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Bei einer Reform würden sich die Sicherheitsbehörden "ein paar Jahre mit sich selbst beschäftigen", sagt der SPD-Vorsitzende.
In der Debatte um Sicherheit in Deutschland will SPD-Chef Sigmar Gabriel das Augenmerk nicht ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen legen. "Man kann nicht nur durch Ausländerrecht den Terrorismus bekämpfen, wir müssen auch kulturell dagegen kämpfen", sagte Gabriel in Goslar. Es gehe darum, mit deutlich mehr Aufklärung und Jugendsozialarbeit "der Propaganda etwas entgegenzusetzen". Die Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu einer neuen Sicherheitsstruktur kritisierte Gabriel. De Maizière fordert angesichts der Terrorgefahr in Deutschland deutlich mehr Kompetenzen für den Bund in der inneren Sicherheit und erwägt offenbar, die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen. "Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen", sagte Gabriel. In Transitzonen Terroristen zu finden, sei eine "Illusion", sagt Gabriel Man könne über die Vorschläge des Innenministers diskutieren, sagte Gabriel, aber sie liefen auf eine langwierige Föderalismusreform hinaus. "Außerdem habe ich die große Sorge, wenn wir damit anfangen würden, dann würden sich die Sicherheitsbehörden erst einmal ein paar Jahre mit sich selber beschäftigen, statt Verbrecher und Terroristen zu jagen." Erneut wandte sich Gabriel gegen die CSU-Forderung nach Transitzonen, in denen Asylbewerber an den Grenzen zunächst festgehalten würden. Alle, die bisher einen Anschlag hierzulande verübten, hätten sich ausnahmslos "während des Aufenthalts von ein, zwei Jahren oder länger in Deutschland radikalisiert". Es sei daher eine "Illusion", darauf zu setzen, in diesen Transitzonen Terroristen zu finden, sagte der SPD-Vorsitzende weiter. Gabriel plädiert in einem Papier zum Thema innere Sicherheit, das am Montag bekannt wurde, für mehr Videoüberwachung und Abschiebehaft für ausreisepflichtige sogenannte Gefährder. Zugleich grenzt er sich von einigen Forderungen aus der Union ab und wendet sich gegen "Scheinlösungen".
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismusbekaempfung-gabriel-kritisiert-de-maizieres-vorstoss-zur-terrorabwehr-1.3319618
mlsum-de-501
Kurz vor dem Treffen mit der Chefin des US-Umweltamtes gibt Matthias Müller ein fatales Radiointerview.
Der VW-Chef war in die USA gekommen, um die Wogen zu glätten. Am Sonntagabend stand Matthias Müller noch vor Journalisten in einer Hamburger-Bar in Detroit und entschuldigte sich für den Dieselskandal. Das tat er nicht zufällig: An diesem Mittwoch findet das für den Konzern so wichtige Treffen mit der Chefin der US-Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, statt, und da ist es besser, man macht einige Dinge schon vorher klar. Dann aber geriet das Drehbuch der VWler kräftig durcheinander. Einen Tag vor dem entscheidenden Treffen lehnten die wichtigen US-Umweltbehörden Carb und Epa den ursprünglichen Rückrufplan der Wolfsburger von Ende 2015 ab. Was sich technisch und bürokratisch liest, darf man durchaus als Affront bewerten: Der Rückrufplan gehe nicht ausreichend auf die "Gesamtauswirkungen für Fahrverhalten, Emissionen und Sicherheit der Autos" ein, kritisierte die kalifornische Behörde Carb. Es gebe nicht "genug Informationen für eine technische Bewertung". Von der nationalen Behörde Epa hieß es anschließend, VW habe "keinen genehmigungsfähigen Rückrufplan" vorgelegt. Das hätten die Amerikaner dem VW-Chef am Mittwoch persönlich sagen können. Dass sie es einen Tag vorher publik machten, zeigt, wie es um die Beziehungen zwischen VW und den US-Behörden bestellt ist. Wenige Stunden bevor diese Absage Wolfsburg erreichte, machte ein Interview Müllers die Runde, das nicht zur Verbesserung der Stimmung beigetragen haben dürfte. Auf die Entschuldigungen Müllers in Detroit folgte eine fatale Kommunikationspanne des Konzernchefs: In einem Interview mit dem US-Sender NPR wird Müller zum Abgasskandal befragt. Er spricht von einem "technischen Problem", von einem "Versäumnis". Man habe die Gesetze in den USA nicht richtig ausgelegt. Wie bitte? Nur ein technisches Problem? Der Reporter hakt nach: Das Thema werde in den USA aber als "ethisches Problem" wahrgenommen. Da will Müller nicht mitgehen. "Ein ethisches Problem? Ich kann nicht verstehen, warum Sie das sagen." In den USA kam das gar nicht gut an. Zur Erinnerung: VW hatte jahrelang eine Software in Dieselmotoren gesteckt, die erkannte, wann Stickoxide auf dem Prüfstand - also offiziell - gemessen wurden und wann das Auto auf der Straße fuhr. Ein schwerer Fall von Manipulation also. Müller aber sagt den amerikanischen Journalisten: "Wir haben nicht gelogen." Bei VW hatten sie die Brisanz des Interviews schnell erkannt. Nachdem das Gespräch in Auszügen bereits gesendet war, bat man um eine Wiederholung der kritischen Passagen. Juristisch womöglich der richtige Weg. Doch da war die Katastrophe da schon passiert. Volkswagen bemühte sich am Dienstag um Schadenbegrenzung: Die Interviewsituation in der Hamburger-Bar "Fishbone's" am Sonntagabend in Detroit sei laut und chaotisch gewesen. Deshalb habe man darum gebeten, einige Punkte des Gesprächs noch einmal zu konkretisieren, um Missverständnisse auszuräumen. Der Interview-Mitschnitt von NPR indes ist im Internet abrufbar. Er ist eindeutig: klare Fragen und Antworten. Wie geht es weiter? Müller wird am Mittwoch in Washington Epa-Chefin McCarthy treffen; VW zufolge habe man in den vergangenen Wochen "konstruktive Diskussionen" mit den Behörden geführt. So viel steht fest: Die Behördenchefin aus Washington und der Manager aus Wolfsburg werden einiges zu besprechen haben. In VW-Kreisen in Deutschland löste Müller misslungenes Radiointerview am Kopfschütteln bis Entsetzen aus. Was der Konzern derzeit am wenigstens brauchen könne, sei der Eindruck, man wolle die Abgas-Affäre herunterspielen. Müllers verharmlosende Aussagen seien ein "Fehler", über den nach seiner Rückkehr geredet werden müsse. Die US-Behörden werfen den Wolfsburgern vor, nicht ausreichend zu kooperieren Auftritte in den USA könnte bei Volkswagen ohnehin bald jener Sonderbeauftragte übernehmen, den die Konzernspitze für die Kontaktpflege in Übersee einsetzen will. Es soll sich um eine angesehene Persönlichkeit mit besten Kontakten zu beiden großen politischen Lagern und zu den Behörden in den USA handeln. Nach Angaben aus Konzernkreisen könnte diese Person bereits nächste Woche engagiert werden. Dann trifft sich offenbar das Präsidium des Aufsichtsrats. Der Sonderbeauftragte wäre dann wohl auch einer der wichtigsten Ansprechpartner bei VW für den früheren Chef der US-Bundespolizei FBI, Robert S. Mueller, den die kalifornische Justiz jetzt mit einer Schlichterfunktion betraute. Mueller soll zwischen dem deutschen Autokonzern und den mehr als 500 Klägern in den USA vermitteln, die wegen der manipulierten Abgaswerte Schadenersatz fordern. Der frühere FBI-Chef werde in diesen "komplexen Angelegenheiten" die Vergleichsgespräche erleichtern, sagte der kalifornische Bezirksrichter Charles Breyer. Es geht um Milliarden von Euro und je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln, könnten die Strafen an der Existenz des Konzerns rütteln. Denn nicht nur die Behörden wollen VW bestrafen. Der Konzern sieht sich in den USA etwa 500 Sammelklagen gegenüber. Sie stammen aus allen 50 Bundesstaaten und liegen beim zuständigen Bundesgericht in San Francisco. Richter Charles Breyer wird womöglich noch im Januar entscheiden, welche von ihnen zugelassen werden und welche nicht. Von den etwa 500 Eingaben entfallen 120 auf die Konzerntochter Audi, 22 auf den Sportwagenbauer Porsche und 19 auf den Zulieferer Bosch. Einige der Klagen richten sich persönlich gegen Ex-VW-Konzernboss Martin Winterkorn und den noch amtierenden USA-Chef Michael Horn. Kläger sind zumeist Privatpersonen und Firmen, aber auch Kommunen und Hochschulen. Sie werfen Volkswagen Betrug, Täuschung, Vertragsbruch, Wettbewerbsverstöße und Umweltverschmutzung vor. VW hatte sich ursprünglich darum bemüht, dass der Zivilprozess in Detroit anstatt in San Francisco stattfindet. Kalifornische Richter gelten in den USA gemeinhin als umweltfreundlicher und verbrauchernäher als ihre Kollegen im Auto-Staat Michigan. Ob sich die Hoffnungen der Anwälte auf ein kundenfreundliches Urteil mit der Berufung Breyers erfüllen werden, ist dennoch ungewiss: Der 74-Jährige gilt als unbestechlich. In früheren Wirtschaftsfällen schlug er sich mal auf die Seite der Industrie, mal auf die der Verbraucher. Insofern: Es ist alles offen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-vw-chef-verpatzt-auftritt-in-den-usa-1.2814682
mlsum-de-502
Er ist die Leitwährung der Welt und Finanzwaffe des Weißen Hauses: Viele stören sich an der enormen Bedeutung des Dollar und wünschen sich eine Alternative.
Es war am 14. Februar 1945, als der Dollar auf einem Schiff endgültig zur wichtigsten Währung der Welt wurde. US-Präsident Roosevelt sparte sich selbst Alkohol und Zigaretten vom Munde ab, um die religiösen Gefühle seines Gesprächspartners nicht zu verletzen: des saudischen Königs Ibn Saud. Denn es ging um viel, der saudische König sollte unterschreiben, saudisches Öl ab jetzt nur noch in Dollar zu handeln. Er unterschrieb. Schon wenige Jahre später handelten fast alle Länder ihr Öl in Dollar. Es war ein Meilenstein in der Aufstiegsgeschichte des Dollar zur Weltleitwährung. Eine Weltleitwährung, die viele nun gerne fallen sehen würden, mehr als 70 Jahre nach der Episode auf dem Schiff. Die Türkei, Russland und Venezuela, sie alle wollen sich unabhängiger machen vom Dollar, mehr Geschäfte in anderen Währungen abwickeln. Verständlich, sagen da viele. Aber die Strategie sei am Ende durchsichtig, es blieben eben: Autokraten. Mit seinem Vorstoß, "von den USA unabhängige Zahlungskanäle einzurichten" und daher eine Alternative zum internationalen Zahlungssystem Swift aufzubauen, stößt nun auch der deutsche Außenminister Heiko Maas ins selbe Horn. Dahinter steckt die Idee, die Macht der Amerikaner im internationalen Zahlungsverkehr zu schwächen. Viele stören sich inzwischen daran, dass der Dollar nicht nur Zahlungsmittel in den USA ist. Die Währung ist inzwischen zur schlagkräftigen Finanzwaffe in den Händen des Weißen Hauses geworden. Die meisten internationalen Zahlungen laufen in Dollar, Rohstoffe handeln Unternehmen fast ausschließlich in Dollar. "Dollar is king", sagt Devisenanalystin Sonja Marten von der DZ Bank. Dieses Drohpotenzial nutzt Trump, wenn er über Sanktionen gegen Iran oder Russland spricht. So könnte er beispielsweise iranische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend abschneiden, russischen Banken das Handeln in Dollar verbieten. Oder internationalen Banken auch außerhalb der USA hohe Strafen aufbrummen, wenn sie in Dollar handeln und zeitgleich mit Iran Geschäfte machen. Dass das keine leere Drohung ist, musste die Commerzbank 2015 erfahren. Weil sie für Kunden Transaktionen im Iran und Sudan ausgeführt haben soll, musste sie 1,45 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Immer wieder diskutieren Experten daher Alternativen zum Dollar: Welche andere Währung könnte ihm den Titel als Weltleitwährung streitig machen? Während aktuell rund 60 Prozent aller Devisenreserven auf Dollar lauten, macht der Euro gute 20 Prozent aus. Während 39 Prozent aller Transaktionen über das internationale Zahlungssystem Swift in Dollar laufen, holt der Euro in den letzten Jahren wieder auf. Er macht nun 34 Prozent aus. Dass der Euro den Dollar bald jedoch vom Währungs-Thron stoßen dürfte, glaubt kaum jemand. Viele Investoren sorgen sich längst wieder, dass der Euro auseinanderbrechen könnte. Erst im Frühjahr hatten Politiker in Italien ein Euro-Aus des Landes ins Spiel gebracht. "Die Italienepisode hat wieder einmal gezeigt, wie anfällig der Euro ist" sagt Thu Lan Nguyen, Devisenexpertin der Commerzbank. Könnte am Ende der chinesische Renminbi das Rennen machen? Auch praktisch müssten Länder mit einem Handelsüberschuss ihr Geld irgendwo anlegen. In Dollar ist das leicht möglich, der Markt für US-Staatsanleihen ist extrem groß und liquide. Einheitliche Eurostaatsanleihen gibt es jedoch nicht und allein der Markt für deutsche Bundesanleihen ist viel zu klein, um einen Schwall an Kapital zu absorbieren. "Das erschwert es enorm, dem Euro zu mehr Gewicht zu verhelfen", sagt Devisenexpertin Marten. Könnte am Ende also der chinesische Renminbi das Rennen machen? Auch daran haben Experten ihre Zweifel. Denn der Renminbi ist noch nicht frei konvertibel, die chinesische Regierung hat Kapitalkontrollen erlassen. Dass sich daran schnell etwas ändert, glaubt am Devisenmarkt niemand. Als die Regierung 2015 versuchte, den Devisenmarkt zu öffnen, floss viel zu schnell viel zu viel Geld ab. "Das war eine regelrechte Kapitalflucht", sagt Devisenexpertin Thu Lan Nguyen. Auch wenn der Dollar schon vielfach totgesagt wurde, am Ende lebt er länger.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leitwaehrung-ist-der-dollar-wirklich-konkurrenzlos-1.4100543
mlsum-de-503
Die Regierung in Kabul wolle Staatsangehörige wieder zurücknehmen, sagt Minister de Maizière. Laut Pro Asyl sollen bald Flüge stattfinden.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen plant Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die zügige Rückführung abgelehnter afghanischer Asylbewerber in ihr Heimatland. Noch im Februar wolle de Maizière mit Abschiebeflügen beginnen, sagte der stellvertretende Geschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, am Donnerstag in Frankfurt. "Monatelang hat der Innenminister afghanische Schutzsuchende in Deutschland verbal verunsichert. Jetzt will er ein Exempel an ihnen statuieren, koste es was es wolle." Der Bayerische Flüchtlingsrat sprach von 7000 Personen, die mit einer Duldung in der Bundesrepublik leben. Viele von ihnen lebten bereits seit Jahren hier und seien gut integriert, so der Flüchtlingsrat in einer Mitteilung. Pro Asyl veröffentlichte zudem ein Schreiben de Maizières vom 5. Februar an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU). Darin schrieb der Minister, er habe zu Monatsbeginn in Afghanistan Gespräche mit dem Ziel der Rückführung abgelehnter afghanischer Asylbewerber geführt. Die afghanische Regierung habe ihre Verpflichtung zur Rücknahme der Staatsangehörigen anerkannt. De Maizière kündigte in dem Schreiben laut Pro Asyl weiter an, dass noch im Februar mindestens ein Flug mit abgelehnten Flüchtlingen nach Afghanistan organisiert werden solle. Die Landesinnenminister sollten daher ausreisepflichtige afghanische Flüchtlinge melden. Pro Asyl verwies auf die unsichere Lage in Afghanistan, weshalb etwa 80 Prozent aller Asylbewerber des Landes im vergangenen Jahr in Deutschland anerkannt worden seien. Die afghanische Regierung betrachte 31 von 34 Regionen des Landes als unsicher. Auch während der jüngsten Reise de Maizières nach Afghanistan seien bei einem Anschlag in Kabul mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-bund-soll-abschiebung-von-afghanen-planen-1.2859420
mlsum-de-504
Nach nur 63 Tagen muss Trainer Alexander Nouri beim Zweitliga-Letzten Ingolstadt schon wieder gehen. Seine persönliche Serie hat er dort auf 21 Spiele ohne Sieg ausgebaut.
Die Momente, in denen der Fußballtrainer Alexander Nouri ein Spiel ganz still verfolgt, sind selten. Nouri ist ein Antreiber, er klatscht und schreit seinen Spielern hinterher, so als wolle er sie dadurch beschleunigen. Selbst bei Temperaturen um die null Grad steht er daher vorwiegend mit offener Jacke da. In einer Trinkpause mit dem FC Ingolstadt neulich gegen Arminia Bielefeld klatschte er mit allen Spielern ab und umarmte seinen Antreiber auf dem Feld, Almog Cohen, so fest, dass dem Israeli wohl kurz die Luft weggeblieben sein musste. Das ist dieses "Feuer", das der Vorstandsvorsitzende Peter Jackwerth vor zwei Monaten ansprach. Das Feuer, mit dem der 39-jährige Nouri den Ingolstädter Aufsichtsrat überzeugte, Nachfolger des beurlaubten Stefan Leitl zu werden. Womit der FCI vom eigentlichen Vorhaben abrückte, einen erfahrenen Zweitliga-Coach als Nachfolger zu holen. 63 Tage nach dessen Amtsantritt beriet der Aufsichtsrat am Montag nun aber bereits wieder über Nouri. Nach dem 0:2 bei Dynamo Dresden ging es nicht um eine Beförderung beim Tabellenletzten der zweiten Fußball-Bundesliga: Der FC Ingolstadt hat Nouri stattdessen entlassen, er ist jetzt der Trainer mit der kürzesten Amtszeit in der 14-jährigen Geschichte des Vereins (vor Marco Kurz, 92 Tage). Zunächst wird der U19-Coach Roberto Pätzold die Mannschaft interimsweise betreuen. Nouris trainingsfreien Dienstag hat er gestrichen, um 15 Uhr ging es auf den Platz. "Nach den ausbleibenden Erfolgserlebnissen sahen wir uns zum Handeln gezwungen", sagte Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor Harald Gärtner. Jens Keller soll schon bei der vergangenen Trainersuche Gärtners Favorit gewesen sein Zum "Wir" gehört seit der vergangenen Woche auch wieder Thomas Linke - als externer sportlicher Berater. Aus persönlichen Gründen zog er sich im Sommer 2017 nach fast sechs Jahren als FCI-Sportdirektor zurück, nun dürfte er den Aufsichtsrat erstmals entscheidend beraten haben. Was er in den nächsten Wochen weiter tun wird. Linke soll gemeinsam mit Gärtner den Kader in der Winterpause umbauen, verriet Jackwerth bei Linkes Vorstellung. Um schnellstmöglich aus der Abstiegszone herauszukommen, wo der Bundesliga-Absteiger von 2017 nicht hingehören sollte. Nouri war der Wunschkandidat von Linkes Nachfolger, des ehemaligen Sportdirektors Angelo Vier. Der musste bereits vor einem Monat gehen, als der FCI begann, sich auf dem letzten Tabellenplatz einzurichten. Die beiden kannten sich noch aus der Zeit, als Vier Spielerberater war. Seine Beraterfirma "Golden Goal Sports & More GmbH" hatte mit Nouri zusammengearbeitet. In Ingolstadt konnten die beiden allerdings keine Wende schaffen. Nouris Anstellung war ja nicht nur aufgrund seiner fehlenden Erfahrung bemerkenswert, sondern auch wegen einer Serie: Er trat sein Traineramt nach 13 nicht gewonnenen Spielen mit Werder Bremen 2017 an. Vereins- und ligaübergreifend hat Nouri diese schwarze Serie nach fünf Niederlagen und drei Remis beim FCI auf 21 Partien hochgeschraubt. Klar, kein FCI-Trainer hat eine so schlechte Bilanz. Die Entlassung war die logische Folge. Auch weil Nouris Art als absoluter Motivator in Ingolstadt nicht half. Schon als er begann, sagte er: "Es geht nicht darum, die Systemfrage zu lösen, sondern darum, dass die Mannschaft bereit ist, das Maximum abzurufen." Er weiß selbst, dass er wohl kein Trainertyp Domenico Tedesco mehr werden wird, der wohl in der Trinkpause gegen Bielefeld eher einen Taktikvortrag gehalten hätte statt abzuklatschen. Vor seinem ersten Training wollte Nouri "ein gemeinsames Commitment aufbauen, um die Mannschaft auf ein Ziel einzuschwören". Doch wenn eben jene Art nicht verfängt, kann der Weg beschwerlich werden. Das musste Nouri in Bremen erfahren, wo sich das Team von ihm abwandte. In den nächsten Tagen arbeitet Gärtner an der Zusammenstellung des neuen Trainerteams, wohl auch gemeinsam mit dem externen Berater Linke. Am Samstag (13.30 Uhr) empfängt der FCI den Tabellenführer Hamburger SV. Aber die FCI-Verantwortlichen werden sich dieses Mal wohl etwas mehr Zeit lassen - Nouri kam zwei Tage nach Leitls Entlassung -, weil sie wissen, dass der nächste Trainer der richtige sein muss. In etwa so wie damals Ralph Hasenhüttl nach der kurzen Ära Kurz: Der kam im Oktober 2013 und führte den FCI vom letzten Tabellenplatz der zweiten Liga später bis in die Bundesliga. Der 51-jährige Österreicher wäre auch aktuell ohne Anstellung. Vielleicht denken Linke und Gärtner also gerade an ihre güldenen Vereinszeiten und fragen mal an. Obwohl sie im Grunde auch wissen, dass ihnen ihr alter Kollege entwachsen zu sein scheint. Schon eher könnte ein bereits vor zwei Monaten gehandelter Kandidat wieder ganz oben auf der Liste stehen: Jens Keller. Dem Vernehmen nach war er schon Gärtners Favorit als Leitl-Nachfolger - und vor Kurzem sah er sich das FCI-Testspiel gegen 1860 München (1:2) an. Und bei den Sechzigern wird aller Voraussicht nach erst einmal kein Platz als Trainer frei.
https://www.sueddeutsche.de/sport/zweite-liga-feuer-erloschen-1.4229119
mlsum-de-505
Flynn hatte über Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington gelogen. Den Kontakt habe Trumps späterer Sicherheitsberater auf "Anweisung von höherer Stelle" aufgenommen, so Sonderermittler Mueller.
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Michael Flynn, hat in der Russland-Affäre einen engen Mitarbeiter des Präsidenten belastet. Ohne die Person beim Namen zu nennen, erklärte Flynn, ein hochrangiges Mitglied von Trumps Übergangsteam habe seine Kontakte nach Russland gesteuert. Flynn hat heute vor einem US-Bundesgericht ausgesagt und sich schuldig bekannt, das FBI im Zuge der Russland-Affäre belogen zu haben. Flynn habe zum Inhalt seiner Telefonate mit dem damaligen und inzwischen abgelösten russischen Botschafter in Washington wissentlich "falsche, fiktive und betrügerische Erklärungen" abgegeben, heißt es in einem nun veröffentlichten Dokument von Sonderermittler Mueller. Demnach hatte Flynn entgegen den Tatsachen bestritten, dass er die russische Regierung damals gebeten habe, auf die vom scheidenden Präsidenten Barack Obama verhängten Russland-Sanktionen nicht mit harten Gegenmaßnahmen zu antworten. Flynn habe den Kontakt zur russischen Regierung allerdings nicht eigenmächtig, sondern auf Anweisung von höherer Stelle aufgenommen, erklärte Sonderermittlers Mueller. Der General habe im Auftrag eines "sehr hohen Verantwortlichen" des Teams des heutigen Präsidenten Donald Trump gehandelt, als er den russischen Botschafter anrief, teilte Sonderermittler Robert Mueller nun mit. Das Weiße Haus hat auf Flynns Aussage bereits reagiert und dessen Falschaussagen als persönliche Fehlleistung dargestellt. "Nichts in dem Geständnis oder in der Anklage betrifft irgendjemand anderen als Herrn Flynn", heißt es in einer Stellungnahme des Weißen Hauses. Es seien dieselben Aussagen Flynns, die zu dessen Rücktritt im Februar dieses Jahres geführt hätten. Dennoch bringt Flynns Geständnis Trump nun unter Druck. Bei seinem Auftritt vor dem Gericht in Washington gab er an, mit dem Team um Sonderermittler Robert Mueller zu kooperieren. Sein Schuldeingeständnis legt zudem nahe, dass er einen Deal ausgehandelt hat und im Gegenzug für eine milde Strafe Informationen über die Russland-Kontakte des Trump-Teams an Mueller weitergibt. Flynn diente 33 Jahre lang in der US-Armee, bis er 2014 in den Ruhestand ging. Im Militär entwickelte er Anti-Terror-Strategien, um Terrornetzwerke in Afghanistan und Irak zu zerstören. Anschließend gründete er einen Informationsdienst, der Daten für Unternehmen und andere Regierungen, etwa auch die Türkei, sammelte. Flynn gilt als eine der Schlüsselfiguren in der Affäre um die Kontakte des Trump-Teams nach Russland. Wegen seiner Falschangaben zu den Kontakten mit Kisljak war Flynn im Februar nach nur dreieinhalb Wochen im Amt zurückgetreten. In einer Stellungnahme sagte er nun: "Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln."
https://www.sueddeutsche.de/politik/russlandaffaere-trumps-ehemaliger-sicherheitsberater-flynn-wegen-falschaussage-zu-russland-kontakten-angeklagt-1.3774873
mlsum-de-506
Seit Wochen verhandeln der Verkehrsminister und die EU-Kommission über die umstrittene Gebühr für Autobahnen und Bundesstraßen. Brüssel will die Klage zurücknehmen, wenn Dobrindt auch eine Kurzzeit-Vignette einführt.
Die deutsche Pkw-Maut rückt näher. Die Europäische Kommission sei "optimistisch", sich noch im November mit der Bundesregierung auf einen Kompromiss über eine Nutzungsgebühr für deutsche Autobahnen und Bundesstraßen zu einigen, die mit europäischem Recht vereinbar ist. Das sagte eine Sprecherin der Behörde am Abend der Süddeutschen Zeitung. Die Ampel stehe "auf gelb, kurz vor grün", fügte sie hinzu. In den vergangenen Wochen seien in intensiven Verhandlungen zwischen Berlin und Brüssel gute Fortschritte erzielt worden. Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hätten persönlich darüber gesprochen. Die Bild hatte als erste Zeitung über eine bevorstehende Einigung berichtet. Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren war, müssen noch zwei Voraussetzungen erfüllt werden, bis die EU-Kommission bereit ist, die Ampel auf grün zu schalten. Demnach verlangt die Behörde, dass Dobrindt auch Kurzzeit-Vignetten einführt. Diese Vignetten sind üblich, um die Kosten für Autofahrer zu begrenzen, die ein Land nur durchqueren wollen; sie betrifft den Transit-Verkehr. Zudem muss sich Dobrindt von seiner ursprünglichen Idee verabschieden, deutsche Autofahrer genau um den Jahresbetrag der geplanten Pkw-Maut bei der Kfz-Steuer zu entlasten. Die EU-Kommission hatte dieses Konzept wegen der offensichtlichen Benachteiligung ausländischer Autofahrer abgelehnt. Brüssel hatte erst im September entschieden, Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Im Gespräch ist jetzt, dass Dobrindt die Kfz-Steuer etwa für umweltfreundliche Kraftfahrzeuge deutlich stärker senkt, so dass sich Maut und Steuersenkung nicht in jedem Fall und für jeden Autofahrer ausgleichen. Für einige dürfte das Mehrkosten bedeuten. Brüssel ist dann grundsätzlich bereit, die Klage gegen das deutsche Mautgesetz zurückzunehmen. Dobrindt lobte am Donnerstag die engen und vertrauensvollen Gespräche mit Kommissionschef Juncker. Dieser habe sich "persönlich stark engagiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden". Er sei "sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht". Für den CSU-Minister kommt die Annäherung in einem passenden Augenblick. An diesem Freitag beginnt der CSU-Parteitag; der bisher eher glücklose Dobrindt kann nun mit einem Erfolg aufwarten. Selbst bei einer raschen Einigung von EU-Kommission und Verkehrsministerium ist allerdings offen, ob die Pkw-Maut tatsächlich wie von Dobrindt erhofft, noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 eingeführt werden kann. Zwar hat der Bundestag das Mautgesetz bereits beschlossen. Sollte es jedoch gravierend geändert werden, dürfte das Parlament auf eine neue Abstimmung dringen. Und deren Ausgang ist offen. Der Koalitionspartner SPD kündigte am Abend an, keine zusätzliche Belastungen für deutsche Autofahrer zu akzeptieren. "Daran wird nicht gerüttelt", erklärte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Er betonte, dass dies auch der Koalitionsvertrag so vorschreibe.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bruessel-annaeherung-im-streit-ueber-pkw-maut-1.3234467
mlsum-de-507
Vidal, Costa, Kimmich, Coman: Vier Transfers des Bayern-Kaderplaners entschieden das Duell gegen Turin - nicht von allen war Guardiola anfangs überzeugt.
Das Foto, das viele Monate später auch über den Ausgang dieses Achtelfinals der Champions League entscheiden sollte, zeigt einen schillernden Helden, aber auch einen stillen Helden. Der schillernde Held trägt eine goldene Hose, Sneakers mit goldenen Streifen, um den Hals ein Goldkettchen mit goldenem Kreuz, auch die Haare sind golden getönt. Der stille Held verschwindet fast neben all diesem Glanz, er hat leicht zerwuschelte Haare, aber das passt ja auch wunderbar zu diesen hektischen Tagen, die da Ende August hinter ihm liegen. Für das Team der Zukunft sind noch ein paar Personalien offen Der schillernde Held auf diesem Foto aus einem Münchner Café ist Kingsley Coman, der damals kurz davor war, Juventus Turin zu verlassen und einen Vertrag beim FC Bayern zu unterschreiben. Und der viele Monate später, an einem Mittwochabend im März, mit seinen Dribblings, mit seinen Flanken, mit einer Vorlage und schließlich einem Tor den FC Bayern zu einem 4:2 gegen seinen ehemaligen Klub wirbelte. Kingsley Coman im Münchener Eiscafe getroffen. Swag in den Schuhen! Willkommen in der BuLi! #coman #skybuli pic.twitter.com/iTnExZ218Z — Der Abstauber (@TheAbstauber) August 30, 2015 Der stille Held ist Michael Reschke, der Kaderplaner des FC Bayern, der ganz gerne aus der Öffentlichkeit verschwindet, besonders in einem Monat wie dem August, in dem noch letzte Transfers geplant werden müssen. Das Foto aus dem Café ist daher ein seltenes Bild seiner Arbeit, die sich so schwer abbilden lässt. Es sei denn, man zieht gleich ein ganzes Spiel heran, zum Beispiel das 4:2 gegen Turin. Dass sich der FC Bayern in dieser wilden Partie doch noch für das Viertelfinale der Champions League qualifiziert hat, das war auch ein Erfolg der jüngsten Transferpolitik des Vereins. Ein Erfolg, der zeigt, dass sich eine Mannschaft auf diesem Niveau kaum noch aus dem eigenen Nachwuchs heraus entwickeln lässt. Sondern hauptsächlich durch gezielte Transfers. Dieses 4:2 ist daher auch ein Beleg dafür, wie wichtig ein Mann wie Michael Reschke für den FC Bayern ist. Vier Reschke-Zugänge prägen die Partie gegen Turin Vier Spieler hat der Klub im vergangenen Sommer verpflichtet, und alle vier haben am Mittwoch nachgewiesen, warum. Joshua Kimmich war vielleicht noch der Unauffälligste in diesem Quartett, was in seinem Fall hieß: Er spielte einigermaßen souverän auf einer Position, auf der er vor wenigen Wochen noch völlig fremd war, in der Innenverteidigung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-michael-reschke-der-stille-held-des-fc-bayern-1.2912338
mlsum-de-508
Mit knapper Mehrheit stimmen die Abgeordneten gegen die Reform des Urheberrechts. Kritiker hatten vor Zensur gewarnt und sahen das freie Netz in Gefahr.
Das Europaparlament hat die umstrittene Reform des Urheberrechts vorerst gestoppt. 318 Abgeordnete stimmten dagegen, 278 dafür, es gab 31 Enthaltungen. Vergangene Woche hatte der Rechtsausschuss des Parlaments den Entwurf gebilligt. Gegner der Reform hatten daraufhin eine Abstimmung im Plenum beantragt. Die Richtlinie sollte europaweit einheitliche Standards schaffen und das veraltete Urheberrecht an die digitale Realität des 21. Jahrhunderts anpassen. Welche Punkte sind besonders umstritten? Die Kritik richtet sich gegen zwei Artikel der Richtlinie. Artikel 11 sieht ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Presseverleger vor. Suchmaschinen wie Google sollen Medienhäuser bezahlen, wenn sie deren Überschriften oder Teaser verwenden. Artikel 13 macht Online-Plattformen direkt für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich. Bislang muss etwa Youtube erst dann löschen, wenn Labels oder Künstler auf ein Video hinweisen, das ihre Rechte verletzt. Die Richtlinie sieht vor, dass Plattformen haften, sobald Nutzer Inhalte online gestellt haben. Warum ist Artikel 13 problematisch? Axel Voss, als Verhandlungsführer im Rechtsausschuss einer der maßgeblichen Befürworter der Reform, hat recht: Der Begriff "Upload-Filter" steht nicht in der Richtlinie. De facto bleibt den betroffenen Unternehmen aber nichts anderes übrig, als alle Inhalte zu filtern, bevor diese online gehen. Einige Plattformen wie Wikipedia sollen ausgenommen werden, die Regelung beträfe dennoch große Teile des Netzes, etwa Youtube oder Facebook. Es ist unmöglich, die Millionen Bilder und Videos, die täglich hochgeladen werden, manuell zu prüfen. Dementsprechend wäre Filtersoftware nötig, die automatisch alles scannt. Bestehende Systeme wie Youtubes Content-ID, das Videos mit urheberrechtlich geschützter Musik erkennen soll, machen regelmäßig Fehler und löschen auch legale Inhalte. Auch Facebooks Filter für politische Werbung blockieren mehr als sie sollten. Die neuen Systeme müssten viel umfassender prüfen und wären dementsprechend deutlich komplexer. Schwer vorstellbar, dass sie dann zuverlässiger funktionieren als eine Software mit eng definiertem Funktionsumfang. Das Resultat wären riesige Datenbanken mit Text-, Audio- und Video-Ausschnitten, für die Verwertungsrechte geltend gemacht werden. Kleinere Plattformen wären nicht in der Lage, technische Lösungen zu entwickeln, um alle Inhalte abzugleichen. Sie müssten die Software bei Unternehmen wie Google einkaufen. Das würde aus Sicht der Reform-Gegner den Status der mächtigsten Plattformen untermauern und Abhängigkeiten zu deren Gunsten schaffen. Warum ist Artikel 11 umstritten? Kritiker des Leistungsschutzrechts bezeichnen es auch als "Linksteuer". Die meisten Hyperlinks enthalten den Titel der URL, auf die sie verweisen. Bereits diese kleinen Textausschnitte sollen geschützt werden, sodass Plattformen dafür bezahlen müssten. Das könnte es auch den Nutzern der Plattformen deutlich erschweren, Links zu Online-Medien zu teilen. Zudem ist der wirtschaftliche Nutzen fraglich: In Deutschland gibt es ein ähnliches Recht seit 2013. Es gilt als gescheitert. Als es 2013 in Kraft trat, verzichtete Google darauf, die Teaser der Online-Medien bei Google News anzuzeigen, um keine Vergütung zahlen zu müssen. Das passte den Verlegern aber ebenfalls nicht. Sie versuchten, Google gerichtlich zu zwingen, ihre Inhalte anzuzeigen und gleichzeitig dafür zu zahlen. Die Klagen scheiterten, jedoch wollten die Verlage nicht auf die zusätzlichen Leser verzichten, die Inhalte über Google finden. Also erteilten sie dem Unternehmen eine Gratis-Lizenz: Google darf Inhalte kostenlos nutzen, andere Suchmaschinen müssen zahlen. Das rechnete sich für die Verlage nicht. Im vergangenen Jahr nahmen die Verlage 30 000 Euro ein - und gab mehr als zwei Millionen Euro für Prozesskosten aus. Wie argumentieren die Befürworter? Verlage und Vertreter der Musik- und Filmbranche bezeichnen die Argumente der Kritiker als Panikmache. Sie sehen die Reform als einzige Möglichkeit, Rechteinhaber wirksam und fair für ihre Leistungen zu entlohnen. Im Netz würden Urheberrechte massenhaft verletzt. Während Google Milliarden verdiene, müssten Medien um ihre Existenz bangen. Das Leistungsschutzrecht sei nötig, um unabhängigen Journalismus zu schützen und Verlage an den Einnahmen der Suchmaschinen zu beteiligen. Wie geht es jetzt weiter? Im Falle einer Zustimmung hätten die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Rat begonnen, die die Reform bereits gebilligt hatten. Jetzt aber muss sich das Parlament erneut mit der Richtlinie befassen. Im September wird in Straßburg darüber verhandelt. Die Abgeordneten können Änderungen beschließen und etwa Artikel 13 streichen - oder den Entwurf komplett ablehnen. Dann wäre die Reform des Urheberrechts gescheitert.
https://www.sueddeutsche.de/digital/urheberrecht-eu-parlament-stoppt-umstrittene-upload-filter-1.4042029
mlsum-de-509
Sparkonten, Anleihen oder Lebensversicherungen werfen kaum noch Rendite ab, seit die EZB die Zinsen stark senkt. Letzte Hoffnung könnten Aktien mit hohen Dividenden sein.
