Dezember 1999 nicht in Abrede gestellt werde. Demgegenüber legt das Arbeitsamt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dar, die Auszahlung der Arbeitslosenentschädigung sei vor dem 15. Dezember 1999 ohne Kenntnis der fehlenden Anspruchsberechtigung der Versicherten erfolgt und wäre mit der Begründung der fehlenden Vermittlungsberechtigung nicht zulässig gewesen. Eine auf das Datum der Antragstellung vom 5. Oktober 1999 rückwirkende Prüfung sei im Verfügungszeitpunkt nicht möglich gewesen, da bei der Chancenbeurteilung, durch die Abteilung Ausländerbewilligungen des Amtes für Wirtschaft eine Arbeitsbewilligung zu erhalten, die im Zeitpunkt der Abklärung gegebenen Verhältnisse berücksichtigt werden. Aus Gründen der Gewährung des rechtlichen Gehörs sei die Verneinung der Anspruchsberechtigung daher erst seit Kenntnisnahme dieser Beurteilung durch die Versicherte erfolgt, somit ab 15. Dezember 1999. Dabei habe auf Grund der prospektiven Chancenbeurteilung die Vermittlungsberechtigung für die Zeit vom 5. Oktober bis zum 14. Dezember 1999 nicht in Abrede gestellt werden können. Selbst wenn man der Ansicht sei, für diesen Zeitraum sei mittels Abrechnungen und somit faktischer Verfügungen über den Anspruch auf Versicherungsleistungen entschieden worden, so sei der Anspruch zeitlich begrenzt und daher die Beschwerde gegen die Verfügung vom 20. Januar 2000 keiner aufschiebenden Wirkung zugänglich gewesen. b) Entgegen der Betrachtungsweise der Vorinstanz kann nicht davon ausgegangen werden, es handle sich vorliegend um eine leistungsaufhebende Verfügung, weil die Beschwerdegegnerin vom BGE 126 V 407 S. 409 5. Oktober bis zum 14. Dezember 1999 Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen hat. Nach der Rechtsprechung gilt eine leistungsverweigernde Anordnung als negative Verfügung ( BGE 123 V 41 Erw. 3, BGE 117 V 188 Erw. 1b mit Hinweisen; siehe auch BGE 124 V 84 Erw. 1a). Wird jedoch eine Versicherungsleistung aus verfahrensrechtlichen Gründen ausnahmsweise gestützt auf eine prospektive Beurteilung und vorbehältlich einer Abklärung der Anspruchsberechtigung zugesprochen, so kann die darauf folgende leistungsverweigernde Verfügung nicht einer im Sinne der Rechtsprechung leistungsaufhebenden Verfügung gleichgestellt werden. Vielmehr kommen derartige Umstände denjenigen gleich, die bei Verfügungen massgebend sind, welche den Anspruch auf Versicherungsleistungen von Anfang an zeitlich begrenzen. Ferner ist zu beachten, dass es sich bei den Taggeldern der Arbeitslosenversicherung - etwa im Unterschied zu Dauerleistungen wie Renten - um vorübergehende Leistungen handelt, bei welchen im Hinblick auf die Sicherstellung der Schadenminderungspflicht und die berufliche Wiedereingliederung ( Art. 17 AVIG ) die Anspruchsvoraussetzungen periodisch überprüft werden müssen. So hat der Versicherte monatlich seine Bemühungen um Arbeit nachzuweisen (Art. 26 in Verbindung mit Art. 27a AVIV ), was von der zuständigen Amtsstelle monatlich zu überprüfen ist ( Art. 26 Abs. 3 AVIV , in Kraft seit 1. Januar 2000). Ferner hat die Amtsstelle mit jedem Versicherten monatlich mindestens zweimal (seit 1. Januar 2000 mindestens einmal) ein Beratungs- und Kontrollgespräch zu führen, bei dem unter anderem die Vermittlungsfähigkeit überprüft wird ( Art. 21 Abs. 1 AVIV in der bis Ende 1999 gültig gewesenen Fassung; Art. 22 Abs. 2 AVIV in der ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung). Gelangt die Verwaltung anlässlich einer solchen Prüfung zum Schluss, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind, so handelt es sich diesbezüglich um eine negative Verfügung (dies im Gegensatz zu den Einstellungsverfügungen, welche die Anspruchsberechtigung voraussetzen und eine teilweise Verweigerung des Taggelds zum Gegenstand haben; BGE 124 V 84 Erw. 1a; Art. 30 Abs. 3 Satz 1 AVIG ). Nicht anders verhält es sich, wenn mit der angefochtenen Verfügung auch rückwirkend über die Anspruchsvoraussetzungen entschieden wird. Insoweit stellen solche Anordnungen negative Verfügungen dar ( BGE 123 V 41 Erw. 3; nicht veröffentlichte Präsidialverfügung T. vom 11. Mai 2000, in welcher nach längerer Physiotherapiebehandlung die für weitere Leistungen vorausgesetzte Wirtschaftlichkeit verneint und daher die BGE 126 V 407 S. 410 Leistungen eingestellt wurden, welcher Verwaltungsakt als negative Verfügung betrachtet wurde). Hinzu kommt, dass mit der Verneinung der Vermittlungsfähigkeit nichts angeordnet wurde, was der Vollstreckung bedürfte und insoweit einem Aufschub überhaupt zugänglich wäre ( BGE 117 V 188 Erw. 1b mit Hinweisen). Bei dieser Rechtslage bestand für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung kein Raum. c) Das mit dem Begehren um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Verfügung vom 20. Januar 2000 gerichteten Beschwerde angestrebte Ziel bestand darin, vorderhand Leistungen zu erhalten, über deren Anspruchsberechtigung die Verwaltung noch nicht befunden hatte. Dies lässt sich durch Gewährung der aufschiebenden Wirkung einer gegen eine negative Verfügung gerichteten Beschwerde indessen nicht erreichen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde führt einzig dazu, dass die sich aus dem Verfügungsdispositiv ergebende Rechtsfolge vorläufig nicht eintritt, sondern gehemmt wird (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 241). Der Beschwerdegegnerin ging es aber darum, lite pendente diejenige neue Rechtslage zu schaffen, welche gegeben wäre, wenn eine ihrem Hauptbegehren entsprechende Verfügung ergangen wäre, die Verwaltung also Vermittlungsfähigkeit angenommen hätte und dementsprechend auch nach dem 15. Dezember 1999 Taggelder auszahlen müsste. Dazu genügt die aufschiebende Beschwerdewirkung aber nicht. Vielmehr bedürfte es hiezu der Anordnung einer positiven vorsorglichen Massnahme ( BGE 117 V 188 Erw. 1b mit Hinweisen).
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Sachverhalt ab Seite 316 BGE 115 Ia 315 S. 316 Der Gemeinderat Niederhasli leitete mit Beschluss vom 10. Juni 1980 über das Gebiet "Rietwiese" in Oberhasli das amtliche Quartierplanverfahren ein. Die kantonale Baudirektion genehmigte die Einleitung des Quartierplanverfahrens am 20. Juni 1984. Diese Verfügung ist rechtskräftig geworden. Mit Beschluss vom 26. August 1986 verpflichtete der Gemeinderat Niederhasli die Grundeigentümer des Quartierplangebiets zu Akontozahlungen an die laufenden Administrativkosten aufgrund des Flächenverzeichnisses "Neuer Bestand" im ersten Entwurf vom 21. März 1986 für die Arealabrechnung. In diesem Verzeichnis ist J.M. als Eigentümer der neuen Parzelle Nr. 2646 mit einer Fläche von 24 425 m2 aufgeführt. Je eine Rate sollte nach der ersten und der zweiten Grundeigentümerversammlung entrichtet werden, um die jeweils bis zum Stichtag aufgelaufenen Kosten samt Zinsen zu decken. Die Schlusszahlung hatte nach rechtskräftiger Festsetzung des Quartierplans aufgrund einer Schlussabrechnung zu erfolgen. Der genannte Beschluss des Gemeinderates setzte lediglich einen Schlüssel für die Kostenverteilung fest; bezifferte Zahlungsbeträge der Grundeigentümer wurden nicht genannt. J.M. und ein weiterer Grundeigentümer zogen den Beschluss des Gemeinderates Niederhasli an die Baurekurskommission I weiter. J.M. beantragte, seine Beträge an die Kosten des Quartierplanverfahrens seien lediglich nach Massgabe der tatsächlich quartierplanbetroffenen Fläche von 845 m2 seines Grundeigentums zu berechnen. Diese Fläche entspricht jener der beiden Grundstücke Kat. Nrn. 5348 und 2256 der E. Verwaltungs-AG, welche eine optimale Überbauung des Landes von J.M. behindern. Die Baurekurskommission I wies die vereinigten Rekurse der beiden Grundeigentümer am 18. September 1987 ab. Mit Beschwerde vom 12. Oktober 1987 gelangte J.M. an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Er beantragte, der Entscheid der Baurekurskommission I sei aufzuheben und seine BGE 115 Ia 315 S. 317 Kostenbeiträge seien lediglich gestützt auf eine Grundstückfläche von 845 m2 zu berechnen. Mit Entscheid vom 30. September 1988 hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen. Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts führt J.M. staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Das Verfahren wurde sistiert bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich über ein dort hängiges Revisionsgesuch. Am 2. Februar 1989 wies das Verwaltungsgericht das Revisionsgesuch von J.M. gegen den Entscheid vom 30. September 1988 ab, soweit es darauf eintreten konnte. Gegen diesen Revisionsentscheid des Verwaltungsgerichts führt J.M. ebenfalls staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Erwägungen Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition ( BGE 114 Ia 308 E. 1a; BGE 113 Ia 394 E. 2 mit Hinweis). a) Die beiden angefochtenen Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich stellen letztinstanzliche kantonale Entscheide dar. Der Beschwerdeführer rügt einzig eine Verletzung von Art. 4 BV . Gemäss Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung dieser Verfassungsbestimmung erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. aa) Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG ist jeder Entscheid, der ein Verfahren vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz abschliesst, sei es durch einen Entscheid in der Sache selbst (Sachentscheid), sei es aus prozessualen Gründen (Prozessentscheid). Als Zwischenentscheide gelten dagegen jene Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen, gleichgültig, ob sie eine Verfahrensfrage oder - vorausnehmend - eine Frage des materiellen Rechts zum Gegenstand haben ( BGE 106 Ia 233 E. 3a mit zahlreichen Hinweisen; BGE 110 Ia 134 ; BGE 108 Ia 204 ). Die in Art. 87 OG vorgesehene Beschränkung der Anfechtbarkeit letztinstanzlicher Zwischenentscheide beim Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 4 BV gilt indessen nicht absolut. Vielmehr lässt die Rechtsprechung Ausnahmen zu bei Entscheiden über gerichtsorganisatorische BGE 115 Ia 315 S. 318 Fragen, die ihrer Natur nach endgültig zu erledigen sind, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann ( BGE 115 Ia 313 E. 2a; BGE 106 Ia 233 E. 3a; BGE 94 I 201 E. 1a, je mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Baurekurskommission I den vom Gemeinderat Niederhasli festgesetzten Verteilschlüssel für die Entrichtung von Akontozahlungen betreffend die Administrativkosten des amtlichen Quartierplans "Rietwiese" als rechtmässig bezeichnet. Nach den Darlegungen des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei dieser Festsetzung des Verteilschlüssels für die Akontozahlungen nicht um einen endgültigen, sondern nur um einen vorläufigen Entscheid. Auch nach Auffassung der Baurekurskommission I geht es bei der Vorschussleistung nicht um eine definitive Kostenverteilung, die einen genehmigten Quartierplan voraussetze. Durch die Leistung von Vorschüssen oder Akontozahlungen gingen den am Quartierplanverfahren beteiligten Grundeigentümern auch keine Rechte verloren. Es blieben ihnen hinsichtlich der Kostenpflicht alle Prüfungsbefugnisse und Rechtsmittel gewahrt, die sie bei Vorliegen der definitiven Kostenrechnung ausüben könnten. Geleistete Zahlungen würden den Quartierplangenossen in der Schlussabrechnung gutgeschrieben (PETER WIEDERKEHR, Das Zürcherische Quartierplanrecht, 1972, S. 67 f.; RRB Nr. 3118/1967). Im gleichen Sinne äussert sich das Verwaltungsgericht für den Fall, dass das Quartierplangebiet nachträglich verkleinert oder die Grundstücke des Beschwerdeführers aus dem Quartierplanverfahren entlassen würden. Dieser Umstand wäre bei der Aufstellung des endgültigen Kostenverteilers zu berücksichtigen, denn in einem solchen Fall dürfe der Beschwerdeführer nicht gleichermassen wie die im Verfahren verbliebenen Grundeigentümer mit Administrativkosten belastet werden. Bereits geleistete Zahlungen seien in der Schlussabrechnung gutzuschreiben, und die damit festgelegte Kostenpflicht sei durch Rechtsmittel anfechtbar. Vor der Fälligkeit der zweiten Rate, im Anschluss an die Auflage des überarbeiteten Quartierplanentwurfs, könne der Beschwerdeführer gemäss § 155 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht des Kantons Zürich vom 7. September 1975 (PBG) ein Begehren um Entlassung aus dem Verfahren stellen (vgl. BGE 115 Ib 169 E. 2). Falls er darin verbleibe, könne nach dessen Abschluss, d.h. nach Festsetzung des Quartierplans, zudem besser beurteilt werden, ob für seine Grundstücke besondere Verhältnisse vorlägen, die eine von der Regelvorschrift BGE 115 Ia 315 S. 319 von § 177 Abs. 1 PBG abweichende Verteilung der Administrativkosten gebieten würden. Die beiden angefochtenen Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich schliessen somit das kantonale Verfahren betreffend Aufteilung der Administrativkosten des amtlichen Quartierplanverfahrens "Rietwiese" auf die beteiligten Grundeigentümer nicht ab. Eine definitive Festsetzung dieser Kostenverteilung erfolgt vielmehr erst im Rahmen der gemäss § 177 Abs. 3 PBG zu erstellenden Schlussabrechnung, die schriftlich mitzuteilen ist. Erst mit ihr erfolgt in dieser Sache ein Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG . Daran ändert nichts, dass das Verwaltungsgericht gewisse Punkte im angefochtenen Entscheid endgültig beurteilt hat ( BGE 106 Ia 228 E. 2). In diesem Sinne tritt das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden gegen letztinstanzliche Rückweisungsentscheide unter anderem auch dann nicht ein, wenn vor Bundesgericht einzig die von der letzten kantonalen Instanz definitiv festgesetzten Verfahrens- und Parteikosten angefochten werden (nicht publ. Entscheid vom 20. Dezember 1988 i.S. Gemeinde Horw). Zu prüfen ist daher, ob die Pflicht zur Leistung von Akontozahlungen für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirkt. bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur, um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV anfechten zu können; eine bloss tatsächliche Beeinträchtigung wie beispielsweise eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht ( BGE 108 Ia 204 E. 1 mit Hinweisen). Der Nachteil ist nur dann rechtlicher Art, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte ( BGE 106 Ia 234 ). An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Wie vorn unter E. 1a/aa dargelegt, kann der Beschwerdeführer seine im vorliegenden Verfahren zur Diskussion stehenden Rechte im Zusammenhang mit der Festsetzung der Schlussabrechnung gemäss § 177 Abs. 3 PBG voll wahren. Die kantonalen Instanzen werden dafür zu sorgen haben, dass dem Beschwerdeführer aus allenfalls zu Unrecht entrichteten Akontozahlungen kein Rechtsnachteil erwächst. b) Aus den dargelegten Gründen ist auf die beiden staatsrechtlichen Beschwerden nicht einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 311 BGE 135 II 310 S. 311 A. Mit Beschluss vom 11. Juni 2008 verfügte der Bezirksrat Küssnacht zwecks Erweiterung des Strandbads Seeburg die enteignungsweise Übertragung von 2'340 m 2 Land ab der Liegenschaft GB 794 Küssnacht auf den Bezirk Küssnacht zu Eigentum zur Bildung der neuen Liegenschaft GB 4064 Küssnacht. B. In der Folge erhob X. Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz und verlangte die Aufhebung des Beschlusses des Bezirksrats Küssnacht vom 11. Juni 2008. Nach Überweisung dieses Rechtsmittels an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies dieses die Beschwerde mit Entscheid vom 20. November 2008 ab. Es erwog, für die streitige Enteignung bestehe eine formell-gesetzliche Grundlage, es sei ein öffentliches Interesse gegeben und die Massnahme sei verhältnismässig. C. Mit Eingabe vom 26. Januar 2009 (...) verlangt X. beim Bundesgericht (...) die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids vom 20. November 2008 (...). Er rügt eine Verletzung der Eigentumsgarantie ( Art. 26 BV ). (...) Das Bundesgericht weist die als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten behandelte Eingabe ab, soweit es darauf eintritt. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Das schwyzerische Enteignungsverfahren ist zweistufig aufgebaut. Auf der ersten Stufe entscheidet nach § 2 Abs. 1 des Expropriationsgesetzes des Kantons Schwyz vom 1. Dezember 1870 (SRSZ 470.100; im Folgenden: EntG/SZ) in BGE 135 II 310 S. 312 Bezirksangelegenheiten der Bezirksrat über die Zulässigkeit und den Umfang der Enteignung. Gegen dessen Entscheid stehen als Rechtsmittel die Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat (§ 45 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 6. Juni 1974 über die Verwaltungsrechtspflege [SRSZ 234.110; im Folgenden: VRP/SZ] i.V.m. § 2 Abs. 2 EntG /SZ) und danach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Verfügung ( § 51 lit. a VRP /SZ). Auf der zweiten Stufe des Enteignungsverfahrens legt die zuständige Schätzungskommission die Entschädigungssumme fest (§ 1 Abs. 1 der Vollzugsverordnung vom 23. Dezember 1974 zum Enteignungsrecht [SRSZ 470.111; im Folgenden: VVEntG] i.V.m. § 14 EntG /SZ). Ihr Entscheid kann mit Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden (§ 3 Abs. 1 VVEntG i.V.m. § 14 EntG /SZ). Nach der kantonalen Rechtsprechung darf die Schätzungskommission erst tätig werden, wenn das Verfahren der ersten Stufe rechtskräftig abgeschlossen ist. Auf den angefochtenen Entscheid, bei dem es um die Frage der Zulässigkeit und des Umfangs der strittigen Enteignung geht, kann demnach in einem nachfolgenden Schätzungsverfahren grundsätzlich nicht mehr zurückgekommen werden. Er ist daher abschliessend im Sinne von Art. 90 BGG und gilt deshalb als Endentscheid.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 141 III 1 S. 2 A. A.A. (geb. 1963; schweizerischer Staatsangehöriger) und B.A. (geb. 1971; türkische Staatsangehörige) heirateten im Jahr 2003. Sie sind die Eltern des 2006 geborenen Kindes C.A. B. Am 20. Oktober 2010 reichte A.A. beim Bezirksgericht Zürich eine Eheungültigkeits-, evtl. Ehescheidungsklage ein, mit welcher er den Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB anrief. Mit Teilurteil vom 16. Oktober 2013 wies das Bezirksgericht die Ungültigkeitsklage ab mit der Begründung, der per 1. Januar 2008 eingeführte Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirke nicht auf die im Jahr 2003 geschlossene Ehe zurück. Mit der gleichen intertemporalen Begründung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Februar 2014 die gegen das Teilurteil erhobene Berufung ab. C. Gegen dieses Urteil hat A.A. am 10. März 2014 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, mit welcher er die Ungültigerklärung der am 22. Juli 2003 geschlossenen Ehe, eventualiter die Rückweisung der Sache an das Obergericht verlangt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gegenstand der Beschwerde ist die Frage der Rückwirkung des per 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Eheungültigkeitsgrundes gemäss Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf vor diesem Datum geschlossene Ehen. Diese ZGB-Norm wurde eingefügt im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR 242.20; vgl. AS 2007 5495). Mangels spezifischer intertemporalrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sind die kantonalen Gerichte von der allgemeinen Regel gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausgegangen, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht beurteilt werden, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat (Grundsatz der Nichtrückwirkung). In ihren weiteren Ausführungen haben die Zürcher Gerichte das Vorliegen einer Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB verneint mit der Begründung, bei Art. 105 Ziff. 4 ZGB handle es sich nicht um BGE 141 III 1 S. 3 eine Norm, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sei. Aufgrund der schwankenden und wenig gefestigten Gesetzgebung in den letzten 15 Jahren lasse sich nicht sagen, dass es sich bei der neu eingeführten Norm um eine imperative Vorschrift des Ordre public als Grundpfeiler des ethischen und moralischen Gesellschaftskonsenses handle, wie dies etwa im Zusammenhang mit der bigamischen Ehe, der Ehe zwischen nahen Verwandten oder der Zwangsehe der Fall wäre. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus dem in der Botschaft zum AuG erfolgten Hinweis auf Art. 27 IPRG (SR 291); dort gehe es um den nicht vergleichbaren Tatbestand, dass gemäss Art. 45 Abs. 2 IPRG Eheschliessungen, die in offensichtlicher und vorsätzlicher Umgehung schweizerischer Rechtsvorschriften ins Ausland verlegt worden seien, die also zur Zeit ihres Abschlusses nach schweizerischem Recht ungültig gewesen wären, nicht anerkannt werden könnten. Ferner hat das Obergericht auch eine auf Art. 3 SchlT ZGB gestützte Rückwirkung verneint. Hilfsweise hat das Obergericht erwogen, dass bei der gegenteiligen Annahme, dass die neue Eheungültigkeitsnorm zurückwirken würde, jedenfalls eine Interessenabwägung mit dem Vertrauensschutz in den Bestand der Ehe vorzunehmen wäre, welche zugunsten der Fortdauer des rechtsgültig begründeten Statusrechtes zu entscheiden wäre, zumal den migrationspolitischen Zielen mit den einschlägigen Vorschriften des AuG genügend Rechnung getragen werden könne. 3. Der Beschwerdeführer sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Er macht geltend, bei der Ehe handle es sich um einen Dauersachverhalt und der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sei unbefristet. Die Norm sei Bestandteil der öffentlichen Ordnung und Ausdruck eines sozio-politischen Konzepts, weil sie dem Ziel eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Wohnbevölkerung diene. Als wesentliches Prinzip der aktuellen Ordnung falle Art. 105 Ziff. 4 ZGB mithin in den Anwendungsbereich von Art. 2 SchlT ZGB . Im Übrigen falle der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB unter Art. 45 Abs. 2 IPRG und gehöre mithin zum schweizerischen Ordre public. Die Norm betreffe letztlich einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs (Scheinehe) und Rechtsmissbrauch dürfe nie geschützt werden; entsprechend könne es auch keinen Vertrauensschutz geben. 4. Die Frage der Rückwirkung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf frühere, gültig geschlossene Ehen wurde vom Bundesgericht bislang nie ausdrücklich entschieden; insbesondere äussern sich die Urteile BGE 141 III 1 S. 4 2C_841/2009 sowie 2C_327/2010 /2C_328/2010 (s. BGE 137 I 247 E. 5 S. 252 ff.) je vom 19. Mai 2011 entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht zu dieser Frage. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB nicht auf früher geschlossene Ehen zurückwirken kann, weil Art. 1 SchlT ZGB greift (GEISER, Scheinehe, Zwangsehe und Zwangsscheidung aus zivilrechtlicher Sicht, ZBJV 2008 S. 833; FANKHAUSER/WÜSCHER, Die neuen Eheungültigkeitsgründe nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes, FamPra.ch 2008 S. 763; GEISER/LÜCHINGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 6a vor Art. 104 ff. ZGB ; KRADOLFER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Kommentar, 2010, N. 11 zu Art. 125 AuG ; a.M. A MARCA, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 9 zu Art. 105 ZGB ). Der herrschenden Lehre und der Ansicht der Vorinstanzen ist zu folgen. Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1-4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt ( BGE 133 III 105 E. 2.1 S. 108; BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 622; VISCHER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 1 SchlT ZGB ). Eine Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB , welcher eine echte Rückwirkung vorsieht, ist eher selten gegeben. Es reicht nicht, dass die neue Norm imperativer Natur ist; der Ordre public und die Sittlichkeit erlauben eine rückwirkende Anwendung einzig dann, wenn die Norm zu den fundamentalen Prinzipien der aktuellen Rechtsordnung gehört, d.h. wenn sie grundlegende sozialpolitische und ethische Anschauungen verkörpert ( BGE 133 III 105 E. 2.1.3 S. 109; VISCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 2 SchlT ZGB ; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 2. Aufl. 2010, N. 525). Solches kann vorliegend aus mehreren Gründen nicht zur Debatte stehen. Zunächst hat das Obergericht zu Recht auf die oszillierende Gesetzgebung im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Verstärkung fremdenrechtlicher Ziele hingewiesen. So wurde der Ehenichtigkeitsgrund der sog. Bürgerrechtsehe gemäss aArt. 120 ZGB per 1. Januar 1992 aufgehoben (vgl. Ziff. II des Entwurfs zur Änderung des BüG, BBl 1987 III 342). Bei der grossen ZGB-Novelle vom 26. Juni 1998 (Personenrecht, Eheschliessung, Scheidung etc.), BGE 141 III 1 S. 5 welche am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist (AS 1999 1118 ff.), wurde die Einführung eines Ehenichtigkeitsgrundes im Zusammenhang mit der Umgehung der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbestimmungen als unnötig und die Vorschriften des seinerzeitigen ANAG als ausreichend erachtet (vgl. Botschaft vom 15. November 1995, BBl 1996 I 77 Ziff. 224.21). Dies änderte sich wiederum im Zuge des Erlasses des AuG, bei welcher Gelegenheit per 1. Januar 2008 mit Art. 105 Ziff. 4 ZGB ein Ehenichtigkeitsgrund im Zusammenhang mit der Scheinehe zur Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eingeführt wurde (AS 2007 5495). Dieser Umgehungstatbestand kann, wie die Vorinstanzen zutreffend festgehalten haben, nicht gleichgesetzt werden mit bi- bzw. polygamen Ehen oder mit Zwangsehen (vgl. nun auch Art. 105 Ziff. 5 ZGB ), welche mit den hiesigen Grundauffassungen über das Institut der Ehe unvereinbar sind und als Ordre public-widrig gelten (vgl. statt vieler: COURVOISIER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 20 ff. zu Art. 45 IPRG ). In der Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG wird die Scheinehe im Zusammenhang mit der Umgehung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften denn auch unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs abgehandelt; hingegen ist nirgends davon die Rede, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt werde (vgl. BBl 2002 3757 Ziff. 1.3.7.8). Ferner kann die Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Einzelfall auch ein blosser Nebenzweck einer zivilrechtlich durchaus gewollten Ehe sein. Ausschlaggebend für die Entscheidfindung ist jedoch, dass im vorliegend interessierenden Kontext nicht das durative Element des Ehebestandes (vgl. Art. 8 SchlT ZGB zum intertemporalen Recht betreffend Wirkungen der Ehe), sondern das punktuelle Element der Eheschliessung im Vordergrund steht. Bei den Ehenichtigkeitsgründen von Art. 105 Ziff. 1 und 2 ZGB zeigt sich dies direkt im Gesetzeswort. Dass auch beim Ehenichtigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB die Umstände im Zeitpunkt des Eheschlusses massgeblich sein müssen, geht aus der im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Änderung des ZGB (AS 1999 1118 ff.) erlassenen übergangsrechtlichen Norm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB hervor. Gemäss dieser Bestimmung können Ehen, für die nach dem früheren Recht ein Ungültigkeitsgrund vorlag, ab dem Inkrafttreten des neuen Rechts (d.h. ab dem 1. Januar 2000) nur noch nach den BGE 141 III 1 S. 6 neuen Bestimmungen für ungültig erklärt werden. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber vom Grundsatz gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausging, wonach ohne spezielle übergangsrechtliche Norm die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat. Diese Sichtweise geht auch aus der Botschaft zur betreffenden ZGB-Novelle hervor, wo festgehalten wurde, dass die Ungültigerklärung der Ehe den Umständen vor und bei der Eheschliessung Rechnung trage (vgl. BBl 1996 I 14 Ziff. 133). Diesen Grundsatz wollte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den per 1. Januar 2000 in Kraft gesetzten Änderungen des ZGB offensichtlich derogieren, indem mit der übergangsrechtlichen Spezialnorm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB nicht das im Zeitpunkt des Eheschlusses gültige, sondern das neue Recht als anwendbar erklärt wurde. Demgegenüber hat der Gesetzgeber acht Jahre später bei der im Zusammenhang mit dem Erlass des AuG erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB , der ebenfalls die Thematik der Eheungültigkeit betrifft, keine neue übergangsrechtliche Norm erlassen, weshalb es diesbezüglich beim Grundsatz der Nichtrückwirkung gemäss Art. 1 SchlT ZGB zu bleiben hat. Dies wird bekräftigt aufgrund eines weiteren Schlusses, welcher sich ebenfalls aus Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB ergibt. Aus dieser Norm geht nämlich hervor, dass im Zusammenhang mit der Novelle 1998 zwar das neue Recht anwendbar sein sollte, aber im Zeitpunkt des Eheschlusses ein Ungültigkeitsgrund bereits nach altem Recht (d.h. dem Recht vor dem 1. Januar 2000) vorgelegen haben musste. Diese sich allein schon aus der Rechtslogik ergebenden Grundsätze müssen auch im Zusammenhang mit der acht Jahre später erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB gelten. Zusammenfassend ergibt sich, dass nachträglich eingeführte Ungültigkeitsgründe - unter Vorbehalt einer vom Gesetzgeber bewusst angeordneten echten Rückwirkung - eine zu einem früheren Zeitpunkt zivilrechtlich gültig abgeschlossene Ehe nicht ungültig machen. Es bleibt somit einzig die Scheidung dieser Ehe, welche zufolge des entsprechenden Eventualbegehrens kantonal nach wie vor hängig ist.
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Sachverhalt ab Seite 289 BGE 131 III 289 S. 289 A.S. und R.S. heirateten am 20. Januar 1983 in Basel. Sie wurden die Eltern der beiden Kinder B., geboren 1983, und T., geboren 1992. Der eheliche Wohnsitz befand sich vorerst in der Schweiz und ab 1989 bis zur Trennung der Ehegatten im Jahre 1998 in Frankreich. Am 28. November 2000 sprach das Tribunal de Grande Instance de Mulhouse die Scheidung der Ehegatten S. aus, regelte die Kinderbelange und legte die Unterhaltsbeiträge fest. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft. In der Folge nahm A.S. Wohnsitz in Basel. Hier erhob sie am 27. März 2002 beim Zivilgericht Klage auf Nichtanerkennung bzw. auf Abänderung des französischen Scheidungsurteils. Im Verlaufe des Verfahrens einigten sich die Parteien über das Sorgerecht für die Tochter T. und über die BGE 131 III 289 S. 290 Unterhaltsbeiträge an die beiden Kinder, wobei A.S. für sich auf einen nachehelichen Unterhaltsbeitrag verzichtete. Das Zivilgericht trat mit Urteil vom 15. August 2002 auf die Klage nicht ein, soweit A.S. eine Teilung der von R.S. erworbenen Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge verlangt hatte. Dagegen gelangte A.S. an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Die Referentin ordnete von Amtes wegen den Beizug von Unterlagen des Scheidungsverfahrens an, aus welchen sich die Begründung der unter dem Titel "prestation compensatoire" von A.S. geforderten Leistung ergeben sollte, welchem Begehren das Tribunal de Grande Instance de Mulhouse sowie die Anwältin von A.S. in Frankreich keine Folge leisteten. Das Appellationsgericht hiess die Klage am 17. März 2004 gut und wies die Pensionskasse Petroplus an, die Hälfte der während der Dauer der Ehe der Parteien vom 20. Januar 1983 bis 4. Juli 2001 geäufneten Austrittsleistung von R.S. von Fr. 233'492.92 auf das Freizügigkeitskonto von A.S. bei der Credit Suisse Freizügigkeitsstiftung 2. Säule zu überweisen. R.S. ist mit Berufung an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.3 Die Begehren auf Ergänzung bzw. Abänderung eines Scheidungsurteils betreffen in der Regel die Nebenfolgen der Scheidung und werden in einem dem Scheidungsverfahren nachfolgenden und selbständigen Nachverfahren geprüft (VOLKEN, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 5-7 zu Art. 64 IPRG ). Mit ihrem (noch strittigen) Antrag verlangt die Berufungsbeklagte die Teilung der vom Berufungskläger während der Ehe bei seiner Pensionskasse geäufneten Austrittsleistung. Dabei handelt es sich um eine Nebenfolge der in Frankreich ausgesprochenen Scheidung, die vom schweizerischen Scheidungsrichter in einem Ergänzungsverfahren beurteilt werden kann (Urteil 5C.173/2001 vom 19. Oktober 2001, E.3, Zusammenfassung in: FamPra.ch 2002 S. 166). Hingegen ist der Sozialversicherungsrichter in einem solchen Fall nicht zuständig (Urteil B 45/00 vom 2. Februar 2002, E. 2.2, Zusammenfassung in: SZS 2004 S. 464). BGE 131 III 289 S. 291 2.4 Ausgehend von der schweizerischen Zuständigkeit stellt sich damit als nächste Frage, nach welchem Recht der Richter die Anträge der Berufungsbeklagten auf Ergänzung des französischen Scheidungsurteils zu beurteilen hat. Die Nebenfolgen der Scheidung unterstehen gemäss Art. 63 Abs. 2 IPRG , abgesehen von einer Reihe abschliessend normierter Sonderanknüpfungen, dem auf die Scheidung anzuwendenden Recht (Scheidungsstatut). Dies ist gemäss Art. 64 Abs. 2 IPRG auch für die Ergänzung (und die Abänderung) eines Scheidungsurteils der Fall. Die Teilung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge lässt sich weder unter die unterhaltsrechtliche noch unter die güterrechtliche Sonderanknüpfung einreihen (BOPP/GROLIMUND, Schweizerischer Vorsorgeausgleich bei ausländischen Scheidungsurteilen, FamPra.ch 2003 S. 513/514; JAMETTI GREINER, in: Praxis Kommentar Scheidungsrecht, Anh. IPR, N. 51; CANDRIAN, Scheidung und Trennung im internationalen Privatrecht der Schweiz, Diss. St. Gallen 1994, S. 148/149; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, N. 1 Vorb. zu Art. 122-124/141-142 ZGB; GEISER, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, 1999, S. 67, Rz. 2.26). Damit kommt in einem solchen Fall grundsätzlich das Scheidungsstatut zum Tragen. Daran ändert sich durch den Umstand, dass der Gesetzgeber zuerst das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht erlassen und dann erst in Art. 122 ff. ZGB die Frage des Versorgungsausgleichs geregelt hat, nichts. Den Regelungen in Art. 63 Abs. 2 IPRG bzw. Art. 64 Abs. 2 IPRG kommt der Charakter eines Auffangtatbestandes zu, der alle Nebenfolgen erfasst, die nicht eigens geregelt sind. Damit ist auch keine Lücke im Gesetz auszumachen (SUTTER-SOMM, Aktuelle Verfahrensfragen im neuen Scheidungsrecht bei internationalen Verhältnissen, insbesondere bei der beruflichen Vorsorge, in: Aktuelle Probleme des nationalen und internationalen Zivilprozessrechts, 2000, S. 94; JAMETTI GREINER, a.a.O., Anh. IPR, N. 52; VOLKEN, a.a.O., N. 32 zu Art. 64 IPRG ; BOPP/GROLIMUND, a.a.O., S. 517/518; SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 23 Vorb. zu Art. 122-124/141-142 ZGB; Die Teilung von Vorsorgeguthaben in der Schweiz im Zusammenhang mit ausländischen Scheidungsurteilen, Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz, ZBJV 137/2001 S. 494 Ziff. 3; a.M. GEISER, a.a.O., Rz. 2.26). 2.5 In der Lehre wird verschiedentlich vorgebracht, dass der Vorsorgeausgleich nur durch die Anwendung des Vorsorgestatuts BGE 131 III 289 S. 292 sachgerecht vorgenommen werden könne (VOLKEN, a.a.O., N. 35 zu Art. 64 IPRG mit Hinweisen; CANDRIAN, a.a.O., S. 149; GEISER, a.a.O., Rz. 2.26, S. 68). Dabei wird teilweise übersehen, dass der Gesetzgeber dem Richter, der das Scheidungsstatut anzuwenden hat, mit Art. 15 IPRG eine Ausnahmeklausel zur Verfügung stellt. Sie erlaubt ihm, ausnahmsweise das Recht, auf welches eine Kollisionsnorm verweist, nicht anzuwenden, wenn nach den gesamten Umständen offensichtlich ist, dass der Sachverhalt mit diesem Recht in nur geringem, mit einem andern Recht jedoch in viel engerem Zusammenhang steht. Die Anwendung der Ausnahmeklausel erfolgt von Amtes wegen und ohne Einräumung eines richterlichen Ermessens. Sie soll nach der Rechtsprechung restriktiv erfolgen. Zudem darf die Ausnahmeklausel nicht dazu dienen, einem materiellrechtlich unerwünschten Ergebnis auszuweichen (KELLER/GIRSBERGER, Zürcher Kommentar zum IPRG, N. 6 ff., N. 90, N. 110 zu Art. 15 IPRG ). Gerade so komplexe Materien wie der Vorsorgeausgleich sollten bei internationalen Verhältnissen nicht von vornherein dem Vorsorgestatut unterstellt werden. Hingegen erlaubt die grundsätzliche Zuordnung dieser Frage unter das Scheidungsstatut und die anschliessende Prüfung der Ausnahmeklausel festzustellen, mit welchem Recht ein Sachverhalt in einem geringem bzw. einem engeren Zusammenhang steht. Diese differenzierte Lösung wird denn auch von der Lehre grösstenteils unterstützt (BOPP/GROLIMUND, a.a.O., S. 518; SUTTER-SOMM, a.a.O., S. 98; SCHWANDER, Die Anwendung des neuen Scheidungsrechts in internationaler und intertemporaler Hinsicht, AJP 1999 S.1651). 2.6 Gemäss Art. 15 Abs. 2 IPRG ist die Ausnahmeklausel nicht anwendbar, wenn eine Rechtswahl vorliegt. Nach dem Willen des Gesetzgebers geht die Parteiautonomie dem engen Zusammenhang vor (KELLER/GIRSBERGER, a.a.O., N. 51 zu Art. 15 IPRG ). Der Berufungskläger bringt vor, durch die Einreichung der Scheidungsklage in Frankreich habe die Berufungsbeklagte eine Rechtswahl getroffen. Ob eine Partei im Scheidungsverfahren überhaupt ohne Einverständnis der andern eine Rechtswahl treffen kann, scheint mehr als fraglich. Auf jeden Fall hat eine Rechtswahl immer eindeutig zu erfolgen (KELLER/KREN-KOSTKIEWICZ, Zürcher Kommentar zum IPRG, N. 48 zu Art. 116 IPRG ). Allein aus der Klageeinreichung in einem bestimmten Land darf so wenig auf eine Rechtswahl geschlossen werden wie aus dem blossen Abschluss einer BGE 131 III 289 S. 293 Gerichtsstandsvereinbarung (KELLER/KREN-KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 55 zu Art. 116 IPRG ). Da die Vorinstanz trotz entsprechenden Anstrengungen keine Angaben zum Scheidungsverfahren in Frankreich beibringen konnte, sind auch allfällige Anhaltspunkte für eine Rechtswahl, insbesondere zum Verhalten der beiden Parteien im Prozess, nicht auszumachen. Damit besteht vorliegend kein Anlass, auf die Vornahme einer Rechtswahl zu schliessen. 2.7 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz sind beide Parteien Schweizer Bürger. Sie heirateten im Jahre 1983 und wohnten vorerst in der Schweiz. Erst im Jahre 1989 zogen sie nach Frankreich. Der Ehemann arbeitete weiterhin in der Schweiz und war hier seit 1980 einer schweizerischen Vorsorgeeinrichtung angeschlossen. Die Berufungsbeklagte betreute die beiden Kinder und besorgte den Haushalt. Sie war während der Ehe nicht erwerbstätig und konnte demzufolge keine Altersvorsorge aufbauen. Die Vorinstanz kam gestützt auf diesen Sachverhalt zum Ergebnis, dass das Pensionskassenguthaben des Berufungsklägers in der Schweiz für die Parteien vorsorgeprägend war, weshalb die Voraussetzungen von Art. 15 IPRG erfüllt und die Regelung des Vorsorgeausgleichs nach Schweizer Recht vorzunehmen sei. Angesichts der langen Ehedauer der Parteien von 18 Jahren, der langjährigen Tätigkeit des Berufungsklägers in der Schweiz samt dem damit verbundenen obligatorischen Anschluss an eine Vorsorgeeinrichtung in der Schweiz und dem Fehlen zusätzlicher Vorsorge durch eine freiwillige Versicherung oder durch massgebliche Vermögensbildung ist das Pensionskassenguthaben des Berufungsklägers zweifellos für ihn und seine Familie vorsorgeprägend. Dass die Parteien mehrere Jahre in Frankreich gewohnt haben, genügt demgegenüber noch nicht, für den Entscheid über die Teilung der Austrittsleistung einen Zusammenhang zum französischen Recht herzustellen. Den Schlussfolgerung der Vorinstanz kann daher ohne Weiteres beigepflichtet werden (vgl. auch das Beispiel bei BOPP/GROLIMUND, a.a.O., S. 518). Der Berufungskläger bringt demgegenüber vor, dass die Teilung der Austrittsleistung erst ab 1. Januar 2000 gelte und während der Dauer der intakten Ehe kaum Erwartungen auf eine Beteiligung des nichtverdienenden Ehegatten am Altersguthaben des andern bestünden. Damit übergeht er jedoch, dass mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes am 1. Januar 1995 bereits im Rahmen von Art. 151 Abs. 1 und Art. 152 aZGB unter gewissen BGE 131 III 289 S. 294 Voraussetzungen eine Teilung der Austrittsleistung möglich war (SUTTER/FREIBURGHAUS, N. 3 Vorb. zu Art. 122-124/141-142 ZGB). Entscheidend ist jedoch, dass der Anschluss an eine Pensionskasse unabhängig von einer allfälligen Scheidung vorsorgeprägend sein kann. Daraus folgt nicht nur die Austrittsleistung nach Art. 22 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG; SR 831.42), welche im Scheidungsfall gemäss Art. 122 ZGB zu teilen ist. Dem Berufungskläger steht im Erlebensfall die Altersleistung nach Art. 13 f. des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) zu, an welcher die Berufungsbeklagte ohne Scheidung wirtschaftlich teilhaben würde. Zudem steht ihr allenfalls eines Tages noch ein Anspruch auf eine Witwenrente nach Art. 19 Abs. 1 lit. b BVG zu. Die seit 1. Januar 1985 geltende obligatorische berufliche Altersvorsorge erweist sich damit bezüglich ihrer Leistungen als umfassender, als der Berufungskläger dies sieht. Die nunmehr strittige Austrittsleistung stellt nur einen Ausschnitt daraus dar. 2.8 Damit bleibt zu prüfen, ob das Scheidungsurteil des Tribunal de Grande Instance de Mulhouse vom 28. November 2000 ergänzt werden muss. Eine ausdrückliche Regelung bezüglich der bei der schweizerischen Vorsorgestiftung liegenden Gelder findet sich darin nicht. Das Gericht hat hingegen den von der Berufungsbeklagten in der Höhe von FF 480'000.- geltend gemachten Anspruch auf eine "prestation compensatoire" nach Art. 270 ff. CCfr. abgewiesen. Da es der Vorinstanz trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, die Scheidungsakten in Frankreich zu edieren oder wenigstens von der seinerzeitigen Anwältin der Berufungsbeklagten Näheres über den genannten Anspruch zu erfahren, bleibt letztlich offen, auf welcher Grundlage dieser vor dem französischen Gericht geltend gemacht und wie er im Einzelnen begründet worden ist. Dem Urteil lässt sich lediglich entnehmen, dass die Scheidung der Parteien aufgrund des ausschliesslichen Verschuldens der Berufungsbeklagten ausgesprochen worden ist. In einem solchen Fall bestehe gemäss Art. 280 Abs. 1 CCfr. kein Anspruch auf eine "prestation compensatoire". Ausnahmsweise werde eine solche angesichts der Dauer des Zusammenlebens der Ehegatten und des Beitrages des einen an die berufliche Tätigkeit des andern gewährt, um offensichtliche Härten zu vermeiden. Die BGE 131 III 289 S. 295 Berufungsbeklagte habe diese Voraussetzungen vorliegend nicht bewiesen. In allgemeiner Weise kann gesagt werden, dass die Ausrichtung einer "prestation compensatoire" die Ungleichheiten beseitigen soll, welche die Auflösung der Ehe in den jeweiligen Lebensbedingungen der Ehegatten schafft. Ihr kommt sowohl entschädigungsrechtlicher wie unterhaltsrechtlicher Charakter zu. In der Regel wird sie unabhängig von einem Verschulden festgelegt (CANDRIAN, a.a.O., S. 206, S. 214 mit Hinweisen). Diese Hinweise und die Ausführungen im Urteil zeigen immerhin bereits, dass es sich bei der "prestation compensatoire" um einen Anspruch handelt, der nach den Regeln der Billigkeit scheidungsbedingte Härten jeder Art und Weise beim betroffenen Ehegatten ausgleichen soll. Das schweizerische System des Vorsorgeausgleichs hingegen ist - anders als die französische "prestation compensatoire" - nicht in Anlehnung an unterhaltsrechtliche Gesichtspunkte konzipiert worden (SUTTER-SOMM, a.a.O., S. 93 mit Hinweisen). Es geht bei der auf Grund von Art. 122 ZGB zu teilenden Austrittsleistung ausschliesslich um die güterstands- und verschuldensunabhängige Teilhabe des einen Ehegatten an der Vorsorge des andern. Ein Teil der wirtschaftlichen Folgen der Scheidung, nämlich die Versorgungslücke des nicht oder nur teilweise erwerbstätigen Ehegatten, soll damit vermindert werden (SUTTER/FREIBURGHAUS, N. 10 Vorb. Art. 122-124/141-142 ZGB). Entsteht indes die Versorgungslücke erst nach der Scheidung, etwa weil sich die berufliche Eingliederung eines Ehegatten nicht bewerkstelligen lässt, so ist diesem Umstand bei der Festlegung des Unterhaltsbeitrages Rechnung zu tragen ( Art. 125 Abs. 2 Ziff. 8 ZGB ). Im Gegensatz zur "prestation compensatoire" entsteht bei der Teilung der Austrittsleistung kein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages. Die Austrittsleistung wird nach Art. 22 Abs. 2 FZG berechnet und an die Vorsorgeeinrichtung des berechtigten Ehegatten, allenfalls an eine Freizügigkeitseinrichtung oder schliesslich an eine Auffangeinrichtung überwiesen. Nur in Ausnahmefällen kann der Versicherte von seiner Versicherung die Barauszahlung verlangen ( Art. 3 ff. FZG ). 2.9 Die Gegenüberstellung der beiden Rechtsinstitute der "prestation compensatoire" nach französischem Recht und der Teilung der Austrittsleistung nach schweizerischem Recht zeigt BGE 131 III 289 S. 296 hinsichtlich der rechtspolitischen Zielsetzung, der Berechtigung des Ansprechers und der Ausgestaltung im Einzelnen wesentliche Unterschiede. Überdies fehlen im konkreten Fall nicht nur nähere Angaben, weshalb die Berufungsbeklagte mit ihrem Antrag auf Zusprechung einer "prestation compensatoire" in Frankreich nicht durchgedrungen ist. Dem französischen Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Frage eines Vorsorgeausgleichs überhaupt Gegenstand des Verfahrens gebildet hatte. Damit erweist sich dieses hinsichtlich der strittigen Teilung der Austrittsleistung als ergänzungsbedürftig. 2.10 Die Vorinstanz hat in Anwendung von Art. 122 ZGB die während der Dauer der Ehe vom Berufungskläger geäufnete Austrittsleistung halbiert und die der Berufungsbeklagten auf ihr Freizügigkeitskonto zu überweisende Leistung festgelegt. Dagegen sind - wie bereits im kantonalen Verfahren - keine Einwendungen seitens des Berufungsklägers erfolgt. Im angefochtenen Urteil finden sich denn auch keine Anhaltspunkte, dass die Berufungsbeklagte auf ihren Anspruch nach Art. 122 ZGB verzichtet hätte. Ebenso wenig besteht Anlass zur Annahme, dass im vorliegenden Fall die Teilung der Austrittsleistung angesichts der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung als offensichtlich unbillig zu qualifizieren wäre ( Art. 123 ZGB ). Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch in diesem Punkt als bundesrechtskonform.
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 106 V 129 S. 129 A.- Melchior Schwitter ist als kantonaler Beamter tätig. Mit Verfügungen vom 11. Januar 1979 unterstellte ihn die Ausgleichskasse für die Jahre 1975 und 1976 der Beitragspflicht aus selbständiger Erwerbstätigkeit bei einem massgebenden Jahreseinkommen von Fr. 5'700.--. Sie stützte sich dabei auf eine Meldung der Steuerbehörde vom 28. April 1978, wonach Melchior Schwitter für Eigenarbeiten an seinem Ferienhaus für 1975 und 1976 mit einem Jahreseinkommen von Fr. 5'750.-- eingeschätzt worden ist. B.- Die Rekurskommission des Kantons Glarus für die AHV hiess eine hiegegen erhobene Beschwerde im wesentlichen mit der Feststellung gut, dass Melchior Schwitter nicht Selbständigerwerbender sei und dass der Begriff der Erwerbstätigkeit im vorliegenden Fall nicht erfüllt sei (Entscheid vom 21. Mai 1979). BGE 106 V 129 S. 130 C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung der Kassenverfügungen vom 11. Januar 1979. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung wird geltend gemacht, Melchior Schwitter sei beim Bau seines Ferienhauses in einem Masse tätig gewesen, dass der Wert der aufgewendeten Arbeit als Erwerbseinkommen zu betrachten sei. Unerheblich sei, dass die Arbeit nicht in Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehe, solange sie eine wirtschaftlich erhebliche Tragweite habe und der Schaffung von Privatvermögen diene. Ohne Belang sei auch, ob das Haus für den Eigengebrauch oder für den Verkauf bestimmt sei. Melchior Schwitter bringt hiegegen vor, praxisgemäss liege Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nur vor, wenn die Arbeitsleistung in Zusammenhang mit der üblichen Erwerbstätigkeit stehe. Mit den streitigen Eigenleistungen habe er weder ein Einkommen erzielt noch sei sein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit hievon berührt worden. Zudem habe sich die Arbeit nicht nur auf die Jahre 1975 und 1976, sondern auf einen Zeitraum von vier Jahren erstreckt. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 23 Abs. 4 AHVV sind die Angaben der kantonalen Steuerbehörden über das für die Beitragsberechnung massgebende Erwerbseinkommen Selbständigerwerbender für die Ausgleichskassen verbindlich. Von rechtskräftigen Steuertaxationen darf nur abgewichen werden, wenn diese klar ausgewiesene Irrtümer enthalten, die ohne weiteres richtiggestellt werden können, oder wenn sachliche Umstände gewürdigt werden müssen, die steuerrechtlich belanglos, sozialversicherungsrechtlich aber bedeutsam sind. Demgegenüber sind die Ausgleichskassen bei der Beurteilung der Frage, ob überhaupt Erwerbseinkommen und gegebenenfalls solches aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht an die Meldungen der kantonalen Steuerbehörden gebunden. Allerdings sollen sie sich bei der Qualifikation des Erwerbseinkommens in der Regel auf die Steuermeldungen verlassen und eigene Abklärungen nur vornehmen, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Steuermeldung ergeben ( BGE 102 V 30 Erw. 3). BGE 106 V 129 S. 131 2. Art. 21 WStB unterstellt Eigenleistungen insbesondere beim Bau von Häusern nicht ausdrücklich der Steuerpflicht. Praxisgemäss fallen als steuerbares Einkommen aber auch Arbeitsleistungen in Betracht, die der Steuerpflichtige für sich selbst oder ohne Entgelt für Angehörige erbringt (ASA 38 S. 375; KÄNZIG, Wehrsteuer, Ergänzungsband, N 15 zu Art. 21 WStB). Nach MASSHARDT (Wehrsteuerkommentar, N 12 zu Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB) stellt die blosse Einsparung von Auslagen durch Verrichtung von Arbeiten und Diensten, die ordentlicherweise einem Dritten zur Ausführung übergeben werden, noch kein Einkommen dar. Eigenleistungen sind hingegen dann als steuerbares Einkommen zu erfassen, wenn dadurch realisierbare Werte oder Mehrwerte entstehen. Sind diese Werte für den Eigenbedarf bestimmt, so werden sie in dem Zeitpunkt zur Besteuerung herangezogen, in dem sie erbracht bzw. hergestellt werden; sind sie für den Verkauf bestimmt, so wird das steuerbare Einkommen erst im Zeitpunkt der Veräusserung erzielt (ASA 47 S. 418). Eine einheitliche Steuerpraxis, wonach Eigenleistungen beim Bau eines Wohnhauses, welches zum Privatvermögen gehört, der Einkommenssteuer unterliegen, besteht indessen nicht. Die Steuerpflicht wird zum Teil davon abhängig gemacht, dass die durch die Eigenleistungen geschaffenen Werte oder Mehrwerte realisiert werden. Begründet wird dies namentlich damit, dass der für die Annahme steuerbaren Vermögens massgebende Wertzufluss erst mit der Veräusserung der Liegenschaft erfolgt, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige hiefür mehr erhält, als die Anlagekosten ausmachen (vgl. ZBl 1971 S. 26, 1970 S. 352). 3. a) Zum Erwerbseinkommen gemäss Art. 4 AHVG und Art. 6 Abs. 1 AHVV gehören jene Einkünfte, die einem Versicherten aus einer Tätigkeit zufliessen und dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen ( BGE 98 V 189 , BGE 97 V 28 ). Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden hat, gehört zum Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit auch der Wert eigener Arbeitsleistung, die bei der Schaffung von Privatvermögen, insbesondere beim Bau eines Hauses erbracht wird (ZAK 1969 S. 734; nicht veröffentlichte Urteile vom 23. Mai 1953 i.S. Eberhard und vom 16. September 1975 i.S. Baumann). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob dies auch dann zu gelten hat, wenn es sich nicht um Eigenleistungen handelt, welche der Beitragspflichtige im Rahmen seines Betriebes BGE 106 V 129 S. 132 für sich persönlich erbringt oder welche jedenfalls mit seiner Berufstätigkeit in Zusammenhang stehen. b) In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass Eigenleistungen beim Bau eines Wohnhauses durch Unselbständigerwerbende, die nicht im Baugewerbe oder einem diesem verwandten Beruf tätig sind, sich meist in bescheidenem Rahmen halten. Sie werden steuerlich in der Regel nur erfasst, wenn sie vom Steuerpflichtigen ausdrücklich als Einkommen deklariert werden, was die Ausnahme darstellen dürfte. Da zudem unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich der Steuerpflicht bestehen, ist eine rechtsgleiche Behandlung der Steuer- und damit auch der Beitragspflichtigen nicht gewährleistet. In beitragsrechtlicher Hinsicht kommt dazu, dass der Einkommensbegriff des AHV-Rechts enger ist als derjenige des Wehrsteuerrechts. Er umfasst lediglich Einkünfte, welche dem Versicherten aus einer erwerblichen Tätigkeit zufliessen. An einem solchen Zufluss fehlt es bei ausschliesslich zu privaten Zwecken erbrachten Eigenleistungen, die sich in der Einsparung von Auslagen durch Verrichtung von Arbeiten, die Ordentlicherweise Dritten zur Ausführung übergeben werden, erschöpfen. Arbeitsleistungen, die der Geschäftsinhaber im Betrieb für sich selber erbringt, führen zwar ebenfalls zu keinem Einkommenszufluss; sie erfolgen jedoch im Rahmen der ordentlichen Erwerbstätigkeit und sind häufig mit einer Schmälerung des Geschäftserfolges verbunden, weshalb sich eine Beitragsbefreiung nicht rechtfertigen liesse. Demgegenüber handeln Private, deren Eigenleistung nicht in Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit steht, nicht als Erwerbstätige, falls eine Realisation der mit den Eigenleistungen geschaffenen Werte oder Mehrwerte nicht vorgesehen ist. Aus den genannten Gründen gelangt das Gericht zum Schluss, dass Eigenleistungen, die nicht in Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Beitragspflichtigen stehen und zu privaten Zwecken erfolgen, nicht zum beitragspflichtigen Erwerbseinkommen gehören. Vorbehalten bleiben Fälle, in welchen die Erbringung von Eigenleistungen zur Haupttätigkeit wird, was namentlich dann zutrifft, wenn der Beitragspflichtige ein bestehendes Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Eigenleistungen auflöst oder sich für längere Zeit beurlauben lässt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. Mai 1953 i.S. Eberhard). BGE 106 V 129 S. 133 Offen bleibt im übrigen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Beitragspflicht im Falle einer späteren Realisation der zu privaten Zwecken geschaffenen Werte oder Mehrwerte zu bejahen wäre. 4. Der Beschwerdegegner ist als kantonaler Beamter tätig. Er hat die Eigenleistungen an seinem Ferienhaus in der Freizeit und den Ferien erbracht, und es spricht nichts dafür, dass er die dadurch geschaffenen Werte zu realisieren beabsichtigt. Die Eigenleistung fällt damit nicht unter die Beitragspflicht aus (nebenberuflicher) selbständiger Erwerbstätigkeit, woran auch die Steuermeldung vom 28. April 1978 nichts zu ändern vermag. Weil es im vorliegenden Fall um die Frage geht, ob es sich hinsichtlich der streitigen Eigenleistungen überhaupt um Einkommen handelt, sind die AHV-Organe nach dem eingangs Gesagten an die Steuermeldung nicht gebunden. Der Steuermeldung kann umso weniger ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, als es an einer einheitlichen Steuerpraxis zum fraglichen Sachverhalt fehlt.
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Sachverhalt ab Seite 564 BGE 130 III 563 S. 564 A. Die Erben des G.X., R.X. und H.X. (Kläger), vermieteten der Garage A. AG (Beklagte) Räumlichkeiten im Erdgeschoss, im Keller und in der Hofunterkellerung der Liegenschaften B.strasse in Zürich zur Benützung als Autogarage, Autoreparaturwerkstätte, Auto-Einstellhalle und Büro. Das Mietverhältnis geht auf einen zwischen G.X. und der Rechtsvorgängerin der Beklagten per 1. Januar 1978 abgeschlossenen Mietvertrag zurück. Am 22. Juni 1999 verlangte die Beklagte eine Mietzinsherabsetzung, die sie mit dem gesunkenen Hypothekarzinsfuss begründete. Die Kläger entsprachen diesem Begehren per 1. April 2000. Am 25. Februar 1999 orientierten die Kläger die Beklagte über eine anstehende Renovation an der Liegenschaft B.strasse. Die der Beklagten dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten und die deswegen von der Beklagten geltend gemachten Schadenersatzansprüche wurden in der Folge verschiedentlich mündlich und schriftlich thematisiert. Im Februar 2000 BGE 130 III 563 S. 565 übermittelte die Beklagte den Klägern eine Liste sämtlicher umbaubedingter Störungen vom 26. Oktober 1999 bis zum 18. Februar 2000. Am 9. März 2000 trafen sich die Parteien zu einer Besprechung, über welche R.X. ein Protokoll erstellte. Danach vereinbarten die Parteien, dass die Kläger der Beklagten für die verschiedenen renovationsbedingten Störungen, Blockaden, Ausfälle und Umtriebe insgesamt Fr. 2'150.- bezahlen würde. Ausserdem kamen sie überein, dass die Beklagte die Reparatur der Schäden des Sturms Lothar in Auftrag geben würde und dass sie anschliessend die Entschädigung der Gebäudeversicherung im Betrag von maximal Fr. 10'500.- erhalten werde. Der Betrag von Fr. 2'150.- wurde am 11. April 2000 beglichen. Wegen weiterer Betriebsbeeinträchtigungen aufgrund der Umbauten in der Zeit nach dem 9. März 2000 wurden im August 2000 im Einverständnis mit den Klägern Fr. 2'500.- von den Mietzinsen und Nebenkosten in Abzug gebracht. B. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit amtlichem Formular vom 26. Oktober 2001 auf den 30. September 2002 wegen Nutzungsänderung im Rahmen geänderter Vermietungsstruktur. Hierauf stellte die Beklagte am 21. November 2001 der Schlichtungsbehörde den Antrag, die Kündigung für ungültig zu erklären, dem die Schlichtungsbehörde mit Beschluss vom 8. Februar 2002 entsprach. Das Eventualbegehren der Beklagten um eine längst mögliche Erstreckung des Mietverhältnisses wurde damit gegenstandslos. Das Mietgericht des Bezirks Zürich erklärte jedoch am 9. Oktober 2003 in Gutheissung der Klage die Kündigung vom 26. Oktober 2001 auf den 30. September 2002 für gültig, und es erstreckte das Mietverhältnis erstmals bis und mit 30. September 2004. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, wies die hiegegen erhobene Berufung der Beklagten ab und bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts mit Beschluss vom 19. Februar 2004. C. Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, in Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses die Kündigung für ungültig zu erklären. Die Kläger schliessen auf kostenfällige Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Wie im kantonalen Verfahren ist vor Bundesgericht einzig streitig, ob die Kündigung innerhalb einer dreijährigen Sperrfrist gemäss BGE 130 III 563 S. 566 Art. 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 OR erfolgte, weil der Mieter durch Schriftstücke nachwies, dass er sich ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens mit dem Vermieter über eine Forderung aus dem Mietverhältnis einigte ( Art. 271a Abs. 2 OR ). Die Beklagte will in erster Linie eine Änderung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichts über die Auslegung der genannten Bestimmungen bewirken. Als Eventualstandpunkt bringt sie vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht erkannt, eine Einigung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung habe nicht stattgefunden. Diese Rügen sind nachstehend zu behandeln. 2. 2.1 Als Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich auf die herrschende Lehre stützt, nur eine einvernehmliche Streitbeilegung, mittels der eine unter den Parteien kontroverse Rechtsfrage abschliessend geklärt wird. Das ergibt sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang der Norm, welche an Art. 271a Abs. 1 lit. e OR anknüpft. Diese Bestimmung soll dem Mieter während drei Jahren seit Abschluss eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens Schutz vor einer Rachekündigung seitens des Vermieters gewähren. Ein solches Verfahren setzt notwendigerweise voraus, dass unter den Parteien über Forderungen aus dem Mietverhältnis Uneinigkeit herrschte. Da Art. 271a Abs. 2 OR darauf zielt, dem Mieter denselben Schutz auch ohne Anhebung eines behördlichen Verfahrens zu gewähren, ist auch diese Norm nur unter der Voraussetzung anwendbar, dass zwischen den Parteien vorgängig Differenzen bestanden haben. Für diese Auffassung sprechen ferner die Materialien, war doch bei den Beratungen im Parlament stets von Differenzen, Meinungsverschiedenheiten bzw. Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter die Rede (Voten Koller, AB 1989 S 430 und 683, AB 1989 N 1879; Votum Bührer, AB 1989 S 430). Nicht von Art. 271a Abs. 2 OR erfasst werden daher Fälle, in denen es gar nicht erst zu einer Auseinandersetzung kommt, weil die eine oder andere Partei dem Begehren des Vertragspartners sogleich entspricht, z.B. wenn der Vermieter seine Forderung auf erstmalige Bestreitung durch den Mieter hin fallen lässt oder umgekehrt einer Forderung seines Mieters umgehend nachkommt. In welchem Masse der Vermieter nachgibt, ist dabei - abgesehen von eigentlichen Bagatellfällen, die keine Sperrfrist auszulösen vermögen (Urteil des Bundesgerichts 4C.266/1993 vom 5. Januar 1994, E. 4a, publ. in: mp 1995 S. 227 f.) - ebenso BGE 130 III 563 S. 567 wenig ausschlaggebend wie im Falle von Art. 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 OR. Sieht der Mieter seine Anliegen durch die erste Reaktion des Vermieters bereits hinreichend berücksichtigt, kann von der Beilegung eines Streites offensichtlich nicht die Rede sein. Die Auslösung einer dreijährigen Kündigungssperrfrist erscheint in solchen Fällen daher nicht gerechtfertigt (Urteile des Bundesgerichts 4C.179/1999 vom 24. August 1999, E. 3b, publ. in: Pra 89/2000 Nr. 29 S. 172 f., 4C.400/1998 vom 23. März 1999, E. 3, publ. in: mp 1999 S. 196, und 4C.266/1993 vom 5. Januar 1994, E. 4a, publ. in: mp 1995 S. 227 f., mit Hinweisen auch auf die abweichenden Meinungen von ANITA THANEI, Ausgewählte Entscheide zum Kündigungsschutz, Fachreihe Mietrecht Nr. 4, Zürich 1996, S. 39 f., und CHRISTIAN CALAMO, Die missbräuchliche Kündigung der Miete von Wohnräumen, Diss. St. Gallen 1993, S. 262). 2.2 Diese Rechtsprechung ist in der Lehre auf Zustimmung, jedenfalls, soweit ersichtlich, nicht auf Kritik gestossen (TISSOT, in: Droit du bail 8/1996 S. 35; FUTTERLIEB, in: MietRecht Aktuell 1999 S. 202; WEBER, Basler Kommentar, N. 27 zu Art. 271/271a OR; LACHAT, Commentaire romand, N. 17 f. zu Art. 271a OR ; GUHL/KOLLER/ SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 44, Rz. 186; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 7. Aufl., Bern 2003, S. 240; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 2473; SOMMER, in: MietRecht Aktuell 1995 S. 42 f., je mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung der Beklagten erwähnen auch LACHAT/STOLL/BRUNNER, dass bei einer Einigung ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens gleich wie bei einem gerichtlichen Vergleich ein gewisses gegenseitiges Nachgeben notwendig ist (Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl., Zürich 1999, S. 548). Zwar führen sie in einer Fussnote dazu aus, nach dem Wortlaut des Gesetzes finde Art. 271a Abs. 2 OR Anwendung, wenn die Vermieterschaft ein schriftlich gestelltes Herabsetzungsgesuch der Mieterschaft akzeptiere (a.a.O., S. 548, Fn. 176). Weshalb aber ein derartiger Vorgang mit sofortiger Zustimmung des Vermieters bereits eine "Einigung" bedeuten soll, legen sie nicht dar und ist nicht ersichtlich. Für eine Neubeurteilung des Wortsinns in Abweichung vom Bundesgerichtsurteil 4C.179/1999 vom 24. August 1999, E. 3b besteht unter diesem Gesichtswinkel kein Anlass. 2.3 Auch in der Sache dringt die mit der Berufung gegen die angeführte Rechtsprechung erhobene Kritik der Beklagten nicht durch. BGE 130 III 563 S. 568 Soweit die Beklagte geltend macht, das Erfordernis des gegenseitigen Nachgebens finde weder im Gesetzeswortlaut noch in den Materialien eine Stütze, übergeht sie die Erwägungen in den von ihr beanstandeten Urteilen, die, wie oben dargestellt (E. 2.1 hiervor), eben diese Fragen abhandeln. Es kann darauf verwiesen werden. Ferner verkennt die Beklagte die ratio legis von Art. 271a OR , indem sie sich sinngemäss darauf beruft, die Kündigungssperre habe Platz zu greifen, wenn der Vermieter nicht von sich aus die an sich angebrachte Mietzinsherabsetzung vornimmt. Die gesetzliche Regelung bezweckt nämlich nicht, dem Mieter die Geltendmachung seiner Rechte abzunehmen, sondern bloss, ihn davor zu bewahren, dass ihm vermieterseits rechtsmissbräuchlich gekündigt wird, insbesondere, weil er gegen den Willen des Vermieters auf der Durchsetzung berechtigter Forderungen beharrt hat (WEBER, a.a.O., N. 3 und 8 f. zu Art. 271/271a OR). Dass es sich inhaltlich beim aussergerichtlichen um etwas anderes als beim gerichtlichen Vergleich handeln soll, geht aus keinem der zitierten Entscheide hervor (zur Definition des aussergerichtlichen Vergleichs BGE 100 II 144 E. 1c; zum Begriff des gerichtlichen und aussergerichtlichen Vergleichs VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. Aufl., Bern 2001, 9. Kap., Rz. 52 f.). Die Ausführungen der Beklagten, wonach der Begriff der (aussergerichtlichen) Einigung gemäss Art. 271a Abs. 2 OR in gleichem Sinne wie nach Art. 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 OR zu verstehen sei, fallen deshalb ins Leere. Fehl geht schliesslich der Einwand der Beklagten, bei der aufgrund der Praxis des Bundesgerichts bestehenden Rechtslage werde ein Mieter geradezu verleitet, entweder übersetzte Forderungen aus dem Mietverhältnis zu stellen oder den Richter anzurufen, ohne zuvor an den Vermieter zu gelangen, um in den Genuss der gesetzlichen Kündigungssperre zu gelangen. Bei beiden Verhaltensweisen würde sich die anschliessende Berufung auf die Sperrfrist wohl ihrerseits als rechtsmissbräuchlich erweisen und deswegen ihr Ziel verfehlen ( Art. 271a Abs. 1 lit. a OR , e contrario; WEBER, a.a.O., N. 27 zu Art. 271/271a OR; LACHAT, a.a.O., N. 5 zu Art. 271a OR ; TERCIER, a.a.O., Rz. 2471). Die Beklagte führt mithin keinerlei stichhaltige Gründe für eine Änderung der Rechtsprechung ins Feld. Diese ist daher zu bestätigen. 3. 3.1 Nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ( Art. 63 Abs. 2 OG ) war die Frage der Entschädigung der BGE 130 III 563 S. 569 Beklag ten wegen Beeinträchtigungen durch die Bautätigkeit im Grundsatz von Beginn an unstreitig. Die Vorinstanz beurteilte auch die Besprechung vom 9. März 2000, die zur Einigung über die Höhe der Entschädigung geführt hat, im Einklang mit dem Bezirksgericht nicht als lang andauernde kontroverse Auseinandersetzung und stellte fest, die geltend gemachten Störungen seien nicht strittig gewesen. Auch aus dem Umstand, dass über das Quantitativ der Entschädigung und über die Zusammensetzung der Teilbeträge anlässlich der Sitzung vom 9. März 2000 diskutiert wurde, hat nach Auffassung der Vorinstanz nicht zwingend zur Folge, dass deshalb als von einer durch Vergleich beigelegten Streitigkeit auszugehen ist. Nach Auffassung der Vorinstanz wäre andernfalls die Vermieterschaft faktisch gezwungen, jegliche mieterseitig gestellte Entschädigungsforderung unbesehen zu akzeptieren, um eine Kündigungssperre zu vermeiden. 3.2 Soweit die Beklagte in der Berufung vorbringt, sowohl die Abmachung vom 9. März 2000 als auch jene über die weitere Zahlung von Fr. 2'500.- sei erst nach einem längeren Hin und Her, nach hartem, zeitaufwändigem Ringen zustande gekommen, und behauptet, die Kläger seien noch vor Mietgericht der Meinung gewesen, eine freiwillige Leistung erbracht zu haben, kritisiert sie die Beweiswürdigung der Vorinstanz und erweitert den verbindlich festgestellten Sachverhalt. Damit ist sie nicht zu hören ( Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs. 2 OG ). 3.3 Die Beklagte macht weiter geltend, im vorliegenden Falle hätten Diskussionen mit gegenseitigem Nachgeben stattgefunden. Die Vermieterschaft habe immer wieder genaue Zusammenstellungen der Beeinträchtigungen gefordert. Wegen des erheblichen Ermessensspielraums betreffend das Ausmass einer Mietzinssenkung wegen Umbauarbeiten entstünden hierüber meistens Diskussionen unter den Parteien. Wenn es zu einer Einigung komme, werde eine unklare Rechtslage beseitigt. Mit diesen Ausführungen vermag die Beklagte keine Verletzung von Bundesrecht aufzuzeigen. Es gehört generell zu den Obliegenheiten eines Ansprechers, gegenüber dem Belangten die Tatsachen klar und detailliert darzulegen, aus denen er das geltend gemachte Recht ableitet. So verhält es sich insbesondere auch in Bezug auf Ansprüche eines Mieters bei laufendem Mietverhältnis, wenn der Vermieterschaft die zur Forderung Anlass bietenden Umstände nicht BGE 130 III 563 S. 570 ohne Weiteres bekannt sein können. Bevor dem Belangten der Forderungsgrund substanziiert bekanntgegeben worden ist, kann sich richtig besehen die Frage, ob die Parteien von Anfang an oder erst nach gegenseitigem Nachgeben über den Bestand des Anspruchs einig waren, gar nicht stellen. Wenn die Kläger daher über die Anspruchsgrundlage bildenden Beeinträchtigungen der Beklagten ins Bild gesetzt werden wollten, um die Höhe der im Grundsatz bereits anerkannten Mietzinsherabsetzung beurteilen zu können, kann darin von vornherein kein Ringen um den angemessenen Betrag erblickt werden. Dass die Parteien auch, als die abzugeltenden Störungen im Gebrauch der Mietsache einmal feststanden, unterschiedliche Vorstellungen in quantitativer Hinsicht zu überwinden hatten, um zu einer Einigung zu gelangen, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Die Vorinstanz hat somit bundesrechtskonform angenommen, der Abgeltung der baubedingten Unannehmlichkeiten durch die Kläger sei keine Streitbeilegung im Sinne der Rechtsprechung vorausgegangen.
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Sachverhalt ab Seite 184 BGE 147 I 183 S. 184 A. Am 22. Juni 2016 wurde im Kantonsblatt des Kantons Basel-Stadt die kantonale Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" publiziert, welche folgende Ergänzung von § 11 Abs. 2 der Kantonsverfassung verlangt: "Diese Verfassung gewährleistet überdies: a. ... b. ... c. (neu) Das Recht von nichtmenschlichen Primaten auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit." Auf dem Bogen zur Sammlung von Unterschriften wurde die Initiative wie folgt begründet: "Wir Menschen gehören der Ordnung der Primaten an und sind nahe verwandt mit über dreihundert weiteren Primatenspezies (sog. nichtmenschlichen Primaten). Nichtmenschliche Primaten sind hochintelligent, können mit Menschen in Zeichensprache kommunizieren, sind leidensfähig, empfinden Empathie für andere und können sich sowohl an vergangene Ereignisse erinnern als auch in die Zukunft blicken. Die heutige Tierschutzgesetzgebung und -praxis in der Schweiz tragen den Interessen von (nichtmenschlichen) Primaten, nicht zu leiden und nicht getötet zu werden, kaum Rechnung: Diese fundamentalen Interessen der Primaten sind im Kerngehalt nicht geschützt und müssen häufig selbst unwichtigen menschlichen Interessen weichen. Gleiche Interessen sollten gleichermassen berücksichtigt und geschützt werden, unabhängig von der Artzugehörigkeit eines Individuums. Das Leben und die körperliche und geistige Unversehrtheit von Primaten können nur mittels Grundrechten effizient gesichert werden. Im Kanton Basel-Stadt werden derzeit mehrere hundert Primaten gehalten, die des Schutzes durch Grundrechte bedürfen. Die Grundrechte auf Leben und Unversehrtheit stellen die biomedizinische Forschung als solche keineswegs in Frage, und sofern die BGE 147 I 183 S. 185 geforderten Grundrechte nicht verletzt werden, dürfen Primaten auch weiterhin in der Forschung eingesetzt werden. Auch eine grundrechtskonforme Zoohaltung von Primaten wäre möglich. Die Kantone können zusätzliche Grundrechte schaffen, die weiter gehen als die Grundrechte in der Bundesverfassung. Unsere Initiative ist somit auch bundesrechtskonform. Sie betrifft nicht den Bereich des Tierschutzes im engen Sinn des Bundesrechts, sondern den Bereich der Grundrechte." Am 16. September 2017 stellte die Staatskanzlei des Kantons Basel-Stadt fest, dass die Initiative mit 3'080 gültigen Unterschriften zustande gekommen sei. Mit Bericht vom 12. Dezember 2017 beantragte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt, die Initiative sei für ungültig zu erklären. Der Grosse Rat erklärte die Initiative am 10. Januar 2018 für ungültig. B. Gegen den Beschluss des Grossen Rats erhoben Deborah Ness, Micha Eichmann und Meret Rehmann gemeinsam Beschwerde an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Mit Urteil vom 15. Januar 2019 hiess das Appellationsgericht als Verfassungsgericht die Beschwerde gut. Es erklärte die kantonale Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" für zulässig und überwies die Sache zur Berichterstattung an den Regierungsrat. C. Gegen das Urteil des Appellationsgerichts haben Heiner Vischer, Salome Hofer, Remo Gallachi, David Jenny, Claudio Reto Miozzari und Joël Thüring gemeinsam Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Ungültigerklärung der Initiative "Grundrechte für Primaten" durch den Grossen Rat zu bestätigen. (...) D. Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat die Angelegenheit am 16. September 2020 in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Eine Volksinitiative ist im Kanton Basel-Stadt gemäss § 48 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005 (KV/BS; SR 131.222.1; vgl. auch § 14 des Gesetzes vom 16. Januar 1991 betreffend Initiative und Referendum [IRG/BS; SG 131.100]) ganz oder teilweise ungültig, wenn sie gegen übergeordnetes Recht verstösst (lit. a), undurchführbar ist (lit. b) oder die Einheit der Materie nicht wahrt (lit. c). Im Gegensatz zur Vorinstanz sind die Beschwerdeführer wie der Grosse Rat der Ansicht, die Initiative verstosse BGE 147 I 183 S. 186 gegen übergeordnetes Recht, weshalb sie entsprechend dem Beschluss des Grossen Rats vom 10. Januar 2018 für ungültig erklärt werden müsse. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 34 BV und sinngemäss von § 48 Abs. 2 lit. a KV/BS . 6. 6.1 Bei der kantonalen Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" handelt es sich um eine in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereichte kantonale Volksinitiative auf Verfassungsstufe, die mit dem für die Schweiz geltenden Völkerrecht und dem Bundesrecht vereinbar sein muss (vgl. BGE 144 I 193 E. 7.3 S. 197 mit Hinweisen). Werden kantonale Volksinitiativen nach kantonalem Recht vorgängig auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft, untersucht das Bundesgericht im nachfolgend umschriebenen Rahmen auf Beschwerde hin frei und ohne besondere Zurückhaltung, ob eine solche Volksinitiative mit Bundesrecht vereinbar ist. Hierzu ist das Bundesgericht nach Art. 95 BGG i.V.m. Art. 29a und Art. 189 Abs. 1 BV verpflichtet. Etwas anderes gilt, wenn das kantonale bzw. kommunale Recht ausdrücklich vorsieht, dass eine Initiative nur dann für ungültig erklärt werden darf, wenn der Widerspruch zum übergeordneten Recht offensichtlich ist (vgl. BGE 143 I 361 E. 3 S. 364 f. mit Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall. 6.2 Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit einer Volksinitiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen auszulegen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine allfällige Begründung des Volksbegehrens darf mitberücksichtigt werden, wenn sie für das Verständnis der Initiative unerlässlich ist. Massgeblich ist bei der Auslegung des Initiativtextes, wie er von den Stimmberechtigten und späteren Adressaten vernünftigerweise verstanden werden muss. Von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ist jene zu wählen, die einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt und welche anderseits mit dem übergeordneten Recht vereinbar erscheint. Kann der Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie nach dem Günstigkeitsprinzip bzw. dem Grundsatz "in dubio pro populo" als gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen. Andererseits kann der eindeutige Wortsinn nicht durch eine mit dem übergeordneten Recht konforme Interpretation BGE 147 I 183 S. 187 beiseitege schoben werden (zum Ganzen: vgl. BGE 144 I 193 E. 7.3.1 S. 197 f. mit Hinweisen). 7. 7.1 Die Vorinstanz führte im angefochtenen Urteil aus, die Kantone seien mit Blick auf Art. 3 und Art. 42 BV grundsätzlich befugt, Grundrechte zu gewähren, die über jene der Bundesverfassung hinausgehen. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts ( Art. 49 Abs. 1 BV ) seien die Kantone allerdings nicht ermächtigt, eigene Grundrechte als Instrument für Eingriffe in Sachbereiche einzusetzen, die durch den Bund abschliessend geregelt seien. Daraus, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts Sache des Bundes sei ( Art. 122 Abs. 1 BV ) und der Bund diese Kompetenz erschöpfend genutzt habe, könne keine unbegrenzte Sperre für die Verleihung subjektiver kantonaler Rechte abgeleitet werden, zumal Grundrechte primär im vertikalen Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat wirkten, während das Bundeszivilrecht das Verhältnis von Personen des Privatrechts untereinander regle. Es lasse sich festhalten, dass die Zivilrechtskompetenz des Bundes einer Rechtsfortbildung ausserhalb des Privatrechtsbereichs nicht entgegenstehe, sodass die Kantone den Kreis der Grundrechtsträger über die anthropologische Schranke hinaus erweitern könnten, soweit sie damit nicht in den Privatrechtsverkehr eingreifen würden. Die Vorinstanz kam im angefochtenen Urteil zum Schluss, es stehe dem Kanton Basel-Stadt von Bundesrechts wegen grundsätzlich zu, nichtmenschlichen Primaten als Abwehrrecht gegenüber dem Staat wirkende Grundrechte, nämlich das Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit, einzuräumen (zustimmend GLASER/ LEHNER, Entscheidbesprechung, AJP 2019 S. 724 ff.). Die Vorinstanz machte im angefochtenen Urteil deutlich, dass solche tierschützerisch motivierten kantonalen Rechte nur den Kanton selber, nicht jedoch die anderen Rechtsunterworfenen binden könnten und begründete dies damit, dass das Tierschutzrecht des Bundes in Bezug auf Personen des Privatrechts umfassend und abschliessend sei (vgl. Art. 80 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 6 ff. und Art. 17 ff. des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 [TSchG; SR 455]), was die Kantone jedoch nicht daran hindere, für das Handeln ihrer eigenen Organe den Tierschutz weiter auszubauen. Präzisierend führte die Vorinstanz aus, die von der kantonalen Volksinitiative geforderten Grundrechte von nichtmenschlichen Primaten wären anwendbar gegenüber den Organen des Kantons und BGE 147 I 183 S. 188 seiner Gemeinden sowie den öffentlich-rechtlichen Anstalten des Kantons, wie etwa den öffentlichen Spitälern und wohl auch der Universität. Nicht anwendbar wären sie hingegen gegenüber natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts, wie etwa der privaten Forschung oder dem als privatrechtliche Aktiengesellschaft organisierten Basler Zoologischen Garten. Ebenfalls nicht unter den Anwendungsbereich der von der Initiative geforderten Grundrechte fielen nach der Auffassung der Vorinstanz auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt tätige Bundesbetriebe. Die Vorinstanz schloss im angefochtenen Urteil wiederum unter Hinweis auf das Tierschutzrecht des Bundes auch aus, dass die von der Initiative geforderten Grundrechte eine gewisse indirekte Drittwirkung auf Privatpersonen haben könnten (kritisch zum letzten Punkt GLASER/LEHNER, a.a.O., S. 729 f., die Raum für eine gewisse Drittwirkung der von der Initiative geforderten Grundrechte sehen, zumal sich die vom Initiativtext ausgehenden Konflikte mit dem Bundeszivilrecht bzw. mit dem Tierschutzrecht des Bundes nicht im von der Vorinstanz erörterten Ausmass aufdrängen würden). Die Vorinstanz stellte weiter fest, es sei offensichtlich, dass die Initiative "Grundrechte für Primaten" nach den Vorstellungen der Initianten auf eine Verschärfung des Tierschutzes auch im Umgang von Privatpersonen mit nichtmenschlichen Primaten abziele. Der Anwendungsbereich der mit der Initiative geforderten Bestimmungen sei deutlich kleiner als angenommen, da diese nur kantonseigene Organe binden könnten. Innerhalb des zulässigen Anwendungsbereichs erweise sich das Anliegen des verstärkten Schutzes von nichtmenschlichen Primaten jedoch als umsetzbar. Unter analoger Anwendung der Grundsätze für die Teilungültigerklärung einer Initiative folgerte die Vorinstanz, aufgrund der verbliebenen Umsetzbarkeit des Hauptziels der Initiative und ihrer Impulswirkung sei davon auszugehen, dass sie auch mit ihrem beschränkten Geltungsbereich weiterhin vom Willen der Unterzeichnenden getragen sei. 7.2 Die Ausführungen und Schlussfolgerungen der Vorinstanz, wonach es dem Kanton Basel-Stadt von Bundesrechts wegen grundsätzlich möglich sei, nichtmenschlichen Primaten als Abwehrrecht gegenüber dem Staat wirkende und nur den Staat selber bindende Rechte einzuräumen, nämlich das Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit, werden von den Beschwerdeführern nicht substanziiert bestritten. Sie machen jedoch geltend, die Initiative "Grundrechte für Primaten" habe eine andere BGE 147 I 183 S. 189 Stossrichtung bzw. sie verlange weit mehr. Die Initianten wollten nämlich nicht nur Abwehrrechte gegenüber dem Staat normieren, sondern darüber hinaus den Schutz von nichtmenschlichen Primaten allgemein verbessern und im Vergleich zum geltenden Tierschutzrecht des Bundes auch den Umgang von Privatpersonen mit diesen Tieren strengeren Regeln unterwerfen. Dies ergebe sich insbesondere aus der auf dem Unterschriftenbogen abgedruckten Begründung. Der Anwendungsbereich der mit der Initiative verlangten Normen sei deutlich kleiner als ursprünglich angenommen und die durch den Initiativtext bzw. die auf dem Unterschriftenbogen abgedruckte Begründung geweckten Erwartungen könnten nicht erfüllt werden. Das was von den Anliegen der Initiative übrig bleibe, sei im Lichte des hochgesteckten Ziels ein sinnentleertes Rumpfgebilde mit im Wesentlichen symbolischer Bedeutung. 8. 8.1 Die Initiative "Grundrechte für Primaten" gewährleistet in ihrem Wortlaut nichtmenschlichen Primaten ein Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Aus der Formulierung der mit der Initiative verlangten Bestimmung und ihrer systematischen Einordnung in § 11 (Grundrechtsgarantien) der kantonalen Verfassung wird klar, dass damit ein Grundrecht verankert werden soll. Die Kantone dürfen über die Mindeststandards, welche die in der Bundesverfassung und der EMRK garantierten Grundrechte gewähren, hinausgehen und entweder neue Grundrechte schaffen oder den Schutzbereich bestehender Grundrechte erweitern. Kantonale Grundrechtsgarantien haben eine eigenständige Bedeutung, soweit sie über die entsprechenden Rechte der Bundesverfassung oder der EMRK hinausgehen oder ein Recht gewährleisten, das die Bundesverfassung nicht garantiert (vgl. BGE 121 I 267 E. 3a S. 269, BGE 121 I 196 E. 2d S. 200 mit Hinweisen). 8.2 Im Verfahren vor Bundesgericht unbestritten ist, dass nichtmenschliche Primaten mit der Annahme der umstrittenen Initiative nicht zu Rechtssubjekten des Privatrechts (vgl. Art. 11 und Art. 53 ZGB ) erhoben würden (vgl. dazu auch SASKIA STUCKI, Grundrechte für Tiere, 2016, S. 177 mit Hinweisen). Mit der Initiative "Grundrechte für Primaten" verlangt wird sodann nicht die von einem Teil der Lehre für problematisch eingestufte Anwendung von bestehenden, für Menschen geltenden Grundrechten auf bestimmte Tiere (vgl. dazu die Hinweise bei STUCKI, a.a.O., S. 349 ff.), sondern die Einführung von speziellen, nur für nichtmenschliche Primaten BGE 147 I 183 S. 190 geltenden Rechten. Die Gewährleistung solcher spezieller Rechte im öffentlich-rechtlichen Bereich für bestimmte Tiere durch einen Kanton würde zwar ungewohnt erscheinen, da die bestehenden Grundrechte der Bundesverfassung und der EMRK anthropologisch ausgerichtet sind (vgl. aber immerhin Art. 120 Abs. 2 BV zur Würde der Kreatur im Bereich der Gentechnologie). Sie widerspricht jedoch an sich nicht übergeordnetem Recht, zumal damit nicht auf Menschen zugeschnittene Grundrechte mit einer langen Tradition auf Tiere ausgeweitet werden sollen und die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Rechten für Tiere und menschlichen Grundrechten nicht in Frage gestellt wird (gleicher Ansicht GLASER/LEHNER, a.a.O., S. 727). 8.3 Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat (vgl. Art. 35 Abs. 2 BV ; BGE 138 I 225 E. 3.5 S. 229 mit Hinweisen). Immerhin erscheint eine mittelbare Anwendung von Grundrechten auf das Verhältnis zwischen Privatpersonen namentlich bei der Auslegung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen des Privatrechts nicht ausgeschlossen ( BGE 143 I 217 E. 5.2 S. 218 f. mit Hinweisen) und sorgen die Behörden gemäss Art. 35 Abs. 3 BV dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden. Der grundsätzlich verbindliche Wortlaut der Initiative "Grundrechte für Primaten" muss von den Stimmberechtigten und den potentiellen Adressaten vernünftigerweise so verstanden werden, dass mit ihr - wie dies bei kantonalen Grundrechten üblich ist - im Sinne eines Abwehrrechts gegen den Staat primär die kantonalen und kommunalen Organe verpflichtet werden. Unter Berücksichtigung des der Rechtsordnung zugrunde liegenden Verständnisses von Grundrechten kann der Text der Initiative "Grundrechte für Primaten" nicht so verstanden werden, dass die Bestimmung zum Schutz nichtmenschlicher Primaten entgegen der primären Funktion von Grundrechten auch für Privatpersonen unmittelbar bindend wäre. Wie die Vorinstanz mit überzeugender Argumentation festgestellt hat und von den Beschwerdeführern nicht substanziiert bestritten wird, steht die Einführung eines im erwähnten Sinne verstandenen speziellen Abwehrrechts gegen den Staat für nichtmenschliche Primaten auf körperliche und geistige Unversehrtheit nicht im Widerspruch zu übergeordnetem Recht. Dass nichtmenschliche Primaten, die mit der umstrittenen Bestimmung geschützt werden sollen, nicht im Sinne von Art. 11 ZGB rechtsfähig sind, und dass sie keine privatrechtlichen Rechtssubjekte sind, ändert daran nichts. Dem Initiativtext BGE 147 I 183 S. 191 kann somit ein Sinn beigemessen werden, der die Initiative als gültig erscheinen lässt (vgl. auch BGE 125 I 227 E. 5 ff.). 8.4 Ob die Initiative "Grundrechte für Primaten" darauf abzielt, sekundär eine gewisse mittelbare Wirkung im Sinne einer allgemeinen Verbesserung des Schutzes von nichtmenschlichen Primaten zu erzielen und indirekt auch den Umgang von Privatpersonen ihren strengeren Regeln zu unterwerfen, erscheint jedenfalls gemäss ihrem Wortlaut weder evident noch ausgeschlossen. Den Stimmberechtigten und potenziellen Adressaten der mit der Initiative verlangten Bestimmung muss aber bewusst sein, dass eine solche indirekte Drittwirkung von Grundrechten regelmässig unbestimmt und von der Begründung im konkreten Einzelfall abhängig ist (vgl. GLASER/LEHNER, a.a.O., S. 730). Selbst wenn - wovon die Beschwerdeführer, aber auch die Vorinstanz ausgehen (vgl. E. 7.1 hiervor) - eine indirekte Drittwirkung der vorliegend umstrittenen Grundrechtsbestimmung von Bundesrechts wegen von vornherein ausgeschlossen wäre, würde dies nicht dazu führen, dass der Text der Initiative ganz oder teilweise als mit übergeordnetem Recht unvereinbar eingestuft werden müsste, da die primäre Funktion der verlangten Grundrechte von diesem Ausschluss nicht betroffen wäre und dem Initiativtext - wie bereits ausgeführt - ein Sinn beigemessen werden kann, der die Initiative als gültig erscheinen lässt. 9. 9.1 Im Zusammenhang mit dem Vorbringen, die Initiative "Grundrechte für Primaten" widerspreche übergeordnetem Recht, weil sie eine andere Stossrichtung habe bzw. weit mehr verlange als ein nur die kantonalen Organe bindendes Abwehrrecht, berufen sich die Beschwerdeführer namentlich auf BGE 139 I 292 . In diesem Entscheid hatte das Bundesgericht die Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative mit dem Titel "Gegen frauenfeindliche, rassistische und mörderische Lehrbücher" geschützt, obwohl sich deren Text an sich rechtskonform hätte auslegen lassen. Die allein auf den Initiativtext gestützte, neutrale Auslegung wäre gemäss den damaligen Ausführungen des Bundesgerichts mit dem Grundanliegen der Initianten nicht vereinbar und von der Stossrichtung bzw. Zielsetzung der Initiative nicht mehr gedeckt gewesen, womit diese ihres wesentlichen Gehalts beraubt worden wäre ( BGE 139 I 292 E. 7.5). Im zitierten Entscheid hat das Bundesgericht ausgeführt, obwohl der Wille der Initianten nicht allein für die Interpretation eines Volksbegehrens massgeblich sei, müsse das durch Auslegung ermittelte BGE 147 I 183 S. 192 Verständnis des Volksbegehrens doch mit der grundsätzlichen Stossrichtung der Initiative vereinbar bleiben. Im Rahmen des Beizugs der Begründung einer Initiative für deren Auslegung sei der Wille der Initianten also zumindest insoweit mitzuberücksichtigen, als dieser den äussersten Rahmen für die Interpretation ihres Volksbegehrens darstelle bzw. für das Verständnis bilde, von dem die Unterzeichner der Initiative vernünftigerweise ausgehen durften ( BGE 139 I 292 E. 7.2). Die starke Fokussierung auf den Willen der Initiantinnen und Initianten in BGE 139 I 292 wurde in der Lehre teilweise kritisch kommentiert (RAMONA PEDRETTI, Die Vereinbarkeit von kantonalen Volksinitiativen mit übergeordnetem Recht, ZBl 118/2017 S. 316 ff.; CORSIN BISAZ, Direktdemokratische Instrumente als "Anträge aus dem Volk an das Volk", 2020, S. 264 ff; derselbe, Entscheidbesprechung, AJP 2014 S. 248 ff.; zurückhaltend kritisch auch PIERRE TSCHANNEN, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2013 und 2014, ZBJV 150/2014 S. 830 f.; zustimmend hingegen PATRIZIA ATTINGER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu kantonalen Volksinitiativen, 2016, S. 65 und 182). 9.2 Den Beschwerdeführern ist insofern beizupflichten, als sie monieren, mit der auf dem Unterschriftenbogen abgedruckten Begründung (vgl. Sachverhalt Bst. A) werde der Initiative "Grundrechte für Primaten" von den Initiantinnen und Initianten teilweise eine Bedeutung gegeben, die ihr nach dem Bundesrecht gar nicht zukommen könne. In der Begründung der Initiantinnen und Initianten wird namentlich nicht erwähnt, dass die im Initiativtext als Grundrechte formulierten Rechte in erster Linie die kantonalen Organe und die Gemeinden binden würden und dass sie mit Blick auf die Tierschutzgesetzgebung des Bundes für natürliche und juristische Personen des Privatrechts wenn überhaupt nur eine stark eingeschränkte, mittelbare Wirkung haben könnten. Weiter wird in der Begründung auf dem Unterschriftenbogen der Eindruck vermittelt, mit Annahme der Initiative würde der Schutz der im Kanton Basel- Stadt derzeit gehaltenen nichtmenschlichen Primaten unmittelbar verbessert. Dieses Versprechen kann die Initiative nicht halten, da der Kanton und seine Organisationseinheiten - wie etwa die Universität oder die öffentlich-rechtlichen kantonalen Spitäler - sowie die Gemeinden derzeit offenbar gar keine nichtmenschlichen Primaten halten und die geforderten Grundrechte private Forschungseinrichtungen sowie den als privatrechtliche Aktiengesellschaft organisierten Basler Zoologischen Garten nicht bzw. jedenfalls nicht unmittelbar binden würden. BGE 147 I 183 S. 193 9.3 Auch wenn die auf dem Unterschriftenbogen abgedruckte Begründung zur Initiative "Grundrechte für Primaten" teilweise fragwürdig und irreführend ist, rechtfertigt es sich im Unterschied zur in BGE 139 I 292 beurteilten Initiative unter den gegebenen Umständen nicht, bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Initiative mit übergeordnetem Recht von den gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts geltenden Grundsätzen der Auslegung von Initiativen abzuweichen, wonach grundsätzlich vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen ist (vgl. E. 6.2 hiervor). Die Vorbehalte bezüglich der Begründung auf dem Unterschriftenbogen betreffen nicht die Stossrichtung des Anliegens, sondern die Grösse des Anwendungsbereichs der geforderten Bestimmung. Die Stossrichtung der Initiative ergibt sich aus dem Initiativtext selber. Es ist sodann davon auszugehen, dass die Initiantinnen und Initianten bzw. die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Initiative jedenfalls auch die kantonalen Organe sowie die Gemeinden zu einem gegenüber dem geltenden Tierschutzrecht des Bundes verstärkten Schutz nichtmenschlicher Primaten verpflichten wollen. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Kanton und die Gemeinden derzeit offenbar keine nichtmenschlichen Primaten halten, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass sich dies dereinst ändern könnte. Welche Anliegen die Initiantinnen und Initianten bzw. die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Initiative sonst noch verfolgen, ist im Detail nicht einfach zu eruieren, aber unter den vorliegend gegebenen Umständen auch nicht relevant. Dass die mit der Initiative verlangte Bestimmung juristische und natürliche Personen des Privatrechts im Unterschied zu dem, was die Begründung der Initiantinnen und Initianten impliziert, nicht bzw. jedenfalls nicht unmittelbar binden würde, kann den Stimmberechtigten im Vorfeld einer Volksabstimmung von der für die Information der Stimmberechtigten zuständigen Behörde einfach vermittelt werden. Den Stimmberechtigten ist zuzutrauen, entsprechende behördliche Informationen in ihren Entscheid für eine Zustimmung oder Ablehnung des Initiativbegehrens einfliessen zu lassen, die Begründung der Initiantinnen und Initianten kritisch zu hinterfragen und zwischen dem massgeblichen Initiativtext einerseits und der Begründung der Initiantinnen und Initianten andererseits zu unterscheiden. BGE 147 I 183 S. 194 10. Nach dem Ausgeführten kann der kantonalen Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht als unzulässig erscheinen lässt. Die Vorinstanz hat weder Art. 34 BV noch § 48 Abs. 2 lit. a KV/BS verletzt, indem sie die Initiative für zulässig erklärt hat. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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cd02832b-46ae-4ba0-8168-fbeca45d30f4
Sachverhalt ab Seite 230 BGE 129 IV 230 S. 230 A.- X. (geb. 1970) schloss im Frühling 1996 mit der amerikanischen Gruppe "A." einen Lizenzvertrag, der ihn gegen Gebühr berechtigte, die amerikanische Version eines Datenträgers (CD-ROM) "B." in Europa zu vertreiben. Er liess 3'000 solche Datenträger pressen, ohne selber etwas am Datenbestand zu ändern, und bot diese im Internet im In- und Ausland zum Verkauf an. Er verschenkte Werbeexemplare und verkaufte rund 100 Stück zum Preis von je Fr. 70.-. BGE 129 IV 230 S. 231 Die CD-ROM ist über ein Web-Browser-Programm (z.B. Microsoft, Internet-Explorer, Netscape) lesbar. Sie enthält im Inhaltsverzeichnis unter anderem einen Bereich, der mit "VIRUS" betitelt ist. Dieser Teil, der in fünf Unterbereiche gegliedert ist, enthält zwar kein lauffähiges Virusprogramm. Es finden sich dort jedoch Instruktionen und Hinweise zur Erzeugung von Programmen, die Daten infizieren, zerstören oder unbrauchbar machen. B.- Das Bezirksgericht Zürich erkannte X. am 20. Juli 2000 der gewerbsmässigen Datenbeschädigung im Sinne von Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 und 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 300.-. Am 22. Februar 2001 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich den Schuldspruch, sprach eine bedingte Gefängnisstrafe von zwei Monaten aus und büsste X. mit Fr. 5'000.- (publiziert in ZR 100/2001 Nr. 44). Auf kantonale Nichtigkeitsbeschwerde von X. hin hob das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 11. November 2001 das Urteil des Obergerichts auf. Letzteres holte darauf ein Gutachten bei Prof. U. Maurer vom Institut für theoretische Informatik der ETH Zürich ein. Am 3. Oktober 2002 bestätigte das Obergericht sein erstes Urteil. C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 144bis Ziff. 2 StGB . 2.1 2.1.1 Den Tatbestand von Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 StGB erfüllt, wer Programme, von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie zum unbefugten Verändern, Löschen oder Unbrauchbarmachen von elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherten Daten verwendet werden sollen, herstellt, einführt, in Verkehr bringt, anpreist, anbietet oder sonst wie zugänglich macht oder zu ihrer Herstellung Anleitung gibt. Dieser so genannte Virentatbestand fand erst im Rahmen der Beratungen in den eidgenössischen Räten Eingang ins Gesetz (AB 1993 S 958, 1994 S 430; AB 1994 N 329 f.). Er betrifft Formen der Vorbereitung einer Datenbeschädigung. Der Gesetzgeber normierte damit ein abstraktes Gefährdungsdelikt (GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer BGE 129 IV 230 S. 232 Teil I, 6. Aufl., § 14 N. 62; PHILIPPE WEISSENBERGER, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art. 144bis StGB N. 35). Geschütztes Rechtsgut ist das Interesse des Verfügungsberechtigten an der ungestörten Verwendbarkeit von Daten (STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar, 1997, Art. 144bis StGB N. 2; WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 3). 2.1.2 Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 StGB enthält mehrere Tatbestandsvarianten. Das Gesetz stellt zunächst denjenigen unter Strafe, der im Sinne von Ziff. 1 datenschädigende Programme herstellt, einführt, in Verkehr bringt, anpreist, anbietet oder sonst wie zugänglich macht. Die Vorinstanz hat die Anwendung dieser Tatbestandsvarianten ausgeschlossen, da die auf der CD-ROM befindlichen Informationen kein Programm im Sinne von Art. 144bis Ziff. 2 StGB darstellen würden. Im Unterschied zu Ziff. 1 erwähne das Gesetz in Ziff. 2 nur Programme und nicht Daten. Unter diese Tatbestandsvariante fielen nur solche Programme, die dazu bestimmt seien, in die Datenverarbeitungsprogramme anderer eingeschleust zu werden. Sie müssten zudem über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu vervielfältigen. So genannte Quellprogramme (auch als Primärprogramme oder source program bezeichnet) müssten erst noch mittels Compiler (einer Art "Übersetzer") in Maschinensprache umgesetzt und danach mittels eines "Linkage Editors" (eines Systemprogramms, das getrennt übersetzte Programmteile zusammensetzt) vereinigt werden, bevor sie als lauf- bzw. einsatzfähige Programme verwendet werden könnten. Da vorliegend auf der CD-ROM keine einsatzfähigen Programme vorhanden seien, seien die oben erwähnten Tatbestandsvarianten nicht erfüllt (vgl. ZR 100/2001 Nr. 44 E. 1-3). Die Handlungen des Beschwerdeführers sind daher einzig unter dem Gesichtspunkt der letzten der aufgeführten Tatbestandsvarianten von Art. 144bis Ziff. 2 Abs.1 StGB zu prüfen, nämlich der Anleitung zur Herstellung von Programmen, die zu einem der in Ziff. 1 genannten Zwecke verwendet werden sollen. Diese Tatbestandsvariante stellt einen verselbständigten Anstiftungs- bzw. Gehilfenschaftstatbestand dar. Irrelevant ist, ob die Abgabe von Herstellungsanleitungen entgeltlich oder unentgeltlich erfolgte. Es ist auch nicht erforderlich, dass von diesen Anweisungen effektiv Gebrauch gemacht wird (NIKLAUS SCHMID, Computer- sowie Check- und Kreditkartenkriminalität, Zürich 1994, § 6 N. 62). 3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Wortlaut des Gesetzes und die historische Auslegung der Wendung "Abgabe von Herstellungsanleitungen". BGE 129 IV 230 S. 233 Demnach sei einzig die Anleitung zur Herstellung von datenschädigenden Programmen strafbar, nicht jedoch der Vertrieb von Herstellungsanleitungen. Nur derjenige, dessen geistiges Erzeugnis die Anleitung sei, könne für deren Abgabe bestraft werden. Vorliegend sei nicht berücksichtigt worden, dass die Anleitungen nicht vom Beschwerdeführer ausgearbeitet worden seien. Diese Kritik bringe ebenfalls Prof. Christian Schwarzenegger in einem als Gutachten beigelegten Vortrag vor. Die von der kantonalen Instanz vorgenommene extensive Auslegung von Art. 144bis StGB halte weder vor dem in Art. 1 StGB festgesetzten Bestimmtheitsgebot stand noch sei sie verfassungs- und konventionskonform ( Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BV , Art. 7 EMRK ). Bei der Tatbestandsvariante des Gebens von Anleitungen zur Herstellung datenschädigender Programme handle es sich um einen klaren Begriff, bei dem für eine Auslegung kein Platz bestehe. 3.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers braucht es sich bei den zur Herstellung eines Computervirus nötigen Angaben nicht um Kenntnisse zu handeln, die der Übermittler selber erworben oder zusammengestellt hat. Das vermittelte Wissen kann, muss aber nicht das geistige Erzeugnis des Täters sein. Dem Wortlaut der Bestimmung nach genügt das Weitergeben von solchen Informationen. Auch der französische und der italienische Wortlaut der fraglichen Tatbestandsvariante erlauben keinen anderen Schluss. Die Ausdrücke "fournir des indications" und "dare indicazioni" umfassen auch das Vermitteln von Angaben. Aus dem Wortlaut ergibt sich somit nicht, dass nur vom Täter selbst erstellte Anleitungen unter den Tatbestand fallen. Ebenso wenig ist die vom Beschwerdeführer verlangte enge Auslegung mit dem Ziel der Bestimmung vereinbar. Diese soll die Verfügungsmacht über intakte Daten schützen und stellt zu diesem Zweck bereits Vorbereitungshandlungen zu den in Art. 144bis Ziff. 1 StGB genannten Handlungen unter Strafe. Damit soll im Sinne einer wirksamen Verbrechensbekämpfung auf dem Gebiet der Datenbeschädigung ein besonders frühzeitiges Eingreifen ermöglicht werden (vgl. zur Pönalisierung von Vorbereitungshandlungen im Allgemeinen STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. Aufl., § 12 N. 6). In der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen wurde im Zusammenhang mit der Revision von Art. 144 StGB und dem Erlass des neuen Art. 144bis StGB darauf hingewiesen, dass Unternehmen gewerbsmässig Programmteile zur "Aufzucht" von Viren herstellen und Baukästen zur Virenkonstruktion BGE 129 IV 230 S. 234 anbieten würden. Solche Vorbereitungshandlungen seien unter Strafe zu stellen. Mit der Tatbestandsvariante des Gebens von Anleitungen solle vorbeugend verhindert werden, dass fachtechnische Kenntnisse zur Erzeugung von datenschädigenden Programmen zugänglich gemacht werden, wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sie zu den in Art. 144bis Ziff. 1 StGB beschriebenen Zwecken verwendet werden sollen. Es gehe darum zu verhindern, dass datenschädigende Programme überhaupt entstehen können und in Umlauf gesetzt werden (Teilprotokoll 1 der Sitzung der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen vom 14./15. Oktober 1993, S. 89; Teilprotokoll 4 der Sitzung vom 11. November 1993, S. 112 und 117; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bern 2002, Bd. I, Art. 144bis StGB N. 19; SCHMID, Das neue Computerstrafrecht, ZStR 113/1995 S. 32). Aus dieser Zielsetzung folgt, dass es irrelevant ist, ob die Anleitungen von demjenigen verbreitet werden, der das datenschädigende Programm ganz oder teilweise selbst geschaffen hat, oder von einem Dritten, der die Anleitung zur Herstellung solcher Programme anderen lediglich übermittelt. 3.2 Fehl geht auch die Rüge, nur die Anleitung zur Herstellung von datenschädigenden Programmen sei strafbar und nicht das Vertreiben solcher Anleitungen. Da das einmalige Abgeben von Herstellungsanleitungen unter Strafe gestellt ist, erlaubt es Art. 144bis Ziff. 2 Abs.1 StGB a fortiori, auch die mit dem Vertrieb von CD-ROMs wiederholt verübte Tat zu ahnden. Die Häufigkeit der Einzelakte stellt im Übrigen auch ein Element der gewerbsmässigen Tatbegehung dar, worauf die Vorinstanz erkannt hat. 4. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, auch wenn das Vertreiben von nicht selbst verfassten Herstellungsanleitungen von Art. 144bis Ziff. 2 StGB erfasst sei, dürfe eine Verurteilung auf Grund dieser Bestimmung nicht erfolgen. Die Herstellungsanleitung sei bruchstückhaft. Die unvollständige Abgabe von Informationen zur Herstellung datenschädigender Programme sei jedoch durch den Begriff der Anleitung nicht gedeckt. 4.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers braucht die Anleitung nicht alle zur Herstellung eines datenschädigenden Programms nötigen Schritte abzudecken. Es genügt, wenn Informationen zu wesentlichen Herstellungsvorgängen abgegeben werden und dadurch die Herstellung von datenschädigenden Programmen wesentlich erleichtert wird (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 47). Aus dem deutschen Gesetzestext geht dies zwar nicht ganz BGE 129 IV 230 S. 235 eindeutig hervor. Der französische und italienische Text lassen jedoch keinen Zweifel offen: Die Wendung "fournir des indications en vue de leur fabrication" und "dare indicazioni" deuten daraufhin, dass das Geben jeglicher (also auch unvollständiger) Angaben genügt, die zur Herstellung von datenschädigenden Programmen nützlich sind. Dabei muss es sich allerdings um für die Herstellung solcher Programme spezifische und wesentliche Angaben handeln. 4.2 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) enthält die CD-ROM genügend Instruktionen und Hinweise, mit deren Hilfe ein lauf- bzw. einsatzfähiges, datenschädigendes Programm erzeugt werden kann. Für das Compilieren und Linken könne auf frei verfügbare Software zurückgegriffen werden. Auch für diese Schritte enthalte im Übrigen die CD-ROM Anleitungen. Insoweit der Beschwerdeführer die Anleitung als bruchstückhaft bezeichnet, stützt er sich daher in unzulässiger Weise auf einen Sachverhalt, der von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweicht ( Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Da im Übrigen selbst bruchstückhafte spezifische Anleitungen zur Herstellung von datenschädigenden Programmen von Art. 144bis Ziff. 2 StGB erfasst sind, ist die Rüge, soweit darauf einzutreten ist, unbegründet. 5. Der Beschwerdeführer rügt weiter die Annahme des Eventualvorsatzes. Es müsse ein dolus directus ersten Grades vorliegen. Eine Schädigungsabsicht könne ihm aber nicht vorgeworfen werden. Weder sein Wissen um das allfällige Schädigungspotential von Computerviren noch die grundsätzlich negative Zweckbestimmung des vertriebenen Datenträgers liessen einen Rückschluss auf seinen Willen zu. 5.1 Zunächst ist zu prüfen, ob der subjektive Tatbestand direkten Vorsatz voraussetzt oder ob Eventualvorsatz genügt. In einem zweiten Schritt ist zu erörtern, ob in casu die verlangte Vorsatzform zu Recht angenommen wurde. 5.2 Der subjektive Tatbestand von Art. 144bis Ziff. 2 StGB erfasst zwei Ebenen: Jene, welche die Handlung des Täters betrifft (vorliegend das Geben von Herstellungsanleitungen) und jene, welche sich auf sein Wissen im Hinblick auf die von einem Dritten getätigten Nachfolgehandlungen (Verwendung zu einem in Ziff. 1 genannten Zweck) bezieht. Beim direkten Vorsatz ersten Grades will oder nimmt der Täter den Erfolg in Kauf und sieht diesen als sicher voraus. Beim Eventualdolus BGE 129 IV 230 S. 236 hält der Täter den Erfolg (nur) für möglich ( BGE 126 IV 60 E. 2b S. 64; BGE 105 IV 12 E. 4b S. 14). Folgte man der Auffassung des Beschwerdeführers, dass in Bezug auf eine schädigende Nachfolgeverwendung der Programme direkter Vorsatz ersten Grades erforderlich ist, so bedeutete dies, dass der Täter gerade diese Verwendung als sein eigentliches Handlungsziel anstreben muss. Der Gesetzgeber wollte mit der Wendung "von denen er weiss oder annehmen muss" vor allem die fahrlässige von der eventualvorsätzlichen Tatbegehung unterscheiden und erstere ungeahndet lassen, letztere hingegen unter Strafe stellen (AB 1993 S 958; AB 1994 N 329). Die Frage nach dem direkten Vorsatz wird in den Gesetzesmaterialien nicht erörtert. Aus der Formulierung von Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 StGB , wonach auch derjenige strafbar ist, der annehmen muss, dass die datenschädigenden Programme zu den in Ziff. 1 angeführten Zwecken verwendet werden sollen, ist jedoch ersichtlich, dass Eventualvorsatz genügt. Auch nach der Lehre reicht Eventualvorsatz aus. Der Täter muss demnach zumindest in Kauf nehmen, dass die Programme zu einem der in Ziff. 1 genannten Zwecke verwendet werden sollen (CORBOZ, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 20; REHBERG/SCHMID/DONATSCH, Strafrecht III, 8. Aufl., § 16 S. 176; WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 48). Den Tatbestand erfüllt somit bereits, wer den Verwendungszweck hätte annehmen sollen, und nicht nur jener, der diesen als sicher annahm. 5.3 5.3.1 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer bei der Abgabe von Herstellungsanleitungen (erste Ebene) vorsätzlich handelte. Er wusste, dass die CD-ROM, die er vertrieb, Beschreibungen zur Herstellung von Computerviren enthielt. Die Vorinstanz nimmt diesbezüglich zutreffend Vorsatz an. 5.3.2 Streitig ist hingegen, ob die Vorinstanz zu Recht Eventualvorsatz hinsichtlich der Nachfolgehandlung annahm. Wenn wie vorliegend aufgrund äusserer Umstände auf Eventualvorsatz geschlossen wurde, kann im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüft werden ( BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252; BGE 119 IV 242 E. 2c S. 248). Nach NIKLAUS SCHMID (Computer- sowie Check- und Kreditkartenkriminalität, Zürich 1994, § 6 N. 65) ist bei Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 StGB Eventualabsicht regelmässig gegeben, wenn Virenprogramme, die im Regelfall allein zur Schädigung fremder Daten, BGE 129 IV 230 S. 237 Datenverarbeitungen oder Datenverarbeitungsanlagen produziert und vertrieben werden, ohne Kontrolle über die (nicht schädigende) Verwendung aus den Händen gegeben werden. Der Gesetzgeber hat die Wendung "weiss oder annehmen muss" ausdrücklich dem Hehlereitatbestand entnommen (AB 1993 S 958; AB 1994 N 329). Gemäss der Rechtsprechung zu Art. 160 StGB liegt Eventualvorsatz vor, wenn Verdachtsgründe die Möglichkeit einer strafbaren Vortat nahe legen ( BGE 119 IV 242 E. 2b S. 247; BGE 101 IV 402 E. 2 S. 405). Auf den Virentatbestand übertragen bedeutet dies, dass Eventualvorsatz vorliegt, wenn sich die nahe liegende Möglichkeit einer datenschädigenden Verwendung von Computerviren aufdrängt (siehe WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 49). Ob dies zutrifft, ist an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen. So bleibt etwa die Anleitung zur Herstellung von Viren zu Forschungs- und Ausbildungszwecken straflos, wenn angemessene Vorkehrungen gegen ihre schädigende Verwendung getroffen werden. Massgeblich sind namentlich die Gestaltung der Informationen, die Umstände ihrer Abgabe und der Kreis der Abnehmer (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 144bis StGB N. 50). 5.3.3 Die Vorinstanz hält verbindlich fest ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), dass der Beschwerdeführer die CD-ROM als Sammlung von Untergrundinformationen angepriesen habe. Gemäss seiner Aussage enthalte die CD-ROM "alle grauen und schwarzen Zonen", die auf Internet gefunden werden könnten. Auf der CD-ROM befänden sich nach seinen eigenen Worten "illegale und gefährliche Dinge". Er habe bewusst an solchen Informationen interessierte Kreise des Internets angesprochen. Er habe auch nicht kontrolliert, an wen er die Herstellungsanleitungen verschenkt und verkauft habe, und er sei an Schutzvorkehrungen nicht interessiert gewesen. Ihm sei es einzig darum gegangen, mit dem Vertrieb des Datenträgers einen Verdienst zu erzielen. Die Vorinstanz schloss, dass der Beschwerdeführer unter diesen Umständen mit einem Missbrauch der gelieferten Herstellungsanleitung habe rechnen müssen oder diesen in Kauf genommen habe, selbst wenn er ihn weder gewünscht noch beabsichtigt habe. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit, dass ein Kunde die Herstellungsanleitungen befolgen, ein datenschädigendes Programm erzeugen und in Umlauf setzen würde, lag nahe. Die Warnung auf dem Umschlag und auf der CD-ROM vor der datenschädigenden Wirkung vermag daran nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer hatte mit dem Vertrieb des Datenträgers auf Internet überhaupt keine Kontrolle über den Gebrauch, den seine BGE 129 IV 230 S. 238 Abnehmer von den übermittelten Informationen machen würde. Die Vorinstanz verletzt daher kein Bundesrecht, wenn sie den subjektiven Tatbestand von Art. 144bis Ziff. 2 StGB als erfüllt betrachtet.
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Sachverhalt ab Seite 183 BGE 131 III 182 S. 183 A. Mit Urteil vom 30. Mai 2003 schied das Bezirksgericht Prizren, Kosovo, die Ehe zwischen A.X. und B.X. Am 7. Oktober 2003 verfügte das Departement des Innern des Kantons Aargau, Sektion Bürgerrecht und Personenstand, die Anerkennung und Eintragung der ausländischen Scheidung in die Zivilstandsregister des Wohnortes von A.X. B. Am 8. März 2004 reichte B.X. beim Obergericht des Kantons Aargau Beschwerde ein und beantragte, die Verfügung vom 7. Oktober 2003 betreffend Anerkennung und Eintragung sei aufzuheben. Das Obergericht hiess die Beschwerde mit Urteil vom 1. Juni 2004 teilweise gut und hob die angefochtene Verfügung auf. C. A.X. gelangt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, soweit darin die Anerkennung und Eintragung des ausländischen Scheidungsurteils in die Zivilstandsregister verweigert worden ist. Weiter verlangt er, es sei festzustellen, dass die Ehe zwischen ihm und B.X. rechtskräftig geschieden sei. Zudem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich Verbeiständung. B.X. schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Ferner stellt sie ebenfalls ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, soweit es darauf eintritt. BGE 131 III 182 S. 184 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine fehlerhafte Feststellung des Sachverhaltes im Sinne von Art. 104 lit. b OG . Dabei ist zu beachten, dass es sich beim Obergericht, welches das angefochtene Urteil gefällt hat, um eine richterliche Behörde handelt. Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist in einem solchen Fall die Feststellung des Sachverhaltes für das Bundesgericht verbindlich, wenn die Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat. Der Beschwerdeführer macht mit dieser Rüge in erster Linie geltend, das Obergericht habe die von der Beschwerdegegnerin unterzeichnete Anwaltsvollmacht zu Unrecht nicht als Erklärung ihres Scheidungswillens an das zuständige Gericht gewertet. Dabei handelt es sich indes nicht um eine Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht im vorliegenden Beschwerdeverfahren frei prüfen kann ( BGE 123 II 49 E. 6a S. 54 f.). 3.1 Gemäss einer in albanischer Sprache verfassten Vollmacht vom 6. Mai 2003 hat die Beschwerdegegnerin einen Rechtsanwalt im Kosovo beauftragt, sie im Scheidungsverfahren zwischen ihr und dem Beschwerdeführer zu vertreten. Konkret wird der Anwalt "zur Vertretung vor dem Bezirksgericht in Prizren betreffend die einvernehmliche Auflösung der ehelichen Gemeinschaft" bevollmächtigt. Die Anwaltsvollmacht ist mit einer von einem schweizerischen Notar beglaubigten Unterschrift der Beschwerdegegnerin versehen. Aus der Wendung "einvernehmliche Auflösung" der ehelichen Gemeinschaft lässt sich das Einverständnis der Beschwerdegegnerin zur Scheidung ableiten. Bereits das Obergericht hat festgestellt, die Beschwerdegegnerin habe mit der Vollmacht den Anwalt mit der einvernehmlichen Auflösung der ehelichen Gemeinschaft beauftragt. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin in der Anwaltsvollmacht ihre Zustimmung zur Ehescheidung erteilt hat. Dem entspricht im Übrigen das Scheidungsurteil des Bezirksgerichts Prizren vom 30. Mai 2003, welches beide Parteien als "Antragsteller" bezeichnet und von einer "gemeinsamen Ehescheidungsvereinbarung" spricht. 3.2 Damit ist weiter darüber zu befinden, ob die in der Vollmacht erklärte Zustimmung zur Ehescheidung als Erklärung an das Gericht BGE 131 III 182 S. 185 angesehen werden kann. Dies hat das Obergericht verneint und aus diesem Grund die Anerkennung des Scheidungsurteils verweigert. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die Anwaltsvollmacht sei dafür vorgesehen, dem zuständigen Gericht eingereicht zu werden und daher geeignet, den Scheidungswillen der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Scheidungsgericht zu manifestieren. Es ist tatsächlich nicht ersichtlich, welchem anderen Zweck als der Geltendmachung vor dem zuständigen Gericht der in der Vollmacht geäusserte Scheidungswille dienen könnte. So wird der Anwalt ausdrücklich mit der Vertretung vor Gericht beauftragt. Dass der Inhalt der Erklärung (auch) für das Gericht bestimmt ist, wird zudem dadurch bestätigt, als darin ausdrücklich festgehalten wird, dass es dem Bevollmächtigten "obliegt mitzuteilen", dass aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen seien und beide Ehegatten in einem Arbeitsverhältnis stehen würden. Die in der Vollmacht enthaltene Erklärung des Scheidungswillens ist folglich als Erklärung an das Gericht zu verstehen. 4. Strittig ist weiter, ob die Anerkennung des Scheidungsurteils zu verweigern ist, weil die Beschwerdegegnerin ihren Scheidungswillen nicht persönlich vor dem Richter geäussert hat. Es stellt sich somit die Frage, ob die in Art. 111 Abs. 1 ZGB vorgesehene persönliche Anhörung der Ehegatten durch den Richter bei einer einvernehmlichen Scheidung zum schweizerischen Ordre public gehört. 4.1 Gemäss Art. 27 Abs. 1 IPRG kann eine ausländische Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt werden, wenn die Anerkennung mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar wäre. Eine Anerkennung verstösst dann gegen den materiellen Ordre public, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Entscheids in unerträglicher Weise verletzt würde, weil dadurch grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet werden. Die Anwendung des Ordre public-Vorbehaltes ist im Bereich der Anerkennung ausländischer Entscheide nach dem Wortlaut des Gesetzes restriktiver als im Bereich der Anwendung des fremden Rechts gemäss Art. 17 IPRG ( BGE 116 II 625 E. 4a S. 629; BGE 122 III 344 E. 4a S. 348; BGE 126 III 327 E. 2b S. 330). BGE 131 III 182 S. 186 4.2 Die Beschwerdegegnerin leitet aus dem nicht publizierten Urteil des Bundesgerichts 5C.297/2001 vom 4. März 2002 (publ. in: Pra 91/2002 Nr. 87 S. 499) ab, die persönliche Teilnahme der Ehegatten am Scheidungsverfahren bzw. deren persönliche Anhörung gehöre zum schweizerischen Ordre public. In diesem Urteil hat das Bundesgericht vorab ausgeführt, eine einvernehmliche Scheidung verstosse gegen den Ordre public, wenn eine Partei vor dem Gericht nicht selber erkläre, sie willige in die Scheidung ein. Nach einem Hinweis auf das schweizerische Recht, das die persönliche Anhörung der Parteien im Scheidungsverfahren ( Art. 111 Abs. 1 ZGB ) sowie die schriftliche Bestätigung des Scheidungswillens nach einer Bedenkzeit ( Art. 111 Abs. 2 ZGB ) vorsieht, hat das Bundesgericht weiter festgehalten, es gehöre zu den Grundvoraussetzungen des schweizerischen Scheidungsrechts und entspreche daher gleichsam dem schweizerischen Ordre public, dass sich der Richter vom Scheidungswillen der Parteien hinreichend sicher überzeuge. Daher müsse auch in einem im Ausland durchgeführten Scheidungsverfahren der entsprechende Wille nachgewiesen sein, bevor der Richter die Scheidung einvernehmlich ausspreche. Das Bundesgericht hat in diesem Fall das ausländische Urteil für Ordre publicwidrig gehalten, da überhaupt keine Erklärung der Ehefrau vorlag, mit der sie in die Scheidung einwilligte, und diese ohne ihr Wissen erfolgte. Die Anerkennung einer einvernehmlichen Scheidung setzt nicht voraus, dass das ausländische Gericht entsprechend den Regeln von Art. 111 ZGB vorgegangen ist. Dagegen gehört das Erfordernis, dass eine Partei selber erklärt, sie willige in die Scheidung ein, und sich das Gericht vom Scheidungswillen der Parteien hinreichend überzeugt, zu den grundlegenden Prinzipien der schweizerischen Rechtsordnung. Die Gewissheit über den Scheidungswillen wird durch persönliche Anhörung der Parteien und schriftlicher Bestätigung des Scheidungswillens nach einer Bedenkzeit - wie in Art. 111 ZGB vorgesehen - optimal gewährleistet. Dies bedeutet indes nicht, dass der Scheidungswille nicht auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann. Das Scheidungsgericht kann sich auch auf Grund einer schriftlichen Erklärung der Parteien hinreichend sicher von deren Einverständnis mit der Scheidung überzeugen. Dem entspricht BGE 122 III 344 , in welchem das Bundesgericht festgehalten hat, ein Verstoss gegen Art. 27 Abs. 1 IPRG liege vor, wenn nur Repräsentanten der Familie zusammengetroffen seien und BGE 131 III 182 S. 187 die Ehe bloss ihrerseits einverständlich aufgelöst haben, ohne dass beide Ehegatten anwesend oder damit zumindest einverstanden gewesen seien (E. 4b S. 439). Es ist folglich nicht ausgeschlossen, dass eine Scheidung auch anerkannt werden kann, wenn die Ehegatten nicht persönlich beim Verfahren anwesend gewesen sind. Im Übrigen wird in der Literatur zu Art. 111 ZGB teilweise die Ansicht vertreten, dass unter gewissen Umständen auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden kann (ROLAND FANKHAUSER, in: Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar Scheidungsrecht, N. 14 zu Art. 111 ZGB ; GLOOR, Basler Kommentar, N. 8 zu Art. 111 ZGB ; RUTH REUSSER, Die Scheidungsgründe und die Ehetrennung, in: Heinz Hausheer [Hrsg.], Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, N. 1.35). 4.3 Im vorliegenden Fall ergibt sich die Zustimmung zur Scheidung aus der erwähnten Anwaltsvollmacht. Das Abstellen auf eine blosse Anwaltsvollmacht kann zwar heikel sein, insbesondere wenn nicht bekannt ist, unter welchem Umständen sie unterzeichnet worden ist. Hier ist nun aber die vor einem schweizerischen Notar unterzeichnete Vollmacht so konkret abgefasst (vgl. E. 3.1 vorangehend), dass am Einverständnis der Beschwerdegegnerin zur einvernehmlichen Scheidung keine Zweifel bestehen. Die Bedenken, welche die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang vorbringt (Widerruf der Vollmacht, ohne dass das Gericht davon Kenntnis erhält), sind rein theoretischer Natur, da sie nicht behauptet, sie habe die Vollmacht tatsächlich widerrufen. Im Verfahren vor Obergericht hat sie noch behauptet, keinen Anwalt mit der Scheidung beauftragt zu haben. Dies macht sie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor Bundesgericht nicht mehr geltend und bestreitet insbesondere nicht mehr, die Vollmacht unterschrieben zu haben. Hingegen erklärt sie in einem nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist eingereichten Schreiben betreffend ihre Bedürftigkeit, sie sei - der deutschen Sprache nicht mächtig - getäuscht worden und habe geglaubt, eine Lebensversicherung zu unterschreiben. Abgesehen davon, dass diese Erklärung verspätet ist, erweist sie sich als offensichtlich aktenwidrig, ist doch die Anwaltsvollmacht in albanischer Sprache verfasst. Zudem ergibt sich aus den Akten, dass die Beschwerdegegnerin am 20. Dezember 2003 anlässlich einer Einvernahme gegenüber der Kantonspolizei Aargau zum Stichwort Heirat vorbehaltlos erklärt hat, sie sei seit dem 30. Mai 2003 (dies entspricht dem Datum des Scheidungsurteils des BGE 131 III 182 S. 188 Bezirksgerichts Prizren) geschieden und zum Stichwort Eheleben, "schlecht, aus diesem Grund haben wir geschieden". Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, entgegen dem Anschein der von ihr unterzeichneten Vollmacht ohne ihre Einwilligung geschieden worden zu sein, erweist sich folglich als aktenwidrig. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf Grund der Akten das Einverständnis der Beschwerdegegnerin mit der Scheidung klar dokumentiert ist und das Scheidungsgericht sich von ihrem Scheidungswillen durch die Vollmacht hinreichend sicher überzeugen konnte. Die Einwendungen der Beschwerdegegnerin erweisen sich als aktenwidrig und unglaubwürdig. 4.4 Dementsprechend verstösst die Anerkennung des Urteils des Bezirksgerichts Prizren vom 30. Mai 2003 nicht gegen den schweizerischen Ordre public und die Scheidung der Parteien kann in die Zivilstandsregister eingetragen werden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insoweit gutzuheissen. Mit der Aufhebung des obergerichtlichen Urteils tritt die Verfügung des Departement des Innern des Kantons Aargau vom 7. Oktober 2003 wieder in Kraft.
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197e7f88-9cda-46c6-827d-6f92aeca6bea
Sachverhalt ab Seite 149 BGE 124 III 149 S. 149 Die Erben B. vermieteten H. auf 1. Juli 1992 ein Ladenlokal in I. Der Mietvertrag wurde auf fünf Jahre abgeschlossen mit einer Option des Mieters für weitere drei Jahre. Das Mietobjekt, in dem vorher eine Apotheke geführt worden war, umfasste einen Laden von ungefähr 100 m2 im Erdgeschoss sowie einen Keller im Untergeschoss. H. baute zu Beginn des Mietverhältnisses die Räume um. Nach kurzer Zeit musste er indes die Insolvenzerklärung abgeben, und am 30. September 1992 wurde über ihn der Konkurs eröffnet. In diesem liess sich die A. Immobilien AG die Rechtsansprüche gegenüber den Vermietern auf Ersatz des Mehrwertes aus den Umbauten abtreten. Die A. Immobilien AG klagte im September 1995 gegen die Erben B. unter anderem auf Bezahlung von Fr. 70'000.-- nebst Zins. Sie setzte diesen eingeklagten Betrag später auf Fr. 48'000.-- herab. Das Mietgericht Zürich und am 13. Dezember 1996 ebenso das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage im Betrag von Fr. 48'000.-- nebst Zins zu schützen. Die Beklagten schliessen auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. BGE 124 III 149 S. 150 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 260a OR kann der Mieter Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache nur vornehmen, wenn der Vermieter schriftlich zugestimmt hat (Abs. 1). Hat der Vermieter zugestimmt, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zustands nur verlangen, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist (Abs. 2). Weist die Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses dank der Erneuerung oder Änderung, welcher der Vermieter zugestimmt hat, einen erheblichen Mehrwert auf, so kann der Mieter dafür eine entsprechende Entschädigung verlangen; weitergehende schriftlich vereinbarte Entschädigungsansprüche bleiben vorbehalten (Abs. 3). Im Mietvertrag wurde der Verwendungszweck des Mietobjekts als "Showroom und Verkaufsladen" bezeichnet. Die Parteien fügten dem Vertrag eine Zusatzvereinbarung bei, die sie am gleichen Tag unterzeichneten. Darin hielten sie folgendes fest: "Der Mieter übernimmt die Räumlichkeiten in unausgebautem Zustand und ist berechtigt, die Lokale für seine Bedürfnisse auszubauen. Sämtliche Investitionen gehen entschädigungslos an den Vermieter. Bei einem Auszug ist der Mieter nicht verpflichtet, den ursprünglichen Zustand der Lokalitäten wieder herzustellen. Der Mieter ist berechtigt, diesen Vertrag auf seine Kosten im Grundbuch anmerken zu lassen." Nach dem angefochtenen Urteil hat der Mieter mit dieser Zusatzvereinbarung gültig auf eine Entschädigung verzichtet. Ausserdem schliesst das Obergericht unabhängig davon einen Anspruch des Mieters aus ungerechtfertigter Bereicherung infolge der vorzeitigen Vertragsauflösung aus, weil der Mieter mit dem Konkurs Anlass zur Auflösung des Vertrags gegeben habe und überdies der Vermieter tatsächlich nicht bereichert sei. Mit Bezug auf die Verneinung eines Bereicherungsanspruchs aus der vorzeitigen Vertragsauflösung ist der Entscheid nicht angefochten. Die Klägerin macht mit der Berufung einzig geltend, Art. 260a Abs. 3 OR habe zugunsten des Mieters zwingenden Charakter, weshalb der Verzicht auf Entschädigung ungültig sei. 4. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Die Auslegung ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers auszurichten, welche mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente ermittelt werden muss, wobei das Bundesgericht es ablehnt, die einzelnen Auslegungselemente BGE 124 III 149 S. 151 einer festen hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 123 III 24 E. 2a S. 26 mit Hinweisen). a) Nach Auffassung der Klägerin spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber Art. 260a Abs. 3 OR zugunsten des Mieters zwingenden Charakter verleihen wollte. Der letzte Satz der Bestimmung, welcher ausdrücklich nur weitergehende schriftlich vereinbarte Entschädigungsansprüche vorbehält, legt zunächst eine solche Auslegung nahe. b) Art. 260a OR wurde mit der Revision des Mietrechts vom 15. Dezember 1989 eingeführt. Das alte Recht enthielt keine Bestimmung darüber, ob der Mieter für die von ihm vorgenommenen Investitionen vom Vermieter eine Entschädigung fordern konnte. Selbst bei Zustimmung des Vermieters konnte der Mieter eine Entschädigung nur dann verlangen, wenn diese verabredet war. Ausnahmsweise bejahte die Praxis einen Bereicherungsanspruch, wenn ein vereinbartes oder ein übereinstimmend vorausgesetztes Mietverhältnis von langer Dauer endgültig aufgelöst wurde ( BGE 105 II 92 E. 4 S. 97 f.). Das neue Recht bezeichnet Art. 260a Abs. 3 OR nicht ausdrücklich als zwingende Bestimmung. Die geltende Vorschrift unterscheidet sich dadurch von der entsprechenden Bestimmung des Vorentwurfs der Expertenkommission, welche einen ausdrücklichen Hinweis auf die zwingende Natur vorsah (Art. 274 zu Art. 271a, Begleitbericht zum Vorentwurf S. 35; dazu GUINAND, Le sort des améliorations faites par le locataire lors de la résiliation du bail, in SJ 1982, S. 145 ff., S. 151). Dieser Vorschlag ist in der Vernehmlassung sowohl von Vermieter- wie von Mieterseite kritisiert worden, weil der vorsichtige Vermieter angesichts der Entschädigungspflicht dazu neigen werde, die Zustimmung zu Änderungen des Mieters zu verweigern. In dem vom Bundesrat schliesslich vorgeschlagenen Text (BBl 1985 I S. 1501 ff.) fehlt ein entsprechender Hinweis, auch wurde weder in der Botschaft (BBl 1985 I 1389 ff.) noch in den Beratungen der eidgenössischen Räte dazu etwas ausgeführt. Die geltende Fassung der Bestimmung geht auf die ständerätliche Kommission zurück (AB 1988 S. 156), die mit der sprachlichen Neufassung unterstreichen wollte, dass eine Entschädigung nicht bei jedem, sondern nur bei einem erheblichen Mehrwert in Frage käme, und eine weitergehende Entschädigung deshalb eine besondere Parteiabrede voraussetze. Zu dieser Klarstellung wurde der Nachsatz betreffend den Vorbehalt weitergehender schriftlich vereinbarter Entschädigungsansprüche eingefügt (a.a.O. S. 157). BGE 124 III 149 S. 152 Die vom Wortlaut gestützte Annahme, der Gesetzgeber habe Art. 260a Abs. 3 OR zugunsten des Mieters als zwingende Norm ausgestalten wollen, erscheint aufgrund dieser Einblicke in die Entstehungsgeschichte eher fraglich, indes ginge es zu weit, daraus eindeutige Schlüsse auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu ziehen. Diese ist im streitigen Punkt unklar geblieben. c) Die Meinungen in der Lehre sind geteilt. Roncoroni (Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht, in: mp 1990 S. 89 und 93) zählt Art. 260a Abs. 3 OR zu den relativ zwingenden Bestimmungen, ohne diesen Schluss näher zu begründen. Verschiedene Autoren haben sich ihm angeschlossen und ohne weitere Begründung auf ihn verwiesen (GUINAND/WESSNER, SJK 358, S. 14; WESSNER, Die allgemeinen Bestimmungen des neuen Mietrechts, in: mp 1991 S. 120; ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 6 zu Art. 260a OR ; vgl. auch derselbe, Das Mietrecht, Leitfaden, 2. Aufl. 1995, S. 87; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 366 Rz. 3.4; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl. 1992, S. 401 Rz. 3.4 [sowohl LACHAT/MICHELI wie LACHAT/STOLL machen allerdings einen Vorbehalt für den Fall, dass die vom Mieter beabsichtigten Investitionen bei der Festsetzung des Mietzinses berücksichtigt werden]. Zum Teil wird auch GUHL/MERZ/KUMMER/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl., S. 419, zu dieser Lehrmeinung gezählt). Demgegenüber vertraten Lachat/Micheli in der ersten Auflage ihres Werks (Le nouveau droit du bail 1990, S. 366 Rz. 3.4) die Auffassung, die Bestimmung enthalte dispositives Recht, offenbar in der Meinung, dass im allgemeinen selbst bei beträchtlichen Aufwendungen diesen bei der Festsetzung des Mietzinses Rechnung getragen werde. LACHAT (Le bail à loyer 1997, S. 543 Rz. 4.8) schliesst sich in seiner neuesten Veröffentlichung wieder dieser Auffassung an und begründet diesen Schritt damit, dass der Vermieter, der die Änderungen ablehnen könne, auch die weniger weit gehende Möglichkeit haben müsse, die Zustimmung unter Bedingungen zu geben. ENGEL (Contrats de droit suisse, S. 152 f.) folgt ohne weitere Begründung der Auffassung der ersten Auflage von LACHAT/MICHELI. Nach dem SVIT-Kommentar 1991 (S. 338/339 Rz. 84) enthält Art. 260a Abs. 3 OR dispositives Recht; nach dieser Auffassung gehen Vereinbarungen über eine Entschädigung oder einen Verzicht auf eine solche selbstverständlich vor. HIGI (Zürcher Kommentar, N. 5 und N. 62 zu Art. 260a OR ) schliesst sich ebenfalls BGE 124 III 149 S. 153 dieser Lehrmeinung an, weil es im Belieben des Vermieters stehe, seine Zustimmung zu einer Änderung überhaupt zu erteilen und er daher diese auch mit Auflagen und Bedingungen verknüpfen könne. Ausserdem beruft er sich auf die Kann-Formulierung ("... so kann der Mieter ...verlangen") und meint, danach stehe es dem Mieter frei, eine Entschädigung zu beanspruchen, was zwingend bedeute, dass er darauf auch verzichten könne (a.a.O.). ZEHNDER (Die Bestimmung der Mehrwertentschädigung bei Mieterbauten ( Art. 260a Abs. 3 OR ), in: AJP 1996 S. 726 f.) lehnt mit Higi die Auffassung ab, dass die Bestimmung relativ zwingend ist. Er pflichtet dessen Begründung bei und meint, für diese Lösung spreche eine weitere Überlegung: Vielfach veranlasse gerade die verabredete Entschädigung bzw. deren Wegbedingung den Vermieter überhaupt zur Zustimmung für die Mieterbaute. Sofern die vereinbarte Entschädigung oder die vereinbarte Wegbedingung ungültig seien, so wäre nicht auszuschliessen, dass der Vermieter seine Zustimmung zum Mieterbau wegen Grundlagenirrtums anfechten und anschliessend die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen könnte, womit dem Mieter kaum gedient wäre; durch die verbindlich vereinbarte Mehrwertentschädigung oder deren Wegbedingung liessen sich viele Unsicherheiten beseitigen. d) Aus der kantonalen Rechtsprechung liegen zwei veröffentlichte Entscheide vor, die ebenfalls zum Schluss gelangen, die Bestimmung sei dispositiver Natur. Die Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève hat in einem Entscheid vom 18. Februar 1994 (Cahiers du bail 1994, S. 128) festgehalten, Art. 260a Abs. 3 OR habe entgegen Roncoroni dispositiven Charakter. Das Gericht schliesst sich dafür der ersten Auflage von LACHAT/MICHELI und dem SVIT-Kommentar an. Zur Begründung fügt es bei, diese Auffassung lasse sich namentlich mit Rücksicht darauf vertreten, dass Art. 260a OR durchwegs von einer Absprache zwischen den Parteien ausgehe. Das Obergericht des Kantons Zürich hat sich in einem Entscheid vom 7. Mai 1996 (Mietrecht aktuell 1996, S. 180 ff.) auf den es im angefochtenen Urteil verweist, mit der Frage eingehend auseinandergesetzt und ist zum gleichen Ergebnis gekommen wie die Genfer Chambre de baux et loyers. Es stellt sich auf den Standpunkt, nur eine Auslegung der Bestimmung, die dem Vermieter und Mieter beim Vertragsabschluss die Möglichkeit offenlasse, verbindliche Abmachungen darüber zu treffen, unter welchen Bedingungen sich der Vermieter mit Erneuerungen oder Änderungen an der Sache einverstanden BGE 124 III 149 S. 154 erkläre, entspreche dem Sinn und Zweck der Norm. Es bestehe kein Anlass, diesbezüglich die Vertragsfreiheit einzuschränken, denn eine Einschränkung im Sinne einer Unverbindlicherklärung eines Entschädigungsverzichts durch den Mieter würde sich häufig gerade zu dessen Ungunsten auswirken. Der Vermieter, der sich vom Mieter nicht verbindlich einen Entschädigungsverzicht zusichern lassen könne, würde entweder seine Zustimmung verweigern ( Art. 260a Abs. 1 OR ) oder die Wiederherstellung des früheren Zustandes schriftlich vereinbaren ( Art. 260a Abs. 2 OR ). Beide Lösungen brächten dem Mieter Nachteile: Im ersten Fall dürfte er den von ihm gewünschten Umbau nicht vornehmen, bei der zweiten Möglichkeit hätte er nicht nur die Kosten des Umbaus, sondern ebenfalls jene der Wiederherstellung zu tragen. Eine solche Lösung widerspräche dem Sinn und Zweck der Norm. Diesen entspreche vielmehr der dispositive Charakter der Bestimmung, welcher den Vertragspartnern die Möglichkeit einer Zustimmung zum Umbau beim gleichzeitigen Verzicht auf Entschädigung offenlasse. Der Mieter könne so beim Vertragsabschluss abwägen, ob er den Umbau für den der Vermieter eine Entschädigung ablehne, überhaupt vornehmen wolle; er könne sich insbesondere durch Abschluss eines langjährigen Mietvertrages oder etwa die Gewährung eines Kaufsrechts absichern (a.a.O. S. 183). 5. Aus diesen Darlegungen erhellt, dass sich die von der K lägerin und von einem Teil der Lehre befürwortete Auslegung zwar an den Wortlaut der Bestimmung anlehnen kann, dass sie aber dem Sinn und Zweck der Regelung nicht gerecht wird. Dabei ist vorweg mit dem Obergericht (a.a.O. S. 183) festzuhalten, dass sich aus dem Text, "...so kann der Mieter ... verlangen", nichts zugunsten des dispositiven Normcharakters ableiten lässt, weil diese Kann-Formulierung sich nur auf den nachträglichen Verzicht des Mieters bezieht. Mit Bezug auf den Sinn und Zweck der Bestimmung ist sodann den erwähnten Erwägungen des Obergerichts des Kantons Zürich sowie den angeführten Überlegungen aus der Lehre ohne Einschränkung beizupflichten. Daraus ergibt sich, dass Art. 260a Abs. 3 OR als dispositive Norm zu betrachten ist, und somit der Mieter im voraus gültig auf eine Entschädigung verzichten kann. Die Vorinstanz hat daher Bundesrecht nicht verletzt, indem sie den Verzicht des Mieters auf Entschädigung in der erwähnten Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag als gültig betrachtet hat. Die Berufung erweist sich somit als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 263 BGE 115 Ib 263 S. 263 X. führte bis Ende Juni 1982 ein Spenglerei- und Sanitärgeschäft (Einzelfirma). In der Folge gründete er zwei Aktiengesellschaften, BGE 115 Ib 263 S. 264 die X. Spenglerei und Sanitär AG sowie die X. Immobilien AG. Auf den 1. Juli 1982 brachte er das Spenglereigeschäft in die X. Spenglerei und Sanitär AG ein, während er die Liegenschaften auf die X. Immobilien AG übertrug. Die Übertragung erfolgte durch entsprechende Sacheinlage zu den Buchwerten. Mit Rücksicht auf die Umwandlung der Einzelfirma in zwei Aktiengesellschaften und den damit verbundenen Berufswechsel (Wechsel von einer selbständigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit) wurde X. auf den 1. Juli 1982 zwischenveranlagt. Gleichzeitig wurde eine Jahressteuer gemäss Art. 43 BdBSt (damals WStB) für einen Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt von Fr. ... erhoben. Die Veranlagungsbehörde (Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer St. Gallen) anerkannte die Gründung der X. Spenglerei und Sanitär AG als steuerneutrale Umwandlung der früheren Einzelunternehmung. Sie fand jedoch, dass mit der Gründung der X. Immobilien AG mit Liegenschaften der früheren Einzelfirma als Sacheinlage der Steuerpflichtige Vermögensstücke ihrem geschäftlichen Zweck entzogen und damit die auf den Liegenschaften eingetretenen Mehrwerte realisiert habe (Privatentnahme). Eine Einsprache gegen diese Veranlagung wurde teilweise gutgeheissen und der Kapitalgewinn auf Fr. ... herabgesetzt. Die vom Pflichtigen gegen diese Veranlagung erhobene Beschwerde hiess die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen gut und hob die Jahressteuer auf. Sie hielt die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung der stillen Reserven auf den Liegenschaften der bisherigen Einzelfirma auf die neugegründete X. Immobilien AG als erfüllt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der sie beantragt, der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen sei aufzuheben und der steuerbare Liquidationsgewinn gemäss Einspracheentscheid festzusetzen. Der Steuerpflichtige und die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen beantragen, die Beschwerde der Eidgenössischen Steuerverwaltung abzuweisen, während die Kantonale Steuerverwaltung St. Gallen in ihrer Vernehmlassung auf Gutheissung der Beschwerde schliesst. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Veranlagung eines Liquidationsgewinnes an die Veranlagungsbehörde zurück. BGE 115 Ib 263 S. 265 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 43 BdBSt ist beim Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung neben der Steuer vom übrigen Einkommen eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt zu dem Steuersatz geschuldet, der sich für dieses Einkommen allein ergibt. Der Beschwerdegegner (Steuerpflichtige) brachte sein als Einzelfirma geführtes Spenglerei- und Sanitärgeschäft in eine neugegründete Aktiengesellschaft (X. Spenglerei und Sanitär AG) ein und wurde damit zum unselbständig Erwerbenden. Es war deshalb bei ihm auf den 1. Juli 1982 eine Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels ( Art. 96 BdBSt , damals WStB) vorzunehmen. Die Veranlagungsbehörde nahm jedoch an, dass mit der Auflösung der Einzelunternehmung und der Übertragung der Geschäftsvermögen bildenden Liegenschaften auf die neue Immobiliengesellschaft (X. Immobilien AG) die stillen Reserven auf den Liegenschaften realisiert worden seien, und veranlagte den Beschwerdegegner mit einer Jahressteuer gemäss Art. 43 und Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt . Demgegenüber kam die Rekurskommission zum Schluss, es seien alle Voraussetzungen für eine steuerfreie Betriebsteilung erfüllt. 2. a) Nach Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt gelten in einer zur Buchführung verpflichteten Unternehmung Kapitalgewinne dann als erzielt, wenn Teile des Geschäftsvermögens veräussert oder verwertet werden. Keine solche Veräusserung ist indessen unter Umständen anzunehmen, wenn eine Unternehmung bloss die Rechtsform wechselt. So kann es sich namentlich verhalten, wenn der Inhaber einer Einzelfirma sein Geschäft auf eine oder mehrere neue Aktiengesellschaften überträgt, sofern die übernommenen Betriebe unverändert weitergeführt werden und die Beteiligungen nicht zur Weiterveräusserung bestimmt sind. Werden die Aktiven und Passiven gesamthaft zu den bisherigen Buchwerten übernommen, so stellt die Übertragung im wirtschaftlichen Sinn keine Liquidation oder Veräusserung dar. Aber auch steuerrechtlich fehlt es an einer Realisierung der übertragenen stillen Reserven. In der Rechtsprechung und Steuerpraxis wird deshalb in solchen Fällen - unter näher genannten Voraussetzungen - auf die Besteuerung der stillen Reserven verzichtet; bei Einzelfirmen und Personengesellschaften wird dabei an Art. 21 Abs. 1 lit. d, bei BGE 115 Ib 263 S. 266 juristischen Personen an Art. 12 Abs. 2 BdBSt angeknüpft ( BGE 102 Ib 53 ; ASA 52, 559/60; 38, 500 ff. E. 1; KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982, N. 177 ff. zu Art. 21; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985, N. 99 f. zu Art. 21; vgl. auch BGE 98 Ib 413 E. 5 und ASA 40, 116, betreffend Art. 12 Abs. 2 BdBSt ). b) Über die Erfordernisse, unter denen bei Unternehmungsumwandlungen, -teilungen usw. auf eine steuerliche Abrechnung auf den eingetretenen Mehrwerten verzichtet werden kann, herrscht in der Steuerpraxis und Literatur allerdings nicht vollständige Übereinstimmung. Bemängelt wird in der Literatur namentlich, dass die Teilung oder Aufspaltung einer Handels-, Dienstleistungs- oder Fabrikationsunternehmung in eine Betriebsgesellschaft und eine parallele Immobiliengesellschaft (Schwestergesellschaft) nicht als steuerneutrale Unternehmungsteilung, d.h. als Teilung in "wirkliche Betriebe" (vgl. MASSHARDT, a.a.O., N. 31 zu Art. 53), anerkannt wird: Was Gegenstand einer rechtlich selbständigen Unternehmung (Kapitalgesellschaft) sein kann - Betriebe, Beteiligungen, Immobilien -, müsse auch als selbständiger Unternehmungsteil steuerneutral abgespalten werden können (so namentlich CAGIANUT/HÖHN, Unternehmungssteuerrecht, § 19 N. 57 S. 645/6; W. JAKOB, Die steuerliche Behandlung der Unternehmungsteilung, Diss. St. Gallen 1983, S. 156 ff., besonders 161; H. WEIDMANN, Steuerfragen bei Unternehmungsumwandlungen und -teilungen, StR 41/1986, S. 14/5). - Das Bundesgericht hat im Entscheid vom 3. Juli 1970 die Frage offengelassen, ob die Aufspaltung einer Fabrikationsunternehmung in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft als erfolgsneutrale Unternehmungsteilung behandelt werden kann (ASA 40, 117 E. 2). In einem weiteren Entscheid vom 8. Juni 1983 erachtete es die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung der stillen Reserven bei der Aufspaltung einer Einzelfirma in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft - verbunden mit einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse - nicht als gegeben, nahm dabei jedoch zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Teilung in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft steuerneutral erfolgen könne, nicht allgemein Stellung (ASA 52, 559 ff. E. 4, 5). Unter welchen Bedingungen auf die Besteuerung der stillen Reserven bei einer Unternehmungsteilung verzichtet werden kann und dies namentlich bei der Abspaltung einer Immobiliengesellschaft in Betracht fällt, wurde auch in dem - der BGE 115 Ib 263 S. 267 Vorinstanz und dem Anwalt des Beschwerdegegners bekannten - Urteil vom 3. März 1989 in Sachen Eidgenössische Steuerverwaltung gegen I. AG nicht allgemein beantwortet. c) Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass auch eine Immobiliengesellschaft, die über den Rahmen blosser Vermögensverwaltung hinaus eine grosse Zahl von Liegenschaften durch eigene Dienstleistungen (Vermietung, Verwaltung) betreut oder mit ihnen Handel treibt, die typischen Eigenschaften eines Betriebes im steuerrechtlichen Sinn aufweisen kann (so auch M. REICH, Die Realisation stiller Reserven im Bilanzsteuerrecht, Zürich 1983, S. 193, und A. ROUILLER, Unternehmungsteilungen, ASA 56 S. 308 f.). Ebenso ist unter Umständen einer Einzelunternehmung, die viele Immobilien verwaltet und mit ihnen eventuell Handel treibt, die Qualifikation als Betrieb nicht zum vornherein abzusprechen. Das Bundesgericht versteht den Begriff des Betriebes nicht im rein technischen Sinn, d.h. als Herstellung und Verkauf von Waren. Vielmehr kommen als Gegenstand eines geschäftlichen Betriebes auch Dienstleistungen in Betracht, etwa die Vermietung, wie das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 22 Abs. 1 lit. b BdBSt (Frage der Abzugsfähigkeit von Abschreibungen und Rückstellungen bei geschäftlichen Betrieben) wiederholt festgestellt hat ( BGE 110 Ib 24 E. 4; 91 I 288 /9; ASA 52, 369 ff. E. 6, 7). Von einem Betrieb kann allerdings nur gesprochen werden, wenn die Verwaltung sich nicht in dem erschöpft, was mit der blossen Anlage von Kapital einer Unternehmung in Immobilien ohnehin verbunden ist. Die stillen Reserven auf Vermögensstücken sind durch den Zweck, dem diese in der Unternehmung dienen, mit ihrem Geschäftsbetrieb verbunden. Ein Besteuerungsaufschub ist sachlich nur begründet, wenn die stillen Reserven bei der Umwandlung durch Teilung der Unternehmung jenem Geschäftsbetrieb erhalten bleiben, der seine rechtliche Form ändert ( BGE 102 Ib 53 E. 3a/aa; REICH, a.a.O., S. 189 ff.). Steuerfrei übertragen werden können die Vermögensstücke mit einem (Teil-) Betrieb mit eigenständiger Zwecksetzung. Werden dagegen Kapitalanlage und Betrieb getrennt, so verlieren die stillen Reserven ihre bisherige betriebliche Verknüpfung. Deshalb ist es u.a. nicht möglich, stille Reserven auf Liegenschaften, die bisher der Unternehmung nur als Kapitalanlage dienten, steuerneutral auf eine Immobiliengesellschaft zu übertragen, selbst wenn sie dort einem neuen Betrieb dienen sollten. BGE 115 Ib 263 S. 268 3. a) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdegegner seine als Einzelfirma verfasste Unternehmung in zwei neugegründete Aktiengesellschaften eingebracht. Während die Steuerbehörden die steuerneutrale Übertragung stiller Reserven der bisherigen Einzelfirma auf die neugegründete X. Spenglerei und Sanitär AG ohne weiteres zuliessen, ist umstritten, ob dies auch in bezug auf die stillen Reserven der Liegenschaften, welche der Beschwerdegegner in die X. Immobilien AG einbrachte, zu gelten habe. Bei diesen Liegenschaften handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, ein unüberbautes Grundstück, einen Miteigentumsanteil an einem solchen Grundstück, ein Grundstück mit Wohnhaus und Magazin sowie ein Grundstück mit einer Werkstatt. Die beiden zuletzt genannten Grundstücke dienten dem Spenglerei- und Sanitärgeschäft als Betriebsliegenschaften (Magazin, Werkstatt). Die übrigen Liegenschaften bildeten Kapitalanlage, allenfalls Betriebsreserve, und dienten damit ebenfalls dem Betrieb der Spenglerei. Mit der Teilung der Personenunternehmung sind indessen diese Liegenschaften aus ihrer bisherigen betrieblichen Verknüpfung herausgelöst worden. Die Aufteilung der Einzelunternehmung in eine Immobiliengesellschaft kann deshalb nicht als steuerneutraler Vorgang anerkannt werden. b) Die Rekurskommission will dem Beschwerdegegner allerdings auch zubilligen, er habe im Rahmen der früheren Personenunternehmung neben dem Spenglerei- und Sanitärgeschäft einen regen Liegenschaftenhandel betrieben, der als selbständiger Betriebsteil habe abgespalten und in der neuen Immobiliengesellschaft verselbständigt werden können. Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Der Beschwerdegegner mag zwar vor der Gründung der Immobiliengesellschaft mit Liegenschaften Handel getrieben haben, wie namentlich seine Beteiligungen an mehreren Baugesellschaften zeigen. Trotzdem ist wohl nicht von einem eigentlichen Betriebszweig Liegenschaftenhandel der Einzelfirma zu sprechen. Die Frage kann aber offenbleiben: Jedenfalls ging an die X. Immobilien AG ein Bestand an Liegenschaften der Einzelfirma über, der sich für die Führung einer selbständigen Unternehmung des Liegenschaftenhandels nur zum kleinen Teil eignet. Das ist erst recht der Fall, nachdem die X. Immobilien AG das unüberbaute Grundstück (Verkehrswert Fr. ...) verkauft hatte und ihr als Liegenschaften für eine eigentliche Handelstätigkeit nur das Mehrfamilienhaus und der Miteigentumsanteil an der unüberbauten Liegenschaft verblieben BGE 115 Ib 263 S. 269 sind. Diese Liegenschaften bilden daher Vermögensanlage, aber keine wirtschaftliche Unternehmung. c) Es trifft allerdings zu, dass das Bundesgericht den Begriff des Liegenschaftenhandels in anderem Zusammenhang wesentlich weiter gefasst hat, nämlich wenn es um die Frage ging, ob ein Veräusserungsgewinn Einkommen aus einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt bildet (oder als Kapitalgewinn mangels Buchführungspflicht steuerfrei bleibt, Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt ). Es hat dabei in langjähriger Rechtsprechung (namentlich zum Liegenschaftenhandel) eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit schon dann bejaht, wenn der Veräusserungsgewinn nicht im Rahmen einer hauptberuflichen oder mit dem Hauptberuf zusammenhängenden nebenberuflichen, sondern bei einer bloss gelegentlichen Tätigkeit erzielt wurde (zuletzt in BGE 112 Ib 81 ). Dabei ist jedoch zu beachten, dass Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt grundsätzlich an die auf Erwerb gerichtete Tätigkeit anknüpft und für die Steuerbarkeit solcher Veräusserungsgewinne die Führung eines geschäftlichen Betriebes nicht erforderlich ist (ASA 52, 368 E. 5; R. PATRY, La notion d'entreprise commerciale en droit administratif et fiscal suisse, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 662; kritisch dazu J.-A. REYMOND, Distinction entre gain en capital et revenu d'activité, in: Das schweizerische Steuerrecht. Eine Standortbestimmung. Festschrift zum 70. Geburtstag von Ferdinand Zuppinger, Bern 1989, S. 239 ff., besonders 242 ff.). Aus der auf Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt bezüglichen Rechtsprechung lässt sich für den vorliegenden Fall deshalb nichts ableiten.
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Sachverhalt ab Seite 145 BGE 146 IV 145 S. 145 A. A. überholte am 22. November 2016 auf einer Hauptstrasse zwei Fahrzeuge. Dabei stiess er mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer zusammen. Dieser verstarb gleichentags im Spital. B. Mit Strafbefehl vom 11. August 2017 auferlegte die Staatsanwaltschaft Innerschwyz (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) A. wegen fahrlässiger Tötung und grober Verletzung von Verkehrsregeln eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 90.-, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und eine Verbindungsbusse von Fr. 4'050.-. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse sprach die Staatsanwaltschaft eine Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Tagen aus. Dagegen erhob A. am 25. August 2017 Einsprache. BGE 146 IV 145 S. 146 Am 21. Dezember 2017 überwies die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Schwyz als Anklage. Am 25. Mai 2018 verurteilte die Einzelrichterin A. wegen fahrlässiger Tötung und grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 100.-, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und zu einer Verbindungsbusse von Fr. 4'500.-. Die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse setzte sie auf 45 Tage fest. C. Hiergegen erhob A. Berufung. Mit Beschluss vom 28. Januar 2019 hob das Kantonsgericht Schwyz (Strafkammer) das Urteil der Einzelrichterin von Amtes wegen auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur Weiterbehandlung an die Staatsanwaltschaft zurück (Dispositiv Ziffer 1). Es befand, die Staatsanwaltschaft habe im Strafbefehl die dafür gesetzlich vorgesehene Höchststrafe überschritten. Der Strafbefehl sei nichtig und damit auch das Urteil der Einzelrichterin. Die Staatsanwaltschaft werde, soweit erforderlich, das Vorverfahren neu durchzuführen und danach die Untersuchung mit einer ordentlichen Anklage bei der zuständigen Strafkammer des Bezirksgerichts abzuschliessen haben. D.
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Erwägungen ab Seite 283 BGE 118 V 283 S. 283 Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 9 Abs. 1 UVV , der die vom Eidg. Versicherungsgericht in ständiger Rechtsprechung verwendete Definition übernommen hat ( BGE 116 V 138 Erw. 3a und 147 Erw. 2a mit Hinweisen), gilt als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. Nach der Definition des Unfalls bezieht sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog. BGE 118 V 283 S. 284 Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet. Ob dies zutrifft, beurteilt sich im Einzelfall, wobei grundsätzlich nur die objektiven Verumständungen in Betracht fallen ( BGE 116 V 138 Erw. 3b und 147 Erw. 2a mit Hinweisen). b) Diese Grundsätze zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit gelten auch, wenn zu beurteilen ist, ob ein ärztlicher Eingriff den gesetzlichen Unfallbegriff erfüllt. Die Frage, ob eine ärztliche Vorkehr als mehr oder weniger ungewöhnlicher äusserer Faktor zu betrachten sei, ist aufgrund objektiver medizinischer Kriterien zu beantworten. Sie ist nur dann zu bejahen, wenn die ärztliche Vorkehr als solche den Charakter des ungewöhnlichen äusseren Faktors aufweist; denn das Merkmal der Aussergewöhnlichkeit bezieht sich nach der Definition des Unfallbegriffs nicht auf die Wirkungen des äusseren Faktors, sondern allein auf diesen selber. Nach der Praxis ist es mit dem Erfordernis der Aussergewöhnlichkeit streng zu nehmen, wenn eine medizinische Massnahme in Frage steht. Damit eine solche Vorkehr als ungewöhnlicher äusserer Faktor qualifiziert werden kann, muss ihre Vornahme unter den jeweils gegebenen Umständen vom medizinisch Üblichen ganz erheblich abweichen und zudem, objektiv betrachtet, entsprechend grosse Risiken in sich schliessen. Im Rahmen einer Krankheitsbehandlung, für welche der Unfallversicherer nicht leistungspflichtig ist, kann ein Behandlungsfehler ausnahmsweise den Unfallbegriff erfüllen, nämlich wenn es sich um grobe und ausserordentliche Verwechslungen und Ungeschicklichkeiten oder sogar um absichtliche Schädigungen handelt, mit denen niemand rechnet noch zu rechnen braucht. Ob ein Unfall im Sinne des obligatorischen Unfallversicherungsrechts vorliegt, beurteilt sich unabhängig davon, ob der beteiligte Mediziner einen Kunstfehler begangen hat, der eine (zivil- oder öffentlichrechtliche) Haftung begründet. Ebensowenig besteht eine Bindung an eine allfällige strafrechtliche Beurteilung des ärztlichen Verhaltens (RKUV 1988 Nr. U 36 S. 46 f. mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 180 ff.). 3. Im vorliegenden Fall geht aus den Akten, insbesondere den Gutachten der Dres. W. vom 15. Mai 1989 und Sch. vom 22. April 1988, hervor und ist unbestritten, dass für die durchgeführte Carotisangiographie bei richtiger Interpretation der CT-Aufnahmen keine Indikation bestand. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des kantonalen Gerichts verwiesen und festgestellt BGE 118 V 283 S. 285 werden, dass die Vornahme der Carotisangiographie medizinisch nicht indiziert war. a) Die Vorinstanz erwog, bei der Beurteilung der Frage, ob die medizinische Massnahme einen ungewöhnlichen äusseren Faktor darstelle, komme der Indikation zum Eingriff eine zentrale Bedeutung zu. Die fehlende Indikation sei bereits ein gewichtiges Indiz für die Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors im Sinne einer erheblichen Abweichung vom medizinisch Üblichen. Es bedürfe anschliessend nur noch eines kleinen, sich realisierenden Risikos, damit der Unfallbegriff erfüllt sei. Es bestehe folglich eine Wechselwirkung zwischen Indikation und Risiko: Je weniger der Eingriff an sich gerechtfertigt sei, desto kleiner seien die Risiken, welche dem Arzt bei dessen Durchführung zugebilligt werden dürften. Erfolge der Eingriff hingegen zu Recht, müssten auch grössere Risiken zugestanden werden. Für die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt stellt die Indikation kein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen der Kranken- und der Unfallversicherung dar. Die medizinische Massnahme sei in der Regel das Ergebnis einer Vielzahl von Entscheidungen über gesundheitsrelevante Fragen. Der Einbezug der Indikation in die unfallversicherungsrechtliche Beurteilung hätte zur Folge, dass jeweils die Krankengeschichte daraufhin analysiert werden müsste, welche Entscheide des medizinischen Personals am Misserfolg einer Behandlung beteiligt sein könnten. Im übrigen setze der Unfallbegriff ein aktives Tun oder Unterlassen des medizinischen Personals voraus. Die Indikation sei nur die innere Begründung für dieses Tun und deshalb für den Unfallbegriff entbehrlich. b) Der Auffassung der Anstalt ist beizupflichten. Damit eine medizinische Massnahme als ungewöhnlicher äusserer Faktor qualifiziert werden kann, muss praxisgemäss ihre Vornahme unter den gegebenen Umständen vom medizinisch Üblichen ganz erheblich abweichen (Erw. 2b). Entscheidend ist mithin, ob der Eingriff als solcher das Begriffsmerkmal der Aussergewöhnlichkeit erfüllt. Dagegen kommt der Indikation (dem "Angezeigtsein") in diesem Zusammenhang weder für sich allein noch im Verein mit anderen Umständen (wie ärztliche Fehlleistungen bei der Durchführung der Massnahme) irgendwelche Bedeutung zu. Bei der Indikation handelt es sich nicht um einen äusseren Faktor, sondern lediglich um den - auf vorgängigen ärztlichen Abklärungen und Erkenntnissen beruhenden - Grund, im Einzelfall ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Verfahren zur Anwendung zu bringen. Erweist sich BGE 118 V 283 S. 286 die Indikation für einen im Rahmen der Krankheitsbehandlung erfolgten Eingriff im nachhinein als falsch, liegt eine blosse Fehlbehandlung vor. Hierfür hat der Unfallversicherer nicht aufzukommen, es sei denn, die (nicht indizierte) Vorkehr selber überschreite die Schwelle der Aussergewöhnlichkeit.