Es ist noch nicht lange her, da war endlich mal wieder eine symbolische Marke geknackt. Dax 10 000. Jubelstimmung an den Börsen. Rekord. So hoch stand der Index noch nie, nicht einmal vor der Finanzkrise. Was viele nicht wissen: Eigentlich hat der deutsche Leitindex im Juni keinen neuen Rekord erreicht, zumindest nicht der Kurs allein. Das liegt an der Berechnungsmethode der Kurve, die jeden Abend verlässlich im Fernsehen zu sehen ist. Üblicherweise wird immer der sogenannte "Performance-Dax" gezeigt. Dabei wird so getan, als würden sämtliche Dividendenzahlungen der 30 größten deutschen Börsenunternehmen direkt wieder in neue Aktien gesteckt - regelmäßige Gewinnausschüttungen lassen den Index also zusätzlich steigen. Lässt man die außer Acht, steht der Dax derzeit sogar niedriger als 2007, dem letzten Boom-Jahr vor dem weltweiten Finanzkollaps. Was sofort deutlich macht: Ohne die Gewinnbeteiligung hätten Anleger im vergangenen Jahrzehnt kaum etwas an Aktien verdient. Die Suche nach renditeträchtigen Wertpapieren kann für Privatanleger derzeit ganz schön frustrierend sein - nach der erneuten Zinssenkung der EZB am Donnerstag dürfte es eher noch schlimmer werden. Tages- und Festgeldkonten bringen kaum etwas ein, Lebensversicherungen lohnen sich nur noch bedingt, die Zinsen auf zehnjährige Bundesanleihen fielen zuletzt sogar unter die Ein-Prozent-Marke. Wer dem deutschen Staat für zehn Jahre sein Geld leiht, bekommt also weniger als ein Hundertstel seines Darlehens pro Jahr als Dank. Wer das gleiche Geld in Anteile eines Dax-Unternehmens steckt, kann mit bis zu 4,7 Prozent Rendite pro Jahr rechnen, abgesehen von der Kursentwicklung. Das ist zwar auch die Prämie für das höhere Risiko - die ist momentan aber ungewöhnlich hoch. "Die Differenz zur Verzinsung von Bundesanleihen war seit den Fünfzigerjahren selten so groß", sagt Jan Erhardt, Fondsmanager bei DJE Kapital. Fast alle soliden Wertpapiere mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren seien inzwischen niedriger verzinst als der Durchschnitt der Aktien. Es kann sich also lohnen, auf Aktien zu setzen, die eine ordentliche Dividendenrendite versprechen. Sie fällt umso höher aus, je niedriger der Kurs und je größer der Anteil des Gewinns ist, den ein Unternehmen an die Aktionäre ausschüttet. "Die Dividendenrendite ist als Auswahlkriterium für Aktien wichtiger geworden", sagt Erhardt. Und obwohl die Aktienmärkte seit einiger Zeit boomen, sank die durchschnittliche Dividendenrendite nur wenig.
https://www.sueddeutsche.de/geld/dividendenstarke-aktien-als-geldanlage-was-nach-draghis-zinssenkung-noch-rendite-bringt-1.2116307
mlsum-de-510
In drei emotionalen Sätzen gegen Bühl gelingt Herrsching der vorentscheidende Heimsieg zum direkten Einzug in die Playoffs. Vor allem Zuspieler Patrick Steuerwald reißt sein Team mit
Schnell wurde klar, dass dies kein gewöhnlicher Volleyball-Tag war. Schon der erste Satz bot Erzählstoff für mehrere Spiele: Zum Beispiel eine frühe gelbe Karte für Herrsching wegen lautstarker Proteste gegen den Schiedsrichter, Libero Ferdinand Tille boxte wütend den Ball weg und Herrsching schien den Durchgang schon verloren zu haben. Dann aber rettete Kapitän Patrick Steuerwald einen Ball auf der Seite des Gegners, blockte den folgenden Angriff und legte auch noch den Punktgewinn für seine Mannschaft zum 20:20 auf. Ein epischer Ballwechsel mit richtungsweisendem Charakter. Als Steuerwald schließlich nach 30 Minuten und der Abwehr zweier Satzbälle mit der zweiten Berührung den Punkt zum 27:25 verwertete, machte sich die leise Ahnung breit: Herrsching war heute nicht zu schlagen. Und die Fans wurden richtig laut. Eine gute Stunde später hatten Trainer Max Hauser und die 1000 Zuschauer in der Nikolaushalle Gewissheit: Der TSV Herrsching hatte die vorentscheidende Partie um Platz sechs gegen den TV Bühl mit 3:0 (27:25, 25:15, 35:33) gewonnen. Die Spieler machten die La Ola, der Stadionsprecher im Königskostüm jubelte ins Mikrofon und hielt eine übergroße Sechs in die Höhe. Ziel erreicht! "Ein spektakuläres, ein umkämpftes Spiel", fasste Trainer Hauser zusammen. "Wir haben in den engen Phasen fast alles richtig gemacht." Wieder einmal entschied Herrsching zwei knappe Sätze für sich. Das sei kein Zufall, ließ Hauser wissen - und lobte die "mentale Stärke" seiner Mannschaft. Dass Herrsching solche Extremsituationen auch regelmäßig im Training nachstellt, machte sich bezahlt. Dazu bewies der Trainer ein gutes Gespür, als er erst Nicolai Grabmüller und später Benedikt Doranth von der Bank brachte, die mit guten Aktionen das Ergebnis wesentlich beeinflussten. Detailansicht öffnen Närrisches Treiben: Ob Herrschings Libero Ferdinand Tille hier taktische Anweisungen empfängt, ist nicht ganz klar. (Foto: imago/Oryk Haist) Und dann war da ja noch Kapitän und Zuspieler Patrick Steuerwald, der an diesem Tag fast überall zu finden war. Neben seinen gewohnt sicheren Pässen feuerte er die Teamkollegen unaufhörlich an, sorgte im Angriff für die ein oder andere Überraschungsaktion und machte in der Abwehr das Spiel seines Lebens. Vier direkte Blockpunkte erzielte Steuerwald, so viele wie die etatmäßigen Mittelblocker zusammen. "Ich kann mich nicht erinnern, dass mir das schon mal gelungen ist", sagte er. Gefühlt touchierte Steuerwald jeden zweiten Ball, was zu durchaus kuriosen Szenen führte: Wenn der mit 1,80 Meter vergleichsweise kleine Zuspieler zum wiederholten Mal den wuchtigen Angriff eines Zwei-Meter-plus-x-Hünen ins Feld zurückblockte, bot das einen ebenso eindrucksvollen Anblick wie anschließend die fassungslosen Gesichter des Gegners. "Wir waren gut auf ihre Angriffe eingestellt", erklärte Steuerwald, der seine Größe unter Netzhöhe sogar als Vorteil einordnete. "So sieht mich der Gegner im Block erst relativ spät". Steuerwald wurde natürlich zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt, bereits zum elften Mal in der laufenden Saison. Der Zuspieler profitiert davon, dass Trainer Hauser ihm viele Freiheiten auf und abseits des Platzes zugesteht. In der Vergangenheit eckte Steuerwald mit seiner teilweise überehrgeizigen Art bei manchem Trainer und Mitspieler an, in Herrsching überträgt er seine Emotionen nun positiv auf die Mannschaft und ist zum Wortführer aufgestiegen. "Nur manchmal muss ich ihn ein wenig einbremsen", schilderte Hauser. Detailansicht öffnen In der Abwehr zeigte Patrick Steuerwald eine grandiose Leistung. Vier Blockpunkte gelangen dem Zuspieler, der mal wieder Herrschings MVP wurde. (Foto: imago) Stark verbessert zeigten sich die Herrschinger zudem beim Aufschlag, wo ihnen gleich acht Punkte gelangen. Bezeichnend: Tom Strohbach, der Mitte der Woche in Berlin zu viele Fehler beim Service gemacht hatte, beendete die Partie mit einem Ass. Dazu harmoniert Diagonalspieler Matt Tarantino, der in der ersten Saisonhälfte überwiegend verletzt war, immer besser mit seinen Teamkollegen. Mit 18 Punkten und einer Erfolgsquote von 67 Prozent führte er den Herrschinger Angriff an. "Auch er hätte heute den Titel MVP verdient gehabt", meinte Hauser. In der kommenden Woche gilt es nun, die Euphorie ein wenig zu bremsen. Denn Herrsching hat noch eine wichtige Aufgabe vor den Playoffs vor sich: Am Sonntag kommt der Tabellenletzte Solingen an den Ammersee. Nur mit einem weiteren Sieg hat der TSV die direkte Playoff-Qualifikation ganz sicher. Der Gegner im Viertelfinale hieße dann Frankfurt. "Aber davor haben wir noch ein verdammt schweres Spiel", warnt Steuerwald. Die Herrschinger müssen dann zeigen, dass sie auch die gewöhnlichen Tage in der Bundesliga meistern können. Bislang hat das in dieser Saison sehr gut geklappt. Als Favorit war man fast immer erfolgreich. "Die Mannschaft ist intakt, ich habe keine Angst, dass jemand abhebt", sagte Hauser.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-sechs-in-der-hand-1.3396163
mlsum-de-511
Sie pöbeln oder werden gewalttätig: Gäste verhalten sich immer respektloser, klagen Mitarbeiter von Fastfood-Ketten. Die Konzerne wiederum wollen vor allem eins - die Kunden nicht verärgern.
Lächeln, freundlich sein - auch wenn es der Gast nicht ist. Was für den Werbeclown Ronald McDonald gilt, sollen die Mitarbeiter auch befolgen. Samstag Nacht, zwei Uhr, eine McDonald's-Filiale in Frankfurt: Der Laden ist voll, die Kunden sind hungrig. Schichtleiter L. zählt im Kühlraum unter Hochdruck die Pommes-Kartons, als er gerufen wird. Ein Kunde fordert sein Geld zurück, weil er auf die Bestellung warten musste. Der Kunde schimpft, er schreit, er nennt eine Mitarbeiterin "Schlampe" und Schlimmeres. Was dann passiert, schildert der Schichtleiter so: Als er dem Kunden seine 5,38 Euro aushändigt, sagt er leise: "Das sind gebildete Menschen, die sich so verhalten." Daraufhin zeigt ihm der Kunde den Mittelfinger, drückt ihn grob ins Gesicht: "Siehst du das? Ich warte draußen auf dich, du Wichser." Und verschwindet. Ein krasser Moment, sagt der Schichtleiter. Aber kein Einzelfall. "Die Gewaltbereitschaft der Gäste steigt. Es kommt drei- bis fünfmal die Woche vor, dass die Kunden einen wegen Kleinigkeiten zur Sau machen." "Willste mich verarschen, du Olle" Andere Fast-Food-Mitarbeiter beschreiben ebenfalls eine Zunahme der Pöbelei. Eine ehemalige Aushilfskraft eines McDonald's-Restaurants in Donauwörth erzählt, wie Kunden ihre Softdrinks über den Tresen verschütten und brüllen, weil sie mitten in der Nacht kein Eis mehr kaufen können. Die Auszubildende einer Berliner Filiale von Burger King berichtet, Gäste in Warteschlangen würden rasch ausfällig: "Willste mich verarschen, du Olle." Besonders häufig pöbelten die Kunden zu Stoßzeiten. Und generell komme das aus allen Schichten. Unabhängig voneinander berichten Mitarbeiter, dass Eltern ihren Kindern vor dem Personal sagten: "Lern in der Schule, dann landest du nicht hier!" Wer sich mit Mitarbeitern aus ganz Deutschland unterhält, stellt fest: Gewalt ist selten, Respektlosigkeit erfahren Beschäftigte inzwischen täglich. Häufig auch Sexismus und Fremdenfeindlichkeit, erzählt Schichtführer L. aus Frankfurt. "Stell Leute ein, die Deutsch können", sagten Kunden wegen einer rumänischen Kollegin, die nur leicht die Artikel verwechsle. Sicher: Auch in Restaurants, die Entrecôte statt Burger servieren, sind Kunden manchmal herablassend. Doch in Fast-Food-Ketten kommen mehrere Faktoren zusammen. Die Filialen stehen oft an Bahnhöfen oder Flughäfen, wo Gäste besonders ungeduldig sind. Außerdem befinden sie sich häufig in der Nähe von Clubs und Fußballstadien, wo Kunden in Gruppen und oft betrunken einfallen. Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner hält es auch für problematisch, dass Theken Kunden und Personal trennen. "Die Gäste nehmen sich und die Mitarbeiter als getrennte Gruppen wahr. Unter diesen Bedingungen verschärft sich die Abgrenzung", sagt Wagner, der einen Lehrstuhl an der Uni Marburg hat. "Die Gäste haben den Eindruck, sie seien dem Bedienungspersonal überlegen - vor allem, wenn sie glauben, es handele sich um angelernte Kräfte von geringem Status, vielleicht geringer Bildung." Getaktete Abläufe, kaum Zeit für Gespräche Den Eindruck der Mitarbeiter bestätigt Guido Zeitler, Referatsleiter Gastronomie bei der Gewerkschaft NGG: "Die Kunden verhalten sich gegenüber Fast-Food-Personal immer schlechter." Mitglieder berichten häufiger von Auseinandersetzungen, sagt er. Zeitler macht dafür unter anderem die Art verantwortlich, wie Schnellrestaurants geführt würden. "Die Mitarbeiter sind oft befristet beschäftigt. Nach einer Weile werden sie entlassen und für sie günstigere Kräfte eingestellt. Das Personal ist einfach weniger geübt." Und es steht unter Stress: Die Arbeit im Minutentakt lässt Mitarbeitern kaum Zeit, Missverständnisse etwa bei einer Bestellung in einem freundlichen Gespräch auszuräumen. Eine ehemalige Mitarbeiterin berichtet, unter welchem Druck sie ständig stand, noch schneller zu arbeiten. Zeitler hat festgestellt, wie sehr sich die Gäste verändert haben. "Die Ansprüche sind gestiegen. Seitdem Konsumenten im Internet schnell Dinge bestellen können, möchten sie überhaupt nicht mehr warten." Solche Rückmeldungen bekommt er auch von Bäckern, Metzgern und der Gastronomie. "Die Kunden fühlen sich mächtiger, weil sie ihren Frust im Internet verbreiten können." Schichtleiter L. hält das für einen Trend, der sich in der ganzen Gesellschaft zeigt. "Schauen Sie doch auf Facebook: Die Verrohung schreitet voran." Besondere Brisanz gewinnen die Klagen der Fast-Food-Mitarbeiter, weil sie für die Respektlosigkeit der Kunden die Schnellrestaurants mitverantwortlich machen. Der Vorwurf: McDonald's und Co. sparen am Personal - und schüren so bei den Gästen Frust, den diese immer rüder artikulieren. "Die Fast-Food-Ketten bauen tendenziell Personal ab, um Kosten zu sparen", kritisiert Gewerkschafter Zeitler. "Das führt zu längeren Wartezeiten und darauf reagieren die Gäste ungehalten." Schichtleiter L. hat teils nur noch halb so viel Personal pro Schicht zur Verfügung wie 2012, als er nach anderen Stationen in der Schnellgastronomie bei McDonald's anfing. Besonders eng wird es nach seinen Angaben in Wochen, in denen der Burgerbrater durch Coupon-Aktionen Gäste anlockt. Weil die Preisverbilligungen Geld kosten, werde versucht, dies durch weniger Mitarbeiter auszugleichen. Enge Personalplanung bestätigen auch Kollegen aus anderen Filialen. In Stoßzeiten sei es schwer, dem Ansturm gerecht zu werden. Die Gäste gingen davon aus, dass sie ihr Fast Food nach kurzer Zeit haben sollten. Wenn sie forderten, eine neue Kasse aufzumachen, sei dies oft nicht möglich, weil nur ein Mitarbeiter für die Theke zur Verfügung stehe. "Wenn Kunden zehn bis 20 Minuten warten müssen, verstehe ich ihren Frust", räumt Schichtleiter L. ein. Wie sich Mitarbeiter wehren können McDonald's und Burger King verweisen auf Fragen zu Personalabbau und -planung darauf, die Einteilung der Mitarbeiter richte sich nach Stoßzeiten - und sei zudem den Franchisenehmern überlassen. Beide Konzerne betonen, dass sie rechtliche Vorgaben, etwa Pausen, einhalten. In einigen Fällen lasse sich ein Gästeansturm nicht einplanen. Ausfallendes Verhalten von Gästen sei der Einzelfall, heißt es bei McDonald's. "Sollte es doch einmal zu einem größeren Problem mit einem Gast kommen, können unsere Mitarbeiter den jeweiligen Restaurantleiter oder Schichtführer hinzuziehen, um die Situation in Ruhe zu klären", sagt ein Sprecher. Sollte dies nicht funktionieren, könnten die Mitarbeiter dem Gast ein Hausverbot erteilen und die Polizei rufen. Genauso regelt es nach eigenen Angaben Burger King. Mitarbeiter würden entsprechend geschult. Wenn McDonald's-Mitarbeiter sich bei schwierigen Gästen von Vorgesetzten nicht in Schutz genommen fühlen, können sie sich anonym an eine Vertrauensstelle wenden. Und sie können einen Notruf an die Konzernzentrale absetzen. Dabei wird nicht festgehalten, ob pöbelnde Gäste der Grund waren, daher lässt sich nichts über die Häufigkeit der Vorfälle ableiten. "Mir ist schon bei meiner Ausbildung bei Burger King beigebracht worden, dass man es erträgt, wenn ein Gast herumschreit", sagt Schichtleiter L. "Der Gast gilt als König", sagt Gewerkschafter Zeitler. "Da fällt es den Mitarbeitern schwer, Grenzen zu inakzeptablem Verhalten zu ziehen. Sie werden damit oft alleine gelassen." Fast-Food-Firmen sollten klare Regeln für den Umgang mit Kunden vorgeben, doch die meisten täten sich damit schwer. Schnellrestaurants bieten in Deutschland viele Arbeitsplätze für Bewerber, die nicht so einfach einen Job finden. Für Hauptschüler, für Umsteiger oder Syrer im Exil. Die Auszubildende bei Burger King nennt ihr Team eine kleine Familie. Die Frage sei, wie die Gäste mit diesen Menschen umgehen. "Ich wünsche mir, dass uns die Kunden mehr respektieren", sagt Schichtleiter L. "Wir bekommen oft nur den Mindestlohn, aber wir sind genauso viel wert wie jemand, der 6000 Euro verdient."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schnell-restaurants-mein-kunde-der-tyrann-1.2673981
mlsum-de-512
"Wer zurückgeht und wer nach Europa kommt", das soll nach einem Vorschlag von Innenminister de Maizière künftig bereits vor den EU-Grenzen entschieden werden - in "Willkommens- und Ausreisezentren". Pro Asyl hält das für zynisch. Doch die Regierung plant angeblich eine flankierende Neuregelung.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Einrichtung sogenannter Willkommens- und Ausreisezentren für Asylbewerber und Flüchtlinge ins Gespräch gebracht. Diese könnten in Transitländern wie Ägypten geschaffen werden, um künftig von dort zu entscheiden, "wer zurückgeht und wer nach Europa kommt". Nach den Vorstellungen de Maizières könnte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR diese Zentren führen. Er sagte im ZDF, angesichts der in den kommenden Jahren zu erwartenden hohen Flüchtlingszahlen strebe er an, die Entscheidungen über die Aufnahme oder die Ablehnung beschleunigen zu wollen. So sollen nach dem Willen des Ministers "die, die Schutz verdienen, schnell aufgenommen werden", um beispielsweise den Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten möglichst bald Sicherheit zu geben. Im Gegenzug wolle er Menschen, die aus sogenannten sicheren Drittstaaten kämen, schnell wieder zurückschicken. Die Idee zu solchen Zentren begründete er auch mit der Hoffnung, die Menschen auf diese Weise davon abhalten zu können, sich auf den gefährlichen Weg übers Meer zu machen. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach daraufhin im Tagesspiegel von einem "klaren Signal der Absage an die Lebensrettung". De Maizières Vorschlag sei nichts anderes als ein "zynisches Marketing", um das Ende des italienischen Rettungsprogramms Mare Nostrum für Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer "human zu verkaufen". EU-Flüchtlingspolitik auf neue Beine stellen? Damit erinnert Pro Asyl an den Versuch des früheren Bundesinnenministers Otto Schily. Er hatte 2004 die Schaffung von Auffanglagern in Nordafrika vorgeschlagen, um die Asylverfahren auf Gebiete jenseits der EU auszulagern, ohne den in Deutschland geltenden Rechtsschutz. Die Idee wurde nie umgesetzt. Allerdings schwebt de Maizière offenbar anderes vor. Seit Wochen gibt es in der Bundesregierung und auf Ebene der EU-Außen-, Justiz- und Innenminister Gespräche, ob man die europäische Flüchtlingspolitik auf neue Beine stellen sollte. Dazu ist in der Bundesregierung ein Staatssekretärsausschuss gebildet worden, dem federführend Vertreter des Auswärtigen Amts und des Innen- wie des Entwicklungsministeriums angehören. Zu den aktuellen Überlegungen gehört auch, vielleicht solche Zentren ins Leben zu rufen. Allerdings nicht, um alle Flüchtlinge von der EU fernzuhalten und die rechtlichen Verfahren zu schleifen. Wie am Donnerstag aus Regierungskreisen zu hören war, geht es darum, die Asylverfahren wie bisher weiter zu führen und möglichen Wirtschaftsflüchtlingen über ein neu zu schaffendes legales Einwanderungsrecht die Möglichkeit zu geben, sich für einen Aufenthalt in der EU zu bewerben. Wohlwollen im Auswärtigen Amt "Ohne ein solches neues Einwanderungsrecht hätten sogenannte Willkommenszentren keinerlei Glaubwürdigkeit", sagte ein hoher Regierungsbeamter der SZ. "Und ohne Glaubwürdigkeit wird es nie gelingen, die Menschen vom gefährlichen Weg über das Meer abzuhalten". Wie es in der Regierung weiter hieß, ist indes noch lange nicht entschieden, ob es in Deutschland und in der EU ein neues Einwanderungsrecht geben wird. Und offen sei auch, ob es gelinge, die Europäische Union auf eine neue, die Lasten besser verteilende Flüchtlingspolitik zu verpflichten. Im Auswärtigen Amt stieß de Maizières Vorschlag auf Wohlwollen. Hintergrund ist, dass das Bundesinnenministerium in den letzten Jahren eine restriktive Linie verfolgt hatte. De Maizières Äußerungen werden deshalb als eine Art Neuausrichtung gelesen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-asylpolitik-in-afrika-de-maiziere-schlaegt-transitzentren-vor-1.2219343
mlsum-de-513
Online-Banking ist bequem, unkompliziert - und günstig? Nicht unbedingt. Eine Sparkasse aus Soest berechnet Geld, wenn Kunden klicken.
Diese Idee könnte das Online-Banking auf den Kopf stellen. Und in der Soester Sparkasse war man sich wohl sicher, dass die Welt dafür bereit ist: Die Bank kassiert Geld für Klicks. Wer bestimmte Seiten im Online-Banking aufruft, muss dafür bezahlen. Ein Cent ist schon jetzt pro Klick fällig. Künftig will die Bank die Gebühr sogar noch erhöhen - auf zwei Cent pro Klick. Ein Bericht des Soester Anzeigers verschafft dem Klickzuschlag gerade größere Bekanntheit in der Finanzbranche. Viele Banken suchen derzeit nach neuen Wegen, um Geld zu verdienen, erfinden neue Gebühren. Manche experimentieren sogar mit Negativzinsen. Hat die Sparkasse Soest nun eine neue Lösung für die leidende Branche entdeckt? Marketing-Chef Thomas Schnabel ist nicht amüsiert über das große Interesse. Kunden müssten nicht für jeden Klick zahlen, wie es in der Lokalzeitung hieß, sagt er. Der Zuschlag wird beispielsweise fällig, wenn Nutzer ihre Umsätze prüfen. "Im Menü hin- und herklicken ist kostenlos", sagt Schnabel. Außerdem sei das Klick-Konto bislang eher kein Stadtgespräch in der nordrhein-westfälischen Stadt. Es werde nur von einem kleinen Kreis genutzt. Eine Kunden-Revolte sei bislang ausgeblieben. Zudem muss nicht jeder Online-Banking-Kunde das überraschende Kontenmodell nutzen. Wer das Basiskonto für fünf Euro monatliche Kontoführungsgebühr hat, klickt weiterhin gratis. Lediglich bei der günstigeren Konto-Variante für 3,50 Euro greift der Zuschlag. Zu den Gründen für die Gebühr wollte die Bank sich nicht noch einmal äußern. Im Soester Anzeiger hatte sie den Aufschlag bereits verteidigt: "Schließlich werden schon beim bloßen Anklicken der Seite technische Prozesse im Hintergrund ausgelöst, die mit Kosten verbunden sind", sagte Schnabel dort. Normalerweise preisen Banken Kosten für die Nutzung der Webseite über die Kontoführungsgebühren ein. In Soest wird stattdessen der Klick-Cent aufgeschlagen. Ob die Gebühr auch etwas mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tun hat, Strafzinsen von Banken zu verlangen, ließ die Sparkasse ebenfalls offen. Eine Möglichkeit, die Kontobewegungen gratis zu überprüfen, bleibt den Soestern übrigens auch weiterhin erhalten. Laut aktueller Rechtsprechung müssen Kunden zumindest die Option haben, das Konto kostenfrei einzusehen. In Soest funktioniert das ganz analog - mit dem Weg an den Kontoauszugsdrucker.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-sparkasse-verlangt-gebuehr-fuer-klicks-1.3297874
mlsum-de-514
Künstliche Intelligenz braucht oft noch menschliche Unterstützung. Wie Microsofts Sprachassistentin Cortana zu ihren scherzhaften Antworten kommt.
Apple hat Siri, Google hat Google Now und Microsofts Sprachassistentin heißt Cortana. Benannt nach einer Figur aus der Science-Fiction-Videospielserie "Halo" soll sie Windows-10-Nutzern auf dem PC oder Smartphone helfen, ihr Leben zu organisieren. Also sagen, wie das Wetter morgen wird, an Meetings erinnern und Tipps für gute Restaurants in der Nähe liefern. Sie braucht dafür neben Zugriff auf Microsofts Suchmaschine Bing auch Zugriff auf die persönlichen Daten des Nutzers. Und natürlich lernt sie dank künstlicher Intelligenz den Nutzer mit der Zeit auch immer besser kennen. Cortana ist offen und interessiert am Verhalten ihrer Gegenüber, allerdings haben viele Nutzer noch häufig Hemmungen, sie direkt anzusprechen und beispielsweise nach dem Weg zu fragen. Auch wenn Microsoft-Chef Satya Nadella überzeugt ist, dass die Sprachbedienung die Tastatur als Kommunikationsschnittstelle ablösen wird und die Aufforderung "Hey Cortana" längst in seinen Wortschatz übergegangen sei. In den USA wird die Spracheingabe tatsächlich immer beliebter. So spricht laut einer Google-Studie bereits jeder zweite Teenager und immerhin 41 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal am Tag mit einem Assistenten auf seinem Smartphone. "Sag was Dummes" Da dies aber bei Weitem noch nicht bei allen Microsoft-Nutzern der Fall ist, fragen Menschen, die zum ersten Mal mit der Maschine Cortana zu tun haben zunächst einmal eher sinnlose Dinge. ",Sag was Dummes', ist eine häufige Phrase", erklärt Julia Scheffer, Leiterin des internationalen Cortana-Redaktionsteams. Das sei aber beileibe keine wirklich dumme Aufforderung, denn sie helfe dabei, eine gewisse Befangenheit gegenüber der Sprachassistentin abzubauen." Die ersten 20 Prozent seien häufig zunächst Quatschkommunikation, erst danach trauen sich die Nutzer an Fragen zu Staumeldungen, Restauranttipps oder dem Wetterbericht. Cortana soll in der Kennenlernphase auch viele Witze erzählen. Und damit deutsche Nutzer dabei auch immer was zu lachen haben, gibt es hierzulande derzeit rund 200 vorformulierte Scherze. Unterteilt sind sie etwa in die Kategorien Fritzchenwitze, Nerd-Witze und sogenannte Anti-Witze. Kostprobe: "Sagt der Hammer zum Daumen: Schön, dass wir uns getroffen haben." Noch einen? Bitte schön : "Sagt der Hase zum Schneemann: Möhre her oder ich föhne dich."
https://www.sueddeutsche.de/digital/microsofts-sprachassistentin-cortana-moehre-her-oder-ich-foehne-dich-1.2835027
mlsum-de-515
Die EM-Qualifikation hat Bundestrainer Löw quasi ohne echten Stürmer bestritten. Mario Gomez hat er dennoch weiter auf dem Zettel.
Das sagt Bundestrainer Löw über Gomez Unglaublich viel Brisanz wird nicht über dem Avira Stadium im Lansdowne Village nahe der Dublin Bay schweben, wenn die deutsche Elf am Donnerstag auf Irland trifft. Schon ein Punkt genügt Joachim Löws Elf für die vorzeitige Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich, was gegen die Iren locker drin sein dürfte. Also wurde der Bundestrainer nach Mario Gomez gefragt. Der war einmal bester Angreifer der Nation, ist aber in der Gunst des Bundestrainers heftig abgerutscht, was auch mit Verletzungen zu tun hatte. Für das Irland-Spiel ist Gomez nicht nominiert worden, auch nicht für die Partie drei Tage später gegen Georgien. Ohnehin hat Löw fast die gesamte EM-Qualifikation quasi ohne echten Mittelstürmer bestritten. Trotzdem ist dem Bundestrainer nicht entgangen, dass Gomez seit seinem Wechsel zu Besiktas Istanbul wieder viele Tore schießt, zuletzt doppelt im Stadtderby gegen Fenerbahce traf. "Ich habe Mario nie abgeschrieben", erklärte Löw am Dienstag. Das habe er dem Stürmer so auch mitgeteilt. "Ich weiß, was er kann", so Löw weiter, "was er für eine Qualität hat, wenn er gut in Form ist und Selbstbewusstsein hat." Nationalspieler müssen regenerieren Indes haben sich alle aktuellen Nationalspieler in Frankfurt versammelt, ehe der Flieger nach Dublin startet. Nach dem Spitzenspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund stand am Dienstag zunächst Regeneration auf dem Programm, da beide Mannschaften das Gros der DFB-Nationalspieler abstellen. Auswirkungen auf das Irland-Spiel fürchtet İlkay Gündoğan nicht. "Es ist nichts Neues für uns", erklärte der Dortmunder am Dienstag, "am Ende zählt, dass bei Anpfiff alle bei 100 Prozent sind." Nur acht von 23 Nationalspielern trainierten am Dienstag, der Rest unterzog sich einem Leistungscheck im Teamhotel. "Wichtig ist, dass wir am Spieltag alle fit sind", erklärte auch Verteidiger Jérôme Boateng: "Wir kennen uns jetzt auch lange genug." Unwahrscheinlich ist derzeit ein Einsatz von Lukas Podolski, der sich schon einige Zeit mit einer Blessur am linken Fuß plagt. Der Leverkusener Karim Bellarabi muss von der medizinischen Abteilung des DFB weiter an der Schulter behandelt werden, auch sein Mitwirken in Dublin ist fraglich. Und Mario Gomez? Ja, der wird auch noch fehlen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundestrainer-vor-dem-irland-spiel-loew-denkt-noch-an-gomez-1.2679670
mlsum-de-516
Sie gönnten sich mehr Freizeit als die Kollegen - verheimlichten das aber ihrem Chef. Eine Studie über US-Unternehmensberater zeigt, dass weniger Arbeit der Karriere trotzdem nicht schaden muss.
Nur so tun, als ob Nicht erst seit vergangener Woche, in der die Banker von Goldman Sachs ihre Praktikanten dazu aufgefordert haben, nicht mehr als 17 Stunden pro Tag im Büro zu verbringen, wissen wir: Es gibt Branchen, in denen die Arbeitsbelastung das, was ein normaler Angestellter für erträglich hält, deutlich übersteigt. Auch Unternehmenberatern eilt der Ruf der ständigen Verfügbarkeit voraus, 24/7 für den Kunden. Eine Wissenschaftlerin aus den USA hat nun aber herausgefunden, dass so mancher Berater seine Arbeitswut nur vortäuscht. Erin Reid, Juniorprofessorin an der Boston University School of Management, hat mit 115 Angestellten einer großen Consulting-Firma gesprochen. Zentrales Ergebnis: Viele Berater tun nur so, als würden sie sich für den Konzern aufopfern. Durch gewiefte Strategien gelingt es ihnen, die Bürobelastung in Grenzen zu halten und dennoch von ihren Vorgesetzen gelobt und sogar befördert zu werden. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Forscherin in der Fachzeitschrift Organization Science. Im Rahmen ihrer Untersuchung hat sie drei Typen von Beratern ausgemacht: Das Gros der Mitarbeiter arbeitete tatsächlich lang und viel und bekam dafür vom Chef auch ein angemessenes Lob. Ein kleinerer Teil der Berater wollte nicht ständig für Chef und Kunden verfügbar sein und bekam dafür von den Vorgesetzten eher schlechte Bewertungen. Am interessantesten ist die dritte Gruppe, etwa 31 Prozent der befragten Männer und elf Prozent der interviewten Frauen: Sie wirkten geschäftig, schafften es dabei aber, sich ein Mehr an Freizeit zu beschaffen, ohne ihren Chef explizit darum bitten zu müssen. Wie den vermeintlich faulen Beratern das gelungen ist? Ein Junior Manager erklärte, er suche sich vorwiegend Kunden in der Nähe, um An- und Abfahrtszeiten kurz zu halten. Außerdem versuche er, an Wochenendtagen nicht mehr als zwei Stunden zu arbeiten. Das bedeutet aber nicht, dass der Leistungsgedanke für den Berater keine Rolle gespielt hätte. "Ich weiß, was die Kunden erwarten - und übererfülle das", sagte er. Von seinem Chef bekam er nicht nur gute Bewertungen, sondern auch eine Beförderung. Andere Angestellte nutzen kleine Tricks, um etwas mehr Freizeit zu haben. Ein Team, das vorwiegend aus jungen Eltern bestand, deckte sich gegenseitig. So konnten im Endeffekt alle weniger Zeit im Büro verbringen, ohne dass das negativ aufgefallen wäre. Andere Mitarbeiter machten schlicht kein Aufhebens darum, wenn sie ihren Arbeitsplatz früher verließen. Unnötig viel Bürozeit und Geschlechterungerechtigkeit Neben dieser und ähnlichen Strategien liefert Erin Reids Studie zwei wichtige Erkenntnisse: Erstens entstand denjenigen, die nur so taten, als würden sie extrem viel arbeiten, bezüglich ihrer Karriere kein Nachteil. Und zweitens sagt die Untersuchung auch etwas über mangelnde Geschlechtergerechtigkeit im Job aus. Frauen, besondes Mütter, versuchten häufiger, auf offiziellem Weg Arbeitszeitverkürzungen zu erhalten, etwa durch Teilzeitregelungen. Väter versuchten auch, Zeit für die Familie zu haben, fragten aber seltener explizit nach, sondern nahmen sich einfach etwas mehr Freizeit. Die Folge: Frauen bekamen wesentlich häufiger schlechte Bewertungen von ihren Vorgesetzten als Männer.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/studie-ueber-unternehmensberater-weniger-arbeit-mehr-geld-1.2533582
mlsum-de-517
Die Leihmutter wollte das Kind nicht ausreisen lassen - jetzt hat ein Gericht gegen sie entschieden.
Zwei Männer aus den USA und Spanien haben in Thailand einen langwierigen Rechtsstreit gegen eine Leihmutter gewonnen. Die Frau hatte das Kind des schwulen Paares ausgetragen, wollte das Kind dann aber behalten. Nun hat ein thailändisches Familiengericht geurteilt, dass die beiden Männer die legalen Eltern des mittlerweile 15 Monate alten Kindes sind. Nach der Geburt konnte die beiden Männer, Gordon Lake und Manuel Santos, ihre Tochter Carmen zunächst aus dem Krankenhaus mitnehmen. Später weigerte die Leihmutter sich aber, Papiere zu unterzeichnen, die für die Ausreise des Kindes nötig gewesen wären. Gegenüber der Presse sagte sie zunächst, dass die Homosexualität der Männer der Grund sei. Ihre Anwältin sagte später, dass ihre Mandantin nichts gegen Schwule habe, ihr Kind aber niemals für Geld verkaufen würde. Väter saßen 15 Monate in Thailand fest Freunde der Leihmutter schrieben in sozialen Netzwerken, dass diese schon immer ein Kind hätte haben wollen und sie wohl nie die Absicht gehabt habe, das Kind aufzugeben. Der Guardian berichtet, dass die Leihmutter die beiden Väter mehrmals aufgefordert habe, ihr das Kind zurückzubringen. Die beiden Männer saßen seit der Geburt des Kindes in Thailand fest. Sie hatten für die Leihmutterschaft 40 000 Dollar gezahlt. Ein Teil davon ging an die 34-jährige Leihmutter, die biologisch nicht mit dem Kind verwandt ist. Das Mädchen wurde mit einer anonymen Spendereizelle gezeugt, ihr biologischer Vater ist der 41-jährige Lake. Ihm übertrug das Gericht auch das Sorgerecht. Die Tochter des Paares wurde geboren, bevor die thailändische Regierung die Gesetze verschärfte. Mittlerweile ist Leihmutterschaft gegen Bezahlung in Thailand verboten. Zuvor hatte es mehrere Vorfälle gegeben, die internationale Aufmerksamkeit erregten. In einem Fall hatte ein australisches Elternpaar Zwillinge von einer Leihmutter austragen lassen. Als feststand, dass eines der Kinder Down Syndrom hat, ließen sie es in Thailand zurück und nahmen nur ein Kind mit. In einem anderen Fall ließ ein Japaner gleich zehn Kinder von Leihmüttern austragen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/leihmutterschaft-schwules-paar-darf-baby-aus-thailand-mit-nach-hause-nehmen-1.2967535
mlsum-de-518
Nun spricht Matthias Sammer: Der Sportvorstand rechtfertigt Verhalten des FC Bayern gegenüber Borussia Dortmund - der Rekordmeister versuche "alles", um die Nummer eins zu bleiben. Zuvor hatte BVB-Geschäftsführer Watzke den Ton merklich verschärft.
Sammer sinniert über "gnadenlosen Wettbewerb" Die neue Woche beginnt, und das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Topklubs bleibt angespannt. Nun hat Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer das Verhalten des Rekordmeisters gegenüber dem Rivalen Borussia Dortmund gerechtfertigt. "Wir sind in einem gnadenlosen Wettbewerb, den wir bis 2012 verloren haben", sagte Sammer bei Sky90: "Der FC Bayern ist darum bemüht, die Nummer eins zu sein. Dafür tun wir alles. Im Moment gibt es keine optimale Konstellation, aber das ist dem Leistungssport geschuldet, weil jeder die Nummer eins sein will." Zuletzt hatte es zwischen den Führungsspitzen der beiden Topklubs vor allem Unstimmigkeiten in der Causa Marco Reus gegeben. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke warf am Wochenende Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge erneut Stillosigkeit vor, weil dieser sich öffentlich über Vertragsdetails des Dortmunder Nationalspielers geäußert hatte. "Diese Schärfe der Diskussion ist unnötig" "Einzelne Szenen waren in beide Richtungen nicht in Ordnung, keine Frage", sagte Sammer, kritisierte aber auch die öffentliche Bewertung der vermeintlichen Scharmützel: "Wir diskutieren im Moment auch viel zu viel über ein angespanntes Verhältnis. Diese Schärfe der Diskussion ist vollkommen unnötig." Am Samstag hatte Spitzenreiter Bayern das direkte Duell in der Bundesliga mit 2:1 (0:1) gewonnen, der BVB liegt nach zehn Spieltagen mit 17 Punkten Rückstand auf die Bayern auf dem vorletzten Tabellenplatz. Watzke attackiert Rummenigge im Fall Reus Zuvor hatte sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ein besseres Verhältnis zum FC Bayern gewünscht - dabei jedoch auch scharfe Töne angeschlagen. "Die beiden Klubs, die den deutschen Fußball in den vergangenen Jahren geprägt haben, müssen eine vernünftige Basis miteinander finden", sagte er im "Doppelpass" bei Sport1. Watzke ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass diese Klimaveränderung derzeit nicht in Sicht ist: "Du kannst ja nicht permanent in etwas reinlaufen, dich schütteln, und dann sagen: Jetzt sind wir wieder Freunde." Konkret warf Watzke Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge erneut Stillosigkeit in der Causa Marco Reus vor. Dessen Aussage, er wolle in Dortmund nicht für Unruhe sorgen, liege "auf der Heuchel-Skala ganz weit oben". Er selbst würde sich "niemals im Leben über Vertragsdetails von Bayern München äußern, das machst du einfach nicht. Das ist das einzige Problem". Rummenigge hatte Reus' Ausstiegsklausel aus dessen Vertrag beim BVB öffentlich gemacht. "Es ist legitim, Marco haben zu wollen. Aber du musst das nicht permanent in die Öffentlichkeit tragen. Das ist unser Spieler, da erwarte ich Respekt. Man kann das mit einem gewissen Maß an Niveau machen", sagte Watzke. Watzke: FC Bayern will Dortmund "zerstören" Der FC Bayern sei bei seinem Vorhaben, die Borussia zu "zerstören" schon "ganz weit gekommen", fügte Watzke an. Dafür machte er ebenfalls Rummenigge verantwortlich. Mit dem früheren Präsidenten Uli Hoeneß "würde man sicher einen Weg finden", das Verhältnis zu normalisieren, sagte er. Mit Rummenigge nicht. Die Bayern seien sportlich und als Klub "momentan auf der Welt das Maß aller Dinge", ergänzte Watzke, "aber das trifft nicht auf jeden dort zu". Über die Zukunft von Reus ist indes noch keine Entscheidung gefallen, wie Watzke verriet. Für den BVB werde es aber "sicherlich deutlich schwerer", den Nationalspieler zu halten, sollte die Qualifikation für die Champions League nicht gelingen. Und über die Königsklasse nachzudenken, verbietet sich laut Watzke angesichts des schwächsten Saisonstarts der Klubgeschichte: "Wir haben den Fokus darauf, da unten rauszukommen." Grundsätzlich könne die Borussia aber sogar ein Jahr ganz ohne Europapokal verkraften. "Wir sind wirtschaftlich so stark, dass wir überhaupt keine Abstriche machen müssten. Wir werden nicht auf Los zurückmarschieren, sondern auch dann wieder angreifen", sagte Watzke.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-vs-bvb-sammer-sieht-gnadenlosen-wettbewerb-1.2201388
mlsum-de-519
Geht er oder bleibt er beim BVB? Mats Hummels ist sich selber noch nicht sicher - kokettiert aber in einem Interview mit einem vorzeitigen Wechsel ins Ausland.