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814.711 1 / 24 Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall (V-NISSG) vom 27. Februar 2019 (Stand am 31. August 2022) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf das Bundesgesetz vom 16. Juni 20171 über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall (NISSG), verordnet: 1. Abschnitt: Verwendung von Solarien Art. 1 Begriff Als Solarien im Sinne dieses Abschnitts gelten Anlagen, Geräte und Lampen, die mit ultravioletter (UV) Strahlung auf die Haut einwirken. Art. 2 Pflichten der Betreiberin oder des Betreibers 1 Die Betreiberin oder der Betreiber eines Solariums muss sicherstellen, dass: a. Solarien für Nutzerinnen und Nutzer gut sichtbar als UV-Typ 1, 2, 3 oder 4 nach Anhang 1 Ziffer 1 klassifiziert sind; b. die gesamte erythem-wirksame Bestrahlungsstärke eines Solariums unter Be- rücksichtigung der maximalen Strahlungsanteile nach Anhang 1 Ziffer 1 0,3 Watt pro Quadratmeter nicht überschreitet; c. den Nutzerinnen und Nutzern ein gerätespezifischer Bestrahlungsplan nach Anhang 1 Ziffer 2 zur Verfügung steht; d. UV-Schutzbrillen des vom Solariumhersteller bezeichneten Brillentyps vor- handen sind; e. die Nutzerinnen und Nutzer ein Solarium des UV-Typs 4 nur benutzen, wenn sie dem Personal eine ärztliche Empfehlung vorweisen. 2 Sie oder er muss das Solarium so einrichten und betreiben, dass: a. Personen unter 18 Jahren das Solarium nicht benutzen können; b. die Nutzerinnen und Nutzer die Vorgaben des Bestrahlungsplans am Solarium auf einfache Weise einstellen können. AS 2019 999 1 SR 814.71 814.711 Schutz des ökologischen Gleichgewichts 2 / 24 814.711 3 Sie oder er muss vor der Verwendung des Solariums die Nutzerinnen und Nutzer: a. darüber aufklären, dass Risikogruppen nach Anhang 1 Ziffer 3 unter keinen Umständen ein Solarium benutzen dürfen; b. über die in Anhang 1 Ziffer 4 aufgeführten Gefahren der UV-Bestrahlung so- wie die Massnahmen zur Minimierung dieser Gefahren aufklären. Art. 3 Unbediente Solarien Die Betreiberin oder der Betreiber darf nur Solarien des UV-Typs 3 ohne Bedienung zur Verfügung stellen. Art. 4 Bediente Solarien Die Betreiberin oder der Betreiber muss für den Betrieb von Solarien der UV-Typen 1, 2 und 4 nach den folgenden Normen2 ausgebildetes Personal einsetzen: a. SN EN 16489-1:2014, «Professionelle Dienstleistungen in Sonnenstudios – Teil 1: Anforderungen an die Bereitstellung von Ausbildungsdienstleistun- gen»; b. SN EN 16489-2:2015, «Professionelle Dienstleistungen in Sonnenstudios – Teil 2: Erforderliche Qualifikation und Kompetenz der Sonnenstudio-Fach- kraft». 2. Abschnitt: Verwendung von Produkten für kosmetische Zwecke Art. 5 Durchführen von Behandlungen 1 Behandlungen nach Anhang 2 Ziffer 1 mit Produkten, die für ihre Wirkung nichtio- nisierende Strahlung oder Schall erzeugen, dürfen von den folgenden Personen durch- geführt werden: a. Ärztinnen oder Ärzten, die zur Berufsausübung in eigener fachlicher Verant- wortung befugt sind; b. Praxispersonal unter direkter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung der Ärztinnen oder Ärzte nach Buchstabe a; c. Personen mit einem Sachkundenachweis mit Prüfung. 2 Behandlungen nach Anhang 2 Ziffer 2 mit solchen Produkten dürfen ausschliesslich von Personen nach Absatz 1 Buchstaben a oder b durchgeführt werden. 2 Die Normen können kostenlos eingesehen und gegen Bezahlung bezogen werden bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), Sulzerallee 70, 8404 Winterthur; www.snv.ch. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 3 / 24 814.711 Art. 6 Verwendungsverbot Verboten ist die Entfernung von: a. Tätowierungen und Permanent-Make-up mittels hochenergetisch gepulster nichtkohärenter Lichtquellen (IPL); b. Melanozytennävi mittels Laser oder IPL. Art. 7 Aufgaben der Trägerschaft für Sachkundenachweise 1 Die Trägerschaft für den Sachkundenachweis setzt sich aus den fachlich betroffenen Berufsverbänden mit medizinischer und kosmetischer Ausrichtung zusammen. 2 Sie erarbeitet die Ausbildungspläne, die Prüfungsinhalte und die Prüfungsregle- mente für Sachkundenachweise. Der Ausbildungsplan muss die Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten nach Anhang 2 Ziffer 3 vorsehen und dem Stand von Wissen und Technik entsprechen. Die Prüfungen müssen die Erlangung dieser Kennt- nisse und Fähigkeiten nachweisen. Art. 8 Aufgaben der Prüfungsstellen 1 Die Prüfungsstellen führen die Prüfungen durch und stellen die Sachkundenach- weise aus. 2 Sie melden die Sachkundenachweise dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit folgendem Inhalt: a. Name und Vorname; b. Geburtsdatum; c. zulässige Behandlungen nach Anhang 2 Ziffer 1. Art. 9 Anforderungen an die Ausbildungen und Prüfungen 1 Die Ausbildungen und Prüfungen müssen den Ausbildungsplan und die Prüfungsin- halte umsetzen. 2 Das EDI führt durch Verordnung eine Liste der Sachkundenachweise, welche die Anforderungen nach Anhang 2 Ziffer 3 erfüllen. 3 Das BAG anerkennt einen anderen Ausbildungsabschluss als gleichwertig, wenn die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten diesen Anforderungen entsprechen. 3. Abschnitt: Veranstaltungen mit Laserstrahlung Art. 10 Begriffe Im Sinne dieses Abschnitts gelten als: a. Veranstaltung mit Laserstrahlung: Lasershow, holografische Projektion, ast- ronomische Vorführung; Schutz des ökologischen Gleichgewichts 4 / 24 814.711 b. Publikumsbereich: Bodenfläche, auf der sich das Publikum aufhalten kann, einschliesslich des Raums bis 3 Meter oberhalb und 2,5 Meter seitlich der Bodenfläche. Art. 11 Einteilung von Lasereinrichtungen in Klassen Die Einteilung von Lasereinrichtungen in die Klassen 1, 1M, 2, 2M, 3R, 3B und 4 richtet sich nach der Norm SN EN 60825-1:20143 «Sicherheit von Lasereinrichtungen – Teil 1: Klassifizierung von Anlagen und Anforderungen». Art. 12 Veranstaltung ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich 1 Wer eine Veranstaltung ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich durchführt, an welcher eine Lasereinrichtung der Klasse 1M, 2M, 3R, 3B oder 4 betrieben wird, muss dafür eine Person nach Absatz 2 Buchstabe a einsetzen. 2 Die Person, welche die Lasereinrichtung betreibt, muss: a. über eine Sachkundebestätigung nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a oder einen Sachkundenachweis nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b verfügen; b. die Vorgaben nach Anhang 3 Ziffer 1.1 einhalten; c. dem BAG spätestens 14 Tage vor Beginn der Veranstaltung über dessen Mel- deportal die Angaben nach Anhang 3 Ziffern 2.1 und 2.2 melden. Art. 13 Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich 1 Wer eine Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich durchführt, an welcher eine Lasereinrichtung der Klasse 1M, 2M, 3R, 3B oder 4 betrieben wird, muss dafür eine Person nach Absatz 2 Buchstabe a einsetzen. 2 Die Person, welche die Lasereinrichtung betreibt, muss: a. über einen Sachkundenachweis nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b verfü- gen; b. die Vorgaben nach Anhang 3 Ziffer 1.2 einhalten; c. dem BAG spätestens 14 Tage vor Beginn der Veranstaltung über dessen Mel- deportal die Angaben nach Anhang 3 Ziffern 2.1 und 2.3 melden. 3 Eine Person mit Sachkundenachweis kann für die Überwachung einer Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich eine von ihr instruierte Person mit Sachkun- debestätigung einsetzen. Art. 14 Laserstrahlung im Freien oder ins Freie 1 Wer mit einer Lasereinrichtung jeglicher Klasse im Freien oder ins Freie strahlt, darf keine anderen Personen gefährden; insbesondere dürfen keine Pilotinnen oder Piloten, 3 Die Normen können kostenlos eingesehen und gegen Bezahlung bezogen werden bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), Sulzerallee 70, 8404 Winterthur; www.snv.ch. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 5 / 24 814.711 kein Flughafenpersonal und keine Triebfahrzeug- oder Motorfahrzeugführenden ge- blendet werden. 2 Strahlt eine Lasereinrichtung in den Luftraum, so müssen zur Sicherheit des Flug- betriebes die folgenden Personen dem BAG über dessen Meldeportal spätestens 14 Tage vor Beginn die folgenden Informationen nach Anhang 3 Ziffer 2.1 mitteilen: a. für den Betrieb von Lasereinrichtungen der Klasse 1M, 2M, 3R, 3B oder 4 die Person mit Sachkundebestätigung oder Sachkundenachweis nach den Arti- keln 12 oder 13; b. für den Betrieb von Lasereinrichtungen der Klasse 1 oder 2 die Veranstalterin oder der Veranstalter. Art. 15 Meldeportal für Veranstaltungen mit Laserstrahlung 1 Das BAG betreibt ein elektronisches Meldeportal für Veranstaltungen mit Laser- strahlung. 2 Über dieses Portal werden die Daten nach Anhang 3 Ziffer 2 erhoben. 3 Das BAG verwendet die Daten ausschliesslich für die Aufgaben nach dieser Ver- ordnung. 4 Das BAG bietet Personendaten spätestens nach 10 Jahren nach dem Ende der Ver- anstaltung oder der Veranstaltungsreihe dem Bundesarchiv an und vernichtet die vom Bundesarchiv als nicht archivierungswürdig bezeichneten Daten. 5 Es stellt sicher, dass das Meldeportal hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit dem Stand der Technik entspricht. Art. 16 Erlangung der Sachkunde 1 Die Ausbildungen und Prüfungen für die Erlangung der Sachkunde müssen die fol- genden Inhalte umfassen: a. für die Sachkundebestätigung die Inhalte nach Anhang 3 Ziffern 3.1–3.3; b. für den Sachkundenachweis die Inhalte nach Anhang 3 Ziffern 3.1–3.4. 2 Der Sachkundenachweis und die Sachkundebestätigung werden mittels Prüfung er- bracht. 3 Die Ausbildung und die Prüfung müssen dem Stand des Wissens und der Technik entsprechen. 4 Das EDI führt durch Verordnung eine Liste der Sachkundebestätigungen und -nach- weise, welche die Anforderungen nach Anhang 3 Ziffer 3 erfüllen. 5 Das BAG anerkennt einen anderen Ausbildungsabschluss als gleichwertig, wenn die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten diesen Anforderungen entsprechen. Art. 17 Aufgaben der Prüfungsstellen Die Prüfungsstellen führen die Prüfungen durch, stellen die Sachkundenachweise und die Sachkundebestätigungen aus und führen eine Prüfungsstatistik. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 6 / 24 814.711 4. Abschnitt: Veranstaltungen mit Schall Art. 18 Mittlerer Schallpegel Als mittlerer Schallpegel LAeq1h gilt der A-bewertete und über 60 Minuten gemittelte äquivalente Dauerschallpegel LAeq in dB(A). Art. 19 Schallpegelgrenzwerte für Veranstaltungen 1 Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall: a. dürfen den mittleren Schallpegel von 100 dB(A) nicht überschreiten; b. dürfen zu keinem Zeitpunkt den maximalen Schallpegel von 125 dB(A) über- schreiten. 2 Veranstaltungen für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren dürfen den mittleren Schallpegel von 93 dB(A) nicht überschreiten. Art. 20 Pflichten der Veranstalterin oder des Veranstalters 1 Wer Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall durchführt, muss: a. bei einem mittleren Schallpegel von grösser als 93 dB(A) diese dem kantona- len Vollzugsorgan spätestens 14 Tage vor Beginn die Informationen nach An- hang 4 Ziffer 1 schriftlich mitteilen; b. bei einem mittleren Schallpegel grösser als 93 dB(A) und kleiner als oder gleich 96 dB(A) die Anforderungen nach Anhang 4 Ziffer 2 einhalten; c. bei einem mittleren Schallpegel grösser als 96 dB(A) und kleiner als oder gleich 100 dB(A): 1. bei einer Beschallungsdauer von höchstens drei Stunden die Anforderun- gen nach Anhang 4 Ziffer 3.1 einhalten, 2. bei einer Beschallungsdauer von mehr als drei Stunden die Anforderun- gen nach Anhang 4 Ziffer 3.2 einhalten. 2 Bei einer Veranstaltung mit elektroakustisch verstärktem Schall, deren mittlerer Schallpegel insgesamt grösser als 93 dB(A) ist und die mehrere aneinander anschlies- sende Teilveranstaltungen am gleichen Standort umfasst, bestimmt die Teilveranstal- tung mit dem höchsten mittleren Schallpegel, ob für die ganze Veranstaltungsdauer die Pflichten nach Absatz 1 Buchstabe b einzuhalten sind oder ob sich diese Pflichten nach Absatz 1 Buchstabe c richten. 3 Wer Veranstaltungen ohne elektroakustisch verstärkten Schall und mit einem mitt- leren Schallpegel grösser als 93 dB(A) durchführt, muss sowohl in Gebäuden als auch an stationären Standorten im Freien die Anforderungen nach Anhang 4 Ziffer 4 ein- halten. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 7 / 24 814.711 Art. 21 Ermittlung der Schallpegel und Kontrollmessungen 1 Die Messungen und Berechnungen zur Ermittlung der Schallpegel richten sich nach Anhang 4 Ziffer 5. 2 Das kantonale Vollzugsorgan kann eine Schallmessung beenden, sobald es rechne- risch nachweisen kann, dass der Grenzwert für den gemeldeten mittleren Schallpegel überschritten wird. 5. Abschnitt: Laserpointer Art. 22 Begriff Als Laserpointer im Sinne dieses Abschnitts gilt eine Lasereinrichtung, die auf Grund ihrer Grösse und ihres Gewichts in der Hand gehalten und mit der Hand geführt wer- den kann und die für Zeige- und Vergnügungs- sowie Abwehr- und Vergrämungs- zwecke Laserstrahlung ausstrahlt. Art. 23 Verbote und zulässige Verwendung 1 Verboten sind die Ein- und Durchfuhr, das Anbieten und die Abgabe sowie der Be- sitz von: a. Laserpointern der Klassen 1M, 2, 2M, 3R, 3B und 4; b. Laserpointern, die nicht oder falsch klassiert sind oder die nicht korrekt nach der Norm SN EN 60825-1:20144 «Sicherheit von Lasereinrichtungen – Teil 1: Klassifizierung von Anlagen und Anforderungen» mit einer Laserklasse ge- kennzeichnet sind; c. Zubehör, sofern es geeignet ist, die Laserstrahlung von Laserpointern zu bün- deln. 2 Zulässig sind die Einfuhr und der Besitz von Laserpointern der Klassen 1, 1M, 2, 2M, 3R und 3B zum Zwecke der Vogelvergrämung auf Flugplatzperimetern, soweit dafür eine Bewilligung der zuständigen Behörde vorliegt. 3 Laserpointer der Klasse 1 dürfen ausschliesslich in Innenräumen und nur zu Zeige- zwecken verwendet werden. 4 Die Normen können kostenlos eingesehen und gegen Bezahlung bezogen werden bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), Sulzerallee 70, 8404 Winterthur; www.snv.ch. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 8 / 24 814.711 6. Abschnitt: Vollzug und Gebühren der Bundesbehörden Art. 24 Aufgaben des BAG 1 Das BAG vollzieht den 3. Abschnitt über Veranstaltungen mit Laserstrahlung wie folgt: a. Es überprüft die eingereichten Meldungen und kontrolliert stichprobenweise die Einhaltung der Anforderungen vor Ort. b. Es übermittelt Meldungen betreffend Laserstrahlung in den Luftraum nach Artikel 14 Absatz 2 der für die Flugsicherung zuständigen Stelle. 2 Es stellt den Vollzugsorganen von Bund und Kantonen Vollzugshilfen zur Verfü- gung. Art. 25 Aufgaben des BAZG Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)5 vollzieht das Ein- und Durch- fuhrverbot nach Artikel 23 Absatz 1. Art. 26 Gebühren 1 Für Kontrollen und Massnahmen werden Gebühren erhoben. Sie werden nach Zeit- aufwand bemessen. Der Stundenansatz beträgt je nach der erforderlichen Sachkennt- nis und Funktionsstufe des ausführenden Personals 90–200 Franken. 2 Für Kontrollen, die zu keinen Beanstandungen führen, werden keine Gebühren er- hoben. 3 Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 20046. Art. 27 Kontrollen der Vollzugsorgane und Mitwirkungspflichten 1 Das BAG und die kantonalen Vollzugsorgane dürfen in Veranstaltungs- und Gewer- belokalen jederzeit unangemeldet Kontrollen und Messungen durchführen und dabei weitere Beweismittel erheben. 2 Dem BAG und den kantonalen Vollzugsorganen sind unentgeltlich alle erforderli- chen Auskünfte zu erteilen, sämtliche erforderlichen Dokumente zur Verfügung zu stellen und Zutritt zu den Räumlichkeiten und Veranstaltungsorten zu gewähren. 3 Bei Kontrollen vor Ort bei Veranstaltungen mit Laserstrahlung sind die Anordnun- gen des BAG unverzüglich umzusetzen. 5 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 der Publikationsverordnung vom 7. Okt. 2015 (SR 170.512.1) auf den 1. Jan. 2022 angepasst (AS 2021 589). Diese Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen. 6 SR 172.041.1 Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 9 / 24 814.711 7. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 28 Aufhebung und Änderung anderer Erlasse 1 Die Schall- und Laserverordnung vom 28. Februar 20077 wird aufgehoben. 2 …8 Art. 29 Übergangsbestimmungen 1 Die Betreiberinnen und Betreiber müssen ihre Solarien: a. spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung nach den Best- immungen dieser Verordnung angepasst haben und entsprechend betreiben; b. spätestens bis zum 1. Januar 2022 so angepasst haben und ab diesem Zeit- punkt so betreiben, dass sie von Personen unter 18 Jahren nicht genutzt wer- den können. 2 Behandlungen nach Anhang 2 Ziffer 1 dürfen noch bis fünf Jahre nach dem Inkraft- treten dieser Verordnung ohne Sachkundenachweis gemäss Artikel 5 durchgeführt werden. Dabei richtet sich die Verwendung von Lasern der Klasse 4 und hochenerge- tischen gepulsten nichtkohärenten Lichtquellen, die als Medizinprodukte in Verkehr sind, nach Anhang 6 Ziffer 1 Buchstaben b und c sowie Ziffer 2 Buchstaben b und c MepV9, in der Fassung vom 24. März 201010. 3 Veranstaltungen mit Laserstrahlung dürfen noch bis 18 Monate nach dem Inkraft- treten dieser Verordnung nach der Schall- und Laserverordnung vom 28. Februar 200711 durchgeführt werden. 4 Laserpointer der Klassen 1M, 2M, 3R, 3B und 4 müssen bis spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Verordnung fachgerecht entsorgt werden. Bis dahin ist ihr Besitz zulässig, jegliche Verwendung jedoch verboten. 5 Laserpointer der Klasse 2 müssen bis spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung fachgerecht entsorgt werden. Bis dahin ist sind ihr Besitz und die Ver- wendung ausschliesslich in Innenräumen und nur zu Zeigezwecken zulässig. Art. 30 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2019 in Kraft. 7 AS 2007 1307; 2010 4489; 2012 793 8 Die Änderung kann unter AS 2019 999 konsultiert werden. 9 SR 812.213 10 AS 2004 4037; 2010 1215 11 AS 2007 1307; 2010 4489; 2012 793 Schutz des ökologischen Gleichgewichts 10 / 24 814.711 Anhang 1 (Art. 2) Verwendung von Solarien 1 UV-Typen der Solarien UV-Typ des Solariums Wirksame Bestrahlungsstärke W/m2 Strahlungsanteil UVB 250 nm <  ≤ 320 nm Strahlungsanteil UVA 320 nm <  ≤ 400 nm 1 < 0,0005 ≥ 0,15 2 0,0005 bis 0,15 ≥ 0,15 3 < 0,15 < 0,15 4 ≥ 0,15 < 0,15 2 Bestrahlungsplan Folgende Angaben müssen im Bestrahlungsplan gerätespezifisch umgesetzt werden und von Nutzerinnen und Nutzern auf den Geräten einfach einstellbar sein: Sitzungsse- rie Sitzung Bestrahlungszeit Bestrahlungs- menge12 Wartezeit zur nächsten Behandlung Beitrag zur maxima- len Jahresdosis13 1 1. Sitzung bei nicht gebräun- ter Haut Angabe des Be- treibers Max. 100 J/m2 48 Stunden Angabe des Be- treibers 2. Sitzung bei nicht gebräun- ter Haut Angabe des Be- treibers mind. 10 Minuten Max. 250 J/m2 48 Stunden Angabe des Be- treibers Nachfolgesit- zung 1 Angabe des Be- treibers mind. 10 Minuten Angabe des Be- treibers max. 600 J/m2 48 Stunden Angabe des Be- treibers Nachfolgesit- zung 2 Angabe des Be- treibers mind. 10 Minuten Angabe des Be- treibers max. 600 J/m2 48 Stunden Angabe des Be- treibers 12 Gewichtet nach dem Erythem-Wirkungsspektrum gemäss Norm SN EN 60335-2- 27:2013, «Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 2-27: Besondere Anforderungen für Hautbestrahlungsgeräte mit Ultraviolett- und Infrarotstrahlung». 13 Gewichtet mit dem Wirkungsspektrum für den nicht-melanozytären Hautkrebs gemäss Norm SN EN 60335-2-27:2013, «Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 2-27: Besondere Anforderungen für Hautbestrahlungsgeräte mit Ultraviolett- und Infrarotstrahlung». Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 11 / 24 814.711 Sitzungsse- rie Sitzung Bestrahlungszeit Bestrahlungs- menge12 Wartezeit zur nächsten Behandlung Beitrag zur maxima- len Jahresdosis13 Nachfolgesit- zung … Angabe des Be- treibers mind. 10 Minuten Angabe des Be- treibers max. 600 J/m2 48 Stunden Angabe des Be- treibers Total Sitzungsse- rie Max. 3000 J/m2 Total Sitzung 1 2 Total Sitzungsse- rie 2 Max. 3000 J/m2 Total Sitzung 2 … Total Sitzungsse- rie … Max. 3000 J/m2 Total Sitzung … Alle Sit- zungsse- rien Total Total Jahr max. 25 000 J/m2 3 Risikogruppen 3.1 Die Angaben zu den unten aufgeführten Risikogruppen müssen im Eingangs- bereich des Betriebes gut sicht- und lesbar auf einem Plakat der Grösse DIN A1 in den Amtssprachen des jeweiligen Kantons und in Englisch angeschla- gen sein. 3.2 Als Risikogruppen gelten: 3.2.1 Personen, die unter Hautkrebs leiden oder litten; 3.2.2 Personen mit erhöhtem Hautkrebsrisiko, insbesondere wenn: a. bei deren Verwandten ersten Grades schwarzer Hautkrebs aufgetreten ist, b. sie wiederholt schwere Sonnenbrände während ihrer Kindheit erlitten ha- ben, c. sie Leberflecken haben, die auf ein erhöhtes Hautkrebsrisiko hinweisen (mehr als 16 Leberflecken, solche mit asymmetrischer und ungleichmäs- siger Form und Rändern, mit einem Durchmesser größer als 5 Millimeter oder veränderter Pigmentierung); 3.2.3 auf UV-Strahlung empfindliche Personen, die: a. unter Sonnenbrand leiden, b. sich an der Sonne überhaupt nicht bräunen können oder dabei leicht mit einem Sonnenbrand reagieren, c. zu Sommersprossen neigen, d. ungewöhnlich entfärbte Hautbereiche aufweisen, e. von Natur aus rothaarig sind, f. wegen Photosensibilität behandelt werden, g. photosensitive Medikamente einnehmen. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 12 / 24 814.711 4 Gefahren und Massnahmen 4.1 Die nachstehenden Informationen zu den Gefahren und Massnahmen müssen in unmittelbarer Nähe der Geräte gut sicht- und lesbar auf einem Plakat der Grösse DIN A1 in den Amtssprachen des jeweiligen Kantons und in Englisch angeschlagen sein. 4.2 Die Betreiberin oder der Betreiber muss die Nutzerinnen und Nutzer darüber aufklären, dass: 4.2.1 UV-Strahlung irreversible Haut- oder Augenschäden wie Hautkrebs oder Lin- sentrübung hervorrufen kann; 4.2.2 UV-Bestrahlung in jedem Alter und insbesondere in jungen Jahren das Risiko von Hautschäden im späteren Leben erhöht; 4.2.3 nach übermässiger UV-Bestrahlung die Haut mit einem Sonnenbrand reagie- ren kann und es zu frühzeitiger Hautalterung und auch zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko kommen kann; 4.2.4 bestimmte Medikamente die UV-Empfindlichkeit erhöhen können und dass im Zweifelsfall eine Ärztin oder ein Arzt oder eine Apothekerin oder ein Apo- theker diesbezüglich Auskunft geben kann; 4.2.5 mindestens 48 Stunden zwischen den ersten beiden UV-Bestrahlungen liegen sollten; 4.2.6 mit UV-Bestrahlungen gemäss Bestrahlungsplan erst nach einer Woche wie- der begonnen werden darf, falls nach einer UV-Bestrahlung Erytheme (Hautrötungen) auftreten; 4.2.7 sie nicht am gleichen Tag sonnenbaden und das Solarium benutzen sollen; 4.2.8 sie beim Solarienbesuch: a. Kosmetika entfernen und keinerlei Sonnenschutzmittel oder Produkte verwenden sollen, welche die Bräunung beschleunigen, b. stets eine geeignete Schutzbrille verwenden sollen und empfindliche Hautstellen wie Narben, Tätowierungen und Geschlechtsteile vor der Be- strahlung schützen sollen; 4.2.9 sie vor einer Bestrahlung eine Ärztin oder ein Arzt konsultieren sollen, falls: a. sie auf UV-Bestrahlung empfindlich sind oder allergisch reagieren, b. unerwartete Effekte auftreten, beispielsweise ein Jucken innerhalb von 48 Stunden nach der ersten UV-Bestrahlung, c. sich hartnäckige Schwellungen oder wunde Stellen auf der Haut bilden oder sich pigmentierte Leberflecken verändern. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 13 / 24 814.711 Anhang 2 (Art. 5, 7 Abs. 2 und 9 Abs. 2) Verwendung von Produkten für kosmetische Zwecke 1 Behandlungen mit Sachkundenachweis Folgende Behandlungen dürfen nur Personen mit einem Sachkundenachweis nach Ar- tikel 5 Absatz 1 Buchstabe c oder Ärztinnen oder Ärzte nach Artikel 5 Absatz 1 Buch- stabe a oder deren Praxispersonal nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b durchführen: 1.1 Die Behandlung von: a. Akne; b. Cellulite und Fettpolster; c. Couperose, Blutschwämmchen und Spinnennävi, die kleiner als oder gleich 3 mm sind vorbehältlich Ziffer 2.2; d. Falten; e. Nagelpilz; f. Narben; g. postinflammatorischer Hyperpigmentierung; h. Striae. 1.2 Die Entfernung von: a. Haaren; b. Permanent-Make-up mittels Laser vorbehältlich Ziffer 2.2; c. Tätowierungen mittels Laser vorbehältlich Ziffer 2.2. 1.3 Akupunktur mittels Laser. 2 Ärztliche Behandlungen 2.1 Folgende Behandlungen dürfen nur Ärztinnen oder Ärztenach Artikel 5 Ab- satz 1 Buchstabe a oder deren Praxispersonal nach Artikel 5 Absatz 1 Buch- stabe b durchführen: a. aktinische und seborrhoische Keratosen; b. Altersflecken; c. Angiome / Blutschwämme grossflächig (grösser als 3 mm); d. Dermatitis; e. Ekzeme; f. Feigwarzen; g. Fibrome; h. Feuermale; i. Keloide; j. Melasma; Schutz des ökologischen Gleichgewichts 14 / 24 814.711 k. Psoriasis; l. Syringiome; m Talgdrüsenhyperplasie; n. Varizen und Besenreiser; o. Vitiligo; p. Warzen; q. Xanthelasmen. 2.2 Folgende Behandlungen an Augenlidern oder in Augennähe (bis 10 mm) dür- fen nur Ärztinnen oder Ärzte nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a oder deren Praxispersonal nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b durchführen: a. Entfernung von Permanent-Make-Up; b. Entfernung von Tätowierungen sowie Teleangiektasien (Couperose); c. Behandlung von Spinnennävi und Blutschwämmchen. 2.3 Folgende Techniken und Verfahren dürfen nur Ärztinnen oder Ärzte nach Ar- tikel 5 Absatz 1 Buchstabe a oder deren Praxispersonal nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b anwenden: a. hoch fokussierter Ultraschall; b. ablative Laser; c. langgepulster Nd:Yag Laser; d. photodynamische Therapien kombiniert mit der Applikation von photo- toxischen Substanzen oder Medikamenten; e. Laserlipolyse. 3 Für den Sachkundenachweis erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten 3.1 Allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten Um den Sachkundenachweis für die jeweilige Behandlung nach Ziffer 1 zu erlangen, müssen die folgenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden: 3.1.1 Kenntnisse über die biologische und physiologische Wirkung von optischer Strahlung, Radiofrequenz, Kälte, Stosswelle und Ultraschall; 3.1.2 Allgemeine Kenntnisse in Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie der menschlichen Haut und Haare sowie spezifische Kenntnisse über Haut-, Ge- fäss-, Nagel- und Gewebeveränderungen für Behandlungen nach Anhang 2 Ziffer 1; 3.1.3 Grundkenntnisse über benigne und maligne Veränderungen der Haut; 3.1.4 Grundkenntnisse der Beurteilung von Haut, Haaren, Gefässen, Gewebe und Nägeln bezüglich der einzelnen Behandlungen; 3.1.5 Erkennen einer medizinischen Behandlungsindikation und der Notwendigkeit einer Überweisung zu einer Ärztin oder einem Arzt; Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 15 / 24 814.711 3.1.6 Kenntnisse über Vor- und Nachbereitung des Behandlungsareals, Hygiene und Hilfsmittel; 3.1.7 Kenntnisse der geltenden rechtlichen Bestimmungen; insbesondere der Be- handlungen, die nur von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden dürfen. 3.2 Kenntnisse über die Technologie Um den Sachkundenachweis für die jeweilige Behandlung nach Ziffer 1 zu erlangen, müssen die aus der folgenden Aufzählung spezifisch erforderlichen technischen Kenntnisse erworben werden: 3.2.1 Kenntnisse über Prinzip und Aufbau einer IPL- oder Lasereinrichtung, Laser- klassen, Risiken spiegelnder Flächen und gesundheitliche Risiken (Augen- schäden, Blendungen); 3.2.2 Kenntnisse über die physikalischen Grundlagen optischer Strahlung, Radio- frequenz, Kälte, Stosswelle oder Ultraschall; 3.2.3 Kenntnisse über die Technik der Geräte, die mit optischer Strahlung, Radio- frequenz, Kälte, Stosswelle oder Ultraschall funktionieren; 3.2.4 Kenntnisse über Schutzmassnahmen für Behandelnde sowie für Kundinnen und Kunden. 3.3 Behandlungsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten Um den Sachkundenachweis für die jeweilige Behandlung nach Ziffer 1 zu erlangen, müssen die aus der folgenden Aufzählung spezifisch erforderlichen behandlungsspe- zifischen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden: 3.3.1 Kenntnisse über Ausschlusskriterien, mögliche Nebenwirkungen, Risiken so- wie alternative Methoden und Technologien der in Anhang 2 Ziffer 1 aufge- listeten Behandlungen; 3.3.2 Kenntnisse über den Behandlungsplan für die in Anhang 2 Ziffer 1 aufgeführ- ten Behandlungen; 3.3.3 Kenntnisse über die Verwendung von geeigneten und ungeeigneten Techno- logien zur Behandlung gemäss Anhang 2 Ziffer 1; 3.3.4 Spezifische praktische Erfahrungen für die in Anhang 2 Ziffer 1 aufgeführten Behandlungen; 3.3.5 Erkennen und Management unerwünschter Nebenwirkungen und Komplika- tionen, diesbezüglich Erkennen der Notwendigkeit einer ärztlichen Behand- lung; 3.3.6. Erkennen von Fehleinstellungen und Gerätedefekten. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 16 / 24 814.711 Anhang 3 (Art. 12–16) Veranstaltungen mit Laserstrahlung 1 Anforderungen 1.1 Anforderungen an Veranstaltung ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich 1.1.1 Während der planmässigen Durchführung der Veranstaltung wie auch im Feh- lerfall darf die Laserstrahlung nicht in den Publikumsbereich gelangen. Dies bedingt, dass die Lasereinrichtung geeignet platziert wird oder physikalische oder elektronische Einrichtungen die Laserstrahlung eingrenzen oder aus- schalten. 1.1.2 Laserstrahlung darf nicht unkontrolliert auf reflektierende Oberflächen oder Objekte treffen. 1.1.3 Lasereinrichtungen, Spiegel und Targets müssen fest installiert sein und ge- gen Erschütterungen, Vibrationen und Windeinflüsse gesichert sein. 1.1.4 Die Laserstrahlung darf weder Performerinnen oder Performer noch andere für die Veranstaltung tätige Personen gefährden. Dies bedingt, dass die Ver- anstaltung dementsprechend geplant ist und die betroffenen Personen nötigen- falls Schutzbrillen und Schutzkleidung tragen müssen. 1.1.5 Die Laserstrahlung darf keine Dritten gefährden. 1.1.6 Die Einhaltung der Ziffern 1.1.1–1.1.5 muss vor der Veranstaltung erfolgreich getestet werden. 1.2 Anforderungen an Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich 1.2.1 Während der planmässigen Durchführung der Veranstaltung wie auch im Feh- lerfall darf die Laserstrahlung im Publikumsbereich: a. die maximal zulässige Bestrahlungsstärke (MZB) nach der Norm SN EN 60825-1:201414, «Sicherheit von Lasereinrichtungen – Teil 1: Klassifi- zierung von Anlagen und Anforderungen», für die Hornhaut nicht über- schreiten; b. den Wert von 0.02 x MZB für die Hornhaut nicht überschreiten, sofern nicht dafür gesorgt werden kann, dass das Publikum keine Hilfsmittel wie Ferngläser benutzt. 1.2.2 Die Laserstrahlung darf nicht unkontrolliert auf reflektierende Oberflächen o- der Objekte treffen. 14 Die Normen können kostenlos eingesehen und gegen Bezahlung bezogen werden bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), Sulzerallee 70, 8404 Winterthur; www.snv.ch. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 17 / 24 814.711 1.2.3 Die Lasereinrichtungen, Spiegel, und Targets müssen fest installiert sein und gegen Erschütterung, Vibrationen und Windeinflüsse gesichert sein. 1.2.4 Die Person mit Sachkundenachweis oder die von ihr instruierte Person mit Sachkundebestätigung muss den Sichtkontakt zu allen Lasereinrichtungen je- derzeit gewährleisten und jederzeit imstande sein, die Laserveranstaltung zu unterbrechen. 1.2.5 Die Laserstrahlung darf weder Performerinnen oder Performer noch andere für die Veranstaltung tätige Personen gefährden. Dies bedingt, dass die Ver- anstaltung dementsprechend geplant ist und die betroffenen Personen nötigen- falls Schutzbrillen und Schutzkleidung tragen. 1.2.6 Die Laserstrahlung darf keine Dritten gefährden. 1.2.7 Die Einhaltung der Ziffern 1.2.1–1.2.6 und die Notfallprozeduren müssen vor der Veranstaltung erfolgreich getestet werden. 2 Meldungen 2.1 Meldeinhalte Jede Meldung muss folgende Angaben enthalten: 2.1.1 Angaben zur Veranstalterin oder zum Veranstalter: Name, Adresse, Erreich- barkeit (Telefonnummer und E-Mail-Adresse); 2.1.2 Angaben zur sachkundigen Person: Name, Adresse, Erreichbarkeit (Telefon- nummer und E-Mail-Adresse), Sachkundenachweis oder Sachkundebestäti- gung; 2.1.3 Angaben zur Veranstaltung: Ort, Art, Datum der Einzelveranstaltung bzw. Daten der Veranstaltungsreihe, Beginn und Dauer, Plan des Veranstaltungs- ortes mit eingezeichneter Lasereinrichtung; 2.1.4 Angaben zum Test der Lasereinrichtung: Datum und Uhrzeit; 2.1.5 Angabe, ob die Lasereinrichtung in den Luftraum strahlt. 2.2 Ergänzender Meldeinhalt für Veranstaltungen ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich Die Meldung muss in Ergänzung zu Ziffer 2.1. folgende Angaben enthalten: 2.2.1 Bestätigung, dass die Veranstaltung nicht in den Publikumsbereich strahlt und die Anforderungen nach Anhang 3 Ziffer 1.1 erfüllt werden. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 18 / 24 814.711 2.3 Ergänzende Meldeinhalte für Veranstaltungen mit Laserstrahlung im Publikumsbereich Die Meldung muss in Ergänzung zu Ziffer 2.1. folgende Angaben enthalten: 2.3.1 Spezifikationen jeder einzelnen Lasereinrichtung: a. Hersteller und Typenbezeichnung, b. Genaue Beschreibung der geplanten Laserfiguren, c. Wellenlängen, d. Strahldurchmesser am Ausgang der Lasereinrichtung, e. minimale Strahldivergenz, f. maximale Ausgangsleistung für die Bestrahlung des Publikumsbereichs, g. Energieverteilung innerhalb des Laserstrahls, h. Wiederholfrequenz des Laserstrahls (Wiederholfrequenz von gepulsten oder modulierten Lasern und Wiederholfrequenz von Frames), i. minimale Strahlgeschwindigkeiten, j. maximale Einwirkzeit eines Laserpulses auf das Publikum, k. kleinster Abstand zum Publikumsbereich, l. Ausgangsleistung des Laserstrahls, m. Fehlerfall: maximale Reaktionsdauer der Abschaltautomatik oder Ver- weis auf Handabschaltung, n. Berechnete maximale Bestrahlungsstärke im Publikumsbereich und Ver- gleich mit der MZB, o. Notfallprozeduren; 2.3.2 Bestätigung, dass die Anforderungen nach Anhang 3 Ziffer 1.2 erfüllt werden. 3 Ausbildungs- und Prüfungsinhalte für die Erlangung der Sachkunde Die Ausbildungen und Prüfungen müssen die folgenden Inhalte umfassen: 3.1 Lasertechnik und Sicherheit: a. Prinzip und Aufbau einer Lasereinrichtung, b. Laserklassen sowie deren Schutzvorkehrungen und Schutzzeichen, c. Optimale Laserleistungen bezogen auf Raumgrösse und Strahldivergenz, d. Risiken spiegelnder Flächen, e. Sichere Installation, f. Schutzmassnahmen und Schutzkleidung; 3.2 Gesundheitliche Auswirkungen: a. Augen- und Hautschäden, b. Blendungen, c. Gefährdungen von Dritten und Personen mit sicherheitsrelevanten Tätig- keiten; Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 19 / 24 814.711 3.3 Rechtliche Grundlagen: Vermittlung der rechtlichen Grundlagen, insbesondere der Anforderungen an: a. Veranstaltungen mit Laserstrahlung nach Anhang 3 Ziffer 1, b. Meldungen für Veranstaltungen mit Laserstrahlung nach Anhang 3 Zif- fer 2; 3.4 Theoretische und praktische Grundlagen: a. Lasershow programmieren, b. MZB berechnen. Schutz des ökologischen Gleichgewichts 20 / 24 814.711 Anhang 415 (Art. 20 und 21 Abs. 1) Veranstaltungen mit Schall 1 Meldungen 1.1 Die Meldungen müssen die folgenden Angaben enthalten: a. Ort, Art, Datum, Beginn und Dauer der Veranstaltung; b. Name und Adresse der Veranstalterin oder des Veranstalters; c. eine Deklaration, dass bei Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärk- tem Schall der höchste mittlere Schallpegel kleiner als oder gleich 96 dB(A) oder kleiner als oder gleich 100 dB(A) beträgt; d. den Mess- und Ermittlungsort nach Anhang 4 Ziffer 5.1 bei Veranstal- tungen mit elektroakustisch verstärktem Schall. 1.2 Für Veranstaltungen nach Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 2 muss zu- sätzlich ein Plan des Veranstaltungsortes eingereicht werden, aus dem die Lage, die Grösse und die Kennzeichnung der Ausgleichszone ersichtlich sind. 2 Veranstaltungen mit einem mittleren Schallpegel grösser als 93 dB(A) und kleiner als oder gleich 96 dB(A) Wer Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall mit einem mittleren Schallpegel grösser als 93 dB(A) und kleiner als oder gleich 96 dB(A) durchführt, muss: 2.1 die Schallemissionen soweit begrenzen, dass die Immissionen den mittleren Schallpegel von 96 dB(A) nicht übersteigen; 2.2 das Publikum im Eingangsbereich der Veranstaltung deutlich sichtbar auf die mögliche Schädigung des Gehörs durch hohe Schallpegel hinweisen; 2.3 dem Publikum Gehörschütze nach der Norm SN EN 352-2:200216, «Gehör- schützer – Allgemeine Anforderungen – Teil 2: Gehörschutzstöpsel», kosten- los anbieten; 2.4 den mittleren Schallpegel während der Veranstaltung mit einem Schallpegel- messgerät nach Ziffer 5.2 überwachen; 2.5 die Messgeräte nach Ziffer 5.4 einstellen. 15 Die Berichtigung vom 31. Aug. 2022 betrifft nur den französischen Text (AS 2022 478). 16 Die Normen können kostenlos eingesehen und gegen Bezahlung bezogen werden bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), Sulzerallee 70, 8404 Winterthur; www.snv.ch. Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 21 / 24 814.711 3 Veranstaltungen mit einem mittleren Schallpegel grösser als 96 dB(A) und kleiner als oder gleich 100 dB(A) 3.1 Beschallung während höchstens 3 Stunden Wer Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall mit einem mittleren Schallpegel grösser als 96 dB(A) und kleiner als oder gleich 100 dB(A) und mit einer Dauer von maximal 3 Stunden durchführt, muss: 3.1.1 die Ziffern 2.2–2.5 befolgen; 3.1.2 die Schallemissionen soweit begrenzen, dass die Immissionen den mittleren Schallpegel von 100 dB(A) nicht übersteigen. 3.2 Beschallung während mehr als 3 Stunden Wer Veranstaltungen mit elektroakustisch verstärktem Schall mit einem mittleren Schallpegel grösser als 96 dB(A) und kleiner als oder gleich 100 dB(A) und mit einer Dauer von mehr als 3 Stunden durchführt, muss: 3.2.1 die Ziffern 2.2–2.5 und 3.1.2 befolgen; 3.2.2 den Schallpegel während der ganzen Veranstaltung nach Ziffer 5.3 aufzeich- nen; 3.2.3 die Daten der Schallpegelaufzeichnung sowie die Angaben nach Ziffer 5.1 zu Messort, Ermittlungsort und Pegeldifferenz sechs Monate aufbewahren und auf Verlangen des kantonalen Vollzugsorgans einreichen; 3.2.4 dem Publikum eine oder mehrere Ausgleichszonen zur Verfügung stellen: a. in welcher der mittlere Schallpegel von 85 dB(A) nicht überschritten werden darf, b. welche mindestens 10 Prozent der Fläche der Veranstaltung umfassen, die für den Aufenthalt des Publikums bestimmt sind, c. welche für das Publikum klar ersichtlich gekennzeichnet und während der Veranstaltung frei zugänglich sein müssen sowie, unter Beachtung der Verordnung vom 28. Oktober 200917 zum Schutz vor dem Passivrau- chen, einen ausreichend grossen rauchfreien Teil umfassen. 4 Veranstaltungen ohne elektroakustisch verstärkten Schall Wer Veranstaltungen mit nicht elektroakustisch verstärktem Schall mit einem mittle- ren Schallpegel grösser als 93 dB(A) durchführt, muss: 4.1 das Publikum auf die mögliche Schädigung des Gehörs durch hohe Schallpe- gel hinweisen; 4.2 dem Publikum Gehörschütze nach der Norm SN EN 352-2:2002, «Gehör- schützer – Allgemeine Anforderungen – Teil 2: Gehörschutzstöpsel» kosten- los anbieten. 17 SR 818.311 Schutz des ökologischen Gleichgewichts 22 / 24 814.711 5 Messungen und Berechnungen 5.1 Mess- und Ermittlungsort 5.1.1 Die Schallimmissionen werden in Ohrenhöhe an dem Ort ermittelt, an wel- chem das Publikum dem Schall am stärksten ausgesetzt ist (Ermittlungsort). 5.1.2 Bei Messungen, die am Ermittlungsort ermittelt werden, gilt der für die Ver- anstaltung anwendbare Grenzwert als eingehalten, wenn der Messwert kleiner als der Grenzwert ist oder diesem entspricht. 5.1.3 Weicht der Messort vom Ermittlungsort ab, so müssen die Immissionen auf diesen umgerechnet werden. Dabei ist zu beachten: a. Die Schallpegeldifferenz zwischen dem Mess- und dem Ermittlungs- ort wird anhand eines definierten Breitbandsignals (Rosa Rauschen / pro- grammsimuliertes Rauschen nach der Norm IEC-60268-1:198518, «Equipements pour systèmes électroacoustiques – Partie 1: Généralités») oder anhand einer gleichwertigen Methode berechnet. b. Der Ermittlungsort und die Schallpegeldifferenz sowie die Methode sind schriftlich festzuhalten. c. Bei Messungen, die nicht am Ermittlungsort ermittelt werden, gilt der für die Veranstaltung anwendbare Grenzwert als eingehalten, wenn der Messwert beim Messort zuzüglich der Schallpegeldifferenz kleiner ist als der Grenzwert oder diesem entspricht. 5.2 Messmittel 5.2.1 Die Anforderungen an die Messmittel und an die Genauigkeitsklassen der Schallpegelmesser richten sich für kantonale Vollzugsorgane nach der Ver- ordnung des EJPD vom 24. September 201019 über Messmittel für die Schall- messung. 5.2.2 Die Messgeräte der Veranstalterinnen und Veranstalter müssen ermöglichen: a. die Messung des A-bewerteten Schallpegels LA; b. die direkte oder indirekte Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpe- gels LAeq und die Einstellungen nach Ziffer 5.4; c. für Veranstaltungen nach Ziffer 3.2 eine Schallpegelaufzeichnung nach Ziffer 5.3. 18 Diese Norm ist nur in Französisch und Englisch erhältlich und kann bei der Electrosuisse, Luppmenstrasse 1, 8320 Fehraltorf, www.electrosuisse.ch, gegen Rechnung bezogen oder beim Bundesamt für Gesundheit, Schwarzenburgstrasse 157, 3097 Liebefeld kostenlos eingesehen werden. 19 SR 941.210.1 Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall. V 23 / 24 814.711 5.3 Schallpegelaufzeichnung Die Schallpegelaufzeichnung muss folgende Anforderungen erfüllen: 5.3.1 Der über fünf Minuten gemittelte äquivalente Dauerschallpegel LAeq5min muss während der Veranstaltung mindestens alle fünf Minuten aufgezeichnet wer- den. 5.3.2 Die Messdaten sind zusammen mit der exakten Uhrzeit der Messung in elekt- ronischer Form aufzuzeichnen. 5.4 Einstellungen der Messgeräte Zur Messung des Schallpegels werden die Messgeräte mit folgenden Einstellungen betrieben: a. Frequenzbewertung A; b. Zeitbewertung Fast (F) (Zeitkonstante t = 125 ms für die Ermittlung des ma- ximalen Schallpegels). Schutz des ökologischen Gleichgewichts 24 / 24 814.711 1. Abschnitt: Verwendung von Solarien Art. 1 Begriff Art. 2 Pflichten der Betreiberin oder des Betreibers Art. 3 Unbediente Solarien Art. 4 Bediente Solarien 2. Abschnitt: Verwendung von Produkten für kosmetische Zwecke Art. 5 Durchführen von Behandlungen Art. 6 Verwendungsverbot Art. 7 Aufgaben der Trägerschaft für Sachkundenachweise Art. 8 Aufgaben der Prüfungsstellen Art. 9 Anforderungen an die Ausbildungen und Prüfungen 3. Abschnitt: Veranstaltungen mit Laserstrahlung Art. 10 Begriffe Art. 11 Einteilung von Lasereinrichtungen in Klassen Art. 12 Veranstaltung ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich Art. 13 Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich Art. 14 Laserstrahlung im Freien oder ins Freie Art. 15 Meldeportal für Veranstaltungen mit Laserstrahlung Art. 16 Erlangung der Sachkunde Art. 17 Aufgaben der Prüfungsstellen 4. Abschnitt: Veranstaltungen mit Schall Art. 18 Mittlerer Schallpegel Art. 19 Schallpegelgrenzwerte für Veranstaltungen Art. 20 Pflichten der Veranstalterin oder des Veranstalters Art. 21 Ermittlung der Schallpegel und Kontrollmessungen 5. Abschnitt: Laserpointer Art. 22 Begriff Art. 23 Verbote und zulässige Verwendung 6. Abschnitt: Vollzug und Gebühren der Bundesbehörden Art. 24 Aufgaben des BAG Art. 25 Aufgaben des BAZG Art. 26 Gebühren Art. 27 Kontrollen der Vollzugsorgane und Mitwirkungspflichten 7. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 28 Aufhebung und Änderung anderer Erlasse Art. 29 Übergangsbestimmungen Art. 30 Inkrafttreten Anhang 1 Verwendung von Solarien 1 UV-Typen der Solarien 2 Bestrahlungsplan 3 Risikogruppen 4 Gefahren und Massnahmen Anhang 2 Verwendung von Produkten für kosmetische Zwecke 1 Behandlungen mit Sachkundenachweis 2 Ärztliche Behandlungen 3 Für den Sachkundenachweis erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten 3.1 Allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten 3.2 Kenntnisse über die Technologie 3.3 Behandlungsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten Anhang 3 Veranstaltungen mit Laserstrahlung 1 Anforderungen 1.1 Anforderungen an Veranstaltung ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich 1.2 Anforderungen an Veranstaltung mit Laserstrahlung im Publikumsbereich 2 Meldungen 2.1 Meldeinhalte 2.2 Ergänzender Meldeinhalt für Veranstaltungen ohne Laserstrahlung im Publikumsbereich 2.3 Ergänzende Meldeinhalte für Veranstaltungen mit Laserstrahlung im Publikumsbereich 3 Ausbildungs- und Prüfungsinhalte für die Erlangung der Sachkunde Anhang 4 Veranstaltungen mit Schall 1 Meldungen 2 Veranstaltungen mit einem mittleren Schallpegel grösser als 93 dB(A) und kleiner als oder gleich 96 dB(A) 3 Veranstaltungen mit einem mittleren Schallpegel grösser als 96 dB(A) und kleiner als oder gleich 100 dB(A) 3.1 Beschallung während höchstens 3 Stunden 3.2 Beschallung während mehr als 3 Stunden 4 Veranstaltungen ohne elektroakustisch verstärkten Schall 5 Messungen und Berechnungen 5.1 Mess- und Ermittlungsort 5.2 Messmittel 5.3 Schallpegelaufzeichnung 5.4 Einstellungen der Messgeräte
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Sachverhalt ab Seite 426 BGE 143 III 425 S. 426 A. A. (Beschwerdeführer), B. (Beschwerdegegnerin) und E. waren die gemeinsamen Kinder des Ehepaars C. und D. In den Jahren 1966 und 1968 verstarben D. und E., die A., B. und C. als Erben hinterliessen. 1981 einigten sich die Erben auf eine partielle Erbteilung. Der unverteilte Rest der Nachlässe umfasste mehrere Liegenschaften in U., ein Ferienhaus in Italien und 99 von 100 Aktien der I. AG, die Eigentümerin einer weiteren Liegenschaft in U. ist. Die Erben konnten sich über die Teilung des Restnachlasses nicht einigen. B. B.a Am 5. November 1999 leitete der Beschwerdeführer ein Erbteilungsverfahren ein. Mit Urteil vom 14. Dezember 2010 stellte das Bezirksgericht Plessur den Umfang der Nachlässe fest und bestimmte die Erbquoten wie folgt: der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin je 65/192 und die überlebende Ehegattin C. 62/192. Das Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft. B.b Mit Gesuch vom 22. Juli 2011 verlangte der Beschwerdeführer beim Einzelrichter am Bezirksgericht Plessur die Teilung der Nachlässe von D. und E. unter Mitwirkung der zuständigen Behörde. Ausserdem beantragte er die Versteigerung der Nachlassgegenstände unter den Erben, eventuell durch öffentliche Versteigerung. Die Beschwerdegegnerin und C. beantragten, auf das Gesuch nicht einzutreten, eventualiter dieses abzuweisen. Sie ersuchten ihrerseits um die Bildung von Losen, erläuterten, wie sie diese gebildet haben wollten, und wie die Lose den Erben zuzuteilen seien. Die Angelegenheit wurde dem Bezirksgericht Plessur als Kollegialgericht überwiesen. B.c Das Bezirksgericht Plessur ordnete mit Urteil vom 21. August 2013 für die Teilung der Nachlässe von D. und E. eine interne Versteigerung der Nachlassgegenstände an. Kurz darauf verstarb C. C. Die Beschwerdegegnerin erhob Berufung beim Kantonsgericht Graubünden. Sie beantragte wiederum eine Losbildung und die Zuteilung der Lose an die Erben. In seiner Beschwerdeantwort schloss der Beschwerdeführer auf Nichteintreten, eventualiter auf BGE 143 III 425 S. 427 Anordnung einer Versteigerung unter den Erben, allenfalls eine öffentliche Versteigerung. Mit Urteil vom 16. März 2015 ordnete das Kantonsgericht in Gutheissung der Berufung die Realteilung der Nachlässe des D. und des E. an. Es stellte die güterrechtlichen Ansprüche der C. sel. fest, wies dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin und der Erbengemeinschaft der C. sel. (bestehend aus dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin) bestimmte Erbschaftsgegenstände direkt zu und ordnete Ausgleichszahlungen an. D. Mit Eingabe vom 8. Mai 2015 erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht. Er verlangt die Aufhebung des Entscheids des Kantonsgerichts und die Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Plessur vom 21. August 2013. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für die Verfahren vor Kantons- und Bundesgericht habe die Beschwerdegegnerin die Kosten- und Entschädigungsfolgen zu tragen. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des Kantonsgerichts auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Umstritten ist der Umfang der Kompetenz des mit einer Erbteilung befassten Gerichts. 4.1 In terminologischer Hinsicht ist vorauszuschicken, dass das Gesetz unter dem Titel "Teilung der Erbschaft" teilweise von (Teilungs-)Behörde (Art. 602 Abs. 3, Art. 609, Art. 611 Abs. 2, Art. 612 Abs. 3 und Art. 613 Abs. 3 ZGB ), teilweise von (Teilungs-)Gericht ( Art. 604 ZGB ) spricht. Die Unterscheidung wurde anfänglich so verstanden, dass "das Gericht" für bestimmte Fragen zuständig war und "die Behörde" für andere, nämlich für die Durchführung der Teilung (vgl. PETER TUOR, Berner Kommentar, 1929, N. 4 zu Art. 604 ZGB und ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1943, N. 5 zu Art. 604 ZGB ; zur Möglichkeit, die Teilungsklage mit einem Begehren auf Mitwirkung der Behörde gemäss Art. 609 Abs. 2 ZGB zu verbinden). In BGE 69 II 357 entschied das Bundesgericht, das Teilungsgericht sei zuständig, über alle sich für die Erbteilung BGE 143 III 425 S. 428 stellenden Fragen zu entscheiden. Insbesondere kann es die Teilung selber durchführen, d.h. das Teilungsgericht muss sie nicht der "zuständigen Behörde" überlassen (E. 7 S. 369 f.). Mit anderen Worten kann das Teilungsgericht auch sämtliche Kompetenzen wahrnehmen, welche bis dahin der Teilungsbehörde zugeschrieben wurden. Insofern hat das Bundesgericht seither dem Teilungsgericht in konstanter Rechtsprechung eine "umfassende Teilungs- und Zuweisungskompetenz" zugesprochen (vgl. zuletzt BGE 137 III 8 E. 3.4.1 S. 14 f.; zu einem Beispiel wie sich das Zusammenspiel zwischen Behörde und Gericht gestalten kann vgl. BRÜCKNER/WEIBEL, Die erbrechtlichen Klagen, 3. Aufl. 2012, N. 171 f.). Vorliegend leitete der Beschwerdeführer die Angelegenheit vor dem Einzelrichter als zuständiger Behörde ein; die Angelegenheit wurde dann aber an das Teilungsgericht überwiesen (Sachverhalt B.b). 4.2 Die Erben können, wo es nicht anders angeordnet ist, die Teilung frei vereinbaren ( Art. 607 Abs. 2 ZGB ; zur vorliegend nicht gegebenen Ausnahme, in der eine amtliche Mitwirkung vorgeschrieben ist, vgl. Art. 609 ZGB ). Einigen sich die Erben, können sie sich sogar über Teilungsvorschriften des Erblassers hinwegsetzen ( BGE 137 III 8 E. 3.4.1 S. 14; BGE 97 II 11 E. 3 S. 15 f.; so anstatt vieler: STEPHAN WOLF, Berner Kommentar, 2014, N. 8, 10 ff. zu Art. 607 ZGB ; GUINAND/STETTLER/LEUBA, Droit des successions, 6. Aufl. 2005, N. 547 S. 263; JEAN NICOLAS DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, § 16 N. 61; PAUL EITEL, Grundfragen der Erbteilung, in: Nachlassplanung und Nachlassteilung, Jürg Schmid [Hrsg.], 2014, S. 350; FABIENNE ELMIGER, Das Unternehmen in der Erbteilung, 2012, S. 51 ff.). Mangels Einigung sind die Teilungsvorschriften des Erblassers für die Erben verbindlich, soweit nicht die Ausgleichung einer vom Erblasser nicht beabsichtigten Ungleichheit der Teile notwendig wird ( Art. 608 Abs. 1 und 2 ZGB ). Wo sich die Erben nicht einigen können und auch der Erblasser keine Teilungsvorschriften aufgestellt hat, finden die gesetzlichen Teilungsregeln Anwendung ( BGE 137 III 8 E. 2.1 S. 10; BGE 112 II 206 E. 2a S. 209; Urteil 5C.214/2003 vom 8. Dezember 2003 E. 2, in: Pra 93/2004 Nr. 99 S. 562 f.). 4.3 Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft ( Art. 610 Abs. 1 ZGB ). Dieser Grundsatz der Anspruchsgleichheit ist die oberste Richtschnur für die Erbteilung ( BGE 112 II 206 E. 2b S. 211 mit Hinweis auf TUOR/SCHNYDER, BGE 143 III 425 S. 429 Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl. 1979, S. 466; vgl. auch ANDREAS KUONI, Das schweizerische Erbrecht, insbesondere das Übergangsrecht, 1911, S. 257). ANDREAS KUONI beschreibt kurz nach Inkrafttreten des ZGB den Geist des "neuen" Erbrechts wie folgt: "Alle Erben sind einander gleich. Keiner soll bevorzugt, keiner benachteiligt werden. Diesen Grundsatz stellt der Gesetzgeber an die Spitze des Erbrechts". Auf S. 259 bekräftigt er dann unter dem Titel der Durchführung der Teilung: "Der gleiche Anspruch aller Erben auf alle Gegenstände der Erbschaft ist der Hauptgrundsatz des Teilungsrechtes." ARNOLD ESCHER (a.a.O.) hält in N. 1 zu Art. 610 ZGB fest, der Grundsatz sei eine Spezialanwendung des bereits in Art. 607 Abs. 1 ZGB enthaltenen Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Erben; grundsätzlich habe jeder Erbe den gleichen Anspruch auf die Erbschaft und die einzelnen Gegenstände wie der andere, auch wenn sein Erbanteil kleiner sei als der des anderen; der Unterschied zwischen den Ansprüchen sei nur ein quantitativer, nicht ein qualitativer - und zwar bestehe der Anspruch grundsätzlich in natura. Ebenso hielt PETER TUOR (a.a.O., N. 2 zu Art. 610 ZGB ) fest, es gebe prinzipiell nicht Sachen, die mehr dem einen als dem anderen Erben gebühren. Anspruchsgleichheit gilt immer, wo sich weder aus Gesetz noch aus testamentarischer Vorschrift eine Ausnahme ergibt ( BGE 100 II 440 E. 4 S. 443 f. und E. 8 S. 449; 66 II 238 S. 241 ff.). Andere gesetzliche Vorschriften sehen die vorliegend nicht massgebenden Art. 612a ZGB betreffend Zuweisung von Wohnung und Hausrat an den überlebenden Ehegatten und Art. 613b ZGB betreffend Zuweisung des landwirtschaftlichen Inventars sowie die Bestimmungen des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) vor ( Art. 619 ZGB ). Von Teilungsvorschriften des Erblassers und besonderen Vorschriften abgesehen, gewährt das Bundeszivilrecht in Art. 604 ZGB daher nur einen Anspruch auf Vornahme der Teilung, nicht aber auf Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände ( BGE 101 II 41 E. 4a und 4b S. 44 f.). 4.4 Ein weiterer Teilungsgrundsatz folgt aus Art. 612 Abs. 1 ZGB , wonach eine Erbschaftssache, die durch Teilung an Wert wesentlich verlieren würde, einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden soll. Erbschaftssachen sollen, wenn immer möglich, in natura unter die Erben verteilt werden ( BGE 97 II 11 S. 16; vgl. auch ESCHER, a.a.O., N. 1 zu Art. 610 ZGB ). Der Grundsatz der Naturalteilung erfährt BGE 143 III 425 S. 430 insbesondere bei einer Versilberung/Versteigerung eine Einschränkung (siehe nachfolgend E. 4.6). 4.5 Zum konkreten Vorgehen bei einer Teilung sieht das Gesetz in Art. 611 Abs. 1 ZGB vor, dass die Erben so viele Lose bilden, als Erben oder Erbstämme sind. Können sich die Erben nicht auf die Losbildung einigen, hat auf Verlangen eines der Erben die zuständige Behörde die Lose zu bilden ( Art. 611 Abs. 2 ZGB ). Die Verteilung der Lose erfolgt nach Vereinbarung oder durch Losziehung unter den Erben ( Art. 611 Abs. 3 ZGB ). Eine behördliche Zuweisung der Lose wird im Gesetz nicht - zumindest nicht explizit - vorgesehen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine solche ausgeschlossen ( BGE 85 II 383 E. 3 S. 388). Die Verlosung unter den Erben ist ein Mittel, um dem Grundsatz der Anspruchsgleichheit zum Durchbruch zu verhelfen ( BGE 97 II 11 E. 3 S. 16: "Nach dem Grundsatze der Gleichberechtigung der Erben [Art. 607, BGE 97 II 610 ZGB] sind solche Sachen in der Regel auf diese Weise zu teilen"; vgl. auch EITEL, a.a.O., S. 351, der die Ansicht vertritt, dass im Vorgang der Bildung und [vor allem] der Verteilung der Lose Gleichbehandlungs- und Naturalteilungsprinzip "in reinster Form verwirklicht" werden. Zum Einfluss der Anspruchsgleichheit auf die Bildung der Lose siehe BGE 100 II 440 E. 4 S. 443 f. und E. 8 S. 449). 4.6 Eine weitere Teilungsart sieht Art. 612 Abs. 2 ZGB vor, wonach, wenn sich die Erben nicht über die Teilung oder Zuweisung einer Sache einigen können, die Sache zu verkaufen und der Erlös zu teilen ist. Auf Verlangen eines Erben hat der Verkauf auf dem Wege der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll ( Art. 612 Abs. 3 ZGB ). Auch eine Versteigerung kann Bestätigung und Auswirkung des Grundsatzes der Anspruchsgleichheit der Erben auf die Erbschaftssachen sein, da jeder Erbe die Möglichkeit hat, an der Steigerung teilzunehmen ( BGE 66 II 238 S. 241 ff.; 85 II 383 E. 3 S. 389). Es ist nach Art. 611 ZGB vorzugehen, solange die Erbschaftssache in einem Los Platz hat und damit einem Erben zugewiesen werden kann. Sogar wenn die Erbteile kleiner sind als der Wert der Sache, ist die Zuweisung mit Ausgleichszahlung gegenüber der Veräusserung vorzuziehen, sofern die Differenz nicht erheblich ist (Urteile BGE 143 III 425 S. 431 5C.214/2003 vom 8. Dezember 2003 E. 4.1, in: Pra 93/2004 Nr. 99 S. 560 mit Hinweisen auf PAUL PIOTET, in: Erbrecht, SPR Bd. IV/2, 1981, § 110/IV S. 883 ff., LIONEL HARALD SEEBERGER, Die richterliche Erbteilung, 1992, S. 114 ff. und weitere; 5C.155/1991 vom 14. Mai 1992 E. 2a). Die Zulässigkeit einer Ausgleichszahlung ist auf Grund der Umstände des konkreten Einzelfalls nach Recht und Billigkeit ( Art. 4 ZGB ) zu prüfen, wobei das richtige Verhältnis zwischen Ausgleichssumme und Wert des Erbteils nicht schematisch festgelegt werden kann (Urteil 5C.214/2003 vom 8. Dezember 2003 E. 4.1 mit Hinweis auf SEEBERGER, a.a.O., S. 116 ff. und den in der Lehre vorgeschlagenen Maximalwert 10 %; siehe anstatt vieler: WOLF, a.a.O., N. 18 zu Art. 611 ZGB ). Ein Verkauf - oder auf Verlangen eines Erben die Versteigerung - ist nur möglich, wenn der Weg nach Art. 611 ZGB verschlossen ist ( BGE 97 II 11 E. 3 S. 16). Andererseits darf nach BGE 85 II 383 E. 3 S. 388 f. der Grundsatz der Bevorzugung der Zuweisung in natura nicht derart verstanden werden, dass daraus die Zulässigkeit einer behördlichen Zuweisung von Erbschaftssachen an einen bestimmten Erben oder an mehrere unter sich einige Erben abzuleiten ist, wenn sich auf diese Weise ein Verkauf vermeiden liesse, denn sonst verlöre Art. 612 Abs. 2 ZGB praktisch fast jede Bedeutung, was dem Sinn des Gesetzes widerspricht, das bei Unmöglichkeit der körperlichen Teilung und der Teilung auf dem Weg der Losbildung und -ziehung die Versteigerung vorsieht. 4.7 Der Erbteilungsprozess wird durch die Dispositionsmaxime beherrscht ( BGE 130 III 550 E. 2 S. 551 f., E. 2.1.3 S. 553). Mithin kann sich aus den Rechtsbegehren der Parteien eine Einschränkung der Kompetenz des Teilungsgerichts ergeben. Namentlich kann sich das Teilungsgericht im Rahmen der Rechtsbegehren darauf beschränken, materiell-rechtliche Einzelfragen der Teilung zu entscheiden und damit die Voraussetzung für eine spätere vertragliche Erbteilung zu schaffen (Urteil 5D_133/2010 vom 12. Januar 2011 E. 4.1). Ein Teil der Lehre spricht sich für eine eingeschränkte Dispositionsmaxime aus, weshalb das Gericht auch zu einem Ergebnis gelangen könne, das von keinem Miterben beantragt worden ist (WOLF, a.a.O., N. 84 zu Art. 604 ZGB ; vgl. auch THOMAS WEIBEL, in: Erbrecht, 3. Aufl. 2015, N. 6 ff., 48 zu Art. 604 ZGB ; SEEBERGER, a.a.O., S. 61 f.). Anderer Ansicht ist TARKAN GÖKSU (Die Rechtsbegehren der Erbteilungsklage, in: Kaleidoskop des Familien- und Erbrechts, BGE 143 III 425 S. 432 Liber amicarum für Alexandra Rumo-Jungo, 2014, S. 127 ff., insb. S. 138 ff.). Die ZPO kenne keine Beschränkung der Dispositionsmaxime im Erbrechtsprozess. Er weist auf die Problematik des rechtlichen Gehörs bei überraschender Rechtsanwendung hin. Fehlen die notwendigen Rechtsbegehren, ist nach Meinung von TARKAN GÖKSU eine Klage abzuweisen - und nicht nach richterlichem Ermessen etwas nicht Beantragtes zuzuweisen (a.a.O., S. 141 ff.). In Bezug auf die Parteien leitet er aus dem Bestimmtheitsgebot für Rechtsbegehren ab, dass die Rechtsbegehren der Erbteilungsklage bezüglich der Auflösung der Erbengemeinschaft sowie vor allem auch bezüglich der Zuweisung einzelner Nachlasswerte hinreichend bestimmt sein müssten; nur wo dies unmöglich oder unzumutbar erscheine, sei bezüglich der betroffenen Rechtsbegehren eine unbezifferte Forderungsklage bzw. ein unbestimmter Antrag zu stellen ( Art. 85 ZPO ; GÖKSU, a.a.O., S. 138 f.). Ebenso habe aufgrund der Dispositionsmaxime ( Art. 58 ZPO ) der beklagte Erbe Rechtsbegehren zu stellen (a.a.O., S. 140 f.). Dass das Gericht dem beklagten Erben, welcher keine Rechtsbegehren stellt, irgendetwas zuspricht, ist seiner Meinung nach ausgeschlossen (ebenso spricht er sich - a.a.O., S. 142 - gegen die Anordnung einer Versilberung entgegen dem Willen der Parteien oder einer Ausgleichszahlung, obwohl eine solche nicht beantragt worden ist, aus). Im vorliegenden Kontext braucht nicht weiter auf die Prozessmaximen eingegangen zu werden. Sowohl das Verfahren auf gerichtliche Losbildung gemäss Art. 611 ZGB als auch das Verfahren auf Versteigerung gemäss Art. 612 ZGB werden nur auf Antrag eines Erben aufgenommen (vgl. Art. 611 Abs. 2, Art. 612 Abs. 3 ZGB : "auf Verlangen eines [der] Erben"). Für den weiteren Verlauf vorliegenden Verfahrens spielt somit eine entscheidende Rolle, welche Rechtsbegehren die Parteien stellten und ob diese rechtsgenüglich vorgebracht wurden. 5. Die Vorinstanz ging insofern über die erläuterten gesetzlichen Teilungsregeln hinaus, als sie die Erbschaftsgegenstände auf die drei Parteien aufteilte und damit faktisch drei den Erbquoten entsprechende Lose bildete, die Verteilung derselben aber weder einer allfälligen Parteivereinbarung noch einem Losziehungsverfahren gemäss Art. 611 Abs. 3 ZGB überliess, sondern nach eigenem Ermessen - und teilweise explizit gegen die Anträge der Erben - eine Zuteilung vornahm. Die Kernfrage ist somit, ob der Vorinstanz die BGE 143 III 425 S. 433 Kompetenz zukam, den Parteien direkt und ohne Befolgung der gesetzlichen Teilungsvorschriften, d.h. nach objektiven Kriterien und richterlichem Ermessen die Lose zuzuweisen. Zur Kompetenz von Erbteilungsgericht und -behörde finden sich in Rechtsprechung und Lehre seit Beginn des ZGB kontroverse Stellungnahmen. Die verschiedenen Ansätze widerspiegeln auch eine unterschiedliche Gewichtung der skizzierten Grundsätze des Erbrechts. 5.1 Der Umfang der Kompetenzen der Teilungsbehörden wurde bereits in der Expertenkommission, welche die Revision des Erbrechts in den Jahren 1901-1903 vorbereitete, kontrovers diskutiert. Johann Winkler regte in der zweiten Session im März 1902 an, Art. 624 Vorentwurf ZGB (heutiger Art. 612 ZGB ; im redigierten Vorentwurf von 1903 als Art. 625 geführt) analog zu Art. 626 Vorentwurf ZGB (heutiger Art. 613 ZGB ; im redigierten Vorentwurf von 1903 unverändert Art. 626) zu gestalten. Gemäss Protokoll fand er, "es sollte doch der Behörde vorbehalten werden, zu entscheiden, dass unter Umständen die Sache auch an einen einzelnen Erben übergehen solle" (Protokolle der Verhandlungen der grossen Expertenkommission 1901-1903, in: Berner Kommentar, Materialien zum Zivilgesetzbuch, Bd. III, Reber/Hurni/Schwizer [Hrsg.], 2013, S. 761 Rz. 6870). Eduard Boos beantragte sodann, Art. 624 Abs. 2 wie folgt zu ergänzen: "Können die Erben sich [...] nicht einigen, so entscheidet die zuständige Behörde über die Zuweisung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse." Er argumentierte dabei namentlich mit der Übernahme von Gewerben (a.a.O., S. 762 Rz. 6874). Albert Brosi sprach sich gegen den Antrag Winkler aus und bezeichnete es als "unerträglich", wenn die Behörde die Kompetenz hätte, einem einzelnen Erben z.B. ein Haus zuzuwenden, das nicht teilbar sei (a.a.O., S. 762 Rz. 6878). Boos und Winkler fanden sich schliesslich im Vorschlag einer Fassung, welche alternativ einen Verkauf oder die Zuweisung an einen einzelnen Erben vorsehen sollte. Diese Alternative mit direkter Zuweisungskompetenz wurde schliesslich in der Abstimmung mit grossem Mehr verworfen (a.a.O., S. 762 Rz. 6886). Der Teilungsbehörde sollte mithin keine Kompetenz zukommen, Erbschaftssachen nach eigenem Ermessen direkt zuzuweisen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass dasselbe für das Teilungsgericht gilt (zur Unterscheidung Behörde/Gericht vgl. oben E. 4.2). BGE 143 III 425 S. 434 5.2 Das Bundesgericht hatte bereits kurz nach Inkrafttreten des ZGB die Gelegenheit, sich zur Thematik zu äussern. In BGE 40 II 102 E. 3 S. 108 hielt es fest, dass es das Gesetz, abgesehen von bäuerlichen Betrieben, nicht erlaubt, unteilbare Objekte dem einen oder anderen Erben zuzuweisen, ausser alle Erben hätten dem zugestimmt ("...mentre dal capoverso secondo e terzo dell'art. 612 risulta chiaramente che l'attribuzione degli oggetti indivisi all'uno od all'altro degli eredi dalla legge non è concessa se non ove tutti i coeredi vi abbiano aderito..."). Diese Auslegung wurde in BGE 66 II 238 S. 241 f. bekräftigt. Mangels bindender Anordnung des Erblassers gilt Art. 610 ZGB , wonach alle Erben den gleichen Anspruch auf die Erbschaftssachen haben; als Ausnahme erwähnt wurden die landwirtschaftlichen Gewerbe gemäss [a] Art. 620 ZGB sowie Fälle behördlicher Zuweisung nach Art. 611 und Art. 613 ZGB . Es folgten Ausführungen zur internen Versteigerung für den Fall, dass sich die Erben über die Zuweisung einer unteilbaren Sache nicht einigen. In BGE 69 II 357 stellte das Bundesgericht klar, dass das Teilungsgericht zuständig ist, über alle sich für die Erbteilung stellenden Fragen zu entscheiden (vorstehend E. 4.2), womit dem Teilungsgericht mindestens die selben Kompetenzen wie der Teilungsbehörde zukommen. Obwohl die betreffende Erbschaft Liegenschaften umfasste, wurden der klagenden Erbin nicht etwa Liegenschaften zugewiesen, sondern die Erbin wurde "auf die sämtlichen zur Zeit in der Schweiz, nämlich bei den Banken [...] beschlagnahmten Werte bis zum Betrage von insgesamt Fr. [...] nebst ihrem Anteil an den Erträgnissen angewiesen". Etwas anderes war auch gar nicht möglich, da die Klägerin ihren Pflichtteil einklagte, der nur "dem Werte nach" geltend gemacht werden kann (vgl. Art. 522 Abs. 1 ZGB zur Herabsetzung). 5.3 Soweit ersichtlich hat sich das Bundesgericht seither nie mehr direkt zur Frage geäussert, ob das Teilungsgericht insofern mehr Kompetenzen hat als die Teilungsbehörde, als jenes Erbschaftssachen an einen bestimmten Erben oder an mehrere unter sich einige Erben zuweisen darf, mithin nicht an die Art. 611 und/oder Art. 612 ZGB gebunden ist. In BGE 94 II 231 E. 5 S. 239 f. führte das Bundesgericht aus: "Si les héritiers ne parviennent pas à s'entendre sur l'attribution des biens compris dans la succession et que le défunt ne leur ait pas prescrit de règles de partage (cf. art. 608 CC), l'autorité ne peut ordonner que BGE 143 III 425 S. 435 les mesures spécialement prévues par les art. 610 ss. CC, c'est-à-dire former les lots, procéder au tirage au sort des lots, vendre les biens qui ne peuvent être partagés ni attribués à un lot et en répartir le prix." Im Fall war streitig, ob das befasste Erbteilungsgericht einen Nachlass derart teilen kann, dass eine Liegenschaft in Stockwerkeigentum aufgeteilt wird und Stockwerkeinheiten den Erben - durch Losziehung - zugewiesen werden. Zwar wird der neutrale Begriff "autorité" verwendet, womit aber das Teilungsgericht gemeint war. Mit der Aussage, dass die Behörde keine anderen Massnahmen treffen darf als die spezifisch in Art. 610 ff. ZGB vorgesehenen, hat sich das Bundesgericht also an das Teilungsgericht gewandt. Es hat damit klargestellt, dass die Art. 610 ff. ZGB auch für das Teilungsgericht massgebend sind, dieses also nur Lose bilden, zur Losziehung schreiten und Erbschaftsgüter, die weder geteilt noch einem Los zugewiesen werden können, verkaufen und den Erlös verteilen kann. Ein Sonderfall lag in BGE 100 II 440 vor, da der Erblasser in Bezug auf zwei Liegenschaften eine Teilungsvorschrift hinterlassen (Zuweisung an eine Tochter) und im Übrigen selbst für den Fall der Uneinigkeit seiner Erben die Losziehung angeordnet hatte. In BGE 101 II 41 hat das Bundesgericht festgehalten, dass das Teilungsgericht im Rahmen seiner Kompetenzen ein vollstreckbares Urteil zu fällen hat, d.h. ein solches, das die Teilung durchführt und die Verteilung der Erbschaftsgegenstände auf die einzelnen Erben durch die Vollzugsorgane unmittelbar ermöglicht. Der Anspruch aus Art. 604 Abs. 1 ZGB geht aber, Teilungsvorschriften des Erblassers vorbehalten, nur auf Vornahme der Teilung, nicht auch auf Zuweisung bestimmter Objekte. Die Erben haben bei der Teilung gemäss Art. 610 Abs. 1 ZGB alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft; erst durch die Losbildung und allfällige Losziehung erfolgt die Zuweisung an die einzelnen Erben ( Art. 611 ZGB ; vgl. zum Ganzen BGE 101 II 41 E. 4a S. 44 und E. 4b S. 45 mit Hinweis auf BGE 69 II 369 ). Das Gericht fällt ein reformatorisches Urteil, das den Erbteilungsvertrag ersetzt, den die Erben bei Einigkeit abschliessen würden ( BGE 130 III 550 E. 2.1.1 in fine S. 552). In BGE 137 III 8 E. 3.4.1 S. 14 f. wurde BGE 101 II 41 insofern bestätigt, als das Bundesgericht festhielt, "Im Rahmen der Rechtsbegehren hat das Erbteilungsgericht ein vollstreckbares Urteil zu fällen, d.h. die Teilung durchzuführen und die Erbbetreffnisse konkret BGE 143 III 425 S. 436 zuzuweisen. Es entscheidet über sämtliche Streitfragen und hat umfassende Teilungs- und Zuweisungskompetenz." Daraus kann indes nicht geschlossen werden, das Bundesgericht habe eine über die in Art. 610 ff. ZGB genannten Vorkehren hinausgehende Kompetenz des Erbteilungsgerichts bejaht, nach eigenem Ermessen bestimmte Erbschaftsgegenstände bestimmten Erben zuzuweisen. In BGE 137 III 8 ging es hauptsächlich um die Frage, ob die Teilungsbehörde vorfrageweise auch Fragen beantworten darf, die in die Zuständigkeit des Teilungsgerichts fallen, und ob nach Rechtshängigkeit der Erbteilungsklage noch die Teilungsbehörde angerufen werden kann. Die "umfassende Teilungs- und Zuweisungskompetenz" des Teilungsgerichts ist als Gegenstück zur beschränkten Kompetenz der Teilungsbehörde zu verstehen, die weder Nachlassgegenstände zuweisen noch sonst wie in die Rechte der Erben eingreifen und beispielsweise auch nicht verbindlich einen Verkaufserlös verteilen kann, weshalb während eines Verfahrens vor der Behörde die Anrufung des Teilungsgerichts möglich bleibt (E. 3.4.2 S. 15). Ein ähnlicher Wortlaut wie in BGE 137 III 8 findet sich im kurz danach gefällten Urteil 5D_133/2010 vom 12. Januar 2011, welches bestätigte, dass das Erbteilungsgericht im Rahmen der Rechtsbegehren ein vollstreckbares Urteil zu fällen, d.h. die Teilung durchzuführen und die Erbbetreffnisse konkret zuzuweisen hat. Es entscheidet über sämtliche Streitfragen und hat umfassende Teilungs- und Zuweisungskompetenz. Zu den Folgen führte das Bundesgericht aus, dass die Erbteilungsklage zu einem Urteil führt, das - je nach Begehren - den Nachlass vollständig oder partiell teilt und infolgedessen auch die Erbengemeinschaft vollständig oder partiell aufhebt (mit Hinweis auf BGE 130 III 550 E. 2.1.1 S. 552). Soweit entsprechende Begehren gestellt werden (Hinweis auf BGE 130 III 550 E. 2.1.3 S. 553) und an deren Beurteilung ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse besteht, kann sich ein Erbteilungsgericht aber auch darauf beschränken, materiell-rechtliche Einzelfragen der Teilung zu entscheiden und damit die Voraussetzung für eine spätere vertragliche Erbteilung zu schaffen (mit Hinweis auf BGE 123 III 49 betreffend Feststellung der Ausgleichungspflicht). Das Bundesgericht hielt weiter fest: "Das Urteil bewirkt dann allerdings weder die Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände noch die Aufhebung der Erbengemeinschaft" (zit. Urteil 5D_133/2010 E. 4.1). Im Kontext gelesen kann auch hieraus nicht geschlossen werden, das Bundesgericht hätte eine über Art. 610 ff. ZGB hinausgehende BGE 143 III 425 S. 437 Zuteilungskompetenz bejahen wollen. Im genannten Fall war gerade nicht eine konkrete Zuteilung strittig, sondern es ging um die Frage der Einsetzung eines Erbenvertreters. Die Ausführungen dienten der Begründung, weshalb trotz gerichtlichem Erbteilungsurteil nach wie vor eine Erbengemeinschaft besteht, der ein Erbenvertreter bestellt werden kann (a.a.O., E. 4.2). Das später ergangene Urteil 5A_372/2011 vom 4. Oktober 2011 E. 2.1.1 führt sodann unter Hinweis auf BGE 101 II 41 E. 4b S. 45; 69 II 357 E. 7 S. 369 aus: "L'action en partage (art. 604 CC) tend à ce que le juge ordonne le partage de la succession, auquel les défendeurs s'opposent, et/ou attribue sa part au demandeur. (...) Le juge devra, notamment, déterminer la masse à partager et arrêter les modalités du partage; son jugement (formateur) remplace le contrat de partage que les héritiers concluent normalement." Auch hier wird zwar von Zuweisung gesprochen, aber gerade nicht davon, dass der Richter nach eigenem Ermessen die Zuteilung vornimmt, sondern indem er den Nachlass bestimmt und die Modalitäten der Teilung regelt. 5.4 Einzig im nicht amtlich publizierten Urteil 5C.87/2000 vom 1. März 2001 E. 4c hatte das Bundesgericht eine Zuweisung nach richterlichem Ermessen zu prüfen und schützte diese im Ergebnis. Das Bundesgericht hielt fest, dass das Kantonsgericht kein Bundesrecht verletzte, indem es die Erbschaftsbestandteile konkret zugewiesen hatte (mit Verweis auf den nicht veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 22. Juni 1995 i.S. N.B. und L.H. gegen J.H. und K.H. mit Hinweisen [Urteil 5C.20/1995 vom 22. Juni 1995]). Es ist präzisierend zu vermerken, dass sich im Fall 5C.87/2000 drei gleichberechtigte Geschwister als Erben gegenüberstanden. Es gab insgesamt vier Liegenschaften, zwei davon landwirtschaftliche Grundstücke, sowie Barguthaben zu verteilen. Das Teilungsgericht wies die beiden landwirtschaftlichen Grundstücke derjenigen Erbin (Klägerin) zu, die diese bereits mehrere Jahre gepachtet hatte. Es stützte sich dabei auf die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ( Art. 15 SchlT ZGB ) geltenden Bestimmungen für landwirtschaftliche Gewerbe und Grundstücke. Der oben zitierte Satz erfolgte denn auch unmittelbar in diesem Zusammenhang, weshalb er nicht der Verallgemeinerung zugänglich ist. Bestätigt wird dies durch den Verweis auf das Urteil 5C.20/1995 vom 22. Juni 1995, denn im verwiesenen Fall ging es um die Teilung einer Erbschaft nach den Regeln BGE 143 III 425 S. 438 des bäuerlichen Erbrechts, für welches - damals wie heute - Sonderbestimmungen gelten. Die beiden anderen Grundstücke schlug das Gericht der Schwester zu. Der Bruder erhielt Sparguthaben. Das Bundesgericht erwog (zit. Urteil 5C.87/2000 E. 4/c/bb): "Dass die übrigen Liegenschaften bei dieser Sachlage den Beklagten zugewiesen werden, ergibt sich aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Erben, zumal diese nicht die Versteigerung der Grundstücke beantragen. Die Beklagten können die der Beklagten 1 zugewiesenen Grundstücke auf ihren Wunsch unter sich anders verteilen, als vom Gericht beschlossen." Mithin scheiterte das Anliegen der anderen Erben an den fehlenden zweckdienlichen Rechtsbegehren. Aus den dargelegten Gründen kann auch aus Urteil 5C.87/2000 nicht abgeleitet werden, dass dem Erbteilungsgericht im nicht bäuerlichen Kontext die Kompetenz zukommt, nach eigenem (sachlichen) Ermessen bestimmte Erbschaftsgegenstände bestimmten Erben zuzuweisen. 5.5 Zusammengefasst kann das Teilungsgericht nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts die Teilung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vornehmen. Es hat ein reformatorisches Urteil zu erlassen, im Rahmen dessen es den Erben in vollstreckbarer Weise Erbschaftsgegenstände zuweist. Insofern verfügt das Teilungsgericht über eine umfassende Zuweisungskompetenz. Allerdings hat es die gesetzlichen Teilungsregeln zu befolgen, namentlich die Art. 611 und 612 ZGB . Bisher nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht die Frage, ob das Teilungsgericht befugt ist, Erbschaftsgegenstände, namentlich nach Art. 611 Abs. 2 ZGB gebildete Lose, nach eigenem Ermessen an die Erben zuzuweisen. 5.6 In der jüngeren Lehre finden sich teilweise klare Voten für eine richterliche Zuteilungskompetenz in dem Sinne, dass das Teilungsgericht nach eigenem Ermessen bestimmte Erbschaftsgegenstände - teilweise wird explizit auch von der Zuteilung richterlich gebildeter Lose gesprochen - bestimmten Erben zuweisen kann. 5.6.1 Die Rolle des Vorreiters nimmt dabei LIONEL HARALD SEEBERGER ein (a.a.O., insb. S. 65 ff., 80 ff.). Zum Ausgangspunkt führt SEEBERGER aus, nur wenn der Teilungsrichter über die Kompetenz zur direkten Zuweisung verfüge, könnten die Erben im Prozess mit Aussicht auf Erfolg die Zuteilung konkreter Nachlassobjekte verlangen. Werde eine solche direkte Zuweisungskompetenz des Richters bejaht, stelle sich als BGE 143 III 425 S. 439 nächstlogische Frage jene nach den massgeblichen Zuteilungskriterien; bei Negation richterlicher Zuweisungskompetenzen bleibe offen, wie diesfalls Streitigkeiten der Erben über die gegenständliche Verteilung zu lösen seien (a.a.O., S. 66). Eine Zuteilung durch das Losverfahren lehnt er grundsätzlich ab. Bereits das Wesen des Privatrechts lege weitgehend fest, wie die Zuweisung zu erfolgen habe, nämlich unter Berücksichtigung der Umstände und unter Gebrauch der Vernunft. Zusammengefasst will er eine Losziehung nur als ultima ratio zulassen, wenn in einem konkreten Fall die vernünftige Berücksichtigung der Umstände zu keinem Resultat führe, weil insofern eine tatsächliche Pattsituation bestehe, als mehrere Erben bezüglich des gleichen (strittigen) Gegenstandes als gleichermassen berechtigt erscheinen würden. Hier könne einzig das Schicksal eine Lösung herbeiführen. Er geht davon aus, dass ein solcher Fall nur "äusserst selten" vorliege (a.a.O., S. 76 f.). Wenn der Richter (nur) das Ergebnis einer Verlosung zum Inhalt seines Urteils erhebt, kann seines Erachtens nicht mehr von einer direkten Zuteilung noch von umfassender richterlicher Kompetenz gesprochen werden, da letztlich gerade nicht der Richter, sondern der Zufall entscheide (a.a.O., S. 69). Zur Begründung der von ihm vertretenen umfassenden Zuteilungskompetenz verweist er auch auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, welches die Zuweisungskompetenz des Teilungsrichters bereits früh bejaht habe. Er nennt namentlich BGE 69 II 357 , 100 II 440 und 101 II 45. 5.6.2 STEPHAN WOLF (a.a.O., N. 81 zu Art. 604 ZGB ) vertritt die Ansicht, dem Erbteilungsgericht müsse eine umfassende und freie Zuteilungskompetenz in dem Sinne zukommen, dass es die Erbteilung gestützt auf sachliche Kriterien wie konkrete Umstände, persönliche Verhältnisse, Interessen der Erben und Ortsgebrauch vornehmen könne. Es sei an die Art. 612 ff. ZGB und an erblasserische Vorschriften ( Art. 608 ZGB ) gebunden und habe nach Möglichkeit auf den Willen der Mehrheit der Erben Rücksicht zu nehmen. Ebenso habe es den Grundsatz der Gleichbehandlung der Erben ( Art. 610 Abs. 1 ZGB ) zu berücksichtigen. Hinsichtlich Art. 612 ZGB ergänzt WOLF, dass sich der Erbteilungsrichter an eine ungeteilte Zuweisung gemäss Abs. 1 zu halten habe. Eine (ungeteilte) Zuweisung von Erbschaftssachen sei jedenfalls immer dann zulässig, wenn entsprechende Anträge der Erben vorlägen, selbst wenn Uneinigkeit darüber bestehe, an wen die Zuweisung erfolgen solle. Wenn ein Erbe die Veräusserung verlange, könne der Richter nichtsdestotrotz eine BGE 143 III 425 S. 440 ungeteilte Zuweisung entgegen dem Willen einzelner Miterben vornehmen, da Art. 612 Abs. 2 ZGB eher als Handlungsanweisung an die Erben zu verstehen und nicht unmittelbar an die Behörde gerichtet sei. WOLF geht mit Hinweis auf LIONEL HARALD SEEBERGER sogar so weit, dass der Richter eine Zuteilung an einen Erben anordnen könne, der die Zuweisung an sich ablehnt (N. 27 zu Art. 612 ZGB ; ebenso SEEBERGER, a.a.O., S. 61 und 171). Der Richter sei nicht an das Losbildungsverfahren nach Art. 611 ZGB gebunden; ihm stehe die Kompetenz zu, die Erbschaftsgegenstände selbständig den einzelnen Miterben unmittelbar zuzuweisen (WOLF, a.a.O., N. 21 zu Art. 611 ZGB ). Das Erbteilungsgericht habe die Zuweisung in erster Linie nach objektiven Kriterien und nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen; etwas anderes lasse sich kaum mit der dem Gericht zukommenden Stellung vereinbaren ("[e]ine strikte Verweisung des Erbteilungsgerichts auf das Losziehungsverfahren als ausschliessliches Mittel zur Festsetzung der den einzelnen Miterben im Gestaltungsurteil zuzuweisenden Erbschaftsobjekte liesse sich weiter mit der dem Gericht zukommenden Verantwortung und seiner sich in grundsätzlicher Hinsicht aus Art. 1 Abs. 2 ZGB ergebenden Stellung kaum vereinbaren"; vgl. a.a.O., N. 81 zu Art. 604 ZGB ). Bei der Zuweisung der Erbschaftssachen könne der Richter nötigenfalls vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen (a.a.O., N. 17 zu Art. 610 ZGB ). Erst wenn objektive, sachliche Kriterien fehlten, und ein bestimmtes Erbschaftsobjekt ebenso gut dem einen wie dem anderen Miterben zugeteilt werden könnte, sei es dem Richter nicht verwehrt, zum Losziehungsverfahren zu schreiten. Der Zufallsentscheid durch das Los könne nur subsidiär, als ultima ratio, in Betracht fallen (a.a.O., N. 81 zu Art. 604 ZGB ). Da es weder praktikabel noch attraktiv sei, werde das gesetzliche Losbildungsverfahren kaum je wirklich angewandt (a.a.O., N. 14 zu Art. 611 ZGB ). Das ZGB verstehe unter dem Begriff der "Lose" nicht die Erbteile, die konkret den einzelnen Miterben zugewiesen werden sollten, sondern "wertgleiche Häuflein" von Erbschaftsobjekten, wobei grundsätzlich so viele Lose gebildet würden, wie Erben an der Teilung beteiligt seien (a.a.O., N. 15 zu Art. 611 ZGB ). Dies sei besonders bei ungleichen Erbquoten unpraktikabel. Die zu bildende Anzahl von Losen habe nämlich zur Konsequenz, dass grosse, wertvolle Erbschaftsobjekte ( Art. 612 ZGB ) und Sachgesamtheiten ( Art. 613 ZGB ) nicht in die Lose passen und letztlich im Widerspruch zum gesetzlich vorgesehenen Prinzip der BGE 143 III 425 S. 441 Naturalteilung ( Art. 610 ZGB ) versilbert werden müssten (a.a.O., N. 16 zu Art. 611 ZGB ). Das Losbildungsverfahren, wie es gesetzlich vorgesehen sei, sei weiter auch unattraktiv, denn welcher Erbe welches Los mit welchem Inhalt zugewiesen erhalte, hänge letztlich vom Zufall ab. So gehe das Konzept des ZGB davon aus, dass die Losbildung unabhängig von den Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Erben - mithin abstrakt und zufällig - erfolge. Hinzu komme, dass nach dem Prinzip der Gleichbehandlung der Erben die Lose möglichst homogen gebildet werden sollten; es sollte also auf jedes Häuflein von allem - Grundstücke, Fahrnis, Forderungen usw. - ein bisschen entfallen, was zu einer weiteren oftmals unangebrachten Aufsplitterung der Erbschaft führe. Anschliessend geschehe die Zuweisung der Lose entweder nach Vereinbarung oder durch "Losziehung" und damit wiederum nach Zufall (a.a.O., N. 17 zu Art. 611 ZGB ). 5.6.3 SCHAUFELBERGER/KELLER LÜSCHER halten dafür, gerade bei strittigen Verhältnissen solle dem Richter die Kompetenz zugestanden werden, "aufgrund sachlicher Kriterien eine bessere, d.h. die konkreten Umstände, die persönlichen Verhältnisse und die Interessen aller Erben, allenfalls auch den Ortsgebrauch berücksichtigende Teilung vorzunehmen", damit er den Entscheid nicht dem Zufall (Losziehung) überlassen müsse. Entsprechend unterstützen sie die Idee der so verstandenen umfassenden richterlichen Zuteilungskompetenz (in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 7 zu Art. 604 ZGB ). Im Gegensatz zur Teilungsbehörde, die keine Zuweisung vornehmen kann, könne der Teilungsrichter einen behördlichen Teilungsplan genehmigen oder aber selbst über die Zuteilung entscheiden (a.a.O., N. 16 f. zu Art. 611 ZGB ). Das Losbildungsverfahren sei eine gesetzliche Notlösung (a.a.O., N. 3 zu Art. 611 ZGB ). 5.6.4 Weitere Autoren schliessen sich ohne eigene rechtliche Begründung der Lehrmeinung einer freien richterlichen Zuweisungskompetenz nach pflichtgemässem Ermessen aufgrund sachlicher Kriterien an (EITEL, a.a.O., S. 351 f., der sich von einer "möglichst optimalen Ressourcenallokation" leiten lässt, nichtsdestotrotz aber darauf hinweist, dass das Bundesgericht sich in den von der Lehre zitierten Entscheiden BGE 100 II 440 und BGE 101 II 41 "nicht besonders klar für die gerichtliche Zuweisungskompetenz ausgesprochen" habe; BARBARA GRAHAM-SIEGENTHALER, in: Erbrecht, 2. Aufl. 2012, N. 11 BGE 143 III 425 S. 442 zu Art. 604 ZGB ). STÉPHANE SPAHR (in: Commentaire romand, Code civil, Bd. II, 2016, N. 27 zu Art. 611 ZGB ) führt aus, Art. 611 ZGB stelle für den Richter dispositives Recht dar; der Richter sei frei, zu entscheiden, welches Gut welchem Erben zukommen solle, ohne zu einer Losziehung schreiten zu müssen. Von einer derartigen richterlichen Kompetenz gehen offenbar auch COUCHEPIN/MAIRE aus, wenn ausgeführt wird, der Richter verfüge über einen weiten Ermessensspielraum und könne auch zu einer Lösung gelangen, die von keiner Partei vorgeschlagen worden sei (in: Commentaire du droit des successions, 2012, N. 18 zu Art. 604 ZGB ). 5.6.5 TUOR/SCHNYDER/SCHMID/JUNGO vertreten die Auffassung, dass das Gericht bei entsprechend lautenden Rechtsbegehren die Teilung selber vornehme, wobei ihm gegebenenfalls eine umfassende Zuteilungskompetenz zukomme (Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl. 2015, § 83 N. 11 und 24). In § 83 Fn. 23 ergänzen sie, dass bei aller Bejahung der grundsätzlichen Zuteilungskompetenz des Gerichts die Losziehung entgegen HARALD LIONEL SEEBERGER nicht nur "äusserst selten" vorkommen dürfte. 5.6.6 Eine Zusammenfassung der Lehre findet sich bei THOMAS WEIBEL (a.a.O., N. 45 zu Art. 604 ZGB ), der ebenfalls für eine Zuweisungskompetenz des Erbteilungsgerichts nach richterlichem Ermessen eintritt. Art. 611 ZGB sei für das Erbteilungsgericht dispositiver Natur und das System der Losbildung unattraktiv und unpraktikabel (a.a.O., N. 6 ff. zu Art. 611 ZGB ). Schliesslich kann auf die ausführliche Abhandlung von AUDREY LEUBA hingewiesen werden (Le partage successoral en droit suisse, ZSR 125/2006 II S. 137 ff.). Sie zeigt die Entwicklung der Lehre vor und nach BGE 69 II 357 auf. Sie begrüsst die Anerkennung einer umfassenden Zuweisungskompetenz des Erbteilungsgerichts. 5.7 Ein anderes Bild ergibt das Studium weiterer Autoren, namentlich der älteren Lehre. 5.7.1 In der ersten Ausgabe des Zürcher Kommentars erläutert ARNOLD ESCHER die Diskussionen in der Expertenkommission, bei Nichteinigung der Erben eine direkte Verteilung und Ausscheidung der Lose durch die Behörde zuzulassen; eine Berücksichtigung dieses Vorschlags sei allerdings aus dem Gesetz nicht ersichtlich. Könnten sich die Erben nicht einigen, reiche das Verlangen auch nur eines Erben, damit zur behördlichen Teilbildung geschritten werde. Könnten sich die Erben über die Modalitäten der Ziehung der Lose nicht BGE 143 III 425 S. 443 einigen, so sei sodann nicht das ordentliche Gericht, sondern die Behörde zuständig. Die Alternative einer direkten Zuweisung nach richterlichem Ermessen erwähnt er nicht (ESCHER, Zürcher Kommentar, 1912, N. zu Art. 611 ZGB ). 5.7.2 Auch der Berner Kommentar, der heute für die umstrittene Zuteilungskompetenz eintritt, stand früher für eine andere Rechtsauffassung. Die Lösung von PETER TUOR für den Fall, dass sich die Erben über die Losbildung und/oder die Verteilung der Lose uneinig sind, ist kurz und bündig: "Bei Uneinigkeit bestimmt das Gesetz: für die Bildung der Teile: amtliche Vornahme; für die Zuweisung der Teile: Losziehung." (a.a.O., N. 5 zu Art. 611 ZGB ). In Bezug auf die Verteilung der einmal gebildeten Lose hält er die Vereinbarung für eine Ausnahme, die Regel sei die Losziehung, wodurch die Entscheidung dem Schicksal anheimgegeben werde. Zur Losziehung müsse Zuflucht genommen werden, sobald die Erben sich nicht auf eine andere Art des Vorgehens einigen könnten. Für das Losziehungsverfahren verweist er auf den Ortsgebrauch (z.B. Ziehung durch die Erben in der umgekehrten Reihenfolge des Alters oder auch durch einen Dritten; vgl. a.a.O., N. 19 zu Art. 611 ZGB ). Ausgangslage ist dabei für ihn die Anspruchsgleichheit der Erben. Es gebe prinzipiell nicht Sachen, die mehr dem einen als dem anderen Erben gebühren (a.a.O., N. 2 zu Art. 610 ZGB ). 5.7.3 Die Rechtsauffassung von PETER TUOR wurde von VITO PICENONI weitergeführt. Auf Verlangen eines Erben werde die Behörde mit der Losbildung betraut; im Erbteilungsprozess sei es demgegenüber Sache des Richters, die Lose zu bilden. Sodann übernimmt er die Formel von PETER TUOR. Die Erben seien frei in der Bildung und Zuweisung der Teile. Bei Uneinigkeit bestimme das Gesetz: für die Bildung der Teile: amtliche Vornahme; für die Zuweisung der Teile: Losziehung. Er bestätigt, zur Losziehung müsse Zuflucht genommen werden, sobald die Erben sich nicht auf eine andere Art des Vorgehens einigen (VITO PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 4 f. und N. 19 zu Art. 611 ZGB ). Er macht dabei keine Einschränkung, dass dies nur für die Behörde, nicht aber das Gericht gelten solle. Im Kommentar zu Art. 604 ZGB weist PICENONI aber darauf hin, es sei umstritten, ob der Richter im Teilungsprozess mit der Aufstellung der rechtlichen Voraussetzungen für das Teilungsgeschäft seine Aufgabe erfüllt habe, oder er das Teilungsgeschäft selbst durchzuführen, also den Erben die ihnen zukommenden BGE 143 III 425 S. 444 Nachlassgegenstände im Urteil zuzuteilen habe. Er fasst zusammen, welche Autoren und Bundesgerichtsentscheide für die eine oder andere Lösung sprechen und kommt schliesslich zum Schluss, der Richter müsse ein vollstreckbares Urteil fällen, d.h. ein solches, das die Verteilung der Erbschaftsbestandteile auf die betreffenden Erben durch die Vollzugsorgane unmittelbar ermögliche. Es reiche nicht, wenn ein Urteil bloss die Voraussetzungen für das Teilungsgeschäft schaffe; ein Urteil das sich auf blosse Teilungsvorschriften beschränke, bedeute eine formelle Rechtsverweigerung gegenüber der klagenden Partei. Insofern sprach er sich für eine umfassende richterliche Kompetenz aus (a.a.O., N. 4g zu Art. 604 ZGB ). 5.7.4 HANS MERZ (Zur Auslegung einiger erbrechtlicher Teilungsregeln, in: Zum schweizerischen Erbrecht, Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Peter Tuor, 1946, S. 85 ff.) erinnert an den Grundsatz, wonach jeder Erbe den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft hat, und folgert, dass deshalb nicht einzusehen sei, "weshalb der eine eher als der andere" einen bestimmten Nachlassgegenstand erhalten sollte, und es lasse sich "nicht begründen, welch bessere Berechtigung der Teilungsplan des Erben A (...) gegenüber dem die umgekehrte Zuteilung verlangenden Plan des B haben solle" (a.a.O., S. 87 f.). Auf S. 90 führt er weiter aus: "Art. 611 gibt nicht einem Erben ein Vorrecht, einen Anspruch auf eine bestimmte Erbschaftssache; er begründet lediglich den Anspruch auf Durchführung eines bestimmten Verfahrens zur Teilung solcher Erbschaften, die der Quotenteilung nach Art. 610 zufolge ihrer Zusammensetzung nicht zugänglich sind. Dabei beschränkt sich die Zuständigkeit der im Falle der Nichteinigung der Erben zur Entscheidung berufenen Behörde auf die Bildung der Lose und nicht etwa auf ihre Zuteilung an die einzelnen Erben. Es geht dies aus Art. 611 Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 3 mit aller Deutlichkeit hervor und es kann deshalb in dieser Gesetzesbestimmung auch keine Grundlage für die in gewissen kantonalen Einführungsgesetzen anerkannten Vorzugsrechte einzelner Erben auf bestimmte Objekte erblickt werden. (...) Die zwangsweise Durchsetzung von Vorzugsrechten einzelner Erben oder gar die direkte Zuweisung der Lose muss aber als bundesrechtswidrig bezeichnet werden, soweit sie sich auf Art. 611 ZGB stützt." HANS MERZ wirft allerdings die Frage auf, inwiefern es notwendig sei, für die blosse Losbildung auf die in Art. 611 Abs. 2 ZGB aufgezählten Entscheidungskriterien des Ortsgebrauches, der persönlichen Verhältnisse und der Wünsche der Erbenmehrheit abzustellen. BGE 143 III 425 S. 445 Darin stecke vielleicht gerade - abgesehen von der Möglichkeit der Herbeiführung einer Verständigung - eine feine psychologische Überlegung, indem die Behörde verhalten werde, um so sorgfältiger auf eine gleichwertige und qualitativ gleichartige Zusammensetzung der Lose bedacht zu sein. Er erblickt darin die Absicht, den Grundsatz der Gleichberechtigung der Erben nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten (a.a.O., S. 91). Sodann erläutert er: "Es mag scheinen, als ob die Durchsetzung des in Art. 611 ZGB verankerten Anspruchs auf schicksalsmässige Zuteilung der Erbanteile zu derartigen Schwierigkeiten Anlass gebe, dass er aus praktischen Erwägungen aufgegeben und der zuständigen Instanz das Recht auf direkte Zuweisung der Lose gegeben werden müsste. (...) Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht grössere Anforderungen an die zuständige Instanz stellt, gemäss den oben entwickelten Grundsätzen Lose zu bilden, als entsprechende direkte Zuteilungen vorzunehmen. Die wertmässige Zusammensetzung der Teile bedarf in beiden Fällen der genau gleich sorgfältigen Prüfung. Es steht nicht im Widerspruch zu der hier vertretenen Auffassung, wenn die im Teilungsverfahren (Art. 611 Abs. 2, eventuell nach Art. 609 ZGB ) angerufene Behörde einen eigentlichen Teilungsplan mit Zuweisung der Erbschaftsgegenstände an die einzelnen Erben aufstellt, sofern nur dieser Plan den Charakter eines Entwurfes behält, den die Erben anzunehmen oder zu verwerfen frei sind. Es entspricht dies der Rolle, welche nach der bundesgerichtlichen Praxis der vom kantonalen Recht zur Mitwirkung bei der Teilung berufenen Behörde ( Art. 609 Abs. 2 ZGB ) ganz allgemein zusteht. Sie soll die einer Einigung der Erben im Wege stehenden Schwierigkeiten zu beheben suchen, darf aber in keiner Weise die ihnen durch Bundesrecht vorbehaltenen Ansprüche beeinträchtigen" (a.a.O., S. 94). 5.7.5 PAUL PIOTET (Partage judiciaire et constitution de propriétés par étages, ZSR 113/1994 I S. 207 ff., insb. 209 f. inkl. Fn. 13 und 14) kritisiert zunächst den - möglicherweise falsch verstandenen - Hinweis von JEAN NICOLAS DRUEY (Grundriss des Erbrechts, 3. Aufl. 1992, § 16 N. 89), wonach das Bundesgericht in BGE 100 II 440 erstmals die Möglichkeit des Teilungsgerichts einer direkten Zuweisung ohne Losziehung anerkannt habe. Das Bundesgericht habe dort ausschliesslich über die Methoden für die Losbildung entschieden. "Jamais, en dehors du droit successoral paysan et en l'absence d'une règle de partage posée par le de cujus, le Tribunal fédéral n'a attribué directement des biens dans un partage successoral." BGE 143 III 425 S. 446 Ferner hält PAUL PIOTET unter Hinweis auf BGE 94 II 231 E. 5 fest, zurecht stelle das Bundesgericht das Teilungsgericht ("le juge du partage") und die Teilungsbehörde ("l'autorité de partage stricto sensu") in Bezug auf die Lösungen, die sie wählen könnten, auf die gleiche Stufe ("sur le même pied"; a.a.O., S. 210). Schliesslich führt er aus: "Les règles sur le partage de la succession, posées aux art. 602 ss CC, et en particulier les art. 611 et 612 CC, lient aussi bien le juge du partage que l'autorité de partage distincte de lui. On ne voit pas comment, par exemple, le juge serait lié par les art. 612a-618 CC, mais pas par les art. 611 et 612 CC. Rien dans la loi ne permet de faire cette distinction." 5.7.6 Zu den Gegnern einer freien Zuweisungskompetenz zu zählen ist wohl auch TARKAN GÖKSU, der eine Zuweisung nach richterlichem Ermessen aus zivilprozessualen Überlegungen ablehnt; zumindest soweit eine solche - wie vorliegend - nicht von den Parteianträgen gedeckt ist (vgl. vorstehend E. 4.7). Er führt ein Beispiel an, in dem zwei Erben die Zuweisung der erblasserischen Liegenschaft beantragen und das Gericht nun dem einen Erben antragsgemäss die Liegenschaft, dem anderen Erben aber auch ohne solchen Antrag andere Nachlassobjekte zuweisen können soll (a.a.O., S. 142). Im Falle einer Losbildung erachtet er es im Übrigen als ausreichend, wenn der Erbteilungskläger für den gesamten Nachlass oder Teile davon die Bildung "gleich grosser" Lose und die Zuweisung eines Loses an sich selbst beantrage, ohne den genauen Inhalt der einzelnen Lose oder des ihm zuzuweisenden Loses zu präzisieren. Der Richter verfüge "sowohl bei der Bildung der einzelnen Lose als auch der Zuweisung der Lose (direkte Zuweisung durch das Gericht oder Anordnung der Losziehung; vgl. Art. 611 Abs. 3 ZGB )" über ein Rechtsfolgeermessen. Aufgrund der Dispositionsmaxime dürfe das Gericht aber nicht von Amtes wegen, d.h. nicht ohne Antrag einer Partei, eine Losziehung anordnen. Mangels Antrag einer Partei müsse eine Losziehung ausbleiben, selbst wenn dies aufgrund der materiellen Rechtslage angezeigt wäre (a.a.O., S. 145 f.). 5.8 Weitere Autoren äussern sich nur indirekt oder in kommentierender Weise zur Frage. 5.8.1 Von den frühen Kommentatoren äussern sich namentlich ROSSEL/MENTHA (Manuel du droit civil suisse, 2. Aufl. 1922-1931, Bd. II, Livre Troisième, Des Successions, Du mode de partage, N. 1127 ff. S. 222 ff., insb. N. 1134 f. S. 230 f.) und ANDREAS KUONI (a.a.O., BGE 143 III 425 S. 447 S. 250, 259 ff.), soweit ersichtlich, nicht explizit zur Frage, ob der Teilungsrichter gleichermassen wie die Behörde an das Losziehungsverfahren gebunden sei resp. stellte sich für sie infolge der Kompetenzteilung zwischen Behörde und Gericht (hierzu vorstehend E. 4.2) möglicherweise die Frage gar nicht. ANDREAS KUONI sagt lediglich im Absatz "Teilungsanspruch 604", die Teilung selber erfolge nach den hierfür aufgestellten Grundsätzen; er verweist auf Art. 607 ff., 654 ZGB (a.a.O., S. 250). 5.8.2 Ohne eine eigene Meinung zu äussern, weisen BEUSCH-LIGGENSTORFER/DORJEE-GOOD/GELLIS darauf hin, dass der Umfang der richterlichen Teilungskompetenz strittig sei. Die herrschende Lehre gehe heute von einer umfassenden und freien Zuteilungskompetenz aus; demnach sei das Gericht nicht an das Losverfahren nach Art. 611 ZGB gebunden, sondern entscheide - unter Beachtung der gesetzlichen und erblasserischen Teilungsvorschriften sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Erben - aufgrund sachlicher Kriterien (in: ZGB, Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 3. Aufl. 2016, N. 6 zu Art. 604 ZGB ). 5.8.3 Gemäss PAUL-HENRI STEINAUER dient die Teilungsklage dazu, dass das Gericht sich über die Teilung ausspreche, wenn sich die Erben nicht über deren Modalitäten einigen (Le droit des successions, 2. Aufl. 2015, § 52 Rz. 1283). Im Zusammenhang mit den Kompetenzen des Teilungsrichters verweist er auf TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO (Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, § 82 N. 23) und LIONEL HARALD SEEBERGER (a.a.O., S. 219 § 52 Fn. 79 zu Rz. 1273). 5.8.4 In seiner Besprechung der Dissertation von LIONEL HARALD SEEBERGER führt JEAN NICOLAS DRUEY (AJP 4/1993 S. 479 f.) aus, es treffe sicher zu, dass das Zufallsprinzip von Art. 611 Abs. 3 ZGB aus den Anschauungen "unserer" Zeit heraus einen geradezu brutalen Anstrich erhalte, und doch solle das Zurückgreifen des Gesetzes auf dieses Prinzip nicht einfach verdrängt werden. Es lasse sich durchaus mit guten Gründen für die Tauglichkeit des Zufallsprinzips argumentieren. "Wenn zwei Kinder, sie Kunsthistorikerin und er Zahnarzt, um das schönste Bild im Nachlass streiten (sie schätzt den Maler besonders, er hätte gern etwas Schönes ins Wartezimmer), so ist es eine Überanstrengung des Rechts, von ihm justitiable Massstäbe für die Zuteilung zu erwarten. Entweder gelangen wir zur Kadijustiz oder zum Zufallsentscheid. Der Zufallsentscheid BGE 143 III 425 S. 448 kann für sich beanspruchen, die konsequenteste Verwirklichung des Erben-Gleichbehandlungsprinzips zu sein." Er weist auch auf den Widerspruch hin, dass LIONEL HARALD SEEBERGER zwar Art. 611 Abs. 2 ZGB als Orientierung für den Richter betrachte, Abs. 3 derselben Bestimmung aber nur für die Behörde gelten solle. Der Richter gehe im Falle einer Losziehung nicht seiner Kompetenzen verlustig. Er wirft schliesslich die Frage auf, ob dem Richter die Wahl des Vorgehens offengelassen werden könnte. An anderer Stelle führt JEAN NICOLAS DRUEY aus, es sei dem Teilungsrecht des ZGB keinerlei Anhaltspunkt zu entnehmen, dass es bei der Teilungsklage eine Ausnahme zum Konzept der Entscheidung durch den Zufall geben solle. Er vermutet dahinter eine Idee des Einigungszwangs (Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, § 16 N. 89). Gleichzeitig hält er unter Hinweis auf BGE 101 II 41 , BGE 101 II 45 f. dafür, die Erben könnten Zuweisungsanträge bezüglich spezifischer Nachlassobjekte stellen. Zunächst seien die Kriterien nach Art. 611 Abs. 2 ZGB zu prüfen. Wenn diese für die Entscheidung nicht "konkret genug" seien, habe der Richter zur Losziehung nach Abs. 3 zu greifen (a.a.O., § 16 N. 89). 5.9 Den Gegnern des Losbildungsverfahrens ist gemeinsam, dass sie ein Gestaltungsurteil nach der "Vernunft" des Richters dem Zufallsentscheid vorziehen. Sie treten damit in ein Spannungsverhältnis mit dem vom Bundesgericht als oberste Richtschnur des Teilungsrechts bezeichneten Grundsatz der Anspruchsgleichheit ( Art. 610 Abs. 1 ZGB ; BGE 112 II 206 E. 2b S. 211; 66 II 238 S. 241 ff.; vgl. hiervor E. 4.3). Es fällt auf, dass insbesondere Autoren, die anfangs des 20. Jahrhunderts publizierten und möglicherweise den Zeitgeist bei Erlass des ZGB noch unmittelbarer mittrugen, die Anspruchsgleichheit hervorhoben (insb. KUONI, ESCHER SEN., TUOR, MERZ; siehe hiervor). STEPHAN WOLF nimmt eine Abweichung von der Anspruchsgleichheit ausdrücklich in Kauf (a.a.O., N. 17 zu Art. 610 ZGB ). LIONEL HARALD SEEBERGER setzt sich, soweit ersichtlich, nicht einlässlich mit der Vereinbarkeit seines Vorschlages mit dem Grundsatz der Anspruchsgleichheit auseinander. Immerhin führt er aus, es dürfte nur äusserst selten vorkommen, dass "mehrere Erben bezüglich des gleichen Gegenstandes gleichermassen berechtigt" wären. Mithin unterstellt er, dass Erben mit Bezug auf gewisse Erbschaftsgegenstände "besser" berechtigt sein können als andere (a.a.O., S. 76). Der Widerspruch zu Art. 610 ZGB ist offensichtlich. BGE 143 III 425 S. 449 An der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Anspruchsgleichheit oberste Richtlinie des Teilungsrechts ist, ist aber festzuhalten. Hinzu kommt, dass unklar bleibt, was die Autoren, die sich für einen "Vernunftsentscheid" anstelle einer Losziehung aussprechen, unter Vernunft verstehen. Objektive Kriterien spielen im Erbrecht insofern eine untergeordnete Rolle, als der Erblasser frei über die Erbschaftsgegenstände verfügen kann. Ein Schutz vor "unvernünftigen" Teilungsvorschriften des Erblassers besteht nicht, resp. nur insofern, als die unter sich einigen Erben sich über die Teilungsvorschriften des Erblassers hinwegsetzen können. Gerade in den umstrittenen Fällen, wo also zwei oder mehr Erben denselben Gegenstand für sich beanspruchen, ist es unrealistisch, klare Entscheidkriterien zu erwarten. Vielmehr wird jeder seine Gründe vorbringen, weshalb ihm die Sache zuzuweisen sei. Angesichts des Fehlens allgemeingültiger Zuweisungskriterien im Gesetz ergäbe sich je nach Richter eine eigene Gewichtung. Was für den einen Richter ein sachliches Zuweisungsargument wäre, bliebe bei einem anderen unbeachtet. Gewisse Richtlinien vermöchte wohl Art. 611 Abs. 2 ZGB zu geben, der bei der Bildung der Lose zu beachten ist. Allerdings zeigt gerade diese Notlösung ein weiteres Spannungsfeld auf, soll doch Art. 611 Abs. 2 ZGB für den Richter gelten, während eine Bindung des Richters an Absatz 3 derselben Bestimmung verneint wird. Auch wenn der Gesetzestext in der Bestimmung nicht ausdrücklich vom "Gericht" spricht, ist nicht ersichtlich, weshalb alle Bestimmungen des Teilungsrechts für den Richter gelten sollten, ausser Art. 611 Abs. 3 ZGB zur Losverteilung. Eine solche Ausnahme ist weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien ersichtlich, und - wie aufgezeigt - auch nicht aus der Rechtsprechung. Demnach ist das Teilungsgericht dazu berufen, auf Antrag eines Erben hin Lose zu bilden ( Art. 611 Abs. 2 ZGB ). Einigen sich die Erben nicht über die Zuteilung der so gebildeten Lose - oder auf ein anderes Vorgehen -, so hat eine Losziehung gemäss Art. 611 Abs. 3 ZGB stattzufinden, wenn die Erben die Durchführung der Teilung und nicht lediglich die Behandlung einzelner Teilaspekte der Erbteilung verlangt haben. Anders als die Teilungsbehörde kann der Richter das Ergebnis der Losziehung in sein Urteil aufnehmen und so die Erbteile verbindlich den Erben zuweisen, womit die Forderung nach einem vollstreckbaren Urteil erfüllt ist. Damit besteht auch keine Gesetzeslücke, die Raum böte, dem Teilungsgericht über BGE 143 III 425 S. 450 das Gesetz hinausgehende Kompetenzen zuzugestehen. Zwar kann das Losbildungsverfahren bei ungleichen Erbquoten dazu führen, dass grössere, wertvolle Erbschaftssachen und Sachgesamtheiten nicht in die Lose passen und zu Lasten des Prinzips der Naturalteilung versilbert werden müssen. Dies ist insofern in Kauf zu nehmen, als das Prinzip der Erbengleichheit vorgeht und das Gesetz diese Fälle in Art. 612 ZGB auch explizit regelt. Überdies ist auf die kreativen Ansätze in der Lehre zu verweisen, wie dem Problem mit den zu kleinen Losen begegnet werden kann (hierzu nachfolgend E. 6). Gegen eine freie Zuweisungskompetenz des Richters spricht auch, dass Erben von vornherein (Teilungsvorschriften des Erblassers und Sondervorschriften des Gesetzes vorbehalten) nicht die Zuteilung konkreter Nachlassobjekte verlangen können, da der Anspruch aus Art. 604 Abs. 1 ZGB nur auf Vornahme der Teilung, nicht aber auf Zuweisung bestimmter Objekte geht ( BGE 101 II 41 E. 4b S. 44 f.). Auch die Herabsetzungsklage ist nur möglich, wo ein Pflichtteilserbe "nicht dem Werte nach" erhalten hat, was ihm gebührt ( Art. 522 Abs. 1 ZGB ). Dabei ist JEAN NICOLAS DRUEY beizupflichten, dass der Zufallsentscheid für sich beanspruchen kann, die konsequenteste Verwirklichung des Erben-Gleichbehandlungsprinzips zu sein (oben E. 5.8.4). Es kann auch nicht von der Hand gewiesen werden, dass der Weg über das Losbildungsverfahren insofern Streitbeilegungspotenzial hat, als es den Erben Raum bietet, doch noch eine Einigung zu finden. Soweit die abweichenden Lehrmeinungen schliesslich darin gründen, dass das Losbildungsverfahren unpraktikabel und nicht mehr zeitgemäss sei und dem Richter bereits aus diesem Grund weitergehende Kompetenzen eingeräumt werden müssten, ist festzuhalten, dass dies nichts daran ändert, dass das Gesetz für Fälle, in denen sich Erben über die Zuweisung von Erbschaftssachen nicht einig sind, klare Vorgaben für die Vorgehensweise aufgestellt hat. Deren Änderung wäre nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers. Soweit ersichtlich, gewährt aber auch die laufende Revision des Erbrechts dem Richter keine weitergehenden Zuweisungskompetenzen (vgl. Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs [Erbrecht] und Medienmitteilungen des Bundesrats vom 4. März 2016 und 10. Mai 2017; alle Dokumente einsehbar im Onlinedossier des Bundesamts für Justiz: www.bj.admin.ch/bj/de/home/gesellschaft/gesetzgebung/erbrecht.html ; zuletzt besucht am 22. Mai 2017). BGE 143 III 425 S. 451 Zusammengefasst ist kein zwingendes Argument der Befürworter einer freien richterlichen Zuweisungskompetenz ersichtlich, weshalb der Erbteilungsrichter nicht an Art. 611 Abs. 3 ZGB gebunden sein soll, abgesehen von den im Gesetz selber vorgesehenen, vorliegend aber nicht gegebenen Ausnahmen (vgl. oben E. 4.3, 5.2). Sind die Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 611 ZGB erfüllt, kann der Richter den Erben nicht nach eigenem Gutdünken Erbschaftsgegenstände zuweisen. 5.10 Demnach hätte die Vorinstanz im vorliegenden Fall nur Lose bilden und den Erben danach einen Zuweisungsvorschlag vorlegen dürfen. Danach hätte sie nötigenfalls eine Losziehung in die Wege leiten müssen. Durch die direkte Zuweisung der Lose nach eigenem richterlichem Ermessen hat sie Bundesrecht verletzt. 6. 6.1 Vor Bundesgericht verlangt der Beschwerdeführer nur noch die (interne) Versteigerung. Der Antrag ist insofern widersprüchlich, als er am 22. Juli 2011 beim Einzelrichter am Bezirksgericht Plessur ein Verfahren auf "Mitwirkung der zuständigen Behörde nach Art. 611 Abs. 2 ZGB " eingeleitet hat, also grundsätzlich selbst eine Losbildung beantragt hat, allerdings dann den Schluss zog, dass eine solche angesichts der Erbquoten nicht möglich sei. Ebenso bezogen sich die Miterbinnen auf Art. 611 ZGB . Auch nach der Überweisung an das Bezirksgericht Plessur behielt der Beschwerdeführer den genannten Titel bei (vgl. Sachverhalt B.b). Vor diesem Hintergrund hat das Kantonsgericht mithin vorab weiter den Weg der Losbildung zu beschreiten. Damit stellt sich die Frage nach der konkreten Losbildung. Der Beschwerdeführer hat auch die Zusammensetzung der Lose als unzulässig kritisiert. Seiner Ansicht nach hätte die Vorinstanz angesichts der unterschiedlich hohen Erbquoten nicht nur drei, sondern 192 "Häufchen" bilden müssen (nicht publ. E. 3.2). 6.2 Dazu sei in Erinnerung gerufen, dass dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin gemäss Urteil des Bezirksgerichts Plessur vom 14. Dezember 2010 am Nachlass von Vater und Bruder ein Erbanteil von je 65/192 und der inzwischen verstorbenen Mutter ein solcher von 62/192 zustand (vgl. Sachverhalt B.a). Die Vorinstanz berechnete ausgehend vom zu teilenden Nachlassvermögen (Fr. 6'171'702.-) den Wert der Erbquoten (Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin je 65/192, d.h. Fr. 2'089'378.-; Mutter 62/192, d.h. Fr. 1'992'946.-). Anschliessend bildete sie durch direkte BGE 143 III 425 S. 452 Zuweisung faktisch drei Lose: zwei Lose mit dem Wert von Fr. 2'089'378.-, wobei eines davon mit einer Ausgleichszahlung von gut Fr. 110'000.- verbunden war, und ein Los mit dem Wert von Fr. 1'992'946.-. Das kleinere Los teilte die Vorinstanz der Erbengemeinschaft der Mutter zu, die grösseren Lose verteilte sie unter den Geschwistern. Insofern hat sie die Erbquoten eingehalten. Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass die Ausgleichszahlung im Bereich des von der Rechtsprechung Tolerierten lag; die Beschwerdegegnerin, welcher das betreffende Los zugeteilt wurde, akzeptierte diese im Übrigen, hat sie ihrerseits doch nicht den Weg ans Bundesgericht gesucht. 6.3 Einigen sich die Parteien - nunmehr in Kenntnis der Rechtslage - auf eine Verteilung der von der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vorgeschlagenen Lose, können die Lose ohne weiteres wie von der Vorinstanz vorgeschlagen übernommen werden. Dies steht den Parteien frei. Die Parteien können sich auch jederzeit auf ein anderes Vorgehen einigen, wodurch die Notwendigkeit einer Losbildung gänzlich entfiele (z.B. Teilungsvertrag, Verkauf oder Versteigerung eines oder mehrerer Teile der Erbschaft; Weiterführung der Erbengemeinschaft u.a.). Den Parteien eröffnen sich insofern weitere Möglichkeiten, als zwei sich überlagernde Nachlässe vorliegen. Kommt es indes zu einer Losziehung nach Art. 611 Abs. 3 ZGB , hat die Vorinstanz neue Lose zu bilden. Fiele das für die Mutter zugedachte kleinere Los nämlich dem Beschwerdeführer oder der Beschwerdegegnerin zu, würden diese wertmässig benachteiligt. Die Vorinstanz hat die Lose so zu bilden, dass die Ziehung die Erbquoten gewährleistet. Für den Fall dass Miterben ungleiche Erbquoten zustehen, halten VIRGILE ROSSEL/FRÉDÉRIC-HENRI MENTHA pragmatisch fest, es seien so viele Lose zu bilden, dass eine eventuelle Losziehung stattfinden könne (a.a.O., N. 1135 S. 231). In der Lehre werden kreative Ansätze aufgezeigt, wie bei ungleichen Erbquoten Lose gebildet werden könnten, damit die Grundsätze der Erbengleichheit und der Zuweisung in natura möglichst verwirklicht werden (vgl. beispielsweise MERZ, a.a.O., S. 85 ff., S. 92 ff.; PAUL PIOTET, L'attribution directe et la formation des lots dans le partage successoral, JT 1975 I S. 553 ff., 557 f.; ELMIGER, a.a.O., S. 14; oder bereits ansatzweise TUOR, a.a.O., N. 5 zu Art. 611 ZGB ). Zu denken ist beispielsweise daran, dass drei Lose à 62/192 (zu verteilen an die beiden Geschwister und die Erbengemeinschaft der Mutter) und zwei à 3/192 (zu verteilen an die beiden Geschwister) gebildet werden. BGE 143 III 425 S. 453 Aufgrund der konkreten Verhältnisse im vorliegenden Fall ist sodann auch die Bildung dreier gleich grosser Lose nicht von vornherein ausgeschlossen. Da Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin gleichermassen am Nachlass der Mutter partizipieren, würde auch bei dieser Variante unabhängig vom Ausgang der Losziehung keiner der noch beiden lebenden Erben gegenüber dem anderen wertmässig benachteiligt. Es obliegt nicht dem Bundesgericht, hier dem Kantonsgericht vorzugreifen, dem bei der Bildung der Lose ein Ermessen zukommt. Kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass eine Losbildung nach Art. 611 ZGB im konkreten Fall nicht möglich ist, wäre angesichts des Antrags des Beschwerdeführers nach Art. 612 ZGB vorzugehen. (...)