Mats Hummels' Vertrag beim BVB läuft noch bis 2017 Weltmeister Mats Hummels von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund kokettiert mit einem vorzeitigen Abschied von den Westfalen. "Ich sage offen und ehrlich, dass ich über meine Zukunft nachdenke, dass ich mir derzeit überlege, was ich mir vorstellen kann", sagte der BVB-Kapitän im Interview mit dem Fachmagazin kicker (Montagausgabe). Hummels steht noch bis 2017 bei der Borussia unter Vertrag. Angesprochen auf das Werben von ausländischen Vereinen wie Manchester United sagte der 26-jährige Abwehrspieler: "Oft denke ich, dass ich auf jeden Fall mal ins Ausland möchte. Dann gibt es aber auch Tage, an denen ich sage, dass ich das nicht brauche. Grundsätzlich glaube ich aber, dass einem das Ausland sowohl in der fußballerischen wie auch der persönlichen Entwicklung guttun wird." Deshalb werde es wohl darauf hinauslaufen, dass er "irgendwann mal ins Ausland wechseln möchte". Der englische Klub Manchester United mit dem früheren Bayern-Trainer Louis van Gaal hatte zuletzt Interesse an Hummels angemeldet. Derzeit liegt Manchester auf Rang vier der Premier League und dürfte damit in der kommenden Saison in der Champions-League-Qualifikation antreten. Voraussetzung, dass er bleibt, sei eine schlagkräftige Mannschaft Nach dem 2:0 (2:0)-Erfolg der Nationalmannschaft in Georgien erklärte Hummels: "Ich gucke einfach, wonach mir der Sinn steht und was ich machen möchte. Aber da ist noch lange keine Entscheidung in irgendeine Richtung gefallen." In den vergangenen Wochen habe er mit den Verantwortlichen in Dortmund viele Gespräche geführt, "aus denen ich mir ein Gesamtbild mache", meinte Hummels im kicker-Interview. "Es ist auf keinen Fall so, dass ich jetzt sage: ich gehe auf jeden Fall." Eine Entscheidung werde er rechtzeitig kommunizieren, "denn ich bin kein Freund von denen, die vordergründig vom Bleiben reden und insgeheim schon abgeschlossen haben mit dem Thema. Jeder weiß, wie sehr es mir in Dortmund gefällt, aber dass ich auch möchte, dass wir eine schlagkräftige Truppe und eine schlagkräftige Herangehensweise haben." Fakt sei, dass der Ausgang dieser Saison dabei für ihn keine entscheidende Rolle mehr spielt, nachdem die Champions League im Grunde verpasst wurde. Hummels sagt: "Ob es die Europa League wird oder nicht, hat keinen Einfluss auf meine Gedankengänge." Dortmund rangiert derzeit auf Rang zehn der Bundesliga, liegt aber mit vier Punkten Rückstand auf Rang sieben, der wohl zur Europa-League- Teilnahme berechtigen würde, in Schlagdistanz zum internationalen Geschäft und steht im Viertelfinale des DFB-Pokals.
https://www.sueddeutsche.de/sport/zukunft-von-mats-hummels-ich-gucke-einfach-wonach-mir-der-sinn-steht-1.2416298
mlsum-de-520
Der Chef der Billig-Airline hat angekündigt, das gesamte Wachstum in die EU umzuleiten. Die Fluggesellschaften wird der Brexit wohl trotzdem hart treffen.
Die irische Fluggesellschaft Ryanair will mit einem drastischen Schritt auf das Brexit-Votum reagieren. Bislang hat sie einen beträchtlichen Teil ihrer Flugzeuge in Großbritannien stationiert. Das soll sich künftig ändern: Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass im kommenden Jahr auch nur eines der 50 neuen Flugzeuge in Großbritannien stationiert werde, sagte Firmenchef Michael O'Leary dem Wall Street Journal. "Wir werden all unser Wachstum in die Europäische Union umleiten." Das Brexit-Votum trifft viele Wirtschaftszweige hart. Am Montag stürzten die Aktien vieler europäischer Unternehmen erneut ab. Besonders schlimm hat es neben den Banken die Fluggesellschaften erwischt. Die britische Airline Easyjet verlor am Montag zeitweise mehr als 20 Prozent ihres Börsenwerts. Am Freitag hatte sie bereits Verluste in ähnlicher Größenordnung einstecken müssen. Der Luftfahrtverband IATA schätzt, dass der erwartete wirtschaftliche Abschwung nach dem Brexit und der Wertverfall des britischen Pfund die Zahl der Fluggäste aus dem Vereinigten Königreich bis zum Jahr 2020 um drei bis fünf Prozent nach unten drücken wird. Zudem ist bislang unklar, ob Großbritannien in Zukunft weiterhin dem Luftverkehrs-Binnenmarkt der EU angehört. Ryanair-Chef will Kunden mit Rabatten locken Ryanair-Chef O'Leary sieht für die gesamte Konjunktur schwerwiegende Folgen durch den Brexit: "Die Wirtschaft in Großbritannien und in Europa wird ganz sicherlich einen Dämpfer erhalten", sagte er. Kurzfristig erwarte er aber nur einen geringen Einfluss auf die Buchungen in Großbritannien. Die Fluggäste würden mit Rabatten gelockt werden, um die Maschinen zu füllen. Auf ähnliche Weise hatte die Airline im Mai bereits versucht, ihren Beitrag zur Abwendung eines Brexit zu leisten: Für den 22. und 23. Juni, also den Zeitpunkt des Referendums, bot die Airline besonders günstige Tickets zu allen britischen Flughäfen an und erzürnte damit die Brexit-Gegner. Der Werbeslogan dafür lautete: "Fliege in die Heimat, um für den Verbleib in der EU zu stimmen." Geholfen hat es am Ende nicht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brexit-ryanair-will-keine-flugzeuge-mehr-in-grossbritannien-stationieren-1.3054769
mlsum-de-521
Das Ringen um Großbritanniens Verbleib in der EU gerät zum Nervenkrieg. Nach David Cameron stellt auch Griechenlands Premier Alexis Tsipras ultimative Forderungen.
Es ging um die Flüchtlingskrise, es ging um Großbritannien - im Grunde aber um noch mehr. Europa ringt um seine Zukunft. Die EU, diese große Kompromiss-Maschine, musste bei diesem Gipfel in Brüssel zeigen, ob sie das mit 28 Mitgliedstaaten noch immer kann: ein Ergebnis finden, mit dem alle leben können. Bundeskanzlerin Angela Merkel brauchte dringend ein Zeichen, dass es in der Flüchtlingskrise noch eine gemeinsame europäische Politik gibt. Und der britische Premier David Cameron musste beweisen, dass er einen "neuen Deal" für Großbritannien erstreiten kann. Was ist die Europäische Union bereit zu geben, damit das Vereinigte Königreich Mitglied dieser Gemeinschaft bleibt? Bekommt sie die Flüchtlingskrise in den Griff? Es sind Schicksalstage eines Kontinents. Kein Wunder, dass die Verhandlungen zum Nervenkrieg wurden. Erst strapazierte Cameron die Staats- und Regierungschefs mit seinen Forderungen. Dann überraschte Griechenlands Premier Alexis Tsipras mit einer Erpressung. Er machte seine Zustimmung in Sachen Großbritannien von Zusicherungen in der Flüchtlingskrise abhängig. Athen wolle die "einstimmige Entscheidung", dass bis zum EU-Gipfel im März kein Staat einseitig seine Grenze für Flüchtlinge schließe, wie es in Athener Regierungskreisen hieß. "Wenn nicht, wird die griechische Regierung dem Abschlusstext nicht zustimmen." Die Suche nach einem Kompromiss gestaltete sich von Anfang an schwierig. Immer wieder geriet der Zeitplan am Freitag in Verzug. Bereits am Donnerstag hatte die Suche nach Gemeinsamkeiten Merkel und ihren europäischen Partnern eine lange Nacht beschert. Bis fünf Uhr morgens wurden die britischen Anliegen verhandelt. Erst am späten Freitagabend war ein Kompromiss-Papier fertig, über das dann aber erst noch weiter beraten wurde. Cameron sagte: "Ich werde mich nur auf eine Vereinbarung einlassen, wenn wir bekommen, was Großbritannien braucht." In Brüssel wollte er sich mit den anderen Staats- und Regierungschefs auf ein Paket verständigen, das die britischen Wähler überzeugen soll, in einem Referendum für den Verbleib in der EU zu votieren. Die Abstimmung könnte im Juni stattfinden. Besonders umstritten waren Gesetzesänderungen, die es London erlauben würden, Sozialleistungen für neue Arbeitnehmer aus EU-Staaten eine Zeit lang einzuschränken. Vor allem osteuropäische Staaten stemmten sich gegen Einzelheiten dieses Vorhabens, das besonders ihre Landsleute betreffen würde, von denen viele in Großbritannien arbeiten. Ein weiterer Streitpunkt war Londons Forderung, dass Großbritannien ausdrücklich vom im EU-Vertrag verankerten Ziel der "immer engeren Union der Völker" befreit wird. Mehrere Länder wollten keiner Formulierung zustimmen, die dem Vorhaben einer weiteren Vertiefung der EU zuwiderliefe. Frankreichs Präsident François Hollande warnte vor zu weitreichenden Sonderrechten für das Vereinigte Königreich als Nicht-Euro-Staat. Für alle Mitgliedstaaten müsse es bei der strikten Finanzmarktregulierung und den Beschränkungen für Spekulationsgeschäfte bleiben, um neue Finanzkrisen zu verhindern, sagte Hollande. London solle kein "Veto- oder Blockaderecht" erhalten. Frankreich befürchtet, neue Freiheiten könnten dem Finanzzentrum London unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber Euro-Ländern verschaffen. Detailansicht öffnen Reden über Europa: EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der britische Premier David Cameron (von links). (Foto: Yves Herman/AFP) In der Flüchtlingskrise setzt die EU weiter auf die Türkei als entscheidenden Verbündeten. "Wir haben bestätigt, dass es keine Alternative gibt zu einer guten, intelligenten und weisen Zusammenarbeit mit der Türkei", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Inhaltlich kamen die Staats- und Regierungschefs jedoch kaum voran, Anfang März soll auf einem Sondergipfel mit der Türkei Zwischenbilanz gezogen werden. Dieses Treffen soll vor den drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stattfinden. Denn Merkel erhofft sich vorher ein Signal zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Auf dem Brüsseler Gipfel sagte die Kanzlerin: "Ich bin sehr zufrieden mit der Diskussion, weil sie sehr deutlich gemacht hat, was uns eint. Und das ist doch unter den 28 Mitgliedstaaten eine ganze Menge." Die EU wolle ihre Außengrenzen besser schützen, die Flüchtlingszahlen spürbar reduzieren und den Zuzug illegaler Migranten bekämpfen. Dabei habe die EU die Zusammenarbeit mit der Türkei nicht nur bekräftigt, sagte die Kanzlerin, "sie ist unsere Priorität bei der Umsetzung dieser Ziele". Sie sei sicher, dass man "relativ schnell Ergebnisse sehen" werde. Hinsichtlich der britischen Forderungen erklärte Merkel in der Nacht von Donnerstag auf Freitag: "Es ist sichtbar geworden, dass die Einigung vielen nicht ganz leicht fällt." Aber der Wille sei da. Am Ende liegt die Entscheidung bei den britischen Bürgern: Soll das Vereinigte Königreich Teil dieser EU bleiben?
https://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-union-eu-gipfel-der-erpressung-1.2870874
mlsum-de-522
Fernsehbilder eines angeketteten 18-jährigen Psychiatriepatienten verstören die niederländische Öffentlichkeit. Experten verweisen auf die mangelnden Kapazitäten der Anstalten.
Das Schicksal eines geisteskranken Jugendlichen, der seit Jahren in einer Einzelzelle angekettet ist, sorgt in den Niederlanden für Empörung. Abgeordnete forderten nun eine Dringlichkeitsdebatte des Parlaments über den Umgang mit Psychiatriepatienten, nachdem das Fernsehen Bilder des 18-jährigen Brandon gezeigt hatte. Die Aufnahmen aus der Anstalt "'s Heeren Loo" im 70 Kilometer östlich von Amsterdam gelegenen Ermelo seien abscheuerregend, schrieb die Zeitung de Volkskrant am Mittwoch auf ihrer Titelseite. Zu sehen ist, wie der Jugendliche mit einem Zaumzeug über eine anderthalb Meter lange Kette an einer Wandhalterung festgebunden ist. "Mein Sohn wird seit drei Jahren wie ein Tier im Käfig gehalten", sagte die Mutter Petra van Ingen. "Er ist seit zweieinhalb Jahre nicht mehr draußen gewesen." Kontakt mit anderen Jugendlichen habe er nicht. Nach Angaben von Anstaltsärzten leidet Brandon "an einer seltenen Kombination psychischer Störungen". Er sei aber in der Regel nur angekettet, wenn andere Personen bei ihm sind. Zum Schlafen werde er immer losgemacht. So ergehe es in Holland "auch zahlreichen anderen Geisteskranken", erklärte der Sachverständige Bert Lendemeijer. "Das geschieht aus purer Verzweiflung", sagte er unter Hinweis auf mangelnde Kapazitäten der Anstalten für einen besseren Umgang mit solchen Patienten. Ein Sprecher der staatlichen Gesundheitsinspektion sagte, es gebe derzeit "keine andere Lösung".
https://www.sueddeutsche.de/panorama/tv-reportage-schockiert-holland-junger-geisteskranker-in-ketten-1.1048381
mlsum-de-523
Iris Gleicke wollte wissen, ob der Osten anfälliger ist für rassistisches Gedankengut. Nun bezeichnet sie die Arbeit der Wissenschaftler als "nicht hinnehmbare Schlamperei".
Das Thema Rechtsextremismus treibt Iris Gleicke schon lange um. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung stammt aus Schleusingen. Die Stadt liegt im Süden Thüringens, einer Region, in der regelmäßig Neonazi-Konzerte stattfinden. Nun wollte sie die Ursachen von Rechtsextremismus wissenschaftlich untersuchen lassen: Sie beauftragte das Institut für Demokratieforschung in Göttingen mit einer Studie über die Verbreitung von Rechtsextremismus im Osten Deutschlands. Gleicke präsentierte die Ergebnisse Mitte Mai; zahlreiche Medien berichteten, darunter auch die Süddeutsche Zeitung. Inzwischen allerdings will Gleicke die Studie und das Göttinger Institut nicht mehr unterstützen. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt einen Bericht der Sächsischen Zeitung, wonach die Ostbeauftragte einen Brief an die Wissenschaftler schickte und sich "in aller Form" von der Studie distanziert. Außerdem werde die Möglichkeit der Rückforderung der Mittel geprüft, heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Studie hatte dem Bundeswirtschaftministerium zufolge ungefähr 130 000 Euro gekostet. Bereits bei der Veröffentlichung der Studie hatte es heftige Kritik gegeben - unter anderem, weil sich die Wissenschaftler lediglich auf drei Städte konzentriert hatten, in denen es in der Vergangenheit rechtsextreme Ausschreitungen gegeben hatte, darunter Freital und Heidenau. Aus Gesprächen mit lokalen Akteuren leiteten die Wissenschaftler mehrere Problemfelder ab: etwa die Sozialisierung in der DDR sowie ein Gefühl der Benachteiligung. In der Einleitung der Studie betonten die Wissenschaftler, es gehe nicht darum zu generalisieren. Und doch mussten sich Gleicke und die Forscher schließlich den Vorwurf gefallen lassen, Ostdeutsche zu stigmatisieren. "Nicht hinnehmbare Schlamperei" Die Kritik kam von unterschiedlichen Seiten: Die CDU, deren sächsischer Ableger ebenfalls Thema der Studie war, behauptete, die Studie sei politisch motiviert, weil mehrere Aktivisten zu Wort kamen. Schwerer wog jedoch der Vorwurf, die Studie sei methodisch fehlerhaft, weil zum Beispiel Gesprächspartner erfunden worden seien: In der Liste der Interviewpartner stehen Namen von Stadträten, die jedoch in den jeweiligen Rathäusern unbekannt sind. Die Forscher mussten einräumen, sie hätten Ansprechpartner anonymisiert, dies jedoch nicht ausreichend gekennzeichnet. Trotz der Ungenauigkeit verteidigte Gleicke die Studie weiterhin - bis jetzt. In ihrem Brief schreibt Gleicke, sie habe mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass das Institut dem Ministerium neue Studienfassungen übermittelt habe - "ohne nähere Erläuterungen und Hinweise darauf, was geändert wurde und warum diese Änderungen erfolgt" seien. Konkret geht es offenbar um einen Erfurter Stadtrat, dessen Name in der aktuellen Version der Studie nicht mehr auftaucht. Warum? Gleicke hat eine Vermutung: Es seien "ganz offensichtlich nicht belegbare bloße Aussagen eines anonymen Akteurs als Tatsachen dargestellt worden, obgleich die Aussagen dritter Personen nicht erweislich wahr sind". Es handle sich um eine "nicht hinnehmbare Schlamperei". In ihrem Brief betont Gleicke, dass sie die Bekämpfung von Rechtsextremismus als ihre wichtigste Aufgabe sieht. Diesem Anliegen hätten die Forscher einen Bärendienst erwiesen. Ebenso wie dem Ansehen des Göttinger Instituts. Dort zeigt man sich überrascht. Von dem Brief hätten die Wissenschaftler aus der Presse erfahren, das Schreiben selbst läge nicht vor, heißt es in einer Stellungnahme. Bei der Änderung handele es sich lediglich um die Anonymisierung eines weiteren Gesprächspartners. Das Bundeswirtschaftsministerium, dem Gleickes Ressort unterstellt ist, sei darüber informiert gewesen. Die einzelnen Änderungen lassen sich im Detail nicht mehr nachverfolgen, denn von der Studie ist mittlerweile nur noch eine Kurzversion im Internet zu finden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ostdeutschland-ostbeauftragte-distanziert-sich-von-rechtsextremismus-studie-1.3605843
mlsum-de-524
In manchen Hotelzimmern, vor allem in heißen Ländern, herrschen oft arktische Temperaturen. Dumm nur, wenn man nicht die nötigen Pullover dabei hat.
September 1992 am Golf von Akaba, 36 Grad unter Palmen. Im Hotelzimmer herrscht Eiseskälte. Die Klimaanlage erfüllt unerbittlich ihren Dienst und bringt die Temperatur auf 17 Grad. Wie schön war doch die Übernachtung im Beduinenzelt in Wadi Rum. Sie erlegte dort zwar einen Skorpion mit ihrem Wanderschuh, weil das Tierchen sich ins Zelt verirrte - doch in der Wüste war es wunderbar warm. Doch nun friert die Touristin aus Deutschland, die auch im Büro unter einer Klimaanlage zu leiden hat. Für die Reise durchs Wüstenland Jordanien hat sie halt nur Sommerklamotten eingepackt. So trägt sie ein dünnes Nachthemd und keinen dicken Fleece-Schlafanzug. Sie legt kurzerhand den Schalter der Klimaanlage um und stellt damit das Gebläse ab. Doch dann, nach etwa zehn Minuten, fängt der Horror wieder an, wie von Geisterhand verteilt sich eisige Luft im Zimmer. Ein Anruf der Touristin bei der Rezeption bringt die Erklärung. Die Klimaanlage sei mit dem Nebenzimmer verbunden. Offenbar habe der arabische Zimmernachbar die Kühlung wieder angestellt. Der Portier verspricht, ihn anzurufen. Er will ihn darum bitten, die Kühlung etwas wärmer zu stellen. Es geschieht: Nichts. Der männliche Begleiter der Touristin, ein begeisterter Klimaanlagenliebhaber, erbarmt sich und tätigt ebenfalls einen Anruf bei der Rezeption. Wieder verspricht der Portier Besserung und wieder geschieht: Nichts. Die Touristin aus Deutschland ist genervt. Der Begleiter kann sie daher auch nicht zurückhalten, als sie wutentbrannt im dünnen Nachthemd die Hoteltreppe hinunterstürmt und dem verdutzen Portier klarmacht, dass das Gebläse jetzt ein für alle Mal abzustellen sei. Der Portier telefoniert nervös, wählt mehrere Nummern und sagt dann den Satz: Sie bekommen die Hochzeits-Suite, mit eigener Klimaanlage. Alles wird gut. Nach drei Monaten übrigens fand die Hochzeit dann tatsächlich statt. Gefeiert wurde in einem Hotel - mit Klimaanlage.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/am-golf-von-akaba-klimawandel-mal-anders-1.3625061
mlsum-de-525
Miroslav Klose erzielt beim 4:2-Erfolg von Lazio Rom zwei Tore. Chile bewirbt sich um die Fußball-WM 2030. Der deutsche Hengst Protectionist galoppiert beim Melbourne Cup am schnellsten.
Fußball, Italien: Mit zwei Toren binnen 60 Sekunden hat Weltmeister Miroslav Klose seinen Klub Lazio Rom in der italienischen Fußball-Liga auf Champions-League-Kurs gehalten. Zum Abschluss des zehnten Spieltags der Serie A sorgte der 36-Jährige beim 4:2 (3:0) gegen Cagliari Calcio neben seiner Vorlage zum 1:0 durch Stefano Mauri (7.) mit einem Doppelpack in der 25. und 26. Minute früh für vermeintlich klare Verhältnisse. Cagliari kam durch das Eigentor des früheren Bayern-Profis Edson Braafheid (48.) und Joao Pedro (84.) noch heran. Ederson (90.+2) machte mit dem 4:2 letztlich alles klar. Mit 19 Punkten verteidigte Lazio Rang drei hinter Meister Juventus Turin (25) und Vizemeister AS Rom (22), der am Mittwoch in der Champions League auf Bayern München trifft. "Das war ein wichtiger Sieg. Jetzt müssen wir von Spiel zu Spiel kämpfen, um den Platz zu halten", sagte Klose. Zuvor hatten sich Aufsteiger AC Cesena und Hellas Verona mit dem Ex-Münchner Luca Toni 1:1 (1:0) getrennt. Pferdesport, Melbourne: Der Tod zweier Pferde hat den Triumph des deutschen Hengstes Protectionist im Melbourne Cup am Dienstag überschattet. Der japanische Favorit Admire Rakti und der einst von Deutschland nach Australien gewechselte Araldo waren nach Verletzungen nicht mehr zu retten. Admire Rakti war nach dem Rennen, das er als Letzter beendet hatte, zusammengebrochen. Die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun, eine Autopsie wurde von den lokalen Rennsportbehörden angeordnet. Der im Rennen siebtplatzierte Araldo hatte nach dem Rennen, irritiert durch eine Flagge im Publikumsbereich, nach hinten ausgeschlagen und sich dabei einen Beinbruch zugezogen. Er musste angesichts der Kompliziertheit des Bruches eingeschläfert werden. Protectionist hatte als erstes deutsches Pferd den Melbourne Cup, eines der wichtigsten Galopprennen der Welt gewonnen. Basketball, NBA: Der deutsche Basketballer Dirk Nowitzki hat mit den Dallas Mavericks in der nordamerikanischen Profiliga NBA den den dritten Sieg in Serie gefeiert. Gegen die Boston Celtics retteten die Mavs einen knappen 118:113-Sieg ins Ziel, nachdem der Ex-Meister gegen Ende des zweiten Viertels bereits mit 31 Punkten Vorsprung geführt hatte. Nowitzki war mit 27 Punkten in knapp 30 Minuten zweitbester Werfer der Mavericks. Bester Akteur im vierten Saisonspiel der Texaner, die nach nach einer unglücklichen Auftaktniederlage bei Meister San Antonio Spurs (100:101) gegen Utah Jazz (120:102) und bei den New Orleans Pelicans (109:94) gewonnen hatten, war erneut Chandler Parsons mit 29 Zählern. Bei den Gästen aus Boston ragten vor allem Celtics-Guard Avery Bradley und Jeff Green heraus. Mit 32 Zählern stellte Bradley einen neuen Karriererekord auf, Green war Top-Scorer des Spiels mit 35 Punkte, sieben Rebounds und zwei Blocks. Bereits nach dem letzten Sieg in New Orleans hatte im Mavericks-Lager Unzufriedenheit geherrscht, nachdem Dallas im dritten Viertel zunächst einen 17-Punkte-Vorsprung verspielt hatte und zu Beginn des Schlussabschnitts sogar mit vier Punkten in Rückstand geriet. Fußball, Chile: Der chilenische Profifußball-Verband ANFP wird sich um die Austragung der Weltmeisterschaft 2030 bewerben, das kündigte Präsident Sergio Jadue am Montag an. "Wir haben uns mit allen Beteiligten getroffen und wollen das Turnier alleine oder zusammen mit Uruguay veranstalten", sagte Jadue anlässlich seiner Wiederwahl. 2015 findet in dem südamerikanischen Land bereits die Copa America und die U17-WM statt. Die Ausrichtung genau 100 Jahre nach der ersten Endrunde ist prestigeträchtig, Uruguay war bereits damals Gastgeber der WM. In Chile fand das Turnier 1962 statt. Fußball, Schalke 04: Der ehemalige Cheftrainer Jens Keller wird nicht in den Nachwuchsbereich des FC Schalke 04 zurückkehren. "Das hatten wir anfänglich so abgestimmt, weil er einen sicheren Job als Nachwuchstrainer bei uns hatte. Aber nun ist Jens Keller kein Trainer für den Nachwuchs mehr, sondern er wird sicher in nächster Zeit wieder bei einem Erstligisten auftauchen", sagte Schalkes Sportvorstand Horst Heldt der Sport Bild. Keller habe beim Revierklub "viel erreicht, das wird man daran sehen, dass er sicherlich attraktive Angebote bekommen wird". Bis zu seiner Beförderung zum Chefcoach der Profis im Dezember 2012 war Keller in der sogenannten "Knappenschmiede" für die U17 zuständig. Die wird nun vom Uerdinger Ex-Profi Uwe Grauer trainiert. Heldt will demnächst mit dem beurlaubten Keller, dessen Kontrakt noch bis Juni 2015 läuft, Gespräche führen. "Dazu sind wir noch nicht gekommen. Er hat erst mal ausgespannt und war verreist. Wir werden sicherlich in naher Zukunft Gelegenheit haben, uns zu treffen." Fußball, Bayer Leverkusen: Bayer Leverkusen muss für den Rest des Jahres auf Fußball-Profi Kyriakos Papadopoulos verzichten. Der griechische Defensivspezialist kugelte sich im letzten Training wenige Stunden vor der Abreise zum Champions-League-Auswärtsspiel bei St. Petersburg am Montag die rechte Schulter aus und muss sogar operiert werden. Bereits nach seinem Wechsel von Schalke 04 an den Rhein hatte sich die Gelsenkirchener Leihgabe dieselbe Verletzung zugezogen. "Das ist ganz bitter für Papa", sagte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler vor dem Abflug nach Russland.
https://www.sueddeutsche.de/sport/klose-bei-lazio-rom-zwei-treffer-innerhalb-von-60-sekunden-1.2203748
mlsum-de-526
Erst tötet ein Vierbeiner seinen Besitzer und dessen Mutter, dann stirbt ein Baby nach einem Biss in den Kopf. Und die Tierschützer? Kämpfen nun dagegen, dass eingeschläfert wird. Wie kommt so was?
"Es verletzt das Rechtsempfinden vieler Menschen, wenn an dem Hund die Todesstrafe vollstreckt wird." Heiko Schwarzfeld, Geschäftsführer des Tierschutzvereins Hannover, besucht Chico in seinem Tierheim-Zwinger. Das sieben Monate alte Baby starb am Montagabend, der Hund hatte ihm im Wohnzimmer der Familie im hessischen Bad König in den Kopf gebissen. Es soll sich um einen Staffordshire-Mischling gehandelt haben. Ein Staffordshire-Terrier, Chico, war es auch, der vergangene Woche in Hannover seinen Besitzer, einen 27-jährigen Mann, und dessen 52-jährige Mutter totgebissen hatte. Nun überlegen die Behörden, die Hunde einzuschläfern. Doch sie haben die Rechnung ohne die Tierschützer gemacht. Die Online-Petition "Lasst Chico leben!" verfügt schon über mehr als 270 000 Unterschriften. Vor dem Veterinäramt in Hannover protestierten Dutzende mit "Free Chico"-Plakaten. Zuvor hatten Unbekannte versucht, in das Tierheim einzudringen, in dem Chico untergebracht ist. Offenbar, um ihn zu befreien. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, betonte: "Hunde sind Mitgeschöpfe, die die Chance zur Resozialisierung verdient haben." Vermenschlichung von Tieren ist Ausdruck einer Entfremdung Haben sie das? Die Mannheimer Philosophin und Tierethikerin Ursula Wolf erklärt sich die "immer größer werdende Aufmerksamkeit", die Tieren in unserer Gesellschaft zuteil wird, mit dem "schlechten Gewissen", welches beispielsweise durch die moderne Massentierhaltung bei einem Teil der Bevölkerung ausgelöst wird. Dieser Teil versuche dann, das empfundene Schuldgefühl für das tierische Elend durch die Vermenschlichung einzelner Exemplare wettzumachen. Eine Überreaktion, die letztlich nichts anderes sei als ein Ausdruck der immer größer werdenden Entfremdung von Mensch und Natur - und bei einigen zu der völlig verfehlten Annahme führe, Mensch und Tier seien gleichwertige Lebewesen. Das drückt sich dann zum Beispiel in der Wortwahl aus: "Es verletzt das Rechtsempfinden vieler Menschen, wenn an dem Hund die Todesstrafe vollstreckt wird", sagte beispielsweise Heiko Schwarzfeld, Geschäftsführer des Tierschutzvereins Hannover, im NDR. Todesstrafe? Für einen Vierbeiner? (Laut Bürgerlichem Gesetzbuch sind auf Tiere "die für Sachen geltenden Vorschriften" anzuwenden, "soweit nicht etwas anderes bestimmt ist".) "Seit 35 000 Jahren leben Menschen mit Wölfen und Hunden zusammen", erklärt der österreichische Verhaltensforscher Kurt Kotrschal, Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle. "Das ist eine lang gewachsene Freundschaft. Man sollte aber nicht den Fehler begehen, das Hundewohl über das Menschenwohl zu stellen." Kotrschal rät in Fällen wie in Bad König oder Hannover, "nicht lange rumzufackeln", sondern die Hunde einfach einzuschläfern. Das sei auch aus Tierschutzgründen sinnvoll, "schließlich leidet auch ein Hund darunter, ein Leben lang weggesperrt zu sein".
https://www.sueddeutsche.de/panorama/tierschutz-zu-viel-des-guten-1.3938228
mlsum-de-527
Jérôme Boateng und Arjen Robben werden bald wieder ins Bayern-Mannschaftstraining einsteigen. Hertha BSC verlängert mit Manager Michael Preetz.
FC Bayern: Europameister Renato Sanches steht beim Fußball-Rekordmeister Bayern München vor seinem Startelf-Debüt, und auch Weltmeister Jérôme Boateng sowie Arjen Robben sind bald zurück. Der Neuzugang aus Portugal sei "bei 100 Prozent", sagte Trainer Carlo Ancelotti vor dem Bundesliga-Spiel bei Schalke 04 am Freitag, "er kann spielen und ich erwarte, dass er sein Bestes zeigt". Sanches könnte Arturo Vidal ersetzen, über dessen Verfassung sich Ancelotti nach dem Länderspieleinsatz des Chilenen und der Rückkehr erst am Donnerstag noch nicht im Klaren ist. Vidal werde aber wohl mit nach Gelsenkirchen reisen. Grundsätzlich will Ancelotti angesichts von jetzt sieben Pflichtspielen in 20 Tagen rotieren lassen. "Ich will die Spieler nicht gleich im ersten Monat killen", sagte er. Da passt es gut, dass neben Sanches auch Douglas Costa bereit steht, wenngleich der Brasilianer laut Ancelotti auf Schalke noch nicht beginnen wird. Außerdem werden die lange verletzten Boateng und Robben schon am Sonntag wieder mit der Mannschaft trainieren werden, wie Ancelotti ankündigte. Kingsley Coman ist im Lauftraining, Holger Badstuber werde "bald" zurückkehren.An Schalke hat Ancelotti positive Erinnerungen - ob mit Juventus Turin, dem AC Mailand oder Real Madrid, wie er schmunzelnd berichtete. Am Freitag werde es aber "schwierig", glaubt der Italiener (57): "Schalke hat das erste Spiel verloren, sie werden motiviert sein. Aber meine Mannschaft ist bereit." Hertha BSC: Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat den Vertrag mit Manager Michael Preetz um zwei Jahre bis 2019 verlängert. Das bestätigte der Verein am Donnerstag.Das Präsidium habe einstimmig beschlossen, den bis 2017 laufenden Vertrag vorzeitig zu verlängern, hieß es in einer Mitteilung. "Wir freuen uns über die weitere Zusammenarbeit mit Michael Preetz, der damit auch in den nächsten Jahren Hertha BSC erfolgreich weiter entwickeln wird", teilte Präsident Werner Gegenbauer mit. Preetz ist seit 2009 Geschäftsführer Sport bei den Berlinern und konnte nach zwei Bundesliga-Abstiegen in der vergangenen Saison mit Platz sieben in der Bundesliga ein achtbares Ergebnis vorlegen. FC Bayern: Franck Ribéry vom Fußball-Rekordmeister Bayern München hat sich nach seinen wiederholten Ausrastern auf dem Spielfeld verteidigt. "Manchmal kann so etwas passieren, das gehört zu meinem Charakter", sagte der Franzose in einem Interview mit goal.com, "ich bin emotional, das ist aber nicht negativ. Wenn ich auf dem Platz bin, habe ich viel Energie in meinem Körper."Er müsse da künftig "aufpassen", ergänzte er einsichtig, "es ist aber schwierig für mich, weil im Spiel gegen mich viel Aggressivität dabei ist." Grundsätzlich wüssten aber "alle, die mich kennen: Ich bin ein guter Typ mit einem großen Herzen." Spätestens seit verschiedenen unsportlichen Attacken des 33-Jährigen in der jüngeren Vergangenheit wie im DFB-Pokal-Finale oder im Supercup jeweils gegen Borussia Dortmund gilt Ribéry als "Bad Boy". Angesichts der damit einhergehenden Diskussion sei er dankbar gewesen, dass Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ihn verteidigte. "Er sagte: 'Franck wird manchmal in einer Art attackiert, bei der es nicht immer einfach ist, cool zu bleiben'", berichtete Ribéry.Was Rummenigge meinte, erklärte Ribéry so: "Ich gehe als Spieler häufiger als viele andere in Eins-gegen-Eins-Situationen und werde deshalb sehr häufig gefoult. Fragt nicht, wie viele Schläge und Tritte ich da immer wieder in den Zweikämpfen einstecken muss. Häufig versuchen die Gegenspieler auch, mich zu provozieren. So geht das schon, seit ich Profi bin." Schwimmen: US-Schwimmer Ryan Lochte ist wegen seiner Lügengeschichte über einen angeblichen Raubüberfall bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro laut Medienberichten für zehn Monate suspendiert worden. Wie USA Today unter Berufung auf eine unbenannte Quelle schrieb, dürfe der 32-Jährige demnach bis Mitte 2017 keine Wettkämpfe bestreiten. Ein Sprecher des US-Olympiakomitees (USOC) dementierte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP zunächst die Meldung über die Sanktion. Sollte wie von USA Today berichtet eine Pressemitteilung am Donnerstag allerdings die Suspendierung bestätigen, könnte Lochte bei den Weltmeisterschaften im kommenden Sommer in Budapest nicht starten. Lochte und seine angeblich bis zu vier Monate gesperrten US-Teamkollegen Gunnar Bentz, Jack Conger und James Feigen hatten behauptet, mit vorgehaltener Waffe am Rande der Spiele in Brasilien überfallen worden zu sein. Dies entsprach nicht der Wahrheit. Die Amerikaner hatten an einer Tankstelle randaliert und später für den entstandenen Sachschaden bezahlen müssen. Wegen der Lügengeschichte hatte der sechsmalige Olympiasieger Lochte sämtliche persönliche Sponsoren verloren. Der Schwimmartikelhersteller Speedo, der Herrenausstatter Ralph Lauren und der Matratzenhersteller Airweave beendeten Ende August offiziell ihre Zusammenarbeit mit Lochte. Boxen, Wladimir Klitschko: Der frühere Weltmeister bestreitet den Rückkampf gegen seinen Bezwinger Tyson Fury in Manchester. Das gab das Management des 40 Jahre alten Ukrainers bekannt."Das Team Klitschko ist sehr froh, dass es nach Furys Verschiebungen einen neuen Termin gibt. Wladimir wird am 29. Oktober in seiner besten Form sein, und wir sind zuversichtlich, dass er sich seine WM-Titel zurückholt", sagte Manager Bernd Bönte. Ursprünglich sollten Fury und Klitschko bereits am 9. Juli in Manchester aufeinandertreffen, der Brite sagte jedoch offiziell wegen einer Knöchelverletzung ab. In dieser Phase kamen jedoch Dopinganschuldigen auf, die sich später erhärteten. Wie die britische Anti-Doping-Agentur UKAD Anfang August mitteilte, wurde Fury am 24. Juni wegen der nachgewiesenen Einnahme einer Dopingsubstanz vorläufig gesperrt - am gleichen Tag sagte er den für den 9. Juli geplanten Kampf ab. Die Sperre wurde gemäß der Verordnungen des britischen Dopingsystems allerdings bis zu einer Anhörung vor dem Nationalen Anti-Doping-Ausschuss aufgehoben. Laut Bönte soll diese am 4. November, nur sechs Tage nach dem Kampf, stattfinden. Fury soll schon Monate vor seinem gewonnenen WM-Kampf gegen den langjährigen Champion Klitschko im November vergangenen Jahres in Düsseldorf positiv auf das anabole Steroid Nandrolon getestet worden sein. FC Bayern: Ein bald anstehender Generationswechsel stellt den FC Bayern für Kapitän Philipp Lahm vor eine große Herausforderung. Spieler wie er selbst, Franck Ribéry, Arjen Robben oder Xabi Alonso sind Leistungsträger beim Fußball-Rekordmeister, aber auch schon älter als 30 Jahre. "Wir werden nicht jünger", sagte Lahm der Sport Bild. "Es ist wichtig, dass sich der Verein frühzeitig Gedanken macht: Was passiert eigentlich, wenn diese Spieler peu à peu aufhören und wegbrechen? Das ist eine große Aufgabe." Der Abwehr-Routinier selbst will seine Karriere 2018 beenden. Danach könnte er direkt ins Management der Bayern einsteigen, etwa als Sportchef. Ob es konkrete Planungen gibt, verriet der 32-Jährige nicht. "Ich kann sagen, dass mir der Verein am Herzen liegt, ich dem FC Bayern gerne erhalten bleiben möchte und ich ein Top-Verhältnis zu den Verantwortlichen habe. Alles Weitere wird sich dann irgendwann ergeben." Zuletzt hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mehrfach angedeutet, dass er sich Lahm als Bayern-Manager vorstellen könne. Schalke 04: Sportvorstand Christian Heidel hat vor dem Heimspiel gegen Titelverteidiger Bayern München am Freitag die Mentalität und Selbsteinschätzung einiger Profis kritisiert. "Ich war natürlich auch enttäuscht. Es gibt sicher Spieler in unseren Reihen, die sich stärker einschätzen, als sie sind. Das sind alles gute Jungs, aber wir müssen die Mentalität verändern", betonte der Manager nach dem verpatzten Saisonauftakt der Königsblauen in der Sport Bild. Die Mentalität sei aber schwer trainierbar. Heidel: "Es kommt also auf den Mix in einem Team an. Deshalb haben wir einige Veränderungen im Kader vorgenommen." Sehr bedauerlich sei die Verletzung des Spaniers Coke. "Seine Art wird uns erst einmal leider fehlen, aber bald helfen", sagte Heidel.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-renato-sacnhes-ist-fit-fuer-schalke-1.3153664
mlsum-de-528
Auf einer hitzigen Mitgliederversammlung stimmt der TSV 1860 für die Beendigung des Kooperationsvertrages. Der Verein hat nun sechs Monate Zeit, sich vom jordanischen Investor zu trennen.
In jenem Moment, als die triste Halle mit dem Charme einer Gießerei in die Farbe grün getaucht wurde, hatte Anthony Power keine Augen in seinem Hinterkopf. "Wie siehts aus?", fragte Power, der Statthalter von Investor Hasan Ismaik in München, der in der ersten Reihe Platz genommen hatte im Zenith. "Ich kann die Zettel nicht sehen, sie sind ja alle hinter meinem Rücken." Dann lachte Power. Er sah weder überrascht aus, noch fürchterlich wütend. Ja, Power nahm die überraschend deutliche Wahl von Robert Reisinger zum Präsidenten des TSV 1860 München tatsächlich mit Humor. Dabei war dieser Tagesordnungspunkt nur der Beginn eines Festivals der Ablehnung Ismaiks. Die Luft war erfüllt vom subtilen Gepfeife der Melodie des bekannten Scheich-Liedes Am Abend, als nur noch Ultras und andere Investorengegner in der Halle weilten und über allerlei Anträge abstimmten, da war die Luft erfüllt vom subtilen Gepfeife der Melodie des bekannten Scheich-Lieds. Am Ende gab es 844 Ja-Stimmen und 365 Nein-Stimmen für Reisinger. Letztlich hatte er bei den Mitgliedern gepunktet mit einem Wahlprogramm, das sowohl bodenständige ("Wer in der Regionalliga spielt, aber von der Champions League schwatzt, der macht sich lächerlich") als auch progressive Elemente ("Ich möchte, dass sich 1860 Schritt für Schritt entwickelt, gerne auch mit Investoren") enthielt. Und selbstredend hatte Reisinger als Sympathisant des Grünwalder Stadions massiv vom Auftritt des beliebten Trainers Daniel Bierofka profitiert - und von der Rede des Geschäftsführers Markus Fauser, der vorrechnete, dass ein Verbleib in der Arena des FC Bayern pro Jahr eine Million Euro mehr gekostet hätte. Die Gegner des Auszugs meldeten sich seltsamerweise nicht zu Wort, obwohl die Summe ja überraschend gering ist. Fauser sagte: "Aber es kam keiner zu mir und hat gesagt: Hier haben sie noch mal eine Million, Herr Fauser." Reisinger verwies in seiner Rede auch auf "geeignete Partner für 1860", die bereit stünden, von denen er "vergangene Woche einige kennenlernen" durfte. Da traf er den an einem Einstieg interessierten Gerhard Mey in einem Restaurant. Zu Ismaik habe er keinen Kontakt gehabt, sagte Reisinger. Er nannte sein Ergebnis "überraschend deutlich" und wusste, wem er zu danken hatte: "Biero und Fauser haben das Feld bereitet." Gegner Ismaiks hatten sich optisch bestens vorbereitet. Aufkleber mit der Aufschrift "Hate Ismaik - Love Sechzig" wurden vor der Halle angebracht, in der langen Schlange stand einer mit einem T-Shirt, auf dem "Zupf di, Ismaik" zu lesen war. Der Beginn der Veranstaltung verzögerte sich, weil offenbar überproportional viele TSV-Mitglieder einen Nachnamen tragen, der mit A bis E beginnt; am entsprechenden Schalter herrschte jedenfalls Chaos, bei U bis Z gähnende Leere. Dass sich die Menschen nicht nur nach Nachnamen gruppierten, sondern auch in eine Pro- und eine (weitaus größere) Contra-Ismaik-Fraktion, kam ziemlich schnell und ziemlich drastisch zum Ausdruck. Ismaiks Bruder Yahya und der von ihm installierte ehemalige Geschäftsführer Power wurden zur Begrüßung ausgebuht, woraufhin Reisinger sagte: "Dankeschön." Bei der Aussprache erklärte ein Mann namens Thomas Fey, dass "der einzige Weg ein Weg mit Hasan Ismaik" sei, woraufhin er beschimpft und ihm schließlich das Mikrofon abgedreht wurde. Applaus und Buhrufe gab es für einen Herrn Stallknecht für die Anmerkung: "Ich bedanke mich ganz ausdrücklich nicht bei den Internet-Trollen. Und auch nicht bei der Investorenseite. Trump und Ismaik würden sich gut verstehen, sie sind beide größenwahnsinnig." Angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Halle verteilten sich nun die Security-Mitarbeiter in Habachtstellung zwischen den Reihen. Zwischenzeitlich, gerade bei der Rede von Geschäftsführer Fauser, beruhigten sich die Gemüter. Dass Fauser für die Saison 2016/17 "einen zweistelligen Millionenbetrag", also mindestens zehn Millionen Euro Verlust prognostizierte, verwunderte nur noch wenige - zu bekannt war offenbar bereits gewesen, wie desaströs unter Ismaiks Vorgaben und der Zustimmung des zurückgetretenen Präsidenten Peter Cassalette gewirtschaftet wurde.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-muenchen-1860-muenchen-waehlt-die-scheidung-von-hasan-ismaik-1.3600371
mlsum-de-529
Am Sonntag herrschte Ausnahmezustand deluxe. Zwei Beispiele aus Brandenburg, eines aus Paris, eines aus London - und natürlich eines aus Thailand, dem Land der Abenteuer-Hochzeiten.
Am Sonntag war Valentinstag, also Ausnahmezustand deluxe. Zwei Beispiele aus Brandenburg: Diebe haben in Königs Wusterhausen in der Nacht zum Sonntag sämtliche Rosen aus einem Blumenladen gestohlen. Dabei seien 140 rote und zehn weiße Rosen erbeutet worden, teilte die Polizei mit, die den materiellen Schaden auf 450 Euro schätzt. Nach Recherchen dieser Zeitung geht die Polizei damit intern von einem Wert von drei Euro je Rose aus (Vermutungen der SZ, dass bei "Königs Wusterhausen" eine Bindestrich fehlt, bestätigten sich nicht). Unterdessen erhielt eine 33-Jährige in Bernau einen unerwünschten Valentinsgruß: Auf ihrem Auto war die Frontscheibe mit einem Plakat zugeklebt, "Happy Valentinstag" stand darauf. Zudem war der Wagen mit Rosen gefüllt. Als Spender wurde ihr 36-jähriger ehemaliger Liebhaber ermittelt, der sich mit dem Blumengruß "ordentlich in Unkosten" gestürzt habe, wie die Polizei mitteilte. Die Frau sei indes "ziemlich aufgebracht" gewesen, schilderte ein Polizeisprecher den emotionalen Zustand der Frau (doch kein Wort darüber, wie es im Innersten ihres Autos aussah). Das Opfer erstattete Anzeige, gegen den Ex-Freund wird nun ordentlich wegen Stalkings ermittelt. Zum Internationalen: Ein Brite hat am Valentinstag auf dem Titel des Observer um die Hand seiner Freundin angehalten. James Greig hält da im Anzug und auf Knien einen Verlobungsring in die Kamera. "Willst du mich heiraten, Katie?", stand daneben. In Paris wiederum waren an öffentlichen Plätzen sehr persönliche Liebesbotschaften auf Anzeigetafeln zulesen. Die Stadt hatte die "mots d'amour", die liebevollen Worte, zuvor per Internet von Einwohnern und Touristen eingesammelt. "Ein Leben ohne dich ist unvorstellbar", hieß es etwa arg unoriginell am Opernplatz. Wieviele Verliebte sich von der individuelleren Aufforderung "Komm' um 16 Uhr zum Flughafen" angesprochen fühlten, ist unbekannt. In Thailand nahmen Paare des Wochenende zum Anlass, abenteuerliche Hochzeiten zu feiern, wie hier am Samstag Jintara Promachat und ihr Vermählter Kittinant Suwansiri. Und ja: Katie hat natürlich "yes" gesagt. Wer allerdings zum Pariser Flughafen geladen hatte, konnte nicht ermittelt werden. Im Zweifelsfall steckt ein geschäftstüchtiges Taxiunternehmen dahinter.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/valentinstag-wo-s-die-liebe-hinzieht-1.2863157
mlsum-de-530
Früh hatten die Behörden den Palästinenser Ahmad A. im Visier. Sie empfahlen, ihn psychologisch betreuen zu lassen. Dann blieb seine Akte liegen.
Am 3. November des vergangenen Jahres hatte Ahmad A. einen Termin bei der Ausländerbehörde in Hamburg. Der Palästinenser ist hier Stammkunde, sein Asylantrag hat praktisch keine Chancen. Er wird, das zeichnet sich bereits ab, einer derjenigen sein, die man zurück in seine Heimat schicken will. Die Palästinensische Autonomiebehörde muss dafür sogenannte Pass-Ersatzpapiere ausstellen. Ahmad A. ist im Amt beliebt, er gilt als freundlich und verbindlich. Er verschleiert seine Identität nicht, wie manch andere Flüchtlinge es tun, um ihre Abschiebung zu verhindern. Er gibt sich kooperationsbereit: Er wolle schnell nach Gaza zurück, das Haus seiner Familie sei zerstört worden, es fehle an Baumaterial. Nun müsse er beim Wiederaufbau helfen. Sein Vater warte. An diesem Tag aber geht es nicht um Asyl oder Rückkehr. Der Hamburger Verfassungsschutz wartet schon auf ihn. Die Behörde ist von der Polizei informiert worden, dass Ahmad A. sich auffällig verhalte, Religion spiele plötzlich eine große Rolle in seinem Leben, er zitiere Koranverse, trinke keinen Alkohol mehr und ziehe sich zurück. Ein Hinweisgeber hat das der Polizei am Hauptbahnhof geschildert, und auch wenn es Probleme mit Namen und Schreibweisen gibt, ist nach einiger Zeit klar, dass Ahmad A. gemeint ist. In den Akten wird A. seither als "Verdachtsfall Islamismus" geführt Solche Wesensveränderungen sind manchmal die ersten Anzeichen einer Radikalisierung; andererseits ist religiös zu werden nichts Verwerfliches. Noch kaum etwas deutet daraufhin, dass derselbe Ahmad A. nun Monate später - am vergangenen Freitag - in einem Supermarkt in Hamburg-Barmbek einen Menschen erstechen und fünf weitere teils schwer verletzen würde. Doch in den Akten wird A. seither als "Verdachtsfall Islamismus" geführt. Das Gespräch in der Ausländerbehörde am 3. November findet auf Englisch und Schwedisch statt, in Sprachen, die A. auf seiner langen Odyssee durch verschiedene Länder gelernt hat. Ägypten, Norwegen, Schweden, Spanien sind die Stationen dieser Wanderjahre. Der Schwedisch beherrschende Verfassungsschützer will wissen, warum sich Ahmad A. verändere, was mit ihm los sei. A. weint, er legt die Hand aufs Herz. Ja, Religion spiele eine große Rolle in seinem Leben, aber nein, er tue nichts Böses. Er wirkt verwirrt und wenig stabil. Er erzählt noch, dass er der palästinensischen Fatah nahestehe und sich frage, ob es Probleme mit der konkurrierenden Hamas gebe, wenn er nach Gaza heimkehre. Nach dem Gespräch kehrt A. zurück in seine Unterkunft, eine Container-Siedlung im Hamburger Randbezirk Langenhorn, Haus 4, zweiter Stock, Zimmer 429. Von dort erreichen die Polizei weitere Hinweise, er bete laut auf dem Flur. In einem Café für Flüchtlinge taucht er in traditioneller Kleidung auf. Kurz, die Akte füllt sich. Ahmad A. ist nun einer von vielen sogenannten Verdachtsfällen Islamismus, seit Jahren steigt die Zahl. Polizei und Verfassungsschutz müssen herausfinden, wer nur große Töne spuckt, wer tatsächlich gefährlich werden könnte. Und inzwischen auch: bei wem eine psychische Erkrankung eine Tat begünstigen könnte. Ahmad A. gilt nicht als unmittelbare Bedrohung. Die Suche in sozialen Netzwerken hat keinen Facebook-Account zu Tage gefördert, auf dem sich radikales Gedankengut findet. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er in die Salafistenszene eingebunden ist. A. mag islamistischen Ideen nachhängen, aber ist nach jeder Definition kein "Gefährder", der sich gewaltbereit zeigt. Aber etwas stimmt nicht mit ihm. Einen "Schwellentyp" nennt ihn ein Hamburger Staatsschützer. Was soll man tun?
https://www.sueddeutsche.de/politik/exklusiv-hamburger-messerstecher-die-vielen-fragen-im-fall-ahmad-a-1.3609798
mlsum-de-531
Julian Draxler geht nach seinem ersten Spiel für den VfL hart mit sich ins Gericht, obwohl er wie Dante zu den Besseren gehört.
Julian Draxler war der erste Wolfsburger Spieler, der in Ingolstadt in die Mikrofone sprach. Das ergab auch Sinn, schließlich war die Leistung des prominenten Zugangs der Punkt, der die Beobachter nach einem 0:0 ohne größere Torraumszenen am meisten umtrieb. Und siehe da, der Kandidat zeigte sich überaus selbstkritisch, so dass es einiges zu notieren gab. "Manchmal hat bei mir der Zug zum Tor und die Konsequenz beim letzten Pass gefehlt", bekannte Draxler, der sich in punkto Nervosität ein wenig "wie beim ersten Bundesligaspiel überhaupt" vorgekommen war. "Ich habe auf dem Platz schon gemerkt, dass ich manche Mitspieler, die unter der Woche bei der Nationalmannschaft waren, erst seit zwei, drei Tagen kenne." Ganz so kleinlaut hätte der 15-fache Nationalspieler allerdings gar nicht sein müssen, denn so schwach wie er sich offenbar selbst gesehen hatte, war er gar nicht gewesen. Dramaturgisch geschickt hatte der vermeintliche Herzens-Schalker sogar die erste Halb-Chance für die Wölfe, als er Marvin Matip stehen ließ und an FCI-Keeper Ramazan Özcan scheiterte. Und als er nach gut einer Stunde erneut statt dem Tornetz Özcan traf (64.), war das sogar eine der beiden besten Chancen seiner Elf während des gesamten Spiels. Kein Wunder also, dass sein Coach Dieter Hecking an seinem 51. Geburtstag milde gestimmt war. "Dass Draxler und Dante beide nach so kurzer Zeit in der Startelf standen, zeigt ja auch, dass wir ein wahnsinniges Vertrauen in sie haben." Zudem sei es schließlich "ganz normal, dass das ein oder andere nicht so sitzt, wenn man seine erstes Spiel für den neuen Verein macht". Das wiederum war eine ebenso gut gemeinte wie missverständliche Aussage, denn der zweite Neue im Team, der ehemalige Münchner Dante, war in Ingolstadt gleich einer der Besten. Und das nicht nur in der Defensive, wo der Wuschelkopf per Fuß und Haupt so gut wie alles abräumte, was in seine Sphären drang, sondern auch als Ballverteiler, wo er ein ums andere Mal den Job des Kollegen Gustavo auf der Sechserposition übernahm. Dass an diesem Samstag nur wenige Wolfsburger wie Dante und viele wie Gustavo spielten, war dann auch das eigentliche Problem des Favoriten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/prominente-debuetanten-extrem-selbstkritisch-1.2643488
mlsum-de-532
Deutliche Niederlage für Fußball-Vizemeister RB Leipzig: Bayer Leverkusen deklassiert das Team von Ralph Hasenhüttl und springt in der Tabelle auf Rang vier.
Fußball-Bundesligist RB Leipzig hat am Montagabend nach dem Vertrags-Wirbel um Trainer Ralph Hasenhüttl im Kampf um die Champions-League-Plätze eine deutliche Niederlage kassiert. Gegen den direkten Konkurrenten Bayer Leverkusen unterlagen die Sachsen in einem ansehnlichen Spiel nach 1:0-Führung noch mit 1:4 und rutschten mit 46 Punkten auf Rang sechs ab. Leverkusen sprang mit 48 Zählern auf Rang vier, der zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt. Marcel Sabitzer (17.) hatte die Gastgeber in Führung gebracht, ehe Kai Havertz (45.), Julian Brandt (51.), Panagiotis Retsos (56.) und Kevin Volland (69.) Leverkusen zum Sieg schossen. Lange Zeit zum Durchatmen bleibt Hasenhüttls Mannschaft nicht. Im Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League spielt RB am Donnerstag bei Olympique Marseille. Das Hinspiel hatte Leipzig am vergangenen Donnerstag im eigenen Stadion mit 1:0 gewonnen. "Ich glaube, dass das Tor vor der Halbzeit der Knackpunkt war. Der Gegner war sehr gut und hat uns in den entscheidenden Phasen vor unlösbare Aufgaben gestellt", sagte Hasenhüttl. "Die Leipziger haben es am Anfang sehr gut gemacht. Nach dem 1:0 haben wir uns aber gefangen. Solche Spiele machen Spaß. Ich glaube, wir sind der verdiente Sieger", sagte der starke Julian Brandt. In der Causa Hasenhüttl bekräftigte RB-Sportdirektor Ralf Rangnick vor der Leverkusen-Partie noch einmal, dass der angeblich von Bayern München und Borussia Dortmund umworbene Cheftrainer klar den Willen zur Vertragsverlängerung über 2019 hinaus geäußert habe.
https://www.sueddeutsche.de/sport/montagsspiel-furios-in-leipzig-1.3937541
mlsum-de-533
Die Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan treffen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der DFB reagiert mit scharfer Kritik.
Als Mesut Özil zum ersten Mal unangekündigt mit einer Politikerin fotografiert wurde, legte sich die Aufregung recht schnell wieder. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) war damals zwar nicht unbedingt erfreut darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Spiel gegen die Türkei in Berlin 2010 die Kabine der Nationalmannschaft betrat und ein Fotograf des Bundespresseamtes das berühmte Bild aufnahm, das Özil mit nacktem Oberkörper beim Handschlag mit der Kanzlerin zeigte. Es gab danach ein "klärendes Gespräch" zwischen DFB und Kanzleramt. Diesmal dürften die Gespräche komplizierter werden. Özil, der dem FC Arsenal am letzten Spieltag verletzt fehlte, und İlkay Gündoğan, der für Manchester City beim 1:0 gegen den FC Southampton am Sonntag 82 Minuten lang spielte, haben sich am selben Tag in einem Londoner Hotel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen, auch der türkische Nationalspieler Cenk Tosun vom FC Everton, in Wetzlar geboren, war dabei. Sie überreichten Erdoğan Trikots, das von Gündoğan war handsigniert: "Für meinen verehrten Präsidenten, hochachtungsvoll." Sie ließen sich fotografieren, in der Gruppe und einzeln. Erdoğans Partei AKP verbreitete die Bilder über die sozialen Netzwerke. Cem Özdemir spricht von "geschmackloser Wahlkampfhilfe" Beim DFB wurden sie einen Tag vor der Nominierung des WM-Kaders, zu dem Özil und Gündoğan sehr wahrscheinlich gehören werden, von den Fotos überrascht. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte: "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden." Özil und Gündoğan hätten sich für "Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen". Cem Özdemir, langjähriger Bundesvorsitzender der Grünen, sprach von "geschmackloser Wahlkampfhilfe" und sagte dem Sport-Informations-Dienst, er wünsche sich von den Fußballern, dass sie "noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachschlagen". Und: "Der Bundespräsident eines deutschen Fußball-Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier." Erdoğan ist zu einem dreitägigen Besuch nach Großbritannien gereist, am Dienstag soll er mit Premierministerin Theresa May und Königin Elizabeth II. zusammentreffen. Am 24. Juni finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt; Erdoğan hat sie vorgezogen. Erst am Freitag sagte der inhaftierte Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas der Nachrichtenagentur AP, dass er die Wahlen für so unfair wie noch nie halte. Özil und Gündoğan, beide in Gelsenkirchen geboren, galten bislang als zurückhaltend mit politischen Äußerungen. Özil, der 2010 einen Bambi für Integration erhielt, sagte letztes Jahr der Bild-Zeitung, er sei Sportler, kein Politiker: "Daher will ich mich nicht einmischen." Und Gündoğan meldete sich am Montagabend zu Wort: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen", schrieb er in einer Stellungnahme. Er bekenne sich zu den Werten des DFB. "Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten?" Das Treffen habe auf einer Veranstaltung einer türkischen Stiftung stattgefunden - und sei "eine Geste der Höflichkeit" gewesen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussballer-guendogan-verteidigt-treffen-mit-erdogan-1.3979644
mlsum-de-534
Keine Partei diskutiert auf ihrem Parteitag gern über die eigenen Fehler. Die Grünen haben es getan - kontrovers und selbstkritisch. Am Ende stehen überraschende Selbsteinsichten.
Parteien wollen auf ihren Parteitagen gut aussehen. Deshalb scheuen sie es, dort über Fehler zu reden. Sie wollen lieber nach vorne schauen und neue Ideen transportieren, als sich auch noch öffentlich über eigene Pannen und das eigene Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Bei der Union kann man das seit Ewigkeiten studieren. Bei der FDP kann man sogar den totalen Absturz mit dem jahrelangen Verzicht auf ehrliche Selbstreflexion erklären. Und die Grünen? Sie haben diesmal den anderen Weg gewählt. Sie haben ihr dreitägiges Treffen in Hamburg am Freitagabend mit einer Diskussion über sich selbst begonnen. Über Fehler im vergangenen Jahr, über Holprigkeiten in diesem. Vor allem aber über die Frage, was sie mit dem Begriff Freiheit verbinden. Und wenn man es an der Stimmung bemisst, dann ist das - trotz aller Gegensätze - kein Fehler gewesen. Es ist immer stiller geworden im Saal. Und es ist so kontrovers wie nachdenklich diskutiert worden. Bei Parteichef Cem Özdemir kommt das noch ziemlich leise daher. Er beklagt die manchmal schlechte Tonlage untereinander, er räumt ein, dass das Zusammenspiel in der Parteiführung noch nicht optimal ist, er sagt an anderer Stelle, die Grünen seien nun mal nicht ,"bessere Menschen". Und er legt größten Wert darauf, dass die Grünen gerade in heiklen Debatten wie jenen über Krieg und Frieden respektvoller mit der Meinung der anderen umgehen sollten. Das ist keine Selbstgeißelung. Aber es versendet zwischen den Zeilen die Botschaft: Die Grünen zeigen, dass sie auch selbstkritisch übers eigene Tun nachdenken können. Kretschmann warnt vor Schlaumeierei Was danach folgt, sind vehemente Plädoyers, bei denen die einen, wie die Landespolitiker Winfried Kretschmann und Robert Habeck, vor Schlaumeierei und falschen Schärfen warnen, während andere, darunter Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter und der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler, fordern, man solle Gegner wie die Agrarlobby oder die Energie-Multis auch weiterhin als Gegner bekämpfen. Kretschmann betont, niemand nehme es den Grünen heute noch übel, dass sie die Partei der ökologischen Vernunft sein wollen. Das Problem sei der "falsche Sound" der Bevormundung gewesen. "Wir müssen heute Unternehmen nicht mehr dauernd beibiegen, was grün ist", sagt der Ministerpräsident aus dem Südwesten. Nach seinen Erfahrungen gebe es immer mehr Unternehmen, die "das längst im Film" hätten. Es gehe um den ökologischen Ordnungsrahmen, danach würden die Unternehmen mit ihrer Kreativität ganz alleine neue Ideen entfalten. "Ich glaube, wenn wir diesen Sound wieder spielen, werden wir auch wieder nach oben kommen." Kretschmann bekommt dafür viel Beifall - und erntet harschen Widerspruch. Der Bundestagsabgeordnete Kindler erwidert, er halte diese Aussage "für heillos naiv". Denn: es gebe eben doch noch viele Unternehmen, die auch heute noch einfach nicht grün, nachhaltig, ökologisch handeln würden. Porsche, Eon, Wiesenhof, Monsanto - die würden noch lange nicht "grün denken und grün handeln". Deshalb seien sie keine ökologischen Partner, sondern Gegner.
https://www.sueddeutsche.de/politik/parteitag-der-gruenen-klartext-zum-eigenen-wohl-1.2233037
mlsum-de-535
Beim 0:2 gegen Hoffenheim zeigt sich, dass der FC Augsburg allen spielerischen Verbesserungen zum Trotz noch immer zu wenig Torgefahr entwickelt.
Eine Hälfte lang war Manuel Baum mit seiner Mannschaft zufrieden gewesen, denn da hatte sie gezeigt, was er sich vorstellt. "In der ersten Halbzeit haben wir es richtig gut gemacht, haben die Räume und die Spieler gut zugekriegt", sagte der Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg nach der 0:2-Heimniederlage gegen Hoffenheim, "und wir hatten nach Ballgewinnen immer wieder gute Umschaltsituationen." Es war ihm allerdings auch nicht das Problem entgangen, dass seine Mannschaft in der drückend überlegen geführten ersten halben Stunde keine einzige Torchance herausgespielt hatte. Baum mochte dies allerdings nicht der Personalnot in der Sturmzentrale geschuldet wissen, in der Raul Bobadilla noch nicht fit für einen Startelfeinsatz war und Alfred Finnbogason mit einer Schambeinentzündung noch länger fehlen wird. "Leider haben wir uns etwas verheddert. Im Spielaufbau haben wir am Flügel die Zielstrebigkeit vermissen lassen und die Flanken zu spät reinbekommen", meinte er. Als dann allerdings doch mal eine Flanke reinkam, bei einem Freistoß des ehemaligen Hoffenheimers Jonathan Schmid, brachte der als Mittelstürmer eingesetzte Dong-Won Ji nur einen harmlosen Kopfball zustande (22.). Nur 13 Treffer bedeuten den zweitschlechtesten Wert der Liga Spielerisch sah das, was Baum veranstalten ließ, über weite Strecken schon besser aus als die Auftritte unter seinem Vorgänger Dirk Schuster. Der feinfüßigere Jan Moravek in der Startelf, der kantige Gojko Kacar nicht einmal auf der Bank - diese Mittelfeldpersonalien durfte man repräsentativ finden, wenngleich Baum betonte, seine Aufstellungen seien immer gegnerabhängig. "Wir hatten einen ganz guten Plan", fand auch Außenbahnspieler Philipp Max. Der eklatante Mangel an Torgefahr ist allerdings geblieben. Nur 13 Treffer haben die Augsburger in der Hinrunde erzielt, das ist der zweitschlechteste Wert - nur der Tabellenletzte SV Darmstadt 98 traf noch seltener. Und nachdem das intensive Pressing der ersten Hälfte keine Chancen gebracht hatte, verloren die Augsburger in der zweiten Hälfte dann auch noch ihre Ordnung - und womöglich ihre Kraft - gegen stärker aufspielende Hoffenheimer. "Da waren die Abstände relativ groß, da konnten die Hoffenheimer reinspielen", stellte Baum fest. Ein Mal leistete sich Daniel Baier einen Ballverlust, schon lief der Konter, auf den die Hoffenheimer gelauert hatten, Sandro Wagner traf. "Der Ballverlust darf nicht passieren", klagte Max. "Danach wurde es natürlich schwer, der Gegner hat den Ball laufen lassen." Leichtfüßig wirbelte die TSG Hoffenheim die verunsicherten Augsburger ein bisschen durcheinander, genau so viel, wie es angebracht war, und auch Andrej Kramaric erzielte ein Tor. Kurz vor Schluss vergibt Schmid die einzige gute Chance So stand es bereits 0:2, als in der 65. Minute der Mann eingewechselt wurde, von dem sich die Augsburger Fans das Ende der Torflaute erhoffen. Raul Bobadilla, der seinen Vertrag bis 2020 verlängert hat, kam nach seiner langen Verletzungspause endlich mal wieder zu einem Pflichtspieleinsatz, seinem sechsten erst in dieser Saison. Er rückte ins Sturmzentrum, Ji auf den Flügel. Mehr als ein paar Dribblings, ein paar gewonnenen Zweikämpfen, ein paar Andeutungen seines Könnens gelang Bobadilla nicht; aber immerhin trug der Paraguayer dazu bei, dass der FC Augsburg am Ende noch ein wenig aufs Anschlusstor spielte. Die einzige Großchance vergab aber Schmid, der an Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann scheiterte (85.). In der Schlussphase sei seine Mannschaft "zu verspielt" gewesen, fand Baum, "zu wenig geradlinig in den Abschlüssen". Was die Offensive angeht, hat der neue Trainer noch viel Arbeit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-augsburg-etwas-verheddert-1.3344071
mlsum-de-536
ZSKA Moskau ist lange ein harter Gegner. Doch nach einer Einwechslung kommt der VfL Wolfsburg zu einem wichtigen 2:0-Sieg in der Champions League.
Der zuletzt stark kritisierte André Schürrle hat das Tor zum Champions-League-Achtelfinale für den VfL Wolfsburg unverhofft weit aufgestoßen. Nach dem schmeichelhaften 2:0 (0:0) am Mittwoch bei ZSKA Moskau durch die Treffer des eingewechselten Nationalspielers in der 67. Minute und 88. Minute reicht dem deutschen Vizemeister in zwei Wochen gegen Bastian Schweinsteigers Manchester United schon ein Punkt zum Erreichen der K.o.-Runde der Königsklasse. Es wäre das erste Mal. Nicht mehr zu nehmen ist den Niedersachsen schon jetzt Platz drei und die damit verbundene Qualifikation für die Europa League. Vor allem in der zweiten Halbzeit hatte Wolfsburg in der Moskauer Kälte vor 16 450 Zuschauern etwas Glück. Schürrles erstes Champions-League-Tor für Wolfsburg kam nur unter gütiger Mithilfe von Moskaus Schlussmann Igor Akinfejew zustande. Kurz vor Schluss setzte der Offensivmann dann den Schlusspunkt. Die Moskauer, die zum dritten Mal in der Gruppenphase scheiterten, hatten zuvor die besseren Chancen gehabt. Wolfsburg musste kurzfristig ohne Julian Draxler auskommen, was die Offensivoptionen weiter einschränkte. Der Siegtorschütze aus dem Hinspiel hatte sich im Abschlusstraining verletzt. Nach Ricardo Rodriguez und Luiz Gustavo fehlte schon der dritte Stammspieler. Ein Rasen weit unter dem Bundesliga-Niveau, fand zumindest Klaus Allofs Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt übernahmen die Niedersachsen die Initiative und hatten auch mehr Spielanteile. Die Russen agierten zunächst eher defensiv, was überraschte, denn sie brauchten noch eher einen Sieg als der VfL. Die optische Überlegenheit nutzte Wolfsburg zunächst nichts. Zu statisch ging man im Spielaufbau zu Werke. Das hatte neben der defensiven Ausrichtung des russischen Liga-Spitzenreiters einen weiteren Grund: Der holprige Rasen - laut VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs weit unter dem Bundesliga-Niveau - verhinderte immer wieder einen gepflegten Aufbau. Zu offensiv durfte Wolfsburg auch nicht agieren. ZSKA setzte über die schnellen Angreifer Ahmed Musa und Seydou Doumbia auf Konter. Als Marcel Schäfer den Ball gegen Zoran Tosic (30.) vertändelte, wäre Doumbia beinahe entwischt. Doch Dante konnte in höchster Not klären. Kurz darauf hatte auch Wolfsburg eine erste gefährliche Aktion, aber Bas Dost verpasste die Hereingabe von Schäfer (33.). In der bislang schwungvollsten Phase des Spiels traf Musa (34.) das Außennetz. Für Wolfsburg vergab Max Kruse (35.) kurz darauf mit einem Schuss direkt auf Akinfejew die beste Chance. Moskau startete deutlich offensiver in die zweite Halbzeit und setzte die VfL-Abwehr nun richtig unter Druck. Als Doumiba (47.) flankte, war es wieder Dante, der klären konnte. Wenig später musste Benaglio binnen Sekunden gleich zweimal klären. VfL-Trainer Dieter Hecking brachte Schürrle (61.), um wieder selbst mehr Offensivaktionen setzen zu können. "Er ruft nicht ab, was wir uns erhoffen, was er sich selber erhofft", hatte der Coach seinen 32-Millionen-Einkauf kürzlich kritisiert. Schürrle war kaum auf dem Platz, da hätte Moskau fast getroffen. Ein Schuss des Ex-Kölners Tosic krachte gegen den Pfosten. Was eher wie ein Verlegenheitsangriff begann, endete dann mit dem glücklichen Führungstor. Einen langen Ball von Dante verlängerte Dost auf Schürrle. Dessen Schuss, wohl eher als Hereingabe gedacht, lenkte Akinfejew ins Tor. Moskau drängte nun auf den Ausgleich - rannte sich aber in der VfL-Abwehr immer wieder fest. Kurz vor Schluss retttet Naldo gegen Musa (85.), dann setzte Schürrle mit seinem zweiten Tor den Schlusspunkt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-joker-schuerrle-bringt-wolfsburg-dem-achtelfinale-nahe-1.2755155
mlsum-de-537
Millionen Menschen haben den Fall per Podcast verfolgt. Ein neuer Prozess soll nun entscheiden, ob Syed seine damalige Freundin umgebracht hat.
Adnan Syed bekommt einen neuen Prozess. Ein zuständiger Richter hat am Donnerstagnachmittag geurteilt (hier als PDF-Version), dass die Verurteilung des Mannes, der wegen Mordes seit dem Jahr 2000 im Gefängnis sitzt, aufgehoben wird. Syed wurde im damaligen Urteil für schuldig befunden, seine Freundin Hae Min Lee umgebracht zu haben. Für die Verurteilung waren zwei Punkte entscheidend. Erstens: die Aussage von Jay Wilds. Dieser kannte Syed vom Gras rauchen und hatte ausgesagt, Syed bei dem Vergraben der Leiche geholfen zu haben. Zweitens: Standortdaten eines Telefons, das Syed bei sich trug. Zwei Anrufe sollen gezeigt haben, dass Syed sich in der Nähe des Tatortes befunden habe. Kein Kreuzverhör Als Begründung für die Aufhebung des Urteils gibt der Richter nun an, dass die Anwältin von Syed "unter dem Standard einer akzeptablen beruflichen Einschätzung" zurückgeblieben sei. Die Anwältin habe es versäumt, einen Experten für Funkzellen ins Kreuzverhör zu nehmen. Dieser zuständige Experte hatte im Februar dieses Jahres ausgesagt, nicht länger hinter seinem Expertengutachten stehen zu können. Darin hatte er ignoriert, dass nur getätigte Anrufe in Frage kommen, um den Standort einer Person feststellen zu können, nicht jedoch eingehende. Syed wurde in der fraglichen Zeit lediglich angerufen. Der Experte behauptete, über die Unterscheidung zwischen aus- und eingehenden Anrufen nicht Bescheid gewusst zu haben. Der zuständige Telekomkonzern, AT&T, hatte darauf hingewiesen. Es ist diese neue Wendung, die den Richter dazu gebracht hat, einen neuen Prozess in die Wege zu leiten. Serial-Podcast erzählt den Fall sehr genau nach Den Fall von Adnan Syed haben Millionen Menschen en détail verfolgt. In einem Podcast mit dem Namen Serial erzählte die Journalistin Sarah Koenig den Fall Wendung um Wendung nach. Sie sprach mit Zeugen, mit Syed selbst und rekonstruierte den Ablauf stellenweise akribisch. WE WON A NEW TRIAL FOR ADNAN SYED!!! #FreeAdnan — Justin Brown (@CJBrownLaw) June 30, 2016 Der Anwalt von Syed äußerte sich auf Twitter: "Wir haben gewonnen. Ein neuer Prozess für Adnan Syed!!! #FreeAdnan". Die Familie von Lee kam im Podcast nicht zu Wort. Im Februar teilten Angehörige der Familie mit, dass sie davon ausgehen, dass Syed der Mörder ist. "Es bleibt weiterhin schwer, sich mit anschauen zu müssen, dass so viele Menschen jemanden verteidigen, der eine schreckliche Tat begangen hat."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-serial-podcast-adnan-syed-bekommt-neuen-prozess-1.3058276
mlsum-de-538
Nach der Wahlschlappe fehlt der türkischen AKP der Koalitionspartner. Die in Frage kommenden Parteien weigern sich.
Regierungsbildung muss innerhalb von anderthalb Monaten gelingen Angesichts der sich abzeichnenden Schwierigkeiten bei der Bildung einer neuen Regierung in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdoğan mit vorgezogenen Neuwahlen gedroht. Es sei möglich, dass sich die Regierungsbildung bis Mitte August hinziehe, erklärte Erdoğan. "Ich glaube, die Türkei kann sich solch einen Zeitverlust nicht erlauben, also rufe ich dazu auf, so schnell wie möglich eine Regierung zu bilden", fügte der Präsident hinzu. "Aber wenn die Politiker nicht in der Lage sind, das zu lösen, dann bleibt nur noch das Volk, um dies zu lösen", erklärte Erdoğan mit Blick auf Neuwahlen. Als Präsident kann er laut Verfassung das Parlament auflösen und Neuwahlen veranlassen, wenn eine Regierungsbildung nicht binnen anderthalb Monaten gelingt. Die drei Oppositionsparteien lehnen eine Koalition mit der AKP ab Nach 13 Jahren Alleinherrschaft hatte Erdoğans islamisch-konservative AKP bei der Parlamentswahl am 7. Juni ihre absolute Mehrheit verloren. Im Parlament stellt sie künftig nur noch 258 von 550 Abgeordneten, die neue Volksvertretung tritt am Dienstag zusammen. Danach dürfte Erdoğan die AKP mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Sollte ihr dies nicht binnen 45 Tagen gelingen, kann der Staatschef das Parlament auflösen. Bislang lehnten die drei Oppositionsparteien im türkischen Parlament ein Regierungsbündnis mit der AKP ab. Erdoğan warnte vor den negativen Auswirkungen, die eine mögliche Hängepartie auf Wirtschaft und Außenpolitik haben könnte. "Umgeben von einem Feuerring muss die Türkei stark bleiben, um Schaden zu verhindern und ihren Brüdern zu helfen", erklärte der Staatschef mit Blick auf die Krisen in den Nachbarländern Syrien und Irak. "Unsere Parteien und ihre Chefs müssen sich verantwortungsvoll verhalten und es vermeiden, die Grenzen der Wirtschaft auszutesten", fügte Erdogan hinzu.
https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-in-der-tuerkei-erdogan-droht-mit-neuwahlen-1.2531829
mlsum-de-539
Nach dem Dreifachmord im Schwarzwald hat die Polizei den mutmaßlichen Täter gefasst. Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung konnten Streifenpolizisten den Mann verhaften.
Fünf Tage lang hielt die Suche nach einem mutmaßlichen Dreifachmörder die Menschen im Schwarzwald in Atem, Hunderte Polizisten waren an der Fahndung beteiligt. Seit Dienstag, 16.40 Uhr, hat die Suche ein Ende. Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung gelang es Streifenpolizisten, den Mann widerstandslos festzunehmen, der am Donnerstagabend in dem kleinen Ort Villingendorf wohl aus Eifersucht ein Blutbad angerichtet haben soll. Er steht unter dringendem Verdacht, am vergangenen Donnerstagabend seinen sechs Jahre alten Sohn, den neuen Partner seiner Ex-Frau und dessen Cousine erschossen zu haben. Der mutmaßliche Täter suchte offenbar mit einer Kriegswaffe eine Feier anlässlich der Einschulung seines Sohnes heim. Die Ex-Frau konnte zu einem Nachbarn flüchten, einem dreijährigen Mädchen gelang es, sich vor dem Schützen zu verstecken. Ein weiterer Besucher der Feier holte während der Tat Getränke und blieb deshalb verschont. Der Mann wird verdächtigt, seinen Sohn, die Cousine seiner Ex-Frau und deren Partner erschossen zu haben In den Stunden vor der Festnahme hatte die Polizei mit etwa hundert Beamten in einem Waldgebiet rund um Villingendorf nach Spuren des Täters gesucht. Nach dem Verbrechen sollen dort nach Angaben aus der Bevölkerung Schüsse gefallen sein. Die Staatsanwaltschaft setzte am Dienstag eine Belohnung von bis zu 5000 Euro aus. Bei der 60-köpfigen Sonderkommission "Hochwald" gingen auf dem Hinweis-Telefon nach Angaben der Polizei mehrere Hundert Anrufe ein. Am Abend wollte die Polizei bei einer regulären Elternversammlung in Villingendorf Fragen beantworten und die Menschen beruhigen: Es handle sich um eine Beziehungstat und Unbeteiligte hätten von dem Mann nichts zu befürchten. An der Grundschule, wo der getötete Junge kurz zuvor eingeschult worden war, herrschte große Betroffenheit, wie der Schulleiter sagte. Demnächst solle eine Schülervollversammlung einberufen werden, um dem Kind mit einer Schweigeminute zu gedenken. Nach seiner Flucht fand die Polizei ein Auto mit Kurzzeitkennzeichen, das sich der mutmaßliche Täter legal besorgt hatte. Seine Ex-Frau wurde an einem sicheren Ort rund um die Uhr bewacht. Bei dem tatverdächtigen Mann handelt es sich um einen 40-jährigen Kroaten, der nach dpa-Informationen aus Bosnien stammt. Die Ermittlungen richteten sich auf dieses Land, aber alle Länder des Schengenraums wurden in die Fahndung einbezogen. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich nach der Festnahme "total erleichtert und stolz" gezeigt. Sein Respekt gelte den zwei Streifenpolizisten, denen die Festnahme des immer noch bewaffneten Mannes ohne Blutvergießen gelungen sei. Der Mann hatte offenbar die Tatwaffe bei sich.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/festnahme-das-verbrechen-von-villingendorf-1.3674258
mlsum-de-540
Die Deutsche Telekom, der einstige Staatskonzern, schafft eine historische Wende, ist aber trotzdem nicht zufrieden. Der Konzern wachse nicht rasch genug bei schnellen Internetanschlüssen, klagt Firmenchef Tim Höttges.