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730.03 1 / 104 Verordnung über die Förderung der Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien (Energieförderungsverordnung, EnFV) vom 1. November 2017 (Stand am 1. Januar 2023) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf das Energiegesetz vom 30. September 20161 (EnG), verordnet: 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Gegenstand Diese Verordnung regelt die Förderung der Produktion von Elektrizität aus erneuer- baren Energien, die aus dem Netzzuschlag nach Artikel 35 EnG finanziert wird. Art. 2 Begriffe In dieser Verordnung bedeuten: a. Hybridanlage: Anlage, die mehrere erneuerbare Energieträger zur Elektrizi- tätsproduktion nutzt; b. Biomasse: sämtliches durch Photosynthese direkt oder indirekt erzeugtes or- ganisches Material, das nicht über geologische Prozesse verändert wurde; dazu gehören auch sämtliche Folge- und Nebenprodukte, Rückstände und Ab- fälle, deren Energiegehalt aus der Biomasse stammt; c. biogenes Gas: aus Biomasse hergestelltes Gas; d. Nettoproduktion: Elektrizitätsmenge nach Artikel 11 Absatz 2 der Energie- verordnung vom 1. November 20172 (EnV); e. Abwärme: nach dem Stand der Technik nicht vermeidbare Wärmeverluste, die aus Energieumwandlungsprozessen oder aus chemischen Prozessen, bei- spielsweise in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), entstehen, ausgenom- men Heizwärme aus Anlagen, welche die gekoppelte Produktion von elektri- scher und thermischer Energie als primäre und gleichrangige Ziele haben; AS 2017 7031 1 SR 730.0 2 SR 730.01 730.03 Energie im Allgemeinen 2 / 104 730.03 f. Wärme-Kraft-Kopplung (WKK): gleichzeitige Bereitstellung von Kraft und Wärme aus dem Umwandlungsprozess von Brennstoff in Gasturbinen, Dampfturbinen, Verbrennungsmotoren, anderen thermischen Anlagen und Brennstoffzellen. Art. 3 Neuanlagen 1 Als Neuanlagen gelten: a. bei Wasserkraftanlagen: Anlagen, die ein hydraulisches Potenzial erstmals nutzen; b. bei den übrigen Technologien: Anlagen, die erstmals an einem Standort er- stellt werden. 2 Als Neuanlage gilt ebenfalls eine Anlage, die eine bestehende Anlage komplett er- setzt. Ausgenommen davon sind Wasserkraftanlagen.3 3 Den Entscheid darüber, ob eine Neuanlage vorliegt oder nicht, trifft die Vollzugs- stelle in Absprache mit dem Bundesamt für Energie (BFE). Art. 4 Anlagenleistung Die Leistung einer Anlage bestimmt sich nach Artikel 13 EnV4. Art. 5 Meldepflicht bei Änderung der berechtigten Person Ändert sich nach Gesuchseinreichung die berechtigte Person, so ist dies von der bisher berechtigten Person umgehend der Behörde zu melden, die für die Beurteilung des Gesuchs zuständig ist. Ohne Meldung wird die Einspeiseprämie, die Vergütung, der Investitionsbeitrag oder die Marktprämie an die bisher berechtigte Person ausbezahlt. Art. 6 Kategorien von Photovoltaikanlagen 1 Die Photovoltaikanlagen werden in folgende Kategorien unterteilt: a. integrierte Anlagen; b. angebaute oder freistehende Anlagen. 2 Integrierte Anlagen sind Anlagen, die in ein Gebäude integriert sind und neben der Elektrizitätsproduktion zusätzlich dem Wetterschutz, dem Wärmeschutz oder der Ab- sturzsicherung dienen. 3 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 24. Nov. 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 820). 4 SR 730.01 Energieförderungsverordnung 3 / 104 730.03 Art. 7 Grosse und kleine Photovoltaikanlagen 1 Als grosse Photovoltaikanlagen gelten Anlagen mit einer Leistung ab 100 kW. 2 Als kleine Photovoltaikanlagen gelten: a. Anlagen mit einer Leistung von weniger als 100 kW; b. Anlagen, die um weniger als 100 kW Leistung erweitert oder erneuert werden, auch wenn deren Gesamtleistung nach der Erweiterung oder Erneuerung 100 kW oder mehr beträgt. 3 Verzichtet der Betreiber einer Anlage nach Absatz 1 auf die Vergütung des Leis- tungsbeitrags (Anhang 2.1 Ziff. 2) für die Leistung ab 100 kW, so gilt die Anlage ebenfalls als kleine Anlage. Art. 8 Wahlrecht bei Photovoltaikanlagen 1 Betreiber von grossen Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis 50 MW kön- nen wählen, ob sie eine Einspeisevergütung oder eine Einmalvergütung beantragen wollen. 2 Sie üben dieses Wahlrecht mit Einreichung des Gesuchs für die eine oder andere Art der Förderung endgültig aus. Vorbehalten bleibt ein Gesuch um Einmalvergütung für kleine Photovoltaikanlagen nach Inbetriebnahme der Anlage (Art. 41). Art. 95 Ausnahmen von der Untergrenze bei Wasserkraftanlagen 1 Nebst den Wasserkraftanlagen, die mit Trinkwasserversorgungs- oder Abwasseran- lagen verbunden sind, sind folgende Wasserkraftanlagen von der Untergrenze nach Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe a EnG ausgenommen: a. Dotierkraftwerke; b. Anlagen an künstlich geschaffenen Hochwasserentlastungskanälen, Industrie- kanälen und bestehenden Ausleit- und Unterwasserkanälen, sofern keine neuen Eingriffe in natürliche oder ökologisch wertvolle Gewässer bewirkt werden; c. Nebennutzungsanlagen wie Wässerwasserkraftanlagen, Kraftwerke im Zu- sammenhang mit Beschneiungsanlagen oder der Nutzung von Tunnelwasser. 2 Nebst den Nebennutzungsanlagen nach Artikel 26 Absatz 4 EnG sind folgende Was- serkraftanlagen von der Untergrenze nach Artikel 26 Absatz 1 EnG ausgenommen: a. Dotierkraftwerke; b. Anlagen an künstlich geschaffenen Hochwasserentlastungskanälen, Industrie- kanälen und bestehenden Ausleit- und Unterwasserkanälen, sofern keine neuen Eingriffe in natürliche oder ökologisch wertvolle Gewässer bewirkt werden. 5 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 4 / 104 730.03 Art. 10 Eigenverbrauch Für den Eigenverbrauch und den Zusammenschluss zum Eigenverbrauch gelten die Bestimmungen des 4. Kapitels 2. Abschnitt der EnV6. 2. Kapitel: Einspeisevergütungssystem 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 11 Allgemeine Anforderungen Die Anschlussbedingungen nach Artikel 10 EnV7 sowie die Bestimmung der zu ver- gütenden Elektrizitätsmenge nach Artikel 11 EnV gelten sinngemäss auch für Betrei- ber von Anlagen im Einspeisevergütungssystem. Art. 12 Herkunftsnachweis und ökologischer Mehrwert 1 Betreiber von Anlagen im Einspeisevergütungssystem haben der Vollzugsstelle die erfassten Herkunftsnachweise zu übertragen. 2 Der ökologische Mehrwert ist mit der definitiven Teilnahme am Einspeisevergü- tungssystem (Art. 24) abgegolten. Art. 13 Teilnahme von Photovoltaikanlagen Am Einspeisevergütungssystem können nur grosse Photovoltaikanlagen teilnehmen. 2. Abschnitt: Direktvermarktung und Einspeisung zum Referenz-Marktpreis Art. 14 Direktvermarktung 1 Von der Pflicht zur Direktvermarktung (Art. 21 EnG) ausgenommen sind Betreiber von Anlagen mit einer Leistung von weniger als 100 kW. 2 Betreiber von Anlagen mit einer Leistung ab 500 kW, die bereits eine Vergütung nach bisherigem Recht erhalten, müssen in die Direktvermarktung wechseln. 3 Sämtliche Betreiber können jederzeit unter Einhaltung einer Meldefrist von einem Monat auf ein Quartalsende hin in die Direktvermarktung wechseln. Die Rückkehr zur Einspeisung zum Referenz-Marktpreis ist ausgeschlossen.8 6 SR 730.01 7 SR 730.01 8 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 25. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 6129). Energieförderungsverordnung 5 / 104 730.03 Art. 15 Referenz-Marktpreis 1 Der Referenz-Marktpreis für Elektrizität aus Photovoltaikanlagen entspricht dem Durchschnitt der Preise, die an der Strombörse in einem Vierteljahr jeweils für den Folgetag für das Marktgebiet Schweiz festgesetzt werden, gewichtet nach der tatsäch- lichen viertelstündlichen Einspeisung der lastganggemessenen Photovoltaikanlagen. 2 Der Referenz-Marktpreis für Elektrizität aus den übrigen Technologien entspricht dem Durchschnitt der Preise, die an der Strombörse in folgendem Zeitraum jeweils für den Folgetag für das Marktgebiet Schweiz festgesetzt werden: a. für lastganggemessene Anlagen: in einem Monat; b. für nicht lastganggemessene Anlagen: in einem Vierteljahr.9 3 Das BFE berechnet und veröffentlicht die Referenz-Marktpreise vierteljährlich. Art. 16 Vergütungssätze und deren Anpassung 1 Die Vergütungssätze je Erzeugungstechnologie, Kategorie und Leistungsklasse sind in den Anhängen 1.1–1.5 festgelegt. 2 Der Vergütungssatz für Hybridanlagen berechnet sich nach den Vergütungssätzen der eingesetzten Energieträger, gewichtet nach deren anteilsmässigen Energieinhal- ten. Zur Bestimmung der äquivalenten Leistungen wird die gesamte Produktion ver- wendet. 3 Die Vergütungssätze werden regelmässig überprüft und bei einer wesentlichen Ver- änderung der Verhältnisse angepasst. 4 Die Einspeiseprämie reduziert sich bei Betreibern, die nach den Artikeln 10–13 des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200910 (MWSTG) steuerpflichtig sind, um 7,1495 Prozent.11 Art. 17 Vergütungsdauer und Mindestanforderungen 1 Die Vergütungsdauer und die Mindestanforderungen sind in den Anhängen 1.1–1.5 festgelegt. 2 Die Vergütungsdauer beginnt mit der tatsächlichen Inbetriebnahme der Anlage und kann nicht unterbrochen werden. Sie beginnt auch dann zu laufen, wenn der Betreiber für die Anlage noch keine Vergütung erhält. 9 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 24. Nov. 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 820). 10 SR 641.20 11 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energie im Allgemeinen 6 / 104 730.03 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 18 Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs um Teilnahme am Einspeise- vergütungssystem ist das Einreichedatum. 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte mit der grössten Leistung zuerst berücksichtigt. Art. 19 Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aller Gesuche aus, so werden die Projekte in eine Warteliste aufgenommen, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich nicht. 2 Die Vollzugsstelle teilt der gesuchstellenden Person mit, dass ihr Projekt in die War- teliste aufgenommen wird. 3 Sie führt je eine Warteliste für Photovoltaikanlagen und für die übrigen Erzeugungs- technologien. Art. 20 Abbau der Warteliste 1 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so legt das BFE Kontingente fest, in deren Umfang Anlagen auf den Wartelisten berücksichtigt werden können. 2 Die Anlagen auf der Warteliste für Photovoltaikanlagen werden entsprechend dem Einreichedatum des Gesuchs berücksichtigt. 3 Die Anlagen auf der Warteliste für die übrigen Erzeugungstechnologien werden in folgender Reihenfolge berücksichtigt: a. Anlagen, für die die Inbetriebnahmemeldung oder die Projektfortschrittsmel- dung beziehungsweise, bei Kleinwasserkraft- und Windenergieanlagen, die zweite Projektfortschrittsmeldung vollständig bei der Vollzugsstelle einge- reicht wurde: entsprechend dem Einreichedatum dieser Meldung; b. die übrigen Projekte: entsprechend dem Einreichedatum des Gesuchs. 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 21 Gesuch 1 Das Gesuch um Teilnahme am Einspeisevergütungssystem ist bei der Vollzugsstelle einzureichen. 2 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach den Anhängen 1.1–1.5 zu enthalten. Energieförderungsverordnung 7 / 104 730.03 Art. 22 Zusicherung dem Grundsatz nach 1 Sind die Anspruchsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllt und stehen genügend Mittel zur Verfügung, so sichert die Vollzugsstelle die Teilnahme der Anlage am Ein- speisevergütungssystem mit einer Verfügung dem Grundsatz nach zu. 2 Diese Verfügung hat für die für das Projekt erforderlichen Bewilligungs- und Kon- zessionierungsverfahren keine präjudizielle Wirkung. Art. 23 Projektfortschritte, Inbetriebnahme und Meldepflichten 1 Die gesuchstellende Person muss nach Erhalt der Verfügung nach Artikel 22 frist- gerecht Projektfortschritte erzielen sowie die Anlage in Betrieb nehmen. 2 Die Projektfortschritte und die Inbetriebnahme sowie die je dafür geltenden Fristen sind in den Anhängen 1.1–1.5 festgelegt. 2bis Die Fristen für die Projektfortschritte und die Inbetriebnahme stehen für die Dauer von planungs-, konzessions- oder baurechtlichen Rechtsmittelverfahren still.12 3 Kann die gesuchstellende Person die Fristen für die Projektfortschritte und die Inbe- triebnahme aus anderen Gründen, für die sie nicht einzustehen hat, nicht einhalten, so kann die Vollzugsstelle diese auf Gesuch hin um maximal die Dauer der vorgesehe- nen Frist verlängern. Das Gesuch ist vor Ablauf der jeweiligen Frist schriftlich einzu- reichen.13 4 Die gesuchstellende Person hat die erreichten Projektfortschritte jeweils innert zwei Wochen schriftlich zu melden. 5 Sie muss die vollständige Inbetriebnahmemeldung spätestens einen Monat nach der Inbetriebnahme einreichen. Hält sie diese Frist nicht ein, so hat sie bis zum Nach- reichen der Meldung keinen Anspruch auf Entrichtung der Einspeiseprämie. Art. 24 Entscheid 1 Erfüllt die Anlage auch nach der Inbetriebnahme die Anspruchsvoraussetzungen, so verfügt die Vollzugsstelle namentlich: a. den Eintritt ins Einspeisevergütungssystem; b. ob die Anlage in der Direktvermarktung ist oder mit dem Referenz-Marktpreis vergütet wird; und c. die Höhe des Vergütungssatzes. 2 Hat eine gesuchstellende Person ihre Anlage, für die Mittel zur Verfügung stehen, in Betrieb genommen, bevor ihr die Teilnahme am Einspeisevergütungssystem dem Grundsatz nach zugesichert wurde, so erlässt die Vollzugsstelle direkt eine Verfügung nach Absatz 1, wenn die betreffende Person die vollständige Inbetriebnahmemeldung eingereicht hat. 12 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 13 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energie im Allgemeinen 8 / 104 730.03 3 Die Vollzugsstelle widerruft die Zusicherung nach Artikel 22 und weist das Gesuch um Teilnahme am Einspeisevergütungssystem ab, wenn: a. die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind; b. die gesuchstellende Person die Fristen für die Projektfortschritte oder die In- betriebnahme nicht einhält; c. der Standort der Anlage nicht dem im Gesuch angegebenen entspricht. 5. Abschnitt: Laufender Betrieb, Ausschluss und Austritt Art. 25 Auszahlung der Vergütung 1 Die Vollzugsstelle zahlt vierteljährlich aus: a. Betreibern von Anlagen in der Direktvermarktung: die Einspeiseprämie; b. Betreibern, die die Elektrizität zum Referenz-Marktpreis einspeisen: die Ein- speiseprämie und den Referenz-Marktpreis. 2 Stehen für die Zahlungen nach Absatz 1 nicht genügend Mittel zur Verfügung, so nimmt sie die Auszahlungen im laufenden Jahr anteilsmässig vor. Den Differenzbe- trag bezahlt sie im folgenden Jahr aus. 3 Die Vollzugsstelle fordert vom Betreiber im Verhältnis zur effektiven Produktion zu viel ausbezahlte Beträge ohne Zins zurück. Sie kann sie auch in der folgenden Zah- lungsperiode verrechnen. 4 Übersteigt der Referenz-Marktpreis den Vergütungssatz, so stellt die Vollzugsstelle den Betreibern den übersteigenden Teil vierteljährlich in Rechnung. 5 Die Vergütung wird bis und mit dem vollen Monat ausbezahlt, in dem die Vergü- tungsdauer ausläuft. 6 Reicht der Betreiber die für die Auszahlungen nach Absatz 1 notwendigen Informa- tionen nicht vollständig und fristgerecht ein oder anerkennt er die vom BFE geneh- migten Richtlinien der Bilanzgruppe für erneuerbare Energien nicht, so entfällt der Anspruch auf Vergütung, bis diese Informationen oder die Anerkennung vorliegen.14 7 Bezieht eine Anlage mehr Elektrizität aus dem Netz, als sie einspeist, so stellt die Vollzugsstelle in Rechnung: a. Betreibern von Anlagen in der Direktvermarktung: die Einspeiseprämie; b. Betreibern, die die Elektrizität zum Referenz-Marktpreis einspeisen: die Ein- speiseprämie und den Referenz-Marktpreis.15 14 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 15 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energieförderungsverordnung 9 / 104 730.03 Art. 26 Bewirtschaftungsentgelt Produzenten in der Direktvermarktung erhalten von der Vollzugsstelle pro kWh vier- teljährlich ein Bewirtschaftungsentgelt in der Höhe von: a. 0,55 Rappen bei Photovoltaik- und Windenergieanlagen; b. 0,28 Rappen bei Wasserkraftanlagen; c. 0,16 Rappen bei KVA; d. 0,28 Rappen bei den übrigen Biomasseanlagen. Art. 27 Pflichten der Bilanzgruppe für erneuerbare Energien und der Netzbetreiber 1 Die Bilanzgruppe für erneuerbare Energien nimmt die Elektrizität von den Betrei- bern ab, die zum Referenz-Marktpreis einspeisen und über eine Lastgangmessung mit automatischer Datenübermittlung oder ein intelligentes Messsystem verfügen. Sie vergütet der Vollzugsstelle für die gemäss Fahrplan abgenommene Elektrizität den Referenz-Marktpreis. 2 Die Netzbetreiber nehmen die Elektrizität von den Betreibern ab, die zum Referenz- Marktpreis in ihr Netz einspeisen und über keine Lastgangmessung und kein intelli- gentes Messsystem verfügen. Sie vergüten der Vollzugsstelle für die abgenommene Elektrizität den Referenz-Marktpreis. 3 Die Vollzugsstelle legt die so erhaltenen Gelder unverzüglich in den Netzzuschlags- fonds nach Artikel 37 EnG ein. Art. 28 Nachträgliche Erweiterungen oder Erneuerungen 1 Der Betreiber einer Anlage, für die er eine Einspeisevergütung erhält, hat der Voll- zugsstelle Erweiterungen oder Erneuerungen mindestens einen Monat vor deren In- betriebnahme zu melden. Er hat alle Änderungen anzugeben, die an der bisherigen Anlage vorgenommen werden sollen. 2 Die Vergütungsdauer wird durch eine nachträgliche Erweiterung oder Erneuerung nicht verlängert. 3 Bei Photovoltaikanlagen wird der ursprüngliche Vergütungssatz ab der Inbetrieb- nahme der Erweiterung oder Erneuerung gekürzt. Der neue Vergütungssatz berechnet sich nach dem nach Leistung gewichteten Mittelwert des bei der ersten Inbetrieb- nahme massgeblichen Vergütungssatzes und eines Vergütungssatzes von 0 Rp./kWh für die Erweiterung oder Erneuerung. 4 …16 5 Bei Kleinwasserkraft- und Biomasseanlagen wird der ursprüngliche Vergütungssatz ab der Inbetriebnahme der Erweiterung oder Erneuerung anteilsmässig gekürzt. Die Berechnung des neuen Vergütungssatzes richtet sich nach den Anhängen 1.1 und 1.5. 16 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 10 / 104 730.03 6 Erfolgt die Meldung nach Absatz 1 nicht oder nicht fristgerecht, so hat der Betreiber die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und der mit den Vergütungssätzen nach den Absätzen 3 oder 5 berechneten Vergütung der Vollzugsstelle ohne Zins zu- rückzuerstatten. Art. 29 Folgen des Nichteinhaltens von Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen 1 Für die Dauer, während der Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen nicht oder nicht mehr eingehalten werden, besteht kein Anspruch auf die Einspeise- prämie. Ist eine Beurteilungsperiode vorgesehen, so entfällt der Anspruch auf die Ein- speiseprämie rückwirkend für die gesamte Periode. Die zu viel erhaltene Vergütung ist der Vollzugsstelle zurückzuerstatten. Sie kann mit künftigen Leistungen verrechnet werden. 2 Werden Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen wieder eingehal- ten, so besteht ab diesem Zeitpunkt wieder Anspruch auf die Einspeiseprämie. Ist eine Beurteilungsperiode vorgesehen, besteht der Anspruch rückwirkend für die gesamte Periode. Allfällige Nachzahlungen werden nicht verzinst. 3 Liegen für das Nichteinhalten von Anspruchsvoraussetzungen oder von Mindestan- forderungen Gründe vor, für die der Betreiber nicht einzustehen hat, so kann er ge- genüber der Vollzugsstelle darlegen, mit welchen Massnahmen er erreichen will, dass sie wieder eingehalten werden. Die Vollzugsstelle kann ihm eine angemessene Frist für die Umsetzung dieser Massnahmen einräumen und allenfalls Auflagen machen. Bis zum Ablauf dieser Frist besteht weiterhin Anspruch auf die Einspeiseprämie, so- fern allfällige Auflagen erfüllt werden. 4 Werden die Anspruchsvoraussetzungen oder die Mindestanforderungen auch nach Ablauf der Frist nicht eingehalten, gilt Absatz 1 sinngemäss. Art. 30 Ausschluss und Austritt aus dem Einspeisevergütungssystem 1 Die Vollzugsstelle verfügt den Ausschluss eines Betreibers aus dem Einspeisever- gütungssystem, wenn Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen: a.17 wiederholt nicht eingehalten werden und die Einspeiseprämie deswegen in drei Kalenderjahren in Folge nicht ausbezahlt wurde (Art. 29 Abs. 1); b. nach Ablauf der Frist nach Artikel 29 Absatz 3 nicht während eines ganzen Kalenderjahres eingehalten worden sind. 2 Ein Austritt aus dem Einspeisevergütungssystem ist unter Einhaltung einer Kündi- gungsfrist von drei Monaten auf ein Quartalsende jederzeit möglich. 3 Eine erneute Teilnahme am Einspeisevergütungssystem ist nach einem Ausschluss oder einem Austritt ausgeschlossen. 17 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energieförderungsverordnung 11 / 104 730.03 3. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen zur Einmalvergütung und zu den Investitionsbeiträgen Art. 31 Ausschluss des Investitionsbeitrags 1 Solange der Betreiber für eine Anlage eine Mehrkostenfinanzierung nach Artikel 73 Absatz 4 EnG oder eine Einspeisevergütung erhält, kann ihm weder eine Einmalver- gütung noch ein Investitionsbeitrag zugesprochen werden. 2 …18 Art. 3219 Bewilligung des früheren Baubeginns Das BFE kann den früheren Baubeginn bei Wasserkraft-, Biomasse- und Geothermie- anlagen bewilligen, wenn es mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden wäre, die Zusicherung dem Grundsatz nach abzuwarten. Die Bewilligung gibt keinen Anspruch auf einen Investitionsbeitrag. Art. 3320 Anforderungen an den Betrieb und die Betriebstüchtigkeit der Anlage 1 Eine Anlage, für die eine Einmalvergütung oder ein Investitionsbeitrag ausbezahlt wurde, muss ab Inbetriebnahme der Anlage, der Erweiterung oder der Erneuerung während mindestens der folgenden Dauer so gewartet werden, dass ein regulärer Be- trieb sichergestellt ist: a. 15 Jahre bei Photovoltaikanlagen, KVA, Schlammverbrennungs-, Windener- gie- und Wasserkraftanlagen; b. 10 Jahre bei Biogasanlagen, Holzkraftwerken, Klärgas- und Deponiegasanla- gen. 2 Photovoltaikanlagen sind zudem während mindestens 15 Jahren so zu betreiben, dass eine Mindestproduktion, wie sie aufgrund des Standorts und der Ausrichtung zu erwarten ist, nicht unterschritten wird. 3 Die Betreiber von Photovoltaikanlagen, für die eine Einmalvergütung gemäss Arti- kel 25 Absatz 3 EnG (hohe Einmalvergütung) gewährt wurde, dürfen während min- destens 15 Jahren ab der Inbetriebnahme der Anlage nicht vom Eigenverbrauch ge- mäss Artikel 16 EnG Gebrauch machen. 18 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 25. Nov. 2020 (AS 2020 6129). Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 19 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 20 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 12 / 104 730.03 Art. 34 Rückforderung der Einmalvergütung und der Investitionsbeiträge 1 Für die Rückforderung der Einmalvergütung und der Investitionsbeiträge sind die Artikel 28–30 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199021 sinngemäss anwend- bar. 2 Die Einmalvergütung oder der Investitionsbeitrag wird insbesondere ganz oder teil- weise zurückgefordert, wenn die Anforderungen an den Betrieb und die Betriebstüch- tigkeit nach Artikel 33 nicht oder nicht mehr erfüllt sind. 3 Die Einmalvergütung oder der Investitionsbeitrag wird zudem ganz oder teilweise zurückgefordert, wenn die Bedingungen des Energiemarkts zu einer übermässigen Rentabilität führen. Art. 34a22 Rückforderung der Investitionsbeiträge für Prospektions- oder Erschliessungsprojekte von Geothermiereservoiren 1 Wird ein Prospektions- oder Erschliessungsprojekt für ein Geothermiereservoir an- derweitig genutzt und damit ein Gewinn erzielt, so kann das BFE die anteilsmässige oder vollständige Rückzahlung der ausbezahlten Investitionsbeiträge verfügen. 2 Das BFE ist vor einer anderweitigen Nutzung oder einer Veräusserung zu informie- ren über: a. die geplante Art der Nutzung; b. die Eigentumsverhältnisse und die Trägerschaft; c. allfällige Gewinne und deren Umfang. Art. 3523 Karenzfrist Wurde für die Erstellung einer neuen Photovoltaikanlage oder für die erhebliche Er- weiterung einer Photovoltaikanlage eine hohe Einmalvergütung gewährt, so kann frü- hestens ein Jahr nach Inbetriebnahme dieser Anlage oder Erweiterung eine weitere Photovoltaikanlage ohne Eigenverbrauch oder eine erhebliche Erweiterung einer sol- chen Anlage auf demselben Grundstück in Betrieb genommen werden und für diese eine hohe Einmalvergütung beantragt werden. 21 SR 616.1 22 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 23 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 13 / 104 730.03 4. Kapitel: Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 3624 Mindestgrösse für die Ausrichtung einer Einmalvergütung Eine Einmalvergütung wird für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mindes- tens 2 kW ausgerichtet. Art. 37 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung einer Anlage Die Erweiterung oder Erneuerung einer Anlage ist erheblich, wenn die Leistung der Anlage durch die Erweiterung oder die Erneuerung um mindestens 2 kW gesteigert wird. Art. 38 Berechnung der Einmalvergütung und Ansätze 25 1 Die Einmalvergütung setzt sich aus einem Grund- und einem Leistungsbeitrag zu- sammen. 1bis Für integrierte Anlagen mit einem Neigungswinkel von mindestens 75 Grad, die ab dem 1. Januar 2022 in Betrieb genommen wurden, wird der Leistungsbeitrag um einen Bonus erhöht.26 1ter Für angebaute oder freistehende Anlagen mit einem Neigungswinkel von mindes- tens 75 Grad, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurden, wird der Leis- tungsbeitrag um einen Bonus erhöht.27 1quater Für Photovoltaikanlagen ausserhalb der Bauzonen, die nicht an ein Gebäude angebaut oder in ein Gebäude integriert wurden, wird der Leistungsbeitrag um einen Bonus erhöht, sofern sie eine Leistung von mindestens 150 kW aufweisen und auf einer Höhe von mindestens 1500 m ü. M. installiert wurden.28 2 Die Ansätze sind im Anhang 2.1 festgelegt. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) überprüft sie jährlich. Bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse stellt es dem Bundesrat Antrag auf deren Anpassung. 3 Für grosse Photovoltaikanlagen, die ab dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden, gelten die Ansätze für die angebauten und freistehenden Anlagen, auch wenn sie der Kategorie der integrierten Anlagen angehören. 24 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 25 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 26 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 24. Nov. 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 820). 27 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 28 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 14 / 104 730.03 4 Für erhebliche Erweiterungen oder Erneuerungen wird nur ein Leistungsbeitrag im Umfang der Leistungssteigerung entrichtet, die mit der Erweiterung oder Erneuerung erreicht wird. Es wird kein Grundbeitrag entrichtet. 5 Wird eine Anlage bereits vor Erhalt der Einmalvergütung erweitert, so werden der Grundbeitrag für den zuerst in Betrieb genommenen Anlagenteil und der Leistungs- beitrag entsprechend dem Inbetriebnahmedatum der einzelnen Anlagenteile ausbe- zahlt. 6 Besteht eine Anlage aus mehreren Modulfeldern, die verschiedenen Kategorien nach Artikel 6 angehören, so berechnet sich der Grundbeitrag nach dem nach Leistung ge- wichteten Mittelwert der Ansätze und der Leistungsbeitrag entsprechend den Anteilen der Leistung pro Kategorie. Art. 38a29 Festsetzung der Einmalvergütung durch Auktionen 1 Für Projekte zur Erstellung neuer Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch ab ei- ner Leistung von 150 kW wird die Höhe der Einmalvergütung durch Auktionen be- stimmt. 2 Für Photovoltaikanlagen, die ausserhalb von Bauzonen erstellt werden sollen und die gewisse zusätzliche Kriterien erfüllen, können separate Spezialauktionen durch- geführt werden. 3 Die mittels Auktionen bestimmte Einmalvergütung besteht aus einem Leistungsbei- trag pro Kilowatt installierte Leistung. 4 Weist eine Anlage einen Neigungswinkel von mindestens 75 Grad auf, so wird zu- sätzlich zum Ansatz, der im Gebot angegeben wurde, der Neigungswinkelbonus ge- mäss Artikel 38 Absatz 1bis oder 1ter gewährt. 5 Erfüllt eine Anlage die Voraussetzungen gemäss Artikel 38 Absatz 1quater, so wird zusätzlich zum Ansatz, der im Gebot angegeben wurde, der Höhenbonus gewährt. 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 39 Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs ist das Einreichedatum.30 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte mit der grössten zusätzlichen Leistung zuerst berücksichtigt. 29 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 30 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 15 / 104 730.03 Art. 40 Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte entsprechend dem Einreichedatum des Gesuchs in eine Warteliste aufgenom- men, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich nicht. 2 Die Vollzugsstelle teilt der gesuchstellenden Person mit, dass ihr Projekt in die War- teliste aufgenommen wurde. 3 Sie führt je eine Warteliste für die kleinen und eine für die grossen Photovoltaikan- lagen. 4 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so legt das BFE je ein Kontingent fest, in des- sen Umfang Projekte auf der Warteliste der kleinen und der grossen Photovoltaikan- lagen berücksichtigt werden können. 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren für kleine Photovoltaikanlagen Art. 41 Gesuch 1 Das Gesuch um Einmalvergütung für kleine Photovoltaikanlagen ist nach Inbetrieb- nahme der Anlage bei der Vollzugsstelle einzureichen. 2 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen gemäss Anhang 2.1 Ziffer 3 zu enthalten. 3 Betreiber von Anlagen nach Artikel 7 Absatz 3 haben der Vollzugsstelle im Gesuch mitzuteilen, dass sie auf die Vergütung des Leistungsbeitrags (Anhang 2.1 Ziff. 2) für die Leistung ab 100 kW verzichten. 4 Hat der Betreiber für dieselbe Anlage bereits ein Gesuch nach Artikel 21 oder 43 gestellt, so gilt dieses Gesuch mit dem Gesuch nach Absatz 1 als zurückgezogen. Art. 42 Festsetzung der Einmalvergütung Erfüllt die Anlage die Anspruchsvoraussetzungen und stehen Mittel zur Berücksich- tigung zur Verfügung, so setzt die Vollzugsstelle die Höhe der Einmalvergütung ge- stützt auf die Ansätze in Anhang 2.1 fest. 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren für grosse Photovoltaikanlagen Art. 43 Gesuch 1 Das Gesuch um Einmalvergütung für grosse Photovoltaikanlagen ist bei der Voll- zugsstelle einzureichen. 2 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.1 Ziffer 4.1 zu enthalten. 3 Ändert sich nach Gesuchseinreichung die Kategorie oder die Leistung der projek- tierten Anlage, so hat die gesuchstellende Person dies der Vollzugsstelle umgehend mitzuteilen. Energie im Allgemeinen 16 / 104 730.03 Art. 4431 Zusicherung dem Grundsatz nach Sind die Anspruchsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllt und stehen genügend Mit- tel zur Verfügung, so sichert die Vollzugsstelle die Einmalvergütung mit einer Verfü- gung dem Grundsatz nach zu. Art. 45 Inbetriebnahmefrist und Inbetriebnahmemeldung 1 Die Anlage ist spätestens in Betrieb zu nehmen: a. 12 Monate nach der Zusicherung nach Artikel 44; b. 6 Jahre nach der Zusicherung nach Artikel 44, wenn für die Erstellung der Anlage die raumplanerischen Grundlagen geändert werden müssen.32 2 Die Inbetriebnahme ist der Vollzugsstelle spätestens drei Monate ab der Inbetrieb- nahme zu melden. 3 Die Inbetriebnahmemeldung hat die Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.1 Zif- fer 4.2 zu enthalten. 4 Kann die Frist für die Inbetriebnahme aus Gründen, für die der Antragsteller nicht einzustehen hat, nicht eingehalten werden, so kann die Vollzugsstelle diese auf Ge- such hin erstrecken. Das Gesuch ist vor Ablauf der Frist einzureichen. Art. 46 Entscheid 1 Erfüllt die Anlage auch nach der Inbetriebnahme die Anspruchsvoraussetzungen, so setzt die Vollzugsstelle nach Erhalt der vollständigen Inbetriebnahmemeldung anhand der im Rahmen des Herkunftsnachweiswesens beglaubigten Anlagedaten die Höhe der Einmalvergütung fest.33 2 Hat eine gesuchstellende Person ihre Anlage, für die Mittel zur Verfügung stehen, in Betrieb genommen, bevor ihr die Einmalvergütung dem Grundsatz nach zugesi- chert wurde, so erlässt die Vollzugsstelle direkt eine Verfügung nach Absatz 1, wenn die betreffende Person die vollständige Inbetriebnahmemeldung eingereicht hat. 3 Die Vollzugsstelle widerruft die Zusicherung nach Artikel 44 und weist das Gesuch um Einmalvergütung ab, wenn: a. die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind; b. die Inbetriebnahme nicht fristgerecht erfolgt; c. der Standort der Anlage nicht dem im Gesuch angegebenen entspricht. 4 Sie kann die Zusicherung nach Artikel 44 auch widerrufen, wenn ihr die Inbetrieb- nahme nicht spätestens drei Monate ab der Inbetriebnahme gemeldet wird. 31 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 25. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 6129). 32 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 33 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 25. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 6129). Energieförderungsverordnung 17 / 104 730.03 5. Abschnitt:34 Auktionen für die Einmalvergütung Art. 46a Zuständigkeiten 1 Das BFE legt je Auktionsrunde die Höhe des Auktionsvolumens und den zulässigen Gebotshöchstwert fest. 2 Es legt zudem fest, welche zusätzlichen Kriterien eine Anlage erfüllen muss, um an einer Spezialauktion (Art. 38a Abs. 2) teilnehmen zu können. 3 Die Vollzugsstelle führt die Auktionsverfahren durch. Art. 46b Teilnahmevoraussetzungen 1 Mit dem Bau der Anlage darf nicht vor dem Zuschlag begonnen werden. 2 Pro Grundstück und Auktionsrunde darf nur ein Gebot abgegeben werden. Art. 46c Auktionsverfahren 1 Die Vollzugsstelle gibt die Auktionsbedingungen sowie die mit dem Gebot einzu- reichenden Angaben und Unterlagen in der Ausschreibung bekannt. 2 Sie erteilt für diejenigen Gebote einen Zuschlag: a. die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen; b. die den günstigsten Ansatz pro Kilowatt Leistung aufweisen; c. die innerhalb des ausgeschriebenen Auktionsvolumens Platz finden; und d. für die innerhalb der von der Vollzugsstelle vorgegebenen Frist eine Sicher- heit in der Höhe von 10 Prozent dessen, was die Einmalvergütung für die ge- samte gebotene Leistung betragen würde, hinterlegt wird. 3 Unterschreitet die gesamte Leistung der Gebote, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen, das ausgeschriebene Auktionsvolumen, so wird das Auktionsvolumen nach- träglich automatisch auf 90 Prozent dieser angebotenen Leistung gekürzt. Art. 46d Inbetriebnahmefrist und Inbetriebnahmemeldung 1 Die Anlage ist spätestens 18 Monate, nachdem die Zuschlagserteilung in Rechtskraft erwächst, in Betrieb zu nehmen. 2 Die Inbetriebnahme ist der Vollzugsstelle spätestens drei Monate ab der Inbetrieb- nahme zu melden. 3 Die Inbetriebnahmemeldung hat die Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.1 Zif- fer 4.2 zu enthalten. 34 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 18 / 104 730.03 4 Kann die Frist für die Inbetriebnahme aus Gründen, für die der Antragsteller nicht einzustehen hat, nicht eingehalten werden, so kann die Vollzugsstelle diese auf Ge- such hin erstrecken. Das Gesuch ist vor Ablauf der Frist einzureichen. Art. 46e Definitive Höhe der Einmalvergütung 1 Die definitive Höhe der Einmalvergütung berechnet sich anhand der im Rahmen des Herkunftsnachweiswesens beglaubigten Anlagedaten und des abgegebenen Gebots. 2 Ist die Leistung der Anlage grösser als im Gebot angegeben, so wird die Einmalver- gütung nur für die im Gebot angegebene Leistung entrichtet. 3 Ist die Leistung der Anlage kleiner als im Gebot angegeben, so wird: a. die Einmalvergütung nur für die tatsächlich installierte Leistung entrichtet; b. die hinterlegte Sicherheit entsprechend der Abweichung vom Gebot anteils- mässig einbehalten, wenn die tatsächlich installierte Leistung weniger als 90 Prozent der angebotenen Leistung beträgt. Art. 46f Widerruf des Zuschlags und Sanktion 1 Die Vollzugsstelle widerruft den Zuschlag und behält die hinterlegte Sicherheitsleis- tung als Sanktion zugunsten des Netzzuschlagsfonds ein, wenn: a. nach der Inbetriebnahme nicht alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; b. die Inbetriebnahme nicht fristgerecht erfolgt; c. der Standort der Anlage nicht dem im Gebot angegebenen Standort entspricht. 2 Die Vollzugsstelle kann die hinterlegte Sicherheitsleistung als Sanktion ganz oder teilweise zugunsten des Netzzuschlagsfonds einbehalten, wenn die Inbetriebnahme- meldung nicht spätestens drei Monate ab der Inbetriebnahme erfolgt. Art. 46g Auszahlung der Einmalvergütung und Rückzahlung der Sicherheitsleistung 1 Die Einmalvergütung wird spätestens drei Monate nach Erhalt der vollständigen In- betriebnahmemeldung ausbezahlt. 2 Die hinterlegte Sicherheit wird zusammen mit der Einmalvergütung zurückbezahlt, soweit sie nicht gestützt auf Art. 46e oder 46f ganz oder teilweise einbehalten wird. Art. 46h Publikation zu den Auktionen Zu den Auktionen für die Einmalvergütung publiziert die Vollzugsstelle folgende An- gaben: a. den Gebotstermin; b. den Preismechanismus; c. die Anzahl der eingereichten Gebote; d. die eingereichte Gebotsmenge in kW; Energieförderungsverordnung 19 / 104 730.03 e. die Anzahl der Zuschläge; f. die Anzahl der ausgeschlossenen Gebote; g. die Gebotsmenge der ausgeschlossenen Gebote in kW; h. den zulässigen Gebotshöchstwert in Franken pro kW; i. den niedrigsten Gebotswert in Franken pro kW; j. den höchsten Gebotswert in Franken pro kW; k. den durchschnittlichen, mengengewichteten Zuschlagswert in Franken pro kW; l. den niedrigsten Gebotswert, für den ein Zuschlag erteilt wurde, in Franken pro kW; m. den höchsten Gebotswert, für den ein Zuschlag erteilt wurde, in Franken pro kW. 5. Kapitel: Investitionsbeitrag für Wasserkraftanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 47 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung 1 Die Erweiterung einer Anlage ist erheblich, wenn durch bauliche Massnahmen: a.35 die Ausbauwassermenge aus dem bereits genutzten Gewässer um mindestens 20 Prozent erhöht wird und die erweiterte Anlage über einen Speicher verfügt, mit dessen Inhalt während sechs Volllaststunden Elektrizität produziert wer- den kann; b. die mittlere Bruttofallhöhe um mindestens 10 Prozent erhöht wird; c. zusätzliches Wasser im Umfang von mindestens 10 Prozent des Durchschnitts der in den letzten fünf vollen Betriebsjahren vor der Inbetriebnahme der Er- weiterung genutzten Jahreswassermenge genutzt wird; d.36 das nutzbare Speichervolumen sowohl um mindestens 15 Prozent als auch um 150 000 Kubikmeter vergrössert wird; oder e. die durchschnittliche jährliche Nettoproduktion gegenüber dem Durchschnitt der letzten fünf vollen Betriebsjahre vor der Einreichung des Gesuchs um ei- nen Investitionsbeitrag um mindestens 20 Prozent oder 30 GWh gesteigert wird. 2 Die Erneuerung einer Anlage ist erheblich, wenn: 35 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 25. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 6129). 36 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energie im Allgemeinen 20 / 104 730.03 a. mindestens eine Hauptkomponente wie Wasserfassung, Zubringerpumpen, Wehr, Speicher, Druckleitung, Maschinen oder elektromechanische Ausrüs- tung der Anlage ersetzt oder totalsaniert wird; und b.37 die Investition im Verhältnis zur Nettoproduktion, die innerhalb der letzten fünf vollen Betriebsjahre durchschnittlich in einem Jahr erzielt wurde, min- destens 14 Rp./kWh beträgt. Art. 4838 Ansätze 1 Für Neuanlagen und erhebliche Erweiterungen beträgt der Investitionsbeitrag 50 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten. 2 In den folgenden Fällen beträgt der Investitionsbeitrag 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten: a. für Neuanlagen und erhebliche Erweiterungen die unter ein Erheblichkeitskri- terium gemäss Artikel 47 Absatz 1 Buchstaben a–c und e fallen, sofern min- destens 50 Prozent der zusätzlichen Produktion im Winterhalbjahr anfallen und diese Winterproduktion mindestens 5 GWh beträgt; b. für erhebliche Erweiterungen, die unter das Erheblichkeitskriterium von Arti- kel 47 Absatz 1 Buchstabe d fallen. 3 Für erhebliche Erneuerungen beträgt der Investitionsbeitrag: a. 40 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten: für Anlagen, deren Leistung weniger als 1 MW beträgt; b. 20 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten: für Anlagen, deren Leistung mehr als 10 MW beträgt. 4 Die Ansätze nach Absatz 3 werden bei Anlagen mit einer Leistung ab 1 MW und bis 10 MW linear gekürzt. 5 Bei erheblichen Erweiterungen und Erneuerungen ist die Leistung nach der Erwei- terung oder Erneuerung massgebend. 6 Bei Grenzwasserkraftanlagen wird der berechnete Investitionsbeitrag um den nicht- schweizerischen Hoheitsanteil gekürzt. 37 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 38 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 21 / 104 730.03 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von höchstens 10 MW und Warteliste Art. 49 Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Projekts, mit dem eine Wasserkraftan- lage mit einer Leistung von höchstens 10 MW erstellt, erheblich erweitert oder erneu- ert werden soll, ist das Einreichedatum des Gesuchs.39 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehrproduktion im Ver- hältnis zum Investitionsbeitrag aufweisen. Art. 50 Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte in eine Warteliste aufgenommen, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraus- setzungen offensichtlich nicht. 2 Das BFE teilt der gesuchstellenden Person mit, dass ihr Projekt in die Warteliste aufgenommen wurde. 3 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so werden die Projekte entsprechend dem Ein- reichedatum des Gesuchs berücksichtigt. 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW Art. 51 Zur Verfügung stehende Mittel 1 Die Mittel, die für Investitionsbeiträge für Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW verwendet werden können (Art. 36 Abs. 2 EnV40), werden im Zweijahresrhythmus zugeteilt. 2 Die Zweijahresperiode beginnt am 1. Januar des Jahres, in das ein Stichtag fällt. Die Stichtage sind der 30. Juni 2018, der 31. August 2020, der 31. August 2022, der 30. Juni 2024, der 30. Juni 2026, der 30. Juni 2028 und der 30. Juni 2030.41 3 Können alle bis zu einem Stichtag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden und stehen danach noch Mittel zur Verfügung, so können auch später eingereichte Gesu- che laufend berücksichtigt werden, bis die Mittel für diese zwei Jahre ausgeschöpft sind. 39 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 40 SR 730.01 41 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Okt. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3479). Energie im Allgemeinen 22 / 104 730.03 Art. 52 Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Können nicht alle bis zu einem Stichtag eingereichten Gesuche berücksichtigt wer- den, so werden die Projekte zur Realisierung einer Neuanlage oder einer Erweiterung zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehrproduktion im Verhältnis zum Investitions- beitrag aufweisen. Bei Projekten, die durch bauliche Massnahmen zur Speicherung einer zusätzlichen Menge Energie führen können, wird diese Energiemenge zur Mehr- produktion dazugerechnet.42 2 Berücksichtigt werden alle Gesuche, die vollständig mit den für die Zweijahresperi- ode zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert werden können. 3 Bleiben danach noch Mittel übrig und machen sie mindestens 50 Prozent des Inves- titionsbeitrags für das in der Reihenfolge der Berücksichtigung nächste Projekt zur Realisierung einer Neuanlage oder einer Erweiterung aus, so wird zudem dieses Pro- jekt berücksichtigt. Die am nächsten Stichtag zur Verfügung stehenden Mittel redu- zieren sich um den Betrag, der für dieses Projekt benötigt wird. 4 Machen die übrig bleibenden Mittel weniger als 50 Prozent aus, so wird kein weite- res Gesuch berücksichtigt und die übrig bleibenden Mittel werden den für die nächste Zweijahresperiode zur Verfügung stehenden Mitteln zugerechnet. 5 Können alle bis zu einem Stichtag eingereichten Gesuche um Investitionsbeiträge für Neuanlagen und Erweiterungen berücksichtigt werden und stehen danach noch Mittel zur Verfügung, so werden Projekte zur Realisierung von Erneuerungen berück- sichtigt. Dabei werden diejenigen Projekte zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehr- produktion im Verhältnis zum Investitionsbeitrag aufweisen. 6 Gesuche für Anlagen, die nicht berücksichtigt werden können, werden jeweils an den folgenden Stichtagen mit den neu hinzugekommenen Gesuchen nach den Absät- zen 1–5 erneut beurteilt. 7 Werden für ein Projekt reservierte Mittel nicht verwendet, so werden sie laufend für die Berücksichtigung von Projekten in der Reihenfolge nach den Absätzen 1–5 ver- wendet. 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 53 Gesuch 1 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag ist beim BFE einzureichen. 2 Es kann erst gestellt werden, wenn eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt oder, sofern für ein Projekt keine Baubewilligung erforderlich ist, die Baureife des Projekts nachgewiesen ist. 3 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.2 zu enthalten. 42 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Okt. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3479). Energieförderungsverordnung 23 / 104 730.03 Art. 54 Zusicherung dem Grundsatz nach Ergibt die Prüfung des Gesuchs, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und stehen Mittel zur Berücksichtigung des Gesuchs zur Verfügung, so sichert das BFE den Investitionsbeitrag dem Grundsatz nach zu und setzt Folgendes fest: a.43 die Höhe des Investitionsbeitrags in Prozent der anrechenbaren Investitions- kosten; b. den Höchstbetrag, den der Investitionsbeitrag nicht überschreiten darf; c. bis wann spätestens mit dem Bau zu beginnen ist; d. den Zahlungsplan gemäss Artikel 60; e. die Frist, innerhalb der die Anlage in Betrieb zu nehmen ist. Art. 55 Inbetriebnahmemeldung 1 Nach der Inbetriebnahme ist dem BFE eine Inbetriebnahmemeldung einzureichen. 2 Diese muss mindestens folgende Angaben und Unterlagen enthalten: a. das Inbetriebnahmedatum; b. das Abnahmeprotokoll; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben. Art. 56 Bauabschlussmeldung 1 Spätestens ein Jahr nach der Inbetriebnahme ist dem BFE eine Bauabschlussmel- dung einzureichen. 2 Diese muss folgende Angaben und Unterlagen enthalten: a. eine detaillierte Baukostenabrechnung; b. eine Auflistung der anrechenbaren und der nicht anrechenbaren Investitions- kosten. Art. 57 Erstrecken von Fristen Das BFE kann die Fristen für die Inbetriebnahme und für das Einreichen der Bauab- schlussmeldung auf Gesuch des Antragstellers erstrecken, wenn: a. die Frist aus Gründen, für die der Antragsteller nicht einzustehen hat, nicht eingehalten werden kann; und b. das Gesuch vor Ablauf der Frist eingereicht wird. 43 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 24 / 104 730.03 Art. 58 Meldung der Nettoproduktion Nach dem fünften vollen Betriebsjahr ist dem BFE die jährliche Nettoproduktion seit der Inbetriebnahme zu melden. Art. 5944 Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Sind die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Meldung der Nettoproduktion noch erfüllt, so setzt das BFE den Investitionsbeitrag anhand der tatsächlich angefal- lenen Investitionskosten definitiv fest. Art. 60 Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 1 Der Investitionsbeitrag wird in mehreren Tranchen ausbezahlt. 2 Das BFE setzt den Zeitpunkt für die Auszahlung der einzelnen Tranchen und die Höhe der pro Tranche auszuzahlenden Beträge einzelfallweise in der Zusicherung nach Artikel 54 fest (Zahlungsplan). 3 Dabei darf die erste Tranche frühestens bei Baubeginn ausbezahlt werden. Wurde nach Artikel 32 ein früherer Baubeginn bewilligt, so erfolgt die erste Auszahlung frü- hestens, wenn eine Zusicherung nach Artikel 54 vorliegt. 4 Die letzte Tranche darf erst nach der definitiven Festsetzung des Investitionsbeitrags ausbezahlt werden. Bis dahin dürfen maximal 80 Prozent des in der Zusicherung nach Artikel 54 festgesetzten Höchstbetrags ausbezahlt werden. 5. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 61 Anrechenbare Investitionskosten 1 Für die Berechnung des Investitionsbeitrags sind insbesondere die Erstellungs-, die Planungs- und die Bauleitungskosten sowie die Eigenleistungen des Betreibers anre- chenbar, sofern sie: a. in direktem Zusammenhang mit den für die Elektrizitätsproduktion notwen- digen Teilen der Anlage anfallen und ausgewiesen werden; b. für die Steigerung oder Aufrechterhaltung der Elektrizitätsproduktion direkt notwendig sind; c. angemessen sind; und d. effizient ausgeführt werden. 2 Planungs- und Bauleitungskosten werden höchstens bis zu einer Höhe von 15 Pro- zent der anrechenbaren Erstellungskosten angerechnet. 44 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 25 / 104 730.03 3 Eigenleistungen des Betreibers wie eigene Planungs- oder Bauleistungen sind nur anrechenbar, wenn sie üblich sind und mittels detailliertem Arbeitsrapport nachge- wiesen werden können. 4 Werden während der Konzessionsdauer Investitionen in die Erneuerung, die Erwei- terung oder den Ersatz einer bestehenden Anlage getätigt und ist die verbleibende Konzessionsrestdauer der Anlage kleiner als die mittlere, investitionsgewichtete Nut- zungsdauer der massgebenden Anlageteile, so sind die anrechenbaren Investitions- kosten im Verhältnis der Konzessionsrestdauer zur investitionsgewichteten Nut- zungsdauer mit einem jährlichen Diskontierungssatz in der Höhe des kalkulatorischen Zinssatzes zu berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn eine Vereinbarung über eine Restwertentschädigung vorliegt, die einen allfälligen Investitionsbeitrag angemessen berücksichtigt.45 Art. 6246 Nicht anrechenbare Kosten 1 Nicht anrechenbar sind insbesondere Kosten: a. die im Zusammenhang mit Anlagenteilen entstehen, die dem Umwälzbetrieb dienen; b. die anderweitig vergütet werden, namentlich die Kosten für Massnahmen nach Artikel 83a des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 199147 (GSchG) und Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 199148 über die Fischerei (BGF). 2 Dient ein Anlagenteil nicht ausschliesslich dem Umwälzbetrieb, so können nur die Kosten nicht angerechnet werden, die auf den Umwälzbetrieb entfallen. Art. 6349 Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 1 Gibt es Anhaltspunkte, dass bei einer Anlage keine ungedeckten Kosten (Art. 29 Abs. 3 Bst. bbis EnG) vorliegen, so ist gemäss Anhang 4 zu berechnen, ob ungedeckte Kosten vorliegen. 2 Übersteigt der Investitionsbeitrag die ungedeckten Kosten, so wird er entsprechend gekürzt. 45 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 46 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 47 SR 814.20 48 SR 923.0 49 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 26 / 104 730.03 Art. 64–6650 6. Kapitel: Investitionsbeitrag für Biomasseanlagen 1. Abschnitt: Anspruchsvoraussetzungen Art. 6751 Kategorien 1 Als Biogasanlagen gelten Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme aus biogenem Gas, das entweder am Standort des WKK-Moduls oder an einem mit einer betriebseigenen Gasleitung erschlossenen Standort durch die Vergärung von Bio- masse erzeugt wird. 2 Als Holzkraftwerke gelten Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme aus Holz. 3 Als KVA gelten Anlagen zur thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen nach den Artikeln 31 und 32 der Abfallverordnung vom 4. Dezember 201552 (VVEA). 4 Als Schlammverbrennungsanlagen gelten Anlagen zur thermischen Behandlung von Abfällen aus Biomasse insbesondere Klärschlämme, Papierschlämme und Schlämme aus der Lebensmittelindustrie nach den Artikeln 31 und 32 VVEA. 5 Als Klärgasanlagen gelten Anlagen zur Nutzung von Klärgas aus Abwasserreini- gungsanlagen des Gemeinwesens zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme, unab- hängig davon, ob in diesen Anlagen auch angelieferte Co-Substrate vergärt werden. 6 Als Deponiegasanlagen gelten Anlagen zur Nutzung des Gases aus Deponien nach den Artikeln 35–43 VVEA zur Erzeugung von Elektrizität. Art. 68 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung 1 Die Erweiterung einer Anlage ist erheblich, wenn durch bauliche Massnahmen die jährliche Elektrizitätsproduktion gegenüber dem Durchschnitt der letzten drei vollen Betriebsjahre vor der Inbetriebnahme der Erweiterung um mindestens 25 Prozent ge- steigert wird. 2 Die Erneuerung einer Anlage ist erheblich, wenn die anrechenbaren Investitionskos- ten der Erneuerung mindestens folgende Beträge erreichen: a. 100 000 Franken bei Biogasanlagen und Holzkraftwerken; b. 15 Millionen Franken bei KVA und Schlammverbrennungsanlagen; c. 250 000 Franken bei Klärgasanlagen mit einem Einwohnerwert ab 50 000; 50 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 51 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 52 SR 814.600 Energieförderungsverordnung 27 / 104 730.03 d. 100 000 Franken bei Klärgasanlagen mit einem Einwohnerwert von weniger als 50 000 und bei Deponiegasanlagen.53 Art. 69 Energetische Mindestanforderungen 1 Die energetischen Mindestanforderungen sind in Anhang 2.3 festgelegt. 2 Bei erheblichen Erneuerungen muss die Anlage nach der Erneuerung mindestens gleich viel Elektrizität produzieren wie vorher. 2. Abschnitt:54 Investitionsbeitrag Art. 70 Ansätze Der Investitionsbeitrag beträgt: a. 50 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten für Biogasanlagen b. 40 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten für Holzkraftwerke; c. 20 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten für KVA, Schlammverbren- nungs-, Klärgas- und Deponiegasanlagen. Art. 71 Höchstbeitrag Der Investitionsbeitrag darf die folgenden Beträge nicht überschreiten: a. 12 Millionen Franken für Holzkraftwerke; b. 6 Millionen Franken für KVA und Schlammverbrennungsanlagen; c. 1 Million Franken für Klärgas- und Deponiegasanlagen. 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 72 Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs ist das Einreichedatum. 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehrproduktion an Elekt- rizität im Verhältnis zum Investitionsbeitrag aufweisen. 53 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 54 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 28 / 104 730.03 Art. 73 Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte in eine Warteliste aufgenommen, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraus- setzungen offensichtlich nicht. 2 Das BFE teilt der gesuchstellenden Person mit, dass ihr Projekt in die Warteliste aufgenommen wurde. 3 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so werden die Projekte entsprechend dem Ein- reichedatum des Gesuchs berücksichtigt. 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 74 Gesuch 1 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag ist beim BFE einzureichen. 2 Es kann erst gestellt werden, wenn eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt oder, sofern für ein Projekt keine Baubewilligung erforderlich ist, die Baureife des Projekts nachgewiesen ist. 3 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.3 zu enthalten. Art. 75 Zusicherung dem Grundsatz nach Ergibt die Prüfung des Gesuchs, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und stehen Mittel zur Berücksichtigung des Gesuchs zur Verfügung, so sichert das BFE den Investitionsbeitrag dem Grundsatz nach zu und setzt Folgendes fest: a.55 die Höhe des Investitionsbeitrags in Prozent der anrechenbaren Investitions- kosten; b. den Höchstbetrag, den der Investitionsbeitrag nicht überschreiten darf; c. bis wann spätestens mit dem Bau zu beginnen ist; d. den Zahlungsplan gemäss Artikel 80; e. die Frist, innerhalb der die Anlage in Betrieb zu nehmen ist. Art. 76 Inbetriebnahmemeldung Die Pflicht zur Einreichung der Inbetriebnahmemeldung richtet sich sinngemäss nach Artikel 55. Art. 77 Bauabschlussmeldung 1 Spätestens zwei Jahre nach der Inbetriebnahme ist dem BFE eine Bauabschlussmel- dung einzureichen. 55 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 29 / 104 730.03 2 Diese muss folgende Angaben und Unterlagen enthalten: a. eine detaillierte Baukostenabrechnung; b. eine Auflistung der anrechenbaren und der nicht anrechenbaren Investitions- kosten; c. die Meldung der Nettoproduktion des ersten vollen Betriebsjahres. Art. 78 Erstrecken von Fristen Die Erstreckung der Fristen für die Inbetriebnahme und das Einreichen der Bauab- schlussmeldung richtet sich sinngemäss nach Artikel 57. Art. 7956 Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Sind die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Bauabschlussmeldung noch erfüllt, so setzt das BFE den Investitionsbeitrag anhand der tatsächlich angefallenen Investitionskosten definitiv fest. Art. 80 Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 1 Der Investitionsbeitrag wird in mehreren Tranchen ausbezahlt. 2 Das BFE setzt den Zeitpunkt für die Auszahlung der einzelnen Tranchen und die Höhe der pro Tranche auszuzahlenden Beträge einzelfallweise in der Zusicherung nach Artikel 75 fest (Zahlungsplan). 3 Dabei darf die erste Tranche frühestens bei Baubeginn ausbezahlt werden. Wurde nach Artikel 32 ein früherer Baubeginn bewilligt, erfolgt die erste Auszahlung frühes- tens, wenn eine Zusicherung nach Artikel 75 vorliegt. 4 Die letzte Tranche darf erst nach der definitiven Festsetzung des Investitionsbeitrags ausbezahlt werden. Bis dahin dürfen maximal 80 Prozent des in der Zusicherung nach Artikel 75 festgesetzten Höchstbetrags ausbezahlt werden. 5. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 8157 Anrechenbare Investitionskosten Anrechenbar sind die Investitionskosten nach Artikel 61. Art. 82 Nicht anrechenbare Kosten Nicht anrechenbar sind insbesondere Kosten: 56 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 57 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 30 / 104 730.03 a.58 … b. für Anlagenteile zur thermischen Behandlung von Abfällen; c. für Anlagenteile zur Behandlung von Abwässern; d. für Anlagenteile zur Aufbereitung von Brennstoffen oder für den Betrieb ei- nes Fernwärmenetzes. Art. 8359 Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 1 Gibt es Anhaltspunkte, dass bei einer Anlage keine ungedeckten Kosten (Art. 29 Abs. 3 Bst. bbis EnG) vorliegen, so ist gemäss Anhang 4 zu berechnen, ob ungedeckte Kosten vorliegen. 2 Übersteigt der Investitionsbeitrag die ungedeckten Kosten, so wird er entsprechend gekürzt. Art. 84–8760 6a. Kapitel:61 Investitionsbeitrag für Windenergieanlagen 1. Abschnitt: Ansatz Art. 87a Der Investitionsbeitrag beträgt 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten. 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 87b Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs ist das Einreichedatum. 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehrproduktion an Elekt- rizität im Verhältnis zum Investitionsbeitrag aufweisen. 58 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, mit Wirkung seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 59 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 60 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 61 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 31 / 104 730.03 Art. 87c Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte in eine Warteliste aufgenommen, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraus- setzungen offensichtlich nicht. 2 Das BFE teilt der gesuchstellenden Person mit, dass ihr Projekt in die Warteliste aufgenommen wurde. 3 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so werden die Projekte entsprechend dem Ein- reichedatum des Gesuchs berücksichtigt. 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 87d Gesuch 1 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag ist beim BFE einzureichen. 2 Es kann erst gestellt werden, wenn die Resultate von Windmessungen für den Stand- ort einer neuen Anlage oder die Betriebsdaten bestehender Windenergieanlagen und ein Gutachten zum Energieertrag am Standort der Windenergieanlage vorliegen. Die Messungen und das Ertragsgutachten müssen die Mindestanforderungen nach An- hang 2.4 erfüllen. 3 Das Gesuch hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach Anhang 2.4 zu enthalten. Art. 87e Zusicherung dem Grundsatz nach Ergibt die Prüfung des Gesuchs, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und stehen Mittel zur Berücksichtigung des Gesuchs zur Verfügung, so sichert das BFE den Investitionsbeitrag dem Grundsatz nach zu und setzt Folgendes fest: a. die Höhe des Investitionsbeitrags in Prozent der anrechenbaren Investitions- kosten; b. den Höchstbetrag, den der Investitionsbeitrag nicht überschreiten darf; c. bis wann spätestens mit dem Bau zu beginnen ist; d. den Zahlungsplan gemäss Artikel 87j; e. die Frist, innerhalb der die Anlage in Betrieb zu nehmen ist. Art. 87f Inbetriebnahmemeldung Die Pflicht zur Einreichung der Inbetriebnahmemeldung richtet sich sinngemäss nach Artikel 55. Art. 87g Bauabschlussmeldung 1 Spätestens zwei Jahre nach der Inbetriebnahme ist dem BFE eine Bauabschlussmel- dung einzureichen. 2 Die Meldung muss folgende Angaben und Unterlagen enthalten: Energie im Allgemeinen 32 / 104 730.03 a. eine detaillierte Baukostenabrechnung; b. eine Auflistung der anrechenbaren und der nicht anrechenbaren Investitions- kosten. Art. 87h Erstrecken von Fristen Das BFE kann die Fristen für die Inbetriebnahme und für das Einreichen der Bauab- schlussmeldung auf Gesuch des Antragstellers erstrecken, wenn: a. die Frist aus Gründen, für die der Antragsteller nicht einzustehen hat, nicht eingehalten werden kann; und b. das Gesuch vor Ablauf der Frist eingereicht wird. Art. 87i Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Sind die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Bauabschlussmeldung noch erfüllt, so setzt das BFE den Investitionsbeitrag anhand der tatsächlich angefallenen Investitionskosten definitiv fest. Art. 87j Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 1 Der Investitionsbeitrag wird in mehreren Tranchen ausbezahlt. 2 Das BFE setzt den Zeitpunkt für die Auszahlung der einzelnen Tranchen und die Höhe der pro Tranche auszuzahlenden Beträge einzelfallweise in der Zusicherung nach Artikel 87e fest (Zahlungsplan). 3 Die erste Tranche darf frühestens bei Baubeginn ausbezahlt werden. 4 Die letzte Tranche darf erst nach der definitiven Festsetzung des Investitionsbeitrags ausbezahlt werden. Bis dahin dürfen maximal 80 Prozent des in der Zusicherung nach Artikel 87e festgesetzten Höchstbetrags ausbezahlt werden. 4. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 87k Anrechenbare Investitionskosten Anrechenbar sind die Investitionskosten nach Artikel 61. Art. 87l Nicht anrechenbare Kosten Nicht anrechenbar sind insbesondere Kosten: a. für den Erwerb von Grundeigentum; b. für Verfahren und die anwaltliche Vertretung im Zusammenhang mit Einspra- chen und Beschwerden. Energieförderungsverordnung 33 / 104 730.03 Art. 87m Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 1 Gibt es Anhaltspunkte, dass bei einer Anlage keine ungedeckten Kosten (Art. 29 Abs. 3 Bst. bbis EnG) vorliegen, so ist gemäss Anhang 4 zu berechnen, ob ungedeckte Kosten vorliegen. 2 Übersteigt der Investitionsbeitrag die ungedeckten Kosten, so wird er entsprechend gekürzt. 6b. Kapitel:62 Investitionsbeiträge für die Prospektion und die Erschliessung von Geothermiereservoiren und für neue Geothermieanlagen 1. Abschnitt: Anspruchsvoraussetzungen und Ansätze Art. 87n Anspruchsvoraussetzungen 1 Ein Investitionsbeitrag für die Erschliessung eines Geothermiereservoirs kann nur gewährt werden, wenn im betreffenden Gebiet vorgängig eine Prospektion durchge- führt wurde und ein Prospektionsbericht über die Wahrscheinlichkeit eines vermute- ten Geothermiereservoirs vorliegt. 2 Ein Investitionsbeitrag für die Erstellung einer Geothermieanlage kann nur zuge- sprochen werden, wenn im betreffenden Gebiet vorgängig eine Erschliessung durch- geführt wurde und ein Erschliessungsbericht über die erwartete Produktion des Geothermiereservoirs vorliegt. Art. 87o Ansätze 1 Der Investitionsbeitrag beträgt für die Prospektion, die Erschliessung und die Erstel- lung einer Anlage je 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten. 2 Der Investitionsbeitrag für eine Prospektion oder eine Erschliessung kann insbeson- dere dann gesenkt werden, wenn die geologischen Risiken tief sind oder wenn der technische, qualitative oder innovative Gehalt des Gesuchs klein ist. 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 87p Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs ist das Einreichedatum. 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte zuerst berücksichtigt, die die grösste Mehrproduktion an Elekt- rizität im Verhältnis zum Investitionsbeitrag aufweisen. 62 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 34 / 104 730.03 Art. 87q Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte in eine Warteliste aufgenommen, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraus- setzungen offensichtlich nicht. 2 Das BFE teilt der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller mit, dass das Projekt in die Warteliste aufgenommen wurde. 3 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so berücksichtigt das BFE die am weitesten fortgeschrittenen Projekte. Sind mehrere Projekte gleich weit fortgeschritten, so wird das Projekt berücksichtigt, für das das vollständige Gesuch am frühesten eingereicht wurde. 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 87r Gesuch 1 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag ist beim BFE einzureichen. 2 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag für die Prospektion oder die Erschliessung kann erst gestellt werden, wenn die Gesuche für die notwendigen Bewilligungen und Konzessionen bei den zuständigen Behörden vollständig eingereicht wurden und die Finanzierung des Projekts gesichert ist. 3 Das Gesuch um einen Investitionsbeitrag für eine Geothermieanlage kann erst ge- stellt werden, wenn eine rechtskräftige Baubewilligung oder Konzession vorliegt. 4 Ein Gesuch nach Absatz 2 oder 3 hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach An- hang 2.5 oder 2.6 zu enthalten. Art. 87s Expertengremium für Prospektions- und Erschliessungsprojekte 1 Das BFE zieht zur Prüfung der Gesuche um einen Investitionsbeitrag für eine Pros- pektion oder eine Erschliessung ein vom Projekt unabhängiges Expertengremium aus bis zu sechs Fachleuten bei. Daneben kann der Standortkanton eine Vertreterin oder einen Vertreter in das Expertengremium entsenden. 2 Das Expertengremium begutachtet die Gesuche und gibt zuhanden des BFE eine Empfehlung für die Beurteilung des Projekts ab. Bei der Empfehlung zuhanden des BFE hat die Kantonsvertreterin oder der Kantonsvertreter keine Stimme. Das Exper- tengremium kann zur Erfüllung seiner Aufgaben weitere Fachleute beiziehen. Art. 87t Vertrag und Zusicherung dem Grundsatz nach 1 Sind die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Anhang 2.5 für einen Investitionsbei- trag für eine Prospektion oder eine Erschliessung erfüllt und stehen Mittel zur Berück- sichtigung des Gesuchs zur Verfügung, so schliesst der Bund mit der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller einen verwaltungsrechtlichen Vertrag ab. 2 Sind die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Anhang 2.6 für die Erstellung einer Geothermieanlage erfüllt und stehen Mittel zur Berücksichtigung des Gesuchs zur Energieförderungsverordnung 35 / 104 730.03 Verfügung, so sichert das BFE den Investitionsbeitrag dem Grundsatz nach zu und setzt Folgendes fest: a. die Höhe des Investitionsbeitrags in Prozent der anrechenbaren Investitions- kosten; b. den Höchstbetrag, den der Investitionsbeitrag nicht überschreiten darf; c. bis wann spätestens mit dem Bau zu beginnen ist; d. den Zahlungsplan gemäss Artikel 87z; e. die Frist, innerhalb der die Anlage in Betrieb zu nehmen ist; f. die zu rapportierenden produktionsrelevanten Daten gemäss Artikel 87w Buchstabe d. Art. 87u Abschlussbericht bei Prospektion oder Erschliessung Nach Abschluss einer Prospektion oder einer Erschliessung ist dem BFE ein Ab- schlussbericht einzureichen. Der Inhalt des Berichts wird im Vertrag gemäss Arti- kel 87t Absatz 1 geregelt. Art. 87v Inbetriebnahmemeldung für Geothermieanlagen 1 Nach Inbetriebnahme der Geothermieanlage ist dem BFE eine Inbetriebnahme- meldung einzureichen. 2 Die Meldung muss mindestens folgende Angaben und Unterlagen enthalten: a. das Inbetriebnahmedatum; b. das Abnahmeprotokoll; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben. Art. 87w Bauabschlussmeldung bei Geothermieanlagen 1 Spätestens sechs Jahre nach der Inbetriebnahme der Geothermieanlage ist dem BFE eine Bauabschlussmeldung einzureichen. 2 Die Meldung muss mindestens folgende Angaben und Unterlagen enthalten: a. eine detaillierte Baukostenabrechnung; b. eine Auflistung der anrechenbaren und der nicht anrechenbaren Investitions- kosten; c. die Angabe der Nettoproduktion der ersten fünf Betriebsjahre; d. alle produktionsrelevanten Daten seit der Inbetriebnahme. Art. 87x Erstrecken von Fristen Das BFE kann die Fristen für die Inbetriebnahme und für das Einreichen des Ab- schlussberichts oder der Bauabschlussmeldung auf Gesuch des Antragstellers erstre- cken, wenn: Energie im Allgemeinen 36 / 104 730.03 a. die Frist aus Gründen, für die der Antragsteller nicht einzustehen hat, nicht eingehalten werden kann; und b. das Gesuch vor Ablauf der Frist eingereicht wird. Art. 87y Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags für Geothermieanlagen Sind die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Bauabschlussmeldung noch er- füllt, so setzt das BFE den Investitionsbeitrag anhand der tatsächlich angefallenen In- vestitionskosten definitiv fest. Art. 87z Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 1 Der Investitionsbeitrag wird in mehreren Tranchen ausbezahlt. 2 Das BFE setzt den Zeitpunkt für die Auszahlung der einzelnen Tranchen und die Höhe der pro Tranche auszuzahlenden Beträge einzelfallweise im Vertrag (Art. 87t Abs. 1) oder in der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 87t Abs. 2) fest. 3 Die erste Tranche darf frühestens bei Baubeginn ausbezahlt werden. Wurde nach Artikel 32 ein früherer Baubeginn bewilligt, so erfolgt die erste Auszahlung frühes- tens, wenn eine Zusicherung nach Artikel 87t Absatz 2 vorliegt. 4 Die letzte Tranche darf erst nach der definitiven Festsetzung des Investitionsbeitrags ausbezahlt werden. Bis dahin dürfen maximal 80 Prozent des in der Zusicherung nach Artikel 87t Absatz 2 festgesetzten Höchstbetrags ausbezahlt werden. 4. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 87zbis Anrechenbare Investitionskosten 1 Für die Berechnung der Investitionsbeiträge für die Prospektion und die Erschlies- sung sind nur die Investitionskosten anrechenbar, die tatsächlich entstanden sind und unmittelbar für die wirtschaftliche und zweckmässige Ausführung des Projekts erfor- derlich sind. Artikel 61 gilt zudem sinngemäss. 2 Für die anrechenbaren Investitionskosten für Geothermieanlagen gilt Artikel 61. Art. 87zter Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 1 Gibt es Anhaltspunkte, dass bei einer Anlage keine ungedeckten Kosten (Art. 29 Abs. 3 Bst. bbis EnG) vorliegen, so ist gemäss Anhang 4 zu berechnen, ob ungedeckte Kosten vorliegen. 2 Übersteigt der Investitionsbeitrag die ungedeckten Kosten, so wird er entsprechend gekürzt. Energieförderungsverordnung 37 / 104 730.03 7. Kapitel: Marktprämie für Elektrizität aus Grosswasserkraftanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 88 Einzelheiten zur Anspruchsberechtigung 1 Grosswasserkraftanlagen von mehr als 10 MW berechtigen nicht nur zur Marktprä- mie, wenn sie Einzelanlagen sind, sondern auch wenn sie aus einem Anlagenverbund bestehen, wenn bei diesem: a. alle Einzelanlagen hydraulisch verknüpft und gemeinsam optimiert sind; und b. die Gestehungskosten insgesamt nicht gedeckt sind. 2 Gehört zu einem solchen Anlagenverbund eine Einzelanlage im Einspeisevergü- tungssystem, so berechtigt er nur zur Marktprämie, wenn er die Leistung von mehr als 10 MW auch ohne diese Einzelanlage erreicht. 3 Das Risiko nicht gedeckter Gestehungskosten liegt nicht anstelle des Eigners beim Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Art. 30 Abs. 2 EnG), wenn dessen Elektrizi- tätsbezug auf einem Vertrag beruht, der seit dem 1. Januar 2016 und auf kurze oder mittlere Sicht abgeschlossen wurde. Der Anspruch auf Marktprämie geht nicht auf das Elektrizitätsversorgungsunternehmen über. 4 Für den Übergang des Risikos und des Anspruchs auf Marktprämie im Verhältnis von Betreiber und Eigner gilt Absatz 3 sinngemäss. Art. 89 Markterlös 1 Ertragsseitig wird nur der Erlös berücksichtigt, der aus dem Verkauf von Elektrizität am Markt stammt (Markterlös). Nicht berücksichtigt werden übrige Erträge, insbe- sondere Erlöse aus Systemdienstleistungen und Herkunftsnachweisen. 2 Der Markterlös wird auf der Basis des Marktpreises ermittelt, anhand des mit der Anlage stündlich gefahrenen Profils beziehungsweise mit der Summe dieser Profile bei einem Anlagenverbund. Bei einer Partneranlage wird das ermittelte Profil anteil- mässig auf die Partner aufgeteilt. 3 Als Marktpreis gilt, auch für ausserbörsliche gehandelte Elektrizität, der stündliche Spotpreis für die Preiszone Schweiz, zu einem durchschnittlichen Monatskurs. 4 …63 5 Gehört zu einem Anlageverbund eine Einzelanlage im Einspeisevergütungssystem, so ist als deren Erlös die Einspeisevergütung massgebend. Art. 90 Gestehungs- und andere Kosten 1 Als Gestehungskosten werden die für eine effiziente Produktion unmittelbar nötigen Betriebskosten berücksichtigt, nicht aber andere Kosten, insbesondere nicht Aufwen- dungen für gesamtbetriebliche Leistungen. Berücksichtigt werden auch: 63 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 38 / 104 730.03 a. der Wasserzins; b. Mindererlöse aufgrund von Elektrizität, die dem Gemeinwesen kostenlos oder vergünstigt abzugeben ist; c. die direkten Steuern, die Gewinnsteuer jedoch nur, wenn sie einem tatsächli- chen Gewinn entspricht, nicht aber, soweit sie zugunsten des lokalen Gemein- wesens, aufgrund einer Abmachung und gewinnunabhängig geschuldet ist. 2 Als Gestehungskosten ebenfalls berücksichtigt werden die kalkulatorischen Kapital- kosten. Massgebend ist der Zinssatz nach Anhang 3. Abschreibungen sind grundsätz- lich gemäss der bisherigen Praxis für die jeweilige Anlage vorzunehmen.64 3 Das BFE legt in einer Richtlinie die anrechenbaren Betriebs- und Kapitalkosten fest. 2. Abschnitt: Marktprämie und Grundversorgung Art. 91 Grundversorgungsabzug 1 Die Marktprämienberechtigten, die mit der Grundversorgung betraut sind, müssen für die Berechnung des rechnerischen Grundversorgungsabzugs (Art. 31 Abs. 1 EnG) ihr gesamtes Absatzpotenzial in der Grundversorgung einbeziehen. 2 Statt dieses Abzugs können sie einen bereinigten Grundversorgungsabzug zur An- wendung bringen (Art. 31 Abs. 2 EnG). Diesen bilden sie, indem sie den ersten Abzug (Abs. 1) um andere Elektrizität aus erneuerbaren Energien in der Grundversorgung, die weder im Einspeisevergütungssystem noch anderweitig unterstützt wird, reduzie- ren. Elektrizität aus fremden Anlagen darf nur in die Menge, um die reduziert wird, einbezogen werden, wenn:65 a. der Bezug auf mittel- oder langfristigen Verträgen beruht und der Herkunfts- nachweis zu diesem Bezug beigebracht wird; oder b. die Elektrizität gemäss Artikel 15 EnG abgenommen wurde. Art. 92 Portfolioaufteilung zwischen Marktprämie und Grundversorgung 1 Enthält das Portfolio eines Marktprämienberechtigten Elektrizität, die aus mehreren Grosswasserkraftanlagen stammt und deren Gestehungskosten nicht gedeckt sind, so ist davon auszugehen, dass er die Elektrizität jeder Anlage zu für das ganze Portfolio einheitlichen Anteilen am Markt und in der Grundversorgung verkauft. Die Markt- prämie steht ihm pro Anlage im Umfang dieses Anteils am Markt (Marktprämien- quote) zu. 2 Die Marktprämienquote ermittelt sich als Quotient aus den folgenden beiden Grös- sen: 64 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 65 Die Berichtigung vom 28. Dez. 2017 betrifft nur den französischen Text (AS 2017 7783). Energieförderungsverordnung 39 / 104 730.03 a. Differenz aus der im Portfolio enthaltenen Elektrizität, die aus Grosswasser- kraftanlagen stammt und deren Gestehungskosten nicht gedeckt sind, und dem angewandten Grundversorgungsabzug; und b. im Portfolio enthaltene Elektrizität, die aus Grosswasserkraftanlagen stammt und deren Gestehungskosten nicht gedeckt sind. 3 Würde der Marktprämienberechtigte mit der Marktprämie und den Verkäufen in der Grundversorgung über das gesamte Portfolio mehr einnehmen, als zur Deckung der Gestehungskosten nötig ist, so reduziert sich die Marktprämie entsprechend. Art. 93 Unternehmensbetrachtung beim Elektrizitätsversorgungsunternehmen 1 Bei einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit mehreren rechtlich eigenstän- digen Einheiten, die für Bereiche wie Produktion, Netzbetrieb und Grundversorgung zuständig sind, muss sich diejenige Einheit, die marktprämienberechtigt ist, das Grundversorgungspotenzial der anderen Einheiten anrechnen lassen. 2 Eine solche rechtlich eigenständige Einheit darf die Elektrizität aus Grosswasser- kraftanlagen auch dann zu Gestehungskosten in der Grundversorgung verkaufen (Art. 31 Abs. 3 EnG), wenn eine andere Einheit und nicht sie selbst marktprämienbe- rechtigt ist. Wer mit einem Marktprämienberechtigten nicht auf diese Weise, sondern nur über eine Beteiligung verbunden ist, hat dieses Recht nicht. 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren und Rückforderung Art. 94 Gesuch 1 Die Marktprämienberechtigten reichen ihr Gesuch beim BFE ein bis zum 31. Mai des Jahres, das auf dasjenige folgt, für das sie um die Marktprämie ersuchen. 2 Das Gesuch muss die gesamte Elektrizität im Portfolio, für die um Marktprämie er- sucht wird, umfassen und mindestens ausweisen: a. wie viel der Elektrizität aus welchen Anlagen stammt und welchem Produkti- onsanteil einer Anlage dies entspricht; b. die stündlich gefahrenen Profile pro Anlage; c. die anrechenbaren Kosten pro Anlage, gestützt auf einen Jahresabschluss für das hydrologische Jahr oder das Kalenderjahr; d. die Abschreibungspraxis der letzten fünf Jahre; e. bei einer Einzelanlage im Einspeisevergütungssystem: Anteil Produktion am Anlagenverbund und Einspeisevergütung; f. Angaben zu Massnahmen zur Verbesserung der Kostensituation. 3 In den Fällen mit Grundversorgung ist ausserdem mindestens auszuweisen: a. das Grundversorgungspotenzial; Energie im Allgemeinen 40 / 104 730.03 b. der angewandte Grundversorgungsabzug; c. die Menge Elektrizität, um die gemäss Artikel 91 Absatz 2 reduziert wird; d. der tatsächliche Absatz in der Grundversorgung pro Grosswasserkraftanlage; e. der durchschnittliche Preis für diesen Absatz. 4 Die Anlagenbetreiber, Eigner und verbundenen Unternehmenseinheiten unterstüt- zen die Gesuchsteller mit den nötigen Auskünften und Unterlagen. Das BFE kann sich für Auskünfte und Unterlagen nötigenfalls direkt an sie halten. Art. 95 Verfahren beim BFE und Beizug der Elektrizitätskommission 1 Das BFE kann in der Verfügung, in der es die Marktprämie festlegt, einen Vorbehalt für eine nachträgliche Korrektur machen. 2 Reichen die Mittel für ein Jahr insgesamt nicht aus (Art. 36 Abs. 2 EnV66), so kürzt das BFE die Marktprämie jedes Marktprämienempfängers um den gleichen Prozent- satz. 3 Es zahlt die Marktprämien möglichst im Jahr des Gesuchs aus, nötigenfalls mit ei- nem einstweiligen teilweisen Rückbehalt des Geldes. 4 Es kann die Elektrizitätskommission (ElCom) zur Unterstützung beim Vollzug bei- ziehen. Die ElCom macht auf Anfrage des BFE Abgleiche zu den tatsächlichen Ab- sätzen in der Grundversorgung, wobei sie die vom BFE gelieferten Daten mit ihren eigenen vergleicht. Art. 96 Rückforderung Ergibt sich aus einer Überprüfung oder Kontrolle, dass jemand insbesondere wegen falscher Angaben zu Unrecht eine Marktprämie oder eine zu hohe Marktprämie er- halten hat, so fordert das BFE bis fünf Jahre ab der letzten Auszahlung die zu viel erhaltene Marktprämie aller Jahre zurück (Art. 30 Abs. 3 Subventionsgesetz vom 5. Okt. 199067). 7a. Kapitel:68 Betriebskostenbeitrag für Biomasseanlagen 1. Abschnitt: Ausschlussgrund und Beitragssätze Art. 96a Ausschlussgrund Solange der Betreiber für eine Anlage eine Mehrkostenfinanzierung nach Artikel 73 Absatz 4 EnG oder eine Einspeisevergütung erhält, kann für diese Anlage kein Be- triebskostenbeitrag gewährt werden. 66 SR 730.01 67 SR 616.1 68 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 41 / 104 730.03 Art. 96b Beitragssätze 1 Die Beitragssätze je Kategorie und Leistungsklasse sind in Anhang 5 festgelegt. 2 Der Beitragssatz für Hybridanlagen berechnet sich nach Artikel 16 Absatz 2. 3 Die Beitragssätze werden regelmässig überprüft und bei einer wesentlichen Verän- derung der Verhältnisse angepasst. 4 Der Betriebskostenbeitrag reduziert sich bei Betreibern, die nach den Artikeln 10– 13 MWSTG69 steuerpflichtig sind, um 7,1495 Prozent. 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 96c Reihenfolge der Berücksichtigung 1 Massgebend für die Berücksichtigung eines Gesuchs um einen Betriebskostenbei- trag ist das Einreichedatum. 2 Können nicht alle am gleichen Tag eingereichten Gesuche berücksichtigt werden, so werden die Projekte, die eine Mehrkostenfinanzierung nach Artikel 73 Absatz 4 EnG erhalten oder am Einspeisevergütungssystem teilgenommen hatten und deren Vergütungsdauer abgelaufen ist, zuerst berücksichtigt. Art. 96d Warteliste 1 Reichen die Mittel nicht für eine sofortige Berücksichtigung aus, so werden die Pro- jekte entsprechend dem Einreichedatum des Gesuchs in eine Warteliste aufgenom- men, es sei denn, sie erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich nicht. 2 Die Vollzugsstelle teilt der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller mit, dass das Projekt in die Warteliste aufgenommen wurde. 3 Stehen wieder Mittel zur Verfügung, so werden zuerst diejenigen Anlagen berück- sichtigt, die eine Mehrkostenfinanzierung nach Artikel 73 Absatz 4 EnG erhalten oder am Einspeisevergütungssystem teilgenommen hatten. 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 96e Gesuch 1 Das Gesuch um einen Betriebskostenbeitrag ist bei der Vollzugsstelle einzureichen. 2 Es kann frühestens ein Jahr vor Ende der Vergütungsdauer der Mehrkostenfinanzie- rung nach Artikel 73 Absatz 4 EnG oder der Einspeisevergütung eingereicht werden. 3 Ein Gesuch kann nur für Anlagen gestellt werden: a. die bereits in Betrieb sind; oder 69 SR 641.20 Energie im Allgemeinen 42 / 104 730.03 b. die baureif sind. 4 Es hat sämtliche Angaben und Unterlagen nach Anhang 5 zu enthalten. Art. 96f Verfügung Sind die Anspruchsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllt und stehen genügend Mit- tel zur Berücksichtigung zur Verfügung, so verfügt die Vollzugsstelle die Gewährung eines Betriebskostenbeitrags und den Beginn der Beitragsgewährung. 4. Abschnitt: Laufender Betrieb, Ausschluss und Verzicht Art. 96g Auszahlung des Betriebskostenbeitrags 1 Die Vollzugsstelle zahlt den Betriebskostenbeitrag vierteljährlich aus. 2 Stehen für die Zahlungen nach Absatz 1 nicht genügend Mittel zur Verfügung, so nimmt sie die Auszahlungen im laufenden Jahr anteilsmässig vor. Den Differenzbe- trag bezahlt sie im folgenden Jahr aus. 3 Sie fordert vom Betreiber Beträge, die im Verhältnis zur effektiven Produktion zu viel ausbezahlt wurden, ohne Zins zurück. Sie kann sie auch in der folgenden Zah- lungsperiode verrechnen. 4 Übersteigt der Referenz-Marktpreis den Beitragssatz, so stellt sie den Betreibern den übersteigenden Teil vierteljährlich in Rechnung. Art. 96h Mindestanforderungen Die Mindestanforderungen sind in Anhang 5 festgelegt. Art. 96i Nichteinhalten von Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen Werden Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen nicht oder nicht mehr eingehalten, so gilt Artikel 29 sinngemäss. Art. 96j Ausschluss, Verzicht und neues Gesuch 1 Die Vollzugsstelle verfügt den Ausschluss einer Anlage von der Gewährung des Be- triebskostenbeitrags, wenn Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen: a. wiederholt nicht eingehalten werden und der Betriebskostenbeitrag deswegen in drei Kalenderjahren in Folge nicht ausbezahlt wurde (Art. 29 Abs. 1); b. nach Ablauf der Frist nach Artikel 29 Absatz 3 nicht während eines ganzen Kalenderjahres eingehalten worden sind. 2 Ein Verzicht auf den Betriebskostenbeitrag ist der Vollzugsstelle unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf ein Quartalsende mitzuteilen. Energieförderungsverordnung 43 / 104 730.03 3 Ein neues Gesuch um einen Betriebskostenbeitrag kann jederzeit gestellt werden. Der Betriebskostenbeitrag wird jedoch frühestens ein Jahr nach dem letztmaligen Ausschluss oder Verzicht erneut gewährt. 8. Kapitel: Auswertung, Publikation, Auskünfte, Weitergabe von Daten an das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)70, Kontrolle und Massnahmen Art. 97 Auswertung 1 Das BFE wertet Daten über Projekte und Anlagen aus, für die eine Förderung nach dieser Verordnung beantragt wurde, zur Planung der aus dem Netzzuschlagsfonds zur Verfügung stehenden Mittel und zur Überprüfung der Wirksamkeit der Förderinstru- mente. 2 Dazu kann es sämtliche im Gesuch, in allfälligen Projektfortschrittsmeldungen und in der Inbetriebnahmemeldung gemachten Angaben verwenden. 3 Es kann zudem die Menge der produzierten Elektrizität, die Höhe der bezahlten För- derbeiträge sowie die Höhe der Vollzugskosten für seine Auswertungen verwenden. 4 Es kann die Ergebnisse der Auswertungen publizieren. 5 Die Vollzugsstelle stellt dem BFE die für die Auswertungen notwendigen Daten monatlich oder auf Anfrage zur Verfügung. Art. 98 Publikation 1 Zur Einspeisevergütung publiziert das BFE bei Anlagen mit einer Leistung ab 30 kW folgende Angaben: a. den Namen oder die Firma des Betreibers sowie den Standort der Anlage; b. den verwendeten Energieträger; c. die Anlagenkategorie und den Anlagentyp; d.71 die Höhe der Vergütung; e. das Gesuchsdatum; f. das Inbetriebnahmedatum; g. die Menge der vergüteten Elektrizität; h. die Vergütungsdauer. 70 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 der Publikationsverordnung vom 7. Okt. 2015 (SR 170.512.1) auf den 1. Jan. 2022 angepasst (AS 2021 589). Diese Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen. 71 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). Energie im Allgemeinen 44 / 104 730.03 2 Bei Anlagen von weniger als 30 kW erfolgt die Publikation zur Einspeisevergütung nach Absatz 1 anonymisiert. 3 Zu den Einmalvergütungen und den Investitionsbeiträgen publiziert es je Erzeu- gungstechnologie: a. die Anzahl der Investitionsbeitragsempfänger; b. das Total der Investitionsbeiträge; c. die durchschnittliche Höhe der Investitionsbeiträge im Verhältnis zu den durchschnittlich anrechenbaren Investitionskosten; d. die durchschnittliche Höhe der Investitionsbeiträge im Verhältnis zur durch- schnittlichen Mehrproduktion. 4 Zur Marktprämie für Grosswasserkraftanlagen publiziert es: a. die Anzahl der Marktprämienempfänger; b. das Total der Marktprämien; c. die Anzahl der Anlagen und die gesamte Elektrizitätsmenge, für die die Marktprämie entrichtet wird; d. die gesamte Menge und den Durchschnittspreis der im Zusammenhang mit der Marktprämie in der Grundversorgung verkauften Elektrizität aus Gross- wasserkraftanlagen. 5 Zu den Betriebskostenbeiträgen publiziert es folgende Angaben: a. den Namen oder die Firma des Betreibers sowie den Standort der Anlage; b. die Anlagenkategorie und den Anlagentyp; c. die Höhe des Betriebskostenbeitrags; d. die Menge der vergüteten Elektrizität.72 6 Bei Anlagen von weniger als 30 kW erfolgt die Publikation zu den Betriebskosten- beiträgen nach Absatz 5 anonymisiert.73 Art. 99 Auskünfte 1 Die Vollzugsstelle oder das BFE erteilt Auskunft: a. der gesuchstellenden Person: über den Platz ihres Projekts auf der Warteliste; b. dem Kanton: über sämtliche Projekte und Anlagen auf seinem Hoheitsgebiet; c. der Gemeinde: über sämtliche auf ihrem Hoheitsgebiet in Betrieb stehenden Anlagen. 72 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 73 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 45 / 104 730.03 2 Die Kantone und Gemeinden behandeln die erhaltenen Daten vertraulich. Sie dürfen sie insbesondere nicht verwenden zur Planung von Anlagen, die realisiert werden sol- len von: a. ihnen selber; b. einer ihrer Anstalten; oder c. einer Gesellschaft, an der sie beteiligt sind. 3 Für individuelle Auskünfte sind die Bestimmungen über das Öffentlichkeitsprinzip und die Datenschutzbestimmungen für Bundesorgane anwendbar. Art. 100 Weitergabe von Daten an das BAZG Das BFE gibt für den Vollzug des Mineralölsteuergesetzes vom 21. Juni 199674 die nachstehenden Daten von Anlagenbetreibern, die Elektrizität aus Biomasse produzie- ren, an das BAZG weiter: a. Name und Adresse von natürlichen Personen und Personenvereinigungen o- der Firma und Sitz von juristischen Personen; b. Angaben über die Art, Menge und Herkunft der biogenen Rohstoffe; c. Angaben über die Art, Menge und Herkunft der aus den biogenen Rohstoffen hergestellten Treib- und Brennstoffe; d. Angaben über die Elektrizität und die Wärme, die aus Treib- und Brennstoffen produziert werden; e. Angaben zur Anlage, insbesondere Produktionsprozesse, Kapazität, Leistung, Wirkungsgrad und Datum der Inbetriebnahme. Art. 101 Kontrolle und Massnahmen 1 Das BFE kontrolliert, ob die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Es kann zu diesem Zweck, auch nach Abschluss eines Verfahrens, die erforderlichen Un- terlagen und Informationen verlangen sowie Prüfungen und Stichproben durchführen oder veranlassen. Es verfolgt begründete Hinweise auf Unregelmässigkeiten. 2 Der Betreiber einer Anlage, für die er für die Einspeisung von Elektrizität eine Ver- gütung aus dem Netzzuschlagfonds nach geltendem Recht oder einem früheren Recht erhält oder für die er eine Einmalvergütung oder einen Investitionsbeitrag nach gel- tendem oder einem früheren Recht erhalten hat, oder wenn für Elektrizität aus der Anlage die Marktprämie entrichtet wird, hat auf Verlangen dem BFE und, soweit sie für den Vollzug zuständig ist, der Vollzugsstelle Einsicht in die Betriebsdaten der An- lage zu gewähren. 3 Ergibt die Kontrolle oder die Überprüfung, dass die gesetzlichen Anforderungen verletzt sind, so verfügt das BFE oder die Vollzugsstelle je in ihrem Zuständigkeits- bereich die geeigneten Massnahmen. 74 SR 641.61 Energie im Allgemeinen 46 / 104 730.03 4 Das BFE ist weiter befugt, die für die Feststellung einer übermässigen Rentabilität erforderlichen Unterlagen und Informationen zu verlangen und Prüfungen zu veran- lassen. 9. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 102 Übergangbestimmung zum Ende der Vergütungsdauer nach bisherigem Recht Bei Anlagen, die eine Einspeisevergütung nach bisherigem Recht erhalten, wird die Vergütung bis zum 31. Dezember des Jahres, in dem die Vergütungsdauer ausläuft, ausgerichtet. Art. 103 Übergangsbestimmung zum Abbau der Warteliste für die übrigen Erzeugungstechnologien Projekte, die bis zum 31. Oktober 2016 nach Artikel 3gbis Absatz 4 Buchstabe b Zif- fer 1 der Energieverordnung vom 7. Dezember 1998 in der Fassung vom 2. Dezember 201675 aufgrund der vollständigen Inbetriebnahmemeldung oder der Projektfort- schrittsmeldung beziehungsweise, bei Kleinwasserkraftanlagen und Windenergiean- lagen, der zweiten Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, gilt folgende Berücksichtigungsreihenfolge: a. Projekte, die bis zum 31. Oktober 2015 vorgerückt sind: entsprechend dem Anmeldedatum; b. Projekte, die bis zum 31. Oktober 2016 vorgerückt sind: entsprechend dem Anmeldedatum. Art. 104 Übergangsbestimmungen zu Photovoltaikanlagen 1 Für Photovoltaikanlagen, für die ein Betreiber bereits vor dem 1. Januar 2018 eine Einmalvergütung beantragt oder erhalten hat und deren Gesamtleistung ebenfalls vor diesem Datum 30 kW oder mehr beträgt, besteht kein Anspruch auf eine Einmalver- gütung für die Leistung ab 30 kW. 2 Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 30 bis weniger als 100 kW, die bereits für die kostendeckende Einspeisevergütung nach bisherigem Recht angemeldet wor- den sind, neu aber nur noch Anspruch auf eine Einmalvergütung für kleine Photovol- taikanlagen haben, werden nach dem Einreichedatum der Inbetriebnahmemeldung be- rücksichtigt. 3 Für grosse Photovoltaikanlagen, die bereits für die kostendeckende Einspeisevergü- tung nach bisherigem Recht angemeldet worden sind, ist das Wahlrecht nach Artikel 8 bis zum 30. Juni 2018 auszuüben. Wird das Wahlrecht innerhalb dieser Frist nicht 75 AS 2016 4617 Energieförderungsverordnung 47 / 104 730.03 ausgeübt, so gilt die Anmeldung als Gesuch um Einmalvergütung. Wird das Wahl- recht zugunsten der Einspeisevergütung ausgeübt, so ist ein späterer Wechsel zur Ein- malvergütung jederzeit möglich. 4 Für Anlagen, die mit einer Leistung von 30 bis weniger als 100 kW für die kosten- deckende Einspeisevergütung nach bisherigem Recht angemeldet worden sind, ist der Vollzugsstelle bis zum 30. Juni 2018 mitzuteilen, falls die Leistung aufgrund einer Projektänderung 100 kW voraussichtlich erreicht oder überschreitet. Erfolgt diese Mitteilung nicht, so gilt die Anlage als kleine Anlage und der Leistungsbeitrag wird höchstens bis zur Leistung von 99,9 kW ausbezahlt. 5 Für Anlagen, für die bis zum 31. Dezember 2012 ein Gesuch um kostendeckende Einspeisevergütung eingereicht wurde und die bis zum 31. Dezember 2017 gebaut wurden, gilt die Bestimmung zur Mindestgrösse nach Artikel 36 nicht. Art. 105 Übergangsbestimmungen zur Direktvermarktung und Einspeisung zum Referenz-Marktpreis 1 Betreiber, die ihre Elektrizität selber vermarkten müssen (Art. 14), müssen bis spä- testens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung in die Direktvermarktung wechseln. 