Die Deutsche Telekom findet auf ihrem Heimatmarkt allmählich zu alter Stärke zurück. Zum ersten Mal seit Öffnung des Telekommunikationsmarktes vor fast 20 Jahren habe das Unternehmen in Deutschland durch den rasanten Zuwachs an Glasfaseranschlüssen sowie den Verkauf neuer Angebote die Umsatzrückgänge aus der traditionellen Telefonie ausgeglichen, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Die Stabilisierung resultiere aber in hohem Maße aus dem Geschäft mit den Wettbewerbern, räumte Vorstandschef Tim Höttges ein. Zugleich kündigte der Manager eine Offensive an, um den direkten Marktanteil in diesem Bereich zu erhöhen. Im zweiten Quartal habe die Telekom nur einen Anteil von 20 Prozent am Wachstum von schnellen Internetanschlüssen gehabt. Höttges: "Das muss mehr werden". Etwa zwei Millionen Anschlüsse stelle die Telekom inzwischen - gegen ein Entgelt - ihren Konkurrenten zur Verfügung. Aber "wir wollen unsere Netze nicht für unsere Wettbewerber ausbauen." Glasfaser sei die grundlegende Technologie beim Netzausbau, betonte Höttges. Das galt den Wettbewerbern, die der Telekom vorhalten, an alten Kupferleitungen festzuhalten und ihre Marktmacht zementieren zu wollen. Sie hatten an der Vectoring-Technologie, für deren Einsatz die Telekom im Juli grünes Licht aus Brüssel erhalten hat, kritisiert, dass nun in manchen Regionen die wirtschaftliche Grundlage für einen Ausbau deutlich schnellerer Glasfaserleitungen wegfalle. Höttges hielt dagegen: Bereits 500 000 Kilometer Glasfaser habe die Telekom verlegt und sie investierte in Deutschland jährlich fast fünf Milliarden Euro in den Netzausbau. Das seien 19 Prozent vom Umsatz. Seine guten Geschäfte verdankt die Telekom aber vor allem der US-Mobilfunktochter: Sie sorgte dafür, dass das Betriebsergebnis des größten europäischen Telekommunikationsunternehmens im zweiten Quartal konzernweit um neun Prozent auf knapp 5,5 Milliarden Euro. Der Umsatz zog um gut zwei Prozent auf 17,8 Milliarden Euro an. T-Mobile US ist dank Milliardenanschubfinanzierung aus Bonn und frecher Werbung seit Jahren auf der Erfolgsspur. Im jüngsten Quartal lockte der Telefon- und Internetanbieter 1,9 Millionen neue Kunden. In den USA aber werden bald neue Handyfrequenzen versteigert, damit wird der Mutterkonzern weiterhin investieren müssen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/telekom-gut-aber-nicht-gut-genug-1.3117479
mlsum-de-541
Unterhachings Volleyballer streben mit Wildcard und Innsbruck als Partner zurück in die erste Liga. Nun entscheidet der Lizenzierungsausschuss.
Sie ist: kompliziert. Und die Geschichte reicht mittlerweile weit über bayerische und deutsche Grenzen hinaus. Es geht um Unterhachings Volleyballer, die per Wildcard zurück in die erste Liga streben. Sportlich ist der einstige viermalige Pokalsieger, der sich 2014 mangels Hauptsponsors aus der ersten Liga zurückziehen musste, in der abgelaufenen Saison in die zweite Liga aufgestiegen. Durch die Wildcard, die die Volleyball-Bundesliga (VBL) für die kommende Saison erstmals vergibt, könnte Haching früher als gedacht ins Oberhaus zurückkehren. Fristgerecht beantragt wurde diese durch Hachings ehemaligen Trainer Mihai Paduretu, der als Geschäftsführer die Geschicke des Vereins leitet, und seine Mitstreiter Anfang April. Josef Köck, Mitglied des TSV-Managementboards, sagte in einer Stellungnahme der VBL: "Wir sind jetzt wieder in der Lage, in einem gesunden Rahmen Erstliga-Volleyball zu präsentieren. Genauere Details werden wir Ende April nach Rücksprache mit dem VBL-Vorstand bekannt geben." Das Problem ist nur: Bislang wurde rein gar nichts bekannt gegeben, Liga und Verein hüllen sich seither in Schweigen. Ganz im Gegensatz zum Österreichischen Volleyballverband: Dessen Präsident plauderte drei Wochen, nachdem Haching die Wildcard beantragt hatte, säuerlich über das auflagenstärkste Boulevardmedium des Alpenlandes aus, dass sein Vorzeigeklub und Dauermeister Hypo Tirol Innsbruck in die deutsche Bundesliga flüchtet. Mit welchem Plan, war bislang nur Bestandteil wilder Spekulationen. Wie Innsbrucks Manager Hannes Kronthaler nun der Süddeutschen Zeitung bestätigt, plant der Klub eine Kooperation mit den Hachingern. "Wir sind relativ weit, es geht noch um ein paar Genehmigungen", sagt Kronthaler. So einen Fall gab es im deutschen Volleyball bisher noch nicht. Die Unsicherheit ist Gesprächen mit potenziellen Spielern oder Sponsoren sicher nicht dienlich Der Bauunternehmer Kronthaler hat schlicht keine Lust mehr auf die österreichische Liga, wo Innsbruck seit langer Zeit als Alleinherrscher ohne Konkurrenz firmiert. "Ich sehe hier keine Vision mehr, aber wenn es mit der Wildcard klappt, ist das für drei Jahre eine super Vision." Auf drei Jahre nämlich soll die Kooperation mit Unterhaching angelegt sein, und nicht nur Innsbruck zu neuer Strahlkraft verhelfen, sondern die Hachinger wieder zu einem deutschen Spitzenteam formen. "Das Training und die Vermarktung sind zunächst einmal größtenteils in Innsbruck, die Spieler teilen wir 50:50 auf. Und eine Nachwuchs-Kooperation gibt es auch", sagt Kronthaler, der auch viel Geld zuschießt. Wer Trainer werden soll, ist ebenso unklar wie die künftigen Mehrheitsverhältnisse. Kronthaler sagt: "Ich fange neu an als Mitbesitzer eines deutschen Klubs." Es gibt auch interessante Parallelen. Kronthaler macht beruflich oft in München Geschäfte, sein Sohn Niklas spielt im Innsbrucker Profiteam. Paduretus Filius Eric strebt ebenfalls ins Profigeschäft. Die Väter kennen und schätzen sich sehr. Unterhaching ist übrigens dem Vernehmen nach gerade dabei, eine neue Spielbetriebs-Gesellschaft zu gründen. Zugleich haben sie im Klub offenbar unterschätzt, was für einen Rattenschwanz an Prüfungen ihr Wildcard-Antrag nach sich ziehen würde - Ende April war ja nur die erste Vorstandssitzung der VBL, die sich mit dem Thema beschäftigt. Der Ausgang: ergebnisoffen. "Es hat sich alles ein bisschen verzögert", sagt Köck. Viel mehr wollen er und Paduretu auch weiterhin nicht sagen. Aber die Situation ist nicht gerade befriedigend. Denn die Unsicherheit lähmt die Verantwortlichen auch bei jedem Gespräch mit potenziellen Spielern und Sponsoren. Fest steht bislang nur, dass an diesem Mittwoch und Donnerstag der wirtschaftliche Lizenzierungsausschuss der Liga tagt, auch das meinte Kronthaler mit "Genehmigungen". Der Ausschuss seziert, auf Basis der Analyse unabhängiger Wirtschaftsprüfer, auch Unterhachings Antrag. Er hebt oder senkt gewissermaßen den Daumen. Am kommenden Montag werden dann die Lizenzbescheide an die Klubs verschickt. Ohne oder mit Auflagen. Dass die Liga dem Klub hierbei ganz genau auf die Finger schaut, macht VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung deutlich: "Die Wildcard-Geschichte muss Bestand haben. Das Ding kann uns nicht nach einem Jahr wieder um die Ohren fliegen." So etwas gab es ja auch noch nie: Dass ein Verein sich einfach mal für gut 50 000 Euro Gebühr einen Platz im Oberhaus erkaufen kann. Auch deshalb ringt die VBL bei ihren Erstligisten um Zustimmung. Die großen Klubs stehen offenbar eher aufseiten Unterhachings, so sagte beispielsweise Friedrichshafens Geschäftsführer Sebastian Schmidt der SZ: "Wenn ein qualitativ hochwertiges Team dazustößt, kann das eine gute Sache sein." Manch kleinerer Klub, der in der unteren Ligahälfte mit wenig Geld herumkrebst, sieht die Wildcard-Erteilung naturgemäß eher skeptisch. Die Causa hat also auch eine politische Komponente. Letztlich entscheidet der VBL-Vorstand alleine. Aber sollte sich die Mehrheit der Klubs gegen Unterhaching und Innsbruck stemmen, wird es auch für den Vorstand schwer, für das Projekt zu stimmen. Und was ist, wenn nächste Saison manch anderer Verein aus dem Ausland auf den Wildcard-Zug aufspringen will? Einen Präzedenzfall fürchtet VBL-Funktionär Jung nicht. Überhaupt gebe es "nichts einzuwenden, mit Unterhaching hat ein deutscher Klub die Wildcard beantragt. Und das Projekt ist darauf angelegt, Jahr für Jahr öfter in Unterhaching oder München zu spielen". Wie man hört, haben die Unterhachinger auch die geforderten Unterlagen schnell geliefert und auch Nachfragen zuverlässig beantwortet. Trotzdem müssen sie bis Montag weiterzittern in dieser komplizierten Geschichte.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-super-vision-1.3506816
mlsum-de-542
FC Unterföhring und SV Pullach trennen sich 1:1 und verpassen den Anschluss an die Spitze
Noch sind 20 Minuten zu spielen gewesen, aber sowohl auf der Trainerbank des FC Unterföhring als auch auf Pullacher Seite ging der Blick am Freitagabend immer wieder leicht unruhig auf die Uhr. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde der Schlusspfiff im Derby sehnlichst erwartet, von den Spielern noch mehr als von den 200 Zuschauern auf der überdachten Tribüne. Als Schiedsrichter Paul Birkmeir schließlich die Partie zwischen dem FC Unterföhring und dem SV Pullach am 15. Spieltag beendete, stürmten alle über das Feld. Nicht etwa vor Begeisterung über außergewöhnliche 90 Minuten Fußball, sondern, weil es langsam wirklich ungemütlich wurde. Das Gewitter, das sich schon lautstark angekündigt hatte, war endgültig über dem Rasen angekommen - mit allem, was dazu gehört. Der Himmel wurde zeitweise erleuchtet wie bei einem Feuerwerk. Ein Äquivalent auf dem Platz hatte es beim 1:1 (1:1) zuvor nicht gegeben. Ein schnelles Spiel, ja, aber zwischenzeitig eher chaotischer Kampf denn Spitzenduell zwischen dem Dritt- und Viertplatzierten der Bayernliga Süd. Unterföhring, am Spieltag seit fünf Partien ungeschlagen, versuchte die Euphorie aus dem 6:0 gegen Unterhaching II von vergangener Woche auch gegen Pullach einzubringen. So richtig gelingen wollte das nicht. Unterföhrings Angriffe wurden in der Anfangsphase früh unterbunden, im Gegenzug kamen die Gäste immer wieder zu Torchancen und waren vor allem über außen gefährlich. "Pullach ist ein anderes Kaliber. Wir hatten viele Fehler im Aufbauspiel und den Gegner dadurch stark gemacht", sagte Unterföhrings Trainer Andreas Pummer. "Das war zu überhastet." Bezeichnend dafür war auch die Entstehung des ersten Tores. Hektisch bei Ballbesitz, endete Unterföhrings Spielzug mit einem Fehlpass von Michael Kain auf Pullachs Gianluca Simari. Der Mittelfeldspieler beendete seinen Sololauf über die rechte Seite in der 34. Minute mit einem Schuss von der Strafraumgrenze ins lange Eck zum 1:0. "Ja, warum denn so schwierig? Spielt doch einfach Fußball", rief Pummer seiner Mannschaft ungläubig zu. Eine Antwort blieb sie ihm schuldig. In den folgenden Minuten kam Pullach zu weiteren Chancen, nicht selten durch ziellose Pässe der Unterföhringer. Detailansicht öffnen Unterföhrings ziellose Pässe machen es dem SV Pullach zunächst leicht. Einen solchen nutzt Gianluca Simari (li.) zum 1:0-Führungstreffer. (Foto: Johannes Simon) Statt zum 2:0 kam es dann aber etwas überraschend zum Ausgleich. Der offensiv bis dahin nicht gerade effektiv agierende FCU nutzte in der 42. Minute eine Unaufmerksamkeit der ansonsten konzentriert verteidigenden Pullacher. Albion Vrenezi, der mit acht Treffern schon jetzt mehr Tore erzielt hat als in der vergangenen Saison, sprintete auf der rechten Seite dem Gegner davon, Alexander Hollering nahm die Hereingabe dankend an und erzielte den Ausgleich. "Dieses Gegentor ist doch Wahnsinn. Wir haben den Ruf einer Spitzenmannschaft. Dann müssen wir bei einer Führung auch ruhiger spielen", sagte Pullachs Trainer Frank Schmöller. Die Ruhe aber ging seiner Mannschaft nach der Halbzeitpause gänzlich verloren. Wie gegen Rain ließ Schmöller seine Mannschaft mit einer flexiblen Taktik spielen: mit einer Dreierkette und beim Umschalten offensiv mit drei Stürmern. Was in der ersten Hälfte gut funktionierte, scheiterte jetzt am Gegner. Mit mehr Übersicht und einem klaren Spielaufbau schaffte es Unterföhring, die Partie zu drehen. Statt an den Pullacher Chancen zu verzweifeln, ärgerten sie sich jetzt vor allem über die eigenen vergebenen Möglichkeiten. Mit die größte hatte Alexander Hollering in der 49. Minute, sein Schuss ging nur knapp am linken Pfosten vorbei. In der 73. Minute zog Efkan Bekiroglu aus gut 30 Metern aufs Tor, traf aber nur die Latte. Entsprechend konsterniert waren Pullachs Spieler. "Wir schauen uns hier noch zu Tode, so geht doch nichts voran", schrie Orhan Akkurt wütend über den Platz. Simari hätte seinen Mitspieler neun Minuten vor Schluss mit seiner Direktabnahme aus 20 Metern noch beruhigen können, aber es blieb beim Remis. Für die Unterföhringer setzt sich somit die Punkte-Serie fort, gleichzeitig bestätigte sich jedoch die Heimschwäche. Während der FCU als Gastmannschaft bisher zu 17 Punkten gekommen ist, sind es zu Hause nur neun. "Warum das so ist, ist eine schwierige Frage. Ich kann mir das auch nicht erklären", sagte Pummer. "Wir sind noch eine sehr junge Mannschaft, da fehlt einfach manchmal die Konstanz. Aber wir sind noch voll im Soll."
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-bayernliga-chaotischer-regentanz-1.2139665
mlsum-de-543
Christopher Buchtmann gewann 2009 an der Seite von Mario Götze die U17-EM - nun, mit 25 Jahren, naht sein Durchbruch bei St. Pauli.
Das "großartige Spiel", so sagte es St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig nach dem 2:2 zwischen den Hamburgern und Dynamo Dresden, hatte mindestens zwei Hauptdarsteller. Der eine war Sören Gonther. Der frühere Kapitän des FC St. Pauli hatte eine "Gänsehaut", als er erstmals im schwarz-gelben Dresdner Dress ins Millerntorstadion einlief und vor dem Anpfiff offiziell verabschiedet wurde. Die meisten Menschen riefen - von wenigen Pfeifenden abgesehen - noch einmal laut seinen Namen. Der andere trug ein braun-weißes Trikot und hätte, wie schon beim 1:0-Sieg eine Woche zuvor in Bochum, erneut der Entscheider sein können: St. Paulis Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann, der zweimalige Torschütze. Doch als er gefragt wurde, wie sich das alles anfühle, sagte er: "Es fühlt sich an wie eine Niederlage." "Der Anspruch der Jungs ist eben hoch", sagte Trainer Olaf Janßen, als er mit dem Zitat konfrontiert wurde. Der Anspruch ist, selbst wenn man das nicht offen sagt und lieber die Plattitüde benutzt, man denke von Spiel zu Spiel, die erste Liga. Und wenn man speziell Christopher Buchtmann das vergangene halbe Jahr beobachtet hat, ist dieses Ziel wohl durchaus realistisch. Es gibt viele Profis bei St. Pauli, die im vergangenen halben Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht haben, aber bei keinem ist die Kurve so nach oben geschnellt wie bei Buchtmann. Wobei dessen Anlagen ja schon früh zu erkennen waren. Schließlich bekam er mit 16 Jahren schon einen Ausbildungsplatz beim FC Liverpool. Ein Jahr später, 2009, stand er in jener U17-Europameister-Elf, in der auch Mario Götze, Shkodran Mustafi, Marc-André ter Stegen und Marvin Plattenhardt ihren nächsten Karriereschritt gingen. Doch dann gingen die Wege erst einmal auseinander. Auch, weil Buchtmann immer wieder langwierige Blessuren ereilten. Deshalb ließ der 1. FC Köln den gebürtigen Mindener 2012 nach Hamburg weiterziehen. Doch jetzt ist der 25-Jährige gesund, und wenn St. Pauli nicht selbst aufsteigt, wird er wohl im kommenden Jahr kaum noch zu halten sein. Vor allem, weil er - wie seine drei Tore in den ersten beiden Spielen bewiesen - erheblich an seiner Torgefährlichkeit gearbeitet hat. Gegen Dresden schlenzte er den Ball in der 22. Minute mit seinem schwächeren rechten Fuß zum 1:0 ins rechte Toreck. Und in der 69. Minute schoss er einen Pass von Jeremy Dudziak aus 18 Metern so trocken ins Netz, dass Dynamo-Keeper Marvin Schwäbe nur noch verdutzt guckte. Dass Rettig von einem "kompletten Spieler" spricht, hat wahrscheinlich nicht den Grund, ihn alsbald so teuer wie möglich zu versilbern. Und wenn Janßen von seinem laufstarken Mittelfeld-Motor schwärmt, zählt er gleich eine Reihe von Vorzügen auf: "Sein unbändiger Wille, seine Energie, seine Fokussierung und sein klarer Kopf sind große Qualitätsmerkmale", sagte Janßen gerade dem kicker. Dass das am Montagabend nicht zum Sieg reichte, hatte auch mit einer gut organisierten Vorstellung der Dresdner zu tun, die zweimal durch Marco Hartmann (29.) und Lucas Röser (73.) den Ausgleich erzielten. Und ein wenig auch, weil Buchtmanns genialer Pass auf Sami Allagui nicht mit dem 3:1 belohnt wurde, weil Schiedsrichter Guido Winkmann das Tor annullierte. Allagui stand vermutlich nur um wenige Millimeter im Abseits. So ist das mit dem Fußballglück. Aber die Bundesliga ist womöglich trotzdem keine Utopie mehr - weder für Buchtmann, noch für den FC St. Pauli.
https://www.sueddeutsche.de/sport/st-pauli-steile-kurve-1.3621103
mlsum-de-544
Der Staat hat im ersten Halbjahr Rekordüberschüsse erzielt. CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer und einige Parteifreunde wollen den Abbau des Solidaritätszuschlags nun vorziehen.
Angesichts neuer Staatsüberschüsse in Milliardenhöhe haben führende Unionspolitiker schnellere Entlastungen gefordert. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der Bild-Zeitung, die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags müsse wegen der weiter stark steigenden Steuereinnahmen vorgezogen werden. Vor allem für Familien mit "mit kleinen und mittleren Einkommen müsste noch mehr getan werden", sagte Kramp-Karrenbauer. "Wir müssen die Normalbürger in der Mitte entlasten: die Sozialabgaben senken, den Soli schrittweise abschaffen, die kalte Progression zurückführen, Kindergeld erhöhen, Baukindergeld umsetzen und vieles mehr." Ähnlich äußerte sich Unions-Mittelstandschef Carsten Linnemann (CDU). "Lasst uns sofort mit dem Abbau des Soli anfangen", sagte er der Bild. "Bis 2021 sollte er dann weg sein - und zwar komplett." CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte der Zeitung, der Soli gehöre "in dieser Wahlperiode komplett abgeschafft". In Zeiten von Rekordsteuereinnahmen müsse "den Normalverdienern endlich etwas zurückgegeben" werden. Zuvor hatte sich bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angesichts des Überschusses dafür ausgesprochen, den Solidaritätszuschlag schneller abzubauen. Höchste Staatseinnahmen seit der Wiedervereinigung Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den Soli schrittweise abzuschaffen. In einem ersten Schritt sollen bis zum Jahr 2021 rund 90 Prozent aller Soli-Zahler entlastet werden. Für die anderen soll dies später erfolgen. In den ersten sechs Monaten 2018 nahmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen unter dem Strich 48,1 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das hatte das Statistische Bundesamt am Freitag mitgeteilt. Es war der höchste Wert in einem Halbjahr seit der Wiedervereinigung.
https://www.sueddeutsche.de/politik/grosse-koalition-fuehrende-unionspolitiker-fordern-schnelle-steuerentlastungen-1.4107375
mlsum-de-545
Die AfD demütigt ihre Vorsitzende auf dem Parteitag in Köln. Als Führungsfigur ist Petry damit erledigt.
Was für eine brutale Niederlage für die Parteichefin: Die AfD sollte sich für eine Richtung entscheiden, mit dieser Forderung ging die Vorsitzende Frauke Petry in den Kölner Parteitag. Es sollte eine Entscheidung für eine bürgerliche Realpolitik sein. Ihren internen Gegnern warf sie einen Kurs der Fundamentalopposition vor. Petry warnte ihre Partei, man dürfe nicht weitermachen wie zuletzt. Die AfD müsse sich für einen anderen Stil entscheiden, um insbesondere bürgerliche Wähler für sich zu gewinnen. Es war eine Kampfansage an jene, deren Tabubrüche selbst ihr zu viel sind, vor allem an den Rechtsausleger Björn Höcke und seine Gefährten. Petry warb dafür drei Tage vor dem Parteitag in ihrer eigentümlichen Videobotschaft. Und in ihrer Eröffnungsrede in Köln, wo sie Fehler einräumte, um den Antrag aber dennoch durchzubringen. Sie zeigte sich offen für Änderungen, um ihn zu retten. Viel wäre davon nicht mehr übrig gewesen. Es half dennoch nichts. Nicht einmal einen Showdown gab es. Petrys wichtiger Vorstoß wurde im Vorbeigehen erledigt, nämlich per Geschäftsordnung: In einer Art Sammelantrag beschloss der Parteitag sich damit wie mit einigen anderen Punkten nicht zu befassen. Man nahm ihn von der Tagesordnung. So erledigte die AfD ihre Führungsfigur ganz beiläufig. Niemand kämpfte für sie, ihr Anliegen war den Leuten nicht wichtig genug. Sie war ihnen nicht wichtig genug. Und wenig später bekam ausgerechnet ihr Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen den größten Applaus, als er in einer kruden nationalistischen Rede Petrys durchgefallenen Antrag für unnötig erklärte. Meuthen ist jener Ökonom, den Petry nach dem Sturz von Bernd Lucke in die Parteispitze holte als liberales Feigenblatt. Als liberal ist er seither nicht aufgefallen, er verbündete sich mit Höcke und Alexander Gauland. Petry ließ ihn derweil oft wie einen Hilfsvorsitzenden erscheinen. In Köln labte Meuthen sich nun an ihrer Niederlage. Unter Sportlern würde man das Nachtreten nennen, und dies war ein genussvolles Nachtreten, unter Applaus. Es war eine Demütigung für die Parteivorsitzende. In jeder anderen Partei wäre sie zurückgetreten, mit sehr gutem Grund. Denn diese Schmach von Köln zeigte ihr, dass die AfD ihr nicht folgt und sich nicht führen lassen will. Petry wird diese Botschaft gewiss verstanden haben. Sie bleibt dennoch, sie will ja in den Bundestag, sie ist ehrgeizig. Aber nach diesem Samstag von Köln hat die AfD eine Vorsitzende, die doch keine mehr ist.
https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-parteitag-in-koeln-frauke-petry-die-parteichefin-die-keine-mehr-ist-1.3474218
mlsum-de-546
Angeblich überqualifiziert oder zu flexibel: Der 55-jährige Klaus Rehn ist seit 2001 ohne festen Job. Seine 500. Bewerbung schmückte er mit einem Lorbeerkranz.
Klaus Rehn will einfach nur arbeiten, will von niemandem als faul oder unfähig abgestempelt werden. Doch Rehn findet keine richtige Arbeit. Abgesehen von einigen befristeten Jobs, fällt der 55-Jährige seit 2001 in die Arbeitslosen-Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Damit ist Rehn einer von 1,13 Millionen Menschen in Deutschland, die schon lange erwerbslos und älter als 50 Jahre sind. "Ich will nicht mit Sozialschmarotzern in eine Schublade geschoben werden, die alles tun, um nicht zu arbeiten", sagt Rehn und fügt trotzig hinzu: "Es muss doch auch für einen Mann über fünfzig Arbeit geben in diesem Land." Detailansicht öffnen Universell einsetzbar, aber nirgendwo erwünscht: Klaus Rehn. (Foto: Foto: Jörg Buschmann) Er würde so ziemlich alles tun: Als Bürohilfskraft hat er sich beworben und als Kassierer an einer Tankstelle. Selbst als Fahrradmonteur und Souvenirverkäufer wollte der Organisationsexperte mit Fachhochschul-Abschluss sein Geld verdienen. "Keine Chance", sagt er. "Mehr als einmal wurde ich mit der Begründung abgelehnt, ich sei überqualifiziert, obwohl ich bereit gewesen wäre, die angebotenen Bedingungen zu akzeptieren." Klaus Rehn hat Hunderte Bewerbungen geschrieben und darauf gerade mal eine Handvoll Einladungen bekommen. Eine Stelle als Kundenbetreuer bei einem Autohändler musste er nach weniger als einem Jahr wieder aufgeben, weil die Firma umzog und personelle Veränderungen damit verbunden waren. Auch bekam Rehn Angebote, die für ihn nicht akzeptabel waren, sagt er nicht ohne Stolz. "Einer wollte beispielsweise, dass ich als externer Berater den Mitarbeitern in den Hintern trete und sie zu mehr Leistung antreibe", erzählt Rehn. "Doch ich bin kein Peitschenschwinger." Im Zeugnis seines letzten Arbeitgebers, einem Systemhaus, steht der Satz: "Er war ein geradliniger, loyaler und zugleich geachteter und fürsorglicher Vorgesetzter." Die Münchner Niederlassung mit 20 Leuten, die Rehn bis zum Herbst 2001 leitete, wurde geschlossen. Rehn hätte für den gleichen Job nach Aachen umziehen müssen. Das wollte der gebürtige Dachauer, der mit der Familie gerne in Bayern lebt, nicht. Rehn hat sich weitergebildet und 2002 an der Fachhochschule München ein "Managementorientiertes Betriebswirtschaftliches Praxisprogramm" mit der Note 1 bestanden. Er versuchte sich auch als Freiberufler mit Datenverarbeitung, doch die Konkurrenz war zu groß in dem Geschäft, Rehn gab die Selbstständigkeit wieder auf. Er fährt durch Gewerbegebiete, schreibt sich Adressen der dort ansässigen Firmen auf und schickt ihnen Initiativbewerbungen. Er bietet sich an als "universell einsetzbarer Mitarbeiter im Verwaltungsbereich oder Organisation", verweist auf Erfahrungen bei acht Arbeitgebern seit 1977 (Organisationsberater waren früher einmal sehr gefragt), auf freiberufliche Tätigkeit und auf seine zahlreichen Programme zur Weiterbildung.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jobsuche-mit-55-aufgeben-ist-das-letzte-1.516067
mlsum-de-547
Der Zusammenschluss der Warenhauskonzerne verzögert sich. Die Banken wollen Klarheit über die Finanzen und haben eine Art Ultimatum gesetzt.
Auf oder abwärts? Erfolg oder Scheitern? Wohin die Reise geht, ist bei der geplanten Fusion von Karstadt und Kaufhof derzeit ungewiss. Nun sind offenbar erst einmal die Banken am Zug. Die Lage bei Galeria Kaufhof spitzt sich weiter dramatisch zu. Eine Fusion mit Karstadt rückt deswegen wieder etwas weiter in die Ferne. Eigentlich sollte zwischen den Eigentümern der beiden Warenhäuser längst eine Einigung erzielt sein. Als Grund für die Verzögerung wurde auf beiden Seiten angeführt, dass gerade Ferienzeit sei und sich die zuständigen Mitarbeiter der beteiligten Banken im Urlaub befänden. Ein Brief der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, deutet auf ein anderes, gravierenderes Problem hin. In dem Schreiben vom 31. Juli stellt die Bank dem kanadischen Kaufhof-Eigentümer Hudson's Bay Company (HBC) verklausuliert quasi ein Ultimatum zum 30. September. Bis spätestens dahin soll HBC die mit der Landesbank vor drei Jahren vereinbarten Kreditbedingungen erfüllt haben. Falls das nicht der Fall sein sollte, könnte LBBW den Kredit in Höhe von 1,34 Milliarden Euro fällig stellen. HBC müsste das Geld danach gegebenenfalls zurückzahlen. In Anbetracht der Finanzlage des kanadischen Unternehmens erscheint es gegenwärtig unwahrscheinlich, dass es dazu in der Lage wäre. Solange die Kaufhof-Eigentümer aber eine für die Landesbank befriedigende Antwort schuldig bleiben, wackelt auch die geplante Fusion zwischen Kaufhof und Karstadt. Das wirkliche Problem ist also nicht, dass die Banker im Urlaub sind, sondern dass sie auf Seiten von HBC offenbar im Moment nicht mitziehen können. Ihre eigenen Regeln schreiben ihnen vor, dafür zu sorgen, dass die Kreditbedingungen eingehalten werden. Doch bislang ist HBC den Forderungen nicht nachgekommen. Deswegen lässt die sogenannte Deutsche Warenhaus AG, bestehend aus 34 000 Mitarbeitern und fast 200 Kaufhäusern, weiter auf sich warten. Sie wäre nach El Corte Ingles aus Spanien der zweitgrößte Warenhauskonzern Europas - zusammengezimmert aus der Not heraus, weil Kaufhof und Karstadt seit Jahren vor allem gegenüber dem Onlinehandel an Umsatz verlieren. Das Warenhausgeschäft wäre bei der Fusion allerdings so gut wie nichts wert. Eigentlich geht es bei der Fusion fast nur um Immobilien. Als HBC vor knapp drei Jahren Kaufhof erwarb, finanzierte ein Konsortium rund um die LBBW den Kauf von 41 der insgesamt 96 Kaufhof-Gebäude mit dem besagten Darlehen in Höhe von 1,34 Milliarden Euro. Zweimal im Jahr prüft das Konsortium, ob HBC die in dem Kreditvertrag gemachten Zusagen einhält. Der Trend bei Kaufhof ist eindeutig: Die Verluste nehmen zu Eines der wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung durch die Banken ist die Geschäftsentwicklung von Kaufhof, des Mieters der Gebäude. HBC hatte den Banken Gewinne versprochen, tatsächlich rutscht Kaufhof aber von Jahr zu Jahr tiefer in die roten Zahlen. Die Kanadier geben die Zahlen von Kaufhof nicht gesondert bekannt, nach SZ-Informationen erhöhte sich der Verlust inklusive aller Aufwendungen des Kölner Warenhauses jedoch im abgelaufenen Geschäftsjahr zum 31. Januar im Vergleich zum Vorjahr noch einmal von minus 88 Millionen Euro auf minus 98 Millionen Euro. Der Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg im gleichen Zeitraum von minus 79 auf minus 86 Millionen Euro. Die Entwicklung ist damit klar negativ. Vor dem Hintergrund erscheint es so gut wie ausgeschlossen, dass HBC die Kreditbedingungen erfüllen kann. Die LBBW hatte sich in den vorhergehenden Prüfungen immer wieder vertrösten lassen. Diesmal aber fügt sie hinzu, dass ihre Geduld Ende September enden könnte. Weitere Banken könnten dann Kredite fällig stellen und Geld von HBC oder Kaufhof fordern. Die finanziellen Schwierigkeiten würden sich damit noch erhöhen. Die Geschäftsführung um Kaufhof-Chef Roland Neuwald hat bezeichnenderweise bereits für den Fall der Fälle vorgesorgt. Das Management lässt sich von der renommierten internationalen Insolvenzverwaltung White & Case beraten. Anwalt Biner Bähr hat Erfahrung mit Warenhäusern. Er war schon dabei, als Hertie pleiteging und ist auch darauf spezialisiert, seine Mandanten vor dem Risiko der Insolvenzverschleppung zu bewahren. Geschäftsführer stehen nach deutschem Recht auch gegenüber den Gläubigern, also unter anderem den Banken, in der Verantwortung. Eine Verletzung der Treuepflicht kann dann möglicherweise einen Straftatbestand darstellen, der entsprechend geahndet werden könnte. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Kaufhof-Geschäftsführung rechtlich absichern will. Für den österreichischen Karstadt-Eigentümer und Immobilienunternehmer René Benko, der großes Interesse an den Kaufhof-Gebäuden hat, macht der Banken-Brief die Fusion noch komplizierter, als sie ohnehin ist. Trotz wochenlanger Verhandlungen lassen sich die Schulden, die er von HBC bei einer Vereinbarung übernehmen müsste, offenbar im Moment nicht genau beziffern. Aber das wäre womöglich für ihn verkraftbar. Schlechter aus seiner Sicht wäre es, wenn Kaufhof tatsächlich Insolvenz anmelden müsste. Dann würde das Warenhaus am Ende vielleicht aufgespalten und die Teile in einem Bieterverfahren verkauft. Für Benko blieben in diesem hypothetischen Fall voraussichtlich weniger Immobilien übrig als bei einem Zusammenschluss mit den Kanadiern. Klar ist, solange die sich nicht mit der LBBW geeinigt haben, stocken die Verhandlungen, vielleicht bis Oktober oder länger.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kaufhaeuser-die-fusion-zwischen-kaufhof-und-karstadt-wackelt-1.4105258
mlsum-de-548
Gegen Apoel Nikosia geht Schalke 04 offensiv ins Spiel - und lässt den Gastgebern keine Chance. Der BVB rettet seine Siegesserie erst in der Nachspielzeit.
Schalke 04: Nach dem Abschied aus der Champions League ist Schalke 04 mit einem souveränen Pflichtsieg in Europas zweite Klasse gestartet. 191 Tage nach dem spektakulären 4:3 bei Real Madrid im letzten Spiel in der Königsklasse setzten sich die Gelsenkirchener in der Europa League bei APOEL Nikosia problemlos mit 3:0 (2:0) durch. Joel Matip per Kopf (28.) und Klaas-Jan Huntelaar mit seinen Pflichtspieltoren 109 und 110 für die Königsblauen (35./71.) sorgten für einen Start nach Maß in der Gruppe K bei Zyperns Meister. Nach drei Spielzeiten in Folge und sechs Teilnahmen an der Champions League in den letzten zehn Jahren fiel Schalke der Wechsel in die zweite Liga nur in der Anfangsphase schwer, dann dominierte der Bundesligafünfte nach Belieben. Nikosias Tomas De Vincenti sah in der 77. Minute die Rote Karte. Sam bekommt seine Begnadigung Schalkes Trainer André Breitenreiter hatte bei seinem Europapokaldebüt an der Seitenlinie seine Mannschaft gegenüber dem 2:1 am Sonntag gegen den FSV Mainz 05 nur auf einer Position umgestellt. Für den erkrankten Eric Maxim Choupo-Moting rückte Jungstar Leroy Sané (19) in die Startelf. Zehn Minuten vor dem Abpfiff kam der im Mai noch suspendierte Sidney Sam zu seinem ersten Einsatz nach seiner Begnadigung. Zunächst musste Schalke häufiger den Rückwärtsgang einlegen als erwartet. Ein Fernschuss von Max Meyer an die Latte (8.) war in den ersten 20 Minuten die einzige gefährliche Offensivaktion. Dann jedoch erhöhten die Gäste den Druck: Auch Johannes Geis traf aus fast 30 Metern die Latte (22.), Meyer scheiterte am früheren Aachener Zweitligatorwart Boy Waterman (26.), ehe Matip die Führung besorgte. Wie gegen Mainz köpfte Kameruns Nationalspieler den Ball nach einer Flanke von Geis ins Netz. Huntelaar erhöhte mit seinem 47. Europapokaltor. Genauso oft hat Nikosia bislang im Europacup getroffen. Huntelaar bringt die Entscheidung Auch nach der Pause erspielte sich das Team von Breitenreiter, der als Spieler mit dem Hamburger SV und Hannover 96 Europacup-Erfahrungen sammelte, die klareren Torchancen. Im Abschluss fehlte allerdings die Konzentration. Einem Treffer von Leon Goretzka verweigerte der französische Schiedsrichter Tony Chapron die Anerkennung, weil Huntelaar im Abseits stand und Waterman die Sicht nahm. Auf der anderen Seite hatten die Schalker Glück, dass Chapron nach einem Bodycheck von Matip im Strafraum nicht auf Elfmeter entschied. Als Huntelaar sein 48. Europacuptor erzielte, war die Entscheidung gefallen. Borussia Dortmund: Zehntes Pflichtspiel, zehnter Sieg: Mit einem Kopfballtreffer in der Nachspielzeit hat ausgerechnet Debütant Joo Ho Park Borussia Dortmund vor dem ersten Dämpfer der Saison bewahrt. Der Südkoreaner erlöste mit seinem Last-Minute-Tor (90.+2) die lange Zeit enttäuschenden Dortmunder und sorgte zum Auftakt der Europa League doch noch für einen 2:1 (1:1)-Erfolg gegen FK Krasnodar. Nach der bisher schlechtesten Vorstellung unter Trainer Thomas Tuchel hatte es lange Zeit nach dem ersten Rückschlag ausgesehen. Vor 55 200 Zuschauern hatte Pawel Mamajew (12. Minute) die Gäste aus Russland am Donnerstag in Führung gebracht. Nach dem Ausgleich durch Matthias Ginter (45.+1) machte Park den glücklichen Sieg perfekt. "Wir wollen unseren Fans auch gegen Krasnodar wieder ein Spektakel bieten", hatte Tuchel vor der Partie angekündigt. Doch spektakulär war zunächst nur Ginters Abwehrfehler. Dortmund findet keinen Rhythmus Der Weltmeister ließ sich von Fedor Smolow im eigenen Strafraum austanzen. Den Querpass schob Mamajew BVB-Schlussmann Roman Weidenfeller durch die Beine ins Netz. Weidenfeller erhielt in der Europa League den Vorzug vor Stammkeeper Roman Bürki. Zudem durften die jungen Spieler um Adnan Januzaj, Gonzalo Castro und Joo Ho Park erstmals in dieser Saison von Beginn an auf den Platz. Der Umbau wirkte zunächst kontraproduktiv. Die Mannschaft fand nicht ihren gewohnten Rhythmus und leistete sich zu viele Fehler im Spiel nach vorne. Von dem Selbstbewusstsein nach dem famosen Saisonstart mit neun Siegen in neun Pflichtspielen war wenig zu sehen. Wie schon in den beiden Qualifikationspartien gegen Odds BK leisteten sich die Dortmunder einen Fehlstart und gerieten früh 0:1 in Rückstand. Anders als bei den bisherigen, teilweise mitreißenden Auftritten in dieser Spielzeit, tat sich die Borussia im Spiel nach vorne sehr schwer. Gegen defensiv eingestellte Russen fanden die Dortmunder wenig Räume und zeigten wenig Kreativität. Ein Schuss von Marcel Schmelzer wurde abgeblockt (23.). Nach der ersten sehenswerten Kombination über die rechte Seite schoss Castro nach Zuspiel von Ginter aus 14 Metern über das Tor (31.). Schlussoffensive belohnt Dann aber wurde der Bundesliga-Tabellenführer für sein Engagement belohnt. Nachdem Henrich Mchitarjan (34.) und Pierre-Emerick Aubameyang (39.) gute Chancen nicht nutzten, machte Ginter in der Nachspielzeit der ersten Hälfte seinen Fehler wieder gut. Nach feiner Flanke von Park ließ er mit seinem wuchtigen Kopfball Krasnodar-Keeper Andriy Dykan keine Chance und glich zum 1:1 aus. Zur Pause brachte Tuchel den Japaner Shinji Kagawa für Schmelzer. Doch der Versuch, damit die Spielkultur zu erhöhen, blieb erst einmal folgenlos. Bei einer Doppelchance scheiterte erst Januzaj aus der Drehung an Dykan, dann wurde Aubameyangs Nachschuss abgeblockt (65.). Die Borussen erhöhten in der Schlussviertelstunde nochmals das Tempo. Ilkay Gündogan per Freistoß (75.) und wenig später der eingewechselte Adrian Ramos vergaben gute Möglichkeiten - bis Park traf.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bvb-in-der-europa-leauge-dortmund-zittert-lange-gegen-krasnodar-1.2653195
mlsum-de-549
Ein eigener Staat für die Kurden? Die Türkei lehnt das ab. Warum sich die Regierung in Ankara dennoch auffallend zurückhält.
Für türkische Boulevardzeitungen ist klar, was es mit dem Unabhängigkeitsreferendum im Nordirak auf sich hat. Die kurdische Regionalregierung dort habe ein geheimes Abkommen mit Israel geschlossen, berichteten regierungsnahe Krawallblätter wie Yeni Şafak und Akşam, es gebe einen Plan, 200 000 kurdische Juden in einem neu gegründeten Kurdenstaat anzusiedeln. Eine krude Theorie, doch die Botschaft ist klar: Das Referendum ist eine Verschwörung auswärtiger Mächte. Dahinter dürfte vor allem Ärger über Israel stecken, das bisher als einziges Land erklärt hat, ein unabhängiges Irakisch-Kurdistan anerkennen zu wollen. Die Töne aus Ankara waren weniger schrill, an ihrer Position ließ die türkische Regierung gleichwohl keinen Zweifel: Man lehne das Referendum ab, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Die Regionalregierung in Erbil solle sich darüber im Klaren sein, dass sie "einen Preis" werde zahlen müssen, wenn sie an der Abstimmung festhalte. Eine Drohung - womit genau, blieb allerdings unklar. An diesem Montag begann Ankara an der Grenze zum Irak ein Militärmanöver mit fast 100 Fahrzeugen, offiziell Teil von Anti-Terror-Operationen in der Region. Doch der Zeitpunkt legt zumindest nahe, dass der Druck auf den nordirakischen Regionalpräsidenten Masud Barzani so erhöht werden soll. Am Wochenende hatte der türkische Regierungschef Binali Yıldırım die Volksabstimmung bereits zur "Angelegenheit der nationalen Sicherheit" erklärt. Ein unabhängiger Kurdenstaat als Nachbar ist für die Türkei seit jeher ein Albtraum. Offiziell begründet Ankara seine Ablehnung des Referendums mit der Sorge, dass der Irak vollends zerfallen könnte. "Gott bewahre, es könnte zum Bürgerkrieg kommen", warnte vor Kurzem Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Mehr als alles andere aber fürchtet Ankara, dass die kurdische Minderheit im eigenen Land ermutigt wird, ebenfalls die Abspaltung voranzutreiben. Ankara beobachtet deshalb Autonomiebestrebungen im Norden Syriens und im Nordirak mit großem Argwohn. Ankara will das Referendum stoppen, nicht aber den Handel In der Türkei selbst geht das Militär mit Härte gegen kurdische Extremisten vor, insbesondere gegen die "Arbeiterpartei Kurdistans", die PKK. Auch der syrische PKK-Ableger, die Kurdenpartei PYD und ihr bewaffneter Arm, die YPG, ist nach Ansicht Ankaras eine Terrororganisation - eine Haltung, die zur Krise im Verhältnis zu Washington geführt hat, denn die Amerikaner betrachten die YPG als wichtigen Partner im Kampf gegen die IS-Terrormiliz und beliefern syrische Kurden mit Waffen. Das Verhältnis Ankaras zur kurdischen Regionalregierung im nordirakischen Erbil war dagegen in den vergangenen Jahren pragmatisch bis freundlich; zum einen, weil es zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem konservativen Barzani keine ideologischen Gräben gibt; Barzanis Partei steht in scharfer Konkurrenz zu den linksrevolutionären kurdischen Bewegungen in Syrien und in der Türkei. Zum anderen, weil die Wirtschaftsbeziehungen eng und für beide Seiten profitabel sind. Das macht die Lage für Ankara so schwierig: Es will das Referendum stoppen, nicht aber den Handel. Man wolle die Grenzen zum Irak nach der Volksabstimmung vorerst nicht schließen, hatte Außenminister Çavuşoğlu im August erklärt, auch wenn die Abstimmung eine "schlechte Idee" sei. Dabei wäre dies für die Türkei der stärkste Hebel. Irakisch-Kurdistan ist vom Erdöl-Export abhängig, die wichtigste Pipeline führt vom irakischen Kirkuk ins türkische Ceyhan. Bisher aber hat die Türkei keine Anstalten gemacht, diese ökonomische Lebensader zu kappen. Als der türkische Außenminister vor drei Wochen nach Erbil reiste, habe er an Barzani appelliert, das Referendum abzusagen, von Maßnahmen wie Grenzschließungen, einem Handelsembargo oder dem Aussetzen von Geldtransfers sei aber nicht die Rede gewesen, berichtet das Portal al-Monitor. Ein hartes Vorgehen könnte kurdische Wähler in der Türkei verprellen Vermutlich hat die Türkei den Konflikt auch deshalb nicht forciert, weil sie ihren Einfluss im Nordirak nicht verlieren will. Zurzeit sind mehrere Tausend türkische Soldaten im Nordirak stationiert, auch der türkische Geheimdienst MIT hat Büros in mehreren Städten, vor allem, um die Aktivitäten der PKK auf irakischem Boden zu überwachen und möglichst zu unterbinden. Ihre Präsenz will die Türkei auch nutzen, um über das Schicksal der turkmenischen Minderheit etwa in Kirkuk zu wachen, als deren Schutzmacht sich Ankara versteht. Und es spricht noch mehr dagegen, dass die Türkei die Pläne aus Erbil mit aller Entschiedenheit ausbremst: Ein hartes Vorgehen gegen die nordirakischen Kurden würde konservative Kurden im eigenen Land und damit potenzielle Wähler der Regierungspartei AKP verprellen. 2019 finden die für Erdoğan alles entscheidenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt, mit denen das Präsidialsystem in Kraft gesetzt wird. Der türkische Präsident braucht jede Stimme. Und es sei ja auffällig, schreibt der Journalist Mahmut Bozarslan auf al-Monitor, dass eine Reihe kleinerer kurdischer Parteien und Plattformen in der Türkei relativ unbehelligt für das nordirakische Referendum werben dürften - und das trotz des Ausnahmezustands.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-erdogan-will-keinen-kurdenstaat-aber-auch-keinen-konflikt-1.3671457
mlsum-de-550
Deutliche Warnung an die Bundesregierung: Die Währungshüter empfehlen, das gesetzliche Renteneintrittsalter bis 2060 auf 69 Jahre zu erhöhen.
Rentnerpaar vor dem Reichstag (Archivbild): Geht es nach der Bundesbank, sollen die Deutschen in Zukunft noch länger arbeiten. Die Bundesbank warnt die Bundesregierung davor, eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auf die lange Bank zu schieben. Die "aktuell günstige Finanzlage" dürfe "nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere Anpassungen unvermeidlich sind, um die finanzielle Tragfähigkeit sicherzustellen", so die Bundesbank in ihrem Monatsbericht, der am Montag veröffentlicht wurde. "Dabei sollte eine längere Lebensarbeitszeit nicht tabuisiert, sondern als wesentlicher Faktor mit berücksichtigt werden", so die Experten der Bundesbank. Konkret fordern die Währungshüter, das gesetzliche Renteneintrittsalter sukzessive - bis 2060 - auf 69 Jahre anzuheben. Bundesbank fordert, Lebensarbeitszeit weiter zu verlängern Derzeit liegt die gesetzliche Regelaltersgrenze für den Renteneintritt bei 65 Jahren und fünf Monaten. Sie wird schrittweise bis 2031 auf 67 Jahre erhöht. Die Bundesbank hatte in der Vergangenheit schon mehrfach gefordert, die Lebensarbeitszeit weiter zu verlängern. Dafür spricht sich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus. Er plädiert wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dafür, die Altersgrenze an die Lebenserwartung zu koppeln, so wie dies etwa in Dänemark bereits der Fall ist. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) macht sich für ein längeres Arbeiten stark, da zukünftig immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen. Um das zu verhindern, müsste nach den Berechnungen des IW bereits 2030 die Altersgrenze auf 69 Jahre steigen. 2035 wären dann 71 Jahre nötig, 2041 sogar 73 Jahre. Die Forscher wollen ihre Modellrechnung aber zunächst als "Gedankenexperiment" gewertet wissen. Die Bundesbank schlägt vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter ab 2030 in Stufen von durchschnittlich einem dreiviertel Monat pro Jahr auf 69 Jahre zu erhöhen. "So würden erstmals im Jahr 2064 Personen im Alter von 69 Jahren (Geburtsjahrgang 1995) in Rente gehen", heißt es im Bundesbankbericht. So ließe sich das Rentenniveau ab 2035 bei etwa 44 Prozent stabilisieren, wobei der Beitragssatz von derzeit 18,7 Prozent auf etwa 24 Prozent steigen würde. Derzeit liegt das Rentenniveau, das angibt, wie hoch die Altersbezüge eines Durchschnittsverdieners mit 45 Beitragsjahren im Verhältnis zum jeweils aktuellen Durchschnittslohn ist, bei knapp 48 Prozent. Es darf bis 2030 auf 43 Prozent sinken. Ohne weitere Reformen dürfte es später sogar unter die Marke von 40 Prozent fallen. Als sich SPD, Grüne und Union Anfang des Jahrtausends auf eine Rentenreform einigten, hatten sie eine Idee: Die staatlich geförderte private Altersvorsorge sollte die Senkung des Rentenniveaus ausgleichen. Das kann klappen, wenn der Sparer kontinuierlich bis zur Rente in einen Vertrag mit niedrigen Kosten einzahlt, und das immer so, dass stets die maximale Förderung herausspringt. Davon können gerade Geringverdiener und Kinderreiche profitieren. Nur ein Drittel spart selbst genug, um die Förderung voll abzuschöpfen Die Bundesbank kommt im Monatsbericht nun zu dem Ergebnis, dass sich der Abschluss eines privaten Riester-Vertrags auf jeden Fall lohne und verweist auf Simulationsrechnungen. Selbst wenn zu Rentenbeginn nur das eingezahlte Kapital inklusive Zulagen ausbezahlt würde - der Riester-Vertrag damit keine Rendite erwirtschaftet hätte - "könnte das Gesamtversorgungsniveau etwa ab dem Jahr 2035 bei 48,5 Prozent stabilisiert werden". Das Gesamtversorgungsniveau ist die Summe von gesetzlicher Rente und der Privatvorsorge via Riester. Ob sich so ein Gesamtniveau von 48,5 Prozent oder mehr erreichen lässt, ist jedoch umstritten. Oft klappt es mit der Riester-Rente nämlich eben nicht so, wie es sich die Bundesbank vorstellt. Nicht einmal die Hälfte der 38 Millionen Bürger, die "riestern" könnten, hat überhaupt einen Vertrag abgeschlossen. Von den 16 Millionen mit Vertrag zahlt knapp ein Fünftel gar nichts mehr ein. Nur ein Drittel spart selbst genug, um die Förderung voll abzuschöpfen. Das ist aber die Voraussetzung, um die Rentenlücke auszugleichen. Eine weitere Bedingung nennt die Bundesregierung in ihrem Rentenversicherungsbericht: Danach müssten die Riester-Produkte eine durchschnittliche Verzinsung von vier und Verwaltungskosten von nicht höher als zehn Prozent haben. Tatsächlich sind die Renditen aber oft niedriger und die Kosten höher. Die Lebenserwartung der Bundesbürger ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, im Durchschnitt um drei Monate pro Jahr. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) muss das Altersgeld deshalb viel länger auszahlen als in der Vergangenheit. So lag die durchschnittliche Rentenbezugsdauer 2015 für Männer bei knapp 19, für Frauen bei fast 23 Jahren. Vor zehn Jahren erhielten Männer im Durchschnitt ihre Rente nur 16 Jahre, Frauen 21 Jahre lang. Andererseits hat sich auch das durchschnittliche Renteneintrittsalter auf derzeit 64 Jahre erhöht. Dieser Wert sagt aber nichts darüber aus, ob die Neu-Rentner es wirklich geschafft haben, so lange zu arbeiten. Sie können auch vorher arbeitslos, in Altersteilzeit gewesen sein oder wegen einer Krankheit eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben.
https://www.sueddeutsche.de/geld/renten-rente-mit-69-bundesbank-fordert-reformen-1.3121602
mlsum-de-551
Der Zollstreit zwischen den USA und China rückt nach den Zuwächsen der vergangenen Woche wieder in den Fokus der Anleger. Der Dax fällt.
Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat erneut für Nervosität bei europäischen Aktienanleger gesorgt. Einige nutzten daher zu Wochenbeginn die jüngsten Kurssteigerungen für Gewinnmitnahmen. Der Dax verlor 0,6 Prozent auf 12 351 Punkte. Am Montag traten neue gegenseitige Strafzölle in Kraft. Zuvor hatte die Regierung in Peking einem Zeitungsbericht zufolge die geplanten Gespräche zur Beilegung des Konflikts abgesagt. Bis zu den US-Wahlen im November erscheine eine Entspannung unwahrscheinlich, warnte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Je länger und je weiter dieser Konflikt eskaliert, desto größer wird der potenzielle Schaden für die Wirtschaft. " Zu den Verlierern im Dax zählten die Papiere der Automobilbranche. Sie waren zuletzt kräftig gestiegen, weil die Strafzölle in der jüngsten Eskalation im amerikanisch-chinesischen Handelskrieg nicht so hoch ausgefallen waren wie befürchtet. Die Kurse von Daimler, BMW, Volkswagen und Continental verloren zwischen 2,7 und knapp einem Prozent. Im M-Dax fielen die Papiere von Fielmann nach einem negativen Analystenkommentar um beinahe sechs Prozent auf den niedrigsten Stand seit fast vier Jahren. Hier wackelten die Jahresprognosen, hieß es von den Experten. Gerry-Weber-Aktien rückten ins Rampenlicht, nachdem die Modefirma ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben hatte. Dessen Ergebnisse seien entscheidend für die anstehenden Verhandlungen mit den Banken, sagte Analyst Jürgen Kolb vom Vermögensberater Kepler Cheuvreux. Schließlich müssten im November fällige Verbindlichkeiten im Volumen von 31 Millionen Euro refinanziert werden. Gerry Weber-Papiere fielen zeitweise um gut 25 Prozent auf ein 15-Jahres-Tief von drei Euro. In London brachen die Titel von Thomas Cook um 28 Prozent ein. Der Touristik-Konzern senkte sein Ziel für den operativen Gesamtjahresgewinn um etwa 15 Prozent auf umgerechnet 312 Millionen Euro. Auch an der Wall Street überwogen die Verluste. Für zusätzliche Unruhe sorgte ein Medienbericht über einen angeblichen Rücktritt des stellvertretenden US-Justizministers Rod Rosenstein. Er hat die Oberaufsicht über die Ermittlungen zu einer russischen Einflussnahme auf den US-Präsidentenwahlkampf 2016. Der Dow Jones ging mit einem Abschlag von 0,7 Prozent aus dem Handel.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-anleger-nehmen-gewinne-mit-1.4142394
mlsum-de-552
Tommy Haas arbeitet an einem Comeback. Im SZ-Interview erklärt er, warum er mit 38 Jahren und nach vielen Verletzungen nicht Schluss macht.
Tommy Haas will es noch einmal wissen. Der 38 Jahre alte Tennis-Profi hat seine Absicht bekräftigt, so schnell wie möglich wieder Profi-Turniere zu bestreiten. "Ich schulde es mir selber, noch einmal gutes Tennis zu spielen", sagte Haas der Süddeutschen Zeitung in einem ausführlichen Interview. Haas war lange der beste deutsche Tennisspieler, im Jahr 2002 glückte ihm der Aufstieg auf Platz zwei der Weltrangliste. Nach einer Operation am rechten Fuß befindet er sich aktuell in einer Rehabilitationsphase. Auf die Frage, ob der Gedanke an ein Comeback nach einem Jahr ohne Center-Court-Auftritt bei ihm ein Kribbeln auslöst, antwortet er: "Absolut. Ich weiß genau, warum ich unbedingt zurück will." Haas äußert sich in dem Gespräch auch über vertane Chancen - gerade in der Nationalmannschaft, in der er mit Nicolas Kiefer lange eine der Hauptrollen spielte. "Sicher hätten wir auch im Davis Cup mal einen Titel holen können", sagt Haas, "aber der eine war vielleicht mehr Teamspieler als der andere." Unabhängig davon, wie erfolgreich ein mögliches Comeback verläuft - schon jetzt schaut Haas ausgeglichen auf seine Karriere: "Ich habe Höhen und Tiefen erlebt, alle Hürden irgendwie genommen. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen: Ich bin im Reinen mit mir." Dass er bei seiner Rückkehr so alt sein wird, dass viele Gegner seine Söhne sein könnten, betrachtet er als besonderen Reiz: "Gerade das fände ich wahnsinnig spannend. Ich habe Lust, mich mit diesen Jungs zu messen." Unabhängig von seiner Zukunft als Spieler wird Haas dem Sport verbunden bleiben. Er wurde als Direktor des Turniers in Indian Wells engagiert. "Das war ein großer Moment", sagt Haas über das Angebot, "denn damit habe ich einfach Gewissheit, wie mein nächstes Kapitel aussieht." Den kompletten Wechsel ins Management möchte er allerdings so lange wie möglich aufschieben: "Ich liebe diesen Sport", sagt er, "ich spiele gerne - vielleicht so lange, bis ich nicht mehr gehen kann."
https://www.sueddeutsche.de/sport/tommy-haas-im-interview-ich-weiss-warum-ich-unbedingt-zurueck-will-1.3223932
mlsum-de-553
Bayerns Trainer Carlo Ancelotti rotiert beim DFB-Pokalspiel gegen den VfL Wolfsburg am Dienstag. Während seine Spieler Mängel im Spiel anmahnen, gibt sich der Italiener vor der Achtelfinalpartie betont lässig.
Carlo Ancelotti neigt nicht zu großen Gefühlsausbrüchen, das hat sich in seiner ersten Saison in München schnell herumgesprochen. Und so blieb der 57-jährige Trainer des FC Bayern auch am Montagmittag in der Pressekonferenz ruhig ob der inzwischen zumindest minimal wahrnehmbaren Angespanntheit im Verein: "Ich habe fast 1000 Spiele auf der Bank gemacht, die Kritik kann mich nicht überraschen", sagte er - und natürlich schmunzelte der Norditaliener dabei. So eine kleine Schwächephase zum Rückrundenstart, mei, das kann halt auch in München passieren. Aber Beunruhigung, "nein, nein", die verspüre er nicht vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Wolfsburg am Dienstag (20.45 Uhr, ARD und Sky): "Es kann uns jetzt helfen, wenn wir alle drei Tage spielen." Ancelotti bleibt seinem Stil treu, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Er sendet keine Appelle, keine Warnungen. Zu den alarmierenden Worten von Kapitän Philipp Lahm, der kurzzeitig schon unter dem Namen "Käptn Klartext" firmierte, nach dem mageren 1:1 gegen Schalke sagt der Italiener nur: "Er könnte in Zukunft ein sehr guter Trainer oder ein guter Manager sein." Siddharta Gautama, alias Buddha, hätte nicht ruhiger darauf reagiert. Kimmich drängt ins Team, Müller droht der Bankplatz Ganz so tiefenentspannt wie Ancelotti sehen allerdings nicht alle Münchner die Lage: "Wir müssen jetzt zusehen, dass wir in den Spielen gegen Schalke, im Pokal gegen Wolfsburg und danach in Ingolstadt in die beste Verfassung kommen", hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wissen lassen. Eine Niederlage gegen Wolfsburg - und der erste von drei möglichen Titeln wäre weg. Das Problem der Bayern in den vergangenen Wochen: Sie schießen weniger Treffer als gewohnt. Vor allem, weil sie weniger Torschüsse und weniger Chancen kreieren. Dazu ist Torwart Manuel Neuer noch ohne Zu-Null-Spiel in 2017. Am Montag klang Ancelotti trotzdem milde. Die Selbstkritik der Spieler sehe er positiv, die Mannschaft habe verstanden, "dass wir kompakter stehen müssen. Ich bin sicher, dass wir morgen besser zusammenarbeiten", sagte der 57-Jährige, der den wieder genesenen Thiago im Pokal von Anfang an bringen wird. Es könnte bedeuten, dass der formschwache Müller auf die Bank muss. Zudem steht Joshua Kimmich nach einem grippalen Infekt wieder zur Verfügung. "Vielleicht brauchen einige Spieler eine Pause", sagte der Trainer. Die spielerischen Mängel, das fehlende Tempo und die bei vielen gerade pomadig wirkende Körpersprache führt Ancelotti aufs Training zurück: "Wir arbeiten physisch hart, es ist möglich, dass wir nicht in bester Verfassung waren", sagte er, als er aufs 1:1 gegen Schalke zurückblickte. Alles sei eben auf die entscheidende Phase im April und Mai ausgerichtet: "Ich bin sicher, dass wir schnell Fortschritte sehen werden." Schon gegen Wolfsburg? "Das Spiel ist sehr wichtig, es ist ein K.o.-Spiel. Wir müssen sehr fokussiert sein", sagte Ancelotti. Nicht mehr ganz so ruhig wie in den Ausführungen zuvor.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-mit-buddha-und-thiago-1.3366521
mlsum-de-554
Gegen Leverkusen überrascht Pep Guardiola mit einer taktischen Variante: David Alaba rückt phasenweise in die Innenverteidigung - und bietet eine spektakulär gute Leistung.
Die Hosen von Kyriakos Papadopoulos und David Alaba zeugten von zwei Innenverteidigern, die ihren Job so unterschiedlich wie nur möglich interpretieren. Die weiße Hose des Leverkuseners war am Ende tiefbraun vom vielen Bodenkontakt, so häufig war er den anstürmenden Bayern-Spielern entgegen gegrätscht. Der Stoff David Alabas dagegen leuchtete noch in der 90. Minute strahlend rot bis unters Stadiondach. Ein Alaba und Grätschen? Hat er gar nicht nötig. Nun machte Papadopoulos gar kein schlechtes Spiel. Auch wenn seine Mannschaft 0:3 verlor und sogar noch ein paar Gegentore mehr hätte beklagen können. Was schon viel aussagt über die Stärke des Gegners, den Leverkusens Trainer Roger Schmidt unumwunden "die beste Mannschaft der Welt" nannte. Der FC Bayern zeigte sich so konsequent gut, dass die Gegenwehr bröckelte wie ein Haus, in das die Abrissbirne zu oft hineinfliegt. Und die Münchner Konsequenz begann ganz hinten, in der Innenverteidigung. Die Bayern wechselten fluid zwischen Dreier- und Viererkette Als der Aufstellungszettel verteilt wurde in München, stellte sich die Frage: Wer verteidigt bei den Bayern eigentlich? Medhi Benatia verletzt, Jérôme Boateng gesperrt, Dante auf der Ersatzbank. Es fand sich kein einziger Spieler unter den ersten Elf, der in der Spalte Innenverteidiger stehen würde. Spekulationen kursierten unter Fans und Beobachtern - und am Ende hatten irgendwie alle recht. Die Bayern wechselten fluid zwischen Dreier- und Viererkette hin und her, Lahm rechts, Bernat links. In der Mitte Alaba und Xabi Alonso, der bei eigenem Ballbesitz gerne ins Mittelfeld aufrückte. In Alaba und Xabi Alonso hatten die Münchner zwei Spieler ganz hinten, die mit ihren Pässen die offensiv verteidigenden Leverkusener zermürbten. Jeder Ball saß, Geschwindigkeit, Richtung, und oft genug dorthin, wo es dem Gegner am meisten weh tat. Bayern-Trainer Pep Guardiola mag Innenverteidiger, die den Spielaufbau beherrschen. So hatte er schon früher in Barcelona seine letzte Linie besetzt. Dazu sah sein Plan vor, das extreme Pressing der Leverkusener mit weiten Flanken auf die andere Spielfeldseite zu überwinden. Und wer kann bessere lange Flanken schlagen als Xabi Alonso? Perfekt umgesetzt beim 1:0. Langer Pass des Spaniers auf Douglas Costa, der ist auf und davon, Tor Thomas Müller. "Xabi Alonso war wahnsinnig gut darin zu interpretieren, wo der freie Raum war", erklärte Guardiola. Alaba verlor fast keinen Zweikampf Alaba und Alonso sorgten auch für Guardiolas so geliebte Spielkontrolle. Vor allem der Österreicher wirkte hinter der Abwehr bisweilen wie früher ein Libero, der mit dem ersten Pass die Spielweise seiner Mannschaft bestimmt. Oft gab er den Ball an den spanischen Strategen weiter. "Wir wollten Alonso dort wegen seiner Spielverlagerungen. Wenn er Innenverteidiger spielt, bekommt er von hinten nur Druck von Manuel Neuer", scherzte der Trainer, "er hat das ganze Spiel vor sich. Xabi war sehr wichtig heute." Die gegnerischen Angriffe in letzter Linie zu verteidigen, darin liegt allerdings nicht die Stärke des 33-Jährigen. Dafür hatte Guardiola eben Alaba. Der verlor in der ersten Halbzeit gar keinen Zweikampf, auch nach der Pause endeten spätestens bei ihm die Angriffe des Gegners. "Gott sei Dank hat das gut geklappt. Es ist kein Geheimnis, dass ich mehrere Positionen spielen kann", kommentierte Alaba. Sein Trainer habe seit langem gedacht, er könne auch hinten spielen: "Er ist ein schneller Spieler, er liest sehr gut die Angriffe des Gegners." Auch das half, Leverkusen fast durchgängig zu kontrollieren. "Wir haben fast keine Chancen zugelassen", sagte Guardiola fast ungläubig, "gegen diesen Gegner - Wahnsinn!" "Dante ist ein wichtiger Spieler für uns" Alaba bot eine spektakulär gute Verteidiger-Leistung. Dennoch sieht er sich lieber woanders. "Am wohlsten fühle ich mich im Mittelfeld oder links hinten", sagte er. Auch deshalb wäre es ihm etwas unrecht, wenn Kollege Dante den Verein verlassen würde. "Dante ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Auf dem Platz und außerhalb ist er ein wichtiger Charakter für die Mannschaft. Ich hoffe, dass er bleibt", erklärte Alaba zum Brasilianer. Dennoch dürfte die Nicht-Berücksichtigung zu Beginn ein Zeichen sein an Dante, dass er sich nur kaum Hoffnungen machen darf auf mehr Einsatzzeiten in München. Und so wurde sein inniges Abklatschen nach Spielende schon als Abschied von den Kollegen gedeutet. Was der FC Bayern allerdings am Abend dementierte: Es gebe in Sachen des möglichen Wechsels keinen neuen Stand, sagte Mediendirektor Markus Hörwick. Erst am Sonntag sickerten Informationen über die Zukunft des Brasilianers durch: Dante zieht es zum Ligarivalen aus Wolfsburg.
https://www.sueddeutsche.de/sport/david-alaba-gegen-leverkusen-mal-libero-mal-abrissbirne-1.2624980
mlsum-de-555
Die Mitarbeiter einer Baufirma werden im Schlaf überrascht. Über das Motiv der Täter will das türkische Außenministerium nichts sagen - aus Sicherheitsgründen.
Sicherheitskräfte vor der Baustelle, auf der in der Nacht zum Mittwoch mindestens 17 türkische Angestellte einer Baufirma entführt wurden. Im Schlaf überrascht Bewaffnete haben in der irakischen Hauptstadt Bagdad mindestens 17 türkische Angestellte einer Baufirma entführt. Die Männer waren im nördlichen Stadtteil Sadr City am Bau eines Fußballstadions beschäftigt. Sie seien von maskierten Männern in schwarzer Kleidung in Pickup-Wagen verschleppt worden, sagte ein Polizeioberst. Einem anderen Bericht zufolge sollen die Entführer Militäruniformen getragen haben. Der englischsprachigen Online-Ausgabe der Zeitung Hürriyet zufolge schliefen die Türken in Wohnwägen, als sie von ihren Entführern überrascht wurden. Über das Motiv der Tat liegen noch keine Erkenntnisse vor. Aus Sicherheitsgründen könnten keine Details bekannt gegeben werden, ließ das türkische Außenministerium Hürriyet zufolge wissen. Türkei fliegt seit Kurzem Angriffe auf den IS Entführungen zur Erpressung von Lösegeld sind seit Jahren ein weitverbreitetes Problem in Bagdad und anderen irakischen Städten. Das Stadtviertel Sadr City ist eine Hochburg schiitischer Milizen, weshalb auch ein politisches Motiv nicht ausgeschlossen wurde. Die Milizen kämpfen an vorderster Front gegen die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS). Am Samstag hatte die Türkei bekannt gegeben, dass ihre Kampfjets erstmals als Teil der Koalition gegen den IS Luftangriffe auf Stellungen der Dschihadisten geflogen hätten. Kritiker werfen der Türkei vor, die Aktivitäten der Dschihadisten zu dulden, wenn nicht sogar zu unterstützen. Im vergangenen Jahr waren 46 Türken von der sunnitischen Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Mossul verschleppt worden. Nach mehr als drei Monaten Gefangenschaft kamen sie aber wieder frei.
https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-mindestens-17-tuerken-in-bagdad-entfuehrt-1.2631056
mlsum-de-556
Geschäftsführer der Bayern-Basketballer bleibt bis 2017. Die Seattle Seahawks folgen den Denver Broncos in den Super Bowl. Felix Neureuther kann sich künftig Starts im Super-G vorstellen. Miroslav Klose will sich vor der Fußball-WM nicht unter Druck setzen lassen.
Basketball, FC Bayern: Basketball-Bundesligist Bayern München hat seinen Geschäftsführer Marko Pesic langfristig an sich gebunden. Wie der BBL-Tabellenführer am Montag mitteilte, unterschrieb der 37-Jährige einen Vertrag bis zum 30. Juni 2017. Der frühere Nationalspieler ist seit der Saison 2011/12 Sportdirektor der Bayern, im Januar 2013 übernahm er in Doppelfunktion auch die Geschäftsführung. Pesics bisheriger Kontrakt wäre in diesem Sommer ausgelaufen. "Wir freuen uns sehr, dass wir langfristig mit Marko Pesic zusammenarbeiten können", sagte Bayern-Vizepräsident Rudolf Schels: "Dass wir mit ihm gleich um drei weitere Jahre verlängern, belegt die Wertschätzung seiner Arbeit, aber auch die Nachhaltigkeit unseres Basketball-Projekts." Pesic, der als Spieler bei Alba Berlin sechs deutsche Meisterschaften und fünf Pokalsiege gefeiert hatte, bedankte sich beim "Präsidium mit Uli Hoeneß und Rudolf Schels für dieses große Vertrauen. Ich glaube, dass wir hier in den vergangenen Jahren sehr viel bewegt haben und bin davon überzeugt, dass wir diesen Weg auch in der Zukunft fortsetzen können." DFB, Klose: Torjäger Miroslav Klose will bei der WM in Brasilien in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft "nicht der große Hoffnungsträger sein. Der Erfolg liegt nicht nur an mir. Ich lasse mich von niemandem unter Druck setzen. Ich gehe aber davon aus, dass ich wieder meine Leistung bringen werde", sagte der 35 Jahre alte Legionär von Lazio Rom im Interview mit Sport1.de. Als Vorteil sieht Klose, der im vergangenen Jahr wegen diverser Verletzungen immer wieder längere Zeit ausgefallen war, durchaus sein gutes Verhältnis zu Bundestrainer Joachim Löw. "Es gibt nichts Schöneres, als einen Trainer, der auf einen Spieler setzt. Das gibt mir als Spieler Ruhe, und ich kann die Leistung leichter abrufen. Ich bin aber mein größter Kritiker und setze mir ein hohes Level, weil ich immer noch weiß, dass ich es kann", äußerte Klose. Ein Ziel und ein "schöner Anreiz" bei der Weltmeisterschaft (12. Juni bis 13. Juli) sei "sicherlich", den WM-Torrekord von Ronaldo (15 Treffer) zu knacken. "Es fehlt wirklich nicht viel. Ich weiß, dass ich zu meinen Torchancen komme, wenn wir guten Fußball spielen. Ich kann immer gefährlich sein. Das A und O ist jedoch das Team", sagte Klose, der bisher 14 WM-Treffer erzielt hat. Seinen Wechsel 2011 vom FC Bayern zu Lazio bewertete der 130-malige Nationalspieler (68 Tore) indes als "richtige Entscheidung. Wenn man sieht, dass fußballerisch und auch privat alles so gekommen ist, wie wir uns das erhofft hatten, dann kann ich total zufrieden sein", betonte Klose. Was seine Zukunft anbelangt sei jedoch "noch alles offen. Ich werde mich erst demnächst mit der Familie und meinem Berater zusammensetzen, um alles zu besprechen. USA wäre sicher interessant, aber es wurde auch schon geschrieben, dass ich nach England oder Spanien gehe". Sein Ex-Klub Kaiserslautern sei weiterhin "eine Herzensangelegenheit für mich", führte Klose weiter aus: "Ich habe damals, als ich von Lautern weg bin, gesagt, dass ich es mir vorstellen könnte, irgendwann mal wieder zurückzukommen, in welcher Funktion auch immer. Aktuell ist das aber kein Thema, aber im Fußball sollte man nie etwas ausschließen." Super Bowl: Im 48. Super Bowl kommt es zur Endspiel-Premiere. Am 2. Februar stehen sich in New Jersey erstmals die Seattle Seahawks und die Denver Broncos im prestigeträchtigen Finale der National Football League NFL gegenüber. Angeführt von einem starken Peyton Manning gewann Denver daheim sein Halbfinale gegen die New England Patriots mit 26:16 und spielt zum siebten Mal um die Vince Lombardi Trophy. Anschließend entschied Seattle ein spannendes Spiel gegen Divisions-Rivale San Francisco 49ers mit 23:17 für sich und erreichte nach 2006 wieder das Endspiel. "Das war ein Mannschaftserfolg. Ich habe mich auf meine Mitspieler verlassen und meinen Teil dazu beigetragen", meinte Manning. Im 15. Duell mit Patriots-Playmaker Tom Brady war er der klare und verdiente Sieger. Von Beginn an spielte der 37-Jährige souverän, fand immer wieder seine frei stehenden Teamkollegen und wurde von seiner Offense Line bestens abgeschirmt. Hinzu kam, dass die Gästeabwehr den Ausfall von Cornerback Aqib Talib (Knie) zu Beginn des zweiten Viertels nicht kompensieren konnte. Manning nutzte dies konsequent aus, warf immer wieder erfolgreich den zuvor von Talib bestens bewachten Wide Receiver Demaryius Thomas an. Insgesamt brachte er es auf zwei Touchdowns und Pässe für herausragende 400 Yards Raumgewinn. "Er ist außergewöhnlich gewesen. Was er geleistet hat, ist beispiellos", lobte Broncos-Trainer John Fox seinen Spielmacher. Einziges Manko: Trotz einer überzeugenden Leistung führte Denver zur Pause nur mit 13:3. Doch gleich den ersten Angriff im zweiten Abschnitt schloss Manning mit einem Touchdown-Pass auf Thomas zum 20:3 ab. Spannend bis zum Schluss war es hingegen in Seattle. Im ersten Durchgang waren die Gäste vor allem dank ihres laufstarken Quarterbacks Colin Kaepernick tonangebend, führten zur Halbzeit aber nur mit 10:3. Unter dem ohrenbetäubenden Jubel der 68 454 Fans setzte Seahawks-Runningback Marshawn Lynch in der 35. Minute zu einem unaufhaltbaren Lauf über 40 Yards an und beendete diesen mit einem Touchdown. Ebenso spektakulär war vier Minuten später Kaepernick, der aus dem Sprung den Ball millimetergenau über 26 Yards in die Arme von Wide Receiver Anquan Boldin warf - 17:10. Im Schlussviertel zeigte die Seahawks-Verteidigung, warum sie die Beste der Liga ist. Vorne sorgten Jermaine Kearse mit einem Touchdown sowie Kicker Steven Hauschka mit zwei verwandelten Field Goals für eine 23:17-Führung. Die packende Partie war jedoch erst entschieden, als Seattles Richard Sherman 26 Sekunden vor Spielende einen von Kaepernick auf Michael Crabtree gedachten Pass in der Endzone mit der linken Hand unterband und Teamkollege Malcolm Smith den Ball fing. Ski alpin, Felix Neureuther: Skirennfahrer Felix Neureuther liebäugelt mit neuen Fahrten in einer schnellen Disziplin des alpinen Ski-Weltcups. "Ich brauche mich vor allem im Slalom vor niemandem auf der Welt zu verstecken. Und wenn es so weitergehen sollte, überlege ich mir, ob ich nicht doch in der Saison 2014/15 auch im Super-G starten sollte", sagte Neureuter in einem Interview im "Focus" (Montag). Sechsmal startete der Partenkirchener im Weltcup im Super-G. Zuletzt fuhr er im Februar 2008 in Whistler als 50. ins Ziel. Auch in einer Weltcup-Abfahrt kam er im November 2011 in Lake Louis zum Einsatz und wurde 43. In einer seiner sechs Super-Kombinationen fuhr Neureuther im Februar 2011 in Bansko auf Platz zwei. Kerngeschäft sind für Neureuther aber Slalom und Riesenslalom. In beiden Disziplinen zählt der WM-Zweite im Torlauf zu den Mitfavoriten auf Edelmetall bei den Winterspielen. Großtaten bei Olympia erwartet Neureuther in Sotschi vor allem von Super-G-Olympiasieger Aksel Lund Svindal (Norwegen) und vom dreimaligen Schladming-Weltmeister Ted Ligety (USA), der Nummer 1 im Riesenslalom. "Wenn nichts passiert, wird er zusammen mit Aksel Lund Svindal bei Olympia dominieren", sagte Neureuther. Boxen, Firat Arslan: Herausforderer Firat Arslan sorgt vor dem WM-Kampf gegen Box-Weltmeister Marco Huck am 25. Januar in Stuttgart für Wirbel. Arslan lehnt Punktrichter Mickey Vann (Großbritannien) ab, weil dieser ihn im ersten Aufeinandertreffen gegen Huck benachteiligt haben soll. "Ich kann keinen Punktrichter akzeptieren, der den Kampf nach unserer Meinung falsch gewertet hat", sagte Arslan der Sport.Bild. "Da werde ich mich zusammen mit meinem Anwalt Dr. Joachim Rain darum kümmern, dass das geändert wird. Meines Wissens waren andere Punktrichter angesetzt", sagte der Halbschwergewichtler. Im umstrittenen ersten Duell am 3. November 2012 hatte Vann 115:113 für Huck gepunktet. Huck hatte am Ende nach Punkten umstritten gewonnen. "Es ist für mich inakzeptabel, dass einer aus dem ersten Duell wieder Punktrichter ist. Jeden Punktrichter, der nicht beteiligt war, würde ich nicht ablehnen", sagte Arslan. Die Unparteiischen werden vom Weltverband WBO festgelegt, der die WM im Cruisergewicht (bis 90,7 Kilogramm) austrägt. Dort sieht man kein Problem mit der Ansetzung von Vann. "Er ist ein sehr guter Punktrichter", sagt Istvan Kovacs, der am Samstag Supervisor für die WBO sein wird. "Wir haben sehr oft mit ihm zusammengearbeitet. Ich war Supervisor beim ersten Kampf, der sehr knapp war. Ein paar Schläge gaben bei jeder Runde den Ausschlag. Den konnte man so oder so punkten", sagte Kovacs. Basketball, NHL: Die Los Angeles Lakers haben in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ohne Chris Kaman den zweiten Sieg nacheinander gefeiert. Beim 112:106-Erfolg am Sonntag (Ortszeit) auswärts gegen die Toronto Raptors kam der deutsche Nationalspieler nicht zum Einsatz. Erfolgreichster Werfer der Gäste vor 17 706 Zuschauern war Nick Young, der nach dem Ablauf einer Ein-Spiel-Sperre 29 Punkte erzielte. In der Tabelle bleiben die Lakers trotz des 16. Saisonsiegs noch weit von den Playoffrängen entfernt. In der Western Conference belegt die Mannschaft von Mike D'Antoni mit insgesamt 25 Niederlagen den zwölften Platz. Rang acht und damit den letzten Playoffplatz haben die Dallas Mavericks mit Dirk Nowitzki inne. Ihre Bilanz: 24 Siege, 18 Niederlagen.