2 Artikel 16 Absatz 4 gilt für die ab dem 1. Januar 2019 produzierte Elektrizität.76 Art. 106 Übergangsbestimmung zur nachträglichen Erweiterung oder Erneuerung von Kleinwasserkraft- und Biomasseanlagen Die Kürzung des Vergütungssatzes nach Artikel 28 Absatz 5 gilt nicht für Betreiber, die bereits vor Inkrafttreten dieser Verordnung mit einer nachträglichen Erweiterung oder Erneuerung begonnen haben, sofern sie diese Erweiterung oder Erneuerung bis zum 30. Juni 2018 in Betrieb nehmen und die Inbetriebnahme der Vollzugsstelle bis zum 31. Juli 2018 melden. Art. 107 Übergangsbestimmung zur Reihenfolge der Berücksichtigung und zur Warteliste bei Investitionsbeiträgen Projekte und Anlagen, die bereits für die kostendeckende Einspeisevergütung nach bisherigem Recht angemeldet worden sind und für die bis zum 31. Dezember 2017 die Inbetriebnahmemeldung oder die Projektfortschrittsmeldung, beziehungsweise bei Kleinwasserkraftanlagen, die zweite Projektfortschrittsmeldung vollständig ein- gereicht wurde, werden entsprechend dem Einreichedatum dieser Meldung berück- sichtigt, sofern für diese Projekte bis zum 31. März 2018 ein Gesuch um Investitions- beitrag beim BFE eingereicht wird. Art. 10877 76 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 27. Febr. 2019, in Kraft seit 1. April 2019 (AS 2019 923). 77 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 23. Nov. 2022, mit Wirkung seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 48 / 104 730.03 Art. 108a78 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 24. November 2021 Bestehende Anlagen, die komplett ersetzt wurden oder werden und die vor dem 1. Ja- nuar 2022 einen positiven Bescheid in Bezug auf die Teilnahme am Einspeisevergü- tungssystem oder eine Zusicherung dem Grundsatz nach in Bezug auf einen Investi- tionsbeitrag erhalten haben, gelten weiterhin als Neuanlagen. Art. 109 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2018 in Kraft. 78 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 24. Nov. 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 820). Energieförderungsverordnung 49 / 104 730.03 Anhang 1.179 (Art. 16, 17, 21, 23 und 28) Wasserkraftanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 1.1 Eine Wasserkraftanlage ist eine selbstständig betreibbare technische Einrich- tung zur Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft an einem bestimmten Standort. 1.2 Nutzen mehrere Einrichtungen nach Ziffer 1.1 denselben Netzanschluss- punkt, so kann dennoch jede dieser Einrichtungen je als eine Wasserkraftan- lage gelten, wenn sie Wasser aus getrennten Einzugsbieten nutzen und unab- hängig voneinander erstellt wurden. 1.3 Dotierkraftwerke sowie Kraftwerke an bestehenden Ausleit- und Unterwas- serkanälen gelten als selbstständige Anlagen. 2 Vergütungssatz 2.1 Berechnung 2.1.1 Der Vergütungssatz setzt sich aus einer Grundvergütung und, sofern die Vo- raussetzungen erfüllt sind, aus einem Wasserbau-Bonus oder einem Druck- stufen-Bonus oder aus beiden Boni zusammen. Er wird jährlich neu berech- net. 2.1.2 Für die Berechnung der Sätze für die Grundvergütung und den Wasserbau- Bonus ist die äquivalente Leistung der Anlage massgebend. 2.1.3 Die äquivalente Leistung entspricht dem Quotienten aus der Nettoproduktion in kWh und der Summe der Stunden des jeweiligen Kalenderjahres. Für das Jahr, in dem die Anlage in Betrieb genommen oder stillgelegt wird, werden bei der Bestimmung der äquivalenten Leistung die vollen Stunden vor deren Inbetriebnahme oder nach deren Stilllegung abgezogen. 2.1.4 Der Satz für den Druckstufen-Bonus wird anteilsmässig nach den Fallhöhen- klassen gemäss Ziffer 2.3 berechnet. 2.2 Grundvergütung 2.2.1 Die Sätze für die Grundvergütung werden anteilsmässig nach den Leistungs- klassen gemäss Ziffer 2.2.2 berechnet. 2.2.2 Der Satz für die Grundvergütung beträgt bei einer Inbetriebnahme ab 1. Ja- nuar 2013 je Leistungsklasse: 79 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 27. Febr. 2019 (AS 2019 923), vom 23. Okt. 2019 (AS 2019 3479), vom 25. Nov. 2020 (AS 2020 6129) und Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 50 / 104 730.03 Leistungsklasse Grundvergütung (Rp./kWh) 1.1.2013–31.12.2016 Ab. 1.1.2017 ≤ 30 kW 28,4 28,4 ≤100 kW 18,8 18,8 ≤300 kW 14,8 12,7 ≤ 1 MW 11,2 9,0 ≤ 10 MW 6,9 6,6 2.3 Druckstufen-Bonus Der Satz für den Druckstufen-Bonus beträgt bei einer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2013 je nach Fallhöhenklasse: Fallhöhenklasse (m) Bonus (Rp./kWh) ≤ 5 5,6 ≤10 3,3 ≤20 2,4 ≤50 1,9 >50 1,2 2.4 Wasserbau-Bonus 2.4.1 Beträgt der Anteil des nach dem Stand der Technik realisierten Wasserbaus, einschliesslich der Druckleitungen, weniger als 20 Prozent der gesamten In- vestitionskosten des Projekts, so entfällt der Anspruch auf den Wasserbau- Bonus. Beträgt er mehr als 50 Prozent, so besteht Anspruch auf den vollen Bonus. Zwischen 20 Prozent und 50 Prozent wird er gemäss der unten stehen- den Grafik linear interpoliert. Massnahmen nach Artikel 83a GSchG80 oder nach Artikel 10 BGF81 sind für den Bonus nicht anrechenbar. 2.4.2 Dotierkraftwerke haben keinen Anspruch auf den Wasserbau-Bonus. Neben- nutzungsanlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW haben nur bis zur äquivalenten Leistung von 100 kW Anspruch auf den Wasserbau-Bonus. 80 SR 814.20 81 SR 923.0 0 50 100 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 A n sp ru c h a u f W B -B o n u s [% ] Anteil Wasserbau an Gesamtinvestition [%] Energieförderungsverordnung 51 / 104 730.03 2.4.3 Der Satz für den Wasserbau-Bonus beträgt ab 1. Januar 2013 je Leistungs- klasse: Leistungsklasse Wasserbau-Bonus (Rp./kWh) Inbetriebnahme: 1.1.2013–31.12.2016 Ab. 1.1.2017 ≤ 30 kW 6,2 6,2 ≤100 kW 4,5 4,5 ≤300 kW 3,6 2,9 >300 kW 3,0 1,6 2.5 Maximaler Vergütungssatz Der maximale Vergütungssatz inklusive Boni beträgt 32,4 Rp./kWh. 2.6 Teilzahlungen und Abrechnung 2.6.1 Die Vergütung wird per Ende des Kalenderjahres aufgrund des Vergütungs- satzes für das betreffende Jahr und der erfassten Elektrizität abgerechnet. 2.6.2 Vorherige Teilzahlungen werden aufgrund des Vergütungssatzes des Vorjah- res geleistet, bei Anlagen, die noch nicht ein volles Kalenderjahr in Betrieb sind, aufgrund der Planungswerte nach Ziffer 5.1. 3 Vergütungssatzberechnung bei nachträglicher Erweiterung oder Erneuerung Der Vergütungssatz für Anlagen, die nachträglich erweitert oder erneuert wer- den, berechnet sich nach der folgenden Formel: (P0/P1) * V1 + (1-P0/P1) * (N0/N1) * V1 wobei: P0: Anlagenleistung vor der ersten ab 2018 vorgenommenen Er- weiterung oder Erneuerung oder, bei Anlagen, bei denen eine Erweiterung oder Erneuerung vor dem 1. Januar 2018 begon- nen und bis zum 30. Juni 2018 in Betrieb genommen wurde und deren Inbetriebnahme der Vollzugsstelle bis zum 31. Juli 2018 gemeldet wurde, die Anlagenleistung nach dieser Erwei- terung oder Erneuerung; P1: Anlagenleistung nach der jüngsten Erweiterung oder Erneue- rung; N0: durchschnittliche Nettoproduktion der: – letzten 5 Kalenderjahre vor der ersten ab 2018 vorgenom- menen Erweiterung oder Erneuerung, oder – Kalenderjahre zwischen der ersten ab 2018 vorgenomme- nen Erweiterung oder Erneuerung und der Inbetriebnahme oder der letzten vorgängigen Erweiterung oder Erneue- rung, sofern dieser Zeitraum weniger als 5 Kalenderjahre umfasst; Energie im Allgemeinen 52 / 104 730.03 N1: Nettoproduktion nach der Erweiterung; V1: aufgrund der gesamten erzielten Nettoproduktion nach der Er- weiterung oder Erneuerung nach Ziffer 2 errechneter Vergü- tungssatz. 4 Vergütungsdauer Die Vergütungsdauer beträgt 15 Jahre. 5 Gesuchsverfahren 5.1 Gesuch Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Zentrale, der Wasserfassungen, der Reservoire und der Wasserrückgabe; b. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; c. mittlere mechanische Bruttoleistung; d. erwartete Stromproduktion in kWh pro Kalenderjahr; e. Brutto-Fallhöhe in m; f. Art des genutzten Gewässers (Fliessgewässer/übrige Gewässer) und An- lagentyp; g. Gesamtinvestitionskosten des Projekts mit Aufteilung auf die Haupt- komponenten; separat aufzuführen sind insbesondere die Investitions- kosten für den Wasserbau einschliesslich der Druckleitungen; h. Produzentenkategorie; i. Nachweis, dass es sich um eine Neuanlage handelt. 5.2 Projektfortschrittsmeldungen 5.2.1 Spätestens vier Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) ist eine Projektfortschrittsmeldung einzureichen; diese hat das bei der zuständi- gen Behörde eingereichte Konzessions- oder Baugesuch zu enthalten. 5.2.2 Spätestens zehn Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) ist eine zweite Projektfortschrittsmeldung einzureichen; diese hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. rechtskräftige Baubewilligung; b. Konzession; c. die Meldung des Projekts beim Netzbetreiber sowie dessen Stellung- nahme dazu; d. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben; e. geplantes Inbetriebnahmedatum. Energieförderungsverordnung 53 / 104 730.03 5.3 Inbetriebnahme 5.3.1 Die Anlage ist spätestens zwölf Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 5.3.2 Anlagen, die nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a aufgrund der vollständi- gen zweiten Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, sind spätestens vier Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 5.4 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Inbetriebnahmedatum; b. Belege für die effektiven Investitionskosten mit Aufteilung auf die Hauptkomponenten; separat aufzuführen sind insbesondere die Investiti- onskosten für den Wasserbau einschliesslich der Druckleitungen; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch oder der Projektfort- schrittsmeldung gemachten Angaben. 6 Übergangsbestimmungen 6.1 Für Betreiber, die für ihre Anlage bis zum 31. Dezember 2017 sowohl einen positiven Bescheid erhalten als auch die vollständige erste Projektfortschritts- meldung nach bisherigem Recht eingereicht haben, gelten sowohl für die Ver- gütungsdauer wie auch für die Berechnung der Vergütung die zum Zeitpunkt der Einreichung der ersten Projektfortschrittsmeldung massgebenden Bestim- mungen. Die Übergangsbestimmungen, die bis zum 31. Dezember 2017 gal- ten, sind nicht anwendbar. 6.2 Für Betreiber, die für ihre Anlage bis zum 31. Dezember 2013 einen positiven Bescheid erhalten haben und den ersten Projektfortschritt tatsächlich erfüllt haben, gelten sowohl für die Vergütungsdauer wie auch für die Berechnung der Vergütung die im Zeitpunkt der Erreichung dieses Fortschritts massge- benden Bestimmungen. Die Übergangsbestimmungen, die bis zum 31. De- zember 2017 galten, sind nicht anwendbar. 6.3 Für Anlagen, die nach Artikel 3gbis Absatz 4 Buchstabe b Ziffer 1 der Ener- gieverordnung vom 7. Dezember 1998 in der Fassung vom 2. Dezember 201682 aufgrund der vollständigen zweiten Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, ist die Inbetriebnahmemeldung innerhalb folgen- der Fristen einzureichen: a. spätestens sechs Jahre nach der Mitteilung des positiven Bescheids, so- fern der Betreiber diesen bis zum 31. Dezember 2015 erhalten hat; b. spätestens bis zum 31. Dezember 2019, sofern der Betreiber den positi- ven Bescheid zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 1. Januar 2017 er- halten hat. 82 AS 2016 4617 Energie im Allgemeinen 54 / 104 730.03 6.4 Eine Produktionseinschränkung aufgrund einer allfälligen behördlichen Auf- lage führt bei einer Anlage, die aufgrund von Artikel 3a der Energieverord- nung vom 7. Dezember 199883 eine kostendeckende Einspeisevergütung zu- gesprochen oder einen positiven Bescheid erhalten hat, nicht zum Ausschluss aus dem Einspeisevergütungssystem. 6.5 Bei Anlagen, die aufgrund von Artikel 3a der Energieverordnung vom 7. De- zember 1998 eine kostendeckende Einspeisevergütung zugesprochen oder ei- nen positiven Bescheid erhalten haben und die die Mindestanforderungen aus Gründen, für die sie nicht einzustehen haben, nicht einhalten können, wird die Vergütung für eine Dauer von höchstens einem Drittel der Vergütungsdauer weiterhin ausbezahlt, wenn keine Massnahmen zur Behebung möglich sind. Halten sie die Mindestanforderungen danach erneut nicht ein, so werden sie aus dem Einspeisevergütungssystem ausgeschlossen. Diese Regelung gilt auch für das Jahr 2018. 6.6 Die Jahre, in denen der Grund gemäss Ziffer 6.5 in der überdurchschnittlichen Trockenheit liegt, werden bei der Berechnung des Drittels der Vergütungs- dauer nicht berücksichtigt. 83 AS 2011 4067; 2015 4781 Energieförderungsverordnung 55 / 104 730.03 Anhang 1.284 (Art. 16, 17, 21 und 23) Photovoltaikanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition Eine Photovoltaikanlage besteht aus einem oder mehreren Modulfeldern, ei- nem oder mehreren Wechselrichtern und einem Messpunkt. 2 Vergütungssatz 2.1 Berechnung des Vergütungssatzes Der Vergütungssatz wird anteilsmässig nach den Leistungsklassen gemäss Ziffer 2.2 berechnet. 2.2 Vergütungssätze Der Vergütungssatz beträgt bei einer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2013 je Leistungsklasse: Leistungsklasse Vergütungssatz (Rp./kWh) Inbetriebnahme 1 .1 .2 0 1 3 – 3 1 .1 2 .2 0 1 3 1 .1 .2 0 1 4 – 3 1 .3 .2 0 1 5 1 .4 .2 0 1 5 – 3 0 .9 .2 0 1 5 1 .1 0 .2 0 1 5 – 3 1 .3 .2 0 1 6 1 .4 .2 0 1 6 – 3 0 .9 .2 0 1 6 1 .1 0 .2 0 1 6 – 3 1 .3 .2 0 1 7 1 .4 .2 0 1 7 – 3 1 .1 2 .2 0 1 7 1 .1 .2 0 1 8 – 3 1 .3 .2 0 1 9 1 .4 .2 0 1 9 – 3 1 .3 .2 0 2 0 a b 1 .4 .2 0 2 0 ≤ 100 kW 21,2 18,7 16,0 14,8 14,0 13,3 12,1 11,0 10,0 9,0 ≤1000 kW 18,5 17,0 15,0 14,1 13,1 12,2 11,5 11,0 10,0 9,0 >1000 kW 17,3 15,3 14,8 14,1 13,2 12,2 11,7 11,0 10,0 9,0 3 Vergütungsdauer Die Vergütungsdauer beträgt: a. bei einer Inbetriebnahme bis zum 31. Dezember 2013: 25 Jahre; b. bei einer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017: 20 Jahre; c. bei einer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2018: 15 Jahre. 84 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 27. Febr. 2019 (AS 2019 923), vom 23. Okt. 2019 (AS 2019 3479), vom 25. Nov. 2020 (AS 2020 6129) und Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 56 / 104 730.03 4 Gesuchsverfahren 4.1 Gesuch Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage; b. Grundbuchauszug oder gleichwertiges Dokument, das eine eindeutige Identifizierung des Grundstücks und der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer zulässt; c. Kategorie der Anlage; d. geplante Leistung; e. erwartete jährliche Produktion; f. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; g. Produzentenkategorie. 4.2 Inbetriebnahme Die Anlage ist spätestens in Betrieb zu nehmen: a. 12 Monate nach Zusicherung dem Grundsatz nach; b. 6 Jahre nach Zusicherung dem Grundsatz nach, wenn für die Erstellung der Anlage eine Änderung der raumplanerischen Grundlagen notwendig ist. 4.3 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben und Unterla- gen zu enthalten: a. Inbetriebnahmedatum; b. Abnahmeprotokoll mit detaillierter Beschreibung oder Sicherheitsnach- weis nach Artikel 37 der Niederspannungsinstallationsverordnung vom 7. November 200185 (NIV) inklusive Mess- und Prüfprotokollen; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben; d. Beglaubigung der Anlagedaten gemäss Artikel 2 Absatz 2 der Verord- nung des UVEK vom 1. November 201786 über den Herkunftsnachweis und die Stromkennzeichnung (HKSV). 5 Übergangsbestimmungen für Anlagen, die vor dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden 5.1 Bei Anlagen, die bis zum 31 Dezember 2012 in Betrieb genommen wurden und für die bis zum 31. Juli 2013 ein Wartelistenbescheid ausgestellt wurde (Art. 72 Abs. 4 EnG), gelten für die Anlagendefinition, die Anlagenkatego- rien und für die Berechnung der Vergütung Anhang 1.2 Ziffern 1, 2, 3.1.1, 3.2 und 3.4a der Energieverordnung vom 7. Dezember 1998, in der am 1. Januar 85 SR 734.27 86 SR 730.010.1 Energieförderungsverordnung 57 / 104 730.03 2017 geltenden Fassung87. Die Übergangsbestimmungen, die bis zum 31. De- zember 2017 galten, sind nicht anwendbar. 5.2 Für integrierte Anlagen müssen mit der Inbetriebnahmemeldung Fotos einge- reicht werden, die den Solarstromgenerator während des Baus und nach der Fertigstellung zeigen und aus denen ersichtlich wird, dass eine integrierte An- lage vorliegt. 6 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 23. November 2022 Bei Photovoltaikanlagen, die vor dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurden, gilt die Anlagendefinition nach bisherigem Recht. 87 [AS 2010 809, 6125 Ziff. II; 2011 4067 Ziff. I und II; 2012 607, 4555; 2013 3631 Ziff. I und II; 2014 611 Ziff. I und II, 3683 Ziff. I und II; 2015 4781 Ziff. I und II; 2016 4617 Ziff. I und II] Energie im Allgemeinen 58 / 104 730.03 Anhang 1.388 (Art. 16, 17, 21, 22 und 23) Windenergieanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition Windenergieanlagen bestehen aus Rotor, Konversionseinrichtung, Turm, Fundament und Netzanschluss. Stehen mehrere Windenergieanlagen in einer gemeinsamen räumlichen Anordnung (Windpark), so gilt jede Einheit von Rotor, Konversionseinrichtung, Turm und Fundament als selbstständige An- lage. 2 Kategorien 2.1 Kleinwindanlagen Windenergieanlagen mit einer Leistung von bis und mit 10 kW. 2.2 Grosswindanlagen Windenergieanlagen mit einer Leistung von mehr als 10 kW. 3 Vergütungssatz 3.1 Kleinwindanlagen Der Vergütungssatz beträgt bei Kleinwindanlagen während der gesamten Vergütungsdauer: Inbetriebnahme ab 1.1.2013 Vergütungssatz (Rp./kWh) 23,0 3.2 Grosswindanlagen 3.2.1 Grundvergütung Der Satz für die Grundvergütung beträgt bei Grosswindanlagen während fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der ordentlichen Inbetriebnahme: Inbetriebnahme ab 1.1.2013 Vergütungssatz (Rp./kWh) 23,0 88 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 27. Febr. 2019 (AS 2019 923) und vom 25. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 6129). Energieförderungsverordnung 59 / 104 730.03 3.2.2 Höhenbonus Der Satz für die Grundvergütung wird Grosswindanlagen an Standorten auf 1700 m über Meer und höher um 2,5 Rp./kWh erhöht (Höhenbonus). Massgebend für die Bestimmung der Höhe über Meer einer Anlage ist deren Fundamentoberkante. 3.2.3 Anpassung des Vergütungssatzes nach fünf Jahren 3.2.3.1 Nach fünf Jahren wird bei einer Grosswindanlage der effektive Ertrag festge- stellt. Dieser entspricht dem arithmetischen Jahresmittel der an der Übergabe- stelle zum Netzbetreiber gemessenen Elektrizitätsproduktion der ersten fünf Betriebsjahre. Der effektive Ertrag wird mit dem Referenzertrag dieser An- lage nach Ziffer 3.2.4 verglichen: a. Erreicht oder übersteigt der effektive Ertrag A Prozent des Referenzer- trags, so wird der Vergütungssatz sofort bis zum Ende der Vergütungs- dauer auf B Rp./kWh gesenkt; b. Unterschreitet der effektive Ertrag A Prozent des Referenzertrags, so wird die Zahlung der Grundvergütung pro D Prozent, die der effektive Ertrag A Prozent des Referenzertrags unterschreitet, um C Monate ver- längert. Danach beträgt der Vergütungssatz bis zum Ende der Vergü- tungsdauer B Rp./kWh. 3.2.3.2 Je nach Zeitpunkt der Inbetriebnahme gelten für A, B, C und D die folgenden Werte: Inbetriebnahme ab 1.1.2013 A (Prozent) 130 B (Rp./kWh) 13,0 C (Monate) 1 D (Prozent) 0,3 3.2.4 Der Referenzertrag wird auf der Basis der Leistungskennlinie und der Naben- höhe der effektiv gewählten Windenergieanlage und mit den Merkmalen des Referenzstandorts nach den Ziffern 3.2.5 und 3.2.6 berechnet. 3.2.5 Der Referenzstandort für Standorte unter 1700 m über Meer weist folgende vier Merkmale auf: Inbetriebnahme ab 1.1.2013 Mittlere Windgeschwindigkeit auf 50 m über Grund 5,0 m/s Höhenprofil logarithmisch Weibull-Verteilung mit k = 2,0 Rauigkeitslänge l = 0,1 m 3.2.6 Der Referenzstandort für Standorte auf 1700 m über Meer und höher weist folgende vier Merkmale auf: Energie im Allgemeinen 60 / 104 730.03 Inbetriebnahme ab 1.1.2013 Mittlere Windgeschwindigkeit auf 50 m über Grund 5,5 m/s Höhenprofil logarithmisch Weibull-Verteilung mit k = 2,0 Rauigkeitslänge l = 0,03 m 3.2.7 Der Referenzertrag von Anlagen mit einem Standort auf 1700 m über Meer und höher, die vor dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden, wird auf der Basis der Merkmale des Referenzstandorts nach Ziffer 3.2.5 errechnet. 3.2.8 Die Vollzugsstelle legt die detaillierte Berechnung des Referenzertrags in ei- ner Richtlinie fest. 4 Vergütungsdauer Die Vergütungsdauer beträgt 15 Jahre. 5 Gesuchsverfahren 5.1 Gesuch Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage einschliesslich der Höhe über Meer; b. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; c. geplante Leistung; d. erwartete jährliche Produktion; e. Produzentenkategorie. 5.2 Übertragung der Zusicherung dem Grundsatz nach 5.2.1 Ein Betreiber einer Windkraftanlage, die aufgrund einer Planänderung über keine Grundlage in der kantonalen Planung mehr verfügt, darf eine Zusiche- rung dem Grundsatz nach oder einen positiven Bescheid nach bisherigem Recht auf eine andere Windkraftanlage übertragen, wenn diese andere Wind- kraftanlage: a. … b. die Anspruchsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllt; c. für das Einspeisevergütungssystem angemeldet worden ist; und d. der Betreiber dem übernehmenden Betreiber für die Übertragung maxi- mal die Hälfte der ihm tatsächlich entstandenen Kosten für Windmessun- gen, Umweltstudien und technische Abklärungen in Rechnung stellt. 5.2.2 Das BFE entscheidet auf Gesuch des übertragenden Betreibers und nach An- hörung des Standortkantons über die Übertragung. Die Modalitäten der Über- tragung sind dem BFE offenzulegen. Energieförderungsverordnung 61 / 104 730.03 5.2.3 Die Fristen für Projektfortschrittsmeldungen (Ziff. 5.3) und die Inbetrieb- nahme (Ziff. 5.4) beginnen mit dem Datum der neuen Zusicherung dem Grundsatz nach neu zu laufen. 5.3 Projektfortschrittsmeldungen 5.3.1 Bei Anlagen, die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, ist spätes- tens vier Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) eine Pro- jektfortschrittsmeldung einzureichen. Diese hat das vom Standortkanton ge- nehmigte Pflichtenheft für den Umweltverträglichkeitsbericht zu enthalten. 5.3.2 Spätestens zehn Jahre nach Eröffnung der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) ist eine zweite Projektfortschrittsmeldung einzureichen. Diese hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. rechtskräftige Baubewilligung; b. die Meldung des Projekts beim Netzbetreiber sowie dessen Stellung- nahme dazu; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben; d. geplantes Inbetriebnahmedatum. 5.4 Inbetriebnahme 5.4.1 Die Anlage ist spätestens zwölf Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 5.4.2 Anlagen, die nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a aufgrund der vollständi- gen zweiten Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, sind spätestens drei Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 5.5 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Typenbezeichnung der Anlage; b. Leistung; c. Nabenhöhe; d. Extraausrüstungen, z. B. Rotorblattheizung; e. Inbetriebnahmedatum; f. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch und in der Projektfort- schrittsmeldung gemachten Angaben. 6 Übergangsbestimmungen 6.1 Für Betreiber, die für ihre Anlage bis zum 31. Dezember 2017 sowohl einen positiven Bescheid erhalten als auch die vollständige erste Projektfortschritts- meldung nach bisherigem Recht eingereicht haben, gelten sowohl für die Ver- gütungsdauer wie auch für die Berechnung der Vergütung die zum Zeitpunkt der Einreichung der ersten Projektfortschrittsmeldung massgebenden Bestim- mungen. Die Übergangsbestimmungen, die bis zum 31. Dezember 2017 gal- ten, sind nicht anwendbar. Energie im Allgemeinen 62 / 104 730.03 6.2 Für Anlagen, die nach Artikel 3gbis Absatz 4 Buchstabe b Ziffer 1 der Ener- gieverordnung vom 7. Dezember 1998 in der Fassung vom 2. Dezember 201689 aufgrund der vollständigen zweiten Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, ist die Inbetriebnahmemeldung innerhalb folgen- der Fristen einzureichen: a. spätestens sieben Jahre nach der Mitteilung des positiven Bescheids, so- fern der Betreiber diesen bis zum 31. Dezember 2015 erhalten hat; b. spätestens bis zum 31. Dezember 2019, sofern der Betreiber den positi- ven Bescheid zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 1. Januar 2017 er- halten hat. 89 [AS 2016 4617 Ziff. I und II] Energieförderungsverordnung 63 / 104 730.03 Anhang 1.490 (Art. 16, 17, 21, 22 und 23) Geothermieanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition Geothermieanlagen bestehen aus einem unterirdischen Teil, namentlich aus einer oder mehreren Bohrungen, einem Reservoir und Pumpen, und einem oberirdischen Teil, namentlich einem Wärmetauscher, einer Konversionsein- richtung und dazu gehörenden Anlageteilen, und dienen der Produktion von Elektrizität und Wärme. 2 Kategorien 2.1 Hydrothermale Geothermieanlagen Hydrothermale Geothermieanlagen nutzen für die Produktion von Elektrizität und Wärme hauptsächlich natürlich vorkommendes Heisswasser aus Geother- miereservoiren. 2.2 Petrothermale Geothermieanlagen Petrothermale Geothermieanlagen müssen für die Produktion von Elektrizität und Wärme das Geothermiereservoir vorgängig hydraulisch stimulieren. 3 Mindestanforderungen 3.1 Geothermieanlagen müssen spätestens ab Beginn des dritten vollen Kalender- jahres nach der Inbetriebnahme einen minimalen Gesamtnutzungsgrad res- pektive Elektrizitätsnutzungsgrad gemäss folgendem Diagramm aufweisen: 90 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 27. Febr. 2019 (AS 2019 923), vom 23. Okt. 2019 (AS 2019 3479) und Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 64 / 104 730.03 3.2 Die für die Bestimmung des Gesamtnutzungsgrads relevante Beurteilungspe- riode ist das ganze Kalenderjahr; der Gesamtnutzungsgrad bezieht sich auf die jährliche Energie am Bohrlochkopf mit: Nutzungsgrad Wärme = genutzte Wärme dividiert durch Energie am Bohr- lochkopf Nutzungsgrad Elektrizität = produzierte Elektrizität dividiert durch Energie am Bohrlochkopf 4 Vergütungssatz 4.1 Berechnung Der Vergütungssatz wird anteilsmässig nach den Leistungsklassen gemäss den Ziffern 4.2 und 4.3 berechnet. 4.2 Der Vergütungssatz beträgt bei hydrothermalen Geothermieanlagen: Leistungsklasse Vergütung (Rp./kWh) ≤ 5 MW 46,5 ≤10 MW 42,5 ≤20 MW 34,5 >20 MW 29,2 4.3 Der Vergütungssatz beträgt bei petrothermalen Geothermieanlagen: Leistungsklasse Vergütung (Rp./kWh) ≤ 5 MW 54,0 ≤10 MW 50,0 ≤20 MW 42,0 >20 MW 36,7 5 Vergütungsdauer Die Vergütungsdauer beträgt 15 Jahre. 6 Gesuchsverfahren 6.1 Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage; b. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; c. elektrische und thermische Nennleistung; d. projektierte jährliche Brutto- und Nettoproduktion von Elektrizität und Wärme; Energieförderungsverordnung 65 / 104 730.03 e. projektierte Wärmenutzung und Zustimmung der voraussichtlichen Wär- meabnehmerinnen und Wärmeabnehmer; f. Rückkühlmedium; g. Produzentenkategorie. 6.2 Projektfortschrittsmeldung 6.2.1 Die Projektfortschrittsmeldung ist spätestens sechs Jahre nach der Zusiche- rung dem Grundsatz nach (Art. 22) einzureichen. 6.2.2 Sie hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. rechtskräftige Baubewilligung; b. die Meldung des Projekts beim Netzbetreiber sowie dessen Stellung- nahme dazu; c. Anschlussmöglichkeiten für thermische Energie; d. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben; e. geplantes Inbetriebnahmedatum. 6.3 Inbetriebnahme 6.3.1 Die Anlage ist spätestens zwölf Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 6.3.2 Anlagen, die nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a aufgrund der vollständi- gen Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, sind spä- testens sechs Jahre nach Eröffnung der Verfügung zur provisorischen Teil- nahme in Betrieb zu nehmen. 6.4 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Inbetriebnahmedatum; b. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch oder der Projektfort- schrittsmeldung gemachten Angaben; c. Bestätigung des Bundesamtes für Landestopographie, dass ihr die Pro- jektantin oder der Projektant sämtliche Geodaten zur Bearbeitung ge- mäss dem Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 200791 zur Verfügung gestellt hat. 7 Übergangsbestimmungen 7.1 Für Betreiber, die für ihre Anlage vor dem 1. Januar 2018 sowohl einen posi- tiven Bescheid erhalten als auch die vollständige Projektfortschrittsmeldung nach bisherigem Recht eingereicht haben, gilt eine Vergütungsdauer von 20 Jahren. 7.2 Für Anlagen, die nach Artikel 3gbis Absatz 4 Buchstabe b Ziffer 1 der Ener- gieverordnung vom 7. Dezember 1998 in der Fassung vom 2. Dezember 91 SR 510.62 Energie im Allgemeinen 66 / 104 730.03 201692 aufgrund der vollständigen Projektfortschrittsmeldung auf der Warte- liste vorgerückt sind, ist die Inbetriebnahmemeldung spätestens bis zum 31. Dezember 2029 einzureichen. 92 AS 2016 4617 Ziff. I und II Energieförderungsverordnung 67 / 104 730.03 Anhang 1.593 (Art. 16, 17, 21, 22 und 23) Biomasseanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition Eine Biomasseanlage ist jede selbstständige technische Einrichtung zur Pro- duktion von Elektrizität aus Biomasse. In Anlagen zur Gewinnung von Ener- gie aus Biomasse laufen in der Regel mehrstufige Prozesse ab. Dazu gehören insbesondere: a. Brennstoff- bzw. Substrat-Annahme und -Vorbehandlung; b. Umwandlung der Biomasse mittels thermo-chemischer, physikalisch- chemischer oder biologischer Verfahren zu einem Zwischenprodukt (erste Konversionsstufe); c. Umwandlung des Zwischenprodukts mittels Wärme-Kraft-Kopplungs- anlage zu Elektrizität und Wärme (zweite Konversionsstufe); d. Nachbehandlung der Reststoffe und Nebenprodukte. 2 Mindestanforderungen 2.1 Allgemeine Anforderungen 2.1.1 Zugelassene Biomasse: Biomasse gemäss Artikel 2 Buchstabe b der Verordnung, sofern nicht Stoffe nach Ziffer 2.1.2 verwendet werden. 2.1.2 Nicht zugelassene Biomasse: a. Biomasse, die mit fossilen Energien getrocknet wurde; b Torf; c. gemischte Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen, Gewerbe und Industrie sowie ähnliche Abfälle, die in KVA verwertet werden; d. Gewässerschlämme und -sedimente; e. Textilien; f. Deponiegas; g. Klärgas, Rohschlamm aus ARA; h. biogene Treib- und Brennstoffe, für die bereits der ökologische Mehr- wert mit Bescheinigungen nach der CO2-Gesetzgebung abgegolten wurde, mit Ausnahme von in Blockheizkraftwerken verwendetem bio- genem Zündöl. 2.1.3 Die Beurteilungsperiode für die allgemeinen Anforderungen beträgt drei Mo- nate. 93 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 23. Okt. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3479). Energie im Allgemeinen 68 / 104 730.03 2.2 Energetische Mindestanforderungen 2.2.1 Die energetischen Mindestanforderungen sind spätestens ab Beginn des drit- ten vollen Kalenderjahrs nach der Inbetriebnahme einzuhalten. 2.2.2 Die Beurteilungsperiode für die energetischen Mindestanforderungen ist das ganze Kalenderjahr. 2.2.3 Dampfprozesse, insbesondere Organic-Rankine-Cycle, Dampfturbinen und Dampfmotoren müssen einen minimalen Gesamtenergienutzungsgrad gemäss folgendem Diagramm erreichen: Für die Berechnung des Gesamtnutzungsgrades wird der untere Heizwert Hu des eingesetzten Brennstoffs verwendet. Berechnung: Nutzungsgrad Elektrizität = Produzierte Elektrizität dividiert durch Energie- input in die Feuerung. Berechnung Wärmenutzungsgrad = Genutzte Wärme dividiert durch den Energieinput in die Feuerung. 2.2.4 Übrige WKK-Anlagen, insbesondere Blockheizkraftwerke, Gasturbinen, Brennstoffzellen und Stirlingmotoren müssen die folgenden energetischen Mindestanforderungen erfüllen: a. elektrischer Wirkungsgrad: Das WKK-Modul muss einen minimalen elektrischen Wirkungsgrad ge- mäss folgendem Diagramm erreichen: Energieförderungsverordnung 69 / 104 730.03 b. Wärmenutzung: 1. Anlagen, die den Landwirtschaftsbonus nach Ziffer 3.4 beanspru- chen können, müssen nur den Wärmebedarf der Energieanlage (z. B. Fermenterheizung) durch Wärmenutzung der WKK-Anlage oder durch den Einsatz von erneuerbaren Energien decken. 2. Bei den übrigen Anlagen muss der Anteil der extern, d. h. ohne Ei- genverbrauch der Energieanlage, genutzten Wärme mindestens 40 Prozent der Brutto-Wärmeproduktion betragen. 2.3 Ökologische Mindestanforderungen 2.3.1 Die Beurteilungsperiode für die ökologischen Mindestanforderungen beträgt drei Monate. 2.3.2 Biogene Treibstoffe haben die Anforderungen zu erfüllen, die zu einer Steu- ererleichterung für biogene Treibstoffe gemäss Artikel 12b des Mineralöl- steuergesetzes vom 21. Juni 199694 berechtigen würden. 2.3.3 Wird ein biogener Treibstoff hergestellt und direkt vor Ort zur Elektrizitäts- produktion eingesetzt, so muss bei der Inbetriebnahme der Anlage eine Be- willigung als Produktionsbetrieb mit Anrecht auf Steuererleichterung von der Oberzolldirektion vorliegen. 2.3.4 Werden biogene Treibstoffe für den Antrieb einer Elektrizitätsproduktionsan- lage eingesetzt, so muss im Zeitpunkt der Treibstoffannahme für jeden einzu- setzenden Treibstoff eine Nachweisnummer der Oberzolldirektion vorliegen. 2.3.5 Wird biogenes Gas aus dem Erdgasnetz bezogen, so gelten die ökologischen Mindestanforderungen als erfüllt, wenn der Gaslieferant nachweist, dass die bezogene Gasmenge aus dem Erdgasnetz entnommen und vollumfänglich als Biogas aus der von der Gasbranche eingesetzten Clearingstelle ausgebucht worden ist. 94 SR 641.61 Energie im Allgemeinen 70 / 104 730.03 3 Vergütungssatz 3.1 Berechnung des Vergütungssatzes 3.1.1 Der Vergütungssatz setzt sich aus einer Grundvergütung und, sofern die Vo- raussetzungen erfüllt sind, aus einem Bonus nach Ziffer 3.3 oder Ziffer 3.4 zusammen. Der Vergütungssatz wird jährlich neu berechnet. 3.1.2 Für die Berechnung der Sätze für die Grundvergütung und die Boni ist die äquivalente Leistung der Anlage massgebend. Diese entspricht dem Quotien- ten aus der Nettoproduktion in kWh und der Stundensumme des jeweiligen Kalenderjahres. Für das Jahr, in dem die Anlage in Betrieb genommen oder stillgelegt wird, werden bei der Bestimmung der äquivalenten Leistung die vollen Stunden vor der Inbetriebnahme oder nach der Stilllegung der Anlage abgezogen. 3.1.3 Die Sätze der Grundvergütung und der Boni werden anteilsmässig nach den Leistungsklassen gemäss den Ziffern 3.2–3.4 berechnet. 3.1.4 Werden in einem Holzkraftwerk auch problematische Holzabfälle verwendet, die gemäss Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung vom 22. Juni 200595 über den Verkehr mit Abfällen als Sonderabfälle bezeichnet sind, wird der Anteil der Elektrizität, der aufgrund der Verwendung dieser problemati- schen Holzabfälle erzielt wurde, mit dem halben Vergütungssatz vergütet. Der Anteil berechnet sich aufgrund der verwendeten Energieinhalte. 3.2 Grundvergütung Der Satz für die Grundvergütung beträgt bei einer Inbetriebnahme ab 1. Ja- nuar 2013 je Leistungsklasse: Leistungsklasse Grundvergütung (Rp./kWh) ≤ 50 kW 28 ≤100 kW 25 ≤500 kW 22 ≤ 5 MW 18,5 > 5 MW 17,5 3.3 Bonus für Holzkraftwerke Der Satz für den Bonus für Holzkraftwerke beträgt bei einer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2013 je Leistungsklasse: Leistungsklasse Grundvergütung (Rp./kWh) ≤ 50 kW 8 ≤100 kW 7 ≤500 kW 6 ≤ 5 MW 4 > 5 MW 3,5 95 SR 814.610 Energieförderungsverordnung 71 / 104 730.03 3.4 Bonus für landwirtschaftliche Biomasse 3.4.1 Der Bonus für landwirtschaftliche Biomasse wird gewährt, wenn: a. Hofdünger, insbesondere Gülle und Mist aus der Tierhaltung, oder Hof- dünger zusammen mit Ernterückständen, Reststoffen aus der landwirt- schaftlichen Produktion oder deklassierten landwirtschaftlichen Produk- ten eingesetzt werden; und b. der Anteil nicht landwirtschaftlicher Co-Substrate und Energiepflanzen ≤20 Prozent, bezogen auf Frischmasse, beträgt. 3.4.2 Der Satz für den Bonus für landwirtschaftliche Biomasse beträgt: Leistungsklasse Landwirtschaftsbonus (Rp./kWh) ≤ 50 kW 18 ≤100 kW 16 ≤500 kW 13 ≤ 5 MW 4,5 > 5 MW 0 4 Vergütungssatz und Mindestanforderungen bei Verstromung von biogenem Gas aus dem Erdgasnetz 4.1 Vergütungssatz 4.1.1 Der Vergütungssatz für biogenes Gas, das ins Erdgasnetz eingespeist und an einem anderen Ort als dem Ort der Gasproduktion zur Elektrizitätsproduktion verwendet wird, beträgt 52 x-0.17 Rp./kWh, wobei x der äquivalenten Leistung gemäss Ziffer 3.1.2 entspricht. 4.1.2 Der Vergütungssatz beträgt maximal 26,5 Rp./kWh. 4.2 Mindestanforderungen Die folgenden Mindestanforderungen sind einzuhalten: a. Anforderung an den elektrischen Wirkungsgrad: Für den elektrischen Wirkungsgrad gelten die Mindestanforderungen nach Ziffer 2.2.2. b. Anforderung an die Wärmenutzung: Der Anteil der extern genutzten Wärme muss mindestens 60 Prozent der Brutto-Wärmeproduktion betragen. c. Ökologische Mindestanforderungen: Für die ökologischen Mindestanforderungen gilt Ziffer 2.3. Energie im Allgemeinen 72 / 104 730.03 5 Vergütungssatzberechnung bei nachträglicher Erweiterung oder Erneuerung Der Vergütungssatz für Anlagen, die nachträglich erweitert oder erneuert wer- den, berechnet sich nach der folgenden Formel: (P0/P1) * V1 + (1-P0/P1) * (N0/N1) * V1 wobei: P0: Anlagenleistung vor der ersten ab 2018 vorgenommenen Er- weiterung oder Erneuerung oder, bei Anlagen, bei denen eine Erweiterung oder Erneuerung vor dem 1. Januar 2018 begon- nen und bis zum 30. Juni 2018 in Betrieb genommen wurde und deren Inbetriebnahme der Vollzugsstelle bis zum 31. Juli 2018 gemeldet wurde, die Anlagenleistung nach dieser Erwei- terung oder Erneuerung; P1: Anlagenleistung nach der jüngsten Erweiterung oder Erneue- rung; N0: durchschnittliche Nettoproduktion der: – letzten 2 Kalenderjahre vor der ersten ab 2018 vorgenom- menen Erweiterung oder Erneuerung, – Zeit zwischen der ersten ab 2018 vorgenommenen Erwei- terung oder Erneuerung und der Inbetriebnahme oder der letzten vorgängigen Erweiterung oder Erneuerung, sofern dieser Zeitraum weniger als 2 Kalenderjahre umfasst; N1: Nettoproduktion nach der Erweiterung; V1: aufgrund der gesamten erzielten Nettoproduktion nach der Er- weiterung oder Erneuerung nach den Ziffern 3 beziehungs- weise 4 errechneter Vergütungssatz. 6 Teilzahlungen und Abrechnung Die Vergütung wird per Ende des Kalenderjahres aufgrund des Vergütungs- satzes für das betreffende Jahr und der erfassten Elektrizität abgerechnet. Vor- herige Teilzahlungen werden aufgrund des Vergütungssatzes des Vorjahres geleistet, bei Anlagen, die noch nicht ein volles Kalenderjahr in Betrieb sind, aufgrund der Planungswerte nach Ziffer 8.1. 7 Vergütungsdauer Die Vergütungsdauer beträgt 20 Jahre. Energieförderungsverordnung 73 / 104 730.03 8 Gesuchsverfahren 8.1 Gesuch Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage; b. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt werden; c. Nennleistung elektrisch und thermisch; d. erwartete Brutto-Elektrizitäts- und Wärmeproduktion (kWh), erwartete Netto-Elektrizitätsproduktion sowie erwartete extern genutzte Wärme (kWh) pro Kalenderjahr; e. Art und Menge der energetisch eingesetzten Biomassen; f. Art, Menge und durchschnittlicher unterer Heizwert des Zwischenpro- duktes; g. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; 8.2 Projektfortschrittsmeldung 8.2.1 Die Projektfortschrittsmeldung ist spätestens drei Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) einzureichen. 8.2.2 Sie hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. rechtskräftige Baubewilligung; b. die Meldung des Projekts beim Netzbetreiber sowie dessen Stellung- nahme dazu; c. allfällige Änderungen gegenüber Ziffer 8.1; d. geplantes Inbetriebnahmedatum. 8.3 Inbetriebnahme 8.3.1 Die Anlage ist spätestens sechs Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Betrieb zu nehmen. 8.3.2 Anlagen, die nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a aufgrund der vollständi- gen Projektfortschrittsmeldung auf der Warteliste vorgerückt sind, sind spä- testens drei Jahre nach der Zusicherung dem Grundsatz nach (Art. 22) in Be- trieb zu nehmen. 8.4 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. allfällige Änderungen gegenüber Ziffer 8.1; b. Inbetriebnahmedatum. 9 Übergangsbestimmungen 9.1 Betreiber, die für ihre Anlage vor dem 1. Januar 2018 sowohl einen positiven Bescheid erhalten als auch die vollständige Projektfortschrittsmeldung nach Energie im Allgemeinen 74 / 104 730.03 bisherigem Recht eingereicht haben, haben Anspruch auf den Bonus für ex- terne Wärmenutzung (WKK-Bonus) von 2,5 Rp./kWh gemäss bisherigem Recht. 9.2 Für Anlagen, die nach Artikel 3gbis Absatz 4 Buchstabe b Ziffer 1 der Ener- gieverordnung vom 7. Dezember 1998 in der Fassung vom 2. Dezember 201696 aufgrund der vollständigen Projektfortschrittsmeldung auf der Warte- liste vorgerückt sind, ist die Inbetriebnahmemeldung innerhalb folgender Fris- ten einzureichen: a. spätestens sechs Jahre nach der Mitteilung des positiven Bescheids, so- fern der Betreiber diesen bis zum 31. Dezember 2015 erhalten hat; b. spätestens bis zum 31. Dezember 2019, sofern der Betreiber den positi- ven Bescheid zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 1. Januar 2017 er- halten hat. 9.3 Für KVA und Schlammverbrennungsanlagen sowie Klärgas- und Deponie- gasanlagen, die bereits eine Vergütung nach bisherigem Recht erhalten, gilt für die Anspruchsvoraussetzungen, die Mindestanforderungen und den lau- fenden Betrieb das bisherige Recht. 96 [AS 2016 4617 Ziff. I und II] Energieförderungsverordnung 75 / 104 730.03 Anhang 2.197 (Art. 7, 38, 41–43, 45 und 46d) Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen 1 Anlagendefinition Die Definition einer Photovoltaikanlage richtet sich nach Anhang 1.2 Ziffer 1. 2 Ansätze für die Einmalvergütung 2.1 Für integrierte Anlagen, die ab dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wur- den, gelten die folgenden Ansätze: Leistungs- klasse Inbetriebnahme 1 .1 .2 0 1 3 – 3 1 .1 2 .2 0 1 3 1 .1 .2 0 1 4 – 3 1 .3 .2 0 1 5 1 .4 .2 0 1 5 – 3 0 .9 .2 0 1 5 1 .1 0 .2 0 1 5 – 3 0 .9 .2 0 1 6 1 .1 0 .2 0 1 6 – 3 1 .3 .2 0 1 7 1 .4 .2 0 1 7 – 3 1 .3 .2 0 1 8 1 .4 .2 0 1 8 – 3 1 .3 .2 0 1 9 1 .4 .2 0 1 9 – 3 1 .3 .2 0 2 0 1 .4 .2 0 2 0 – 3 1 .3 .2 0 2 1 1 .4 .2 0 2 1 – 3 1 .3 .2 0 2 2 a b 1 .4 .2 0 2 2 Grundbei- trag (Fr.) 2000 1800 1800 1800 1800 1600 1600 1550 1100 770 385 Leistungs- beitrag (Fr./kW) < 30 kW 1200 1050 830 610 610 520 460 380 380 420 420 <100 kW 850 750 630 510 460 400 340 330 330 320 330 2.2 Für integrierte Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2012 in Betrieb genom- men wurden, gelten die folgenden Ansätze: Leistungsklasse Inbetriebnahme bis 31.12.2010 1.1.2011– 31.12.2011 1.1.2012– 31.12.2012 Grundbeitrag (Fr.) 3300 2650 2200 Leistungsbeitrag (Fr./kW) < 30 kW 2100 1700 1400 <100 kW 1700 1400 1100 ≥100 kW 1500 1200 980 97 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 27. Febr. 2019 (AS 2019 923), vom 25. Nov. 2020 (AS 2020 6129), Ziff. II der V vom 24. Nov. 2021 (AS 2021 820) und Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 76 / 104 730.03 2.3 Für die angebauten und freistehenden Anlagen, die ab dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden, gelten die folgenden Ansätze: Leistungs- klasse Inbetriebnahme 1 .1 .2 0 1 3 – 3 1 .1 2 .2 0 1 3 1 .1 .2 0 1 4 – 3 1 .3 .2 0 1 5 1 .4 .2 0 1 5 – 3 0 .9 .2 0 1 5 1 .1 0 .2 0 1 5 – 3 0 .9 .2 0 1 6 1 .1 0 .2 0 1 6 – 3 1 .3 .2 0 1 7 1 .4 .2 0 1 7 – 3 1 .3 .2 0 1 8 1 .4 .2 0 1 8 – 3 1 .3 .2 0 1 9 1 .4 .2 0 1 9 – 3 1 .3 .2 0 2 0 1 .4 .2 0 2 0 – 3 1 .3 .2 0 2 1 1 .4 .2 0 2 1 – 3 1 .3 .2 0 2 2 a b 1 .4 .2 0 2 2 Grundbei- trag (Fr.) 1500 1400 1400 1400 1400 1400 1400 1400 1000 700 350 Leistungs- beitrag (Fr./kW) < 30 kW 1000 850 680 500 500 450 400 340 340 380 380 <100 kW 750 650 530 450 400 350 300 300 300 290 300 ≥100 kW 700 600 530 450 400 350 300 300 300 290 270 2.4 Für die angebauten und freistehenden Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2012 in Betrieb genommen wurden, gelten die folgenden Ansätze: Leistungsklasse Inbetriebnahme bis 31.12.2010 1.1.2011– 31.12.2011 1.1.2012– 31.12.2012 Grundbeitrag (Fr.) 2450 1900 1600 Leistungsbeitrag (Fr./kW) < 30 kW 1850 1450 1200 <100 kW 1500 1200 950 ≥100 kW 1300 1000 850 2.5 Für Anlagen mit einer Leistung von ≥30 kW wird der Leistungsbeitrag an- teilsmässig über die Leistungsklassen berechnet. Für integrierte Anlagen mit einer Leistung von ≥100 kW, die ab dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden, wird in allen Leistungsklassen ausschliesslich auf die Ansätze für an- gebaute und freistehende Anlagen abgestellt. 2.6 Anlagen nach Artikel 7 Absatz 3 erhalten die Ansätze für integrierte Anlagen, sofern sie der Kategorie der integrierten Anlagen angehören. 2.7 Neigungswinkel- und Höhenbonus 2.7.1 Der Bonus für integrierte Anlagen mit einem Neigungswinkel von mindestens 75 Grad beträgt 250 Franken pro kW. 2.7.2 Der Bonus für angebaute oder freistehende Anlagen mit einem Neigungswin- kel von mindestens 75 Grad beträgt 100 Franken pro kW. 2.7.3 Der Bonus für Anlagen, die ab einer Höhe von 1500 m ü. M installiert werden, beträgt 250 Franken pro kW. Der Nachweis, dass die Anlage nicht an ein Ge- bäude angebaut oder in ein Gebäude integriert wurde, ist mittels Fotos zu er- bringen. Energieförderungsverordnung 77 / 104 730.03 2.8 Für integrierte Anlagen, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wur- den, gelten die folgenden Ansätze: Leistungsklasse Grundbeitrag (Fr.) 2–5 kW 200 >5 kW 0 Leistungsbeitrag (Fr./kW) <30 kW 440 30–<100 kW 330 2.9 Für angebaute und freistehende Anlagen, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurden, gelten die folgenden Ansätze: Leistungsklasse Grundbeitrag (Fr.) 2–5 kW 200 >5 kW 0 Leistungsbeitrag (Fr./kW) <30 kW 400 30–<100 kW 300 ≥100 kW 270 2.10 Für neue Anlagen ohne Eigenverbrauch mit einer Leistung von weniger als 150 kW und für erhebliche Erweiterungen solcher Anlagen um weniger als 150 kW Leistung beträgt der Leistungsbeitrag 450 Franken pro kW, sofern die Anlage oder die Erweiterung ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurde. Ein Grundbeitrag wird für diese Anlagen nicht ausgerichtet. 3 Gesuch für kleine Anlagen Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort der Anlage; b. Grundbuchauszug oder gleichwertiges Dokument, das eine eindeutige Identifizierung des Grundstücks und der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer zulässt; c. die Kategorie der Anlage; d. die Leistung; e. die erwartete jährliche Produktion; f. die Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; g. die Produzentenkategorie; h. das Inbetriebnahmedatum; Energie im Allgemeinen 78 / 104 730.03 i. das Abnahmeprotokoll mit detaillierter Beschreibung oder der Sicher- heitsnachweis nach Artikel 37 NIV98 inklusive Mess- und Prüfproto- kolle; j. die Beglaubigung der Anlagedaten gemäss Artikel 2 Absatz 2 HKSV99; k. für integrierte Anlagen: Fotos, die den Solarstromgenerator während des Baus und nach der Fertigstellung zeigen und aus denen ersichtlich wird, dass eine integrierte Anlage nach Artikel 6 vorliegt; l. für Anlagen nach Artikel 7 Absatz 3: die Erklärung, dass der Betreiber auf die Vergütung des Leistungsbeitrags für die Leistung ab 100 kW ver- zichtet; m. die Erklärung, ob die Anlage die gesamte produzierte Elektrizität ein- speist oder ob vom Eigenverbrauch gemäss Artikel 16 EnG Gebrauch gemacht wird. 4 Gesuch und Inbetriebnahmemeldung für grosse Anlagen 4.1 Das Gesuch für grosse Anlagen hat mindestens folgende Angaben und Unter- lagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort der Anlage; b. Grundbuchauszug oder gleichwertiges Dokument, das eine eindeutige Identifizierung des Grundstücks und der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer zulässt; c. Kategorie der Anlage; d. geplante Leistung; e. erwartete jährliche Produktion; f. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; g. Produzentenkategorie; h. die Erklärung, ob die Anlage die gesamte produzierte Elektrizität ein- speist oder ob vom Eigenverbrauch gemäss Artikel 16 EnG Gebrauch gemacht wird. 4.2 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben und Unterla- gen zu enthalten: a. Inbetriebnahmedatum; b. Abnahmeprotokoll mit detaillierter Beschreibung oder Sicherheitsnach- weis nach Artikel 37 NIV inklusive Mess- und Prüfprotokolle; c. allfällige Änderungen gegenüber den im Gesuch gemachten Angaben; d. Beglaubigung der Anlagedaten gemäss Artikel 2 Absatz 2 HKSV; 98 SR 734.27 99 SR 730.010.1 Energieförderungsverordnung 79 / 104 730.03 e. für integrierte Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2012 in Betrieb ge- nommen wurden: Fotos, die den Solarstromgenerator während des Baus und nach der Fertigstellung zeigen und aus denen ersichtlich wird, dass eine integrierte Anlage nach Artikel 6 vorliegt. Energie im Allgemeinen 80 / 104 730.03 Anhang 2.2100 (Art. 53 und 61) Investitionsbeitrag für Wasserkraftanlagen 1 Anlagendefinition 1.1 Eine Wasserkraftanlage ist eine selbstständig betreibbare technische Einrich- tung zur Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft. 1.2 Die in Artikel 9 genannten Anlagen gelten als selbständig betreibbar. 2 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort der Zentrale, der Wasserfassungen, der Reservoire und der Wasserrückgabe; b. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; c. technische Beschreibung der Anlage; d. für Erweiterungen oder Erneuerungen: Unterlagen, die aufzeigen, dass die Erweiterung oder Erneuerung erheblich ist; e. mittlere mechanische Bruttoleistung des Wassers vor und nach der In- vestition; f. installierte Leistung vor und nach der Investition; g. Nutzwassermenge in m3 gemittelt über je fünf volle Kalenderjahre vor und nach der Investition; h. Elektrizitätsproduktion in kWh pro Kalenderjahr vor und nach der Inves- tition; i. mittlere Brutto-Fallhöhe in m vor und nach der Investition; j. mittlere Netto-Fallhöhe in m vor und nach der Investition; k. Ausbauwassermenge vor und nach der Investition; l. nutzbares Speichervolumen vor und nach der Investition; m. geplantes Baubeginn- und Inbetriebnahmedatum; n. Nachweis über die Gültigkeit des Wassernutzungsrechts und die rechts- kräftige Baubewilligung; o. detaillierte Auflistung der Investitionskosten, aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten; p. Angaben über anderweitige Finanzhilfen. 100 Bereinigt gemäss Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 81 / 104 730.03 3 Nutzungsdauertabelle Für die Berechnung der nicht amortisierbaren Mehrkosten wird von der fol- genden Nutzungsdauer der einzelnen Anlagenbestandteile ausgegangen: Anlagenbestandteil Jahre Staumauern, Staudämme 80 Wehranlagen, Fassungen, Entsanderanlagen, Freispiegelstollen 80 Rechen inkl. Rechenreinigung 40 Triebwasserweg, Druckstollen, Wasserschlösser, Druckschächte 80 Stollen, Kavernen, Ober- und Unterwasserkanäle, Ausgleichsbecken 80 Absperrorgane (Schützen und Schieber, Drosselklappen und Kugelschieber) 40 Turbinen, Pumpen 40 Hebezeuge und Hilfseinrichtungen 30 Generatoren, Transformatoren 40 Kraftwerksleittechnik 15 Eigenbedarfs- und Notstromanlagen 30 Hochspannungsausrüstung, Schaltanlagen 30 Batterien, Schutzeinrichtungen 20 Hoch- und Mittelspannungsleitungen 50 Schleusen 80 Fischauf- und Abstiegsanlagen 40 Bauten für Transportwege und Erschliessung (Strassen, Brücken, Stützmau- ern, etc.) 60 Seilbahnen 20 Betriebsgebäude 40 Verwaltungsgebäude 50 Energie im Allgemeinen 82 / 104 730.03 Anhang 2.3101 (Art. 69, 74 und 83) Investitionsbeitrag für Biomasseanlagen 1 Anlagendefinition Die Definition der Biomasseanlage richtet sich nach Anhang 1.5 Ziffer 1. 2 Biogasanlagen 2.1 Allgemeine Anforderungen Die allgemeinen Anforderungen richten sich nach Anhang 1.5 Ziffern 2.1.1 und 2.1.2. 2.2 Energetische Mindestanforderungen Der Wärmebedarf der Energieanlage muss mit der Wärme der WKK-Anlage oder durch den Einsatz von erneuerbaren Energien gedeckt werden. 2.3 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort; b. Baubewilligung oder Nachweis der Baureife des Projekts, sofern keine Baubewilligung erforderlich ist; c. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; d. detaillierte Auflistung der Investitionskosten, aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten; e. installierte elektrische Leistung (kWel) vor und nach der Investition; f. Brutto-Elektrizitäts- und Wärmeproduktion (kWh) pro Kalenderjahr vor und nach der Investition; g. Netto-Elektrizitätsproduktion sowie extern genutzte Wärme pro Kalen- derjahr vor und nach der Investition; h. geplantes Inbetriebnahmedatum. 101 Fassung gemäss Ziff. II Abs. 2 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 83 / 104 730.03 2.4 Anlagenbestandteile Die Kosten der folgenden Anlagenbestandteile gelten als anrechenbare Inves- titionskosten: Anlagenbestandteil Nutzungsdauer in Jahren Gebäudeteile Vorgrube, Zwischenlager, Lagerbehälter, Gärrestlager, Fermenter, Gasspeicher, Gebäudeanteil Blockheizkraftwerk (BHKW), Rohrleitungen, betriebseigene Gasleitungen bis 300 m, Isolationen, Armaturen 25 Zerkleinerer, Querstromzerspaner, Siebe, Hygienisierung, Misch- einrichtung, Separation 15 Gasaufbereitung, Wärmeauskopplung, Abgassystem, Druckluftsystem, Lüftungssystem 10 BHKW inkl. Notkühlung, Mikrogasturbine, Druckanpassung, Generator, Transformator, Kondensatsystem, Notfackel 10 Leittechnik (Elektrische Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik, EMSR) 15 3 Holzkraftwerke 3.1 Allgemeine Anforderungen Die allgemeinen Anforderungen richten sich nach Anhang 1.5 Ziffern 2.1.1 und 2.1.2. 3.2 Energetische Mindestanforderungen Ein Investitionsbeitrag wird nur gewährt, wenn die neue Anlage oder die erhebliche Erweiterung die energetischen Mindestanforderungen nach An- hang 1.5 Ziffer 2.2.3 erfüllt. Wenn gleichzeitig mit dem Bau oder der Erwei- terung der Anlage ein Fernwärmenetz oder eine andere Einrichtung für die Nutzung der Wärme errichtet oder erweitert wird, müssen die energetischen Mindestanforderungen im Zeitpunkt der definitiven Festsetzung des Investi- tionsbeitrags nicht erfüllt sein; die energetischen Mindestanforderungen müs- sen aber innerhalb einer angemessenen Frist erfüllt werden. 3.3 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort; b. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; c. detaillierte Auflistung der Investitionskosten aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten; d. installierte elektrische Leistung (kWel) vor und nach der Investition; e. Brutto-Elektrizitäts- und Wärmeproduktion (kWh) pro Kalenderjahr vor und nach der Investition; Energie im Allgemeinen 84 / 104 730.03 f. Netto-Elektrizitätsproduktion sowie extern genutzte Wärme pro Kalen- derjahr vor und nach der Investition; g. geplantes Inbetriebnahmedatum. 3.4 Anlagenbestandteile Die Kosten der folgenden Anlagenbestandteile gelten als anrechenbare Inves- titionskosten: Anlagenbestandteil Nutzungsdauer in Jahren Gebäudeteile, Silo, Krananlagen 25 Feuerung, Brennstofftransport, Entaschung, Luftventilatoren, Luft- kanäle, Rauchgasventilator, Ascheförderung, Strahlungszüge, Kessel- trommel, Verdampfer, Eco, Rauchgasreinigung, Organic Ranking Cycle, Holzvergaseranlage 15 Überhitzer 10 Turbine, Generator, Hydraulikanlage, Transformator, Kühlkreislauf (Turbine, Generator), Speisewasserpumpen, Speisewasserbehälter, Luftkondensator, Rohrleitungen und Armaturen, Druckreduzierstation, Kondensatsystem, Speisewasservorwärmung, Starkstromanschluss 25 Leittechnik (EMSR) 15 4 Kehrichtverbrennungsanlagen 4.1 Energetische Mindestanforderung Ein Investitionsbeitrag wird nur gewährt, wenn die neue Anlage oder die er- hebliche Erweiterung eine energetische Nettoeffizienz (ENE) von mindestens 0,9 und die erhebliche Erneuerung eine ENE von mindestens 0,85 aufweist. 4.2 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort; b. Baubewilligung oder Nachweis der Baureife des Projekts, sofern keine Baubewilligung erforderlich ist; c. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; d. detaillierte Auflistung der Investitionskosten, aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten; e. installierte elektrische Leistung (kWel) vor und nach der Investition; f. Brutto-Elektrizitäts- und Wärmeproduktion (kWh) pro Kalenderjahr vor und nach der Investition; g. Netto-Elektrizitätsproduktion sowie extern genutzte Wärme pro Kalen- derjahr vor und nach der Investition; h. geplantes Inbetriebnahmedatum. Energieförderungsverordnung 85 / 104 730.03 4.3 Anlagenbestandteile Die Kosten der folgenden Anlagenbestandteile gelten als anrechenbare Inves- titionskosten: Anlagenbestandteil Nutzungsdauer in Jahren Strahlungszüge, Kesseltrommel, Verdampfer, Eco, Konvektionsteil 15 Überhitzer 10 Turbine, Generator, Hydraulikanlage, Transformator, Kühlkreislauf (Turbine, Generator), Speisewasserpumpen (2 elektrisch, 1 Dampf), Speisewasserbehälter, Luftkondensator, Ejektoren, Kesselablass- entspanner, Rohrleitungen und Armaturen, Druckreduzierstation, Kondensatsystem und Speisewasservorwärmung, Turbinenhauskran, Starkstromanschluss, Notstromaggregrat 25 Leittechnik (EMSR) 15 5 Schlammverbrennungsanlagen 5.1 Anforderungen an den Schlamm und die Verbrennung Es darf nur entwässerter Schlamm oder biogener Abfall, der mit erneuerbarer Energie getrocknet wurde, eingesetzt werden. Als Zusatzbrennstoffe dürfen nur erneuerbare Energieträger eingesetzt werden. 5.2 Für die energetischen Mindestanforderungen, Inhalt des Gesuchs und Nut- zungsdauertabelle gelten dieselben Anforderungen wie für KVA. 6 Klärgas- und Deponiegasanlagen 6.1 Energetische Mindestanforderungen Der Faulturm muss mit Abwärme geheizt werden. 6.2 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen der berechtigten Person und den Standort; b. Baubewilligung oder Nachweis der Baureife des Projekts, sofern keine Baubewilligung erforderlich ist; c. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; d. detaillierte Auflistung der Investitionskosten, aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten; e. installierte elektrische Leistung (kWel) vor und nach der Investition; f. erwartete Elektrizitätsproduktion pro Kalenderjahr vor und nach der In- vestition; Energie im Allgemeinen 86 / 104 730.03 g. geplantes Inbetriebnahmedatum; h. Einwohnerwerte der Kläranlage. 6.3 Anlagenbestandteile Die Kosten der folgenden Anlagenbestandteile gelten als anrechenbare Inves- titionskosten: Anlagenbestandteil Nutzungsdauer in Jahren Gebäude Gasometer, Gebäudeanteil für BHKW, Gasmessraum, Leitungen 25 BHKW inkl. Notkühlung 10 Gasometer, Armaturen, Kiesfilter, Gasdruckerhöhungsgebläse, Gaskühlung, Gasreinigung, Siloxanentfernung, Notfackel 15 Leittechnik (EMSR) 15 Energieförderungsverordnung 87 / 104 730.03 Anhang 2.4102 (Art. 87d) Investitionsbeitrag für Windenergieanlagen 1 Anlagendefinition Die Definition der Windenergieanlage richtet sich nach Anhang 1.3 Ziffer 1. 2 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere Angaben über den Perimeter des Pro- jekts, den Standort der geplanten Windenergieanlage und den Namen der berechtigten Person; b. Projektbeschrieb mit Zeitplan der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzun- gen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; c. technische Beschreibung der Anlage, insbesondere Angaben zum ge- planten Windenergieanlagentyp und zum geplanten Netzanschluss (Netzbetreiber, Netzebene, Planskizze); d. Ertragsgutachten, das die Anforderungen nach Ziffer 3.3 erfüllt; e. detaillierte Auflistung der Investitionskosten, aufgeteilt in anrechenbare und nicht anrechenbare Kosten. 3 Mindestanforderungen an Windmessungen, Windmessdaten und Ertragsgutachten 3.1 Mindestanforderungen an Windmessungen für den Standort einer neuen An- lage Bei Windmessungen sind mindestens folgende Anforderungen einzuhalten: a. Der Windmessmast ist innerhalb des Parkperimeters zu errichten. b. Die Höhe des Windmessmastes muss mindestens 2/3 der Nabenhöhe der Windenergieanlage oder mindestens 100 m betragen. Ist der Windmess- mast kleiner, so müssen ergänzende LiDAR- oder SODAR-Messungen im Parkperimeter durchgeführt werden. c. Die Messung ist mit Windrichtungssensoren und kalibrierten Windge- schwindigkeitssensoren auf mindestens zwei Höhen vorzunehmen, wo- bei der oberste Messpunkt höchstens 2 m unter der Mastspitze liegen darf. d. Die Windmessung muss während mindestens 12 Monaten ohne Unter- bruch durchgeführt werden. 102 Eingefügt durch Ziff. II Abs. 3 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 88 / 104 730.03 e. Die Windmessdaten müssen über mindestens 80 Prozent der Zeit verfüg- bar sein. 3.2 Mindestanforderungen an Windmessungen von bestehenden Windenergie- anlagen (Betriebsdaten) Bei Windmessdaten von bestehenden Windenergieanlagen sind folgende An- forderungen einzuhalten: a. Die Windenergieanlage muss sich im Parkperimeter befinden. b. Die Windmessdaten müssen auf Nabenhöhe der Windturbine gemessen werden. c. Die Windmessdaten müssen für einen Zeitraum von mindestens 12 Mo- nate ohne Unterbruch vorliegen. d. Die Windmessdaten müssen über mindestens 80 Prozent der Zeit verfüg- bar sein. 3.3 Mindestanforderungen an Ertragsgutachten Ertragsgutachten haben mindestens folgende Informationen zu enthalten: a. Dokumentation der Windmessung oder der Betriebsdaten; b. Anzahl der geplanten Windenergieanlagen sowie deren Dimensionen und Nennleistung; c. Ertragsprognosen für alle geplanten Anlagenstandorte mit dem geeig- netsten Windenergieanlagentyp. Energieförderungsverordnung 89 / 104 730.03 Anhang 2.5103 (Art. 87r und 87t) Investitionsbeiträge für die Prospektion und die Erschliessung eines Geothermiereservoirs 1 Definitionen 1.1 Erkundung Die Erkundung des Untergrunds erfolgt mittels Prospektion und Erschlies- sung und dient dem Nachweis eines Geothermiereservoirs, das genutzt wer- den soll. 1.2 Prospektion Die Prospektion umfasst Untersuchungen, die der Charakterisierung des Un- tergrunds eines vermuteten Geothermiereservoirs und der Bestimmung des obertägigen Standortes sowie des unterirdischen Landepunktes einer Explo- rationsbohrung dienen. 1.3 Erschliessung Die Erschliessung umfasst die Exploration mittels Bohrungen für das Zutage- fördern von Heisswasser sowie für eine allfällige Rückführung des entnom- menen Wassers in das Geothermiereservoir. 2 Anrechenbare Investitionskosten 2.1 Im Rahmen der Prospektion sind insbesondere Kosten anrechenbar für: a. die Akquisition neuer Geodaten im Prospektionsgebiet; b. Arbeiten, die für die Akquisition neuer Geodaten anfallen; c. die Analyse und Interpretation der Geodaten. 2.2 Im Rahmen der Erschliessung sind insbesondere Kosten anrechenbar für: a. die Vorbereitung, die Erstellung und den Abbau des Bohrplatzes; b. Bohrungen einschliesslich Verrohrung, Zementation und Komplettie- rung für die geplanten Produktions-, Injektions- und Horchbohrungen; c. Bohrloch- und Reservoirstimulationen; d. Bohrlochtests; e. Bohrlochmessungen inklusive Instrumentierung; f. Zirkulationstests; g. Analysen vorgefundener Substanzen; h. die geologische Begleitung, Datenanalyse und Interpretation. 103 Eingefügt durch Ziff. II Abs. 3 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 90 / 104 730.03 2.3 Nicht anrechenbar sind die Kosten, die im Rahmen von behördlichen Abläu- fen anfallen. 3 Verfahren für einen Prospektionsbeitrag 3.1 Gesuch Das Gesuch muss Auskunft geben über die technischen, ökonomischen, recht- lichen, sicherheits- und umweltschutzrelevanten sowie die organisatorischen Belange des Projekts, insbesondere über: a. den Stand des heutigen Wissens im Erkundungsgebiet mittels einer Auf- arbeitung aller bestehenden Geodaten, Analysen und Interpretationen; b. die erdwissenschaftlichen Prospektionen, die für die Bestimmung des Standorts und des Landungspunkts der Explorationsbohrung geplant sind, die der Auffindung und Charakterisierung des Geothermie- reservoirs dienen und die darüber informieren, wie hoch die Wahrschein- lichkeit ist, ein solches Reservoir zu finden; c. mögliche Nutzungskonzepte bei erfolgreicher Prospektion sowie vorläu- fige Wirtschaftlichkeitsberechnungen; d. die detaillierten Terminpläne und Kostenschätzungen mit Abweichun- gen von höchstens 20 Prozent; e. die Massnahmen, die geplant sind zur Erfassung von Gefahren und Risi- ken für Gesundheit, Arbeits- und Betriebssicherheit und Umwelt, insbe- sondere Trinkwasserressourcen, und zur Minderung der Risiken auf ein Niveau, das möglichst gering und vernünftigerweise praktikabel ist. 3.2 Prüfung des Gesuchs 3.2.1 Das BFE ernennt eine Vertreterin oder einen Vertreter des Bundesamtes für Landestopografie (swisstopo) insbesondere für die Beurteilung der erdwissen- schaftlichen Projektkomponenten und des Mehrwerts für die Erkundung der Schweiz in das unabhängige Expertengremium. 3.2.2 Das Expertengremium prüft und beurteilt das Gesuch anhand der Auskünfte nach Ziffer 3.1 und insbesondere hinsichtlich: a. der geplanten Prospektionsarbeiten und des Projektmanagements; b. des technischen und qualitativen Standes der geplanten Arbeiten und des Innovationsgehalts; c. der Frage, um wie viel die Prospektionsarbeiten die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Geothermiereservoir mittels einer Explorationsbohrung vorzufinden; d. des Mehrwerts für die Erkundung des Untergrunds der Schweiz nach Geothermiereservoiren; e. des Managements der Risiken für die Gesundheit, die Arbeits- und Be- triebssicherheit und die Umwelt. 3.2.3 Beurteilt das Expertengremium das Projekt positiv, so gibt es dem BFE ins- besondere eine Empfehlung ab über: Energieförderungsverordnung 91 / 104 730.03 a. die zu erwartende Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, ein Geothermie- reservoir vorzufinden; b. die Fristen für die Projektetappen; c. die Höhe des zu gewährenden Prospektionsbeitrags; d. die Einsetzung einer Vertreterin oder eines Vertreters des swisstopo als Projektbegleiterin oder als Projektbegleiter. 3.3 Vertrag Kann der Prospektionsbeitrag gewährt werden, so werden im Vertrag nach Artikel 87t Absatz 1 insbesondere folgende Punkte geregelt: a. die von der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller zu erreichenden Meilensteine und die einzuhaltenden Termine; b. die Informationspflicht der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers ge- genüber dem BFE namentlich bezüglich der Finanzrapporte, der Schluss- abrechnungen und allfälliger Änderungen des Projekts; c. Umfang, Bedingungen und Fälligkeiten des Prospektionsbeitrags; d. die unentgeltliche Übertragung der Anlage auf den Bund und die Einräu- mung eines Kaufrechts am Grundstück zugunsten des Bundes, wenn ein Projekt nicht weiterverfolgt und auch nicht anderweitig genutzt wird; vorbehalten bleiben kantonale Monopole; e. die Offenlegung aller finanzieller Daten, die zur Berechnung allfälliger Verluste oder Gewinne nach den Artikeln 34 und 34a notwendig sind; f. Gründe, die zur Vertragsauflösung führen; g. weitere Auflagen. 3.4 Projektdurchführung und Projektabschluss 3.4.1 Die Projektantin oder der Projektant führt die geplanten Prospektionsarbeiten durch. 3.4.2 Die Projektbegleiterin oder der Projektbegleiter begleitet das Projekt während der Prospektionsarbeiten und evaluiert die Ergebnisse der Arbeiten der Pros- pektion. Sie oder er kann zur Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben das Exper- tengremium beiziehen. Sie oder er erstattet dem BFE und dem Expertengre- mium regelmässig Bericht. 3.4.3 Werden die Meilensteine oder die Termine nach Ziffer 3.3 Buchstabe a nicht eingehalten, so kann das BFE den Vertrag unverzüglich auflösen. 3.4.4 Nach Abschluss der Arbeiten evaluiert das Expertengremium zuhanden des BFE die Ergebnisse der Prospektionsarbeiten und beurteilt die Ergebnisse hin- sichtlich der erwarteten Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, ein vermutetes Ge- othermiereservoir vorzufinden. Energie im Allgemeinen 92 / 104 730.03 4 Verfahren für eine Unterstützung der Erschliessung 4.1 Gesuch Das Gesuch muss Auskunft geben über die technischen, ökonomischen, recht- lichen, sicherheits- und umweltschutzrelevanten sowie organisatorischen Be- lange des Projekts, insbesondere über: a. das detaillierte Bohr-, Komplettierungs-, Mess- und Testprogramm aller geplanten Bohrungen; b. die detaillierten Terminpläne und Kostenschätzungen mit Abweichun- gen von höchstens 20 Prozent; c. die erwarteten Eigenschaften des vermuteten Geothermiereservoirs, ins- besondere die Temperatur im Bohrloch auf Höhe des Reservoirs und die Transporteigenschaften des Reservoirs; d. die geplante Verwendung der Bohrungen und des Geothermiereservoirs, falls die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen; e. die geplanten Massnahmen zur Erfassung der Gefahren und der Risiken für Gesundheit, Arbeits- und Betriebssicherheit und Umwelt, insbeson- dere für Trinkwasserressourcen, und die geplanten Massnahmen für die Minderung dieser Risiken auf ein Niveau, das möglichst gering und ver- nünftigerweise praktikabel ist; f. die Innovationen, die geplant sind, um die Geothermiereservoire in der Schweiz erfolgversprechend und zuverlässig zu erschliessen; g. den Stellenwert der Erschliessungsarbeiten in Bezug auf die Erkundung des Untergrunds der Schweiz nach Geothermiereservoiren; h. die vorgesehene juristische Form sowie den Namen oder die Firma der Betreibergesellschaft; i. die Finanzierung und die Verwaltungskosten der Erschliessungs-, Errich- tungs-, Ausbau-, Betriebs- und Rückbauphasen; j. die Inwertsetzung des Geothermiereservoirs anhand eines Nutzungskon- zepts, die voraussichtlichen Strom- und Wärmeabnehmerinnen und -ab- nehmer sowie deren Einbindung in das Projekt und die erwarteten Min- derungen der CO2-Emissionen. 4.2 Prüfung des Gesuchs 4.2.1 Das BFE ernennt in das unabhängige Expertengremium eine Vertreterin oder einen Vertreter des swisstopo insbesondere für die Beurteilung der erdwissen- schaftlichen Projektkomponenten und des Mehrwerts für die Erkundung der Schweiz. 4.2.2 Das Expertengremium prüft und beurteilt das Gesuch anhand der Auskünfte nach Ziffer 4.1 und insbesondere hinsichtlich: a. der erwarteten Eigenschaften des vermuteten Geothermiereservoirs, ins- besondere der Temperatur im Bohrloch auf Höhe des Reservoirs und der Transporteigenschaften des Reservoirs; b. des technischen und qualitativen Standes der geplanten Arbeiten und des Innovationsgehalts; Energieförderungsverordnung 93 / 104 730.03 c. des Mehrwerts für die Erkundung des Untergrunds der Schweiz nach Geothermiereservoiren; d. des Managements der Risiken für Gesundheit, Arbeits- und Betriebs- sicherheit sowie Umwelt. 4.2.3 Beurteilt das Expertengremium das Gesuch positiv, so gibt es dem BFE ins- besondere eine Empfehlung ab über: a. die erwartete Temperatur des Reservoirs im Bohrloch auf Höhe des Re- servoirs und die Transporteigenschaften des Reservoirs; b. die Fristen für die Projektetappen; c. die Höhe des zu gewährenden Erschliessungsbeitrags; d. die Einsetzung einer unabhängigen Fachperson als Projektbegleiterin o- der Projektbegleiter. 4.3 Vertrag Kann der Erschliessungsbeitrag gewährt werden, so werden im Vertrag nach Artikel 87t Absatz 1 insbesondere folgende Punkte geregelt: a. die von der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller zu erreichenden Meilensteine und die einzuhaltenden Termine; b. die Informationspflicht der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers ge- genüber dem BFE namentlich bezüglich der Finanzrapporte, der Schluss- abrechnungen und allfälliger Änderungen des Projekts; c. Umfang, Bedingungen und Fälligkeiten des Erschliessungsbeitrags; d. die unentgeltliche Übertragung der Anlage auf den Bund und die Einräu- mung eines Kaufrechts am Grundstück zugunsten des Bundes, wenn ein Projekt nicht weiterverfolgt und auch nicht anderweitig genutzt wird; vorbehalten bleiben kantonale Monopole; e. die Offenlegung aller finanziellen Daten, die zur Berechnung allfälliger Verluste oder Gewinne nach den Artikeln 34 und 34a notwendig sind; f. Gründe, die zur Vertragsauflösung führen; g. weitere Auflagen. 4.4 Projektdurchführung und Projektabschluss 4.4.1 Die Projektantin oder der Projektant führt die geplanten Erschliessungsarbei- ten durch. 4.4.2 Die Projektbegleiterin oder der Projektbegleiter begleitet das Projekt während der Erschliessungsarbeiten und evaluiert die Ergebnisse der Erschliessungsar- beiten, insbesondere hinsichtlich Temperatur und Transporteigenschaften des Reservoirs. Sie oder er kann zur Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben das Ex- pertengremium beiziehen. Sie oder er erstattet dem BFE und dem Experten- gremium regelmässig Bericht. 4.4.3 Werden die Meilensteine oder die Termine nach Ziffer 4.3 Buchstabe a nicht eingehalten, so kann das BFE den Vertrag unverzüglich auflösen. 4.4.4 Spätestens sechs Monate nach Abschluss der Erschliessungsarbeiten evaluiert das Expertengremium die Ergebnisse der Erschliessungsarbeiten. Energie im Allgemeinen 94 / 104 730.03 4.4.5 Das BFE teilt der Projektantin oder dem Projektanten das Resultat der Prü- fung, insbesondere dasjenige hinsichtlich des Geothermiereservoirs mit. 5 Zugang zu den und Nutzung der Geodaten 5.1 Die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller stellt dem swisstopo und dem Standortkanton jeweils spätestens sechs Monate nach der Erhebung die jewei- ligen Geodaten nach den technischen Vorgaben des swisstopo unentgeltlich zur Verfügung. 5.2 Die Geodaten dürfen genutzt werden: a. vom swisstopo gemäss den Zielsetzungen des Geoinformationsgesetzes vom 5. Oktober 2007104 und der Landesgeologieverordnung vom 21. Mai 2008105; b. von den Standortkantonen gemäss den jeweiligen kantonalen Regelun- gen. 5.3 swisstopo stellt die primären und die prozessierten primären Geodaten innert 24 Monaten nach Abschluss der Prospektion und innert 12 Monaten nach Ab- schluss der Erschliessung der Öffentlichkeit zur Verfügung. 104 SR 510.62 105 SR 510.624 Energieförderungsverordnung 95 / 104 730.03 Anhang 2.6106 (Art. 87r und 87t) Investitionsbeitrag für Geothermieanlagen 1 Anlagendefinition Die Definition einer Geothermieanlagen richtet sich nach Anhang 1.4 Zif- fer 1. 2 Mindestanforderungen Die Mindestanforderungen richten sich nach Anhang 1.4 Ziffer 3. 3 Inhalt des Gesuchs Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben und Unterlagen zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage; b. Zustimmung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer; c. elektrische und thermische Nennleistung; d. projektierte jährliche Brutto- und Nettoproduktion von Elektrizität und Wärme; e. projektierte Wärmenutzung und Zustimmung der voraussichtlichen Wär- meabnehmerinnen und Wärmeabnehmer; f. Rückkühlmedium; g. Anlagenplan; h. Monitoring und Reporting-Plan, insbesondere betreffend Seismizität, Reservoirzustand und Produktivität; i. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Investitionsbeitrags erfüllt werden; j. detaillierte Terminpläne und Kostenschätzungen mit Abweichungen von höchstens 20 Prozent. 106 Eingefügt durch Ziff. II Abs. 3 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energie im Allgemeinen 96 / 104 730.03 Anhang 3107 (Art. 90) Bestimmung des durchschnittlichen Kapitalkostensatzes 1 Kalkulatorischer Zinssatz Der kalkulatorische Zinssatz entspricht dem durchschnittlichen Kapitalkos- tensatz. Die Berechnung und die Bekanntgabe richten sich unter Vorbehalt der in Ziffer 3 genannten Abweichungen nach Artikel 13 Absätze 3 Buch- stabe b und 3bis in Verbindung mit Anhang 1 der Stromversorgungsverord- nung vom 14. März 2008108 (StromVV). 1a Abweichung von Ziffer 1.1 Anhang 1 StromVV Der Eigenkapitalkostensatz und der Fremdkapitalkostensatz werden je mit 50 Prozent gewichtet. 2 Abweichung von Ziffer 2.4 Anhang 1 StromVV Die Festlegung erfolgt jeweils bis Ende März und gilt: a. bei den Investitionsbeiträgen für das laufende Jahr; b. bei der Marktprämie für das Vorjahr. 3 Abweichungen von Ziffer 5 Anhang 1 StromVV 3.1 Der Leveragefaktor ergibt sich aus dem Eigenkapitalanteil von 50 Prozent be- ziehungsweise dem Fremdkapitalanteil von 50 Prozent am Gesamtkapital. 3.2 Das unlevered Beta wird mit Hilfe einer Peer Group aus vergleichbaren euro- päischen Energieversorgungsunternehmen ermittelt. Die Beta-Werte der Peer-Group-Unternehmen werden auf wöchentlicher Basis über einen Zeit- raum von zwei Jahren ermittelt. Die Peer Group wird jährlich überprüft und wenn möglich verbessert. Kann bei gewissen Technologien aufgrund der Ka- pitalmarktdaten keine Peer Group gebildet werden, so wird das Beta über eine Umfrage bei mehreren Fachexperten und Fachexpertinnen zur Einschätzung der relativen Risiken von Investitionen in diese Technologie festgelegt. 3.3 Für das unlevered Beta gelten die folgenden pauschalen Werte: a. unter 0,25 0,2 b. von 0,25 bis unter 0,35 0,3 c. von 0,35 bis unter 0,45 0,4 d. von 0,45 bis unter 0,55 0,5 e. von 0,55 bis unter 0,65 0,6 f. von 0,65 bis unter 0,75 0,7 107 Bereinigt gemäss Ziff. II Abs. 1 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 108 SR 734.71 https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2017/766/de#annex_3/lvl_d4e222/lvl_1 Energieförderungsverordnung 97 / 104 730.03 g. von 0,75 bis unter 0,85 0,8 h. 0,85 oder mehr 0,9 3.4 Die Grenzwerte, deren Über- oder Unterschreitung zu berücksichtigen ist, lie- gen bei 0,25, 0,35, 0,45, 0,55, 0,65, 0,75 und 0,85. 4 Abweichungen von Ziffer 7 Anhang 1 StromVV 4.1 Für die Summe aus Bonitätszuschlag inklusive Emissions- und Beschaffungs- kosten gelten die folgenden pauschalen Werte: a. unter 0,625 Prozent: 0,50 Prozent b. von 0,625 bis unter 0,875 Prozent 0,75 Prozent c. von 0,875 bis unter 1,125 Prozent 1,00 Prozent d. von 1,125 bis unter 1,375 Prozent 1,25 Prozent e. von 1,375 bis unter 1,625 Prozent 1,50 Prozent f. von 1,625 bis unter 1,875 Prozent 1,75 Prozent g. von 1,875 bis unter 2,125 Prozent 2,00 Prozent h. von 2,125 bis unter 2,375 Prozent 2,25 Prozent i. von 2,375 bis unter 2,625 Prozent 2,50 Prozent j. 2.625 Prozent oder mehr 2,75 Prozent 4.2 Die Grenzwerte, deren Über- oder Unterschreitung zu berücksichtigen ist, lie- gen bei 0,625, 0,875, 1,125, 1,375, 1,625, 1,875, 2,125, 2,375 und 2,625 Pro- zent. Energie im Allgemeinen 98 / 104 730.03 Anhang 4109 (Art. 63, 83, 87m, 87zter) Berechnung der ungedeckten Kosten 1 Allgemeine Berechnungsgrundlagen 1.1 Grundsätze 1.1.1 Die ungedeckten Kosten gemäss Artikel 29 Absatz 3 Buchstabe bbis EnG ent- sprechen dem Nettobarwert aller anrechenbaren Geldabflüsse und aller anzu- rechnenden Geldzuflüsse. 1.1.2 Die anrechenbaren Geldabflüsse und anzurechnenden Geldzuflüsse sind mit dem kalkulatorischen Zinssatz gemäss Anhang 3 zu diskontieren. 1.2. Anrechenbare Geldabflüsse 1.2.1 Die anrechenbaren Geldabflüsse setzen sich zusammen aus: a. den anrechenbaren Investitionskosten; b. den Kosten für den Anlagenbetrieb und den Unterhalt sowie den übrigen Betriebskosten (jährlich maximal 2 Prozent der anrechenbaren Investiti- onskosten); c. den Ersatzinvestitionen. 1.2.2 Die anrechenbaren Geldabflüsse sind über die verbleibende Nutzungsdauer des langlebigsten Anlagenbestandteils zu berücksichtigen. 1.3 Anzurechnende Geldzuflüsse Als anzurechnende Geldzuflüsse gelten sämtliche Geldzuflüsse, die aufgrund der Investition erzielt werden können. 2 Berechnung bei Wasserkraftanlagen 2.1 Bei Wasserkraftanlagen sind zusätzlich zu Ziffer 1.2 folgende Geldabflüsse anrechenbar: a. Kosten für die Energie, die allfällige Zubringerpumpen benötigen, zu Marktpreisen; b. Kosten für den Einstauersatz; c. Wasserzinsen; d. direkte Steuern. 2.2 Benötigt eine Wasserkraftanlage eine Konzession, so sind die anrechenbaren Geldabflüsse in Abweichung von Ziffer 1.2.2 über die verbleibende Konzes- sionsdauer zu berücksichtigen. 109 Eingefügt durch Ziff. II Abs. 3 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). Energieförderungsverordnung 99 / 104 730.03 2.3 Die anzurechnenden Geldzuflüsse berechnen sich gestützt auf ein wirtschaft- lich optimiertes stündliches Profil oder gestützt auf Standardproduktionspro- file für die Nettoproduktion über die verbleibende Konzessionsdauer. 2.4 Investitionen werden über ihre Nutzungsdauer linear abgeschrieben, und all- fällige Restwerte werden am Ende der Konzessionsdauer als Geldzuflüsse be- rücksichtigt. Energie im Allgemeinen 100 / 104 730.03 Anhang 5110 (Art. 96b, 96e und 96h) Betriebskostenbeitrag für Biomasseanlagen 1 Anlagendefinition Die Definition der Biomasseanlage richtet sich nach Anhang 1.5 Ziffer 1. 2 Mindestanforderungen Die Mindestanforderungen richten sich nach Anhang 1.5 Ziffer 2. 3 Beitragssatz 3.1 Berechnung des Beitragssatzes 3.1.1 Der Beitragssatz setzt sich aus einem Grundbeitrag und, sofern die Vorausset- zungen erfüllt sind, aus einem Bonus nach Ziffer 3.3, 3.4 oder 3.5 zusammen. Der Beitragssatz wird jährlich neu berechnet. 3.1.2 Für die Berechnung der Sätze für den Grundbeitrag und die Boni ist die äqui- valente Leistung der Anlage massgebend. Diese entspricht dem Quotienten aus der Nettoproduktion in kWh und der Stundensumme des jeweiligen Ka- lenderjahres. Für das Jahr, in dem die Anlage in Betrieb genommen oder still- gelegt wird, werden bei der Bestimmung der äquivalenten Leistung die vollen Stunden vor der Inbetriebnahme oder nach der Stilllegung der Anlage abge- zogen. 3.1.3 Die Sätze des Grundbeitrags und der Boni werden anteilsmässig nach den Leistungsklassen gemäss den Ziffern 3.2–3.5 berechnet. 3.1.4 Werden in einem Holzkraftwerk auch problematische Holzabfälle verwendet, die gemäss Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung vom 22. Juni 2005111 über den Verkehr mit Abfällen als Sonderabfälle bezeichnet sind, so wird der Anteil der Elektrizität, der aufgrund der Verwendung dieser proble- matischen Holzabfälle erzielt wurde, mit dem halben Beitragssatz vergütet. Der Anteil berechnet sich aufgrund der verwendeten Energieinhalte. 110 Eingefügt durch Ziff. II Abs. 3 der V vom 23. Nov. 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 771). 111 SR 814.610 Energieförderungsverordnung 101 / 104 730.03 3.2 Grundbeitragssatz Der Satz für den Grundbeitrag beträgt je Leistungsklasse: Leistungsklasse Grundbeitrag (Rp./kWh) ≤ 50 kW 13 ≤100 kW 12 ≤500 kW 11 ≤ 5 MW 10 > 5 MW 8 3.3 Bonus für Holzkraftwerke 3.3.1 Der Bonus für Holzkraftwerke wird gewährt, wenn in einer Anlage Holz als einziger Energieträger eingesetzt wird. 3.3.2 Der Satz für den Bonus für Holzkraftwerke beträgt je Leistungsklasse: Leistungsklasse Holzbonus (Rp./kWh) ≤ 50 kW 3 ≤100 kW 2 ≤500 kW 2 ≤ 5 MW 1 > 5 MW 1 3.4 Bonus für landwirtschaftliche Biomasse mit maximal 20 Prozent Co-Substra- ten 3.4.1 Der Bonus für landwirtschaftliche Biomasse mit maximal 20 Prozent Co- Substraten wird gewährt, wenn: a. Hofdünger, insbesondere Gülle und Mist aus der Tierhaltung, oder Hof- dünger zusammen mit Ernterückständen, Reststoffen aus der landwirt- schaftlichen Produktion oder deklassierten landwirtschaftlichen Produk- ten eingesetzt werden; b. der Anteil nicht landwirtschaftlicher Co-Substrate ≤ 20 Prozent, bezogen auf Frischmasse, beträgt; und c. keine Energiepflanzen eingesetzt werden. 3.4.2 Organische Hilfsstoffe, die zur Behebung von Prozessstörungen eingesetzt werden, werden bis zu einem Anteil von 0,2 Prozent der gesamten eingesetz- ten Frischmasse pro Jahr nicht als nicht landwirtschaftliche Co-Substrate an- gerechnet. Ihr Einsatz muss dokumentiert und begründet werden. Energie im Allgemeinen 102 / 104 730.03 3.4.3 Der Satz für den Bonus für landwirtschaftliche Biomasse mit maximal 20 Pro- zent Co-Substraten beträgt je Leistungsklasse: Leistungsklasse Bonus max. 20 Prozent Co-Substrate (Rp./kWh) ≤ 50 kW 8 ≤100 kW 7 ≤500 kW 6 ≤ 5 MW 2 > 5 MW 0 3.5 Bonus für landwirtschaftliche Biomasse ohne Co-Substrate 3.5.1 Der Bonus für landwirtschaftliche Biomasse ohne Co-Substrate wird gewährt, wenn: a. Hofdünger, insbesondere Gülle und Mist aus der Tierhaltung, oder Hof- dünger zusammen mit Ernterückständen, Reststoffen aus der landwirt- schaftlichen Produktion oder deklassierten landwirtschaftlichen Produk- ten eingesetzt werden; und b. keine nicht landwirtschaftlichen Co-Substrate und Energiepflanzen ein- gesetzt werden. 3.5.2 Organische Hilfsstoffe, die zur Behebung von Prozessstörungen eingesetzt werden, dürfen bis zu einem Anteil von 0,2 Prozent der gesamten eingesetzten Frischmasse pro Jahr verwendet werden. Ihr Einsatz muss dokumentiert und begründet werden. 3.5.3 Der Satz für den Bonus für landwirtschaftliche Biomasse ohne Co-Substrate beträgt je Leistungsklasse: Leistungsklasse Bonus 0 Prozent Co-Substrate (Rp./kWh) ≤ 50 kW 16 ≤100 kW 16 ≤500 kW 8 ≤ 5 MW 0 > 5 MW 0 4 Teilzahlungen und Abrechnung Die Vergütung wird per Ende des Kalenderjahres aufgrund des Vergütungs- satzes für das betreffende Jahr und der erfassten Elektrizität abgerechnet. Vor- herige Teilzahlungen werden aufgrund des Beitragssatzes des Vorjahres ge- leistet, bei Anlagen, die noch nicht ein volles Kalenderjahr in Betrieb sind, aufgrund der Planungswerte nach Ziffer 5.1. Energieförderungsverordnung 103 / 104 730.03 5 Gesuchsverfahren 5.1 Gesuch Das Gesuch hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Angaben zur Anlage, insbesondere den Namen des Betreibers und den Standort der Anlage; b. Projektbeschrieb, der aufzeigt, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt werden; c. Nennleistung elektrisch und thermisch; d. erwartete Brutto-Elektrizitäts- und Wärmeproduktion (kWh), erwartete Netto-Elektrizitätsproduktion und erwartete extern genutzte Wärme (kWh) pro Kalenderjahr; e. Art und Menge der energetisch eingesetzten Biomassen; f. Art, Menge und durchschnittlicher unterer Heizwert des Zwischenpro- duktes; g. Inbetriebnahmemeldung oder Nachweis der Baureife und geplantes In- betriebnahmedatum; h. Angabe über laufende oder frühere Förderungen gemäss EnFV. 5.2 Inbetriebnahmemeldung Die Inbetriebnahmemeldung hat mindestens folgende Angaben zu enthalten: a. Inbetriebnahmedatum; b. allfällige Änderungen gegenüber Ziffer 5.1, sofern die Anlage bei Ge- suchseinreichung noch nicht in Betrieb war; c. Abnahmeprotokoll mit detaillierter Beschreibung oder Sicherheitsnach- weis nach Artikel 37 NIV112 inklusive Mess- und Prüfprotokollen; d. Beglaubigung der Anlagedaten gemäss Artikel 2 Absatz 2 HKSV113. 112 SR 734.27 113 SR 730.010.1 Energie im Allgemeinen 104 / 104 730.03 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Gegenstand Art. 2 Begriffe Art. 3 Neuanlagen Art. 4 Anlagenleistung Art. 5 Meldepflicht bei Änderung der berechtigten Person Art. 6 Kategorien von Photovoltaikanlagen Art. 7 Grosse und kleine Photovoltaikanlagen Art. 8 Wahlrecht bei Photovoltaikanlagen Art. 9 Ausnahmen von der Untergrenze bei Wasserkraftanlagen Art. 10 Eigenverbrauch 2. Kapitel: Einspeisevergütungssystem 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 11 Allgemeine Anforderungen Art. 12 Herkunftsnachweis und ökologischer Mehrwert Art. 13 Teilnahme von Photovoltaikanlagen 2. Abschnitt: Direktvermarktung und Einspeisung zum Referenz-Marktpreis Art. 14 Direktvermarktung Art. 15 Referenz-Marktpreis Art. 16 Vergütungssätze und deren Anpassung Art. 17 Vergütungsdauer und Mindestanforderungen 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 18 Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 19 Warteliste Art. 20 Abbau der Warteliste 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 21 Gesuch Art. 22 Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 23 Projektfortschritte, Inbetriebnahme und Meldepflichten Art. 24 Entscheid 5. Abschnitt: Laufender Betrieb, Ausschluss und Austritt Art. 25 Auszahlung der Vergütung Art. 26 Bewirtschaftungsentgelt Art. 27 Pflichten der Bilanzgruppe für erneuerbare Energien und der Netzbetreiber Art. 28 Nachträgliche Erweiterungen oder Erneuerungen Art. 29 Folgen des Nichteinhaltens von Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen Art. 30 Ausschluss und Austritt aus dem Einspeisevergütungssystem 3. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen zur Einmalvergütung und zu den Investitionsbeiträgen Art. 31 Ausschluss des Investitionsbeitrags Art. 32 Bewilligung des früheren Baubeginns Art. 33 Anforderungen an den Betrieb und die Betriebstüchtigkeit der Anlage Art. 34 Rückforderung der Einmalvergütung und der Investitionsbeiträge Art. 34a Rückforderung der Investitionsbeiträge für Prospektions- oder Erschliessungsprojekte von Geothermiereservoiren Art. 35 Karenzfrist 4. Kapitel: Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 36 Mindestgrösse für die Ausrichtung einer Einmalvergütung Art. 37 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung einer Anlage Art. 38 Berechnung der Einmalvergütung und Ansätze Art. 38a Festsetzung der Einmalvergütung durch Auktionen 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 39 Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 40 Warteliste 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren für kleine Photovoltaikanlagen Art. 41 Gesuch Art. 42 Festsetzung der Einmalvergütung 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren für grosse Photovoltaikanlagen Art. 43 Gesuch Art. 44 Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 45 Inbetriebnahmefrist und Inbetriebnahmemeldung Art. 46 Entscheid 5. Abschnitt: Auktionen für die Einmalvergütung Art. 46a Zuständigkeiten Art. 46b Teilnahmevoraussetzungen Art. 46c Auktionsverfahren Art. 46d Inbetriebnahmefrist und Inbetriebnahmemeldung Art. 46e Definitive Höhe der Einmalvergütung Art. 46f Widerruf des Zuschlags und Sanktion Art. 46g Auszahlung der Einmalvergütung und Rückzahlung der Sicherheitsleistung Art. 46h Publikation zu den Auktionen 5. Kapitel: Investitionsbeitrag für Wasserkraftanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 47 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung Art. 48 Ansätze 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von höchstens 10 MW und Warteliste Art. 49 Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 50 Warteliste 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW Art. 51 Zur Verfügung stehende Mittel Art. 52 Reihenfolge der Berücksichtigung 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 53 Gesuch Art. 54 Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 55 Inbetriebnahmemeldung Art. 56 Bauabschlussmeldung Art. 57 Erstrecken von Fristen Art. 58 Meldung der Nettoproduktion Art. 59 Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Art. 60 Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 5. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 61 Anrechenbare Investitionskosten Art. 62 Nicht anrechenbare Kosten Art. 63 Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall Art. 64–66 6. Kapitel: Investitionsbeitrag für Biomasseanlagen 1. Abschnitt: Anspruchsvoraussetzungen Art. 67 Kategorien Art. 68 Erheblichkeit der Erweiterung oder Erneuerung Art. 69 Energetische Mindestanforderungen 2. Abschnitt: Investitionsbeitrag Art. 70 Ansätze Art. 71 Höchstbeitrag 3. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 72 Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 73 Warteliste 4. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 74 Gesuch Art. 75 Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 76 Inbetriebnahmemeldung Art. 77 Bauabschlussmeldung Art. 78 Erstrecken von Fristen Art. 79 Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Art. 80 Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 5. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 81 Anrechenbare Investitionskosten Art. 82 Nicht anrechenbare Kosten Art. 83 Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall Art. 84–87 6a. Kapitel: Investitionsbeitrag für Windenergieanlagen 1. Abschnitt: Ansatz Art. 87a 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 87b Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 87c Warteliste 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 87d Gesuch Art. 87e Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 87f Inbetriebnahmemeldung Art. 87g Bauabschlussmeldung Art. 87h Erstrecken von Fristen Art. 87i Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags Art. 87j Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 4. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 87k Anrechenbare Investitionskosten Art. 87l Nicht anrechenbare Kosten Art. 87m Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 6b. Kapitel: Investitionsbeiträge für die Prospektion und die Erschliessung von Geothermiereservoiren und für neue Geothermieanlagen 1. Abschnitt: Anspruchsvoraussetzungen und Ansätze Art. 87n Anspruchsvoraussetzungen Art. 87o Ansätze 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 87p Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 87q Warteliste 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 87r Gesuch Art. 87s Expertengremium für Prospektions- und Erschliessungsprojekte Art. 87t Vertrag und Zusicherung dem Grundsatz nach Art. 87u Abschlussbericht bei Prospektion oder Erschliessung Art. 87v Inbetriebnahmemeldung für Geothermieanlagen Art. 87w Bauabschlussmeldung bei Geothermieanlagen Art. 87x Erstrecken von Fristen Art. 87y Definitive Festsetzung des Investitionsbeitrags für Geothermieanlagen Art. 87z Gestaffelte Auszahlung des Investitionsbeitrags 4. Abschnitt: Bemessungskriterien Art. 87zbis Anrechenbare Investitionskosten Art. 87zter Berechnung der ungedeckten Kosten und des Investitionsbeitrags im Einzelfall 7. Kapitel: Marktprämie für Elektrizität aus Grosswasserkraftanlagen 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 88 Einzelheiten zur Anspruchsberechtigung Art. 89 Markterlös Art. 90 Gestehungs- und andere Kosten 2. Abschnitt: Marktprämie und Grundversorgung Art. 91 Grundversorgungsabzug Art. 92 Portfolioaufteilung zwischen Marktprämie und Grundversorgung Art. 93 Unternehmensbetrachtung beim Elektrizitätsversorgungsunternehmen 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren und Rückforderung Art. 94 Gesuch Art. 95 Verfahren beim BFE und Beizug der Elektrizitätskommission Art. 96 Rückforderung 7a. Kapitel: Betriebskostenbeitrag für Biomasseanlagen 1. Abschnitt: Ausschlussgrund und Beitragssätze Art. 96a Ausschlussgrund Art. 96b Beitragssätze 2. Abschnitt: Reihenfolge der Berücksichtigung und Warteliste Art. 96c Reihenfolge der Berücksichtigung Art. 96d Warteliste 3. Abschnitt: Gesuchsverfahren Art. 96e Gesuch Art. 96f Verfügung 4. Abschnitt: Laufender Betrieb, Ausschluss und Verzicht Art. 96g Auszahlung des Betriebskostenbeitrags Art. 96h Mindestanforderungen Art. 96i Nichteinhalten von Anspruchsvoraussetzungen oder Mindestanforderungen Art. 96j Ausschluss, Verzicht und neues Gesuch 8. Kapitel: Auswertung, Publikation, Auskünfte, Weitergabe von Daten an das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) , Kontrolle und Massnahmen Art. 97 Auswertung Art. 98 Publikation Art. 99 Auskünfte Art. 100 Weitergabe von Daten an das BAZG Art. 101 Kontrolle und Massnahmen 9. Kapitel: Schlussbestimmungen Art. 102 Übergangbestimmung zum Ende der Vergütungsdauer nach bisherigem Recht Art. 103 Übergangsbestimmung zum Abbau der Warteliste für die übrigen Erzeugungstechnologien Art. 104 Übergangsbestimmungen zu Photovoltaikanlagen Art. 105 Übergangsbestimmungen zur Direktvermarktung und Einspeisung zum Referenz-Marktpreis Art. 106 Übergangsbestimmung zur nachträglichen Erweiterung oder Erneuerung von Kleinwasserkraft- und Biomasseanlagen Art. 107 Übergangsbestimmung zur Reihenfolge der Berücksichtigung und zur Warteliste bei Investitionsbeiträgen Art. 108 Art. 108a Übergangsbestimmung zur Änderung vom 24. November 2021 Art. 109 Inkrafttreten Anhang 1.1 Wasserkraftanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 2 Vergütungssatz 3 Vergütungssatzberechnung bei nachträglicher Erweiterung oder Erneuerung 4 Vergütungsdauer 5 Gesuchsverfahren 6 Übergangsbestimmungen Anhang 1.2 Photovoltaikanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 2 Vergütungssatz 3 Vergütungsdauer 4 Gesuchsverfahren 5 Übergangsbestimmungen für Anlagen, die vor dem 1. Januar 2013 in Betrieb genommen wurden 6 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 23. November 2022 Anhang 1.3 Windenergieanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 2 Kategorien 3 Vergütungssatz 4 Vergütungsdauer 5 Gesuchsverfahren 6 Übergangsbestimmungen Anhang 1.4 Geothermieanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 2 Kategorien 3 Mindestanforderungen 4 Vergütungssatz 5 Vergütungsdauer 6 Gesuchsverfahren 7 Übergangsbestimmungen Anhang 1.5 Biomasseanlagen im Einspeisevergütungssystem 1 Anlagendefinition 2 Mindestanforderungen 3 Vergütungssatz 4 Vergütungssatz und Mindestanforderungen bei Verstromung von biogenem Gas aus dem Erdgasnetz 5 Vergütungssatzberechnung bei nachträglicher Erweiterung oder Erneuerung 6 Teilzahlungen und Abrechnung 7 Vergütungsdauer 8 Gesuchsverfahren 9 Übergangsbestimmungen Anhang 2.1 Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen 1 Anlagendefinition 2 Ansätze für die Einmalvergütung 3 Gesuch für kleine Anlagen 4 Gesuch und Inbetriebnahmemeldung für grosse Anlagen Anhang 2.2 Investitionsbeitrag für Wasserkraftanlagen 1 Anlagendefinition 2 Inhalt des Gesuchs 3 Nutzungsdauertabelle Anhang 2.3 Investitionsbeitrag für Biomasseanlagen 1 Anlagendefinition 2 Biogasanlagen 3 Holzkraftwerke 4 Kehrichtverbrennungsanlagen 5 Schlammverbrennungsanlagen 6 Klärgas- und Deponiegasanlagen Anhang 2.4 Investitionsbeitrag für Windenergieanlagen 1 Anlagendefinition 2 Inhalt des Gesuchs 3 Mindestanforderungen an Windmessungen, Windmessdaten und Ertragsgutachten Anhang 2.5 Investitionsbeiträge für die Prospektion und die Erschliessung eines Geothermiereservoirs 1 Definitionen 2 Anrechenbare Investitionskosten 3 Verfahren für einen Prospektionsbeitrag 4 Verfahren für eine Unterstützung der Erschliessung 5 Zugang zu den und Nutzung der Geodaten Anhang 2.6 Investitionsbeitrag für Geothermieanlagen 1 Anlagendefinition 2 Mindestanforderungen 3 Inhalt des Gesuchs Anhang 3 Bestimmung des durchschnittlichen Kapitalkostensatzes 1 Kalkulatorischer Zinssatz 1a Abweichung von Ziffer 1.1 Anhang 1 StromVV 2 Abweichung von Ziffer 2.4 Anhang 1 StromVV 3 Abweichungen von Ziffer 5 Anhang 1 StromVV 4 Abweichungen von Ziffer 7 Anhang 1 StromVV Anhang 4 Berechnung der ungedeckten Kosten 1 Allgemeine Berechnungsgrundlagen 2 Berechnung bei Wasserkraftanlagen Anhang 5 Betriebskostenbeitrag für Biomasseanlagen 1 Anlagendefinition 2 Mindestanforderungen 3 Beitragssatz 4 Teilzahlungen und Abrechnung 5 Gesuchsverfahren