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mlsum-de-557
Und plötzlich war Europa offen. Nach Jahrhunderten voller Kriege entdeckten die Briten den Kontinent und staunten. Pizza, Camel, Liebfrauenmilch - und lauter coole Menschen wie sie selber.
Herzlichen Glückwunsch, EU. Wirklich schade, dass wir bei der Party nicht dabei sein können. Ich habe dir mein Geschenk im vergangenen Jahr überreicht, du erinnerst dich. Es war ein Kreuz auf dem Wahlzettel. Das haben viele Gleichaltrige auch so gemacht. Man schätzt, dass die 25- bis 49-Jährigen mit 55 Prozent für einen Verbleib gestimmt haben. Leider waren es nicht genug. Es gibt immer noch gute Gründe, weshalb viele in meiner Generation finden, dass die EU eine gute Sache ist. Wir sind etwa so alt wie die britische Mitgliedschaft. Wir sind groß geworden in einer Zeit, in der wir uns für alles öffneten, was mit Europa zu tun hatte. Ich meine nicht nur Abba, Spiele ohne Grenzen, und Johan Cruyff. Ich meine vor allem Austauschprogramme und Brieffreundschaften, Interrail und Espadrilles, Pizza und Liebfrauenmilch. Europäer, so hat sich herausgestellt, waren normal, cool, interessant und interessiert. Das war eine Genugtuung für alle von uns, die in Geschichte gut aufgepasst haben. Das Erste, was britische Kinder der Siebzigerund Achtzigerjahre nämlich über Kontinental-Europa gelernt haben, war, wie grausam man in den vergangenen tausend Jahren zueinander war. Waterloo, Trafalgar, die Schlachten an der Somme und in Agincourt, die bei Crécy und die von Austerlitz, der D-Day. Es gab Krieg ohne Ende - und wie nur all die winzig kleinen Nationen zerdrückt wurden von selbstsüchtigen Gewaltherrschern und Zaren und Königen und Despoten, die jeden niedergemetzelt haben, der nicht so dachte wie sie. Vor diesem Hintergrund war es eine Erleichterung, dass wir am Ende einen Weg gefunden haben, um miteinander klarzukommen. Er hieß Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und falls es auch nur ein Happen war, dann wenigstens aus einem Land, das exzellenten Kuchen macht. Die EWG, so wie sie damals war, war ein Instrument zur Zusammenarbeit, von der alle profitierten, ein Werkzeug für Solidarität, die grenzüberschreitend so vieles befruchtet hat, ein Mittel zur Versöhnung der Nationen. Gut, sexy war es nicht, aber das ist das Sterben in einem Schützengraben auch nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Leute wie ich dazu aufgerufen würden, als dritte Generation nacheinander gegen die Deutschen zu kämpfen, schien abwegig zu sein, solange es die Wirtschaftsgemeinschaft gab. Reisefreiheit weckte damals ganz andere Gefühle. Heut schwingen dunklen Untertöne mit Es wurde sogar noch besser. Europa war offen! Du konntest einfach überall hingehen. Wenn die Achtzigerjahre für die Briten den wahren Beginn von Europa-Urlauben markierten, dann waren die Neunzigerjahre das Jahrzehnt, in dem wir in Massen dort hinzogen. Wir entdeckten den Kontinent, wie dies unsere Eltern niemals konnten. Campingplätze und Cafés, Camel-Zigaretten und neue Arten, Kaffee zu machen. Ibiza, Toskana, Berlin. Trampen, Zugbahnhöfe und Schlafwagen, die in einem Land losfuhren und am nächsten Morgen in einem völlig anderen ankamen. "Ist das Österreich?", fragte mein übernächtigter, verkaterter Mitreisender eines Morgens, ein paar Wochen vor der Wende. "Deutschland", antwortete ich. "Deutschland, bis um halb zwölf." Das Wort Reisefreiheit weckte in den Neunzigerjahren ganz andere Gefühle als die dunklen Untertöne von heute vermuten lassen. Wenn dir danach war, konntest du einfach auf einen Zug aufspringen und dich in den Niederlanden oder in Portugal niederlassen. Eurostar, Billigflüge, günstige Autos. Keine Visa, kein Ärger. Nimm einfach einen Job auf einer Baustelle an, in einer Bank, oder in einer Bar. Oh, was für eine Ironie: Für uns bedeutete Europa die Abwesenheit von kleinkarierten Gesetzen und Regeln, nicht ihre Zunahme. Wir lernten Spanier kennen und Niederländer, Finnen und Italiener. Aufschlussreich war, dass wir mit diesen jungen Ausländern mehr gemeinsam hatten als mit unseren Landsleuten. Wer wusste schon, dass Deutsche genauso sind wie wir? Wir Menschen sind wirklich alle gleich - nur die an der Macht sind anders. Es fühlte sich tatsächlich so an, dass die Nationalität keine Rolle spielte; es war lediglich ein Trick der Vergangenheit, ein Werkzeug für schlechte Herrscher, um Kritik umzulenken und den Menschen etwas zu geben, hinter das sie sich versammeln konnten. Manche sagen, du kannst Europa lieben, ohne die EU zu lieben. Für uns ist das falsch Und während die Briten Europa genossen, wurde Großbritannien selber europäischer, die Lebensmittel, die wir aßen, die Fußballspieler, denen wir zuschauten, die Klamotten, die wir trugen, die Autos, die wir fuhren, die Vorstandsvorsitzenden, die wir einsetzten, die Freundschaften, die wir schlossen, die Menschen, die wir heirateten. Supermärkte führten französische Käsesorten ein, italienische Schinken, Schaumweine und belgische Biere. Kulturell sind wir ziemlich angelsächsisch geblieben (trotz der Musik von Kraftwerk, den Romanen Houellebecqs und den Filmen von Kieślowski und Almodovar). Aber sozial sind wir mehr und mehr zu Europäern geworden. Das erste Haus, das ich kaufte, (ich gebe zu, im kosmopolitischen London) lag in einer Ecke, die wie ein Mini-Brüssel ohne das Manneken Pis war: Schweden in Hausnummer 2, Deutsche in Nr. 6, Portugiesen in Nr. 9, es gab Franzosen, Norweger, und uns. Es hat alles so interessant gemacht. Wir lebten irgendwo. Von wann an lief dann alles schief? Zurückblickend ist es klar, dass diese Europäisierung vielleicht nur für eine äußerlich fokussierte Minderheit von Belang war. Der Trend drehte sich in den 2000er- Jahren, obwohl es immer noch sehr schwer ist, genau zu sagen, warum. War es die Einwanderung? Die Wirtschaft? Elitäres Denken? Selbstgefälligkeit? Langeweile? Oder vielleicht waren auch einfach jene besser darin, die die Europäische Union kleinredeten als jene, die sie priesen. Manche sagen, Du kannst Europa lieben, ohne die EU zu lieben. Für meine Generation ist diese Sichtweise falsch. Es waren die Kameradschaft und die Brüderlichkeit, die die EU gefördert hat und die uns half, Europa zu entdecken und uns in es zu verlieben. Und das macht die Scheidung um so viel bitterer.
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-im-schlaf-bis-berlin-1.3428127
mlsum-de-558
Flüchtlingsboote sollen auf dem Weg von Nordafrika nach Europa gekentert sein. Die Rede ist von 300 bis 400 Opfern.
Flüchtlinge auf dem Mittelmeer in einem überfüllten Schlauchboot. Nun sind offenbar Hunderte auf der Überfahrt von Nordafrika nach Europa ertrunken. Im Mittelmeer hat es nach italienischen Angaben mehrere Hundert Tote bei einem Unglück mit Flüchtlingsbooten gegeben. Es habe sich eine Tragödie auf See ereignet, bei der offenbar mehrere Hundert Menschen ums Leben gekommen seien, sagte Präsident Sergio Mattarella am Montag. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg, nach seinen Informationen seien bei dem Versuch einer Überfahrt von Flüchtlingen mehr als 300 Menschen umgekommen. Die Boote hätten offenbar in Ägypten abgelegt. Der somalische Botschafter in Ägypten sagte BBC Arabic, es handle sich um etwa 400 Tote. Berichten zufolge stammen die Flüchtlinge aus Somalia, Äthiopien und Eritrea. Sie sollen in vier Booten unterwegs gewesen sein, die für die Überfahrt schlecht ausgerüstet waren. "Es ist sicher, dass wir es genau ein Jahr nach der Tragödie in libyschen Gewässern wieder mit einer Tragödie zu tun haben", sagte der italienische Außenminister Paolo Gentiloni. In der Nacht vom 18. auf den 19. April 2015 war ein überladenes Füchtlingsboot auf dem Weg von Libyen nach Italien gekentert. Nach UN-Angaben kamen damals 800 Menschen ums Leben. Bislang können weder die italienische noch die griechische Küstenwache die Berichte über das Unglück bestätigen. Auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat keine Informationen. Man überprüfe die Meldungen derzeit noch, heißt es auf Anfrage. Seit Jahresbeginn sind mehr als 24 000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet. Allein im März waren es mehr als 9000 Flüchtlinge - ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als im März 2283 Menschen in Booten nach Italien flohen. Die Zahl der Flüchtlinge, die die Überfahrt über das Mittelmeer wagen, steige zwar deutlich an, sagte der Sprecher des Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Dies könne aber nicht auf die Sperrung der Balkanroute zurückgeführt werden: Die meisten Flüchtlinge, die über das Meer kommen, stammten aus afrikanischen Ländern - überwiegend aus Nigeria.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/hunderte-tote-bei-bootsunglueck-im-mittelmeer-1.2954837
mlsum-de-559
Fünf Wachleute aus einem Asylbewerberheim in NRW stehen vor Gericht. Sie sollen Flüchtlinge verprügelt haben. Einblicke in ein System, in dem Eskalation programmiert ist.
Der Algerier springt vom Zeugenstuhl auf. Er packt den Mann, der seine Aussage aus dem Arabischen übersetzt, im Nacken, dreht ihm den Arm auf den Rücken und tut, als würde er ihm wieder und wieder in die Kniekehle treten. Der Zeuge ist aus seiner Heimat geflohen, in einem Gerichtssaal in Essen demonstriert er nun, wie ihn ein Wachmann in der örtlichen Asylbewerberunterkunft die Treppe herunter geprügelt haben soll. Vor dem Amtsgericht sind fünf ehemalige Sicherheitsleute im Alter zwischen 22 und 37 Jahren wegen gefährlicher gemeinschaftlich begangener Körperverletzung angeklagt. Es ist der erste größere Prozess, in dem die mutmaßliche Gewalt gegen Asylbewerber aufgearbeitet wird, die im September 2014 die Zustände in den Unterkünften zum landesweiten Thema machte. In den nordrhein-westfälischen Orten Bad Berleburg, Burbach und Essen sollen Wachmänner Flüchtlinge misshandelt haben. Die Privatisierung der Flüchtlingshilfe geriet in die Kritik, den Sicherheitsunternehmen wurde gekündigt. Gegen den Heimbetreiber European Homecare wird ermittelt. Das Unternehmen und Politiker versprachen bessere Kontrollen. Ellenbogen in den Magen - aus Notwehr, sagt der Angeklagte In Essen geht es um zwei Fälle. Einmal um das, was Zeuge H., 34, als Überfall schildert. Die Angeklagten erzählen etwas anderes: Ein Bewohner soll wegen einer Kleinigkeit Hausverbot für mehrere Stunden erhalten haben. Als er kurz darauf im Zimmer seines Freundes H. erwischt worden sei, mit einem Joint in der Hand, sei dieser sofort auf die Wachleute losgegangen. Der Angeklagte Christopher K. gesteht: "Ich hab' ihm mit dem Ellenbogen in die Magengegend gegeben." Das sei aber Notwehr gewesen. "Eine Lüge!", ruft der Zeuge H.. Er selbst habe die Zimmertür geöffnet und sofort Faustschläge gegen den Brustkorb bekommen. "Alles an der Brust war blau." Im zweiten Fall zwei Tage später wollte ein marokkanischer Bewohner vergeblich Kaffee aus der bereits geschlossenen Kantine. Weil er sich beim Heimleiter beschwert habe, hätten ihn die Wachleute verprügelt und dann getreten, als er schon auf dem Boden lag. Die behaupten dagegen, sie seien von ihm als Faschisten beschimpft und mit Steinen attackiert worden. Die Bewohner empfinden die Wachleute als Besatzungsmacht Die Angeklagten schildern auch ihren Alltag: Neun Euro die Stunde verdienten sie, fünf Wachmänner seien für 400 Bewohner zuständig gewesen. Einer sagt, er habe schon in mehreren Asylbewerberheimen gearbeitet. Aber die Essener Einrichtung sei "extrem" gewesen: "Dort haben die Bewohner mehr dominiert als das Personal." Die Angeklagten seien nicht ausländerfeindlich, sagt ein Verteidiger. In der Tat wirken sie nicht wie typische Vertreter der rechten Szene. Einer ist arabischstämmig, einer Pole, einer Belgier mit tschetschenischen Wurzeln, einer ein in Kiew geborener Deutscher. Der fünfte trägt ein Tattoo auf dem Handrücken: Hammer und Sichel. Heute sind sie arbeitslos, machen eine Ausbildung zum Tankwart oder arbeiten weiter bei Sicherheitsdiensten - nur nicht in Flüchtlingsheimen. Die Richterin wirkt skeptisch. Sie wundert sich, dass der Zeuge H. sich nicht mehr an Schläge gegen seinen Kopf erinnert, die er 2014 zu Protokoll gegeben hat. Zudem ordnete er vor Gericht ein Vergehen einem anderen Wachmann zu als noch vor einem Jahr. Als die Richterin ihn bittet, die Szene auf der Treppe zu beschreiben, bringt er einen überraschenden Vergleich: "wie ein Israeli und ein Palästinenser". Zurück bleiben verstörende Eindrücke aus einem Asylbewerberheim in Deutschland 2014: Wachmänner, die sich völlig überfordert fühlen, und Bewohner, die diese Wachmänner empfinden wie eine Besatzungsmacht.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gewalt-in-fluechtlingsheimen-ich-hab-ihm-mit-dem-ellenbogen-in-die-magengegend-gegeben-1.2615039
mlsum-de-560
Florian Niederlechner und Bekim Shabani galten in der Jugend als ähnlich talentierte Stürmer, doch zum Profi schaffte es nur einer. Von zwei unterschiedlichen Karrieren.
Man kann problemlos eine Geschichte über Freiburgs Erstliga-Angreifer Florian Niederlechner erzählen, in der Bekim Shabani nicht vorkommt. Aber in einer Geschichte über den Bezirksliga-Fußballer Bekim Shabani sollte dringend Florian Niederlechner erwähnt werden. Und man sollte dafür kurz ins Jahr 2009 zurückblenden, als die Wege der beiden so plötzlich auseinanderliefen. Shabani war 18, als er damals zum Landesligisten Falke Markt Schwaben kam, Niederlechner 17. Die beiden Angreifer hatten viel gemeinsam: Sie hatten mit ihren Toren für den TSV Ebersberg Seite an Seite die Jugend-Kreisliga aufgemischt. Alle beide galten als hoch veranlagt, sie wagten miteinander den großen Sprung in die Männer-Landesliga. "In Markt Schwaben werden sie verheizt - hier könnten sie sich vernünftig weiterentwickeln", fürchtete Ebersbergs Jugendleiter Martin Schedo. Verheizt wurde keiner. Beide bekamen ihre Einsätze, beide überzeugten. Niederlechner, der schlitzohrige Knipser, dem es an Fitness fehlte, der einige Kilo zu viel mitbrachte; und Shabani, ein wendiger, technisch versierter Athlet, der schon in jungen Jahren einen Körper hatte, wie man ihn später bei Xherdan Shaqiri sah. Niederlechner blieb ein zweites Jahr, dann ging es für ihn weiter - und stetig bergauf: Ismaning, Unterhaching, Heidenheim, Mainz, Freiburg. Er ist nun mittendrin im Millionengeschäft Fußball. Vor Wochenfrist erzielte er zum 2:1-Sieg bei Eintracht Frankfurt beide Freiburger Treffer, seine Saisontore sechs und sieben. "Jeder seiner Schritte war richtig", glaubt Anton Bobenstetter, der ihn damals beim FC Falke trainierte. "Eine richtige Aktion zur richtigen Zeit, und plötzlich bist du drin" Shabani kehrte nach einem Jahr ohne Torerfolg zum Bezirksligisten TSV Ebersberg zurück. Er hatte einen Leistenbruch, bekam Rückenprobleme. "Jetzt muss ich wieder von null anfangen", klagte er. Erst vier Jahre danach sollten ihm doch noch ein paar Landesliga-Treffer gelingen, elf, im Trikot des SV Türkgücü-Ataspor. Doch im Sommer 2014, als Niederlechner mit Heidenheim in Liga zwei aufstieg, wechselte Shabani zum TSV Haag, Kreisklasse. In der neunten Liga wollte er mit seinem Bruder kicken. Aktuell ist er Torjäger des Bezirksliga-Zweiten VfB Forstinning, immerhin. In bislang 15 Einsätzen traf er zehn Mal. An diesem Samstag, während Niederlechner auf Hoffenheim trifft, endet für Shabanis Team die Winterpause mit einem Gastspiel in Kolbermoor. "Ich bin superglücklich hier", erzählt er, "alles ist super organisiert. Ich habe hier Freunde gefunden, und meine Eltern sind bei jedem Spiel dabei." Shabani mag das. Er ist jetzt 27, er zählt damit zu den Älteren im Kader. Bobenstetter freut sich, dass sein ehemaliger Schützling wieder Erfolg hat. Zu jener Zeit, als Niederlechner und Shabani nach Markt Schwaben kamen, hatte sich der ewige Erfolgscoach des Regionalliga-Dorfklubs TSV Buchbach eine dreijährige Auszeit von seinem Heimatverein genommen, um bei Falke etwas aufzubauen. Für Niederlechners erstaunlichen Werdegang, sich ohne Ausbildung in einem Topklub bis in die erste Liga emporzuarbeiten, hat er eine simple Erklärung: "Weil ich sein erster Seniorentrainer war!" Wann immer Niederlechner heute ein Tor schießt, werde das im Hause Bobenstetter bejubelt und mit einem Glas Rotwein gefeiert, erzählt der Trainer. "Ich bin schon glücklich, dass er damals zu mir gekommen ist." Detailansicht öffnen Vor acht Jahren stürmten Florian Niederlechner (l.) und Bekim Shabani noch gemeinsam für Falke Markt Schwaben. Und heute? (Foto: Andreas Liebmann) Natürlich gibt es an der scherzhaften Erklärung des 55-Jährigen einen Haken: Shabani. Auch für ihn war er ja der erste Trainer bei den Männern. Und Shabani ist vom Millionengeschäft Fußball heute Millionen Lichtjahre entfernt. Bei 18-Jährigen könne man nie genau wissen, wie weit sie kämen, sagt Bobenstetter, und natürlich gibt es sogar reichlich ehemalige Jugend-Nationalspieler, die es doch nie zu den Profis schaffen. "Aber es stimmt schon", sagt Bobenstetter: "Diese beiden sind ein besonders krasses Beispiel, weil sie damals wirklich nicht weit auseinander waren." Ein krasses Beispiel also, wieso es ein Talent bis ganz nach oben bringt, und viele andere nicht. Wie viel Glück dazugehört, im rechten Moment fit zu sein oder einen Trainer auf seiner Seite zu wissen. Oder den Ball vielleicht einfach eine Schnürsenkelbreite anders zu treffen. Shabani etwa, der auch deshalb ein wenig an Shaqiri erinnert, weil er überraschend wuchtig aus der Distanz schießen kann, traf während seiner Saison für Falke mehrmals ästhetisch wertvoll die Latte - ein Erfolgserlebnis blieb ihm verwehrt. Während er den Schritt zurückging, entwickelte sich Niederlechner von Station zu Station weiter, lernte dazu, achtete auf seinen Körper, wurde professioneller und athletischer. Ob es Shabani ähnlich ergangen wäre?
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-einer-bundesliga-einer-bezirksliga-1.3414162
mlsum-de-561
Jürgen Klinsmann ruft US-Chefs auf, den Mitarbeitern frei zu geben. Der Argentinier Ezequiel Lavezzi verpasst seinem Trainer Alejandro Sabello eine Wasserdusche. Laut Medienberichten bleibt Vicente Del Bosque Trainer der spanischen Nationalmannschaft.
USA, Jürgen Klinsmann: Nationaltrainer Jürgen Klinsmann hat die US-Bürger mit einer humorvollen Aktion zur bedingungslosen Unterstützung des amerikanischen Teams gegen Deutschland aufgerufen. "Braucht Ihr ein Schreiben, um am Freitag nicht zur Arbeit zu müssen?" twitterte Klinsmann wenige Stunden vor der Partie am Donnerstag in Recife. Zu seinem Tweet postete der 49-Jährige ein Entschuldigungssschreiben zum Selbstausfüllen: "Bitte entschuldigen Sie ... bei der Arbeit am Donnerstag, 26. Juni", heißt es in der handschriftlichen Notiz. "Ich kann verstehen, dass die Abwesenheit die Produktivität ihrer Firma verringert, aber ich kann versichern, dass es für einen guten Zweck ist. Das US-Team bestreitet ein kritisches WM-Spiel gegen Deutschland, und wir brauchen die volle Unterstützung der Nation, wenn wir in die nächste Runde kommen wollen. Mal davon abgesehen: Sie sollten sich auch wie ein guter Chef verhalten und den Tag auch frei machen. Go USA!" Neben Klinsmanns Unterschrift ist noch ein Feld frei: "Signatur zur Genehmigung", heißt es darutner. Gegen Deutschland benötigen die Amerikaner ein Unentschieden, um sicher in das Achtelfinale bei der WM in Brasilien einzuziehen. Argentinien, Ezequiel Lavezzi: Keine Lust auf taktische Anweisungen hatte offenbar der Argentinier Ezequiel Lavezzi. Während im Trainer Alejandro Sabello seine Aufgaben auf dem Spielfeld mitteilte, spritze Lavezzi mit seiner Trinkflasche kurzerhand Wasser auf seinen Coach. Die Aktion schiend Sabello jedoch nicht zu beeindrucken, er setzte die Anweisungen fort. Spanien, Vicente Del Bosque: Trotz des frühen Scheiterns von Titelverteidiger Spanien bei der Fußball-WM bleibt Nationaltrainer Vicente Del Bosque einem Medienbericht zufolge im Amt. Der 63-Jährige werde seinen bis 2016 laufenden Vertrag erfüllen und den Neuaufbau der "Selección" in Angriff nehmen, berichtete das Sportblatt As am Donnerstag unter Berufung auf den spanischen Fußballverband. Die Entscheidung solle zum Ende des WM-Turniers offiziell bekanntgegeben werden. Del Bosque hatte seine Zukunft nach dem 3:0 im abschließenden Vorrundenspiel gegen Australien zunächst offen gelassen. Uruguay, Diego Lugano: Uruguays Kapitän Diego Lugano hat sich nach der mutmaßlichen Beißattacke von Luis Suárez erneut vor den Torjäger des WM-Achtelfinalisten gestellt. In einem Interview des britischen Senders BBC erklärte Lugano zum möglichen Biss in die Schulter des Italieners Giorgio Chiellini, die Fernsehbilder würden nichts zeigen. Auf die Frage, was er zum Zwischenfall während des 1:0-Sieges am Dienstag meine, fragte der momentan verletzte Innenverteidiger zurück: "Welcher Zwischenfall? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Sprechen Sie über die Nationalmannschaft oder die Premier League? Haben Sie etwas gegen Luis?" Lugano fügte hinzu, er wisse nicht, warum der Weltverband Fifa ein Verfahren eingeleitet habe. Die TV-Bilder würden nur eine Annäherung von Suárez, aber nichts Bedeutsames zeigen. Der Innenverteidiger von West Bromwich Albion vermutet eine Kampagne der britischen Medien gegen Suárez. Chiellini hatte er bereits zuvor als "Heulsuse" tituliert. Japan, Rücktritt: Der japanische Fußball-Nationaltrainer Alberto Zaccheroni ist einen Tag nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Brasilien zurückgetreten. Das gab der 61-jährige Italiener am Mittwoch laut Medienberichten bekannt. Mit nur einem Punkt hatten die Japaner nur den letzten Platz der Gruppe C belegt. Zaccheroni hatte die Japaner seit 2010 betreut und war mit ihnen 2011 Asienmeister geworden. In seiner Heimat wird Zaccheroni bereits als neuer Nationalcoach der Azzurri gehandelt, nachdem Cesare Prandelli am Dienstag seinen Rücktritt erklärt hatte. Ghana, Prämien: Dank der Vermittlung von Staatspräsident John Mahama ist der Prämienstreit beim deutschen WM-Gruppengegner Ghana beigelegt. Wie der ghanaische Verband offiziell auf seiner Internetseite verkündete, seien die offenen Beträge am Mittwochnachmittag an die Spieler um den Schalker Kevin-Prince Boateng ausgezahlt worden. Sportminister Joseph Yamin bestätigte, dass das Geld per Flugzeug nach Brasilien gebracht wurde. "Die Spieler haben ihr Geld erhalten", sagte Yamin. Die Regierung hatte das Geld vorgestreckt, der Verband will es zurückzahlen, wenn er die Preisgelder vom Weltverband Fifa erhält. Pro Spieler soll es sich laut Medienberichten um eine Antrittsprämie von 75.000 Dollar handeln, insgesamt seien demnach mehr als 3 Millionen Dollar nach Brasilien geschickt worden. Vor Beilegung des Streits hatten die Akteure des viermaligen Afrikameisters für ihr abschließendes WM-Vorrundenspiel am Donnerstag (18.00 Uhr MESZ/ZDFinfo) in Brasília gegen Portugal sogar mit Streik gedroht. Ghana benötigt nach der Niederlage gegen die USA (1:2) und dem Punkt gegen Deutschland (2:2) unbedingt einen Sieg und deutsche Schützenhilfe, um doch noch das Achtelfinale zu erreichen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/juergen-klinsmann-klinsmann-schreibt-us-fans-entschuldigung-1.2017692
mlsum-de-562
Die Zwei-Stunden-Marke im Marathon hält noch. Der Versuch, sie in Monza zu unterbieten, war aber eher Marketing als Leistungssport.
Eine Frage hat die Läufer weltweit in Atem gehalten in den vergangenen sechs Monaten: Ist es möglich, einen Marathon in weniger als zwei Stunden zu bewältigen? Seit Samstagmorgen weiß man: nein. Zumindest nicht zu Fuß. Am Samstagmorgen brachte der Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia auf der Formel-1-Rennstrecke von Monza (Italien) die 42,195 Kilometer in 2:00:25 Stunden hinter sich. Das ist zwar die mit Abstand beste Zeit, die je gestoppt worden ist, aber als Weltrekord führt der Leichtathletik-Weltverband IAAF weiterhin die 2:02:57 Stunden, die der Kenianer Dennis Kimetto 2014 in Berlin gerannt ist. Das führt zu weiteren Fragen, die der Lauf Kipchoges in Monza nach sich zieht: War das Sport? Oder kann das weg in die Schubladen mit den Aufschriften "Menschenversuche" und "Werbekampagnen"? Auch darauf gibt es eindeutige Antworten: nein und ja. Bloß weil sich jemand schnell bewegt, ist das noch kein Sport. Im See zu kraulen, übers Land zu radeln oder durch den Park zu joggen, sind erst mal nur Freizeitbeschäftigungen; von Sport spricht man im allgemeinen erst dann, wenn ein Wettkampfcharakter dazukommt, also Gegner, Regeln, Zuschauer. Die waren in Monza eingeschränkt, quasi handverlesen: Der amerikanische Sportartikelhersteller Nike hat sie ausgesucht. Der Lauf war eine Art Laborversuch. Aber schließt das auch Dopingkontrollen ein? Die US-Firma hat das Spektakel im vergangenen Dezember angekündigt und seitdem unter dem Begriff "Breaking2" vermarktet. Die Zwei-Stunden-Marke im Marathon gilt als die letzte markante Grenze in der Leichtathletik. Um sie zu durchbrechen, hatte Nike drei Läufer ausgewählt. Neben Eliud Kipchoge den Halbmarathon-Weltrekordler Zersenay Tadese aus Eritrea sowie den früheren WM-Zweiten Lelisa Desisa aus Äthiopien; alle stehen bei Nike unter Vertrag. Darüber hinaus wurden alle möglichen Wissenschaftler beschäftigt, um das Rennen zu optimieren. Als Kurs wurde eine Flachstrecke ohne scharfe Kurven bestimmt, die zum Abbremsen zwingen. Sechs Tempomacher wurden dem Trio als Speerspitze vorausgeschickt. In deren Windschatten sollten Kipchoge und Co. Kraft sparen. Zudem wurden die Vorläufer nach jeder der 2,4-Kilometer-Runden ausgewechselt, um das Tempo hochzuhalten. 42,195 Kilometer in weniger als zwei Stunden zu schaffen, bedeutet ja: jeden einzelnen Kilometer in 2:51 Minuten zu rennen, jede 100 Meter in 17 Sekunden. Es gab noch andere Maßnahmen, die dazu dienten, Zeit zu sparen, die aber nicht im Einklang standen mit den Wettkampfregeln der IAAF. Von Laborbedingungen war die Rede, was in der mit Doping-Problemen belasteten Leichtathletik doppeldeutig zu verstehen ist. Dass Nike seine Läufer von einer unabhängigen Institution auf unerlaubte medizinische Mittel kontrollieren ließ, ist jedenfalls nicht bekannt. Das spielt aber auch keine Rolle für Nike. Dem Unternehmen ging es bei der angeblich 30 Millionen Euro teuren Aktion erkennbar um eine Signalwirkung, einen symbolischen Akt. Der 6. Mai wurde nicht zufällig für das Experiment ausgesucht: Am 6. Mai vor 63 Jahren hatte der Brite Roger Bannister als Erster die Vier-Minuten-Marke über die Meile (1 609 Meter) unterboten - ein historisches Ereignis in der Leichtathletik. Daran wollte Nike anknüpfen. Die Firma betont, dass ihr neuer Laufschuh den Regeln entsprach. Doch die sind vage. "Ich habe gezeigt, dass es möglich ist, den Marathon unter zwei Stunden zu laufen. Wir sind nur noch 25 Sekunden entfernt. Mit einer guten Vorbereitung und einer guten Planung sind die herauszuholen", sagte Kipchoge trotz des gescheiterten Durchbruch-Versuchs. Seine Mitläufer Tadese (2:06:51) und Desisa (2:14:10) waren schon früh hinter den Zeitplan zurückgefallen. "Als Mensch bist du keine Maschine", fügte Kipchoge an. Nike-Chef Mark Parker feierte das Misslingen anschließend als eine "globale Inspiration", und er dürfte damit sogar Recht haben. Der deutsche Rekordhalter Arne Gabius, der als Augenzeuge eingeladen war, sagte danach jedenfalls zur Deutschen Presse-Agentur: "Das ist pure Motivation für alle Marathonläufer und auch mich." Dazu passt, dass die Sportartikelfirma für dieses Rennen einen neuen Laufschuh entwickelt hat, der allerdings wegen seiner federnden und deshalb leistungsfördernden Wirkung umstritten ist in der Szene. Nike betont, dass der Schuh den Regeln der IAAF entspreche, doch deren Vorgaben sind da vage. In jedem Fall bringt die US-Firma ihr neues Schuhmodell im Juni auf den Markt, in der Hoffnung, dass es bei all den ambitionierten Freizeitläufern zum Renner wird: Auch wenn Eliud Kipchoge die Zwei-Stunden-Barriere nicht bewältigt hat, so ist er ja doch deutlich schneller gewesen als bei seiner bisherigen, offiziellen Bestzeit, die bei 2:03:05 Stunden liegt. Ansonsten darf man gespannt sein, wie es mit dem Angriff auf den Zwei-Stunden-Marathon weitergeht. Außer Nike forscht auch der britische Sportwissenschaftler Yannis Pitsiladis unter dem Slogan "sub2hrs" daran, ob und wie ein Mensch so schnell rennen kann. Angeblich betreibt der deutsche Sportartikelhersteller adidas ebenfalls ein entsprechendes Projekt. Die Franken werden ihre Führungsrolle in diesem Rennen nicht kampflos abgeben: Die letzten offiziell anerkannten Marathon-Weltrekorde sind alle in ihren Schuhen gelaufen worden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/marathon-gezielter-angriff-auf-die-letzte-grenze-1.3494741
mlsum-de-563
Der türkische Präsident regiert nach dem Putschversuch per Dekret und hat Tausende festnehmen lassen. Kritik daran weist er zurück - und macht westlichen Staaten Vorwürfe.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass er in seinem Land nach Alleinherrschaft strebe. "Ich bin kein Despot oder Diktator", sagte Erdoğan dem Sender Al-Jazeera. Er übe kein Recht aus, das ihm vom türkischen Volk nicht zuvor verliehen wurde, sagte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Der Staatschef kritisierte westliche Staaten erneut scharf. "Der Westen hat uns nicht gezeigt, dass er gegen den Putsch ist", sagte Erdoğan. "Ihr Schweigen ist unentschuldbar." Nach dem gescheiterten Putschversuch von Teilen des Militärs hat Erdoğan Zehntausende Menschen festnehmen lassen, suspendiert oder ihre Pässe einziehen lassen. Der Präsident hat den Notstand ausgerufen und regiert per Dekret. Einer der Beschlüsse erlaubt es, Verdächtige ohne Anklage 30 statt wie bisher vier Tage festzuhalten. Menschenrechtsorganisationen und Oppositionspolitiker kritisieren, dass die Gefängnisse schon vorher vollkommen überfüllt gewesen seien. Durch die etwa 12 000 Festnahmen nach dem Putschversuch habe sich das Problem verschärft. Berichten zufolge müssen die Gefangenen teilweise in Schichten schlafen, weil es nicht genug Betten gibt. Der Präsident hat zudem angekündigt, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen. Die Türkei galt bislang als wichtiger Partner der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation. Die Bundesregierung hatte den Putschversuch kritisiert. Allerdings galt die Unterstützung nicht Erdoğan persönlich, sondern dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-erdogan-ich-bin-kein-diktator-1.3111082
mlsum-de-564
Was macht ein Verein, wenn die Zinsen wie jetzt extrem niedrig sind? Renovieren, zum Beispiel.
Günter Lang gibt das Geld aus. Nicht, weil er übermäßig viel hätte, es liegt viel eher am Niedrigzins. Überhaupt beschäftigt er sich gerade verstärkt mit Darlehen, Anleihen und Renditen. Finanzverwalter? Ist er nicht. Er ist Vorsitzender der Turner-Alpen-Kränzchen, eines Vereins mit etwa 2000 Mitgliedern. Seit Jahren bleiben dessen Einnahmen in etwa gleich. Seit einiger Zeit aber hat Günter Lang ein Problem: die niedrigen Zinsen. Die Zinsen für sichere Geldanlagen dümpeln gerade bei Null. Darunter leiden nicht nur Privatpersonen. Es betrifft auch Vereine. "Wir dürfen mit dem Geld nicht pokern", sagt Lang. Soll heißen: Er darf kein Risiko eingehen. Die meisten Aktien scheiden deshalb für die Turner-Alpen-Kränzchen aus, ebenso andere spekulative Anlagen. Zumal der Verein immer mal wieder Geld braucht und deshalb größere Summen nicht langfristig anlegen kann. Die Turner-Alpen-Kränzchen, kurz Kranzl, sind eine von 355 Sektionen innerhalb des Deutschen Alpenvereins (DAV). Wer sich hier anmeldet, kann Kurse belegen im Langlauf und Eisklettern, er kann lernen, wie man sicher fällt, wenn das Mountainbike am Hang abdriftet. Der Verein bietet Skitouren an, die Mitglieder bauen marode Berghütten um und befestigen Alpenwege. Finanziert werden dieses Angebot und die Arbeit des Vereins über Beiträge, 72 Euro zahlt jedes der 2000 Mitglieder im Jahr. Wer kein Mitglied ist, zahlt Gebühren für den jeweiligen Kurs. Zusammen mit Spenden und Geld aus einer Stiftung nahmen die Turner-Alpen-Kränzchen im vergangenen Jahr mehr als 380 000 Euro ein. Geld, das angelegt werden will. Geld, das sich vermehren soll. Detailansicht öffnen Die Einnahmen der Turner-Alpen-Kränzchen lagen fest bei der Bank. Jetzt denkt Günter Lang um. (Foto: oh) Günter Lang hat das Haushalten schon als Kind gelernt. Er trug Zeitungen aus, er sammelte Tennisbälle ein, er fuhr Einkaufswägen zurück. Die paar Mark, die er hierfür bekam, sparte er. Bei der Bank bekam Lang Zinsen, nicht viel, aber irgendwann reichte es, um sich eine Musikanlage kaufen zu können. Da war er 15. Und interessierte sich mehr für die Dire Straits und Wolfgang Ambros als dafür, sich an Seilen einen Fels hinab zu hangeln oder mit Eispickeln Gletscher hoch zu kraxeln. Erst Mitte 30, die Knie waren vom Squash lädiert, die Ellenbogen vom Badminton geschunden, zog es ihn raus in die Berge. Und zu den Turner-Alpen-Kränzchen. Jetzt ist er 50. Und Zinsrechnung ist wieder ein Thema. Die Einnahmen der Turner-Alpen-Kränzchen hatten Lang und der Schatzmeister lange Zeit auf einem Tagesgeldkonto bei einer Bank angelegt. Sie ließen sich beraten, sie verglichen die anfallenden Gebühren. Sie eröffneten Konten, sie schlossen sie wieder. Sie wollten schließlich dafür belohnt werden, dass sie das Geld eben nicht sofort wieder ausgeben. Tatsächlich lag ihr Zinsertrag 2007 bei 14 000 Euro. 2015 waren es nur noch 40 Euro. Menschen, die ihr Erspartes längerfristig anlegen wollen und das nicht bei einer Bank, können ausweichen. Sie können Gold kaufen oder in ein Apartment in der Münchner Innenstadt investieren. Auch Anlagen, die Risiken bergen, sind eine Option. Für einen gemeinnützigen Verein wie die Turner-Alpen-Kränzchen gilt das eben nicht. Was also tun? Leben mit dem Niedrigzins Die niedrigen Zinsen verändern unser Leben. In dieser Serie beschreibt die SZ immer montags, wie Menschen im Alltag damit umgehen. "Wir investieren", sagt Lang. Gerade jetzt sei eine gute Zeit, um das Geld zu nutzen - und an Bedarf mangele es ohnehin nie. Die Mitglieder der Turner-Alpen-Kränzchen haben also das Rotwandhaus in den Bayerischen Voralpen renoviert, besserer Brandschutz, neue Toiletten, die Küchengeräte sind jetzt alle aus Edelstahl. 2,7 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. Ihr nächstes Projekt ist die Gruttenhütte auf der Südseite des Wilden Kaisers. Lang zeigt ein Foto, schneebedeckte Berge, im Vordergrund drei Häuser. Eines davon hat eine Lawine weggeschoben, zwei sind nicht an die Kanalisation angeschlossen. Die Männer und Frauen werden helfen, die Wände einzureißen, neu hochzuziehen und zu malern. Der Umbau soll 1,6 Millionen Euro kosten. "Für uns ist das letztlich auch eine Form der Geldanlage", sagt Lang, "vielleicht sogar die sinnvollste." Denn nur wenn die Hütten intakt sind, kann der Verein sie für Wandertouren nutzen. Und nur dann kommt er an Geld, weil er für Übernachtungen etwas berechnen kann. Der Dachverband des DAV bezuschusst solche Aktionen zwar in Form von Darlehen, dennoch dürfte das Ersparte des Vereins nach dem Umbau der Gruttenhütte fast aufgebraucht sein. Und dann? Lang schaut zu seinem Schatzmeister, der lacht. "Wenn wir wieder eine nennenswerte Summe zusammen haben, suchen wir das Gespräch mit den Banken", sagt er. Bis dahin wird weiter renoviert.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leben-mit-dem-niedrigzins-ausgeben-was-auf-dem-konto-liegt-1.3010026
mlsum-de-565
Auf der Insel im Westpazifik vertraut man auf das ansässige US-Militär, das dort Langstreckenbomber und U-Boote stationiert hat.