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Sachverhalt ab Seite 319 BGE 120 IV 319 S. 319 Am 12. März 1993, ab ca. 02.00 Uhr, besprayte B. die Front einer öffentlichen WC-Anlage am Römerhof in Zürich mit einem Muster aus grauen Steinen. Das Gebäude wies an derselben Stelle bereits eine Bemalung auf, die früher von Unbekannten angebracht worden war. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich bestrafte B. am 24. November 1993 wegen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 145 Abs. 1 StGB mit einem Monat Gefängnis, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von BGE 120 IV 319 S. 320 drei Jahren, und einer Busse von Fr. 1'000.--. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach ihn am 15. März 1994 frei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Art. 145 Abs. 1 StGB aufzuheben und die Sache zur Schuldigsprechung und Bestrafung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner in der fraglichen Nacht die Front der WC-Anlage mit einem Muster aus grauen Steinen besprayt hat. Ebenfalls steht fest, dass die Fassade bereits an derselben Stelle eine Bemalung aufwies, die von Unbekannten angebracht worden war. Die Vorinstanz warf die Frage auf, ob eine durch Farbanstrich in ihrer Ansehnlichkeit bereits beeinträchtigte Fassade in dieser Hinsicht weitere Beeinträchtigungen erfahren könne. Sie ging davon aus, die tangierte Fassadenseite sei mit Ausnahme eines kleinen - im Gesamtbild unbedeutenden - Teils an ihrem Sockel vollständig mit Farben aus einer Spraydose bedeckt gewesen, bevor der Beschwerdegegner "seine Steine" angebracht habe. Eine im ganzen Umfang in ihrer Ansehnlichkeit beeinträchtigte Mauer könne aber nicht weiter beschädigt werden, soweit der neue Eingriff nur die Beeinträchtigung der Ansehnlichkeit betreffe und nicht einen zusätzlichen materiellen Schaden - etwa durch einen Mehraufwand bei der Entfernung - hervorrufe. Die erneute Beeinträchtigung im Aussehen falle nicht in Betracht, "so wie der unheilbar zerbrochene Krug im strafrechtlichen Sinn nicht weiter zerstört werden, das Versehen der schon vollständig eingedrückten Autotüre mit weiteren Beulen nicht mehr von Bedeutung sein" könne (Entscheid und abweichende Minderheitsmeinung veröffentlicht in SJZ 1994/90 S. 272 f. Nr. 34). Demgegenüber weist die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die abweichende Minderheitsmeinung bei der Vorinstanz darauf hin, bei einer besprayten Wand liege kein Totalschaden und keine totale "Betriebsunfähigmachung" vor. Vielmehr sei die Ansehnlichkeit einer Wand eine Qualifikation, die verschiedene Abstufungen zulasse, weshalb es durchaus möglich sei, dass die zweite Besprayung eine Wand noch "unschöner" mache, wie dies im vorliegenden Fall durch das Aufzeichnen von grauen BGE 120 IV 319 S. 321 Steinen auf eine vorbestehende, in sich geschlossene Bemalung geschehen sei. Dazu komme, dass der Beschwerdegegner nicht nur die bereits vorhandenen Graffitis übersprayt, sondern eine weitere, bis dahin unversprayte Fläche der Wand bemalt habe; wenn heute nur die vom Beschwerdegegner im unteren Bereich der Wand aufgesprayten Steine zur Diskussion stünden, d.h. die übrige Fassade unbemalt wäre, liesse sich von vornherein nicht behaupten, es liege keine Sachbeschädigung vor. Der Beschwerdegegner macht dagegen unter anderem geltend, unter dem Aspekt gesellschaftlicher Relevanz erscheine es als "verheerend", wenn jeder Spray, der auf einen schon bestehenden angebracht werde, die "ganze Repressionsmaschinerie des Staates" in Bewegung setze. 2. a) Der Tatbestand der Sachbeschädigung gemäss Art. 145 StGB dient dem Schutz des Berechtigten vor jeder Beeinträchtigung seiner Sache. Nach der Rechtsprechung erfüllt das Bemalen oder Besprayen einer Wand grundsätzlich den Tatbestand (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 20. November 1981 in Sachen N.). Dasselbe gilt, wenn auf einer bereits teilweise besprayten Wand an anderer Stelle weitere Graffitis angebracht werden (vgl. zur Tathandlung allgemein MARCEL A. NIGGLI, Das Verhältnis von Eigentum, Vermögen und Schaden nach schweizerischem Strafgesetz, Diss. Zürich 1992, N. 451 ff.). b) Es stellt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn eine bereits bestehende Bemalung übersprayt wird. Es dürfte unbestritten sein, dass in einem solchen Fall ebenfalls eine Sachbeschädigung vorliegt, wenn die erste Bemalung auf Veranlassung des Berechtigten angebracht worden ist. Auch in einem solchen Fall hat der Berechtigte einen Anspruch auf Schutz vor unbefugter Beeinträchtigung der Sache, die gerade durch ihre von ihm gewünschte Ausgestaltung auf den Betrachter wirken soll. c) Im vorliegenden Fall hat nun aber kein vom Berechtigten Beauftragter, sondern ein Unbekannter das erste Bild aufgetragen. Auch in einem solchen Fall ist von einer Sachbeschädigung auszugehen, wenn die zweite Bemalung dem Willen des Berechtigten zuwiderläuft. Nach diesem richtet es sich nicht nur, wie seine Sache aussehen soll, sondern auch, ob er eine unbefugte Veränderung der Sache akzeptieren will. Folglich ist der objektive Tatbestand der Sachbeschädigung grundsätzlich erfüllt, wenn die Sache ohne das Einverständnis des Berechtigten verändert wird. BGE 120 IV 319 S. 322 In der deutschen Rechtsprechung wird für Fälle der vorliegenden Art die Ansicht vertreten, es wäre spitzfindig, wenn nur der erste Täter bestraft würde, zumal das weitere Beschriften in der Regel eine noch stärkere Verunstaltung darstelle (Hinweise bei MICHAEL J. SCHMID, Sachbeschädigung durch Ankleben von Plakaten?, NJW 1979 S. 1582 Ziff. 4). Auch STREE (SCHÖNKE/SCHRÖDER-STREE, Strafgesetzbuch, Kommentar, 24. Aufl., § 303 N. 8c) geht davon aus, eine erneute Zustandsveränderung könne den Eigentümerinteressen zuwiderlaufen und somit Sachbeschädigung sein; als Beispiel nennt er das zusätzliche Bekritzeln einer (bereits bekritzelten) Zellenwand (vgl. einschränkend OLG Frankfurt in MDR 1979 S. 693 Nr. 99). Das geschädigte Bauamt der Stadt Zürich hat ausdrücklich gegen den Beschwerdegegner Strafantrag wegen Sachbeschädigung gestellt. Die von ihm bewirkte, mehr als nur geringfügige Verunstaltung lief also den Interessen des Amtes zuwider. Der Beschwerdegegner hat denn auch nie geltend gemacht, er sei irrtümlich davon ausgegangen, ein Einverständnis zu seinem Tun liege vor. Danach hat er den Tatbestand der Sachbeschädigung also erfüllt. d) Gegen eine rein subjektive Betrachtungsweise wird eingewandt, die Vorstellungen des Betroffenen seien individuell verschieden und die Tatbestandsverwirklichung dürfe nicht vom Zufall abhängen. MAIWALD (Unbefugtes Plakatieren ohne Substanzverletzung keine Sachbeschädigung?, JZ 1980 S. 259 mit Hinweis auf SCHROEDER) verlangt deshalb einschränkend, dass eine Sachbeschädigung dann entfalle, wenn keinerlei vernünftiges Interesse des Eigentümers an der Beibehaltung des vorherigen Zustandes ersichtlich sei, so dass sein Beharren auf dem Sosein seiner Sache als reine "Marotte" erscheine. Es wird auch angenommen, abzustellen sei darauf, ob ein "vernünftiger Eigentümer" die Einwirkung als Nachteil ansehen würde (so SCHMID, a.a.O. S. 1581). Es kann offenbleiben, ob diese Einschränkung berechtigt ist, denn für den vorliegenden Fall lässt sich von vornherein nicht behaupten, dass das geschädigte Bauamt der Stadt Zürich aus einer reinen "Marotte" heraus oder gar in rechtsmissbräuchlicher Weise Strafantrag gestellt hätte, zumal der Beschwerdeführer einen kleinen Teil der Wand an deren Sockel erstmals übersprayt hat. e) Zu den Erwägungen im angefochtenen Entscheid ist anzumerken, dass der Vergleich der Vorinstanz mit einem "unheilbar zerbrochenen Krug" oder einer "vollständig eingedrückten Autotüre" schon deshalb an der Sache vorbei geht, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Zerstörung oder schwere Beschädigung einer Sache geht, sondern um deren Bemalung, die nur die BGE 120 IV 319 S. 323 Ansehnlichkeit der Sache betrifft. Im übrigen ist in der Judikatur die zutreffende Ansicht vertreten worden, eine Sachbeschädigung könne auch an einer verbeulten Karosserie begangen werden, deren Sach- und Gebrauchswert bereits stark gelitten habe und nur noch sehr gering sei, da der Eigentümer auch an der Erhaltung des verbleibenden Wertes ein schützenswertes Interesse haben könne (Obergericht des Kantons Bern in ZBJV 112/1976 S. 384 f. mit kritischer Bemerkung SCHULTZ). 3. Die Beschwerde erweist sich danach als begründet, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden muss. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdegegner, der Abweisung der Beschwerde beantragt hat, die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen.
de
12082e11-685d-4093-8308-9bbea5e14b86
725.11 1 / 26 Bundesgesetz über die Nationalstrassen (NSG)1 vom 8. März 1960 (Stand am 1. Januar 2023) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 812, 823, 834, 865 und 197 Ziffer 3 der Bundesverfassung6,7 nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 3. Juli 19598, beschliesst: Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 1 Die wichtigsten Strassenverbindungen von gesamtschweizerischer Bedeutung werden von der Bundesversammlung zu Nationalstrassen er- klärt. 2 Es sind Nationalstrassen erster, zweiter und dritter Klasse zu unter- scheiden. Art. 2 Nationalstrassen erster Klasse sind ausschliesslich für die Benützung mit Motorfahrzeugen bestimmt und nur an besonderen Anschlussstellen zugänglich. Sie weisen für beide Richtungen getrennte Fahrbahnen auf und werden nicht höhengleich gekreuzt. AS 1960 525 1 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 2 Diese Bestimmung entspricht Art. 23 der BV vom 29. Mai 1874 (BS 1 3). 3 Diese Bestimmung entspricht Art. 37 der BV vom 29. Mai 1874(AS 1958 770). 4 Diese Bestimmung entspricht Art. 36bis der BV vom 29. Mai 1874 (AS 1958 770, 1983 444). 5 Diese Bestimmung entspricht Art. 36ter der BV vom 29. Mai 1874 (AS 1983 444, 1996 1491). 6 SR 101 7 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 8 BBl 1959 II 105 725.11 I. Nationalstras- sen 1. Nationalstras- sen erster Klasse Verkehrswege 2 / 26 725.11 Art. 3 Nationalstrassen zweiter Klasse sind die übrigen, ausschliesslich dem Verkehr der Motorfahrzeuge offenen Nationalstrassen, die nur an be- sonderen Anschlussstellen zugänglich sind. Sie werden in der Regel nicht höhengleich gekreuzt. Art. 4 1 Nationalstrassen dritter Klasse stehen auch andern Strassenbenützern offen. Wo die Verhältnisse es gestatten, sind Ortsdurchfahrten und hö- hengleiche Kreuzungen zu vermeiden. 2 Der Bundesrat kann den Zugang auf bestimmte Anschlussstellen be- schränken. Art. 4a9 Der Bundesrat kann nach Anhören des betroffenen Kantons die Klas- sierung einer von der Bundesversammlung festgelegten Nationalstrasse ändern, namentlich wenn verkehrstechnische Gründe dies erfordern. Art. 5 1 Die Nationalstrassen haben hohen verkehrstechnischen Anforderun- gen zu genügen; sie sollen insbesondere eine sichere und wirtschaftliche Abwicklung des Verkehrs gewährleisten. 2 Stehen diesen Anforderungen andere schutzwürdige Interessen entge- gen, wie insbesondere die Erfordernisse der militärischen Landesvertei- digung und der wirtschaftlichen Nutzung des Grundeigentums, die An- liegen der Landesplanung oder des Gewässer-, Natur- und Hei- matschutzes, so sind die Interessen gegeneinander abzuwägen. Art. 6 Zu den Nationalstrassen gehören neben dem Strassenkörper alle Anla- gen, die zur technisch richtigen Ausgestaltung der Strassen erforderlich sind, insbesondere Kunstbauten, Anschlüsse, Rastplätze, Signale, Ein- richtungen für den Betrieb und Unterhalt der Strassen, Bepflanzungen sowie Böschungen, deren Bewirtschaftung dem Anstösser nicht zuge- mutet werden kann. Bei Anschlüssen zu Nationalstrassen erster oder zweiter Klasse sowie bei Nationalstrassen dritter Klasse gehören Flä- chen für den Fuss- und Veloverkehr, wie Radstreifen, Trottoirs oder se- parat geführte Fuss- und Radwege, sowie auch Haltestellen des öffent- lichen Verkehrs zum Strassenkörper.10 9 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 2259; BBl 2012 745). 10 Zweiter Satz eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des Veloweggesetzes vom 18. März 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2022 790; BBl 2021 1260). 2. Nationalstras- sen zweiter Klasse 3. Nationalstras- sen dritter Klasse 4. Änderung der Klassierung II. Grundsätze für die Ausge- staltung der Na- tionalstrassen III. Umgrenzung 1. Im allgemeinen Nationalstrassen. BG 3 / 26 725.11 Art. 711 1 Wo der seitliche Zugang zu den Nationalstrassen verboten ist, können, entsprechend den Bedürfnissen, auf Strassengebiet Anlagen errichtet werden, die der Abgabe von Treib-, Schmierstoffen und Elektrizität so- wie der Versorgung, der Verpflegung und der Beherbergung der Stras- senbenützer dienen.12 2 Der Bundesrat stellt die nötigen Grundsätze über die Nebenanlagen auf. 3 Unter Vorbehalt der bundesrechtlichen Bestimmungen und der Pro- jektgenehmigung durch die zuständigen Bundesbehörden ist die Ertei- lung der erforderlichen Rechte für den Bau, die Erweiterung und die Bewirtschaftung der Nebenanlagen Sache der Kantone.13 Art. 7a14 1 Rastplätze dienen der kurzzeitigen Erholung der Strassenbenützer. Sie können mit Anlagen für die Abgabe von alternativen Treibstoffen – ins- besondere Elektrizität – sowie mit kleineren, mobilen Versorgungs- und Verpflegungseinrichtungen versehen werden. 2 Der Bau von Anlagen für die Abgabe von alternativen Treibstoffen richtet sich nach kantonalem Recht. Der Bund beteiligt sich nicht an den Kosten für den Bau und Betrieb dieser Anlagen. 3 Der Bundesrat stellt die nötigen Grundsätze über die Rastplätze auf. Art. 8 1 Die Nationalstrassen stehen unter der Strassenhoheit und im Eigentum des Bundes.15 2 Die Nebenanlagen im Sinne von Artikel 7 stehen im Eigentum der Kantone.16 11 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Dez. 1971, in Kraft seit 15. Nov. 1972 (AS 1972 2607; BBl 1971 I 1104). 12 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 13 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 14 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 15 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 16 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 2. Nebenanlagen 3. Rastplätze IV. Hoheit und Eigentum Verkehrswege 4 / 26 725.11 Art. 8a17 1 Werden bestehende Strassen neu ins Nationalstrassennetz aufgenom- men, so geht das Eigentum an ihnen auf den Zeitpunkt der Aufnahme entschädigungslos auf den Bund über. 2 Werden bestehende Nationalstrassen aus dem Nationalstrassennetz entlassen oder durch eine Nationalstrasse mit anderer Linienführung er- setzt, so geht das Eigentum an ihnen auf den Zeitpunkt der Entlassung beziehungsweise auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der neuen Strasse entschädigungslos auf den jeweiligen Kanton über. 3 Liegt für eine neu ins Nationalstrassennetz aufgenommene Strasse ein rechtskräftig bewilligtes kantonales Projekt vor, so entscheidet die Bun- desversammlung, ob das Projekt vom Bund übernommen wird. Die kan- tonale Bewilligung gilt als Plangenehmigung im Sinne von Artikel 26. Die bis zum Zeitpunkt der Aufnahme der Strasse ins Nationalstrassen- netz aufgelaufenen Kosten des Projekts gehen zulasten der Kantone. 4 Bau-, Ausbau- und Unterhaltsvorhaben, die zum Zeitpunkt der Auf- nahme einer Strasse ins Nationalstrassennetz nicht abgeschlossen sind, sind von den Kantonen fertigzustellen und zu finanzieren. 5 Artikel 62a gilt für die Absätze 1–3 sinngemäss. Zweiter Abschnitt: Bau der Nationalstrassen A. Planung, strategisches Entwicklungsprogramm und generelle Projektierung18 Art. 9 Die Planung hat abzuklären, welche Gebiete eine Verbindung durch Na- tionalstrassen benötigen und welche allgemeinen Linienführungen und Strassenarten in Betracht fallen. Art. 10 Die Planung wird vom zuständigen Bundesamt (Bundesamt)19 in Zu- sammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen durchgeführt. 17 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 2259; BBl 2012 745). 18 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 19 Ausdruck gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. V. Übergang des Eigentums und Übernahme von Projekten bei Anpassung des Nationalstrassen- netzes I. Planung 1. Aufgabe 2. Zuständigkeit Nationalstrassen. BG 5 / 26 725.11 Art. 11 1 Die Bundesversammlung entscheidet auf Antrag des Bundesrates end- gültig über die allgemeine Linienführung und die Art der zu errichten- den Nationalstrassen. 2 Der Bundesrat legt nach Anhören der Kantone das Bauprogramm fest. Art. 11a20 1 Die Nationalstrassen werden im Rahmen eines strategischen Entwick- lungsprogramms schrittweise ausgebaut. Der Bundesrat berücksichtigt dabei insbesondere die Module 1–421 des Programms für die Beseiti- gung von Engpässen im Nationalstrassennetz. 2 Der Bundesrat legt der Bundesversammlung alle vier Jahre einen Be- richt zum Stand des Ausbaus, zu notwendigen Anpassungen des strate- gischen Entwicklungsprogramms und zum nächsten geplanten Ausbau- schritt vor. Art. 11b22 1 Die Erlasse zu den einzelnen Ausbauschritten ergehen in der Form des Bundesbeschlusses. Die Bundesbeschlüsse unterstehen dem fakultati- ven Referendum. 2 Der Bundesrat zeigt in den Botschaften zu den Ausbauschritten insbe- sondere die Folgekosten auf. Art. 12 Die Nationalstrassen sind in generellen Projekten darzustellen. Aus den Plänen müssen insbesondere die Linienführung der Strassen, die An- schlussstellen und die Kreuzungsbauwerke ersichtlich sein. Art. 13 Die generelle Projektierung wird vom Bundesamt in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen durchgeführt. 20 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 21 BBl 2014 2443 22 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 3. Entscheid Ibis. Strategi- sches Entwick- lungs-programm Iter. Ausbau- schritte im Nati- onalstrassennetz II. Generelle Projektierung 1. Aufgabe 2. Zuständigkeit Verkehrswege 6 / 26 725.11 Art. 14 1 Das zuständige Departement (Departement)23 kann zur vorsorglichen Freihaltung des Strassenraumes nach Anhören der Kantone Projektie- rungszonen festlegen. 2 Wo die Projektierungszonen nach dem kantonalen Recht gesichert werden können, bleibt bei der Fertigstellung des beschlossenen Natio- nalstrassennetzes24 dessen Anwendung vorbehalten.25 3 Die Festlegung der Projektierungszonen ist in den Gemeinden öffent- lich bekanntzumachen. Gegen diese Verfügung kann beim Bundesver- waltungsgericht Beschwerde geführt werden.26 4 Die bereinigten Zonenpläne sind in den Gemeinden zur Einsicht offen zu halten. Die Projektierungszonen werden mit ihrer Veröffentlichung rechtswirksam. Art. 15 1 Innerhalb der Projektierungszonen dürfen ohne Bewilligung keine Neubauten oder wertvermehrende Umbauten ausgeführt werden. Der Bundesrat kann weitere, den künftigen Landerwerb erschwerende oder verteuernde Verfügungen über das Grundeigentum der Bewilligungs- pflicht unterstellen. 2 Unabhängig von der Einleitung oder dem Ausgang eines Strafverfah- rens können die Kantone auf Kosten des Widerhandelnden die nötigen Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes tref- fen. Art. 16 1 Bauliche Massnahmen innerhalb der Projektierungszonen können be- willigt werden, wenn sie den Strassenbau nicht erschweren oder verteu- ern und die Festlegung der Baulinien nicht beeinträchtigen. 23 Ausdruck gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt. 24 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgeben- den Fassungen (AS 1960 872, 1984 1118, 1986 35 2515, 1987 52, 1988 562, 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 der BV (SR 101) 25 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 26 Fassung des Satzes gemäss Anhang Ziff. 68 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). 3. Vorsorgliche Freihaltung des Strassenraumes a. Errichtung von Projektierungs- zonen b. Wirkungen c. Gründe zur Erteilung von Baubewilligun- gen, Zuständig- keit Nationalstrassen. BG 7 / 26 725.11 2 Über Baugesuche entscheiden die von den Kantonen bezeichneten Be- hörden. Die kantonale Behörde hört vor der Erteilung der Baubewilli- gung das Bundesamt an.27 Dieses ist berechtigt, gegen Verfügungen der kantonalen Behörden in Anwendung dieses Gesetzes und seiner Aus- führungsbestimmungen die Rechtsmittel des eidgenössischen und des kantonalen Rechts zu ergreifen.28 3 …29 Art. 1730 1 Die Projektierungszonen fallen mit der rechtskräftigen Festlegung der Baulinien, spätestens aber nach fünf Jahren dahin; sie können um höchs- tens drei Jahre verlängert werden. Ist eine Projektierungszone hinfällig geworden, so kann eine neue Projektierungszone mit ganz oder teil- weise gleichem Perimeter festgelegt werden. 2 Das Departement hebt eine Projektierungszone auf, wenn feststeht, dass die durch sie gesicherten Varianten einer Linienführung nicht aus- geführt werden. 3 Verfügungen über die Aufhebung von Projektierungszonen sind unter Angabe der Beschwerdefrist in den betroffenen Gemeinden zu veröf- fentlichen. Art. 18 1 Die Beschränkung des Grundeigentums durch Projektierungszonen begründet nur dann einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie in ih- rer Wirkung einer Enteignung gleichkommt. 2 Der Betroffene hat seine Ansprüche der zuständigen Behörde nach Ar- tikel 21 schriftlich anzumelden.31 Werden die Ansprüche ganz oder teil- weise bestritten, so richtet sich das Verfahren nach dem Bundesgesetz vom 20. Juni 193032 über die Enteignung (EntG).33 27 Fassung des zweiten Satzes gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestal- tung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 28 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 29 Aufgehoben durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Verein- fachung von Entscheidverfahren, mit Wirkung seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 30 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 31 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- leichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 32 SR 711 33 Fassung des zweiten Satzes gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). d. Aufhebung der Projektie- rungszonen e. Entschädi- gung. Festset- zungsverfahren Verkehrswege 8 / 26 725.11 Art. 19 1 Das Bundesamt unterbreitet die generellen Projekte den interessierten Kantonen. Diese laden die durch den Strassenbau betroffenen Gemein- den und allenfalls die Grundeigentümer zur Stellungnahme ein. Die Kantone übermitteln ihre Vorschläge unter Beilage der Vernehmlassun- gen der Gemeinden dem Bundesamt. 2 Auf Grund der Vernehmlassungen bereinigt das Bundesamt in Zusam- menarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen die gene- rellen Projekte. Art. 20 1 Der Bundesrat genehmigt die generellen Projekte. 2 Er entscheidet bei der Fertigstellung des beschlossenen Nationalstras- sennetzes34 im Rahmen der Genehmigung der generellen Projekte end- gültig über die besondere Linienführung der Nationalstrassen im Gebiet der Städte und über den Übergang der Nationalstrassen ausserhalb von Städten in die städtischen Nationalstrassen.35 B. Ausführungsprojekte Art. 2136 1 Die Ausführungsprojekte geben Aufschluss über Art, Umfang und Lage des Werkes samt allen Nebenanlagen, die Einzelheiten seiner bau- technischen Gestaltung und die Baulinien. 2 Zuständig für die Ausarbeitung der Ausführungsprojekte sind: a. für die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennet- zes37: die Kantone in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt so- wie den interessierten Bundesstellen; b. für den Bau neuer und den Ausbau bestehender Nationalstras- sen: das Bundesamt. 3 Der Bundesrat legt die Anforderungen an die Ausführungsprojekte und Pläne fest. 34 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgebenen Fassungen (AS 1960 872; 1984 1118; 1986 35, 2515; 1987 52; 1988 562; 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 BV (SR 101). 35 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 2259; BBl 2012 745). 36 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- leichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 37 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgeben- den Fassungen (AS 1960 872; 1984 1118; 1986 35, 2515; 1987 52; 1988 562; 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 der BV (SR 101). 4. Bereinigung und Genehmi- gung der generellen Pro- jekte a. Bereinigungs- verfahren b. Genehmigung der generellen Projekte 1. Ausarbeitung der Ausfüh- rungsprojekte Nationalstrassen. BG 9 / 26 725.11 Art. 22 In den Ausführungsprojekten sind beidseits der projektierten Strasse Baulinien festzulegen. Bei ihrer Bemessung ist namentlich auf die An- forderungen der Verkehrssicherheit und der Wohnhygiene sowie auf die Bedürfnisse eines allfälligen künftigen Ausbaues der Strasse Rücksicht zu nehmen. Art. 23 1 Zwischen den Baulinien dürfen ohne Bewilligung weder Neubauten erstellt noch Umbauten vorgenommen werden, auch wenn diese von der Baulinie nur angeschnitten werden. Bauarbeiten, die zum Unterhalt ei- nes Gebäudes notwendig sind, gelten nicht als Umbauten im Sinne die- ser Bestimmung. 2 Unabhängig von der Einleitung oder dem Ausgang eines Strafverfah- rens können die Kantone auf Kosten des Widerhandelnden die nötigen Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes tref- fen. Art. 24 1 Bauliche Massnahmen innerhalb der Baulinien sind unter Vorbehalt strengerer Bestimmungen des kantonalen Rechtes zu bewilligen, wenn die gemäss Artikel 22 zu wahrenden öffentlichen Interessen nicht ver- letzt werden. 2 Über Baugesuche entscheiden die von den Kantonen bezeichneten Be- hörden. Die kantonale Behörde hört vor der Erteilung der Baubewilli- gung das Bundesamt an.38 Dieses ist berechtigt, gegen Verfügungen der kantonalen Behörden in Anwendung dieses Gesetzes und seiner Aus- führungsbestimmungen die Rechtsmittel des eidgenössischen und des kantonalen Rechts zu ergreifen.39 3 …40 Art. 25 1 Die Beschränkung des Grundeigentums durch Baulinien begründet nur dann einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie in ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommt. 38 Fassung des zweiten Satzes gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestal- tung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 39 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 40 Aufgehoben durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Verein- fachung von Entscheidverfahren, mit Wirkung seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 2. Freihaltung des Strassenrau- mes a. Festlegung der Baulinien b. Wirkungen c. Gründe zur Erteilung von Baubewilligun- gen, Zuständig- keit d. Entschädi- gung, Festset- zungsverfahren Verkehrswege 10 / 26 725.11 2 Für die Entschädigungspflicht und die Bemessung der Entschädigung sind die Verhältnisse bei Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung (Art. 29) massgebend. 3 Der Betroffene hat seine Ansprüche innert fünf Jahren nach Inkrafttre- ten der Eigentumsbeschränkung der zuständigen Behörde schriftlich an- zumelden.41 Werden die Ansprüche ganz oder teilweise bestritten, so richtet sich das Verfahren nach dem EntG42.43 Art. 2644 1 Das Departement erteilt die Plangenehmigung für die Ausführungs- projekte. 2 Mit der Plangenehmigung erteilt es sämtliche nach Bundesrecht erfor- derlichen Bewilligungen. 3 Kantonale Bewilligungen und Pläne sind nicht erforderlich. Das kan- tonale Recht ist zu berücksichtigen, soweit es Bau und Betrieb der Na- tionalstrassen nicht unverhältnismässig einschränkt. Art. 26a45 1 Das Plangenehmigungsverfahren richtet sich nach dem Verwaltungs- verfahrensgesetz vom 20. Dezember 196846, soweit dieses Gesetz nicht davon abweicht. 2 Sind Enteignungen notwendig, finden zudem die Vorschriften des EntG47 Anwendung. Art. 2748 Das Plangenehmigungsgesuch ist mit den erforderlichen Unterlagen beim Departement einzureichen. Dieses prüft die Unterlagen auf ihre Vollständigkeit und verlangt allenfalls Ergänzungen. 41 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 42 SR 711 43 Fassung des zweiten Satzes gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 44 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 45 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 46 SR 172.021 47 SR 711 48 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 3. Plangenehmi- gungsverfahren a. Grundsatz b. Anwendbares Recht 4. Ordentliches Plangenehmi- gungsverfahren a. Einleitung Nationalstrassen. BG 11 / 26 725.11 Art. 27a49 1 Vor der öffentlichen Auflage des Gesuchs muss der Gesuchsteller die Veränderungen, die das geplante Werk im Gelände bewirkt, sichtbar machen, indem er sie aussteckt; bei Hochbauten hat er Profile aufzustel- len. 2 Einwände gegen die Aussteckung oder die Aufstellung von Profilen sind sofort, jedenfalls aber vor Ablauf der Auflagefrist beim Departe- ment vorzubringen. Art. 27b50 1 Das Departement übermittelt das Gesuch den betroffenen Kantonen und fordert sie auf, innerhalb von drei Monaten dazu Stellung zu nehmen. Es kann die Frist in begründeten Fällen ausnahmsweise verlängern. 2 Das Gesuch ist in den amtlichen Publikationsorganen der betroffenen Kantone und Gemeinden zu publizieren und während 30 Tagen öffent- lich aufzulegen. 3 …51 Art. 27c52 Art. 27d53 1 Wer nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196854 Partei ist, kann während der Auflagefrist gegen das Ausführungsprojekt oder die darin enthaltenen Baulinien beim De- partement Einsprache erheben.55 Wer keine Einsprache erhebt, ist vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. 49 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 50 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 51 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 52 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). Aufgehoben durch An- hang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 53 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 54 SR 172.021 55 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). b. Aussteckung c. Anhörung, Publikation und Auflage d. … e. Einsprache Verkehrswege 12 / 26 725.11 2 Wer nach den Vorschriften des EntG56 Partei ist, kann während der Auflagefrist sämtliche Begehren nach Artikel 33 EntG geltend ma- chen.57 3 Die betroffenen Gemeinden wahren ihre Interessen mit Einsprache. Art. 27e58 Das Bereinigungsverfahren in der Bundesverwaltung richtet sich nach Artikel 62b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199759. Art. 2860 1 Mit der Plangenehmigung entscheidet das Departement gleichzeitig auch über die enteignungsrechtlichen Einsprachen. 2 Es kann Projekte in Etappen genehmigen, wenn deren getrennte Be- handlung die Beurteilung des Gesamtprojekts nicht präjudiziert. 3 Die Plangenehmigung erlischt, wenn fünf Jahre nach ihrer rechtskräf- tigen Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen worden ist. 4 Das Departement kann die Geltungsdauer der Plangenehmigung aus wichtigen Gründen um höchstens drei Jahre verlängern. Die Verlänge- rung ist ausgeschlossen, wenn sich die massgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit der rechtskräftigen Erteilung der Plange- nehmigung wesentlich verändert haben. 5 …61 Art. 28a62 1 Das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren wird angewendet bei: a. örtlich begrenzten Vorhaben mit wenigen, eindeutig bestimm- baren Betroffenen; 56 SR 711 57 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 58 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 59 SR 172.010 60 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 61 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 68 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). 62 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). f. Bereinigung in der Bundes- verwaltung 5. Plangenehmi- gung; Geltungsdauer; Beschwerde 6. Vereinfachtes Plangenehmi- gungsverfahren Nationalstrassen. BG 13 / 26 725.11 b. Bauten und Anlagen, deren Änderung das äussere Erschei- nungsbild nicht wesentlich verändert, keine schutzwürdigen In- teressen Dritter berührt und sich nur unerheblich auf Raum und Umwelt auswirkt; c. Bauten und Anlagen, die spätestens nach drei Jahren wieder ent- fernt werden. 2 Das Departement kann die Aussteckung anordnen. Das Gesuch wird nicht publiziert und nicht öffentlich aufgelegt. Das Departement unter- breitet die Planvorlage den Betroffenen, soweit sie nicht vorher schrift- lich ihre Einwilligung gegeben haben; deren Einsprachefrist beträgt 30 Tage. Das Departement kann bei Kantonen und Gemeinden Stel- lungnahmen einholen. Es setzt dafür eine angemessene Frist. 3 Im Übrigen gelten die Bestimmungen für das ordentliche Verfahren. Im Zweifelsfall wird dieses durchgeführt. Art. 29 Die mit den Ausführungsprojekten genehmigten Baulinien sind in den Gemeinden öffentlich bekanntzumachen und die Pläne zur Einsicht of- fen zu halten. Die Baulinien werden mit ihrer Veröffentlichung rechts- wirksam. C. Landerwerb und Massnahmen im Interesse der Bodennutzung Art. 30 1 Das für den Bau der Nationalstrassen erforderliche Land ist, sofern ein freihändiger Erwerb ausser Betracht fällt, im Landumlegungs- oder Ent- eignungsverfahren zu erwerben. 2 Das Enteignungsverfahren kommt erst zur Anwendung, wenn die Be- mühungen für einen freihändigen Erwerb oder für eine Landumlegung nicht zum Ziele führen. Art. 31 1 Das Landumlegungsverfahren in der Form der landwirtschaftlichen Güterzusammenlegung, der Waldzusammenlegung oder der Umlegung von Bauland wird angewendet, wenn es im Interesse des Strassenbaues liegt oder für die bestimmungsgemässe Verwendung und Bewirtschaf- tung des durch den Strassenbau beeinträchtigten Bodens notwendig ist. 63 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 7. Öffentlichkeit der Baulinien- pläne63 I. Landerwerb 1. Arten 2. Landerwerb im Landumle- gungsverfahren Verkehrswege 14 / 26 725.11 2 Die im Landumlegungsverfahren zu treffenden Massnahmen können bestehen: a. im Einwerfen von Grundstücken des Gemeinwesens in das Lan- dumlegungsunternehmen; b. in der Vornahme angemessener Abzüge von dem im Landum- legungsverfahren erfassten Grundeigentum. Das auf diesem Wege für den Strassenbau abgetretene Land ist dem Landumle- gungsunternehmen zum Verkehrswert zu vergüten; c. in der Anrechnung von Mehrwerten, die durch den Strassenbau mittels Bodenverbesserungen an Grundstücken geschaffen wer- den; d. in andern durch das kantonale Recht vorgesehenen Verfahren. Art. 32 1 Die zuständigen Behörden besorgen den Landerwerb.64 2 Die Kantone ordnen im Rahmen der nachstehenden Vorschriften das Verfahren für die Landumlegungen.65 Für Güter- und Waldzusammen- legungen bleiben die entsprechenden Bestimmungen der Bundesgesetz- gebung über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes sowie der Bundesgesetzgebung betreffend die eidgenös- sische Oberaufsicht über die Forstpolizei vorbehalten. Art. 33 1 Soweit Güter- oder Waldzusammenlegungen in Aussicht genommen werden, sind wenn möglich gleichzeitig mit den generellen Strassenpro- jekten Vorprojekte für die Zusammenlegung aufzustellen. Diese enthal- ten insbesondere die voraussichtlichen Grenzen der einzubeziehenden Gebiete, das anzulegende Wegnetz und die wichtigsten wasserbaulichen Anlagen. 2 Die Vorprojekte sind von den Kantonen auszuarbeiten. Das Bundes- amt übt im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Meliorationsamt66 und den andern interessierten Bundesstellen die Oberaufsicht aus. Art. 34 64 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 65 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 66 Heute: Bundesamt für Landwirtschaft. 3. Zuständigkeit 4. Besondere Verfahrensvor- schriften für Güter- und Waldzusammen- legungen a. Aufstellung von Vorprojek- ten b. Zusammenle- gungen gemäss Art. 703 ZGB Nationalstrassen. BG 15 / 26 725.11 Den Grundeigentümern kann eine angemessene Frist angesetzt werden, innerhalb welcher sie über die Durchführung einer Güter- oder Waldzu- sammenlegung gemäss Artikel 703 des Zivilgesetzbuches67 zu be- schliessen haben. Hierbei ist der Entscheid über die vom Strassenbau zu übernehmenden Kosten der Zusammenlegung bekannt zu geben. Art. 35 Die Neuzuteilungsentwürfe sind von den Kantonen dem Bundesamt zur Genehmigung einzureichen. Dieses prüft, ob die Interessen des Stras- senbaues gewahrt sind; die Subventionsbehörden überwachen die Ein- haltung der Subventionsvorschriften. Art. 36 1 Die kantonale Regierung kann für den Strassenbau notwendige Land- umlegungen verfügen. 2 Das Departement kann für den Erlass der Verfügung eine angemes- sene Frist ansetzen. Wird innerhalb der Frist die Landumlegung nicht verfügt, so wird das ordentliche Verfahren mit Enteignungen durchge- führt.68 Art. 37 Die zuständige kantonale Behörde beschliesst über die vorzeitige Inbe- sitznahme des erforderlichen Landes, wenn mit dem Strassenbau vor Abschluss des Landumlegungsverfahrens begonnen werden muss. Vor- her sind die Betroffenen anzuhören und alle für die Bewertung des Lan- des nötigen Vorkehren zu treffen. Art. 38 1 Die durch den Strassenbau verursachten Mehrkosten von Landumle- gungen in zusammenlegungsbedürftigen Gebieten gehen zu Lasten des Strassenbaues. Werden wegen des Strassenbaues in zusammengelegten Gebieten oder in Gegenden mit Hofsiedlung neue Landumlegungen nö- tig, so gehen alle Kosten zu dessen Lasten. 2 Das Departement entscheidet im Einvernehmen mit den interessierten Departementen des Bundes im Einzelfall über die Kostenanrechnung. 67 SR 210 68 Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). c. Genehmigung der Neuzutei- lungsentwürfe 5. Verfügte Landumlegun- gen 6. Vorzeitige Besitzeinwei- sung 7. Kostenanrech- nung Verkehrswege 16 / 26 725.11 Art. 3969 1 Den zuständigen Behörden steht das Enteignungsrecht zu. Die Kan- tone sind befugt, ihr Enteignungsrecht den Gemeinden zu übertragen.71 2 Nach Abschluss des Plangenehmigungsverfahrens wird, soweit erfor- derlich, das Einigungs- und Schätzungsverfahren vor der Eidgenössi- schen Schätzungskommission (Schätzungskommission) nach den Best- immungen des EntG72 durchgeführt.73 3 …74 4 Der Präsident der Schätzungskommission kann gestützt auf einen voll- streckbaren Plangenehmigungsentscheid die vorzeitige Besitzeinwei- sung bewilligen. Dabei wird vermutet, dass dem Enteigner ohne die vor- zeitige Besitzeinweisung bedeutende Nachteile entstünden. Im Übrigen gilt Artikel 76 EntG. Art. 4075 Die zuständigen Behörden haben den infolge Durchschneidung und Trennung von Grundstücken entstehenden Nachteilen auch dort durch geeignete Massnahmen entgegenzuwirken, wo das für die Strasse erfor- derliche Land freihändig erworben oder enteignet wird. D. Bau und Ausbau der Nationalstrassen76 Art. 40a77 Zuständig sind: 69 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 70 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 71 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 72 SR 711 73 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 74 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, mit Wirkung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 75 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 76 Ursprünglich vor Art. 41. Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neuge- staltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 77 Eingefügt durch Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 8. Enteignung; Einigungs- und Schätzungsver- fahren; vorzei- tige Besitzein- weisung70 II. Massnahmen im Interesse der Bodennutzung I. Zuständig- keiten Nationalstrassen. BG 17 / 26 725.11 a. für die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennet- zes78: die Kantone; b. für den Bau neuer und den Ausbau bestehender Nationalstras- sen: das Bundesamt. Art. 41 1 Die Nationalstrassen sind nach den neuesten Erkenntnissen der Stras- senbautechnik und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erstellen. 2 Die zuständigen Behörden vergeben und überwachen die Bauarbeiten. Der Bundesrat legt die für die Kantone massgebenden Grundsätze fest.80 Art. 42 1 Die zuständigen Behörden treffen die notwendigen Vorkehren, um die Sicherheit des Baues zu gewährleisten, Gefahren für Personen und Sa- chen zu vermeiden und die Anwohner vor unzumutbaren Belästigungen zu schützen.81 2 Werden durch die Bauarbeiten öffentliche Einrichtungen, wie Ver- kehrswege, Leitungen und ähnliche Anlagen betroffen, so ist nach Mas- sgabe des öffentlichen Interesses für deren Fortbenützung zu sorgen. 3 Die wirtschaftliche Nutzung des Grundeigentums während des Stras- senbaues ist sicherzustellen. Art. 43 Die Nationalstrassen dürfen dem Verkehr erst übergeben werden, wenn der Stand der Bauarbeiten und die getroffenen Sicherheitsvorkehren ei- nen gefahrlosen Verkehr gestatten und wenn die wirtschaftliche Nut- zung des umliegenden Grundeigentums sichergestellt ist. Art. 44 1 Bauliche Umgestaltungen im Bereiche von Nationalstrassen, wie die Erstellung, Änderung oder Verlegung von Kreuzungen von andern Ver- kehrswegen, Gewässern, Seilbahnen, Leitungen und ähnlichen Anlagen 78 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgeben- den Fassungen (AS 1960 872; 1984 1118; 1986 35, 2515; 1987 52; 1988 562; 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 der BV (SR 101; AS 2007 5770) 79 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 82 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). II. Bau 1. Bauverfahren, Vergabe und Überwachung der Bau-arbei- ten79 2. Schutzvorkeh- ren während des Baues 3. Übergabe an den Verkehr III. Bauliche Umgestaltung im Bereich von National- strassen82 Verkehrswege 18 / 26 725.11 sowie von Einmündungen von Strassen und Wegen in die Nationalstras- sen, sind bewilligungspflichtig. Sie dürfen die Strassenanlage und einen allfälligen künftigen Ausbau nicht beeinträchtigen. 2 Der Bundesrat ordnet das Bewilligungsverfahren und bezeichnet die zuständigen Instanzen. Die Eigentümer bestehender Verkehrsanlagen sind im Bewilligungsverfahren anzuhören. Die Bestimmungen des Bun- desgesetzes vom 24. Juni 190283 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen bleiben vorbehalten. 3 Unabhängig von der Einleitung oder dem Ausgang eines Strafverfah- rens können die zuständigen Behörden auf Kosten des Widerhandeln- den die nötigen Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes treffen.84 Art. 45 1 Beeinträchtigt eine neue Nationalstrasse bestehende Verkehrswege, Leitungen und ähnliche Anlagen oder beeinträchtigen neue derartige Anlagen eine bestehende Nationalstrasse, so fallen die Kosten aller Massnahmen, die zur Behebung der Beeinträchtigung erforderlich sind, auf die neue Anlage. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Fern- meldegesetzgebung.86 2 Wird eine neue öffentliche Strasse an eine bestehende Nationalstrasse angeschlossen, so ist die Kostenverteilung durch die Beteiligten zu ver- einbaren. 81 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 82 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 83 SR 734.0 84 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 85 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 86 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). IV. Verteilung der Kosten von Verlegungs-, Kreuzungs- und Anschlussbau- werken 1. Neue Anlagen85 Nationalstrassen. BG 19 / 26 725.11 Art. 46 1 Sind Kreuzungen von Nationalstrassen mit andern öffentlichen Stras- sen durch bauliche Massnahmen zu verbessern, so hat jeder Träger der Strassenbaulast in dem Umfange an die Bau- und Unterhaltskosten der Umgestaltung beizutragen, als diese durch die Entwicklung des Ver- kehrs bedingt ist. 2 Die Verteilung der Kosten von Änderungen bestehender Kreuzungen zwischen Nationalstrassen und Eisenbahnen richtet sich nach den Best- immungen des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 195788. Art. 47 1 Die Artikel 45 Absatz 1 und 46 Absatz 1 sind nicht anwendbar, soweit zwischen den Beteiligten abweichende Vereinbarungen über die Kosten bestehen oder getroffen werden. 2 Ist die Kostenverteilung streitig, so erlässt das Bundesamt eine Verfü- gung.90 Vorbehalten bleibt die verwaltungsrechtliche Klage nach Art. 116 Buchstabe a oder b des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. De- zember 194391 bei Streitigkeiten über das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen.92 87 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 88 SR 742.101 89 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 90 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 91 [BS 3 531; AS 1948 485 Art. 86; 1955 871 Art. 118; 1959 902; 1969 737 Art. 80 Bst. b, 767; 1977 237 Ziff. II 3, 862 Art. 52 Ziff. 2, 1323 Ziff. III; 1978 688 Art. 88 Ziff. 3, 1450; 1979 42; 1980 31 Ziff. IV, 1718 Art. 52 Ziff. 2, 1819 Art. 12 Abs. 1; 1982 1676 Anhang Ziff. 13; 1983 1886 Art. 36 Ziff. 1; 1986 926 Art. 59 Ziff. 1; 1987 226 Ziff. II 1, 1665 Ziff. II; 1988 1776 Anhang Ziff. II 1; 1989 504 Art. 33 Bst. a; 1990 938 Ziff. III Abs. 5; 1992 288; 1993 274 Art. 75 Ziff. 1, 1945 Anhang Ziff. 1; 1995 1227 Anhang Ziff. 3, 4093 Anhang Ziff. 4; 1996 508 Art. 36, 750 Art. 17, 1445 Anhang Ziff. 2, 1498 Anhang Ziff. 2; 1997 1155 Anhang Ziff. 6, 2465 Anhang Ziff. 5; 1998 2847 Anhang Ziff. 3, 3033 Anhang Ziff. 2; 1999 1118 Anhang Ziff. 1, 3071 Ziff. I 2; 2000 273 Anhang Ziff. 6, 416 Ziff. I 2, 505 Ziff. I 1, 2355 Anhang Ziff. 1, 2719; 2001 114 Ziff. I 4, 894 Art. 40 Ziff. 3, 1029 Art. 11 Abs. 2; 2002 863 Art. 35, 1904 Art. 36 Ziff. 1, 2767 Ziff. II, 3988 Anhang Ziff. 1; 2003 2133 Anhang Ziff. 7, 3543 Anhang Ziff. II 4 Bst. a, 4557 Anhang Ziff. II 1; 2004 1985 Anhang Ziff. II 1, 4719 Anhang Ziff. II 1; 2005 5685 Anhang Ziff. 7. AS 2006 1205 Art. 131 Abs. 1]. Siehe heute das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (SR 173.110). 92 Fassung gemäss Anhang Ziff. 8 der V vom 3. Febr. 1993 über Vorinstanzen des Bundes- gerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, in Kraft seit 1. Jan 1994 (AS 1993 901). 2. Änderung be- stehender Kreu- zungen87 3. Abweichende Kostenregelung, Entscheid bei Streitigkeiten89 Verkehrswege 20 / 26 725.11 Art. 48 Der Bundesrat bestimmt die Grundsätze für die Anrechnung der Kosten von Anpassungsarbeiten an bestehenden militärischen Verteidigungs- anlagen, welche durch die Erstellung von Nationalstrassen bedingt sind. Dritter Abschnitt: Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen94 Art. 4995 Die Nationalstrassen und ihre technischen Einrichtungen sind nach wirt- schaftlichen Gesichtspunkten so zu unterhalten und zu betreiben, dass ein sicherer und flüssiger Verkehr gewährleistet ist und die Verfügbar- keit der Strasse möglichst uneingeschränkt bleibt. Art. 49a96 1 Der Bund ist zuständig für Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen. 2 Über die Ausführung des betrieblichen und des projektfreien bauli- chen Unterhalts schliesst er mit den Kantonen oder von diesen gebilde- ten Trägerschaften Leistungsvereinbarungen ab. Ist für bestimmte Ge- bietseinheiten kein Kanton oder keine Trägerschaft bereit, eine Leistungsvereinbarung abzuschliessen, so kann der Bund die Ausfüh- rung Dritten übertragen. In begründeten Fällen kann er diesen Unterhalt in einzelnen Gebietseinheiten oder Teilen davon selber ausführen. 3 Der Bundesrat erlässt insbesondere Bestimmungen über die Abgren- zung der Gebietseinheiten, den Leistungsumfang und die Leistungsab- geltung. Er bestimmt die Zuteilung der Gebietseinheiten. 93 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 94 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 95 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 96 Eingefügt durch Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). V. Verteilung der Kosten von Anpassungen an militärischen Verteidigungsan- lagen93 I. Unterhalt und Betrieb 1. Grundsatz 2. Zuständigkeit Nationalstrassen. BG 21 / 26 725.11 Art. 5097 Die Bewirtschaftung der Nebenanlagen untersteht insbesondere den Vorschriften über die Gewerbe-, Gesundheits- und Wirtschaftspolizei. Soweit die Bedürfnisse des Verkehrs oder allgemeine Interessen es er- fordern, kann das Departement abweichende Vorschriften aufstellen. Art. 51 1 Innerhalb der Baulinien sind Bepflanzungen, Einfriedigungen, Anhäu- fungen von Material und Einrichtungen, welche durch Sichtbehinde- rung die Verkehrssicherheit gefährden, verboten; sie sind, soweit sie be- reits bestehen, auf Verlangen des Strasseneigentümers zu beseitigen. 2 Für den hieraus entstehenden Schaden ist angemessener Ersatz zu leis- ten. Kann die Entschädigung nicht vereinbart werden, so wird sie ge- mäss Artikel 64 des EntG98 durch die Schätzungskommission festge- legt.99 Art. 52 1 Vorübergehende Einrichtungen zum Schutze der Strassen vor nachtei- ligen Einwirkungen der Natur, die ausserhalb des Strassengebietes an- gelegt werden müssen, sind von den Grundeigentümern zu dulden. 2 Für den hieraus entstehenden Schaden ist angemessener Ersatz zu leis- ten. Kann die Entschädigung nicht vereinbart werden, so wird sie ge- mäss Artikel 64 des EntG100 durch die Schätzungskommission festge- legt.101 Art. 53 1 Im Bereiche der Nationalstrassen sind Reklamen und Ankündigungen nach Massgabe des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958102 untersagt. 2 Der Bundesrat erlässt hinsichtlich der Nationalstrassen besondere Ausführungsbestimmungen. 97 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 98 SR 711 99 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 100 SR 711 101 Fassung gemäss Anhang Ziff. 9 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4085; BBl 2018 4713). 102 SR 741.01 II. Bewirtschaf- tung der Neben- anlagen III. Massnahmen zur Gewährleis- tung der Ver- kehrssicherheit 1. Verbot sicht- behindernder Einrichtungen 2. Schutzeinrich- tungen 3. Reklamever- bot Verkehrswege 22 / 26 725.11 Vierter Abschnitt: Oberaufsicht des Bundes Art. 54103 1 Die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennetzes104 unter- steht der Oberaufsicht des Bundes. 2 Wo es die Verhältnisse erfordern, sorgt der Bundesrat dafür, dass die beteiligten Kantone die Projektierungs- und Bauarbeiten gemeinsam ausführen. Art. 55105 1 Durch Verfügung des Bundesrates kann der Bund die Aufgaben eines Kantons nach diesem Gesetz ganz oder teilweise übernehmen, wenn: a. der Kanton darum ersucht und nach den tatsächlichen Verhält- nissen ausserstande ist, die Aufgaben zu übernehmen; b. die Sicherstellung des Werks es erfordert und sich der Kanton weigert, innerhalb einer vom Bundesrat festzusetzenden ange- messenen Frist die Aufgaben auszuführen. 2 Die Kosten sind auch in diesen Fällen nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 22. März 1985106 über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer zu verteilen. Fünfter Abschnitt: … Art. 56-58107 Art. 59108 103 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 104 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgeben- den Fassungen (AS 1960 872; 1984 1118; 1986 35, 2515; 1987 52; 1988 562; 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 der BV (SR 101; AS 2007 5770) 105 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 106 SR 725.116.2 107 Aufgehoben durch Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), mit Wirkung seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 108 Aufgehoben durch Art. 40 des Treibstoffzollgesetzes vom 22. März 1985, mit Wirkung seit 1. Jan. 1985 (AS 1985 834; BBl 1984 I 986). I. Oberaufsicht II. Ersatzvor- nahme Nationalstrassen. BG 23 / 26 725.11 Sechster Abschnitt: Ausführungs-, Übergangs- und Schlussbestimmungen Art. 60109 1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen und überwacht den Vollzug. 2 Er trifft insbesondere die Anordnungen zur Gewährleistung einer kunstgerechten Projektierung, eines wirtschaftlichen Bauvorgangs, ei- ner genügenden Baukontrolle sowie eines zweckmässigen Unterhalts und Betriebs. Art. 61 1 Die Kantone regeln im Rahmen dieses Gesetzes die Zuständigkeiten zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben und das dabei anwe- ndbare Verfahren. 2 Soweit das Gesetz zu seiner Ausführung der Ergänzung durch kanto- nale Bestimmungen bedarf, sind die Kantone zu ihrem Erlass verpflich- tet. …110 Sie können auf dem Verordnungswege erlassen werden. 3 Hat ein Kanton die zur Anwendung dieses Gesetzes notwendigen An- ordnungen nicht rechtzeitig getroffen, so erlässt der Bundesrat vorläufig die erforderlichen Verordnungen an Stelle des Kantons unter Anzeige an die Bundesversammlung. Art. 61a111 Der Bundesrat kann in eigener Zuständigkeit Staatsverträge über grenz- überschreitende Bauwerke im Rahmen eines Zusammenschlusses von Nationalstrassen mit ausländischen Hochleistungsstrassen abschliessen. Art. 61b112 1 Das Bundesamt kann Dritten gewerbliche Leistungen erbringen, wenn diese Leistungen: a. mit den Hauptaufgaben in einem engen Zusammenhang stehen; 109 Fassung gemäss Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 110 Zweiter Satz aufgehoben durch Ziff. II 32 des BG vom 15. Dez. 1989 über die Genehmi- gung kantonaler Erlasse durch den Bund, mit Wirkung seit 1. Febr. 1991 (AS 1991 362; BBl 1988 II 1333). 111 Eingefügt durch Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 112 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 18. Juni 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5003; BBl 2009 7207). I. Vollzug des Gesetzes 1. Durch den Bundesrat 2. Durch die Kantone Ia. Staats-ver- träge Ib. Gewerbliche Leistungen Verkehrswege 24 / 26 725.11 b. die Erfüllung der Hauptaufgaben nicht beeinträchtigen; und c. keine bedeutenden zusätzlichen sachlichen und personellen Mittel erfordern. 2 Gewerbliche Leistungen sind auf der Grundlage einer Kosten- und Leistungsrechnung zu mindestens kostendeckenden Preisen zu erbrin- gen. Das Departement kann für bestimmte Leistungen Ausnahmen zu- lassen, wenn dadurch die Privatwirtschaft nicht konkurrenziert wird. 3 Die erzielten Erträge werden dem Fonds zur Finanzierung der Natio- nalstrassen und des Agglomerationsverkehrs zugewiesen.113 Art. 62114 1 Gesuche, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung bereits aufgelegt worden sind, werden nach altem Verfahrensrecht beurteilt. 2 Auf hängige Beschwerden ist das alte Verfahrensrecht anwendbar. Art. 62a115 1 Das Eigentum an den Nationalstrassen geht bei Inkrafttreten der Än- derung vom 6. Oktober 2006116 entschädigungslos auf den Bund über. 2 Der Bundesrat bezeichnet die Grundstücke und benennt die be- schränkten dinglichen Rechte, die öffentlich-rechtlichen und obligatori- schen Vereinbarungen sowie die Verfügungen, die auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 6. Oktober 2006 auf den Bund übertragen werden. Das Departement kann diese Zuweisung innert 15 Jahren nach Inkrafttreten der Änderung vom 6. Oktober 2006 durch Verfügung bereinigen. 3 Der Bundesrat regelt die Eigentumsverhältnisse und gegenseitigen Entschädigungsfolgen bei Flächen, Werkhöfen und Polizeistützpunk- ten, die für die Nationalstrassen nicht mehr oder nur noch teilweise be- nötigt werden. Die Entschädigungspflicht ist auf 15 Jahre beschränkt. 4 Die Grundstücke und die beschränkten dinglichen Rechte, die auf den Bund übertragen werden, sind gebührenfrei ins Grundbuch aufzuneh- men oder auf den Bund umzuschreiben. 113 Eingefügt durch Anhang Ziff. 5 des BG vom 19. März 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 662; BBl 2020 349). 114 Fassung gemäss Ziff. I 7 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Ver-einfa- chung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591). 115 Eingefügt durch Ziff. II 16 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzaus- gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), in Kraft seit 1. Jan. 2008 (AS 2007 5779; BBl 2005 6029). 116 AS 2007 5779 II. Übergangsbe- stimmungen zur Änderung vom 18. Juni 1999 IIa. Übergangs- bestimmungen zur Änderung vom 6. Oktober 2006 Nationalstrassen. BG 25 / 26 725.11 5 Der Bundesrat bezeichnet die Strecken, die im Rahmen der Fertigstel- lung des beschlossenen Nationalstrassennetzes117 zu bauen sind. Die Kantone bleiben Eigentümer dieser Strecken, bis diese dem Verkehr übergeben werden. 6 Auf den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung übergeben die Kantone dem Bund Dokumente, Pläne und Datenbanken entsprechend dem ak- tuellen Ausführungsstand. Die Kantone archivieren die historischen Akten unbefristet und die Buchhaltungsbelege entsprechend den gesetz- lichen Vorschriften. 7 Der Bundesrat regelt die Zuständigkeit für die Vollendung der im Zeit- punkt des Inkrafttretens der Änderung vom 6. Oktober 2006 laufenden Ausbau- und Unterhaltsvorhaben. Art. 63118 Die Baubewilligungen für die vom Bund übernommenen Projekte «Um- fahrung Näfels» der N 17 Niederurnen–Glarus sowie die «Umfahrung Le Locle» und die «Umfahrung La Chaux-de-Fonds» der N 20 Le Locle (Frontière)–La Chaux-de-Fonds–Tunnel de la Vue des Alpes– Neuchâtel und Thielle–Murten werden in Abweichung von Artikel 28 Absatz 3 als gültig betrachtet, auch wenn ihre Geltungsdauer im Zeit- punkt des Inkrafttretens des Bundesbeschlusses vom 10. Dezember 2012119 über das Nationalstrassennetz eigentlich abgelaufen ist. Art. 64 …120 Art. 65 Für den Ausstand und die Ablehnung der Mitglieder und Ersatzmänner der Schätzungskommissionen findet Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c 117 Gemäss BB vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz, in den letzten, massgeben- den Fassungen (AS 1960 872; 1984 1118; 1986 35, 2515; 1987 52; 1988 562; 2001 3090) und Art. 197 Ziff. 3 der BV (SR 101) 118 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 4 des BG vom 30. Sept. 2016 über den Fonds für die Na- tionalstrassen und den Agglomerationsverkehr, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6825; BBl 2015 2065). 119 BBl 2013 2625, 2016 8349 120 Die Änderung kann unter AS 1960 525 konsultiert werden. Übergangsbe- stimmung zur Änderung vom 30. Septem- ber 2016 III. Änderung von Gesetzen IV. Ausstand von Mitgliedern oder Ersatzmän- nern der enteig- nungsrechtlichen Schätzungskom- missionen Verkehrswege 26 / 26 725.11 des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943121 keine An- wendung. Art. 66 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Geset- zes. Datum des Inkrafttretens: 21. Juni 1960122 121 [BS 3 531; AS 1948 485 Art. 86; 1955 871 Art. 118; 1959 902; 1969 737 Art. 80 Bst. b, 767; 1977 237 Ziff. II 3, 862 Art. 52 Ziff. 2, 1323 Ziff. III; 1978 688 Art. 88 Ziff. 3, 1450; 1979 42; 1980 31 Ziff. IV, 1718 Art. 52 Ziff. 2, 1819 Art. 12 Abs. 1; 1982 1676 Anhang Ziff. 13; 1983 1886 Art. 36 Ziff. 1; 1986 926 Art. 59 Ziff. 1; 1987 226 Ziff. II 1, 1665 Ziff. II; 1988 1776 Anhang Ziff. II 1; 1989 504 Art. 33 Bst. a; 1990 938 Ziff. III Abs. 5; 1992 288; 1993 274 Art. 75 Ziff. 1, 1945 Anhang Ziff. 1; 1995 1227 Anhang Ziff. 3, 4093 Anhang Ziff. 4; 1996 508 Art. 36, 750 Art. 17, 1445 Anhang Ziff. 2, 1498 Anhang Ziff. 2; 1997 1155 Anhang Ziff. 6, 2465 Anhang Ziff. 5; 1998 2847 Anhang Ziff. 3, 3033 Anhang Ziff. 2; 1999 1118 Anhang Ziff. 1, 3071 Ziff. I 2; 2000 273 Anhang Ziff. 6, 416 Ziff. I 2, 505 Ziff. I 1, 2355 Anhang Ziff. 1, 2719; 2001 114 Ziff. I 4 ,894 Art. 40 Ziff. 3, 1029 Art. 11 Abs. 2; 2002 863 Art. 35, 1904 Art. 36 Ziff. 1, 2767 Ziff. II, 3988 Anhang Ziff. 1; 2003 2133 Anhang Ziff. 7, 3543 Anhang Ziff. II 4 Bst. a, 4557 Anhang Ziff. II 1, 2004 1985 Anhang Ziff. II 1, 4719 Anhang Ziff. II 1; 2005 5685 Anhang Ziff. 7. AS 2006 1205 Art. 131 Abs. 1]. Siehe heute das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (SR 173.110). 122 BRB vom 13. Juni 1960 V. Inkrafttreten Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 I. Nationalstrassen Art. 2 1. Nationalstrassen erster Klasse Art. 3 2. Nationalstrassen zweiter Klasse Art. 4 3. Nationalstrassen dritter Klasse Art. 4a 4. Änderung der Klassierung Art. 5 II. Grundsätze für die Ausgestaltung der Nationalstrassen Art. 6 III. Umgrenzung 1. Im allgemeinen Art. 7 2. Nebenanlagen Art. 7a 3. Rastplätze Art. 8 IV. Hoheit und Eigentum Art. 8a V. Übergang des Eigentums und Übernahme von Projekten bei Anpassung des Nationalstrassennetzes Zweiter Abschnitt: Bau der Nationalstrassen A. Planung, strategisches Entwicklungsprogramm und generelle Projektierung Art. 9 I. Planung 1. Aufgabe Art. 10 2. Zuständigkeit Art. 11 3. Entscheid Art. 11a Ibis. Strategisches Entwicklungs-programm Art. 11b Iter. Ausbauschritte im Nationalstrassennetz Art. 12 II. Generelle Projektierung 1. Aufgabe Art. 13 2. Zuständigkeit Art. 14 3. Vorsorgliche Freihaltung des Strassenraumes a. Errichtung von Projektierungszonen Art. 15 b. Wirkungen Art. 16 c. Gründe zur Erteilung von Baubewilligungen, Zuständigkeit Art. 17 d. Aufhebung der Projektierungszonen Art. 18 e. Entschädigung. Festsetzungsverfahren Art. 19 4. Bereinigung und Genehmigung der generellen Projekte a. Bereinigungsverfahren Art. 20 b. Genehmigung der generellen Projekte B. Ausführungsprojekte Art. 21 1. Ausarbeitung der Ausführungsprojekte Art. 22 2. Freihaltung des Strassenraumes a. Festlegung der Baulinien Art. 23 b. Wirkungen Art. 24 c. Gründe zur Erteilung von Baubewilligungen, Zuständigkeit Art. 25 d. Entschädigung, Festsetzungsverfahren Art. 26 3. Plangenehmigungsverfahren a. Grundsatz Art. 26a b. Anwendbares Recht Art. 27 4. Ordentliches Plangenehmigungsverfahren a. Einleitung Art. 27a b. Aussteckung Art. 27b c. Anhörung, Publikation und Auflage Art. 27c d. … Art. 27d e. Einsprache Art. 27e f. Bereinigung in der Bundesverwaltung Art. 28 5. Plangenehmigung; Geltungsdauer; Beschwerde Art. 28a 6. Vereinfachtes Plangenehmigungsverfahren Art. 29 7. Öffentlichkeit der Baulinienpläne C. Landerwerb und Massnahmen im Interesse der Bodennutzung Art. 30 I. Landerwerb 1. Arten Art. 31 2. Landerwerb im Landumlegungsverfahren Art. 32 3. Zuständigkeit Art. 33 4. Besondere Verfahrensvorschriften für Güter- und Waldzusammenlegungen a. Aufstellung von Vorprojekten Art. 34 b. Zusammenlegungen gemäss Art. 703 ZGB Art. 35 c. Genehmigung der Neuzuteilungsentwürfe Art. 36 5. Verfügte Landumlegungen Art. 37 6. Vorzeitige Besitzeinweisung Art. 38 7. Kostenanrechnung Art. 39 8. Enteignung; Einigungs- und Schätzungsverfahren; vorzeitige Besitzeinweisung Art. 40 II. Massnahmen im Interesse der Bodennutzung D. Bau und Ausbau der Nationalstrassen Art. 40a I. Zuständig- keiten Art. 41 II. Bau 1. Bauverfahren, Vergabe und Überwachung der Bau-arbeiten Art. 42 2. Schutzvorkehren während des Baues Art. 43 3. Übergabe an den Verkehr Art. 44 III. Bauliche Umgestaltung im Bereich von National- strassen Art. 45 IV. Verteilung der Kosten von Verlegungs-, Kreuzungs- und Anschlussbauwerken 1. Neue Anlagen Art. 46 2. Änderung bestehender Kreuzungen Art. 47 3. Abweichende Kostenregelung, Entscheid bei Streitigkeiten Art. 48 V. Verteilung der Kosten von Anpassungen an militärischen Verteidigungsanlagen Dritter Abschnitt: Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen Art. 49 I. Unterhalt und Betrieb 1. Grundsatz Art. 49a 2. Zuständigkeit Art. 50 II. Bewirtschaftung der Nebenanlagen Art. 51 III. Massnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit 1. Verbot sichtbehindernder Einrichtungen Art. 52 2. Schutzeinrichtungen Art. 53 3. Reklameverbot Vierter Abschnitt: Oberaufsicht des Bundes Art. 54 I. Oberaufsicht Art. 55 II. Ersatzvornahme Fünfter Abschnitt: … Art. 56-58 Art. 59 Sechster Abschnitt: Ausführungs-, Übergangs- und Schlussbestimmungen Art. 60 I. Vollzug des Gesetzes 1. Durch den Bundesrat Art. 61 2. Durch die Kantone Art. 61a Ia. Staats-verträge Art. 61b Ib. Gewerbliche Leistungen Art. 62 II. Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 18. Juni 1999 Art. 62a IIa. Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 6. Oktober 2006 Art. 63 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 30. September 2016 Art. 64 III. Änderung von Gesetzen Art. 65 IV. Ausstand von Mitgliedern oder Ersatzmännern der enteignungsrechtlichen Schätzungskommissionen Art. 66 V. Inkrafttreten
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Sachverhalt ab Seite 373 BGE 118 Ia 372 S. 373 W. ist Eigentümerin von zwei Grundstücken an der Mittelwiesstrasse/Ecke Bergstrasse in der Gemeinde Männedorf. Mit Verfügung Nr. 1632 vom 7. Juli 1989 setzte die Baudirektion des Kantons Zürich Verkehrsbau- und Niveaulinien an der Bergstrasse im Teilstück Seestrasse bis Alte Landstrasse fest. Die beiden Grundstücke von W. liegen zu knapp 50% ihrer Gesamtfläche innerhalb der Baulinien. Ziel der Bau- und Niveaulinienvorlage ist es in erster Linie, den Niveauübergang beim Bahnhof Männedorf/Bergstrasse aufzuheben, um eine flüssige Verkehrsführung im Zusammenhang mit dem Ausbau der SBB-Bahnlinie Zürich-Rapperswil und der zukünftigen Bedeutung der Bergstrasse als Zubringer zur Seestrasse sicherzustellen. BGE 118 Ia 372 S. 374 Gegen die Verfügung der Baudirektion erhob W. Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Sie beantragte, es sei auf die Festsetzung der geplanten Verkehrsbau- und Niveaulinien zu verzichten. Der Regierungsrat wies den Rekurs ab. Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt W. die Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Bei der Prüfung der Frage, ob sich die Eigentumsbeschränkung auf ein ausreichendes öffentliches Interesse zu stützen vermag, das die privaten Interessen der Beschwerdeführerin überwiegt, ist vom Zweck der festgesetzten Baulinien auszugehen. Die Bau- und Niveaulinien des Zürcher Rechts dienen in erster Linie der Sicherung bestehender und geplanter Anlagen und Flächen und damit der Freihaltung des künftigen Strassenraumes (§ 96 Abs. 1 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 mit Änderungen vom 1. September 1991 [Planungs- und Baugesetz, PBG]; BGE 110 Ib 51 E. 5; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Aufl., Zürich 1992, S. 84; ROBERT E. FLAACH, Baulinien im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1979, Bd. I/2, S. 900). In zweiter Linie dienen sie unter anderem der Sicherung des Landerwerbs und damit der Vorbereitung der formellen Enteignung; gemäss § 110 PBG steht dem Werkträger mit der Rechtskraft der Bau- und Niveaulinien im Rahmen ihrer Zweckbestimmung das Enteignungsrecht zu (ROBERT E. FLAACH, a.a.O., S. 922 f.). Zum Teil ähnlichen Zwecken dient die Projektierungszone gemäss den Art. 14 ff. des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (Nationalstrassengesetz, NSG; SR 725.11) . Diese kann zur Sicherung der Planung und des späteren Landerwerbs für den Strassenbau zur vorsorglichen Freihaltung des Strassenraumes erlassen werden (in BGE 101 Ia 328 nicht publizierte E. 1; ALFRED KUTTLER, Das Strassengesetz des Kantons Basel-Stadt im Dienste des städtischen Expressstrassenbaues, ZBl 61/1960, S. 442). Während indes Projektierungszonen spätestens mit dem Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Festsetzung dahinfallen und innert dieser Zeit durch die rechtskräftige Festsetzung der Baulinien abzulösen sind ( Art. 17 Abs. 1, Art. 22 ff. NSG ), kennt das zürcherische Recht für Verkehrsbaulinienpläne keine entsprechende Befristung. BGE 118 Ia 372 S. 375 Es ergibt sich hieraus, dass mit Rücksicht auf die schweren Eigentumsbeschränkungen, zu denen die Linienfestsetzung führt, konkrete Vorstellungen für den künftigen Strassenbau jedenfalls im Sinne eines generellen Projektes vorliegen müssen ( BGE 103 Ia 44 E. 3b). Für die blosse Projektsicherung im Sinne des Nationalstrassenrechts wären wohl Planungszonen gestützt auf § 346 PBG in Verbindung mit Art. 27 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) festzulegen. Mit Bezug auf die Funktion der Baulinien, das Enteignungsverfahren vorzubereiten, ist beizufügen, dass gemäss § 110 PBG dem Werkträger zwar mit der Rechtskraft der Verkehrsbaulinien das Enteignungsrecht an sich zusteht. Doch kann dieses im jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgeübt werden. § 110 PBG verweist auf den Rahmen der Zweckbestimmung der Bau- und Niveaulinien. Dieser Rahmen ergibt sich mit der für die Ausübung des Enteignungsrechtes erforderlichen Präzision erst aus dem Ausführungsprojekt, das für Staatsstrassen von der Baudirektion erst noch auszuarbeiten (§ 12 des Gesetzes über den Bau und den Unterhalt der öffentlichen Strassen vom 27. September 1981 [Strassengesetz, StrG]) und nach dessen Bereinigung durch den Regierungsrat zu genehmigen sein wird (§ 16 StrG). Im vorliegenden Fall wird aller Voraussicht nach das Strassenprojekt erst nach dem Jahre 2000 verwirklicht; an der Instruktionsverhandlung nannte der Vertreter des Tiefbauamtes als frühesten Termin das Jahr 2005. Die Beschwerdeführerin macht deshalb geltend, es fehle ein ausreichendes aktuelles Interesse, um ihre Liegenschaft mit der schwerwiegenden Eigentumsbeschränkung zu belasten. b) Es trifft zu, dass das Bundesgericht in BGE 79 I 230 bei der Überprüfung von Baulinien von der Notwendigkeit eines aktuellen Bedürfnisses spricht. Doch bezieht sich diese Forderung, wie sich aus den Erwägungen des Entscheids unmissverständlich ergibt, auf das Bedürfnis, künftige Hindernisse der Strassenausführung durch die Ziehung von Baulinien auszuschalten. Wie das Bundesgericht anerkannt hat, sind Baulinien nicht erst zu ziehen, wenn die Strasse erstellt werden muss. Vielmehr ist das aktuelle Bedürfnis für die Landsicherung schon dann gegeben, wenn ersichtlich ist, dass die Erstellung über kurz oder lang notwendig sein wird. Das Strassenprojekt bezieht sich auf überbautes Gebiet in der Nähe des Ortskernes von Männedorf und die Linienführung belastet zahlreiche Liegenschaften. Die betroffenen Parzellen liegen innerhalb von Bauzonen. Auch wenn das Strassenprojekt erst in zehn bis zwanzig BGE 118 Ia 372 S. 376 Jahren ausgeführt wird, ist die Landsicherung, welche mit den Baulinien bezweckt wird, gerechtfertigt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Bauvorhaben die spätere Bauausführung erschweren und verteuern. Um dies zu verhindern, sieht das Baugesetz das Bauverbot und das Änderungsverbot vor, die sich aus der Baulinienfestsetzung ergeben ( § § 99-101 PBG ; vgl. BGE 109 Ib 119 E. 4b). Für die Anordnung dieser Rechtswirkungen ist das von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangte aktuelle Bedürfnis entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gegeben. c) Die Beschwerdeführerin wendet sodann ein, der Nachweis eines ausreichenden öffentlichen Interesses setze die Prüfung von Varianten voraus. Es müsse feststehen, dass andere Lösungen, welche zu weniger schwerwiegenden Eingriffen führen würden, nicht gefunden werden könnten. Die Beschwerdeführerin ist namentlich der Meinung, die bestehende Strassenunterführung der Kugelgasse könne ausgebaut werden, womit die geplante neue Strassenführung mit einer teilweisen Untertunnelung der Strasse vermieden werden könne. Der angefochtene Entscheid lässt in der Tat nicht klar erkennen, ob und welche weiteren Lösungsmöglichkeiten geprüft wurden, wie dies der Regierungsrat im Beschwerdeverfahren versichert und die dem Bundesgericht zugestellten Akten bestätigen. Doch hat der Augenschein ergeben, dass der Ausbau der Unterführung Kugelgasse von den Behörden mit Grund als unbefriedigende Lösung verworfen werden durfte. Eine entsprechende Strassenführung würde durch den Ortskern führen, was unerwünscht ist. Auch wäre ein Ausbau der Einmündung der Kugelgasse in die Seestrasse erforderlich, was zu erheblichen Eingriffen in die bestehende Bausubstanz führen müsste. Für die Erschliessung der Überbauung oberhalb der Bahn müssten zum Teil neue Anschlüsse gesucht werden. Die gleiche Konsequenz ergäbe sich aus völlig neuen Strassenführungen, welche andere Wohngebiete oder Freihaltezonen beanspruchen würden. Nicht zu beanstanden ist ebenfalls, dass eine Unterführung der Bergstrasse an der jetzigen Lage verworfen wurde. Diese Variante würde wegen der starken Steigung, welche nach der Unterführung der Strasse bergseits in Kauf genommen werden müsste, zu kaum lösbaren Schwierigkeiten führen, wie der Augenschein bestätigt hat. Die kantonale Baudirektion und der Regierungsrat durften daher, ohne das ihnen zustehende Planungsermessen zu missbrauchen, der jetzt vorgeschlagenen Lösung, der auch der Gemeinderat Männedorf zustimmt, den Vorzug geben. BGE 118 Ia 372 S. 377 d) An der Aufhebung des Niveauüberganges der Bergstrasse besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, auch wenn zur Zeit die Bergstrasse noch keine aussergewöhnliche Verkehrsbelastung aufweist, wie sich dies aus den Erhebungen über die Verkehrsfrequenzen der Strasse und der Bahn ergibt. Die Aufhebung von Niveauübergängen dient nicht nur der Flüssigkeit des Verkehrs, sondern in erster Linie der Verkehrssicherheit. Aus diesem Grunde fördert der Bund die Aufhebung oder Sicherung von Niveauübergängen. Den Vorrang haben dabei Massnahmen, welche die Verkehrssicherheit rasch und wirksam heben, sowie solche, die dem Umweltschutz dienen (Art. 18 des Treibstoffzollgesetzes vom 22. März 1985 [SR 725.116.2]; Verordnung über Beiträge an die Aufhebung oder Sicherung von Niveauübergängen und an andere Massnahmen zur Trennung von öffentlichem und privatem Verkehr vom 6. November 1991 [Verkehrstrennungsverordnung; SR 725.121]). Die rechtsverbindliche Festlegung der Bau- und Niveaulinien für die neue Strassenführung hat allerdings ausser dem Anliegen der Verkehrssicherheit alle übrigen öffentlichen Interessen, welche die Strassenführung berühren, sowie die privaten Interessen der betroffenen Eigentümer in ausreichendem Masse zu berücksichtigen. Zu den öffentlichen Interessen zählen, wie dies aus Art. 18 des Treibstoffzollgesetzes hervorgeht, die Interessen des Umweltschutzes. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, die Linienfestsetzung trage diesen Interessen nicht oder jedenfalls in ungenügendem Masse Rechnung. Wie es sich damit verhält, ist nachfolgend zu prüfen. 5. a) Das Strassenprojekt, für welches mit den Baulinien die künftige Landbeanspruchung gesichert werden soll, ist als Verkehrsweg eine Anlage, die der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes untersteht ( Art. 7 Abs. 7 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 [Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01] ). Die Baudirektion und der Regierungsrat anerkennen, dass das Projekt die umweltschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen muss. Sie sind jedoch der Meinung, deren Einhaltung sei bei der Ausführungsprojektierung im Sinne der §§ 12-16 StrG zu berücksichtigen. Erst in diesem Zeitpunkt sei auch eine allenfalls notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wie dies in den kantonalen Einführungsbestimmungen für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in Ziff. D.11.3 vorgesehen wird. Auch der angefochtene Entscheid des Regierungsrates geht auf die umweltschutzrechtlichen Anforderungen nicht ein. Es fragt sich, ob diese Annahme den bundesrechtlichen Anforderungen genügt. BGE 118 Ia 372 S. 378 b) § 14 StrG verlangt die Beachtung des Umweltschutzes ausdrücklich. Die Vorschrift lautet wie folgt: "Die Strassen sind entsprechend ihrer Bedeutung und Zweckbestimmung nach den jeweiligen Erkenntnissen der Bau- und Verkehrstechnik, mit bestmöglicher Einordnung in die bauliche und landschaftliche Umgebung sowie unter Beachtung der Sicherheit, des Umweltschutzes, der Wirtschaftlichkeit und mit sparsamer Landbeanspruchung zu projektieren; die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs, der Fussgänger, der Radfahrer sowie der Behinderten und Gebrechlichen sind angemessen zu berücksichtigen." Wesentliche Anforderungen an die Projektierung werden nach dieser Vorschrift bereits mit der Linienfestsetzung verbindlich festgelegt, wie dies für die Gebote der bestmöglichen Einordnung in die bauliche und landschaftliche Umgebung sowie der sparsamen Landbeanspruchung zutrifft. Im vorliegenden Falle tragen die ausgearbeiteten generellen Projektstudien diesen Anforderungen Rechnung. Wie den Akten des Tiefbauamtes entnommen werden kann, wurden sowohl Einwendungen der kantonalen Natur- und Heimatschutzkommission als auch des von der Linienfestsetzung betroffenen Kreisspitales Männedorf soweit wie möglich berücksichtigt. Sodann ist dem Bericht des Tiefbauamtes zur Bau- und Niveaulinienvorlage vom 28. März 1989 zu entnehmen, dass die dem Baulinienplan zugrunde liegenden Elemente des generellen Strassenprojektes nach den VSS-Normalien bestimmt und für die Querschnittselemente (Fahrbahn- und Gehwegbreiten, Kreisverbreiterungen, Lichtraumprofil) durchwegs Minimalwerte gewählt wurden, woraus sich ein mittlerer Baulinienabstand von ca. 25 m ergibt. Hingegen können den Akten keine Überlegungen in bezug auf den Lärmschutz und die Luftverunreinigung entnommen werden. c) Der Bau- und Niveaulinienplan ist ein Sondernutzungsplan, der den planungsrechtlichen Anforderungen wie jeder Nutzungsplan entsprechen muss. Die Planfestsetzung hat nicht nur die Plankoordination mit der kantonalen, regionalen und kommunalen Planung zu beachten, der - wie dargelegt - in ausreichendem Masse nachgekommen wurde. Vielmehr ist bei der Planfestsetzung umfassend zu berücksichtigen und abzuwägen, ob das mit der Linienfestsetzung festgelegte Projekt in bestmöglicher Weise allen zu berücksichtigenden Interessen Rechnung trägt. Hiezu zählen die Interessen des Umweltschutzes ( Art. 3 Abs. 4 lit. c RPG , Art. 2 Abs. 1 lit. d und Art. 3 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 [RPV; SR 700.1]). Die Behörden haben in der Begründung ihrer Beschlüsse nachzuweisen, dass sie die massgebenden Interessen BGE 118 Ia 372 S. 379 berücksichtigt und abgewogen haben ( Art. 3 Abs. 2 RPV ). Auch hat die für die Genehmigung von Nutzungsplänen zuständige Behörde speziell darauf zu achten, ob der Nutzungsplan die Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung beachtet ( Art. 26 Abs. 1 RPV ). d) Diese raumplanungsrechtlichen Anforderungen decken sich mit den Geboten der Umweltschutzgesetzgebung. Zwar ordnet das kantonale Recht im Unterschied zu den Anforderungen des Bundesrechts für die Nationalstrassenplanung keine mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung (Ziff. 11.1 des Anhanges zur Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 [UVPV; SR 814.011]) an. Doch schliesst dies nicht aus, dass bei der rechtsverbindlichen Linienfestsetzung, welche das Ausführungsprojekt in erheblichem Masse vorbestimmt, geprüft werden muss, ob dieses der Umweltschutzgesetzgebung, insbesondere den Geboten der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; 814.41) und den Vorschriften der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1), wird Rechnung tragen können. Es ist freilich nicht zu verlangen, dass im Zeitpunkt der Linienfestsetzung bereits ein Ausführungsprojekt ausgearbeitet werden muss. Hingegen ist die Möglichkeit darzutun, dass das Projekt innerhalb des durch die Linien gesicherten Rahmens in Berücksichtigung der bestehenden Lärmbelastung, der massgebenden Lärmempfindlichkeitsstufen und der Belastung der Luft mit Schadstoffen so ausgearbeitet werden kann, dass es den Umweltvorschriften des Bundesrechts zu genügen vermag. Die im umstrittenen Baulinienplan vorgesehene Untertunnelung der Strasse, namentlich die Tunnelausfahrt im Bereiche der Liegenschaft der Beschwerdeführerin und in nächster Nähe von weiteren Wohn- und Gewerbebauten, wird Massnahmen bedingen, welche einer untragbaren Konzentration von Schadstoffen und von Lärmeinwirkungen entgegenwirken, auch wenn es Sache des Ausführungsprojektes sein wird, diese Massnahmen im einzelnen vorzusehen. Mit einer solchen Anforderung an die Baulinienfestsetzung wird weder die Planung noch die Ausführung ungebührlich erschwert, vielmehr werden spätere Schwierigkeiten und unliebsame Überraschungen vermieden. e) In diesem Zusammenhang kommt den betroffenen privaten Interessen der Beschwerdeführerin erhebliches Gewicht zu. Der angefochtene Entscheid geht davon aus, dass der Strassenbau sehr wahrscheinlich die Beseitigung ihres Wohn- und Geschäftshauses zur Folge haben werde, doch würden jedenfalls mittels eines Gestaltungsplans die Grundstücke der Beschwerdeführerin überbaubar BGE 118 Ia 372 S. 380 bleiben. Durch die vertikale Beschränkung der Baulinien werde ermöglicht, dass im fraglichen Bereich ausserhalb des Lichtraumprofils über die Strasse gebaut werden könne. Der Augenschein hat bestätigt, dass aller Voraussicht nach der Abbruch des bestehenden Gebäudes unvermeidlich sein wird, auch wenn der Vertreter des Tiefbauamtes die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen hat, dass bei der Strassenprojektierung Lösungen gefunden werden könnten, die es erlauben würden, das bestehende Haus beizubehalten. Sowohl für den Fall einer Neuüberbauung auf den verbleibenden Parzellenflächen wie auch im unwahrscheinlichen Fall der Erhaltung des Wohngebäudes ist es für die Beschwerdeführerin von erheblicher Bedeutung, Klarheit darüber zu erhalten, ob es zum Abbruch kommen wird oder nicht, sowie unter welchen Annahmen das Projekt den Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung tragen kann. Die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, eine für ihre Liegenschaften tragbare Lösung könne nicht gefunden werden, sind nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Die Vorinstanzen widerlegen sie auch nicht, sondern sie verweisen einzig auf die Ausführungsprojektierung in der Meinung, erst diese habe den Nachweis der Umweltverträglichkeit des Projektes zu erbringen. Mit diesem Vorgehen wird dem Gebot der Abstimmung raumwirksamer Tätigkeiten nur in unzureichendem Masse Rechnung getragen; auch ist eine ausreichende Interessenabwägung und Überprüfung der Verhältnismässigkeit des Eingriffes nicht möglich. Weiter ist zu beachten, dass die Geltendmachung des Heimschlagsrechtes ( § 103 PBG ) zeitlich befristet ist. Gemäss § 104 PBG kann es innert zehn Jahren geltend gemacht werden, nachdem die endgültige Unüberbaubarkeit des betroffenen Grundstücks feststeht oder behördlich festgestellt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden Rechtswirkungen der Baulinien, welche das bestehende Wohn- und Geschäftshaus annähernd zur Hälfte anschneiden, darf verlangt werden, dass der Kanton im Zeitpunkt der Linienfestsetzung jedenfalls grundsätzlich die Frage klärt, ob und unter welchen Voraussetzungen im Bereiche des bergseitigen Tunnelportals eine bauliche Lösung gefunden werden kann, die den Umweltschutzvorschriften entspricht. Ist der Abbruch des Wohn- und Geschäftshauses der Beschwerdeführerin unvermeidlich - wie dies aufgrund der Linienbelastung zuzutreffen scheint -, so ist sie zur rechtzeitigen Ausübung des Heimschlagsrechtes auf die Klarstellung der Auswirkungen auf ihre Liegenschaft angewiesen. BGE 118 Ia 372 S. 381 f) Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit gutzuheissen, da die vom Regierungsrat geschützte Linienfestsetzung auf einer unzureichenden Berücksichtigung und Abwägung aller massgebenden öffentlichen und privaten Interessen beruht. Die Gutheissung hat namentlich zur Folge, dass ergänzende Erhebungen über die künftige Unweltverträglichkeit des dem Baulinienplan zugrunde liegenden Strassenprojektes angestellt und in der Begründung des Festsetzungsbeschlusses sichtbar gemacht und dass die Auswirkungen des Projekts auf die Liegenschaften der Beschwerdeführerin präziser ermittelt werden müssen. 6. a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens kommt der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage, ob der ihr zustehende Rechtsschutz den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügt, keine für den Ausgang der Sache entscheidende Bedeutung zu. Dennoch ist festzuhalten, dass gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) Enteignungsverfahren in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallen, wie das Bundesgericht wiederholt festgestellt hat ( BGE 118 Ia 227 E. 1c; BGE 117 Ia 383 E. 5a mit Hinweisen auf die Urteile des EGMR). Dementsprechend hat der von einer Enteignung Betroffene Anspruch darauf, dass nicht nur die Entschädigungsfrage, sondern auch die Zulässigkeit der Enteignung im Streitfalle von einem Gericht beurteilt wird, dem eine umfassende Rechtskontrolle zusteht ( BGE 116 Ib 56 E. 3b; BGE 115 Ia 190 E. 4b; BGE 115 Ib 414 E. 3c; BGE 114 Ia 127 E. 4c, ch). Das Bundesrecht gewährleistet diesen Rechtsschutz bei Enteignungen nach dem eidgenössischen Enteignungsrecht (Art. 30, 35, 50 und 55 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 [EntG; SR 711] sowie die einschlägige Spezialgesetzgebung, wie zum Beispiel Art. 27 NSG , je in Verbindung mit Art. 97 und 99 lit. c OG ; BGE 111 Ib 231 f. E. 2e). Soweit ihn das kantonale Recht nicht in vollem Umfange gewährleistet, vermag im Einzelfall allenfalls das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren dem verlangten Gerichtsschutz gegenüber öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen zu genügen, wenn der Sachverhalt nicht bestritten ist und wenn die sich aus der Verfassungskontrolle ergebende Beschränkung auf den Blickwinkel der Willkür nicht zum Zuge kommt, sondern das Bundesgericht frei und umfassend prüft, ob eine klare gesetzliche Grundlage vorliegt und ob die massgebenden öffentlichen und privaten Interessen, welche die Beschränkung rechtfertigen, vollständig berücksichtigt und richtig abgewogen wurden ( BGE 117 Ia 501 ff. E. 2c-e). In diesem Falle stellt sich auch die Frage nicht, ob BGE 118 Ia 372 S. 382 die Präzisierung der auslegenden Erklärung der Schweiz zu Art. 6 EMRK , die der Bundesrat am 27. Dezember 1988 dem Generalsekretär des Europarates übermittelt hat, gültig ist. Es könnte ohnehin die Frage aufgeworfen werden, ob der entsprechende Anspruch auf Rechtsschutz unter den heutigen Verhältnissen nicht zu den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen zu zählen ist, die das Bundesgericht aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 22ter BV herleitet ( BGE 112 Ib 177 f. E. 3a). b) Soweit die Beschwerdeführerin zufolge der Baulinienfestsetzung einen Anspruch aus materieller Enteignung geltend macht ( § 102 PBG ), steht ihr auf kantonaler Ebene mit dem Klageverfahren vor Verwaltungsgericht (§ 46 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 [Abtretungsgesetz; AbtrG] in Verbindung mit § 82 lit. g VRG; ALFRED KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, N 27 ff. zu § 82) der volle Gerichtsschutz zu. In Streitigkeiten über materielle Enteignungen urteilt das Verwaltungsgericht sowohl über die Frage, ob eine Eigentumsbeschränkung vorliegt, die einer Enteignung gleichkommt ( Art. 5 Abs. 2 RPG ), als auch über die Höhe der Entschädigung. In diesen Fällen ist ausserdem die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben (Art. 5 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 RPG ). Das kantonale Recht räumt der Beschwerdeführerin unter gewissen Voraussetzungen als Folge der Belastung ihrer Liegenschaft mit Baulinien ein Heimschlagsrecht ein (§§ 103 f. PBG). Übt sie dieses Recht aus, steht ihr ebenfalls voller Gerichtsschutz zu ( § 82 lit. h PBG ; ALFRED KÖLZ, a.a.O., N 50 ff. zu § 82; dazu auch BGE 114 Ia 18 f. betreffend das gesetzliche Vorkaufsrecht). Auch über Ausnahmen vom Bauverbot gemäss § 100 PBG und über die Bewilligung von Vorkehren, die nach § 101 PBG dem Veränderungsverbot unterstehen, entscheidet kantonal letztinstanzlich das Verwaltungsgericht ( § 2 lit. c und § 329 Abs. 1 lit. a PBG in Verbindung mit § 43 lit. b und § 44 lit. b VRG; ALFRED KÖLZ, a.a.O., N 7 zu § 43). c) Sollte zu gegebener Zeit der Staat das formelle Enteignungsrecht ausüben ( § 110 PBG ; vorstehende Erw. 4a), so richtet sich das Verfahren nach dem Abtretungsgesetz in Verbindung mit dem Verwaltungsrechtspflegegesetz. Das Verwaltungsgericht hat gemäss § 44 lit. d VRG Streitigkeiten über die Pflicht zur zwangsweisen Abtretung von Grundeigentum und dinglichen Rechten zu beurteilen. Doch steht heute nicht mit Sicherheit fest, ob das Verwaltungsgericht im gegebenen Zeitpunkt eine Art. 6 Ziff. 1 EMRK entsprechende BGE 118 Ia 372 S. 383 Kontrolle der Baulinienfestsetzung ausüben wird. ALFRED KÖLZ (a.a.O., N 11 zu § 44) legt dar, dass die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der Überprüfung von Baulinienplänen teilweise eingeschränkt sei. Indes schliesst diese Unsicherheit nicht aus, dass das Verwaltungsgericht möglicherweise seine Rechtsprechung so ausüben oder weiterentwicklen wird, dass sie den Anforderungen des Bundesrechts (einschliesslich der EMRK) genügt. Sollte dies wider Erwarten zu gegebener Zeit nicht zutreffen, wären bundesgerichtliche Anordnungen nicht von vorneherein ausgeschlossen ( BGE 118 Ia 227 E. 1c, 358 E. 2c). d) Der dargelegte umfassende Gerichtsschutz, wie ihn das Zürcher Recht, allenfalls ergänzt durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, vorsieht, entspricht zweifellos den Anforderungen der EMRK. Er könnte akzessorisch auf die Rechtsgültigkeit der Baulinienfestsetzung ausgedehnt werden (dazu BGE 116 Ia 209 ff. E. 2 und 3 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichtes vom 26. Oktober 1983, publiziert in ZBl. 87/1986 S. 502 f.), falls die Beschwerdeführerin eine entsprechende Einwendung erheben oder etwa eine Überprüfung des Nutzungsplanes gestützt auf Art. 21 RPG verlangen sollte. Dennoch ist dem Kanton Zürich namentlich aufgrund des Umstandes, dass der das Enteignungsrecht gewährende Baulinienplan ein Verwaltungsplan ist, gegen dessen Festsetzung ein voller Gerichtsschutz gewährleistet sein muss (Urteil Sporrong und Lönnroth des EGMR vom 23. September 1982, Série A vol. 52 = EuGRZ 1983, S. 523; Urteil Bodén des EGMR vom 27. Oktober 1987, Série A vol. 125 = EuGRZ 1988 S. 452), zu empfehlen, eine direkte Beschwerde an eine kantonale Instanz, die den Anforderungen eines Gerichts im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK entspricht, zu schaffen. Dies würde auch den raumplanungsrechtlichen Anforderungen besser entsprechen, vermag es doch kaum zu befriedigen, wenn erst im späteren Zeitpunkt der Ausübung des Enteignungsrechts, im Falle der Erklärung des Heimschlags oder bei einer sonstigen Streitigkeit über Beschränkungen, die sich aus der Baulinie ergeben, deren Rechtsgültigkeit gerichtlich festgestellt wird. Sodann würde sich ebenfalls nicht die Frage stellen, ob die erwähnte Präzisierung der auslegenden Erklärung gültig ist.
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Sachverhalt ab Seite 70 BGE 117 III 70 S. 70 A.- Zwischen der Gautschi Holding AG und dem Konkursamt Glarus ist streitig, ob der am 19. August 1986 als geschlossen erklärte Konkurs über die Suter-Leemann AG in Glarus gemäss Art. 269 SchKG wiederaufzunehmen bzw. auf verschiedene Forderungen - Pfanderlös, ungerechtfertigte Bereicherung, Verrechnung mit der Masse - auszudehnen sei. Diese Forderungen BGE 117 III 70 S. 71 sollen sich nach der Behauptung der Rekurrentin erst im Gefolge eines Kollokationsprozesses gegen die Spar- und Hypothekenbank Luzern (erledigt durch Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 24. August/14. Dezember 1987 bzw. durch Urteil des Bundesgerichts vom 25. Mai 1989) herauskristallisiert haben. Das Konkursamt lehnte die Wiederaufnahme des Konkurses mit der Begründung ab, dass es sich bei den fraglichen sechs Forderungen im Gesamtbetrag von Fr. 4'741'576.35 nicht um neu entdecktes Vermögen der Konkursitin handle, habe doch die Gautschi Holding AG in ihrem Schreiben vom 3. Mai 1990 selber erklärt, dass sich die Beträge aus den Konkursakten ergäben. B.- Die Verfügung des Konkursamtes wurde vom Präsidenten des Kantonsgerichts Glarus als unterer Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs geschützt, indem die hiegegen gerichtete Beschwerde der Gautschi Holding AG am 17. Dezember 1990 abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war. Denselben Entscheid fällte in seiner Sitzung vom 26. August 1991 das Kantonsgericht Glarus als obere Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Demgegenüber hiess die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den Rekurs gut und hob den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde auf. Sie wies das Konkursamt an, über die Ausdehnung des Nachkonkurses über die Suter-Leemann AG neu zu entscheiden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Kantonsgericht Glarus hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, aus dem von der Beschwerdeführerin zu den Akten gegebenen Schreiben vom 3. Mai 1990 gehe hervor, dass die als neu entdecktes Vermögen geltend gemachten Forderungen der Konkursmasse Suter-Leemann AG gegen die Spar- und Hypothekenbank Luzern seit 1983 bekannt gewesen seien. Es sei unbekannt, weshalb sie von der Konkursverwaltung im Konkurs nicht berücksichtigt worden seien. Dagegen hätte Beschwerde geführt werden können; doch sei dies nicht geschehen, obwohl noch ein Kollokationsprozess mit der Gautschi Holding AG als Klägerin pendent gewesen sei, der von ihr ungefähr zum gleichen Zeitpunkt an das Obergericht Glarus weitergezogen worden sei, wo der Konkurs über die Suter-Leemann AG als geschlossen erklärt wurde. Auf die Rüge wegen der nach der Meinung der Beschwerdeführerin BGE 117 III 70 S. 72 vorzeitigen Schliessung des Konkurses könne heute nicht mehr eingetreten werden. Dass im Nachkonkurs nun bloss die im ordentlichen Zivilprozess geprüfte Forderung behandelt werde, sei nicht zu beanstanden. Bei diesem Vermögenswert könne man mit Fug von neu entdecktem Vermögen sprechen. Das könne aber nicht gelten für (strittige oder unstrittige) Forderungen, die im Konkursverfahren bereits summenmässig bekannt gewesen seien und aus heute nicht mehr zu ermittelnden Gründen nicht berücksichtigt worden seien. Andernfalls würde ein Nachkonkurs praktisch zur Revision eines ganzen Konkursverfahrens führen, was nicht Sinn und Zweck von Art. 269 SchKG sei. Da die Konkursämter eher bereit seien, die Voraussetzungen von Art. 269 SchKG als gegeben zu betrachten - führt die kantonale Aufsichtsbehörde weiter aus -, damit ein Streit über den materiellen Bestand einer Forderung und den Zeitpunkt ihres Entstehens in einem gerichtlichen Verfahren entschieden werden könne, "müsste die Beschwerdeführerin im vorliegenden Aufsichtsbeschwerdeverfahren deutlichere, konkretere und überzeugendere Hinweise auf das Vorhandensein von Gründen für praxisfremde Entscheide des Konkursamtes beziehungsweise des damals zuständig gewesenen Konkursverwalters geben können". Aus den Akten seien solche Gründe nicht als hinreichend überzeugend erkennbar. Daher müsse angenommen werden, dass das Konkursamt Glarus zu Recht die fraglichen Forderungen von insgesamt 4,7 Millionen Franken als nicht unter Art. 269 SchKG subsumierbares (neu entdecktes) Vermögen betrachtet habe. 2. a) Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. In ihren Beschwerden an die untere und hernach die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat die Gautschi Holding AG klar dargelegt, dass und weshalb sie die weiteren Forderungen als neu entdeckte Vermögensstücke im Sinne von Art. 269 SchKG betrachtet, und dabei auf die nicht leicht zu überblickenden Zusammenhänge hingewiesen. Damit haben sich die beiden kantonalen Aufsichtsbehörden mit keinem Wort auseinandergesetzt. Vielmehr haben sie sich mit dem Hinweis auf das Schreiben der Gautschi Holding AG vom 3. Mai 1990 an deren damaligen Rechtsvertreter begnügt, worin erklärt wird: "Die Beträge ergeben sich aus den Konkursakten und sind von Dr. Honegger leider jeweils in der falschen Kolonne in seinem Statut oder überhaupt nicht aufgeführt worden." Entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung lässt sich diesem Schreiben nur entnehmen, BGE 117 III 70 S. 73 dass Belege für die Forderungen offenbar in den Konkursakten zu finden sind. Es lässt sich daraus aber nicht der Schluss ziehen, dass die Konkursorgane oder die (Mehrzahl der) Gläubiger über Anhaltspunkte verfügten, wonach diese Forderungen tatsächlich als Aktiven zur Konkursmasse zu ziehen gewesen wären, was aber wissentlich oder versehentlich nicht geschehen ist. b) Art. 269 SchKG stellt den Entscheid, ob ein Vermögenswert als neu entdecktes Vermögen in den Nachkonkurs einbezogen werden soll, nicht völlig dem Ermessen des Konkursamtes anheim. Im Hinblick auf die Folgen einer Ablehnung kann sich das Konkursamt nur ausnahmsweise - bei eindeutiger Sach- und Rechtslage - weigern, für behauptete Rechtsansprüche einen Nachkonkurs zu eröffnen ( BGE 90 III 45 ff. E. 2 und 3). Sieht es selber keine Möglichkeit, solche Rechtsansprüche für die Konkursmasse durchzusetzen, so kann es entsprechend der Bestimmung von Art. 269 Abs. 3 SchKG vorgehen. Es ist denn auch nach der Rechtsprechung in erster Linie Sache des Richters, und nicht des Konkursamtes bzw. der Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für einen Nachkonkurs gegeben sind oder nicht (vgl. die jüngste Rechtsprechung in BGE 116 III 98 ff.). c) Da es im vorliegenden Fall sehr unklar ist, wie es sich rechtlich mit den geltend gemachten Forderungen verhält, kann die Zulässigkeit des Nachkonkurses auch nicht entscheidend davon abhängen, ob die Gautschi Holding AG selber Kenntnis vom Bestand weiterer Forderungen gegen die Konkursitin hatte oder hätte haben müssen. Zwar obliegt es der Rekurrentin, näher darzulegen, weshalb sie glaubt, dass neue Vermögensstücke im Sinne von Art. 269 SchKG vorhanden seien; und dafür hat sie denn auch zumindest Indizien geliefert. Aber es kann ihr im Hinblick darauf, dass der Ausschluss des Nachkonkurses den endgültigen Verlust eines allenfalls eben doch zur Konkursmasse gehörenden Rechtsanspruchs bewirken würde, der Nachkonkurs nicht mit dem blossen Hinweis darauf verweigert werden, dass sie selber im Schreiben vom 3. Mai 1990 auf die Konkursakten verwiesen hat ( BGE 116 III 104 E. 6b, 105 E. 6d). Vielmehr muss das Konkursamt - gerade aufgrund der Konkursakten - zuerst einmal selber abklären, ob die Existenz der umstrittenen Forderungen vor Durchführung des Kollokationsprozesses wirklich nicht bekannt sein konnte oder aus welchen Gründen sonst diese Forderungen seinerzeit im Konkurs der Suter-Leemann AG nicht in die Konkursmasse BGE 117 III 70 S. 74 einbezogen worden sind. Je nachdem muss sich das Konkursamt über den einzuschlagenden Weg klar werden und sich dabei vor allem die für streitige Forderungen anwendbare Vorschrift von Art. 269 Abs. 3 SchKG vor Augen halten (siehe auch AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, S. 397 f., insbesondere Rz. 6 und 8; WALDER, Der Nachkonkurs, BlSchK 45/1981, S. 1 ff., S. 33 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 114 BGE 113 II 113 S. 114 A.- Mit Beschluss vom 17. November 1982 stellte das Bezirksgericht Winterthur fest, dass A. T. der Vater der von M. L. geborenen Kinder Sergio Antonio und Veronica Marianne sei. Ferner genehmigte es einen Vergleich der Parteien, in welchem sich A. T. zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für die Kinder verpflichtet hatte. Am 13. Mai 1983 trat die Mutter, die sich inzwischen mit M. G. verheiratet hatte, die Unterhaltsforderungen der Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon ab, welche diese Forderungen in der Folge bevorschusste. Am 4. Januar 1985 richtete das Jugendsekretariat des Bezirkes Pfäffikon, Zweigstelle Effretikon, ein Schreiben an A. T., worin es folgenden Vorschlag machte: "Herr G. - Ehemann der Mutter ihrer beiden Kinder - ist grundsätzlich bereit, Veronica und Sergio zu adoptieren. Herr und Frau G. sind darüber hinaus bereit, mit sofortiger Wirkung auf die Alimente von Ihnen zu verzichten, wenn Sie Ihrerseits auf das Besuchsrecht verzichten." Mit Schreiben vom 11. Januar 1985 erklärte sich A. T. mit diesem Vorschlag einverstanden. Die Vormundschaftsbehörde bevorschusste aber die Unterhaltsbeiträge weiterhin und setzte sie am 13. Mai 1986 in Betreibung. A. T. erhob Rechtsvorschlag, soweit die Betreibung die von Januar 1985 an bevorschussten Unterhaltsbeiträge betraf, d.h. im Umfang von Fr. 7'200.--. B.- Am 14. August 1986 ersuchte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Winterthur in der Betreibung gegen A. T. um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für Fr. 7'200.-- nebst Zins und Kosten. Mit Verfügung vom 30. September 1986 wies der Einzelrichter das Gesuch ab. Er nahm an, mit dem Briefwechsel vom 4./11. Januar 1985 sei ein gültiger Alimentenverzichtsvertrag zustandegekommen. Eine Nichtigkeitsbeschwerde der Vormundschaftsbehörde gegen diese Verfügung wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Dezember 1986 abgewiesen. C.- Die Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Sie beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, ihr die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Der Beschwerdegegner beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. BGE 113 II 113 S. 115 Über die Frage der Parteifähigkeit der Beschwerdeführerin wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdegegner begründet seinen Nichteintretensantrag in erster Linie damit, dass die Vormundschaftsbehörde der Stadt Illnau-Effretikon nicht parteifähig sei. In der Tat kann eine Behörde nicht selbständig staatsrechtliche Beschwerde erheben, sondern nur das Gemeinwesen, dessen Organ sie ist. Indessen darf ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Vormundschaftsbehörde für die Stadt Illnau-Effretikon Beschwerde führen wollte. Der Beschwerdegegner weist selber darauf hin, dass Gläubigerin der abgetretenen Unterhaltsforderungen nur die Stadt Illnau-Effretikon sein kann (obwohl in der Abtretungsurkunde als Zessionarin die Vormundschaftsbehörde genannt ist). Er konnte denn auch nicht im Zweifel darüber sein, dass die von der Vormundschaftsbehörde angehobene Betreibung in Wirklichkeit die Stadt betraf. Dementsprechend hat er seinen Rechtsvorschlag nicht etwa damit begründet, dass die in Betreibung gesetzten Forderungen nicht der als Gläubigerin aufgeführten Vormundschaftsbehörde zustünden. Dass sich die Vormundschaftsbehörde in der Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich als Organ bzw. Vertreterin der Stadt bezeichnete, ist nicht zu beanstanden, da sich dies von selbst verstand. Die Gerichtspraxis pflegt denn auch an einem solchen Vorgehen keinen Anstoss zu nehmen (STRÄULI/MESSMER, N. 4 zu § 27/28 ZPO ZH; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 125 Anm. 5). Der Beschwerdegegner macht freilich geltend, die Vormundschaftsbehörde sei zur Vertretung der Stadt nicht berechtigt. Nach der Gemeindeordnung sei es vielmehr Aufgabe des Stadtrats, über die Erhebung einer gerichtlichen Klage zu beschliessen. Ein solcher Beschluss sei innert der Beschwerdefrist nicht gefasst worden. Der Stadtrat von Illnau-Effretikon hat indessen mit Beschluss vom 19. März 1987 festgestellt, dass der Vollzug des kantonalen Jugendhilfegesetzes (worunter auch die Alimentenbevorschussung fällt) im Rahmen der Aufgaben der Exekutive der Stadt Sache der Vormundschaftsbehörde sei; diese Behörde sei damit beauftragt und verantwortlich, namens der Stadt über alle Fragen im Rahmen BGE 113 II 113 S. 116 dieser Zuständigkeit abschliessend zu entscheiden; dazu gehöre unter anderem auch die Führung von Prozessen und die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde. In diesem durch das vorliegende Verfahren veranlassten Beschluss ist zumindest eine Genehmigung der Prozessführung durch die Vormundschaftsbehörde zu erblicken. Dass der Beschluss erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gefasst worden ist, ist ohne Belang. Art. 18 Abs. 3 BZP , der nach Art. 40 OG auf das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde analog anwendbar ist, schreibt nämlich vor, dass Prozesshandlungen, die von einem nicht bevollmächtigten Vertreter vorgenommen wurden und vom Vertretenen nicht genehmigt werden, von Amtes wegen nichtig zu erklären sind. Daraus folgt umgekehrt, dass Prozesshandlungen des vollmachtlosen Stellvertreters gültig sind, wenn sie vom Vertretenen nachträglich genehmigt werden, wie dies hier der Fall war (vgl. auch BGE 101 Ia 394 /395 E. 1, BGE 96 I 467 E. 1, sowie Art. 29 Abs. 1 OG ). Auf die Beschwerde ist somit unter diesem Gesichtspunkt einzutreten. Als Beschwerdeführerin ist jedoch die Stadt Illnau-Effretikon zu betrachten. Das Rubrum ist entsprechend zu berichtigen. 4. Der Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur vom 17. November 1982, mit welchem der Vergleich betreffend die vom Beschwerdegegner zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge genehmigt worden war, stellt unbestrittenermassen einen Titel für die definitive Rechtsöffnung dar. Streitig ist im vorliegenden Verfahren nur, ob im Briefwechsel vom 4./11. Januar 1985 ein gültiger Verzicht auf die Unterhaltsbeiträge zu erblicken ist. Nach Art. 287 Abs. 1 ZGB werden Unterhaltsverträge für das Kind erst mit der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde verbindlich. Das gleiche muss auch gelten, wenn der gerichtlich oder vertraglich festgesetzte Unterhaltsbeitrag nachträglich abgeändert oder aufgehoben wird (HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 2. Aufl., S. 122). Die Vormundschaftsbehörde hat jedoch den Alimentenverzichtsvertrag vom 4./11. Januar 1985 nie genehmigt, jedenfalls nicht in einem förmlichen Beschluss. Das Obergericht ist allerdings der Auffassung, der Einzelrichter habe ohne Ermessensüberschreitung annehmen dürfen, die Vormundschaftsbehörde sei mit dem dem Beschwerdegegner von Jugendsekretär Schwarz im Namen der Mutter unterbreiteten Vorschlag einverstanden gewesen; einerseits habe Schwarz das Schreiben vom 4. Januar 1985 für die Mutter verfasst, anderseits sei er sowohl in der Betreibung als auch vor Gericht als Vertreter der Vormundschaftsbehörde aufgetreten. BGE 113 II 113 S. 117 Diese Argumentation wird in der Beschwerde zu Recht als willkürlich beanstandet. Aus dem Umstand, dass Jugendsekretär Schwarz in der Betreibung und im Rechtsöffnungsverfahren als Vertreter der Vormundschaftsbehörde auftrat, ableiten zu wollen, die Vormundschaftsbehörde sei mit dem Alimentenverzicht einverstanden gewesen, ist an sich schon fragwürdig, weil die Betreibung ja gerade die Ungültigkeit dieser Vereinbarung voraussetzte. Im Schreiben vom 4. Januar 1985 ist Schwarz sodann nicht ausdrücklich als Vertreter der Vormundschaftsbehörde aufgetreten, sondern er hat seinen Vorschlag im Namen der Eheleute G. gemacht bzw. deren Offerte übermittelt. Auch wenn es sich aber anders verhalten hätte, könnte dies die Genehmigung der Vereinbarung durch die Vormundschaftsbehörde selbst nicht ersetzen. Die der Vormundschaftsbehörde von Gesetzes wegen zustehende Genehmigungskompetenz kann nicht an einen Vertreter und auch nicht an die mit dem Inkasso von bevorschussten Unterhaltsbeiträgen beauftragte Amtsstelle delegiert werden. Ob die Genehmigung eines Unterhaltsvertrages auch stillschweigend erfolgen dürfe, kann im übrigen dahingestellt bleiben. Eine solche Genehmigung würde auf jeden Fall voraussetzen, dass die Mitglieder der Vormundschaftsbehörde vom Vertragsabschluss Kenntnis erhalten haben. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, wurde nie behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners kommt es auch nicht darauf an, ob er in guten Treuen habe annehmen dürfen, die Vormundschaftsbehörde sei mit dem Vorgehen des Jugendsekretärs einverstanden. Die Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde kann nicht durch den guten Glauben des Vertragsgegners ersetzt werden. Art. 287 Abs. 1 ZGB will das Kind schlechthin, unabhängig von allfälligen Vorstellungen des Vertragsgegners, vor nachteiligen Unterhaltsverträgen schützen. Dieser Schutz wäre nicht gewährleistet, wenn im Falle der Gutgläubigkeit des Vertragsgegners vom Erfordernis der Genehmigung des Unterhaltsvertrags durch die Vormundschaftsbehörde abgesehen würde. Indem das Obergericht den Alimentverzichtsvertrag als gültig erachtete, hat es sich somit über den klaren Wortlaut und den Sinn von Art. 287 Abs. 1 ZGB hinweggesetzt, weshalb sein Entscheid als willkürlich aufzuheben ist.
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Erwägungen ab Seite 357 BGE 132 V 357 S. 357 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Es steht fest und ist letztinstanzlich zu Recht unstrittig, dass die rückwirkende Zusprechung einer halben Invalidenrente für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis 30. April 2002 sowie einer ganzen BGE 132 V 357 S. 358 Invalidenrente ab 1. Mai 2002 hinsichtlich der formlos erbrachten Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung vom 1. Oktober 2001 bis 27. Juni 2002 eine neue erhebliche Tatsache darstellt, deren Unkenntnis die Arbeitslosenkasse nicht zu vertreten hat ( BGE 108 V 167 ; ARV 1998 Nr. 15 S. 81 Erw. 5a mit Hinweisen [Urteil vom 12. Dezember 1996, C 188/95]), weshalb ein Zurückkommen auf die ausgerichteten Leistungen auf dem Wege der prozessualen Revision zulässig ist. 3.2 Auf Grund der Parteivorbringen strittig ist einzig der Umfang der Rückerstattungspflicht. 3.2.1 Uneinigkeit besteht dabei über den durch Auslegung zu bestimmenden Bedeutungsgehalt des Art. 40b AVIV (in Kraft seit 1. Juli 1985, AS 1985 648; zur Gesetzesauslegung statt vieler: BGE 125 II 196 Erw. 3a, BGE 125 V 244 Erw. 5a, BGE 125 V 130 Erw. 5, BGE 125 V 180 Erw. 2a mit Hinweisen), welcher bei der Bemessung der Taggelder invalider Versicherter zu berücksichtigen ist. Die Vorinstanz erwog, für die Bestimmung des versicherten Verdienstes nach Art. 40b AVIV sei auf das (monatliche) hypothetische Invalideneinkommen abzustellen. Das Beschwerde führende Staatssekretariat für Wirtschaft stellt sich auf den Standpunkt, dass der Lohn massgebend sei, den die versicherte Person vor der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit - während eines bestimmten Bemessungszeitraumes ( Art. 37 AVIV ) - tatsächlich erzielt habe ( Art. 23 Abs. 1 AVIG ). Das auf diese Weise ermittelte Einkommen sei alsdann mit dem Faktor zu multiplizieren, der sich aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad ergebe (in diesem Sinne: THOMAS FAESI, Arbeitslosenentschädigung und Zwischenverdienst - Ursachen und Wirkungen der zweiten Teilrevision des AVIG, Diss. Zürich 1999, S. 398 Ziff. 19). 3.2.2 Art. 40b AVIV ("Versicherter Verdienst von Behinderten", "Gain assuré des handicapés", "Guadagno assicurato degli impediti fisici o psichici"; zur Gesetzmässigkeit der Bestimmung: Urteil vom 8. November 2005, C 256/03) lautet in den drei amtssprachlichen Fassungen ( Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [Publikationsgesetz; SR 170.512] , in Kraft getreten am 1. Januar 2005; Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. März 1986 über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt, aufgehoben auf 31. Dezember 2004 durch Art. 20 Publikationsgesetz) wie folgt: BGE 132 V 357 S. 359 "Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht." "Est déterminant pour le calcul du gain assuré des personnes qui, en raison de leur santé, subissent une atteinte dans leur capacité de travail durant le chômage ou immédiatement avant, le gain qu'elles pourraient obtenir, compte tenu de leur capacité effective de gagner leur vie." "Nel caso di assicurati che subiscono, a cagione del loro stato di salute, una menomazione della loro capacità lucrativa durante la disoccupazione o immediatamente prima, è determinante il guadagno che corrisponde alla capacità lucrativa rimanente." 3.2.3 Der Wortlaut des Art. 40b AVIV gibt keine klare, d.h. eindeutige und unmissverständliche Antwort darauf, welche der beiden Rechtsauffassungen (Erw. 3.2.1) zutreffend ist. Entsprechendes gilt für die Auslegung nach systematischen und teleologischen Gesichtspunkten. Die Ratio legis des Art. 40b AVIV besteht darin, über die Korrektur des versicherten Verdienstes die Koordination zur Eidgenössischen Invalidenversicherung zu bewerkstelligen, um eine Überentschädigung durch das Zusammenfallen einer Invalidenrente mit Arbeitslosentaggeldern zu verhindern. Beide divergierenden Interpretationen sind in gleicher Weise geeignet, diesem Normzweck zu genügen. Dem historischen Auslegungselement kommt allgemein insofern bloss beschränkte Bedeutung zu, als die Interpretation von Gesetzen nicht entscheidend historisch zu orientieren, im Grundsatz aber dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten ist ( BGE 131 III 103 f. Erw. 3.2 mit Hinweisen). Im hier zu beurteilenden Fall ist die Materialienlage dürftig. Laut Schreiben des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 18. April 1985 an den Bundesrat soll durch das Abstellen auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit verhindert werden, dass die Arbeitslosenentschädigung auf einem Verdienst ermittelt wird, den der Versicherte nicht mehr erzielen könne. Daraus kann für die hier strittige Auslegungsfrage nichts Entscheidendes gewonnen werden. 3.2.4 3.2.4.1 Aus den - normunmittelbaren - Auslegungselementen ergibt sich nicht eindeutig, welche der beiden Rechtsauffassungen dem Rechtssinn am besten entspricht. Weil Art. 40b AVIV vor über zwanzig Jahren in Kraft getreten ist (1. Juli 1985), liegt es daher nahe, zu prüfen, wie Verwaltung und Gerichte die BGE 132 V 357 S. 360 Streitfrage in der Vergangenheit entschieden haben, dies insbesondere mit Blick auf die Regel, dass bei Fehlen entscheidender Gründe für eine Rechtsprechungsänderung die bisherige Praxis beizubehalten ist. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der Ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Nach der Judikatur ist eine bisherige Praxis zu ändern, wenn sie als unrichtig erkannt oder wenn deren Verschärfung wegen veränderter Verhältnisse oder zufolge zunehmender Missbräuche für zweckmässig gehalten wird ( BGE 131 V 110 Erw. 3.1, BGE 130 V 372 Erw. 5.1, BGE 130 V 495 Erw. 4.1, BGE 129 V 373 Erw. 3.3, BGE 126 V 40 Erw. 5a, BGE 125 I 471 Erw. 4a, je mit Hinweisen). 3.2.4.2 Rz 192 f. des Kreisschreibens über die Arbeitslosenentschädigung (KS-ALE; in der ab 1. Juli 1985 gültig gewesenen Fassung) bestimmte, dass bei der Berechnung des versicherten Verdienstes der Lohn massgebend ist, den die versicherte Person vor der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit erzielt hatte. Das auf diese Weise ermittelte Einkommen war alsdann mit dem Faktor zu multiplizieren, der sich aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad ergab. An dieser Berechnungsart, welche der Rechtsauffassung der Beschwerde führenden Partei entspricht, haben die diversen Revisionen des zitierten Kreisschreibens bis zum heutigen Tage inhaltlich nichts geändert (vgl. Rz 234 ff. der ab 1. Januar 1989 gültig gewesenen Fassung, Rz 212 ff. der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Fassung und Rz C24 der ab 1. Januar 2003 gültig gewesenen Fassung des KS-ALE und schliesslich die Weisung "Koordination ALV - IV" vom 4. Juli 2005, AVIG-Praxis 2005/29 Ziff. 4). Diese Berechnungsweise entspricht sodann der - publizierten - Rechtsprechung ( BGE 127 V 486 Erw. 2b mit Hinweisen; ARV 1991 Nr. 10 S. 92 [Urteil vom 1. Mai 1991, C 57/90], 1988 Nr. 5 S. 34 [Urteil vom 18. Dezember 1987, C 11/87]). Dass das Eidgenössische Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil vom 6. November 1995, C 177/95, einen kantonalen Entscheid bestätigte, worin der versicherte Verdienst gemäss Art. 40b AVIV entsprechend dem von der IV ermittelten Invalideneinkommen festgesetzt wurde, gibt keinen hinreichenden Anlass, die über Jahrzehnte hinweg konstante Verwaltungspraxis und die gleich lautende höchstrichterliche Rechtsprechung zu ändern. BGE 132 V 357 S. 361 3.2.4.3 Zusammenfassend gilt Folgendes: Für die Bemessung des versicherten Verdienstes gemäss Art. 40b AVIV ist - entsprechend der Verwaltungspraxis und gemäss ständiger Rechtsprechung - der Lohn massgebend, den die versicherte Person vor der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit - während eines bestimmten Zeitraumes ( Art. 37 AVIV ) - tatsächlich erzielt hat. Diese Betrachtungsweise entspricht dem klaren Wortlaut und Sinn von Art. 23 Abs. 1 AVIG , was im Rahmen gebotener gesetzeskonformer Verordnungsauslegung ( BGE 131 V 266 Erw. 5.1 in fine) von entscheidender Bedeutung ist. Das entsprechende Einkommen ist mit dem Faktor zu multiplizieren, der sich aus der Differenz zwischen 100 % und dem Invaliditätsgrad ergibt. Die im Urteil vom 8. November 2005, C 256/03, offen gelassene Frage, ob als versicherter Verdienst im Sinne des Art. 40b AVIV das hypothetische Invalideneinkommen heranzuziehen sei, ist zu verneinen.
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Erwägungen ab Seite 377 BGE 122 V 377 S. 377 Aus den Erwägungen: 2. a) Die beim Beschwerdeführer seit 1989 als Folge einer Pneumokokkensepsis mit Meningoencephalitis bestehende beidseitige Gehörlosigkeit stellt einen stabilen Defektzustand dar und ist medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung daher grundsätzlich zugänglich. Ebenso steht fest, dass es sich beim Cochlea-Implantat (CI) im Sinne von Art. 2 Abs. 1 IVV um eine nach bewährter BGE 122 V 377 S. 378 Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigte Massnahme handelt ( BGE 115 V 195 ff. Erw. 4a-d). b) Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob die Massnahme den Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstrebt, wie dies nach Art. 2 Abs. 1 IVV verlangt wird. Im Hinblick auf die geforderte Zweckmässigkeit der Versorgung mit einem CI als medizinische Eingliederungsmassnahme nach Art. 12 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 IVV wurde in BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb u.a. festgehalten, dass sich das CI vor allem für den postlingual Ertaubten mit guten Kenntnissen der Muttersprache eignet, und gemäss BGE 115 V 207 Erw. 6a i.f. sind die Chancen der kommunikativen Rehabilitation bei einem Versicherten, der an einer unmittelbar nach der Geburt aufgetretenen - prälingualen - Gehörlosigkeit leidet, nicht günstig. Bei angeborener Taubheit würden daher aufgrund der Testerfahrungen nur besonders ausgewählte Versicherte für ein CI in Frage kommen. aa) Das kantonale Gericht führte unter Berufung auf BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb und 206 f. Erw. 6a aus, dass die Massnahme nicht als zweckmässig erachtet werden könne, weil beim Beschwerdeführer eine prälinguale Ertaubung vorliege. Im weiteren müssten die Erfolgsaussichten bei verknöcherter Cochlea, wie sie beim Versicherten bestehe, aufgrund der Aussagen der Spezialärzte der Universitätsklinik X und des Kantonsspitals K. als schlecht eingestuft werden. Aus allen eingeholten Arztberichten ergebe sich, dass wohl eine Operationsmöglichkeit bestehe, der durch das Implantat erzielbare Gewinn indessen als gering zu betrachten sei. Unter den gegebenen Umständen bestehe ein Missverhältnis zwischen den Kosten der Massnahme und dem damit verfolgten Zweck; das Erfordernis der Einfachheit sei deshalb ebenfalls nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer wendet unter Hinweis auf die Darlegungen des Dr. Seeger, Basel, vorgetragen an der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz der Schweizer CI-Gruppe (HNO-Kliniken der Universitäts- und Kantonsspitäler Basel, Bern, Genf, Luzern, Zürich) vom 18. März 1993, ein, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei heute gesichert, dass prälingual ertaubte und geburtstaube Kinder nach einer etwas längeren Eingewöhnungszeit vom CI in gleicher Weise profitierten wie peri- und postlingual ertaubte Kinder. Insoweit sei BGE 115 V 206 f. Erw. 6a als wissenschaftlich überholt zu bezeichnen, wovon im übrigen auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ausgehe: Nach dessen IV-Rundschreiben Nr. 7 vom 15. Juni 1994 und Nr. 15 vom 10. August 1995 werde BGE 122 V 377 S. 379 das CI auch bei angeborener oder prälingualer Ertaubung von der Invalidenversicherung übernommen. Unter Beilage verschiedener wissenschaftlicher Publikationen aus dem Ausland wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ferner geltend gemacht, neueste Erfahrungen zeigten, dass Kinder mit verknöcherter Cochlea ebenso gute Erfolgsaussichten haben könnten wie Empfänger von Implantaten mit normaler Cochlea. bb) Soweit aus BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb und 207 Erw. 6a geschlossen werden muss, dass bei angeborener oder prälingualer Taubheit nur besonders ausgewählte Versicherte für ein CI in Frage kommen, weil die Erfolgsaussichten der Versorgung mit einem CI nicht günstig sind, kann an diesen Aussagen im Lichte neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht festgehalten werden. Dr. Seeger (CI-Resultate bei Kindern und Erwachsenen aus internationaler Sicht in: Dokumentation Konsensus-Konferenz Cochlear Implant, 18. März 1993) hält als wichtige Langzeit-Ergebnisse von Untersuchungen in den USA, Australien und mehreren europäischen Staaten bei geburtstauben und prälingual ertaubten Kindern folgendes fest: - Alle Kinder zeigen deutliche Verbesserungen ihrer sprachperzeptiven Fähigkeiten über die Zeit hinweg. - Alle Kinder, die ihr CI mindestens drei Jahre hatten, also auch die Geburtstauben und Frühertaubten, erreichten ein offenes Sprachverstehen. - Anfängliche Unterschiede zwischen kongenital und prälingual ertaubten Kindern auf der einen und postlingual ertaubten Kindern auf der andern Seite wurden mit zunehmender Zeit immer geringer. Zusammenfassend stellte Dr. Seeger fest, die bisher vorliegenden Untersuchungen bei geburtstauben und prälingual ertaubten Kindern gäben zu Optimismus Anlass: Es scheint, dass sie nach einiger Zeit des regelmässigen Gebrauchs ähnlich gut von ihrem CI profitieren wie es die peri- und postlingual ertaubten Kinder tun. Dass diese Darlegungen keinen Eingang ins Ergebnisprotokoll der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz der Schweizer CI-Gruppe vom 18. März 1993 (Protokoll vom 19. April 1993) gefunden haben, spricht nicht gegen deren Zuverlässigkeit, sondern ist auf die fehlenden Erfahrungen an den Schweizer Kliniken zurückzuführen, wie aus anderen Stellen im Protokoll deutlich ersichtlich wird. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass das CI nach der Verwaltungspraxis (IV-Rundschreiben des BSV Nr. 7 vom 15. Juni 1994 und Nr. 15 vom 10. August 1995) auch bei Geburts- und Frühertaubten von der Invalidenversicherung übernommen wird. BGE 122 V 377 S. 380 cc) Mit dem Erfordernis, dass die medizinische Massnahme den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstrebt, bringt Art. 2 Abs. 1 IVV den als allgemeines Prinzip im gesamten Leistungsrecht der Invalidenversicherung geltenden Verhältnismässigkeitsgrundsatz ( BGE 119 V 254 mit Hinweisen) zum Ausdruck, der die Relation zwischen den Kosten der medizinischen Massnahme einerseits und dem mit der Eingliederungsmassnahme verfolgten Zweck anderseits beschlägt. Eine betragsmässige Begrenzung der notwendigen Massnahme käme mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Bestimmung nur in Frage, wenn zwischen der Massnahme und dem Eingliederungszweck ein derart krasses Missverhältnis bestünde, dass sich die Übernahme der Eingliederungsmassnahme schlechthin nicht verantworten liesse ( BGE 115 V 198 Erw. 4e/cc mit Hinweisen). Soweit die Vorinstanz die Übernahme des CI unter dem Gesichtswinkel der Einfachheit der Massnahme mit der Begründung ablehnte, dass bei verknöcherter Cochlea die Erfolgsaussichten als gering bezeichnet werden müssten, weshalb zwischen der Massnahme und dem angestrebten Erfolg ein Missverhältnis bestehe, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Dem Ergebnisprotokoll der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz ist zwar zu entnehmen, dass bei Verknöcherung der Schnecke (Cochlea) gewisse operative Schwierigkeiten auftreten, indem unter Umständen nicht alle Elektroden implantiert werden können. Indessen wird eingeräumt, dass mehrere Autoren von guten Ergebnissen auch bei partiellen Implantationen berichteten, und es wird wiederum auf die mangelnde Erfahrung der Schweizer ORL-Kliniken in solchen Fällen hingewiesen. Aus den mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu aufgelegten wissenschaftlichen Publikationen geht hervor, dass die Forschung eine Verknöcherung der Cochlea für die Vornahme einer Cochlear-Implantation anfänglich als Kontraindikation betrachtete. Durch die Entwicklung der chirurgischen Technik in den letzten Jahren habe man das Problem der verknöcherten Cochlea jedoch besser in den Griff bekommen. Neueste Erfahrungen zeigten, dass Kinder mit ossifizierter Cochlea ebenso gute Erfolgsaussichten haben könnten wie Empfänger von Implantaten mit normaler Cochlea (JON K. SHALLOP u.a., Multichannel Cochlear Implant in Children with Labyrinthitis Ossificans, Wien 1994; O. DEGUINE u.a., Technique chirurgicale et résultats de l'implant cochléaire dans les cochlées normales et ossifiées, in Revue de laryngologie, Bd. 114 Nr. 1, 1993, S. 5 ff.; JOHN L. KEMINK u.a., Auditory Performance of Children With Cochlear Ossification and Partial Implant Insertion, in Laryngoscope 102, September 1992). Im Lichte dieser neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse ist der Argumentation der Vorinstanz, die Versorgung mit einem CI müsse im vorliegenden Fall wegen der Verknöcherung der Cochlea als unverhältnismässig und damit dem Gebot der Einfachheit der Massnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 IVV widersprechend bezeichnet werden, die Grundlage entzogen. Vielmehr kann als erstellt gelten, dass die hohen Kosten für das CI auch bei den vorliegenden anatomischen Gegebenheiten in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Eingliederungserfolg stehen. Die Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 1 IVV sind somit entgegen den Ausführungen der Vorinstanz als erfüllt zu betrachten.
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Sachverhalt ab Seite 47 BGE 113 Ia 46 S. 47 A.- Am 14. März 1983 wurde im Kanton Zürich die Volksinitiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" in der Form der einfachen Anregung eingereicht; sie verlangt, es sei die Besteuerung von Ehepaaren im zürcherischen BGE 113 Ia 46 S. 48 Steuergesetz so auszugestalten, dass Verheiratete nicht höher belastet werden, als wenn sie einzeln besteuert würden. Ebenfalls am 14. März 1983 wurde die Volksinitiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht; diese Initiative verlangt unter der Marginalie "Ausgleich der kalten Progression" die Neufassung von § 200bis des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern. Auf Antrag des Regierungsrates des Kantons Zürich lehnte der Kantonsrat des Kantons Zürich die beiden Initiativen ab und beschloss als Gegenvorschlag eine umfassende Änderung des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern (Steuergesetz). Diese Änderung bezieht sich auf verschiedene Materien, so insbesondere auf die Familienbesteuerung (§ 8-10), die subjektive Steuerpflicht (§ 16), das Objekt der Einkommenssteuer (§ 19, 24 und 25), die Steuerberechnung (§ 31 und 32), die Steuern der juristischen Personen (§ 46, 48, 51), verschiedene Verfahrensfragen (§ 53, 58bis, 73 und 74 sowie 84 und 85), den Ausgleich der kalten Progression (§ 200bis) sowie die Übergangsbestimmungen (§ 202bis ff.). Mit Beschluss vom 5. März 1986 ordnete der Regierungsrat des Kantons Zürich die Volksabstimmung über die beiden Initiativen und den Gegenvorschlag für den 8. Juni 1986 an und formulierte die Abstimmungsfragen für die drei Steuervorlagen wie folgt: "Wollen Sie folgende Vorlagen annehmen? A. Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden B. Volksinitiative für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression) C. Gegenvorschlag des Kantonsrates: Gesetz über die direkten Steuern (Steuergesetz) (Änderung)" Gemäss dem Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes gilt für das Abstimmungsverfahren, dass alle drei Fragen mit Ja beantwortet werden können. Erhalten zwei oder alle drei Vorlagen mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen, so gilt allein diejenige als angenommen, welche die grösste Zahl an Ja-Stimmen aufweist. B.- Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates vom 5. März 1986 reichten der Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich sowie drei Stimmbürger beim Bundesgericht am 19. März 1986 staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG ein. Sie verlangen die Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses und machen hierfür eine Verletzung der Einheit der Materie BGE 113 Ia 46 S. 49 sowie des Initiativrechts geltend. Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde. C.- Mit prozessleitender Verfügung vom 8. April 1986 wurde das Gesuch der Beschwerdeführer abgewiesen, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen bzw. die Volksabstimmung sei abzusetzen. In der Folge wurde die Volksabstimmung über die drei Steuervorlagen am 8. Juni 1986 durchgeführt. Alle drei Vorlagen wurden mit den folgenden Stimmenverhältnissen angenommen: - die Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden mit 98 362 Ja gegen 84 395 Nein, - die Volksinitiative für den Ausgleich der kalten Progression mit 93 263 Ja gegen 86 768 Nein, - der Gegenvorschlag des Kantonsrates mit 99 073 Ja gegen 80 086 Nein. Als Vorlage mit der höchsten Anzahl Ja-Stimmen galt demnach der Gegenvorschlag des Kantonsrates auf Änderung des zürcherischen Steuergesetzes als angenommen. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 1. a) Mit der vorliegenden Beschwerde wird eine Verletzung der politischen Rechte geltend gemacht und damit eine Rüge im Sinn von Art. 85 lit. a OG erhoben. Hierzu sind die Beschwerdeführer, welche unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Kantons Zürich sind, legitimiert ( BGE 111 Ia 116 , BGE 110 Ia 177 , mit Hinweisen). Darüber hinaus sind grundsätzlich auch politische Parteien, welche im Gebiet des betreffenden Gemeinwesens tätig sind, zur Erhebung der Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG legitimiert ( BGE 111 Ia 116 , mit Hinweisen); dies trifft auf den Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich zu. In dieser Hinsicht kann daher auf die vorliegende Beschwerde eingetreten werden. b) Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen sind gemäss Art. 86 Abs. 1 OG nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Das zürcherische Wahlgesetz vom 4. September 1983 (WG) sieht in § 123 grundsätzlich eine Beschwerde wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen und Abstimmungen vor, erklärt diese nach Abs. 2 dieser Bestimmung jedoch gegen Beschlüsse der BGE 113 Ia 46 S. 50 Stimmberechtigten des Kantons und der obersten kantonalen Behörden als unzulässig. Als oberste kantonale Behörden in diesem Sinne gelten nach der Praxis sowohl der Kantonsrat wie der Regierungsrat. Aus diesem Grunde ist der Regierungsrat mit Beschluss vom 26. März 1986 auf eine Beschwerde eines der beteiligten Beschwerdeführer nicht eingetreten, mit welcher der Regierungsratsbeschluss vom 5. März 1986 betreffend das Abstimmungsverfahren angefochten worden war. Demnach stellt der angefochtene Beschluss des Regierungsrates - entsprechend der zum früheren Wahlgesetz des Kantons Zürich geübten Praxis - einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar (vgl. ZBl 83/1982, S. 548 ff. E. 1; BGE 106 Ia 22 ). Auf die Beschwerde kann daher auch in dieser Hinsicht eingetreten werden. c) Mit dem angefochtenen Beschluss des Regierungsrates wurde die Volksabstimmung über die drei Steuervorlagen angeordnet und die Abstimmungsfrage festgesetzt. Er stellt damit eine Vorbereitungshandlung zu einer Abstimmung dar, welche nach der Rechtsprechung gemäss Art. 89 OG innert dreissig Tagen mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden muss ( BGE 110 Ia 178 E. a). Die vorliegende Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als rechtzeitig. Wird eine Abstimmung indessen wegen Abweisung des Gesuches um aufschiebende Wirkung aufgrund der beanstandeten Vorbereitungshandlung durchgeführt, so ist die dagegen gerichtete Beschwerde so zu verstehen, dass sinngemäss auch der Antrag auf Aufhebung der Abstimmung selber gestellt wird ( BGE 110 Ia 180 , BGE 105 Ia 150 ). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Hauptantrag der Beschwerdeführer ist daher als Antrag um Aufhebung der Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 zu verstehen. 2. a) Gemäss Art. 29 der zürcherischen Kantonsverfassung (KV) umfasst das Initiativrecht die Befugnis, Begehren auf Änderung der Verfassung sowie auf Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes oder eines verfassungsmässig obligatorisch der Volksabstimmung unterliegenden Beschlusses zu stellen. Initiativbegehren sind sowohl in der Form der einfachen Anregung als auch in derjenigen des ausgearbeiteten Entwurfes zulässig. Der Kantonsrat kann dem Volk gleichzeitig mit dem Initiativbegehren einen Gegenvorschlag unterbreiten. Hinsichtlich der näheren Bestimmungen wird auf die Gesetzgebung verwiesen. Die Einzelheiten des Verfahrens bei Volksinitiativen sind im Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 BGE 113 Ia 46 S. 51 (Initiativgesetz; GS 162) geregelt. Neben Bestimmungen über den Gegenstand und die Form von Initiativen und deren Gültigkeit (§ 1- § 4) enthält das Initiativgesetz eine Regelung über den Erlass und die Gegenüberstellung eines Gegenvorschlages mit folgendem Wortlaut: "§ 6. Stimmt der Kantonsrat einer Initiative, die zur Volksabstimmung gebracht werden muss, nicht oder nur teilweise zu, so kann er einen formulierten Gegenvorschlag aufstellen. Stellt der Kantonsrat einer oder mehreren, den gleichen Gegenstand betreffenden Initiativen einen Gegenvorschlag gegenüber, so ist dieser gleichzeitig der Volksabstimmung zu unterbreiten." Ferner regelt das Initiativgesetz das Abstimmungsverfahren bei gleichzeitiger Abstimmung über mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende Vorlagen mit folgender Bestimmung: "§ 7. Erfolgt eine gleichzeitige Abstimmung über eine oder mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende Initiativen mit oder ohne Gegenvorschlag des Kantonsrates, so werden den Stimmberechtigten einfache Alternativfragen vorgelegt. Die Bejahung mehr als einer dieser Fragen ist zulässig. Erhalten mehrere Vorlagen mehr bejahende als verneinende Stimmen, so gilt diejenige als angenommen, für welche die grössere Zahl von bejahenden Stimmen abgegeben worden ist. Weisen mehrere Vorlagen, auf die mehr bejahende als verneinende Stimmen entfallen sind, die gleiche Zahl von bejahenden Stimmen auf, so gilt diejenige als angenommen, welche die kleinere Zahl von verneinenden Stimmen erhalten hat." b) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimmrechts umschreiben oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen ( BGE 111 Ia 194 E. 4a, 197 E. 2a; BGE 110 Ia 181 E. 5a; BGE 108 Ia 167 E. a, mit Hinweisen). Zu diesen Vorschriften gehören auch die Bestimmungen des Initiativgesetzes. 3. Nach § 7 des Initiativgesetzes können mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende Vorlagen den Stimmbürgern gleichzeitig nur Abstimmung vorgelegt werden. Dabei ist es zulässig, dass der einzelne Stimmbürger mehrere Fragen bejaht. Gesamthaft gesehen kann indessen nur eine einzige Vorlage angenommen werden. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dieses vom zürcherischen Recht vorgesehene Abstimmungsverfahren verstosse an sich gegen die politischen Rechte oder das Initiativrecht und sei aus diesem Grunde verfassungswidrig. Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit dieses Abstimmungsverfahrens nicht in Zweifel BGE 113 Ia 46 S. 52 gezogen (vgl. ZBl 87/1986 S. 173 E. 3 und 83/1982 S. 554 E. d). Für die Beurteilung der vorliegenden Stimmrechtsbeschwerde ist daher von diesem Abstimmungsverfahren auszugehen. 4. Die Beschwerdeführer rügen in erster Linie, dass mit der gemeinsamen Abstimmung über die drei Steuervorlagen der Grundsatz der Einheit der Materie verletzt worden sei. a) Der Grundsatz der Einheit der Materie ist im zürcherischen Recht nur hinsichtlich der Volksinitiative ausdrücklich verankert; nach § 4 Abs. 1 Ziff. 4 des Initiativgesetzes sind Initiativen ungültig, welche Begehren verschiedener Art enthalten, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen, es sei denn, es handle sich um eine Initiative auf Gesamtrevision der Verfassung. Der Grundsatz der Einheit der Materie gilt indessen generell auch von Bundesrechts wegen. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt dem Bürger allgemein den Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 108 Ia 157 E. 3b; BGE 106 Ia 22 E. 4; BGE 105 Ia 153 E. 3a, mit Hinweisen). Daraus wird unter anderem das generell gültige Prinzip der Einheit der Materie abgeleitet, wonach verschiedene Materien nicht zu einer Abstimmungsfrage verbunden werden dürfen ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 105 Ia 14 , 376; BGE 104 Ia 223 E. b; BGE 99 Ia 183 , 645, 731 E. 3; BGE 96 I 652 E. 7; BGE 90 I 73 E. a). Der Grundsatz der Einheit der Materie ist bei allen Vorlagen zu beachten, die auf Initiative hin oder aufgrund eines (obligatorischen oder fakultativen) Referendums dem Volk einzeln zur Abstimmung unterbreitet werden ( BGE 105 Ia 376 ; BGE 104 Ia 223 E. 2b; BGE 99 Ia 182 , 646; BGE 97 I 673 , mit Hinweisen). Die Tragweite des Grundsatzes der Einheit der Materie im einzelnen wird in der Praxis differenziert gewichtet (vgl. unveröffentlichtes Urteil i.S. Hentsch vom 18. Dezember 1984, E. 5). So werden höhere Anforderungen an Partialrevisionen der Verfassung gestellt als an Gesetzesvorlagen ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 99 Ia 646 ). Der Grundsatz wird bei Initiativen strenger gehandhabt als bei behördlichen Vorlagen, da es neben der Gewährleistung des politischen Stimmrechts bei den Initiativen zusätzlich darum geht, die missbräuchliche Ausübung des Initiativrechts und eine unzulässige Erleichterung der Unterschriftensammlung zu verhindern ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 99 Ia 182 E. 3b; vgl. Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 423 ff.; vgl. ferner die Kritik bei ALFRED KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der BGE 113 Ia 46 S. 53 Rechtsprechung des Bundesgerichts, in: ZBl 83/1982 S. 20 mit Fn. 128; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band I, Zürich 1980, S. 225). Schliesslich werden formulierte Initiativen strenger beurteilt als allgemeine Anregungen, welche zusätzlich einer Ausarbeitung durch den Gesetzgeber bedürfen (vgl. BGE 111 Ia 295 ; BGE 105 Ia 366 E. 4; BGE 96 I 653 ). In bezug auf Gesetzesvorlagen im speziellen hat das Bundesgericht ausgeführt, dass der Grundsatz der Einheit der Materie gewahrt ist, sofern eine bestimmte Materie geregelt werden soll und die einzelnen, zu diesem Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen. Der Stimmbürger hat keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass ihm einzelne, allenfalls besonders wichtige Vorschriften eines Gesetzes, das eine bestimmte Materie regelt, gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden; er muss sich vielmehr auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Gesetzesvorlage entscheiden, wenn er nur mit einzelnen Vorschriften einverstanden bzw. mit einzelnen Bestimmungen nicht einverstanden ist ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 99 Ia 646 E. 5b, mit Hinweisen). b) Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, der Gegenvorschlag des Kantonsrates zu den beiden genannten Steuerinitiativen verletze, für sich allein betrachtet, den Grundsatz der Einheit der Materie. Es ist denn auch unbestritten, dass der Gegenvorschlag die umgrenzte Materie des kantonalen Steuerrechts neu ordnet und dass die einzelnen, zu diesem Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen. Dies trifft auch für die Bereiche der Familienbesteuerung und des Ausgleichs der kalten Progression zu, wie sie von den genannten Initiativen (in weitergehendem Masse) verlangt worden sind. Nach der erwähnten Rechtsprechung hat der Stimmbürger keinen Anspruch darauf, dass ihm diese Fragen gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden. Demnach ist im folgenden davon auszugehen, dass der Gegenvorschlag als solcher den Grundsatz der Einheit der Materie nicht verletzt. 5. a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Kantone befugt, einer Initiative - auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage - einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen ( BGE 104 Ia 245 ; BGE 101 Ia 495 E. 4a; BGE 100 Ia 57 ; BGE 91 I 193 E. 2; vgl. KÖLZ, a.a.O., S. 30 f.; ETIENNE GRISEL, Initiative et référendum populaires, Lausanne/Dorigny 1987, S. 218 f.); der Gegenvorschlag kann je nach der Ausgestaltung des kantonalen Rechts BGE 113 Ia 46 S. 54 unter Umständen eine andere Stufe der Rechtssetzung betreffen als die Initiative ( BGE 104 Ia 249 E. c; ZBl 83/1982 S. 552 f.; nicht amtlich publizierte E. 6b von BGE 100 Ia 53 , in: SJ 96/1974 S. 557 ff.). Das Bundesgericht hat allerdings nicht übersehen, dass die Vorlage eines Gegenvorschlages die Aussichten eines Volksbegehrens, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, mehr oder weniger vermindert. Es hat dies im Hinblick auf die den Stimmberechtigten gebotene grössere Entscheidungsfreiheit sowie in Anbetracht der dem Parlament zukommenden Aufgabe der Gesetzgebung und der durch ein Initiativbegehren ausgelösten Fortentwicklung des Rechts in Kauf genommen ( BGE 104 Ia 246 ; BGE 91 I 193 E. 2; ZBl 87/1986 S. 173 f., 83/1982 S. 554 E. d; KÖLZ, a.a.O., S. 30 f.; GRISEL, a.a.O., S. 218 f.). Die Gegenüberstellung eines Gegenvorschlages ist indessen an gewisse Schranken in formeller und materieller Hinsicht gebunden (vgl. ZBl 83/1982 S. 552 E. b). Zum einen hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, es sei in jedem Fall darauf zu achten, dass das Abstimmungsverfahren eine genügend differenzierte Stimmabgabe ermögliche (ZBl 87/1986 S. 173 f.; 83/1982 S. 554 E. d; KÖLZ, a.a.O., S. 31 und 32 ff.); der Gegenvorschlag dürfe gegenüber der Initiative im Abstimmungsverfahren nicht bevorteilt werden und insbesondere nicht vor der Initiative zur Abstimmung gelangen ( BGE 104 Ia 248 E. 4a; ZBl 83/1982 S. 552 und 554; ANDREAS AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, Lausanne 1987, S. 67 N. 127). Zum andern muss der Gegenvorschlag in materieller Hinsicht mit dem Zweck und Gegenstand der Initiative eng zusammenhängen und dem Stimmbürger eine echte Alternative einräumen. Mit dem Gegenvorschlag darf eine Initiative zwar sowohl formell als auch materiell verbessert werden; doch darf mit ihm keine andere Frage als mit der Initiative gestellt, sondern lediglich andere Antworten vorgeschlagen werden ( BGE 101 Ia 496 ; BGE 100 Ia 58 E. 6a; ZBl 83/1982 S. 552 E. b; vgl. zum Bundesrecht GRISEL, a.a.O., S. 211; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel 1967, N. 399; URSULA HEFTI-SPOERRY, Gegenentwurf und Rückzug bei Verfassungsinitiativen im Bund, Diss. Zürich 1958, S. 10 ff.). Dieser materielle Aspekt hat eine enge Beziehung zum Grundsatz der Einheit der Materie und stellt gewissermassen das Prinzip der Einheit der Materie in einem weiteren Sinne dar ( BGE 100 Ia 59 ; AUBERT, a.a.O., N. 399). Diesen Gedanken bringt das zürcherische Initiativgesetz in den § 6 und § 7 zum Ausdruck. Fehlt es in diesem Sinne an der engen Beziehung BGE 113 Ia 46 S. 55 zwischen Initiative und Gegenvorschlag, so kann der Stimmbürger seinen Willen nicht frei und unverfälscht zum Ausdruck bringen. Darin kann eine Verletzung sowohl der politischen Rechte im allgemeinen als auch des Initiativrechts im speziellen liegen (vgl. AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, S. 26 N. 50; JÖRG PAUL MÜLLER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1978, in: ZBJV 116/1980 S. 282 f.). b) Die Beschwerdeführer machen in dieser Hinsicht eine Verletzung der Einheit der Materie geltend. Sie verkennen zwar nicht, dass die beiden Steuerinitiativen und der Gegenvorschlag des Kantonsrates eine enge Beziehung haben und dieselbe Materie betreffen. Doch erachten sie es als grundsätzlich unzulässig, einer Gesetzesinitiative mit einer eng umgrenzten Fragestellung als Gegenvorschlag eine weitgefasste Gesetzesrevision gegenüberzustellen, welche eine grosse Zahl von anderen Bereichen ohne Zusammenhang mit den Initiativbegehren neu regelt. Dies treffe auf beide Initiativen in ihrem Verhältnis zum Gegenvorschlag des Kantonsrates zu. Das Bundesgericht hat in seiner Praxis anerkannt, dass ein Gegenvorschlag des Parlaments, der die gleiche Materie und den gleichen Zweck betrifft wie die Initiative, in der Realisierung der Anliegen leicht über diese hinausgehen dürfe ( BGE 100 Ia 59 f.). Es ist nicht zu verkennen, dass dadurch über den Umstand hinaus, dass überhaupt ein Gegenvorschlag erarbeitet wird, die Aussichten der Initiative, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, zusätzlich vermindert werden. Es ist bei dieser Sachlage nicht auszuschliessen, dass die Stimmbürger den Gegenvorschlag gerade wegen der weitergehenden Vorschläge annehmen. Diese Gefahr kann sich insbesondere bei einem Gegenvorschlag auf umfassende Revision des Steuergesetzes ergeben, mit dem Steuererleichterungen gewährt werden sollen, die mit dem auf einen Teilbereich beschränkten Initiativbegehren in keinem Zusammenhang stehen; eigentliche Missbräuche sind in dieser Hinsicht nicht auszuschliessen. Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass der hier streitige Gegenvorschlag des zürcherischen Kantonsrates wohl in vermehrtem Masse über die Initiativen hinausgeht als in dem vom Bundesgericht im Jahre 1974 beurteilten Fall betreffend eine genferische Vorlage über den Schutz von Fauna und Flora bzw. ein Jagdverbot ( BGE 100 Ia 59 f.; vgl. hierzu die vollständige BGE 113 Ia 46 S. 56 Publikation des Urteils in: SJ 96/1974 S. 545 ff.). Dennoch kann das Vorgehen des Kantonsrates in dieser Hinsicht nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Dem Parlament kommt von Verfassungs wegen die Aufgabe der Gesetzgebung zu. Es kann Gesetzesvorlagen nicht nur auf eigene Initiative oder auf Antrag des Regierungsrates hin erarbeiten, sondern ein Volksbegehren auch zum Anlass für den Erlass oder eine Revision von Gesetzen nehmen. Das verfassungsmässige Vorschlagsrecht des Parlamentes wird durch die Ausübung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Initiativrechts nicht aufgehoben oder aufgeschoben (vgl. BGE 91 I 194 ; AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, S. 66 N. 126; KÖLZ, a.a.O., S. 31). Eine Grenze findet das Vorschlagsrecht des Parlaments dort, wo ein Gegenvorschlag aus sachwidrigen Motiven ausgearbeitet wird und damit als rechtsmissbräuchlich erscheint (KÖLZ, a.a.O., S. 35; ANDREAS AUER, Les droits politiques dans les cantons suisses, Genève 1978, S. 150). Im übrigen ist im Einzelfall u.a. durch ein eine genügend differenzierte Stimmabgabe ermöglichendes Abstimmungsverfahren ein Ausgleich zwischen dem verfassungsmässigen Vorschlagsrecht des Parlaments und dem verfassungsmässigen Initiativrecht zu schaffen. Müsste das Parlament seinen Gegenvorschlag auf den engen Bereich der Initiative beschränken, hätte dies oftmals zur Folge, dass eine weitergehende Gesetzesrevision in verschiedene Teilvorlagen unterteilt werden und unter Umständen in mehreren Abstimmungen dem Volke unterbreitet werden müsste; dies widerspräche zusätzlich dem auch im Abstimmungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Praktikabilität (vgl. ZBl 87/1986 S. 175). Im Umstand allein, dass einer auf einen engen Sachbereich beschränkten Initiative ein über diesen Bereich hinausgehender Gegenvorschlag gegenübergestellt wird, kann demnach keine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie bzw. des Initiativrechts erblickt werden. Dem Kantonsrat kann im vorliegenden Fall auch nicht vorgeworfen werden, seinen weitergehenden Gegenvorschlag aus sachwidrigen und damit rechtsmissbräuchlichen Gründen ausgearbeitet zu haben; denn es galt, das zürcherische Steuergesetz an die Erfordernisse des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), des bundesgerichtlichen Entscheides BGE 110 Ia 7 sowie von Art. 4 Abs. 2 BV anzupassen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit mit ihr Umfang und BGE 113 Ia 46 S. 57 Tragweite des Gegenvorschlags im Verhältnis zu der einen wie der andern Steuerinitiative gerügt wird. 6. Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, es verletze den Grundsatz der Einheit der Materie und ihr Initiativrecht, dass über die beiden Steuerinitiativen und den Gegenvorschlag gleichzeitig und gekoppelt abgestimmt worden ist. Für die Beurteilung dieser Rüge ist vom Abstimmungsverfahren nach § 7 des zürcherischen Initiativgesetzes auszugehen, wonach der einzelne Stimmbürger zwar alle drei Fragen bejahen kann, gesamthaft indessen nur eine einzige Vorlage angenommen werden kann. a) Im Falle einer Volksabstimmung über eine einzige Vorlage muss sich der Stimmbürger auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Vorlage entscheiden, wenn er mit einzelnen Punkten nicht einverstanden ist und andere befürwortet ( BGE 111 Ia 198 ; BGE 99 Ia 646 E. 5b). Stehen sich zwei Vorlagen direkt gegenüber, die den Grundsatz der Einheit der Materie wahren, so verhält es sich grundsätzlich gleich: Der einzelne Stimmbürger kann zwar nach zürcherischem Recht beide Vorlagen bejahen, doch kann gesamthaft nur eine angenommen werden; das Bundesgericht hat dies als verfassungsgemäss bezeichnet (ZBl 87/1986 S. 172 ff.). b) Im vorliegenden Fall, in dem gleichzeitig über die beiden Steuerinitiativen und den Gegenvorschlag abgestimmt worden ist, ergeben sich indessen Bedenken. Diese rühren daher, dass die beiden Initiativen nicht den gleichen Gegenstand betreffen. Die Volksinitiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" zum einen hat eine erhöhte Steuergerechtigkeit im Sinne der Gleichbehandlung insbesondere zwischen gesamthaft veranlagten Ehepaaren und getrennt veranlagten Konkubinatspaaren zum Ziel. Zum andern bezweckt die Initiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" die Vermeidung teuerungsbedingter, durch das Wesen der Steuerprogression bewirkter Mehrbelastungen der Steuerpflichtigen. Damit beschlagen zwar beide Initiativen den Bereich des kantonalen Steuerrechts, haben aber im übrigen keinen Zusammenhang. Vielmehr lassen sich beide Initiativpostulate ohne weiteres nebeneinander verwirklichen. Sie schliessen sich daher nicht gegenseitig aus, stehen zueinander nicht im Verhältnis der Alternativität und betreffen schliesslich auch nicht ein "Mehr" oder "Weniger" zu derselben Frage (vgl. ZBl 87/1986 S. 174 und redaktionelle Anmerkung auf S. 175). BGE 113 Ia 46 S. 58 Angesichts des fehlenden Zusammenhangs zwischen den beiden Initiativen werden den Stimmbürgern mit der gleichzeitigen und sich gegenseitig bedingenden Abstimmung über alle drei Vorlagen nicht nur eine einzige, sondern zwei Fragen unterbreitet. Ein solches Vorgehen verletzt den Grundsatz der Einheit der Materie im oben dargelegten Sinne (oben E. 5a). Im einzelnen können zwar mehrere Fragen mit Ja beantwortet werden, doch kann nur eine einzige Variante obsiegen. So ist es der Gesamtheit der Stimmbürger etwa verunmöglicht, in bezug auf die Frage der Familienbesteuerung die Postulate der Initiative zu verwerfen und den Gegenvorschlag zu bejahen, gleichzeitig aber dem Initiativbegehren nach Ausgleich der kalten Progression gegenüber dem Gegenvorschlag den Vorrang zu geben; ebenso können gesamthaft gesehen nicht die Anliegen beider Initiativen befürwortet werden. Damit aber kommt bei dem von den Beschwerdeführern beanstandeten Abstimmungsmodus kein Abstimmungsergebnis zustande, das den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Bei dieser Sachlage erweist sich die Rüge der Verletzung der politischen Rechte als begründet. c) Die Beschwerdeführer erblicken in der gleichzeitigen und sich gegenseitig bedingenden Abstimmung über alle drei Steuervorlagen zudem eine Verletzung des Initiativrechts. Auch diese Rüge erweist sich als begründet. Wie oben dargelegt worden ist (E. 6b), können die Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" und das Begehren "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" nebeneinander bestehen und verwirklicht werden und weisen keinen inneren Zusammenhang auf. Nach dem vom Regierungsrat angeordneten Abstimmungsmodus kann aufgrund von § 7 Abs. 2 des Initiativgesetzes indessen höchstens die eine der beiden Initiativen angenommen werden. Eine kumulative Annahme beider Vorlagen ist ausgeschlossen. Damit werden die beiden Initiativen, je für sich allein genommen, zum vornherein benachteiligt. Darin liegt eine Verletzung des Initiativrechts, wie es von Bundesrechts wegen garantiert ist, und zudem eine Missachtung von § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 des Initiativgesetzes, wonach eine gleichzeitig und sich bedingende Volksabstimmung nur bei mehreren, den gleichen Gegenstand betreffenden Volksbegehren zulässig ist. Die Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtswinkel als begründet. BGE 113 Ia 46 S. 59 d) Es ist nicht zu verkennen, dass die vorliegende Beurteilung des vom Regierungsrat gewählten Vorgehens gewisse praktische Schwierigkeiten in der Durchführung der Volksabstimmung mit sich bringt. Den Praktikabilitätsüberlegungen kann indessen gegenüber dem Grundsatz der freien und unverfälschten Willensäusserung der Stimmbürger bzw. dem Prinzip der Einheit der Materie sowie dem Initiativrecht kein Vorrang zukommen. Die praktischen Schwierigkeiten sind überdies im vorliegenden Fall nicht unüberwindbar. Es wäre beispielsweise ohne weiteres möglich gewesen, mit getrennten Abstimmungsfragen einerseits der Volksinitiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" den Gegenentwurf des Kantonsrates mit Ausnahme der Bestimmungen über den Ausgleich der kalten Progression (§ 200bis Steuergesetz) gegenüberzustellen und andererseits die Volksinitiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" mit dem Gegenvorschlag zu § 200bis des Steuergesetzes zur Abstimmung zu bringen. 7. a) Stellt das Bundesgericht Verfahrensmängel fest, so hebt es die Abstimmung nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Der beschwerdeführende Stimmbürger muss in einem solchen Falle allerdings nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Abstimmungsergebnis entscheidend ausgewirkt hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereiche des Möglichen liegt. Mangels einer ziffernmässigen Feststellung der Auswirkung eines Verfahrensmangels ist nach den gesamten Umständen und grundsätzlich mit freier Kognition zu beurteilen, ob der gerügte Mangel das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnte oder nicht. Dabei ist insbesondere auf die Grösse des Stimmenunterschiedes, die Schwere der festgestellten Mängel und dessen Bedeutung im Rahmen der gesamten Abstimmung abzustellen. Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht kommt, so kann von der Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden. Rechtfertigt sich eine solche Beurteilung jedoch nicht, so ist der Mangel als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren ( BGE 112 Ia 134 E. 3; BGE 106 Ia 200 E. b; BGE 105 Ia 155 E. 5b; BGE 104 Ia 237 E. 2a, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist vorerst festzuhalten, dass der festgestellte Mangel schwer wiegt; der Abstimmungsmodus erlaubte keine BGE 113 Ia 46 S. 60 freie und unverfälschte Willensäusserung der Stimmbürger und schloss die Annahme eine der beiden Initiativen zum vornherein aus. Bereits dieser Umstand würde es rechtfertigen, die Abstimmung aufzuheben. Darüber hinaus kann die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nicht als gering betrachtet werden. Denn es ist nicht auszuschliessen, dass eine beachtliche Anzahl von Stimmbürgern dem behördlichen Gegenvorschlag deshalb zustimmte, um die gesamte Revision des Steuergesetzes nicht zu gefährden, und es demnach in Kauf nahm, dass die Anliegen der beiden Initiativen nur in modifizierter Form realisiert werden. Schliesslich zeigt das Abstimmungsergebnis, gesamthaft gesehen, keine eindeutige Annahme des Gegenvorschlages. Denn alle drei Vorlagen wurden mit einer über 90 000 liegenden Anzahl von Ja-Stimmen angenommen; die Mehrheit des Gegenvorschlages gegenüber der Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" beträgt lediglich 691 Stimmen und diejenige gegenüber der Initiative zum Ausgleich der kalten Progression 5810 Stimmen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass diese geringen Differenzen im wesentlichen auf die Möglichkeit des mehrfachen Ja zurückzuführen ist. Doch liegen die Resultate derart nahe beieinander, dass die Möglichkeit einer Beeinflussung des Abstimmungsresultates durch den Abstimmungsmodus nicht ausgeschlossen werden kann. Gesamthaft gesehen ergibt sich damit, dass der Mangel in der Durchführung der Volksabstimmung so schwer wiegt, dass von einer Kassation nicht Umgang genommen werden kann. Daher ist die Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 als ganze aufzuheben. Die zuständigen Behörden werden demnach eine neue Volksabstimmung ansetzen und ein Abstimmungsverfahren wählen müssen, welches den Anforderungen an das Stimm- und Initiativrecht genügt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht auf die Eventualanträge sowie die weitern Rügen der Beschwerdeführer nicht mehr näher eingegangen zu werden. b) Es ist nicht zu übersehen, dass die Aufhebung der Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 schwerwiegende Auswirkungen zur Folge hat. Zum einen ergeben sich praktische Schwierigkeiten für die Steuerperiode 1987/88. Mit erheblichem Aufwand müssten den Steuerpflichtigen neue Steuerformulare zugestellt und die Veranlagungen mit einiger Verzögerung nach altem Recht vorgenommen werden. Die Kassation der Abstimmung hat weiter zur Konsequenz, dass das zürcherische Steuergesetz, das vom Bundesgericht BGE 113 Ia 46 S. 61 im Entscheid BGE 110 Ia 7 in bezug auf die Steuerbelastung von Ehepaaren und im Konkubinat lebenden Paaren als verfassungswidrig erklärt worden ist, in der alten Fassung aufrechterhalten würde. Weiter fällt in Betracht, dass die Volksabstimmung am 8. Juni 1986 nur aufgrund der Abweisung des Gesuches, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen und der Abstimmungstermin abzusetzen, durchgeführt werden konnte. Dem Umstand, dass das Volk über die Steuervorlagen tatsächlich abgestimmt hat und die Steuerverwaltung daher die notwendigen und weitreichenden Vorbereitungen für die Taxation 1987 aufgrund der angenommenen Vorlage treffen durfte, kann hier Rechnung getragen werden. Schliesslich ist zu bedenken, dass sich die Mehrheit der Stimmenden klar für eine Revision des Steuergesetzes - in der einen oder andern Form - ausgesprochen hat. Angesichts dieser Sachlage rechtfertigt es sich, die Auswirkungen der Aufhebung des Urnenganges vom 8. Juni 1986 auf die materielle Rechtslage erst auf einen spätern Zeitpunkt eintreten zu lassen. Im Sinne einer vorläufigen Massnahme soll daher der Gegenvorschlag des Kantonsrates, wie er am 8. Juni 1986 von der Mehrheit der Stimmenden angenommen worden ist, vorläufig in Kraft bleiben, bis eine korrekte Abstimmung durchgeführt ist und eine allfällige Revision des Steuergesetzes in Kraft tritt. Im einzelnen bedeutet dies, dass das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 aus Praktikabilitätsüberlegungen für die Steuerperiode 1987/88 ohne weiteres in Kraft bleiben kann. Wird in der Folge eine neue Abstimmung durchgeführt, so kann eine allfällige Änderung des Steuergesetzes für den Beginn der Steuerperiode 1989/90 in Kraft treten. Falls im Jahre 1987 oder 1988 jegliche Steuervorlage in der Volksabstimmung scheitern sollte, müsste ab 1989 wieder das Steuergesetz in der alten Fassung angewendet werden. Sollte in der Volksabstimmung allerdings die unformulierte Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" angenommen werden, hätte der Kantonsrat seinerseits eine Vorlage auszuarbeiten und diese erneut dem Volk vorzulegen. Da für diesen Fall mit einem Inkrafttreten einer allfälligen Steuergesetzrevision auf Anfang 1989 nicht gerechnet werden kann, kann das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 auch noch für die Steuerperiode 1989/90 gelten. Kommt bis Ende 1990 keine neue Vorlage zustande, die auf den 1. Januar 1991 in Kraft gesetzt werden kann, so gilt auf jeden Fall ab diesem Datum wieder das Steuergesetz in der bisherigen Fassung. Den zürcherischen BGE 113 Ia 46 S. 62 Behörden bleibt es unbenommen, das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 auf einen früheren Zeitpunkt ausser Kraft zu setzen. Angesichts des aussergewöhnlichen Vorgehens, die Auswirkungen der Aufhebung der Volksabstimmung erst auf einen späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen, sind die zürcherischen Behörden einzuladen, unverzüglich eine neue Volksabstimmung anzusetzen.
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Sachverhalt ab Seite 271 BGE 118 Ia 271 S. 271 Die "Zürcher Planungsgruppe Weinland" (ZPW) ist ein Zweckverband der Gemeinden des Zürcher Weinlands. Sie erfüllt Aufgaben im Rahmen der regionalen Richtplanung. Im Frühjahr 1990 waren in der Gemeinde Marthalen die drei Delegierten in der ZPW für die Wahlperiode 1990-1994 zu wählen. Der Gemeinderat Marthalen entschied am 12. März 1990, dieses Wahlgeschäft der Gemeindeversammlung vom 11. Mai 1990 vorzulegen, und liess eine BGE 118 Ia 271 S. 272 entsprechende Publikation in den amtlichen Anschlagkästen der Gemeinde anbringen. Er gab darin ebenfalls bekannt, dass sich die bisherigen Delegierten A. und B. einer Wiederwahl stellten, während der Delegierte des Gemeinderats wegen des Rücktritts von C. neu bestellt werden müsse. Der Gemeinderat werde einen Wahlvorschlag unterbreiten. Zugleich wurde erwähnt, dass A. wiederum für den Vorstand des ZPW kandidieren und dass er für den Fall seiner Wahl in den Vorstand als Delegierter der Gemeinde Marthalen ausscheiden werde. Für diesen Fall stelle sich D. erneut als Ersatzmann zur Verfügung. Schliesslich erfolgte ein Hinweis darauf, dass weitere Wahlvorschläge, die bis zum 6. April 1990 beim Gemeinderat Marthalen eingingen, zusammen mit den bereits genannten Namen der bisherigen Amtsträger und dem Kandidaten des Gemeinderats in der Weisung an die Gemeindeversammlung aufgeführt würden. Innert Frist wurden keine weiteren Wahlvorschläge eingereicht. Die Weisung vom 3. Mai 1990 an die Gemeindeversammlung vom 11. Mai 1990 stimmte daher inhaltlich mit der Publikation vom 12. März 1990 überein. Zusätzlich wurde E. als Vertreter des Gemeinderats zur Wahl in die ZPW vorgeschlagen. Wie bereits in der Wahlpublikation stand auch in der Weisung, dass an der Gemeindeversammlung weitere Wahlvorschläge eingebracht werden könnten. Die Gemeindeversammlung von Marthalen wählte am 11. Mai 1990 A., B. und E. als Delegierte der Gemeinde Marthalen in der ZPW sowie D. als Ersatzdelegierten. X. hatte der Gemeindeversammlung F. zur Wahl vorgeschlagen. Auf ihn entfielen aber nur vereinzelte Stimmen. A. wurde am 27. Juni 1990 erneut in den Vorstand der ZPW gewählt und schied damit als Delegierter der Gemeinde Marthalen aus. X. reichte gegen den Wahlbeschluss der Gemeindeversammlung Marthalen eine Beschwerde beim Bezirksrat Andelfingen ein, mit welcher er das Vorgehen des Gemeinderates Marthalen bei der Vorbereitung der Wahl der Gemeindedelegierten rügte. Der Bezirksrat wies sein Rechtsmittel am 19. Juni 1990 ab. Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies am 4. März 1991 eine Beschwerde gegen den Entscheid des Bezirksrats Andelfingen ebenfalls ab. X. hat gegen den Entscheid des Regierungsrats vom 4. März 1992 eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und macht eine Verletzung der politischen Rechte gemäss Art. 85 lit. a OG geltend. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 118 Ia 271 S. 273 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gegenstand des angefochtenen Entscheids bildet die Frage, ob die Wahl der Delegierten in die ZPW durch die Gemeindeversammlung Marthalen die politischen Rechte des Beschwerdeführers verletze. a) Nach Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen. Als kantonal gelten auch die Wahlen und Abstimmungen in den Gemeinden ( BGE 110 Ia 186 E. 3c; BGE 108 Ia 39 E. 2; BGE 105 Ia 369 E. 2). Die mit der vorliegenden Beschwerde beanstandete kommunale Wahl kann daher mit einer Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG angefochten werden. b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist jeder stimmberechtigte Einwohner des eine Wahl oder Abstimmung durchführenden Gemeinwesens legitimiert, eine Stimmrechtsbeschwerde zu erheben ( BGE 116 Ia 364 E. 3a, 479 E. 1a; BGE 114 Ia 264 E. 1b, 399). Der Beschwerdeführer ist in der Gemeinde Marthalen stimmberechtigt. Er ist deshalb zur Erhebung einer Stimmrechtsbeschwerde legitimiert. c) Nach Art. 89 Abs. 1 OG sind staatsrechtliche Beschwerden innert dreissig Tagen seit der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung beim Bundesgericht zu erheben. Der Beschwerdeführer hat unter Wahrung dieser Frist den Entscheid des Regierungsrats vom 4. März 1992 mit Stimmrechtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten. Der Beschwerdeführer erhebt in seiner Stimmrechtsbeschwerde zwei Vorwürfe. Einerseits hält er es für unzulässig, dass der Gemeinderat Marthalen in der Wahlanordnung vom 12. März 1990 und der Weisung an die Gemeindeversammlung vom 3. Mai 1990 die Namen von Kandidaten für die Wahl der Delegierten in die ZPW genannt habe. Wahlvorschläge hätten nach seiner Ansicht gemäss § 68 Ziff. 1 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. September 1983 (WG) nur an der Gemeindeversammlung vom 11. Mai 1990 selber gemacht werden dürfen. Anderseits beanstandet er die Wahl von D. als Ersatzdelegierten durch die gleiche Gemeindeversammlung. Die beiden vom Beschwerdeführer kritisierten Punkte finden ihre Grundlage in der Wahlanordnung des Gemeinderats vom 12. März 1990. Diese wurde durch Anschlag an den dafür vorgesehenen Orten BGE 118 Ia 271 S. 274 öffentlich bekanntgemacht. Die in der Folge gegenüber der Delegiertenwahl erhobenen Rügen sind nichts anderes als eine Konsequenz aus der Wahlanordnung vom 12. März 1990. Der Beschwerdeführer hat gleichwohl nur die Wahl selber und nicht bereits die Wahlanordnung, welche als Vorbereitungshandlung anzusehen ist (vgl. BGE 113 Ia 49 f.), angefochten. Es fragt sich, ob die erst gegenüber dem Wahlergebnis erhobene Beschwerde nicht verspätet sei. d) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts beginnt die Frist nach Art. 89 Abs. 1 OG bei Stimmrechtsbeschwerden, die sich gegen Vorbereitungshandlungen zu einer Wahl oder Abstimmung richten, mit der Eröffnung oder Mitteilung der entsprechenden Anordnung zu laufen. Diese letztere bildet in einem solchen Fall das Anfechtungsobjekt der Beschwerde, während die Wahl oder Abstimmung selber nur als Vollzugsakt der früheren, mangelhaften Anordnung erscheint. Stimmrechtsbeschwerden, die sich gegen Mängel bei der Vorbereitung von Wahlen oder Abstimmungen wenden, müssen daher direkt im Anschluss an die Vorbereitungshandlung innert der dreissigtägigen Frist gemäss Art. 89 Abs. 1 OG eingereicht werden. Der Stimmberechtigte, der dies unterlässt, kann allfällige Mängel im Vorfeld einer Wahl oder Abstimmung nicht mehr im Anschluss an deren Ergebnis geltend machen ( BGE 113 Ia 50 E. 1c; BGE 110 Ia 178 E. 2a; BGE 106 Ia 198 E. 2c). Diese Praxis bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und diese nicht wiederholt zu werden braucht. Eine Pflicht zur sofortigen Anfechtung der beanstandeten Vorbereitungshandlung rechtfertigt sich zudem deshalb, weil es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre, wenn ein Beschwerdeführer wegen eines Mangels, den er zunächst widerspruchslos hingenommen hat, hinterher die Wahl oder Abstimmung anfechten könnte, wenn deren Ergebnis seinen Erwartungen nicht entspricht ( BGE 110 Ia 179 f.; vgl. auch CHRISTOPH HILLER, Die Stimmrechtsbeschwerde, Diss. Zürich, 1990, S. 323 f.). e) Diese Grundsätze betreffen allein die Frage, wann die Frist nach Art. 89 Abs. 1 OG zur Anfechtung eines letztinstanzlichen kantonalen Akts mit einer Stimmrechtsbeschwerde beim Bundesgericht gewahrt ist. Dagegen regelt das kantonale Recht, ob und innert welchen Fristen gegen Vorbereitungshandlungen von Wahlen oder Abstimmungen kantonale Rechtsmittel erhoben werden können. So ist es den Kantonen nicht verwehrt, die Rüge von Mängeln bei der Vorbereitung von Wahlen oder Abstimmungen auch noch mit einem Rechtsmittel gegen deren Ergebnis zuzulassen. Immerhin fragt sich, BGE 118 Ia 271 S. 275 ob aus der dargestellten Rechtsprechung nicht zu folgern ist, dass auch derjenige das Recht zur Anfechtung der Wahl oder Abstimmung mit Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG beim Bundesgericht verwirkt, der mögliche kantonale Rechtsmittel nicht im Anschluss an Vorbereitungshandlungen ergreift, sondern erst gegen das Wahl- oder Abstimmungsergebnis Beschwerde führt. In seiner veröffentlichten Praxis hat das Bundesgericht zu dieser Frage noch nie Stellung genommen. Es finden sich in den publizierten Entscheiden lediglich wenige Hinweise zu diesem Problemkreis (vgl. die Zusammenstellung bei HILLER, a.a.O., S. 332 f.). In der nicht veröffentlichten Erwägung 1b von BGE 112 Ia 233 ff. ging das Bundesgericht ohne nähere Begründung davon aus, dass die zu Art. 89 Abs. 1 OG entwickelten Grundsätze auch mit Bezug auf das kantonale Verfahren gelten würden. Es betrachtete daher eine Stimmrechtsbeschwerde gegen einen Wahlbeschluss als verspätet, weil die damit gerügte Verkürzung des Wahlrechts eine Konsequenz einer vorangegangenen Wahlanordnung gewesen war, der Beschwerdeführer diese aber nicht angefochten hatte. Es mass dabei der Tatsache keine entscheidende Bedeutung zu, dass das kantonale Recht dem Bürger ein Rechtsmittel zur Verfügung stellte, mit dem alle Mängel noch im Anschluss an das Wahlergebnis geltend gemacht werden konnten. Die - soweit ersichtlich - einzige Äusserung in der Literatur nimmt im gleichen Sinne Stellung (HILLER, a.a.O., S. 334). Die Gründe, aus denen die Pflicht zur sofortigen Anfechtung von Vorbereitungshandlungen zu Wahlen oder Abstimmungen mit Stimmrechtsbeschwerde beim Bundesgericht folgt, können an sich auch für das kantonale Rechtsmittelverfahren Geltung beanspruchen. Doch sind die Kantone gestützt auf ihre Organisationsautonomie frei, anderen Erwägungen - wie namentlich einem leicht zugänglichen Rechtsschutz im Bereich der politischen Rechte - einen höheren Stellenwert zuzumessen. Soweit kantonale Instanzen im Anschluss an das Wahl- oder Abstimmungsergebnis auch noch Mängel von Vorbereitungshandlungen überprüfen, spielt auch keine Rolle, dass der Wahlakt im Blick auf die vorangegangene Vorbereitungshandlung unter Umständen lediglich einen Vollzugsakt darstellt. Streitgegenstand vor der letzten kantonalen Instanz bilden in einem solchen Fall nämlich alle Mängel im Zusammenhang mit der angefochtenen Wahl oder Abstimmung. Wie das Bundesgericht bereits im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Verletzung von Art. 58 BV rechtzeitig gerügt worden sei, entschieden hat, ist auf eine staatsrechtliche BGE 118 Ia 271 S. 276 Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid einzutreten, der Rügen materiell behandelt, die nach den für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren geltenden Grundsätzen verspätet wären ( BGE 117 Ia 159 E. 1b). Aus diesen Erwägungen rechtfertigt es sich, die Rechtsprechung, nach der Stimmrechtsbeschwerden wegen Mängeln bei der Vorbereitung von Wahlen oder Abstimmungen sofort im Anschluss an die entsprechende Anordnung zu erheben sind, nur dann anzuwenden, wenn mangels zur Verfügung stehender kantonaler Rechtsmittel direkt das Bundesgericht angerufen wird. Wenn dagegen zunächst der kantonale Rechtsmittelzug auszuschöpfen ist (vgl. Art. 86 Abs. 1 OG ), kann eine Stimmrechtsbeschwerde stets innert dreissig Tagen gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid erhoben werden. In diesem Fall spielt es für die Zulässigkeit der Beschwerdeführung vor dem Bundesgericht keine Rolle, dass der Beschwerdeführer Mängel bei der Vorbereitung von Wahlen oder Abstimmungen nicht sofort geltend macht. Soweit die letzte kantonale Instanz entsprechende Rügen trotzdem materiell prüft, können diese im Anschluss an deren Entscheid mit Stimmrechtsbeschwerde auch vor Bundesgericht erhoben werden. Im vorliegenden Fall hat der Regierungsrat die vom Beschwerdeführer beanstandeten Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung der Delegiertenwahl materiell beurteilt. Dass der Beschwerdeführer mit der Wahlbeschwerde gemäss § 123 lit. a WG bereits die Wahlanordnung vom 12. März 1990 als Vorbereitungshandlung hätte anfechten können (vgl. ZBl 83/1982 346 f.), ist nach der dargelegten Präzisierung der Rechtsprechung nicht entscheidend. Auf die Stimmrechtsbeschwerde ist einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 82 II 103 S. 104 A.- Das Grundstück Nr. 1590 der Klägerinnen in Dornach ist von dem nördlich durchgehenden öffentlichen Brosiweg (früher Gemeindeweg genannt) durch vier Grundstücke getrennt, die, in Süd-Nord-Richtung aufeinander folgend, die Nummern 2403, 1591, 1592 und 1593 tragen. Diese vier Grundstücke hat der Beklagte im Jahre 1951 käuflich von Johann Häner erworben. Auf den mittleren derselben, Nr. 1591 und 1592, lastet laut Grundbucheintrag vom 31. Dezember 1923 ein Fusswegrecht zu Gunsten von Nr. 1590. Die äussern, Nr. 2403 und 1593, sind dagegen nach dem Grundbuch unbelastet. B.- Als Beleg für die zu Gunsten von Nr. 1590 und zu Lasten von Nr. 1591 und 1592 eingetragene Wegdienstbarkeit ist die "Anmeldung Nr. 28" vom 17. Juni 1914 angeführt. Sie wurde im Verfahren zur Bereinigung der Grunddienstbarkeiten vom Ehemann der damaligen Eigentümerin des Grundstücks Nr. 1590, Frau Virginia Ditzler, eingegeben. Das angemeldete Recht wurde umschrieben als "Gehrecht über die Grundstücke Nr. ... jederzeit unbeschränkt 60 Centimeter breit in nördlicher Richtung bis an den Gemeindeweg mit der Abnutzung und Dünger zu gehen". Als Rechtstitel wurde "Verjährung" angerufen: "Dieses Recht bestund von Alters her und kann durch 30-jährige Benutzung nachgewiesen werden." Die Nummern der belasteten Grundstücke gab der Anmeldende nicht an, sondern nur deren Eigentümer Eduard Vögtli (dem die Parzelle Nr. 2403 gehörte) und Adolf Meier (Eigentümer der Nummern 1591, 1592 und 1593). Das Bereinigungsverfahren ruhte wegen des Krieges 1914-18. Als es wieder aufgenommen wurde, vermerkte man in den Anmeldungen die inzwischen eingetretenen Veränderungen. So strich man in der Anmeldung Nr. 28 die Namen Vögtli und Meier durch, die ihre Grundstücke im Jahre 1918 veräussert hatten, und setzte dafür den Namen des Johann BGE 82 II 103 S. 105 Häner ein, der die Parzellen Nr. 1591, 1592 und 1593 gekauft hatte. Nicht erwähnt wurde unter den Eigentümern der belasteten Grundstücke Frau Ditzler, die zum berechtigten Grundstück Nr. 1590 hinzu das Grundstück Nr. 2403 erworben hatte. Und was die Nummern der belasteten Grundstücke betrifft, liess man aus unbekannten Gründen sowohl die Nr. 2403 wie auch die Nr. 1593 unerwähnt und setzte nur die Nummern 1591 und 1592 ein. Dementsprechend füllte man auch die Rückseite des Anmeldungsformulars aus, enthaltend die Anerkennung des angemeldeten Rechtes durch die beteiligten Grundeigentümer. Auch hier ist lediglich ein Fusswegrecht zu Gunsten von Nr. 1590 und zu Lasten von Nr. 1591 und 1592 erwähnt, was - anscheinend anstandslos - Frau Ditzler als "die Berechtigte" und Johann Häner als "der Belastete" unterzeichneten, worauf dieser Anerkennung entsprechend die Dienstbarkeit auf Nr. 1590 als Recht zu Lasten von Nr. 1591 und 1592 und auf diesen beiden Grundstücken als Last zu Gunsten jenes ersten Grundstückes eingetragen wurde. Dabei blieb es, auch als infolge der Versteigerung der Liegenschaften von Frau Ditzler vom 25. April 1925 die Parzelle Nr. 1590 an den Vater der Klägerinnen überging und Johann Häner zu den Parzellen Nr. 1591, 1592 und 1593 die Nr. 2403 hinzuerwarb. Und auch beim Erwerb der letztern vier Grundstücke durch den Beklagten war dieser Grundbuchstand unverändert geblieben und von niemand beanstandet worden. C.- Ein Fussweg führte schon lange dem Westrand der Grundstücke Nr. 2403, 1591, 1592 und 1593 entlang in den Gemeinde- bzw. Brosiweg. Er wurde bereits bei der Katastervermessung von 1872-75 als ausgesteint im Handriss und im Originalplan eingezeichnet. Indessen geht aus dem Plane nur die südliche Einmündung auf das nicht den Klägerinnen gehörende Grundstück Nr. 1597 hervor, das die Südwestecke von Nr. 2403 umschliesst, während das Grundstück Nr. 1590 erst etwas weiter östlich beginnt. Das BGE 82 II 103 S. 106 nahe bei jener Ecke schräg nach Südosten nach dem Grundstück Nr. 1590 abzweigende Weglein ist im Plane nicht eingezeichnet. Im Jahre 1934 wurden die vier Grundstücke des Johann Häner mit einem Drahtzaun umgeben, der an der Westgrenze zugleich dem Weg entlang lief. Beim nördlichen Endpunkt des Weges, also der Ausmündung zum Brosiweg, wurde ein Tor angebracht, ebenso südlich ungefähr bei der Abzweigung des nach Nr. 1590 hinführenden, ausgetretenen, von zwei Drahtzäunen eingefriedigten Wegleins. Die Klägerinnen erhielten Schlüssel zu den beiden Toren. D.- Im Jahre 1952 verlegte der Beklagte nun die Umzäunung und das südliche Tor so, dass den Klägerinnen der Zugang zu diesem Tor von ihrem Grundstück aus und damit die Benützung des Weges genommen war. Die Einsprache der Klägerinnen blieb mangels eines grundbuchlichen Ausweises über die Belastung der Parzellen Nr. 2403 und 1593 erfolglos. Der Beklagte machte geltend, er habe den Grundstückskauf nach Einsichtnahme in das Grundbuch abgeschlossen, gestützt auf die Feststellung, dass "nur die Nummern 1591 und 1592 belastet sind (die beiden mittleren Parzellen), während die Nummern 1593 und 2403 (die beiden äusseren Parzellen) unbelastet sind". Ein Gesuch der Klägerinnen um Berichtigung des Grundbuches durch nachträgliche Eintragung eines Fusswegrechtes zu Gunsten von Nr. 1590 nun auch zu Lasten von Nr. 2403 und 1593 wurde vom Grundbuchamt abgelehnt. Der Begründung dieser Verfügung ist zu entnehmen: "Aus welchen Gründen die beiden dazwischen liegenden Grundbuchnummern 1593 und 2403 nicht in der Anmeldung aufgeführt sind, können wir nicht feststellen. Es liegt nicht in unserer Kompetenz zu entscheiden, ob den damaligen Bereinigungsfunktionären ein Fehler unterlaufen ist. ... Der Richter allein hat auf dem Klagewege festzustellen, ob das Fusswegrecht auch über die fraglichen zwei Grundstücke, Grundbuch Dornach Nr. 1593 und 2403, noch besteht und gegenüber dem heutigen Eigentümer BGE 82 II 103 S. 107 der belasteten Grundstücke geltend gemacht und eventuell nachträglich im Grundbuch eingetragen werden kann". Das Obergericht wies als Aufsichtsbehörde in Grundbuchsachen eine Beschwerde der Klägerinnen am 30. Juni 1953 ab. Es äusserte die Vermutung, die Nummern der belasteten Grundstücke seien von einem Beamten der Amtsschreiberei in die Anmeldung Nr. 28 eingesetzt worden. Jedenfalls sei die so ausgefüllte und so von der Dienstbarkeitsberechtigten anerkannte Anmeldung für die Eintragung massgebend gewesen. Die Eintragung stimme mit dem so ausgefüllten Anmeldungsbeleg überein. Daher könne nicht von einem Versehen des Grundbuchführers gesprochen werden und komme eine Grundbuchberichtigung im Sinne von Art. 977 ZGB und Art. 98 GBV , wie sie die Klägerinnen verlangen, nicht in Frage. Beigefügt wird dann aber: "Es ist sehr gut möglich, dass die in der Anmeldung enthaltene Willenserklärung der Virginia Ditzler ihrem wirklichen Willen nicht entsprach und die Anmeldung infolgedessen zu Recht bestehende Dienstbarkeiten nicht aufführte. Hiefür spricht vor allem, dass das Fusswegrecht über GB Dornach Nr. 1591 und 1592 ohne ein entsprechendes Fusswegrecht über GB Dornach Nr. 1593 und 2403 in der Tat keinen Sinn hat, da ja der Zweck, der der Errichtung eines Fusswegrechtes über GB Dornach Nr. 1591 und 1592 zu Grunde lag, die Verbindung von GB Dornach Nr. 1590 mit dem Gemeindeweg, nur dann erreicht werden kann, wenn auch die Zwischengrundstücke GB Dornach Nr. 1593 und 2403 überquert werden dürfen. Um ein solches Abweichen der Anmeldung und des mit ihr übereinstimmenden Grundbucheintrages vom materiellen Rechtsbestand geltend zu machen und anzufechten, muss - wie die Amtsschreiberei Dorneck richtig ausführt - vor dem Richter Klage erhoben werden, und zwar die von Art. 975 ZGB vorgesehene Klage." E.- Hierauf folgte die Klage auf Feststellung des Wegrechtes in dem Umfange, wie es ausgeübt worden war. Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein hiess die Klage gut. Das Obergericht des Kantons Solothurn wies die Appellation des Beklagten am 23. Juni 1955 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid wie folgt: "1. Es ist gerichtlich festgestellt, dass zu Gunsten und ausgehend von der Liegenschaft der Kläger, GB Dornach Nr. 1590, ein jederzeit ausübbares, unbeschränktes, 60 cm breites Fusswegrecht BGE 82 II 103 S. 108 besteht, direkt über die Liegenschaften des Beklagten, GB Dornach Nr. 2403, 1591, 1592 und 1593, entlang der Liegenschaft GB Dornach Nr. 2852 in nördlicher Richtung bis in den öffentlichen Brosiweg und umgekehrt mit der Abnutzung und dem Dünger zu gehen, wie es bis anhin ausgeübt worden ist. 2. Das Grundbuch Dorneck ist ermächtigt, die Grunddienstbarkeit im Sinne von Ziffer 1 des Rechtsbegehrens im Grundbuch einzutragen und zwar als Last auf GB Dornach Nr. 2403 und 1593 und als Recht auf GB Dornach Nr. 1590." F.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerinnen tragen auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des obergerichtlichen Urteils an. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Streitwert). 2. Der vom Beklagten zur Prozessführung bevollmächtigte Dr. Georges Bollag, Basel, hat von Anfang an den auf seinem Anwaltsbureau arbeitenden, aber noch nicht als Anwalt patentierten Dr. W. Kuhn substituiert. Dieser hat, nachdem er den Beklagten in beiden kantonalen Instanzen vertreten, auch die Berufungsschrift unterzeichnet. Da sich Zweifel an der Vertretungsbefugnis des Dr. W. Kuhn vor Bundesgericht erhoben, hat Dr. Bollag, nach Ablauf der Berufungsfrist, jene Rechtsschrift mitunterzeichnet und den Beklagten heute persönlich vertreten. Art. 29 Abs. 2 OG bestimmt: "In Zivil- und Strafsachen können nur patentierte Anwälte sowie die Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen als Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten. Vorbehalten bleiben die Fälle aus Kantonen, in welchen der Anwaltsberuf ohne behördliche Bewilligung ausgeübt werden darf." Auszugehen ist hier vom zweiten Satz der erwähnten Bestimmung, denn es handelt sich um einen Fall aus dem Kanton Solothurn, in dem - neben den patentierten "Fürsprechen" - auch Personen ohne Patent den Anwaltsberuf ausüben können ("Personen, welche im Genusse BGE 82 II 103 S. 109 ihrer bürgerlichen Rechte und Ehren stehen"; §§ 4 und 5 der solothurnischen ZPO). Dabei wird nicht etwa Wohnsitz im Kantonsgebiete verlangt, und es ist denn auch Dr. Kuhn im kantonalen Verfahren anstandslos zugelassen worden. Fraglich ist allerdings, ob Art. 29 Abs. 2 Satz 2 OG , indem er auf Kantone mit freier Advokatur Rücksicht nimmt, nur in Fällen berufsmässiger Parteivertretung anwendbar sei. Bei solcher Auslegung wäre die bloss gelegentliche Vertretung, etwa durch einen Verwandten oder Berufsgenossen, vor Bundesgericht nicht zulässig. Nun handelte Dr. Kuhn aber, in einem weitern Sinne des Wortes verstanden, berufsmässig, in der Stellung eines ständigen Substituten des erwähnten Anwaltsbureaus. Nur wenn man die Ausübung des Anwaltsberufes in einem engern Sinne verstehen müsste, wäre vor Bundesgericht als Vertreter ausgeschlossen, wer im kantonalen Verfahren, und wäre es auch in einem Kanton mit freier Advokatur, tatsächlich nicht als freier Anwalt, sondern gemäss den an seinem Berufsdomizil geltenden Vorschriften in der Stellung eines im Vorbereitungsdienste stehenden Juristen gehandelt hat, der nur kraft Substitutionsvollmacht eines selber voll verantwortlich bleibenden patentierten Advokaten zur Parteivertretung befugt ist. Bei solcher Umgrenzung des Anwendungsgebietes von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 OG müsste die Vertretungsbefugnis des Dr. Kuhn vor Bundesgericht in der Tat verneint werden; denn nach § 9 des baselstädtischen Advokaturgesetzes vom 29. September 1910 wickelt sich seine Berufstätigkeit in der soeben umschriebenen Stellung ab, und er ist im vorliegenden Falle auch nur kraft einer auf diesen Vorschriften beruhenden Substitutionsvollmacht aufgetreten. Es mag nun aber dahingestellt bleiben, ob sich das vorliegende Vertretungsverhältnis nach der erwähnten Norm des OG rechtfertigen lasse. Denn selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, wäre die von Dr. Kuhn eingereichte Berufung nicht als schlechthin ungültig zu betrachten. Im Unterschied zu den Fällen, auf die sichBGE 78 IV 81undBGE 79 II 105beziehen, war und BGE 82 II 103 S. 110 ist hier von der Partei ein zur Berufsausübung voll berechtigter patentierter Anwalt bevollmächtigt. Gilt nun, wie hier einmal vorausgesetzt sei, die von diesem nach kantonalem Anwaltsrecht vorgenommene Substitution eines seinerseits nicht patentierten Vertreters nicht auch vor Bundesgericht, so ist der prozessuale Fehler billigerweise als verbesserlicher anzusehen und, gleichwie Art. 29 Abs. 1 OG das Nachbringen einer Vollmacht zulässt, dem substituierenden Anwalt eine Nachfrist zur Mitunterzeichnung der Berufungsschrift einzuräumen. Durch diese im vorliegenden Fall erfolgte Ergänzung ist den bundesrechtlichen Vorschriften nun auf alle Fälle genügt worden. 3. Nach Art. 21 des Schlusstitels des ZGB bleiben die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstandenen Grunddienstbarkeiten nach der Einführung des Grundbuches auch ohne Eintragung in Kraft, können aber, solange sie nicht eingetragen sind, gutgläubigen Dritten gegenüber nicht geltend gemacht werden. Das entspricht der allgemeineren Regel von Art. 44 Abs. 1 SchlT, wonach die dinglichen Rechte des bisherigen Rechtes, die (gemeint ist: anlässlich der Grundbuchbereinigung im Sinne von Art. 43 SchlT) nicht eingetragen werden, zwar ihre Gültigkeit behalten, jedoch Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden können. Damit ist für die Zeit nach Einführung des eidgenössischen Grundbuches oder nach Gleichstellung einer kantonalen Publizitätseinrichtung mit dem Grundbuche das Publizitätsprinzip des neuen Grundbuchrechtes auch inbezug auf solche seinerzeit ohne Eintragung entstandene Rechte zur Geltung gebracht. Und zwar handelt es sich speziell um die negative Seite des dem Grundbuche zukommenden öffentlichen Glaubens, den Grundsatz nämlich, dass ein Gutgläubiger im Grundstückverkehr das Grundbuch als vollständig betrachten darf und daher das Grundstück oder ein ihm daran eingeräumtes beschränktes dingliches Recht frei von jeder nicht aus dem Grundbuch ersichtlichen Gebundenheit erwirbt (vgl. HOMBERGER, BGE 82 II 103 S. 111 N. 20 zu Art. 973 ZGB ). Ein so einschneidender Eingriff in das alte Liegenschaftsrecht liess sich nur an ein Bereinigungsverfahren knüpfen, wie es Art. 43 des Schlusstitels des ZGB vorschreibt, zum Zweck eben, die bestehenden Rechte auf Grund der infolge öffentlicher Aufforderung eingehenden Anmeldungen zur Eintragung zu bringen und damit ein Grundbuch zu schaffen, das nach Möglichkeit volle Gewähr dafür zu bieten vermöge, dass der gesamte Rechtsbestand vollständig und richtig eingetragen sei (OSTERTAG, N. 31 der Vorbemerkungen zum 25. Titel des ZGB; MUTZNER, N. 8 zu Art. 43 ZGB SchlT). Der Kanton Solothurn stellte das bisherige Grund- und Hypothekenbuch mit den zugehörigen Hilfsbüchern und Katasterplänen dem Grundbuch des neuen Rechtes gleich; doch traten die Grundbuchwirkungen des neuen Rechtes in vollem Umfang erst nach der Bereinigung der Grunddienstbarkeiten ein (§ 398 des EG zum ZGB vom 10. Dezember 1911). Diese Bereinigung wurde in den auf den Krieg 1914/18 folgenden Jahren abgeschlossen, sodass seither, insbesondere auch für die Grundstücke der Parteien, die volle Publizitätswirkung des neuen Rechtes gilt. 4. Von dieser Rechtslage ausgehend, hat das Obergericht auf Grund eines eingehenden Beweisverfahrens festgestellt, dass das von den Klägerinnen behauptete Wegrecht in der Tat nach altem Rechte durch "Verjährung" entstanden sei, gemäss § 496 des solothurnischen CGB von 1891, lautend: "Durch Verjährung können Grunddienstbarkeiten erworben werden, wenn die Ausübung derselben durch den Besitzer während 30 Jahren weder heimlich noch durch Gewalt stattfindet." Zwar konnte auf volle 30 Jahre von 1912 aus gerechnet eine solche Rechtsausübung nur noch von einem Zeugen, dem im Jahre 1870 geborenen Josef Ditzler, bestätigt werden. Doch wurden dessen Aussagen als beweiskräftig befunden, zumal für eine weniger weit zurückliegende Zeit andere Aussagen vorlagen und die Ergebnisse des Zeugenverhörs sich durch verschiedene Indizien bekräftigt fanden. BGE 82 II 103 S. 112 Der Beklagte lässt denn auch nunmehr diese altrechtliche Entstehung eines auch die Parzellen Nr. 2403 und 1593 belastenden Fusswegrechtes gelten, was übrigens, weil nicht auf Bundesrecht beruhend, vom Bundesgerichte nicht nachzuprüfen ist ( Art. 43 OG ). Nach den erwähnten Regeln des Übergangsrechtes blieb dieses alte Recht auch ohne Eintragung weiterbestehen. Es hätte aber bei der Bereinigung der Grunddienstbarkeiten eingetragen werden sollen, um dadurch kundbar gemacht und Dritten gegenüber gesichert zu werden. Beim Fehlen einer Eintragung auf den Parzellen Nr. 2403 und 1593 liefen die Klägerinnen Gefahr, das Wegrecht bei einer auf Rechtsgeschäft beruhenden Handänderung dieser Parzellen zu verlieren. Denn, wie dargetan, konnte ein Dritter diese Grundstücke frei von der nicht eingetragenen Belastung erwerben, sofern er sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verliess. 5. Böser Glaube des Beklagten ist nicht, wie er anzunehmen scheint, schon deshalb ausgeschlossen, weil er vor dem Erwerb der vier Grundstücke das Grundbuch einsah und das Wegrecht auf den beiden äussern Parzellen nicht eingetragen fand. Ein solcher Schluss lässt sich aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 9 ZGB nicht ableiten, zumal hier die spezielle Regel des Art. 973 ZGB und der Art. 21 und 44 Abs. 1 des Schlusstitels Anwendung findet. Danach ist, wie bereits ausgeführt, nicht schlechthin in seinem Eigentumserwerb gemäss dem vorhandenen Grundbuchstande geschützt, wer sich auf das Grundbuch verlässt, sondern nur, wer es in gutem Glauben tut. Darin liegt eine Einschränkung des Publizitätsprinzips in dem Sinne, dass der böse Glaube auch in der Kenntnis von Tatsachen begründet sein kann, die sich aus dem Grundbuche nicht ergeben oder ihm sogar widersprechen. 6. Auf das Vorliegen solcher Tatsachen stützt denn auch das Obergericht seinen Entscheid. Es stellt fest: a) Im Grundbuchplan ist ein Weg eingezeichnet, der über alle vier Parzellen des Beklagten - an deren Westgrenze BGE 82 II 103 S. 113 - hinführt, nicht nur, wie im Hauptbuch eingetragen, über die mittleren Parzellen. b) Vom südlichen Endpunkt dieses eingezeichneten Weges führte ein Weglein zwischen zwei Drahtzäunen zum Grundstück der Klägerinnen hinüber; diese hatten Schlüssel zu den Toren des eingezeichneten Weges. c) Der Weg wurde in seiner ganzen Länge, auch vom Grundstück der Klägerinnen aus, auch in den letzten 20 Jahren regelmässig benutzt. d) Der Verlauf des Weges mit der Abzweigung und seine Benützung musste dem Beklagten bekannt sein, da er seit 19 Jahren in unmittelbarer Nähe (auf der an die vier Grundstücke, die er im Jahre 1951 kaufte, angrenzenden Besitzung Nr. 2852) wohnt; er hat diese Kenntnis auch stillschweigend zugegeben. Diese letzte Feststellung ficht der Beklagte allerdings an, mit der Behauptung, sie beruhe auf offensichtlichem Versehen; die befragten Zeugen hätten nur über ihre eigenen Wahrnehmungen betreffend die Benutzung des Weges berichtet; keiner habe dagegen ausgesagt, auch der Beklagte habe solche Wahrnehmungen gemacht. Indessen hat das Obergericht aus diesen Zeugenaussagen und dem Umstand, dass der Beklagte seit langem in nächster Nähe wohnte, sowie aus seinen Äusserungen im kantonalen Verfahren gefolgert, die tatsächlichen Wegverhältnisse und die Art der regelmässigen Benutzung durch die Klägerinnen und andere Anwohner hätten ihm nicht verborgen bleiben können. Das ist eine Folgerung rein tatsächlicher Art, der keinerlei Versehen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. d OG zugrunde liegt, die also für das Bundesgericht verbindlich ist. 7. Dass der Beklagte den Bestand eines dinglichen Rechtes auch zu Lasten der äussern Parzellen Nr. 2403 und 1593 gekannt habe, ist damit nicht dargetan. Das Obergericht würdigt jedoch die Kenntnis der erwähnten Tatsachen beim Erwerb der vier Parzellen dahin, der Beklagte habe bei gehöriger Aufmerksamkeit den von ihm BGE 82 II 103 S. 114 eingesehenen Grundbucheintrag mindestens als (hinsichtlich seiner Vollständigkeit) fragwürdig erkennen müssen. Um nicht bösgläubig zu werden, hätte er daher weitere Nachforschungen über die wirkliche Rechtslage anstellen sollen. Die Sinnlosigkeit einer nur die Parzellen Nr. 1591 und 1592 belastenden Wegdienstbarkeit zu Gunsten des gar nicht an diese Parzellen anstossenden Grundstücks Nr. 1590, wie sie im Hauptbuch eingetragen ist, sei ohne weiteres erkennbar gewesen. Dass der Eintrag nicht richtig sei, gehe schon aus dem vom Beklagten unbestrittenermassen ebenfalls eingesehenen Grundbuchplan hervor. Berücksichtige man zum Widerspruch zwischen Hauptbuch und Grundbuchplan noch die dem Beklagten bekannt gewesene Benützung des ganzen Weges bis zum Brosiweg, und zwar auch vom Grundstück Nr. 1590 aus, so habe sich der Beklagte nicht gutgläubig auf Hauptbuch und Plan verlassen dürfen, sondern hätte sich eingehender über die Rechtslage orientieren sollen. a) Demgegenüber ist zunächst zu bemerken, dass der Beklagte vom Grundsatz der geltenden Sachenrechtsordnung ausgehen durfte, wonach es zur Errichtung von Grunddienstbarkeiten der Eintragung im Grundbuche bedarf ( Art. 731 Abs. 1 ZGB ). Für Wegservituten ist keine Ausnahme vorgesehen, wie sie Art. 676 Abs. 3 ZGB für äusserlich wahrnehmbare Leitungen anerkennt. Somit können - seit 1912 - Dienstbarkeiten, wie sie hier in Frage stehen, ohne Eintragung grundsätzlich gar nicht gültig zustande kommen, und es kann daher in der Regel das Fehlen eines solchen Eintrages nicht im Sinne von Art. 974 Abs. 2 ZGB ungerechtfertigt sein. Anders verhält es sich nur bei einem besondern ausserbuchlichen Entstehungsgrunde im Sinne von Art. 656 Abs. 2 ZGB , wie namentlich bei einem das dingliche Recht anerkennenden Urteil (vgl. BGE 46 II 366 ). Beim Erwerb der vier Grundstücke durch den Beklagten lag aber hinsichtlich der Parzellen Nr. 2403 und 1593 nichts derartiges vor. Freilich hätte dem Fehlen von Lasteinträgen auf diesen Parzellen BGE 82 II 103 S. 115 eine nach früherer gültiger Eintragung ungerechtfertigterweise erfolgte Löschung zugrunde liegen können. Hätte der Beklagte in einem solchen Falle den rechtlichen Mangel der Löschung gekannt oder kennen sollen, so könnte er sich nicht in gutem Glauben auf den Grundbuchstand berufen, sondern müsste die Last, so wie sie eingetragen gewesen, gelten lassen und ihre Wiedereintragung dulden (vgl. BGE 62 II 137 ). Mit einer solchen Sachlage hat man es aber auch nicht zu tun. Auf den Parzellen Nr. 2403 und 1593 war eine Wegservitut zu Gunsten von Nr. 1590 gar nie eingetragen, weshalb der Beklagte zunächst mit einer gültig entstandenen solchen Belastung dieser Parzellen nicht zu rechnen brauchte. b) Dieser Betrachtungsweise stand der Umstand nicht entgegen, dass der Weg in seinem ganzen Verlauf am Westrande der vier Parzellen im Grundbuchplan eingezeichnet war. Diese Einzeichnung war keinesfalls rechtsbegründend, sie vermochte die Eintragung im Hauptbuche nicht zu ersetzen, sondern konnte nur, soweit Einträge im Hauptbuch vorhanden waren, zu deren Erläuterung beitragen. So verhielt es sich übrigens auch nach altem Recht, wie denn als Rechtstitel der im Bereinigungsverfahren angemeldeten Dienstbarkeit nicht der alte Katasterplan, sondern "Verjährung", die durch 30-jährige Benützung nachweisbar sei, angerufen wurde. Grundbuchpläne sind nicht geeignet, den Inhalt eines Wegrechtes hinsichtlich der Benutzungsart anzugeben, noch ergibt sich aus dem eingezeichneten Wegverlauf, welches die allenfalls dinglich berechtigten Grundstücke sein möchten, ganz abgesehen davon, dass ein im Plan eingezeichneter Weg nicht notwendigerweise noch andern als den von ihm durchlaufenen Grundstücken zu dienen braucht. c) Im Lichte des erwähnten Eintragungsprinzips des geltenden Sachenrechtes war es ferner ohne Belang, dass der Weg über alle vier Grundstücke von den Landeigentümern im Erli regelmässig benützt wurde, auch von den Klägerinnen, und dass ein im Plane nicht eingezeichnetes BGE 82 II 103 S. 116 Weglein zu ihrem Grundstück hinführte. All dies beruhte, soweit Grundbucheinträge fehlten, vermutungsweise auf keiner dinglichen Berechtigung. d) Da der Beklagte die Belastung der Parzellen Nr. 1591 und 1592, wie sie eingetragen war, nicht anfocht, ist nicht einzusehen, wieso er verpflichtet gewesen wäre, die als Beleg zu diesen Belastungen angeführte "Anmeldung Nr. 28" einzusehen. Dass diese mit dem Emtrag nicht übereinstimme, war nicht anzunehmen, und der Beklagte brauchte nach dieser Richtung keine Nachforschungen anzustellen (vgl. BGE 56 II 89 ). Und dass sie auf eine Belastung noch weiterer Parzellen hinweisen könnte, die nach dem Grundbuch als unbelastet erschienen, war ebenfalls nicht naheliegend. e) Geht man jedoch davon aus, der Beklagte hätte immerhin Veranlassung gehabt, sich an Hand der Anmeldung Nr. 28 etwas näher über die im Hauptbuch einfach als "Fusswegrecht z.G. Nr. 1590" bezeichnete Dienstbarkeit zu erkundigen, und dabei wäre ihm der ganze Inhalt dieser Anmeldung zur Kenntnis gelangt, so wäre damit sein guter Glaube dennoch nicht entkräftet. Zwar hätte er der Anmeldung entnommen, dass eine altrechtliche Dienstbarkeit in Frage stand. Als Ausweis über deren gültige Entstehung auch zu Lasten der Parzellen Nr. 2403 und 1593 konnte diese Anmeldung aber nicht gelten. So, wie sie anfänglich gelautet hatte, ohne Angabe der Grundstücknummern, war sie zwar, da sie auf Eintragung eines Gehrechtes zur Benutzung des Weges vom berechtigten Grundstück Nr. 1590 bis zum Gemeindeweg abzielte, als Anmeldung einer alle vier zwischenliegenden Parzellen betreffenden Last zu verstehen. Allein das war vorerst eine einseitige Parteidarstellung. Ob der angebotene Nachweis einer 30-jährigen Wegbenutzung im Fall einer Bestreitung gelingen würde, war eine offene Frage. Nun ist die blosse Behauptung eines vom Grundbuchstand abweichenden materiellen Rechtsbestandes grundsätzlich nicht geeignet, den Dritten, der sich ihrer ungeachtet auf das Grundbuch BGE 82 II 103 S. 117 verlässt, bösgläubig zu machen, sofern sich jene Behauptung nicht sogleich als richtig erweist (vgl. BGE 54 II 248 , BGE 59 II 225 ; JENNY, Der öffentliche Glaube des Grundbuches ... S. 52). Die Anmeldung Nr. 28 vermag aber keinen urkundlichen Ausweis über den Bestand der Dienstbarkeit zu nennen, weder ein Urteil noch auch nur eine von den Beteiligten ausgestellte gemeinsame Erklärung. Zu Unrecht weisen daher die Klägerinnen auf die in ZbJV 75, 143, zu findende Entscheidung betreffend eine auf Vertrag beruhende Dienstbarkeit hin, deren näherer Inhalt in dem als Beleg vorhandenen Vertrag in massgebender Weise bestimmt war. Dazu kommt noch, dass die Anmeldung Nr. 28, wie sie dann durch Einsetzung der Grundstücknummern präzisiert und demgemäss beidseitig unterzeichnet wurde, eben nur die Parzellen Nr. 1591 und 1592 als belastet bezeichnete. Dieser für das Grundbuch massgebenden "Anerkennung" entspricht der Grundbucheintrag. Der Beklagte konnte, wenn er die Anmeldung las, annehmen, man habe willentlich nur eine Eintragung zu Lasten der Parzellen Nr. 1591 und 1592 nachgesucht. Den Gründen hatte er nicht nachzugehen (ob etwa Frau Ditzler als damalige Eigentümerin auch der Parzelle Nr. 2403 deren grundbuchliche Belastung gar nicht wünschte und sich anderseits mit einer bloss prekaristischen Erlaubnis zur Benützung des Weges über das Grundstück Nr. 1593 begnügte, oder ob die Begehung des Weges über diese beiden Grundstücke auf Widerspruch seitens früherer Eigentümer gestossen war und daher die Voraussetzungen eines Rechtserwerbes durch Verjährung insoweit als zweifelhaft erschienen). Wie dem auch sein mochte, war eine Dienstbarkeit zu Lasten der Parzellen Nr. 2403 und 1593 nicht anerkannt und damit nicht endgültig angemeldet. 8. Somit hätte auch volle Kenntnis des zu den Einträgen, wie sie zu Lasten der Parzellen Nr. 1591 und 1592 bestehen, vorhandenen Belegs dem Beklagten nicht gezeigt, dass ein gleiches Wegrecht auch zu Lasten der Parzellen BGE 82 II 103 S. 118 Nr. 2403 und 1593, ohne Eintragung, gültig entstanden sei. Dass den Funktionären des Bereinigungsverfahrens bei Einsetzung der Grundstücknummern ein grobes Versehen unterlaufen sei, das dann Frau Ditzler und Johann Häner bei Unterzeichnung der "Anerkennung" nicht beachtet hätten, war nicht naheliegend. Die diese Möglichkeit erörternden Ausführungen des Obergerichtes im Beschwerdeentscheid vom 30. Juni 1953 waren dem Beklagten beim Erwerb der vier Grundstücke im Jahre 1951, also in dem für die Frage des guten Glaubens massgebenden Zeitpunkte, nicht bekannt, ebensowenig der Vorbehalt, an den der Gemeinderat die von ihm im folgenden Jahr nachgesuchte Baubewilligung für die neue Einfriedigung knüpfte, und der übrigens ein vermeintlich "ab Grundstück Nr. 1597 ... durchgehendes Wegrecht" laut dem Grundbuchplane betraf. Jener Beschwerdeentscheid bezeichnete die erörterte Möglichkeit denn auch nur als allfällige Grundlage einer gerichtlichen Klage. Dieser muss nun aber der Erfolg versagt bleiben, weil im Jahr 1951 für eine dingliche Belastung der Parzellen Nr. 2403 und 1593 nichts Schlüssiges vorlag. Erst die im vorliegenden Prozesse getroffenen Beweismassnahmen haben den Verjährungstatbestand nach altem Rechte als gegeben erwiesen. Dadurch wird der gute Glaube des Beklagten, wie er beim Erwerb vorhanden war, nicht mehr berührt. Damals konnte der Beklagte, auch wenn er in die Anmeldung Nr. 28 Einsicht nahm, gar nicht wissen, ob die auf die Parzellen Nr. 1591 und 1592 beschränkte "Anerkennung" auf sicherer Kenntnis der "Verjährung" beruhte. Vollends liess sich daraus nichts für eine gültig entstandene Belastung der andern beiden Parzellen herleiten, wie denn auch im vorliegenden Prozess das behauptete Wegrecht im angefochtenen Urteil im wesentlichen erst infolge der Abklärung der 30 Jahre vor 1912 zurückreichenden Verhältnisse bejaht werden konnte. Die sich gewiss aufdrängende Überlegung, eine Belastung bloss der beiden mittleren der vier Parzellen sei für das BGE 82 II 103 S. 119 berechtigte Grundstück von geringem Nutzen, war keineswegs geeignet, den fehlenden Ausweis für eine weitergehende Belastung zu ersetzen und den Beklagten in dieser Hinsicht bösgläubig zu machen. Er durfte eben annehmen, das Bereinigungsverfahren habe aus irgendwelchen Gründen nicht zur Anerkennung einer auch die andern beiden Parzellen belastenden Dienstbarkeit geführt. Im übrigen konnten Zweifel auftauchen, ob die zu Lasten der mittleren Parzellen eingetragene Dienstbarkeit nicht ohnehin gegenstandslos geworden sei. Denn der Umstand, dass der Weg nach dem Grundbuchplan geradlinig am Westrand der vier Parzellen des Beklagten verläuft, gibt der Vermutung Raum, das berechtigte Grundstück Nr. 1590 habe früher ebenso weit nach Westen gereicht, und es habe dann einmal eine Grenzverschiebung zwischen ihm und dem westlich anstossenden Grundstück Nr. 1597 stattgefunden, auf das der eingezeichnete Weg heute ausmündet; daher sei das Grundstück Nr. 1590 an dem Wege nicht mehr beteiligt. Die im Plane nicht eingezeichnete Abzweigung könnte auf einer auf Zusehen hin erteilten Erlaubnis beruhen, die man gar nicht hätte dinglich gestalten wollen. Nach alldem war dem Beklagten beim Erwerb der vier Parzellen jedenfalls eine ohne Eintragung zu Recht bestehende Belastung der Parzellen Nr. 2403 und 1593 nicht erkennbar. 9. Hat sich demnach der Beklagte gutgläubig auf das Grundbuch verlassen, so ist seine Berufung zu schützen und das Begehren der Klägerinnen als Ganzes abzuweisen. Denn die Klage lautet auf Feststellung des Rechtes auf einen Weg von Nr. 1590 über alle vier Grundstücke Nr. 2403, 1591, 1592 und 1593, und dieses Begehren ist nach dem Gesagten unbegründet. Nicht zu prüfen ist, ob die Klägerinnen den Kanton wegen fehlerhafter Grundbuchführung haftbar machen können ( Art. 955 ZGB ), und ob im übrigen der Beklagte die Löschung des zu Lasten der mittleren Parzellen bestehenden Servitutseintrages verlangen könne oder vielmehr den Klägerinnen ein Notwegrecht auch über die äussern Parzellen einzuräumen sei. BGE 82 II 103 S. 120
de
11fad684-654d-411b-8161-9d595788dc95
Sachverhalt ab Seite 504 BGE 117 II 504 S. 504 A.- Als Vermieter einer Einzimmerwohnung in Sarnen kündigte M. Ende September 1990 seinem Mieter v. W. auf den 31. Januar 1991. Mit Gesuch vom 22. Oktober 1990 verlangte BGE 117 II 504 S. 505 v. W. bei der Obwaldner Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtverhältnisse die Erstreckung bis zum 30. April 1993. Nach erfolglosen Vergleichsverhandlungen wies die Schlichtungsbehörde das Gesuch am 6. Dezember 1990 ab, worauf v. W. mit Erstreckungsklage vom 4. Januar 1991 den Gerichtsausschuss des Kantons Obwalden anrief, der am 20. Februar 1991 die Klage abwies. B.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger u.a., das Urteil vom 20. Februar 1991 aufzuheben und das Mietverhältnis bis Ende April 1993 zu erstrecken. Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Berufung ist in der Regel erst gegen Endentscheide von oberen kantonalen Gerichten zulässig, die nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden können ( Art. 48 Abs. 1 OG ). Gegen Endentscheide unterer Gerichte steht die Berufung abgesehen von Art. 48 Abs. 2 lit. b OG nur dann offen, wenn ein solches Gericht als letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz entschieden hat ( Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ). Dieses Erfordernis beschränkt die Möglichkeit der Berufung gegen Urteile unterer Gerichte auf Fälle, in denen ein Gericht von der Gerichtsorganisation her zwar unteres Gericht ist ( BGE 115 II 368 ), jedoch als Rechtsmittelinstanz geurteilt hat. Diese Ordnung bedeutet eine bewusste Abkehr von der früheren, welche die Berufung auch gegen Urteile unterer Gerichte zuliess, die als einzige Instanzen entschieden hatten (BIRCHMEIER, N. 4 zu Art. 48 OG , S. 171; POUDRET, N. 3 zu Art. 48 OG , S. 318). Die revidierte Regelung soll sicherstellen, dass ein bundeszivilrechtlicher Anspruch vorgängig durch mindestens zwei kantonale Instanzen materiell umfassend geprüft worden ist, bevor eine Überprüfung von Entscheiden unterer Gerichte im Berufungsverfahren stattfindet. Trotz beschränkter Überprüfung im Rahmen eines ausserordentlichen Rechtsmittels bleibt daher ein Erstreckungsurteil eines Einzelrichters, der nach kantonalem Recht im übrigen endgültig entschieden hat, ein Urteil einer einzigen Instanz im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ( BGE 110 II 251 f. E. 1a). a) Als Abteilung des Kantonsgerichts, das im Kanton Obwalden "unteres" Gericht im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ist, BGE 117 II 504 S. 506 hat auch der Gerichtsausschuss als unteres Gericht entschieden. Die Zulässigkeit der Berufung gegen sein Urteil setzt deshalb voraus, dass er im Erstreckungsverfahren letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz war. Gemäss Art. 23 Abs. 1 der obwaldnerischen Ausführungsbestimmungen vom 26. Juni 1990 zum neuen Miet- und Pachtrecht unterstehen mietrechtliche Entscheide des Gerichtsausschusses keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel. Mit dem angefochtenen Urteil ist daher die Erstreckungsklage von einer letzten Instanz abgewiesen worden (POUDRET, a.a.O.). Als nicht einzige Instanz kann der Gerichtsausschuss nach dem Gesagten jedoch nur gelten, wenn er als Rechtsmittelinstanz über der Schlichtungsbehörde zu betrachten ist und ausserdem Gewähr dafür besteht, dass der Berufung eine umfassende Überprüfung durch mindestens zwei kantonale Instanzen vorausging. b) Dass es an der ersten Voraussetzung fehlt, ergibt sich aus der neuen, auf den vorliegenden Fall unstreitig anwendbaren bundesrechtlichen Regelung (Art. 5 SchlB zu den Tit. VIII und VIIIbis) für das Erstreckungsverfahren: Die innert 30 Tagen nach Kündigungsempfang vom Mieter um Erstreckung angegangene Schlichtungsbehörde ( Art. 273 Abs. 2 lit. a OR ) hat nach erfolglosem Schlichtungsversuch über die Erstreckung zu entscheiden ( Art. 273 Abs. 4 OR ). Verweigert sie die Erstreckung, hat der unterlegene Mieter innert 30 Tagen den Richter anzurufen, ansonsten der Entscheid der Schlichtungsbehörde in Rechtskraft erwächst ( Art. 273 Abs. 5 OR ). Wie bereits aus dem Wortlaut von Art. 273 Abs. 5 OR hervorgeht, nach dem die vor der Schlichtungsbehörde unterlegene Partei den Richter anzurufen hat ("saisir le juge", "ricorrere al giudice"), ist die Anrufung des Richters kein Weiterzug eines Verfahrens an die nächsthöhere Instanz, das Gerichtsverfahren keine Fortsetzung des Verfahrens vor der Schlichtungsbehörde und der Richter nicht Rechtsmittelinstanz. Vielmehr tritt der Erstreckungsstreit mit der Anrufung des Richters erstmals in die gerichtliche Phase (GMÜR, Kündigungsschutz - Prozessuales rund um den "Entscheid" der Schlichtungsbehörde, in: Mietrechtspraxis 1990, S. 132). Der erfolglose Schlichtungsversuch und der Entscheid der Schlichtungsbehörde in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ( Art. 274e Abs. 1 und 2 OR ) sind lediglich prozessuale Voraussetzungen dafür, dass beim Richter Klage erhoben werden kann. Entscheidet die unabhängige und dem Richter in keiner Weise BGE 117 II 504 S. 507 untergeordnete Schlichtungsbehörde nach erfolglosem Schlichtungsversuch über Mietzinsreduktionen im Falle von Art. 259i OR , über die Anfechtung einer Kündigung und über Mieterstreckungen ( Art. 273 Abs. 4 OR ), kommt dieser Entscheid nur zum Tragen, wenn die Anrufung des Richters unterbleibt. Gelangt dagegen die unterlegene Partei innert 30 Tagen an den Richter, so fällt der Entscheid der Schlichtungsbehörde ohne weiteres dahin (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, N. 3 zu Art. 274f OR , S. 833) mit der Folge, dass der Richter erstinstanzlich urteilt und diesen Entscheid nicht wie eine Rechtsmittelinstanz aufhebt, abändert oder bestätigt. Der Entscheid der Schlichtungsbehörde wirkt sich in diesen Fällen nur als "prima facie-Vorentscheid" auf das richterliche Verfahren aus, der die Rollenverteilung im Prozess festlegt; dadurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere verhindert werden, dass der Mieter vor dem Richter allzu häufig als Kläger aufzutreten habe (so Votum Bundesrat Koller in Amtl.Bull. NR 1989 S. 545; bundesrätliche Botschaft in BBl 1985 I S. 1467; GMÜR, a.a.O., S. 133; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, S. 65). c) Hätte sodann das Bundesgericht auf Berufungen gegen Erstreckungsurteile unterer Gerichte einzutreten, denen bloss der Entscheid einer Schlichtungsbehörde vorausging, wäre die umfassende Beurteilung durch mindestens zwei kantonale Instanzen nicht gewährleistet. Denn für Entscheide von Schlichtungsbehörden sehen die Kantone ein summarisches Verfahren vor. Es ist insbesondere durch Beweismittelbeschränkungen gekennzeichnet (so auch Art. 13 der obwaldnerischen Ausführungsbestimmungen), ähnlich wie das Verfahren, in dem über vorläufigen Rechtsschutz aufgrund glaubhaft zu machender Ansprüche befunden wird (vgl. BBl und Amtl.Bull. je a.a.O.; ausführlich GMÜR, a.a.O., insbesondere S. 122, 125 f., 130 ff.). Entscheidet der ordentliche Richter im Anschluss an ein solches Verfahren endgültig, so wird sein Urteil auch nicht als zweitinstanzlicher Entscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG betrachtet. Dementsprechend behandelt auch der Kassationshof richterliche Entscheide, denen ein Strafbefehl oder ein Entscheid einer Verwaltungsbehörde vorausgegangen ist, als Entscheide einziger kantonaler Instanzen und tritt nach Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP auf Nichtigkeitsbeschwerden nicht ein ( BGE 116 IV 78 mit Hinweisen). 3. Hat der Gerichtsausschuss somit als einzige kantonale Instanz entschieden, erweist sich die Berufung als unzulässig. BGE 117 II 504 S. 508 Dass an sich berufungsfähige Zivilstreitsachen durch kantonale Verfahrensbestimmungen von der Berufung ausgeschlossen werden, ist wie in anderen Fällen unbefriedigend (vgl. BGE 115 II 368 , BGE 110 II 251 E. 1a, BGE 109 II 48 E. 2). Ob solche Vorschriften angefochten werden können und in welchem Verfahren, ist nicht zu prüfen, da der Kläger die kantonale Ordnung nicht in Frage stellt (dazu POUDRET, N. 1.2.4 zu Art. 48 OG , S. 300 f. mit Hinweisen).
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f76de4fa-743b-40b4-9d80-0aa512b73552
Sachverhalt ab Seite 661 BGE 130 III 661 S. 661 A. Am 7. November 2003 erwirkte Z. beim Arrestrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug einen Arrestbefehl gegen Y. (Schuldner) für die Forderungssumme von Fr. 3'292'005.50 nebst Zins. Arrestiert wurde eine Forderung des Schuldners gegen die X. AG in Liquidation. Daraufhin leitete Z. zur Arrestprosequierung die Betreibung gegen Y. ein. In dieser Betreibung pfändete das Betreibungsamt Baar gemäss Pfändungsurkunde vom 2. Februar 2004 die oben erwähnte, arrestierte Forderung. Y., der bei der Pfändung nicht anwesend war und sich in einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland befindet, wurde die Pfändungsurkunde am 11. März 2004 übergeben. Gleichentags wurde dem Schuldner auch die Pfändungsankündigung ausgehändigt, welche bereits am 27. Januar 2004 ausgestellt worden war. Am 12., 20. und 24. Februar 2004 erwirkten W. und Mitbeteiligte beim Arrestrichter am Kantonsgerichtspräsidium Zug ebenfalls Arrestbefehle gegen Y. für eine Forderungssumme von insgesamt Fr. 250'132.15 nebst Zins. Arrestiert wurden "sämtliche Vermögensgegenstände" von Y. bei der X. AG in Liquidation. B. Am 23. Februar 2004 erhoben W. und Mitbeteiligte Beschwerde bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Sie beantragten die Aufhebung der Pfändungsankündigung sowie der BGE 130 III 661 S. 662 Pfändung vom 2. Februar 2004. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, da die Pfändungsankündigung dem Schuldner verspätet zugestellt worden sei, erweise sich die Pfändung als ungültig und müsse wiederholt werden. In ihrem Urteil vom 1. Juli 2004 erwog die Aufsichtsbehörde, eine Pfändung, die nicht oder nicht rechtzeitig angekündigt worden sei, sei anfechtbar und nicht nichtig. Erhebe der Schuldner dagegen keine Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - werde der Mangel geheilt. Ohnehin gehe es W. und Mitbeteiligte in Wahrheit nicht darum, dass die Pfändung dem Schuldner nicht ordnungsgemäss angekündigt worden sei. Vielmehr würden sie die Aufhebung der Pfändung deswegen beantragen, um an einer erneut vorzunehmenden Pfändung gestützt auf Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch teilnehmen zu können. Die Aufhebung der Pfändung werde somit zur Durchsetzung verfahrensfremder Ziele verlangt, was keinen Rechtsschutz verdiene. Trotz dieser Ausführungen hiess die Aufsichtsbehörde die Beschwerde im Ergebnis teilweise gut und korrigierte die Pfändungsurkunde. Zur Begründung führte sie aus, die Pfändung sei beim abwesenden und nicht vertretenen Schuldner erst vollzogen, wenn diesem die Pfändungsurkunde zugestellt worden sei. Die Zustellung sei erst am 11. März 2004 erfolgt, so dass die provisorische Teilnahme von W. und Mitbeteiligte an der Pfändung von Rechts wegen stattfinde. C. Gegen dieses Urteil gelangt Z. mit Beschwerde vom 14. Juli 2004 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Akteneinreichung auf Gegenbemerkungen ( Art. 80 Abs. 1 OG ) verzichtet und beantragt unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Pfändung in der durch den Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung vollzogen worden ist, bevor die Beschwerdegegner die gleichen Vermögenswerte mit Arrest belegt haben oder erst danach. Erfolgt die Pfändung nach der Arrestlegung, nimmt der Arrestgläubiger gemäss Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch an dieser teil. Findet die Pfändung indes vor der Arrestlegung statt, ist Art. 281 Abs. 1 BGE 130 III 661 S. 663 SchKG nicht anwendbar und der Arrestgläubiger kann nur dann an der Pfändung teilnehmen, wenn er innert der Frist von Art. 110 SchKG das Fortsetzungsbegehren stellt ( BGE 101 III 78 E. 2 S. 81; BGE 110 III 27 E. 1a S. 29; BGE 116 III 111 E. 4a S. 117). 1.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht angenommen, der Vollzug der Pfändung sei erst am Tag erfolgt, an welchem der Schuldner die Pfändungsurkunde zugestellt erhalten habe. Im Rahmen der SchKG-Revision sei vor Art. 96 SchKG der Randtitel "B. Wirkungen der Pfändung" eingefügt worden, so dass der Artikel nicht mehr zu den Bestimmungen über den Pfändungsvollzug gehöre. Die in dieser Norm enthaltene Erklärung sei nicht mehr als konstitutives Element der Pfändung zu betrachten. Der Pfändungsvollzug sei daher bereits am 2. Februar 2004 erfolgt und die Beschwerdegegner seien zum provisorischen Anschluss an die Pfändung nicht befugt. 1.2 In Zusammenhang mit der Anschlusspfändung nach Art. 110 SchKG hat das Bundesgericht festgehalten, die Anschlussfrist beginne erst dann zu laufen, wenn die Pfändung tatsächlich vollzogen worden sei, der Pfändungsakt als Ganzes also abgeschlossen sei ( BGE 101 III 86 E. 2 S. 92; BGE 106 III 111 E. 2 S. 113). Dieser Grundsatz ist auch anwendbar, um über die zeitliche Reihenfolge von Arrest und Pfändung nach Art. 281 Abs. 1 SchKG zu entscheiden (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 1993, § 62 N. 3). Die in Art. 96 Abs. 1 SchKG vorgesehene Erklärung des Betreibungsbeamten an den Schuldner, dass dieser bei Straffolge nicht über die gepfändeten Vermögensstücke verfügen darf, ist wesentliches Element der Pfändung. Solange der Betreibungsschuldner nicht ausdrücklich auf die gesetzliche Unterlassungspflicht hingewiesen worden ist, entfaltet die Pfändung keine Wirkung und ist auch nicht rechtsgültig vollzogen ( BGE 110 III 57 E. 2 S. 59; BGE 112 III 14 E. 3 S. 15; BGE 115 III 41 E. 1 S. 43). Ist der Schuldner bei der Pfändung weder anwesend noch vertreten, ist die Pfändung nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre erst dann vollzogen, wenn ihm die Pfändungsurkunde zugestellt worden ist ( BGE 112 III 14 E. 5a S. 16; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 2003, § 22 N. 53 u. 78; ANDRÉ E. LEBRECHT, Basler Kommentar, N. 13 zu Art. 89 SchKG ; BÉNÉDICT FOËX, Basler Kommentar, N. 16 zu Art. 96 SchKG ; INGRID JENT-SØRENSEN, Basler BGE 130 III 661 S. 664 Kommentar, N. 17 zu Art. 112 SchKG ; JAEGER/WALDER/KULL/ Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 11 zu Art. 89 SchKG ). Die SchKG-Revision vom 16. Dezember 1994 (in Kraft seit 1. Januar 1997) hat an diesen Grundsätzen nichts geändert. Aus den Materialien (BBl 1991 III 84; AB 1993 N S. 30; AB 1993 S S. 648) ergeben sich keine Hinweise, dass der Gesetzgeber durch das Einfügen der neuen Randtitel vor Art. 96 SchKG sowie vor Art. 89 SchKG die Pfändungserklärung nicht (mehr) als wesentliches Element des Pfändungsvollzuges verstanden wissen wollte. Auch BÉNÉDICT FOËX (a.a.O., N. 16 ff. zu Art. 96 SchKG ), welcher sich mit dieser Problematik auseinander setzt, gelangt zur Schlussfolgerung, dass die Erklärung nach Art. 96 Abs. 1 SchKG wie bis anhin ein konstitutives Element sei. Das Bundesgericht hat im Übrigen seine Rechtsprechung bereits im Jahr 2001 in einem nicht publizierten Urteil ausdrücklich bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 7B.186/2001 vom 8. Oktober 2001, E. 3c). 1.3 Nicht gefolgt werden kann weiter der Ansicht des Beschwerdeführers, da vorliegend dem Schuldner durch die (erste) Arrestlegung vom 7. November 2003 die Verfügungsmacht über die arrestierte Forderung bereits entzogen worden sei, sei nicht einzusehen, warum in der anschliessenden Pfändung derselben Forderung nochmals zwingend die Erklärung nach Art. 96 Abs. 1 SchKG ausgesprochen werden müsse. Eine Arrestlegung hat hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung des Schuldners zwar die gleichen Wirkungen wie eine Pfändung (Art. 96 i.V.m. Art. 275 SchKG ; BGE 113 III 34 E. 1a S. 36), trotzdem ist der Arrest keine Pfändung. Der Arrest ist im Gegensatz zur Pfändung keine Vollstreckungshandlung, sondern nur eine vorsorgliche Massnahme, welche den Schuldner daran hindern soll, über sein Vermögen zu verfügen und es einer künftigen Vollstreckung seines Gläubigers zu entziehen ( BGE 115 III 28 E. 4b S. 35; BGE 116 III 111 E. 3 S. 115 f.; BGE 120 III 159 E. 3a S. 160). Erfolgt in der Prosequierungsbetreibung die Pfändung, fällt der Arrest dahin und wird durch den Pfändungsbeschlag ersetzt. Daraus ergibt sich, dass durch die Pfändung nicht einfach der durch den Arrest erfolgte Beschlag fortgeführt wird, sondern eine neue Beschlagnahme erfolgt, deren Wirkungen dem Schuldner in Anwendung von Art. 96 Abs. 1 SchKG (neu) mitgeteilt werden müssen. BGE 130 III 661 S. 665 1.4 Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Pfändung in der vom Beschwerdeführer eingeleiteten Betreibung erst in dem Zeitpunkt rechtsgültig vollzogen worden ist, in welchem der Schuldner die Pfändungsurkunde zugestellt erhalten hat, also am 11. März 2004. Sie ist damit nach der Arrestlegung durch die Beschwerdegegner erfolgt, so dass diese an der Pfändung nach Art. 281 Abs. 1 SchKG provisorisch teilnehmen.
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Sachverhalt ab Seite 123 BGE 147 IV 123 S. 123 A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Innerrhoden führt eine Strafuntersuchung gegen A. Sie wirft ihm vor, er habe über mehrere Jahre hinweg jeweils in alkoholisiertem Zustand seine Ehefrau und deren Sohn geschlagen, sie - teilweise mit dem Tod - bedroht und beschimpft. Am 11. Juli 2020 nahm die Polizei A. fest. Am 13. Juli 2020 beantragte die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Appenzell Innerrhoden, gegenüber A. anstelle von Untersuchungshaft folgende Ersatzmassnahmen anzuordnen: Ein Kontaktverbot zur Ehefrau und ihrem Sohn; das Verbot, sich der BGE 147 IV 123 S. 124 Ehefrau und dem Sohn mehr als 100 Meter zu nähern; das Verbot des Erwerbs und Besitzes von Waffen; eine Therapie der Alkoholabhängigkeit; eine kontrollierte Alkoholabstinenz. Gleichentags setzte die Staatsanwaltschaft A. auf freien Fuss. Am 17. Juli 2020 ordnete das Zwangsmassnahmengericht das beantragte Kontakt- und Annäherungsverbot sowie das Verbot des Besitzes und Erwerbs von Waffen an, hingegen keine Therapie und kontrollierte Alkoholabstinenz. Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft Beschwerde mit dem Antrag, zusätzlich zu den vom Zwangsmassnahmengericht verfügten Ersatzmassnahmen eine Therapie und kontrollierte Alkoholabstinenz anzuordnen. Am 12. August 2020 trat das Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden nicht auf die Beschwerde ein. Es verneinte die Beschwerdelegitimation. B. Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid des Kantonsgerichts aufzuheben und zusätzlich zu den verfügten Ersatzmassnahmen eine Therapie und kontrollierte Alkoholabstinenz anzuordnen. Eventualiter sei die Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Beschwerde gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts festzustellen und die Sache zur materiellen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. (...) (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Verneinung ihrer Beschwerdelegitimation durch die Vorinstanz verletze Bundesrecht. 2.2 Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. c StPO ist die Beschwerde zulässig gegen die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen (ebenso Art. 20 Abs. 1 lit. c StPO ). Nach Art. 222 StPO kann die verhaftete Person Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten (...). Nach der Rechtsprechung ist ebenso die Staatsanwaltschaft zur Beschwerde gegen Entscheide befugt, mit denen die Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht angeordnet, nicht verlängert oder aufgehoben wird ( BGE 137 IV 22 ). Daran hat das Bundesgericht trotz Kritik mehrmals festgehalten ( BGE 137 IV 87 E. 2 f. S. 89 ff.; BGE 147 IV 123 S. 125 BGE 137 IV 230 E. 1 S. 232; BGE 137 IV 237 E. 1.2 S. 240; BGE 138 IV 92 E. 3.2 S. 96; BGE 138 IV 148 E. 3.1 S. 150; BGE 139 IV 314 E. 2.2 S. 316; Urteil 1B_486/2018 vom 22. November 2018 E. 2.1, in: Pra 2019 Nr. 36 S. 402). Darauf zurückzukommen besteht umso weniger Anlass, als der Bundesrat mit Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung vorschlägt, die Rechtsprechung in das Gesetz zu überführen. Der bundesrätliche Entwurf sieht in Art. 222 StPO einen neuen Absatz 2 vor. Danach kann die Staatsanwaltschaft Entscheide über die Nichtanordnung, die Nichtverlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten (BBl 2019 6744 f. und 6749). Dem Entscheid des Gesetzgebers über den Entwurf des Bundesrats ist hier nicht vorzugreifen. 2.3 Die Vorinstanz lehnt die Anwendung der dargelegten Rechtsprechung bei Ersatzmassnahmen ab; dies im Gegensatz zur Rechtsprechung des Kantons St. Gallen (Entscheid der Anklagekammer vom 21. Dezember 2017 [AK.2017.192] E. II.1). Das Schrifttum äussert sich, soweit ersichtlich, kaum dazu (vgl. aber CHRISTIAN COQUOZ, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 15d zu Art. 237 StPO ). 2.4 Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Gemäss Art. 237 Abs. 4 StPO richten sich Anordnung und Anfechtung von Ersatzmassnahmen sinngemäss nach den Vorschriften über die Untersuchungs- und die Sicherheitshaft. Dazu gehört Art. 222 StPO . Wenn danach aufgrund der Rechtsprechung die Staatsanwaltschaft zur Beschwerde gegen die Nichtanordnung, Nichtverlängerung oder Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft berechtigt ist, muss gemäss Art. 237 Abs. 4 StPO bei Ersatzmassnahmen dasselbe gelten. Dafür sprechen auch die Gesichtspunkte, die das Bundesgericht dazu veranlasst haben, die Befugnis der Staatsanwaltschaft zur StPO-Beschwerde bei Nichtanordnung, Nichtverlängerung oder Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft zu anerkennen. Das Bundesgericht stützt sich insoweit insbesondere auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens gemäss Art. 111 BGG ( BGE 137 IV 22 E. 1.3 S. 23 f.). Danach muss, wer zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, sich am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können (Abs. 1). Die Staatsanwaltschaft ist bei Nichtanordnung, Nichtverlängerung und Aufhebung von BGE 147 IV 123 S. 126 Ersatzmassnahmen zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Damit muss sie auch an die kantonale Beschwerdeinstanz gelangen können. Wollte man der Auffassung der Vorinstanz folgen, führte das zu einer Gabelung des Rechtswegs. Der Beschuldigte könnte in einem Fall wie hier die angeordneten Ersatzmassnahmen bei der kantonalen Beschwerdeinstanz anfechten. Die Staatsanwaltschaft müsste demgegenüber gegen die Nichtanordnung der von ihr beantragten weiteren Ersatzmassnahmen unmittelbar das Bundesgericht anrufen. Damit wären die kantonale Beschwerdeinstanz und das Bundesgericht gleichzeitig mit derselben Angelegenheit befasst, was die Gefahr widersprüchlicher Entscheide mit sich brächte. So könnte die kantonale Beschwerdeinstanz zum Schluss kommen, die angefochtenen Ersatzmassnahmen gingen zu weit, und das Bundesgericht das Gegenteil entscheiden. Zwar bestünde die Möglichkeit der Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens. Dies komplizierte das Verfahren jedoch unnötig. Es ist nicht sinnvoll, sachlich Zusammenhängendes prozessual zu trennen. Für die Staatsanwaltschaft besteht bei Nichtanordnung, Nichtverlängerung oder Aufhebung von Ersatzmassnahmen überdies die gleiche Interessenlage wie bei Haft. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bleiben damit die Haftgründe gemäss Art. 221 StPO (Flucht-, Kollusions-, Wiederholungs- und Ausführungsgefahr) bestehen, was die Strafuntersuchung erschweren und die Staatsanwaltschaft an der gleichmässigen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, für welche sie gemäss Art. 16 Abs. 1 StPO verantwortlich ist, hindern kann. Dies spricht ebenso für die Bejahung der Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft auch bei Ersatzmassnahmen. Ersatzmassnahmen können ausserdem derart einschneidend sein, dass sie sich von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft kaum noch unterscheiden. So stellt nach der Rechtsprechung der Hausarrest eine gewisse Form der Haft dar ( BGE 141 IV 190 E. 3.3 S. 192 f.). Damit wäre es sachwidrig, insoweit eine Grenze zu ziehen und der Staatsanwaltschaft die Beschwerdelegitimation nur bei Untersuchungs- oder Sicherheitshaft zuzuerkennen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Beschwerdelegitimation gewährleistet die Gleichbehandlung des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft. Wenn der Beschuldigte gegen die Anordnung von Haft bei der kantonalen Beschwerdeinstanz Beschwerde BGE 147 IV 123 S. 127 führen kann, soll dies auch die Staatsanwaltschaft gegen die Nichtanordnung tun können. Es besteht kein Grund dafür, dies bei Ersatzmassnahmen anders zu handhaben. Im Urteil 1B_218/2012 vom 26. Juni 2012 befand das Bundesgericht, die Staatsanwaltschaft könne gegen einen Haftentscheid des Zwangsmassnahmengerichts auch dann Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz führen, wenn es nicht um die Haft selber geht, sondern lediglich darum, ob das Zwangsmassnahmengericht der Staatsanwaltschaft einen Verfahrensfehler vorwerfen und ihr Kosten auferlegen durfte (E. 2.2). Damit wäre es ungereimt, der Staatsanwaltschaft die Berechtigung zur Beschwerde gegen die Nichtanordnung von Ersatzmassnahmen abzusprechen. Denn insoweit geht es - was regelmässig von grösserer Tragweite ist - um die Zwangsmassnahme selber und nicht nur um einen verfahrensrechtlichen Nebenpunkt. 2.5 Die Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft gegen einen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts, der eine von ihr beantragte Ersatzmassnahme ablehnt, ist deshalb zu bejahen. Die Beschwerde wird daher, soweit darauf eingetreten werden kann, gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Diese wird, soweit die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, auf die Beschwerde einzutreten haben.
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Sachverhalt ab Seite 44 BGE 124 III 44 S. 44 D. (nachfolgend Versicherte) war bis Ende 1995 bei der X. Versicherung (nachfolgend X.) u.a. durch eine Privatpatientenversicherung (PPV) versichert. Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) am 1. Januar 1996 teilte die X. die Versicherte in die Versicherung "Nova" um. Nach Auffassung der Versicherten verletzte die X. damit die Bestandesgarantie gemäss Art. 102 Abs. 2 KVG . Danach sind die Krankenkassen im Rahmen der dem neuen Recht anzupassenden Bestimmungen betreffend statutarische Leistungen BGE 124 III 44 S. 45 und Zusatzversicherungen verpflichtet, "ihren Versicherten Versicherungsverträge anzubieten, die mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähren". Am 19. Februar 1996 erliess die X. eine Verfügung des Inhalts, dass der bisherige Versicherungsschutz gewährleistet sei, und auf Einsprache der Versicherten hin am 27. März 1996 einen abweisenden Einspracheentscheid. Dagegen erhob die Versicherte am 29. April 1996 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, die am 11. Juli 1997 ebenfalls abgewiesen wurde. Diesen Entscheid hat die Versicherte an das Eidgenössische Versicherungsgericht weitergezogen, dessen Entscheid noch aussteht. Zudem klagte die Versicherte am 21. Januar 1997 gegen die X. beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Massgabe von Art. 47 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen (VAG; SR 961.01) . In ihrer Eingabe schloss sie dahin, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr einen Versicherungsvertrag anzubieten, welcher mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähre, insbesondere die bisherigen sogenannten Privatpatientzuschläge einschliesse. Die X. beantragte, auf die Klage nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Den Nichteintretensantrag begründete sie einerseits damit, vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sei ein Verfahren mit einem identischen Streitgegenstand hängig; andererseits berief sie sich auf die fehlende Zuständigkeit des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, weil der in Art. 85 ff. KVG vorgezeichnete Rechtsmittelweg (d.h. die Einsprache gegen die Verfügung bzw. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid) einzuschlagen gewesen sei. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich trat mit Beschluss vom 13. Mai 1997 auf die Klage nicht ein. Dagegen legte D. beim Bundesgericht Berufung ein mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über das gestellte Rechtsbegehren entscheide. Dabei macht sie im wesentlichen geltend, das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich habe Art. 47 Abs. 2 VAG verletzt. In ihrer Antwort beantragt die X. die Abweisung der Berufung und erhebt ihrerseits Anschlussberufung wegen der ihr verweigerten Parteientschädigung. Über die Frage, welcher Rechtsweg für die Streitigkeit zwischen den Parteien einzuschlagen ist, haben das Eidgenössische Versicherungsgericht BGE 124 III 44 S. 46 und das Bundesgericht einen Meinungsaustausch durchgeführt. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zum materiellen Entscheid an die Vorinstanz zurück Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine Rechtsmittel zulässig ist ( BGE 120 II 270 E. 1 S. 271, je mit Hinweisen). a) Als erstes fragt sich, ob überhaupt eine berufungsfähige Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG vorliegt. Darunter versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer Behörde, die nach Bundesrecht die Stellung einer Partei einnimmt. Dieses Verfahren bezweckt die endgültige Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse; dabei ist nicht entscheidend, welchen Rechtsweg die kantonale Behörde eingeschlagen hat; Voraussetzung bildet lediglich, dass die Parteien Ansprüche des Bundeszivilrechts erhoben haben und ebensolche objektiv streitig sind ( BGE 120 II 11 E. 2a S. 12 f.). aa) Das KVG regelt die soziale Krankenversicherung, welche die obligatorische Kranken- und eine freiwillige Taggeldversicherung umfasst (Art. 1 Abs. 1); das Versicherungsverhältnis untersteht dem öffentlichen Recht. Dies galt unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung auch für die von den Krankenkassen angebotenen Zusatzversicherungen. Nach dem neuen Recht hingegen unterstehen diese Versicherungen dem Privatrecht, womit auf sie nunmehr das Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) anwendbar ist ( Art. 12 Abs. 3 KVG ). Von daher gelten Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen als privatrechtlich. bb) Nicht zu teilen vermag das Bundesgericht die Auffassung des Sozialversicherungsgerichts, wonach die Streitigkeit infolge ihrer Nähe zur Sozialversicherung dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Wie sich den Akten entnehmen lässt, stellt die der Klägerin angebotene "Nova" eine Versicherung nach "Versicherungsvertragsgesetz VVG" dar und beinhaltet damit eine Zusatzversicherung zur Krankenversicherung nach KVG. Diesbezüglich statuiert Art. 102 Abs. 2 KVG die Garantie zur Gewährleistung des bisherigen Versicherungsschutzes, BGE 124 III 44 S. 47 indem die Krankenkassen verpflichtet werden, die bisher über das gesetzliche Minimum hinaus gewährten Leistungen auf vertraglicher Basis ungeschmälert weiterzuführen (Botschaft über die Revision der Krankenversicherung, BBl 1992 I, S. 214). Damit wird zwar die Vertragsfreiheit für die Krankenkasse als Vertragskontrahentin eingeschränkt. Dies ist jedoch für die Frage der Qualifikation des Rechtsverhältnisses nicht von entscheidender Bedeutung. Die Rechtsordnung kennt zahlreiche Schranken, welche diese Freiheit in dieser oder jener Hinsicht beschränken (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 6. Aufl. Zürich 1995, N. 619 ff.); so gibt es namentlich gesetzliche Kontrahierungspflichten, die auch den Inhalt des abzuschliessenden Vertrages beschlagen können, ohne dass der unter Kontrahierungspflicht abgeschlossene bzw. abzuschliessende Vertrag zu einem "Nichtvertrag" würde und das Rechtsverhältnis als öffentlichrechtliches erscheinen liesse (a.a.O., N. 1104 ff.). Nichts anderes gilt für die im vorliegenden Fall umstrittene Frage, ob die von der X. der Versicherten angebotene Zusatzversicherung den nach Art. 102 Abs. 2 KVG garantierten Versicherungsschutz gewährt. Nicht von Belang ist, dass die umstrittene Bestandesgarantie im KVG geregelt und das Bundesamt für Sozialversicherung für die vorfrageweise Feststellung zuständig ist, ob die Versicherungsprodukte einer Krankenkasse der Vorschrift des Art. 102 Abs. 2 KVG entsprechen; denn dabei handelt es sich um formale Kriterien, die über die Natur des Rechtsverhältnisses nichts aussagen. cc) Nach Art. 102 Abs. 2 KVG haben die Krankenkassen ihre Bestimmungen "über Leistungen bei Krankenpflege, die über den Leistungsumfang nach Art. 34 Absatz 1 KVG hinausgehen (statutarische Leistungen, Zusatzversicherungen)... innert eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem neuen Recht anzupassen. Bis zur Anpassung richten sich Rechte und Pflichten der Versicherten nach dem bisherigen Recht". Danach gilt jedoch entgegen der in der Berufungsschrift anscheinend vertretenen Ansicht uneingeschränkt das neue Recht. Die Vorschrift, die in Frage stehenden Bestimmungen "innert eines Jahres nach Inkrafttreten dem neuen Recht anzupassen", bezeichnet bloss den spätesten Zeitpunkt der Anpassung, verbietet jedoch den Krankenkassen nicht, die erforderlichen Angleichungen schon auf einen früheren Zeitpunkt vorzunehmen. Im konkreten Fall haben die Abklärungen des Bundesgerichts ergeben, dass die X. die hier interessierenden Bestimmungen über die Zusatzversicherung bereits per 1. Januar 1996 dem neuen Recht angepasst hat. Seither richten BGE 124 III 44 S. 48 sich Rechte und Pflichten der Versicherten in diesem Bereich demnach ausschliesslich nach dem neuen Recht. dd) Da die Parteien somit Ansprüche des Bundeszivilrechts erhoben haben und auch solche streitig sind, ist folglich von einer Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG auszugehen. b) Abgesehen davon übersteigt der Streitwert nach den unwidersprochenen Ausführungen in der Berufung den Betrag von Fr. 8'000.--, so dass auf die im übrigen frist- und formgerecht eingereichte Berufung einzutreten ist ( Art. 46 OG ). 2. a) Handelt es sich bei der Streitigkeit über den (Mindest-) Inhalt der der Klägerin angebotenen Zusatzversicherung um eine solche privatrechtlicher Natur und hat die Beklagte ihre einschlägigen Bestimmungen bereits auf den 1. Januar 1996 angepasst, so entscheidet gemäss Art. 47 Abs. 1 VAG der Richter über privatrechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherungseinrichtungen oder zwischen solchen und den Versicherten. Zudem haben die Kantone nach der auf den 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Fassung von Art. 47 Abs. 2 VAG (Anhang Ziff. 2 des KVG) für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach KVG ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen, in dem der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen hat (siehe dazu statt vieler: RAYMOND SPIRA, Die Rechtspflege in der neuen Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit 1995, S. 258). Indem das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich auf die Klage nicht eingetreten ist, hat es demnach Bundesrecht verletzt. b) Daran ändert auch die Auffassung der X. nichts, das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich habe auch deshalb auf die Klage nicht eintreten dürfen, weil bei deren Einreichung beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern bereits ein Prozess über die gleiche Sache hängig gewesen sei. Zwar trifft zu, dass es in beiden Verfahren um die Frage geht, ob die X. mit dem der Versicherten angebotenen neuen Vertrag der Verpflichtung gemäss Art. 102 Abs. 2 KVG nachgekommen ist, dieser mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes zu gewähren. Dies kann jedoch der Versicherten nicht entgegengehalten werden, zumal auch die Frage der sachlichen Zuständigkeit bzw. des zulässigen Rechtsweges umstritten ist.
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Erwägungen ab Seite 220 BGE 107 II 220 S. 220 Aus den Erwägungen: 3. Das angefochtene Urteil verkennt nicht, dass Vertrags- und nicht Bereicherungsrecht gilt, solange ein Anspruch aus BGE 107 II 220 S. 221 Vertrag geltend gemacht werden kann. Als solchen betrachtet es jedoch aufgrund von Art. 363 OR nur den Herstellungsanspruch des Bestellers und den Vergütungsanspruch des Unternehmers, nicht aber den Anspruch auf Rückerstattung des zuviel bezahlten Werklohns. Eine mögliche Novation durch beiderseitige Anerkennung des Abrechnungssaldos sei nicht behauptet worden. a) Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgerichtsausschuss vor, er setze sich über die einmütige Lehre zu den Art. 62 ff. OR hinweg und zitiere Lehrmeinungen völlig sinnwidrig. Mit den Hinweisen auf VON TUHR/PETER (S. 479 A. 33) und BECKER (N. 14 zu Art. 62 OR ) belegt der angefochtene Entscheid, dass, wer mehr geleistet hat als geschuldet, den Differenzbetrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern kann. Was die Beschwerdeführerin diesbezüglich einwendet, ist haltlos. Sie vermag auch keine andere für sie sprechende Lehrmeinung anzuführen. Dass in besonderen Fällen das Gesetz selbst einen Rückerstattungsanspruch aus Vertrag begründet, so etwa auf Rückgabe des Mietgegenstandes ( Art. 271 OR ) oder auf Rückzahlung des Darlehens ( Art. 312 OR ), hilft der Beschwerdeführerin im Bereich des Werkvertrags nichts. Die Rechtsprechung behandelt z.B. die Rückforderung von zuviel bezahlten Darlehens- oder Pachtzinsen stets als Bereicherungsanspruch, nicht als Forderung aus Darlehens- oder Pachtvertrag ( BGE 64 II 135 , BGE 52 II 232 ). Im Hinblick auf eine zu Unrecht bezogene Versicherungsleistung hat das Bundesgericht ausgeführt, es gehe zwar aus dem Versicherungsvertrag hervor, dass die Leistung nicht geschuldet war, doch ergebe sich die Rückforderung nicht aus Vertrag, sondern aus Art. 62 ff. OR und unterliege daher der ein- und nicht der zweijährigen Verjährung gemäss Art. 46 VVG ( BGE 42 II 680 ). b) Nach der Beschwerde liegt es auf der Hand, dass die Akontozahlungen unter Vorbehalt der Schlussabrechnung geleistet wurden, was einen Bereicherungsanspruch ausschliesse. Dies wird nicht weiter begründet, könnte sich aber auf die Ansicht VON TUHR/PETERS (S. 484, 520) beziehen, wonach Annahme einer unter Rückforderungsvorbehalt erbrachten Leistung den Rückerstattungsanspruch zu einem vertraglichen macht. Diese Auffassung findet in der Rechtsprechung freilich keine Stütze ( BGE 32 II 637 , BGE 25 II 871 ; vgl. auch BECKER, N. 16 zu Art. 63 OR ). Zudem wäre ein solcher Vorbehalt hier nur stillschweigend erfolgt, mithin in der selbstverständlichen Meinung BGE 107 II 220 S. 222 der Parteien, dass je nach Ergebnis der Schlussabrechnung eine Rückzahlung stattfinde. Das gilt aber auch für andere Leistungen, die von einem künftigen Ereignis abhangen und mit deren Rückerstattung daher zu rechnen ist, ohne dass damit ein Vertragsanspruch begründet wird ( BGE 82 II 436 ). Die Rechtsauffassung des Ausschusses des Kantonsgerichts ist somit nicht willkürlich, sondern zutreffend.
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