Sie kennen das schon in Guam. Drohungen vom Mann in Nordkorea. Nicht, dass die Bewohner der Insel im Westpazifik deswegen gleich in Panik gerieten. Wer sich kürzlich auf der Insel umhörte, stieß überall auf recht große Gelassenheit. Und manchmal auch auf Galgenhumor. "Was soll man sonst auch machen?", sagte Paul Connolly, Amerikaner irischer Abstammung, der auf Guam in der Flugzeugbranche arbeitet. "Wir können ja nur darauf vertrauen, dass uns das US-Militär schützt." Mitte August also, als Kim Jong-un gerade seine schlimmste Drohung gegen Guam ausgestoßen hatte, postete Connolly das Foto einer Wolke an seine Freunde. Am Tag danach erzählte er immer noch stolz von seinem Bild, er habe ja unheimliches Glück mit diesem Schnappschuss gehabt. Klar hatte er das noch auf seinem Smartphone gespeichert. "Sieht dieser Atompilz nicht einfach wunderbar aus?", rief er, als er in einer Kneipe sein allabendliches kühles Bier die Kehle hinunter laufen ließ. Es war natürlich nur eine sehr dunkle Gewitterwolke in der Abendsonne, die er am Tag, als Kim zuschlagen wollte, direkt vor seinem Haus aufnahm. Und jetzt, nur wenige Tage später? Die Drohungen aus Pjöngjang hören nicht auf, gerade ließ Kim die Welt wissen, dass die Rakete, die er über Japan hinwegfliegen ließ, nur ein "erster Schritt" seiner militärischen Einsätze im Pazifik sei und dass er Guam in Schach halten wolle. Auf der Insel versteht man diese Bemerkung schon so, dass er immer noch auf das US-Territorium zielt, das für die USA von großer strategischer Bedeutung ist. Einst mussten es die Spanier nach verlorenem Krieg 1898 an die Amerikaner abtreten. Während des Zweiten Weltkrieges verlor Washington die Insel dann kurzzeitig an Japan, dessen Truppen eine Schreckensherrschaft auf Guam errichteten, bis US-Truppen das Gebiet schließlich zurückeroberten. Seither gilt Guam als wichtigster US-Brückenkopf im Westen des Pazifiks. Von hier aus starten B-1-Langstreckenbomber und im Südwesten der Insel besitzt die US-Navy einen U-Boot-Stützpunkt. Auch die Touristen lassen sich nicht abschrecken. Letztes Jahr kamen eineinhalb Millionen 160 000 Bewohner hat Guam, ein buntes Gemisch aus Ureinwohnern, die vor mehr als 3000 Jahren aus Südostasien mit Booten die Insel erreichten, und späteren Zuwanderern; Spaniern, Amerikanern, Philippinern. 7000 US-Soldaten leisten auf Guam ihren Dienst. Und weil die Insel so viel militärisches High-Tech besitzt, haben die meisten Vertrauen darauf, dass die US-Streitkräfte eine Rakete aus Nordkorea in jedem Fall rechtzeitig abfangen und zerstören könnten. "Ich jedenfalls kann immer noch ruhig schlafen, unser Militär hat das im Griff", sagt Marcus Guerrero, der in einem Hotel in Tumon Bay arbeitet und wie alle dort weiß, dass so eine Rakete aus Nordkorea 14 Minuten bräuchte, um die Insel zu erreichen. "Das muss reichen, um sie vorher runterzuholen", sagt Guerrero. In Tumon jedenfalls brummt der Tourismus, vor allem Urlauber aus Japan und Südkorea suchen dort Sonne und Strand. Die Zahl der Besucher steigt seit Jahren stetig an, 2016 kamen mehr als 1,5 Millionen auf die 51 Kilometer lange und 13 Kilometer breite Insel. Häufig sind es Familien mit kleinen Kindern, die sich auch im August nicht abschrecken ließen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/guam-keine-angst-vor-pjoengjang-1.3646546
mlsum-de-566
Südkorea möchte reden. Aber Nordkorea geht nicht ans Telefon. Das Regime von Kim Jong-un spielt auf Zeit.
Kim Jong-un macht es dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in nicht leicht, sich für den Frieden einzusetzen. Für Freitag hatte Südkorea dem Nachbarland im Norden Gespräche zur militärischen Entspannung angeboten. Pjöngjang aber reagierte nicht. Derweil höhnte die Parteizeitung Rodong Sinmun, es sei "Unsinn", dass Seoul bessere Beziehungen wolle. Es setze seinen Konfrontationskurs fort und gebe "seine Abhängigkeit von den USA nicht auf". Kurz zuvor veröffentlichte Pjöngjangs Propaganda ein Video von der 27-jährigen Nordkoreanerin Lim Ji-hyun, die 2014 nach Südkorea geflohen war, wo sie bald als Überläuferin prominent wurde. Im Video behauptet sie nun, sie habe sich vorgestellt, "in Südkorea würde ich gut essen, gut leben und viel Geld verdienen. Aber Südkorea war eine tägliche Hölle". Zu allem, was sie im Süden gegen Nordkorea sagte, sei sie gezwungen worden. Ungeachtet der Propaganda ist ein südkoreanischer Präsident, der Jungdiktator Kim mehr entgegenkommt als Moon, derzeit kaum vorstellbar. Nach zwei Hardlinern im Blauen Haus in Seoul, dem Amtssitz, sucht Moon mit seiner Friedensinitiative die sogenannte Sonnenscheinpolitik wiederzubeleben, das Tauwetter der Nullerjahre, für das Seoul Nordkorea großzügig belohnte. Allerdings soll die Moonlight-Politik, wie die neue Initiative genannt wird, mit Druck gepaart werden. Detailansicht öffnen Er versucht es mit Mondlicht: Südkoreas Präsident Moon Jae-in. (Foto: AP) Südkoreas Experten waren daher nicht überrascht, dass die seit Jahren unbenutzte militärische Hotline stumm blieb, über die der Norden am Freitag die Gespräche hätte akzeptieren sollen. Pjöngjang hat ähnliche Angebote nie direkt angenommen, sondern sie verschleppt, und versucht, größere Zugeständnisse herauszuholen. Das dürfte es auch diesmal, angesichts kommender Gespräche des Militärs und geplanter Verhandlungen zur Zusammenführung von im Koreakrieg getrennten Familien. Pjöngjang wird sich fragen, wie viel Moon bereit ist, für ein Entgegenkommen des Nordens zu geben. Da Kims Regime keine Zukunft hat und deshalb keine wirkliche Veränderung will, versucht es, den Status quo möglichst lange hinauszuzögern, vielleicht noch Jahre. Die Moonlight-Politik jedenfalls kann nicht willkommen sein, denn jegliche Öffnung gilt dem Regime als Bedrohung. Nicht nur für Kim und seine Kamarilla. Sondern für die ganze Elite Nordkoreas, die ihre Privilegien verlieren würde, die ihnen Kim in den vergangenen Jahren bescherte. An diese Elite geht auch Lims Video-Botschaft: Im Süden ist es nicht besser. Unklar ist, ob die junge Frau freiwillig zurückging. Oder ob Agenten Pjöngjangs sie in China kidnappten, wie in Seoul vermutet wird. Unabhängig davon dürfte sie zum Propaganda-Auftritt gezwungen gewesen sein, um sich möglicherweise vielen Jahren Arbeitslager zu entziehen. 30 000 Flüchtlinge aus Nordkorea leben in Südkorea, viele von ihnen isoliert. Seoul bietet zwar Crash-Kurse an, in denen sie den Alltag im Süden kennenlernen. Aber die Gesellschaft kümmert sich kaum um ihre Integration. Nur wenigen gelingt eine Karriere als Berufs-Nordkoreaner in den Medien oder in Nordkorea-kritischen Menschenrechtsgruppen. Christoph Neidhart Kim Jong-un, oder die Clique hinter ihm, hat die Wirtschaftslage verbessert, zumindest für die Elite in Pjöngjang. Um die Macht seines Regimes zu konsolidieren, braucht er Stabilität, auch nach außen. Er meint, diese mit militärischer Abschreckung zu erreichen. Moon dagegen will, wie er sagt, den permanenten Frieden auf der koreanischen Halbinsel. Das wirft in Pjöngjang die Frage auf, wie weit es der Stabilität des Regimes dient, wenn Nordkorea auf Moon zugeht - und wann es gefährlich wird
https://www.sueddeutsche.de/politik/koreanische-halbinsel-anruf-abgelehnt-1.3597941
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Gegen Darmstadt wünscht sich Trainer Weiler mehr Konsequenz im Abschluss. Am Montag stehen bei der Aufsichtsratssitzung wegweisende Entscheidungen an.
An diesem Freitagabend (18.30 Uhr) tritt der 1. FC Nürnberg gegen den SV Darmstadt 98 an, und dabei geht es nicht etwa für den fränkischen Bundesliga-Absteiger noch um Punkte für den Aufstiegskampf, sondern für die aus der dritten Liga gekommenen Hessen, die sich derzeit auf Rang drei der zweiten Fußball-Bundesliga finden. Die Ansprüche in Nürnberg sind bescheidener, nach vier Niederlagen in Serie muss sich der Club schon glücklich schätzen, dass sein Abstand zur Abstiegszone noch immer beruhigend groß ist. Dabei waren die Leistungen nicht immer schlecht, zuletzt beim 1:2 in Leipzig etwa dominierten die Nürnberger die erste Hälfte deutlich, erzielten dabei allerdings nur ein Tor. "Wir müssen beim Abschluss konsequenter werden, auch mal ein Tor schießen, das nicht so schön herausgespielt ist", wünscht sich Trainer René Weiler. Der noch wichtigere Termin für den Club folgt dann am Montagabend. Es findet nun tatsächlich eine Aufsichtsratssitzung statt, nachdem das vergangene geplante Treffen wegen einer kurzfristigen Krankmeldung von Mitglied Johannes Bisping und der daraus folgenden Beschlussunfähigkeit abgesagt werden musste. Dabei geht es einerseits um die Entscheidung, ob Michael Meeske vom FC St. Pauli neuer Finanzvorstand werden soll, und andererseits um die Zukunft von Sportvorstand Martin Bader. Thomas Grethlein, Vorsitzender des Gremiums, dementiert zwar beständig, dass der Aufsichtsrat in der Frage gespalten sei; allerdings zeigte sich spätestens in der Posse um die abgesagte Sitzung, dass er die Lage offenbar exklusiv so einschätzt. Neben Baders hartnäckigem Langzeitkritiker Günther Koch zählt nun auch Mathias Zeck zu den Skeptikern, der Bild-Zeitung sagte er: "Sportlich haben wir unsere Ziele in den vergangenen zwei Jahren mehr als deutlich verpasst. Ich fordere zwar keine Köpfe, aber wie es bislang lief, kann es nicht weitergehen." Zuvor hatte Bader einmal mehr öffentlich über einen Abschied vom 1. FC Nürnberg gesprochen. "Natürlich stellt man sich die Frage: Was ist für den Verein das Beste? Aber erst nach der Saison", sagte Bader. "Falls der Aufsichtsrat der Meinung ist, ein Neuanfang wäre besser, wird man eine vernünftige Lösung finden." Mitglieder und Fans zetern im Internet - eine Petition zur Absetzung Baders wies am Donnerstag 2800 Unterschriften auf, das Glubbforum wurde nach einem Aktionsaufruf "Zeigt Bader die rote Karte" wegen "technischen Wartungsarbeiten und organisatorischen Veränderungen" geschlossen. Aber Bader kann zumindest auf Rückendeckung zahlreicher Ultras bauen, auf eine Mehrheit im Aufsichtsrat und vor allem die Unterstützung Grethleins. Der Vorsitzende war bei der vergangenen Mitgliederversammlung im Oktober 2014 in das Gremium gewählt worden, bei der eine ebenso offene wie chaotische Opposition gegen Bader durchfiel. "Ich bin den Mitgliedern gegenüber verantwortlich, die sich gegen die Kandidaten entschieden haben, die Herrn Bader entlassen wollten", erklärte Grethlein dem Donaukurier. Den Wahlauftrag interpretierte er also, zwei Mal Nein gleich Ja, als Wunsch nach weiterer Zusammenarbeit. "Natürlich trägt Herr Bader als Sportvorstand die Verantwortung dafür, wie die Mannschaft aussieht", sagte Grethlein, "trotzdem kann man nicht sagen, dass Herr Bader die Mannschaft so zusammengestellt hat. Es ist in Nürnberg so, dass der Trainer das entscheidende Wort spricht. Der Prozess ist komplex." Ungeachtet der unlängst geführten Debatten um die Kompetenzverteilung bei Transferentscheidungen - neben Bader sind auch noch Sportleiter Wolfgang Wolf, Chefscout Christian Möckel und natürlich Trainer Weiler an den Entscheidungen beteiligt - geht die Personalplanung für die kommende Spielzeit und den nächsten Anlauf Richtung Bundesliga voran. Für das Tor ist Thorsten Kirschbaum im Gespräch, der einst beim Club in der Jugend spielte und derzeit Ersatztorwart beim VfB Stuttgart ist; der 27-Jährige weist 92 Zweitliga-Einsätze auf. Und Nachwuchsstürmer Dominic Baumann vom Drittligisten Dynamo Dresden soll verpflichtet werden. Um eine Idee Weilers kann es sich dabei nicht handeln, schließlich hatte der 1. FC Nürnberg bereits im vergangenen Sommer Interesse an dem 19-Jährigen kundgetan.
https://www.sueddeutsche.de/sport/1-fc-nuernberg-wartungsarbeit-beim-club-1.2428498
mlsum-de-568
Eine neue Statistik unterscheidet zwischen Straftaten von Neonazis und Fremdenfeinden. Besonders gestiegen ist die Zahl der Verfahren wegen antisemitischer Propaganda und Hetze gegen Ausländer.
Beim Justizgipfel im Frühjahr hatten die Justizminister aus Bund und Ländern ein Defizit zu beklagen: Zwar erfasst das Bundesamt für Justiz schon seit 1992 Daten zu rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten - veröffentlicht wurden solche Statistiken bisher nicht. Das sollte sich ändern, beschlossen die Minister damals, und zwar deshalb, weil das bei Bundesanwaltschaft und Justizverwaltungen erhobene Datenmaterial einen präziseren Blick auf die Kriminalitätsentwicklung am rechten Rand ermöglicht als die allgemeine Kriminalitätsstatistik. Demnächst sollen die Zahlen, die nach bundesweit einheitlichen Kriterien erhoben wurden, erstmals veröffentlicht werden. Die Daten für das vergangene Jahr, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, bestätigen, was bereits vermutet wurde. Rechtsextreme und ausländerfeindliche Hetze im Internet hat dramatisch zugenommen. Das zeigen mehrere Rubriken der Statistik: Die Zahl der Ermittlungsverfahren, die im Jahr 2015 wegen "Volksverhetzung" und "Gewaltdarstellungen" eingeleitet wurden, ist im Vergleich zu 2014 um 130 Prozent regelrecht nach oben geschnellt - auf insgesamt rund 5700 Verfahren. Dieser Anstieg geht in großem Umfang auf Hetze im Internet zurück: Die Zahl der "mittels Internet" begangenen Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen ist auf 2300 gestiegen; im Jahr davor waren es gerade einmal 500. Auffallend dabei: Die fremdenfeindlichen Hetz- und Hassdelikte im Internet haben sogar die rechtsextreme Internetpropaganda überholt; die Ermittlungen wegen sogenannter Propagandadelikte haben zwar ebenfalls zugenommen, aber weniger stark. Neonazi-Propaganda, so zeigen die Zahlen, findet vorwiegend außerhalb des Netzes statt. Rund 13 500 Verfahren hat die Staatsanwaltschaft wegen Verwendung verfassungswidriger Symbole und rechtsextremer Propaganda eingeleitet, nur gut 1100 davon haben mit dem Internet zu tun. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 24 600 Ermittlungsverfahren eingeleitet Nimmt man die Gesamtzahlen, dann bestätigt sich der Trend der Kriminalitätsstatistik vom Mai dieses Jahres. Die Zahl der insgesamt eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremer und fremdenfeindlicher Straftaten ist von 2014 auf 2015 sprunghaft angestiegen - und zwar um mehr als 7300, was ein Plus von 42,5 Prozent ausmacht. Zwar relativiert sich dieser Wert ein wenig, weil von 2013 auf 2014 zunächst ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war. Gleichwohl bleibt unter dem Strich ein signifikanter Anstieg auf nunmehr rund 24 600 Verfahren. Detailansicht öffnen Um im Detail zu erfassen, was diese Entwicklung bedeutet, versucht die Statistik, gleichsam die Geisteshaltung der Täter zu benennen. Dazu sind die Delikte anhand bestimmter äußerer Umstände bewertet worden, die auf die Motive schließen lassen - weil sonst beispielsweise die Schändung eines jüdischen Friedhofs in der Statistik womöglich nur als Sachbeschädigung erfasst würde. Resultat dieses Querschnitts: Wegen Straftaten aufgrund "fremdenfeindlicher Motivation" sind vergangenes Jahr gut 6300 Verfahren eingeleitet worden, weit mehr als das Doppelte des Vorjahres. Noch dramatischer fällt der Anstieg bei den Straftaten wegen "antisemitischer Bestrebungen" aus: Die Zahl hat sich auf rund 2100 im Jahr 2015 verdreifacht. Nun darf man Statistiken nicht immer beim Wort nehmen, schon gar, wenn es nur um den Vergleich zweier Jahre geht. Tatsächlich weist die Auswertung des Bundesamtes darauf hin, dass man nicht sicher sagen könne, ob 2015 wirklich ein Höchststand erreicht worden sei; die Zahlen früherer Jahre lägen teilweise sogar höher, allerdings seien die Daten wegen unterschiedlicher Erhebungsmethoden nicht vergleichbar. Hinzu kommt: Die von 2014 auf 2015 steil nach oben weisende Kurve kann mit tatsächlich steigender krimineller Aktivität im rechtsextremen und fremdenfeindlichen Spektrum zu tun haben, aber auch mit einer höheren Sensibilität für diese Phänomene, und zwar sowohl bei den Bürgern, die Straftaten zur Anzeige bringen, als auch bei Polizei und Staatsanwälten. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gehörte zu denen, die besonders eindringlich zur Verfolgung fremdenfeindlicher Kriminalität aufgerufen haben. Damit allein lässt sich aber ein derart deutlicher Anstieg der Strafverfolgung kaum erklären. Denn richtig ist auch, dass 2015 besonders heftig gegen Ausländer und gegen das Schreckgespenst einer "Islamisierung" protestiert wurde - rassistische und hetzerische Ausfälle inklusive. Die Zahlen dürften also ein aussagekräftiger Beleg dafür sein, in welchem Ausmaß dabei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten worden ist, nicht allein bei den Anschlägen auf Asylbewerberheime, sondern auch bei der Hetze im Internet. Freilich zeigt die Statistik auch: Zugenommen hat nicht nur die Strafverfolgung, sondern auch die Zahl der Fälle, in denen die Ermittler am Ende mit leeren Händen dastanden. Fast 9400 Verfahren mussten eingestellt werden, weil kein Täter zu finden war - ein Anstieg um ein Drittel. Dahinter dürften sich - neben Hakenkreuz-Schmierern - viele Hetzer verbergen, welche die Anonymität des Internets nutzen. Ähnlich ist die Entwicklung bei der Einstellung von Verfahren, in denen es zwar Verdächtige, aber keine Beweise gab. Das heißt: Es wird zwar mehr ermittelt, aber nicht sehr viel häufiger bestraft: Die Zahl der Verurteilungen wegen rechtsextremer und fremdenfeindlicher Taten ist kaum gestiegen, vergangenes Jahr waren es 2500.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesamt-fuer-justiz-auslaenderfeindliche-hetze-im-internet-nimmt-dramatisch-zu-1.3268733
mlsum-de-569
Mit beiden Airlines konnte sich die Gewerkschaft Ufo nicht einigen. Nun drohen Flugausfälle im gesamten Europanetz der Lufthansa-Billigplattform.
Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings wird am Donnerstag ganztägig bestreikt. Die Kabinengewerkschaft Ufo hat die Flugbegleiter von Eurowings dazu aufgerufen, ihre Arbeit für 24 Stunden niederzulegen. Die Tarifverhandlungen seien "an einen Punkt gekommen, an dem es zu einem Streik keine Alternative gibt", so Ufo-Tarifvorstand Nicoley Baublies. Zudem weitet die Gewerkschaft ihren Streik auf die größere Schwestergesellschaft Germanwings aus. Während bei Eurowings nur die Standorte Düsseldorf und Hamburg betroffen, werden bei Germanwings auch Köln, Dortmund, Hannover, Stuttgart und Berlin bestreikt. Damit ist nahezu das gesamte Europanetz der Lufthansa-Billigplattform von Ausfällen und Verspätungen bedroht. Die Gewerkschaft hatte bereits mit Streiks ab Anfang dieser Woche gedroht, dann aber am Wochenende wegen eines neuen Tarifangebots von Eurowings Verhandlungen zugestimmt. Nach Aussagen von Ufo sei der Vorschlag jedoch "in keiner Weise einigungsfähig" gewesen. Zu einem Gegenvorschlag der Gewerkschaft habe Eurowings am Mittwochmorgen mitgeteilt, dass dieser nun geprüft werde. "Wir müssen davon ausgehen, dass es sich dabei um eine bloße Verzögerungstaktik handelt", teilte die Gewerkschaft mit. Daher komme sie "nicht umhin", zu Arbeitskämpfen aufzurufen. Der Konflikt zwischen Ufo und Eurowings läuft bereits seit drei Jahren und dreht sich um die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Flugbegleiter. Ufo wirft dem Management der Fluggesellschaft vor, sich nicht an vorherige Zusagen aus der Schlichtung bei der Konzernmutter Lufthansa gehalten zu haben. Zudem ärgert die Gewerkschafter, dass die geplante große Expansion von Eurowings nur noch über ausländische Billigtöchter stattfinden soll. Offiziell gescheitert sind die Tarifverhandlungen seit Ende September. Unübersichtlicher wird die Situation dadurch, dass neben Ufo auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bei den rund 400 Flugbegleitern von Eurowings Deutschland vertreten ist. Die Airline steuert mit 23 Flugzeugen von Düsseldorf und Hamburg Ziele in Europa an. Daneben fliegen auch Germanwings und eine Langstrecken-Fluggesellschaft unter der Marke Eurowings. Insgesamt hat Eurowings 90 Flugzeuge in Betrieb.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lufthansa-tochter-flugbegleiter-streiken-am-donnerstag-bei-eurowings-und-germanwings-1.3222673
mlsum-de-570
Der zuletzt so heimstarke HSV verliert gegen Darmstadt, das zu den ersten Auswärtspunkten der Saison kommt.
Uwe Seeler war nicht im Stadion. Er ist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, weil er einen Herzschrittmacher eingesetzt bekam. Aber sein kleiner Spaß, den er darüber während der Woche machte, bekam nach dem 1:2 seines Hamburger SV gegen den Tabellenletzten Darmstadt 98 einen ernsthaften Hintergrund. Er hatte nämlich gewitzelt, einen Herzschrittmacher brauche er vor allem für den HSV. Und tatsächlich sind die Hamburger jetzt wieder in ziemlicher Bredouille, was den Klassenerhalt angeht. Dem TV-Zuschauer Seeler wird das vermutlich aber auch nicht gut getan haben. Detailansicht öffnen Trotz Sieger keine Sieger: Bakery Jatta und Hamburg verlieren gegen Darmstädter, die trotz ihres Sieges die Ausgangsposition im Abstiegskampf kaum verbessern. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images) Gleich zwei markante Serien endeten an diesem Samstag nämlich: Der HSV beendete eine eindrucksvolle Reihe von neun Heimspielen ohne Niederlage, die Macht im Volksparkstadion bröckelt also wieder. Dafür gestatteten sie den Hessen ihre ersten Auswärtspunkte überhaupt in dieser Saison - die Gefahr eines denkwürdigen Minus-Rekords ist also gebannt. Es wurde ja ein "Muss-Sieg" erwartet, wie HSV-Trainer Markus Gisdol es ausdrückte. Gegen eine Spitzenmannschaft wie Hoffenheim, die man kürzlich daheim 2:1 schlug, sei es leicht, als Außenseiter locker zu spielen. Aber wenn alle einen Sieg über das Schlusslicht erwarten, spiele oft der Kopf nicht mit, warnte Gisdol. "Wir waren ein bisschen gelähmt", urteilte er. Und Mittelfeldspieler Aaron Hunt glaubte für die ganze Mannschaft zu sprechen, als er sagte: "Keiner hat die Darmstädter unterschätzt. Dafür ist unsere Situation viel zu prekär." Je länger es 0:0 steht, desto zittriger wirken die Hamburger Aber wenn es nicht laufen will, kommt meistens auch noch Pech hinzu. In der ersten Halbzeit hätte Schiedsrichter Sascha Stegemann den Hanseaten zwei Elfmeter zusprechen können. Einmal stoppte Wilson Kamavuaka den HSVer Gideon Jung mit unlauteren Mitteln (28. Minute), einmal Patrick Banggaard den Verteidiger Mergim Mavraj (43.). Beide Male rissen die Darmstädter am Trikot, doch zweimal blieb die Pfeife stumm. Je länger es 0:0 stand, das wusste 98-Kapitän Aytac Sulu, "desto zittriger würden die Hamburger werden". So kam es, und die Folge waren zwei Gästetore. Erst kam Sulu in der 51. Minute nach einem Eckball von Mario Vranic völlig allein an die Kugel. Dadurch wurde das Zittern beim HSV noch größer. Schon zwei Minuten später spielte Mavraj einen verheerenden Fehlpass vor dem eigenen Strafraum, Vrancic passte zu Jérôme Gondorf, der wiederum brachte Felix Platte ins Spiel. Der vollendete dann zum 2:0 für die Gäste. Detailansicht öffnen Darmstädter Doppelschlag: Erst trifft Aytac Sulu (Mitte) zum 1:0 gegen den HSV - zwei Minuten später lässt Platte das 2:0 für die Lilien folgen. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa) Kein Hamburger erreichte Normalform. Der sonst so bedächtige Kapitän Gotoku Sakai schimpfte schon früh, was das Zeug hielt. Es war ja keineswegs so, dass die Darmstädter den Gastgebern keine Chance ließen. Obwohl sie wie üblich sehr defensiv standen, "hatten wir durchaus Räume", befand Lewis Holtby. Aber besonders der umworbene Stürmer Bobby Wood war irgendwie nicht bei der Sache. Und auch die Fans trugen womöglich mit ihren Pyros zur Desorientierung bei. Schon nach drei Minuten musste der Referee die Partie wegen Rauchschwaden aus dem Hamburger Fanblock unterbrechen, weil kaum noch etwas zu sehen war. "Da haben die Fans wohl etwas falsch verstanden", sagte Kapitän Sakai, der sie in einem Offenen Brief aufgefordert hatte, alles für das Team zu geben. Selbst das 1:2 in der Nachspielzeit machte der HSV nicht selber, es war ein Eigentor von Fabian Holland in den eigenen Torwinkel. Trotzdem jubelte Holland hinterher: "Wir sind wieder nicht abgestiegen." Wobei 98-Coach Torsten Frings in seiner Ansprache an die Mannschaft von einer Wahrscheinlichkeit "von 1:800 Millionen" auf den Nicht-Abstieg sprach. Der HSV-Keeper Christian Mathenia, der in der vergangenen Saison im Lilien-Trikot noch viel zum Klassenerhalt der Darmstädter beigetragen hatte, scheint sich aber auf das nächste Spiel am kommenden Sonntag beim Konkurrenten FC Augsburg regelrecht zu freuen: "Das ist Abstiegskampf pur", sagte er. Da kennt er sich aus.
https://www.sueddeutsche.de/sport/hamburg-erleidet-1-2-ende-zweier-serien-1.3470824
mlsum-de-571
Es ist ein Wendepunkt. Bisher hatte sich Jeb Bush stets vorsichtig gezeigt, was seine mögliche Kandidatur als US-Präsident betrifft. Nun scheint die Lust auf den Posten die Bedenken des Republikaners aufzuwiegen.
Am Dienstag hat der Sohn des 41. und zugleich Bruder des 43. Präsidenten der USA via Facebook bekanntgegeben, er könne sich vorstellen, Nummer 45 zu werden. Er habe beschlossen, "die Möglichkeit einer Kandidatur" für das Weiße Haus im Jahr 2016 "aktiv auszuloten", erklärte Jeb Bush. Dies nach Gesprächen im Kreise seiner Familie - und in vollem Bewusstsein, dass die Nation eine "starke Führung" brauche, um die Zukunft zu meistern. Das ist zwar noch keine definitive Ankündigung, aber nahe dran. Im Januar wird Bush, 61, der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Florida, ein Political Action Committee gründen, das seine Aussichten und die Erwartungen der Wähler prüfen soll. Er werde den Kontakt suchen zur Bevölkerung, schreibt Bush: "Ich hoffe, viele von euch in den kommenden Monaten besuchen zu können und mit euch über eine Wiederherstellung des amerikanischen Versprechens zu reden." Die Lust auf den Posten scheint die Bedenken aufzuwiegen Der politisch geladene Festtagsgruß markiert einen Wendepunkt. Bisher hatte sich George W.s jüngerer Bruder Jeb stets vorsichtig gezeigt. Die scheinbar unvermeidliche Schlammschlacht eines fast zweijährigen Wahlkampfs schien ihn zu schrecken. Für ihn sei entscheidend, ob eine Kandidatur "freudvoll" möglich sei, sagte Jeb wiederholt. Das Land habe Anrecht auf etwas positive Politenergie. Nun scheint die Lust auf den Posten die Bedenken aufzuwiegen. Auch eine Warnung der eigenen Mutter Barbara scheint Jeb Bush in den Wind zu schlagen; die Matriarchin hatte vielen Amerikanern aus dem Herzen gesprochen, als sie erklärt hatte, zwei Bushs seien wohl genug. Der Fernsehsender CNN berichtet, Jeb mache sich fit für den langen Marsch nach Washington, er habe sieben Kilo abgespeckt. Schon am Sonntag hatte er angekündigt, 250 000 alte E-Mails aus seiner Zeit in Florida öffentlich zu machen - im Sinne der vollen Transparenz. Ebenfalls ein klares Indiz für eine Kandidatur. Duell: Bush gegen Clinton Wenn er antritt, dann als Favorit. In Wählerumfragen führt Bush das Feld der möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten derzeit meist an. Als Mann des konservativen Establishments überflügelt er weniger bekannte Figuren wie John Kasich aus Ohio und Rick Snyder aus Michigan. Der einstige Topanwärter Chris Christie gilt nach einem Skandal in seinem Heimatstaat New Jersey als beschädigt. Allerdings speckt auch er derzeit heftig ab und scheint wild entschlossen zu sein anzutreten. Blieben noch der unkonventionell-freiheitliche Senator Rand Paul und die Rechtsausleger Ted Cruz und Rick Santorum. Auch Mitt Romney taucht immer wieder in Ranglisten auf - er will allerdings auf keinen Fall ein drittes Mal antreten. Sollte Jeb Bush alle diese Gegner freudvoll aus dem Rennen werfen, so wäre der Weg frei für das Duell der Wiedergänger: Bush gegen Clinton.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-wahl-2016-jeb-bush-will-es-wissen-1.2270739
mlsum-de-572
Beim spektakulären 4:3 gegen Augsburg trifft der eingewechselte Angreifer drei Mal - zuletzt per Freistoß in der sechsten Minute der Nachspielzeit. Schalke feiert in Düsseldorf. Hannover verschärft Stuttgarts Krise.
Dank eines Last-Minute-Treffers von Zugang Paco Alcácer hat Tabellenführer Borussia Dortmund in der Fußball-Bundesliga seinen fünften Saisonsieg gefeiert. Der BVB gewann Samstag gegen den FC Augsburg in einem spektakulären Spiel noch mit 4:3 (0:1). Der gleich dreimal erfolgreiche Alcácer (62./80./90.+6.) und Mario Götze mit dem zwischenzeitlichen 3:2 (84.) sieben Minuten nach seiner ersten Einwechslung in dieser Bundesliga-Spielzeit sorgten für die Dortmunder Treffer. Götze war nach vier Spielen erstmals wieder im Kader und traf am Samstag gleich auf seinen Bruder Felix, der bei Augsburg 14 Minuten vorher ins Spiel gekommen war. Alcácer, Leihgabe vom FC Barcelona, hat nach drei Bundesliga-Einwechslungen mit insgesamt 81 Minuten Spielzeit bereits sechs Saisontore und führt die Torschützenliste an. Der FCA war durch Alfred Finnbogason (22.) und Philipp Max (71.) zweimal in Führung gegangen, Michael Gregoritsch hatte das 3:3 geköpft (87.). Mit acht Punkten steht Augsburg im Tabellen-Mittelfeld. Die Gäste zeigten sich zunächst gänzlich unbeeindruckt von der starken Serie des BVB mit 14 Toren in drei Pflichtspielen und rissen das Spiel in der Anfangsphase überraschend an sich: In der vierten Minute waren schon 3:0 Eckbälle für den FCA notiert. Und die Augsburger hatten auch die erste gute Gelegenheit, als André Hahn aus spitzem Winkel an BVB-Keeper Roman Bürki scheiterte (9.). Nach zehn Minuten fand der Tabellenführer zumindest langsam in die Partie, vor allem die zuletzt überragenden Jadon Sancho und Marco Reus sorgten im Zusammenspiel ab und zu für Gefahr. In der 15. Minute vergab Reus nach einer Sancho-Hereingabe das 1:0 - nach einem fast identischen Spielzug hatte der Kapitän in der Vorwoche in Leverkusen noch getroffen. Doch der FCA ließ sich nicht einschüchtern und wurde belohnt, als Finnbogason den Ball nach einem Freistoß von Philipp Max und einem Fehler von Dan-Axel Zagadou unter Bürkis Bauch ins Tor schob. Erst danach verlief das Spiel so, wie man es eigentlich bereits vom Anpfiff weg erwartet hatte: Dortmund drängte, Augsburg verteidigte. Richtig einfallsreich war der BVB bis zur Pause aber nicht. Ohne Alcácer fehlte im Sturmzentrum der Anspielpartner, Maximilian Philipp überzeugte in dieser Rolle abermals nicht. Zur Pause gab es vereinzelte Pfiffe. In der 49. Minute wurden sie noch ein bisschen lauter, als die Augsburger das 0:2 auf dem Fuß hatten. Doch erst scheiterte Finnbogason an Bürki, dann der aufgerückte Jeffrey Gouweleeuw. Zehn Minuten später brachte Favre dann Alcácer - und der traf nach Hereingabe von Jadon Sancho prompt. Der junge Engländer Sancho untermauerte mit seinem sechsten Assist seinen Ruf als derzeit bester Vorbereiter Europas. Die mit zunehmendem Spielverlauf immer härter spielenden Augsburger blieben aber immer gefährlich: Finnbogason traf die Latte (63.), kurz darauf traf Max. Als Augsburg nach dem 3:3 den Punkt sicher zu haben schien, traf Alcácer erneut per Freistoß. Schalke befreit sich in Düsseldorf Mit dem dritten Sieg in Serie hat sich der FC Schalke 04 von seinem Bundesliga-Fehlstart mit fünf Niederlagen am Stück erholt und den kleinen Aufschwung fortgesetzt. Der Meisterschaftszweite des Vorjahres setzte sich bei Fortuna Düsseldorf mit 2:0 (0:0) durch. Der Aufsteiger, der zuletzt vor 22 Jahren ein Heimspiel gegen Schalke gewann, blieb damit im vierten Spiel nacheinander sieglos. Vor 52 000 Zuschauern in der ausverkauften Düsseldorfer Arena erzielten Weston McKennie (48. Minute) und Guido Burgstaller (53.) die Treffer zum Sieg für die Gäste. Stuttgart rutscht auf Platz 18 Zwei Tore von Neuzugang Bobby Wood haben Hannover 96 im siebten Anlauf den ersten Saisonsieg beschert. Der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga gewann am Samstag mit 3:1 (2:0) gegen den VfB Stuttgart und zog dadurch nach Punkten mit dem Team des früheren 96-Trainers Tayfun Korkut gleich. US-Stürmer Wood traf in der 30. Minute sowie in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit (45.+1) jeweils per Kopf. Ihlas Bebou machte kurz vor dem Abpfiff alles klar (90.+1). Trotz des Anschlusstreffers von Mario Gomez (50.) war der VfB vor 40 800 Zuschauern ein idealer Aufbaugegner. Nur eine Woche nach ihrem Erfolgserlebnis gegen Werder Bremen enttäuschten die Stuttgarter vor allem in der ersten Hälfte - und rutschten in der Tabelle auf den letzten Platz. Mainz schafft 0:0 gegen Hertha BSC Hertha BSC hat beim FSV Mainz 05 einen kleinen Dämpfer hinnehmen müssen. Eine Woche nach dem Erfolg gegen den FC Bayern kamen die Berliner bei den nun seit vier Spielen torlosen Mainzern nicht über ein 0:0 hinaus. Zwar verteidigte die Hertha damit zunächst Rang drei in der Fußball-Bundesliga, am Abend können die Bayern jedoch vorbeiziehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-alcacer-beschenkt-den-bvb-in-letzter-sekunde-1.4159209
mlsum-de-573
Der Brexit bereitet dem britischen Firmenchef John Burt Sorgen. Sein Unternehmen ist auf Spitzenkräfte aus dem Ausland angewiesen, aber darf er sie auch künftig engagieren?
Ein großer, stählern glänzender Kessel, daneben wuchtige Schränke. Am Kessel läuft Dampf wie Wasser herunter: Hier werden Blutproben mit flüssigem Stickstoff gekühlt. Das Blut stammt unter anderem von Spendern aus London, und der Kühlraum befindet sich in einem hässlichen Flachbau am Rande der Universitätsstadt Cambridge. Dort hat das Gentechnikunternehmen Abzena seinen Sitz auf einem Forschungscampus. Die börsennotierte Firma profitiert von Londons Anziehungskraft für Ausländer. "In London leben Menschen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt. Deshalb bieten die Blutproben aus der Stadt genügend genetische Vielfalt für unsere Tests", sagt John Burt, der Vorstandschef. Abzenas Belegschaft ist ebenfalls international: 120 Mitarbeiter sind am Stammsitz in Cambridge tätig und 80 in den Vereinigten Staaten. "Ein Viertel unserer Beschäftigten in Cambridge sind Ausländer aus anderen EU-Ländern", sagt der promovierte Molekularbiologe Burt. Die konservative Premierministerin Theresa May hat sich bereits festgelegt, dass sie die Einwanderung von EU-Bürgern nach dem Brexit begrenzen will. Das schürt Ängste in Hochschulen und Forschungsabteilungen. Wobei der 48-jährige Engländer erwartet, Unternehmen wie das seine werden in Zukunft weiterhin spezialisierte Wissenschaftler ins Land holen dürfen. Er hofft es, weiß es aber nicht. Unklar ist auch, welchen Bedingungen der Handel mit der EU unterliegen wird. Auf die Post-Brexit-Beziehungen müssen sich die britische Regierung und Brüssel erst in mühsamen Verhandlungen einigen. Das werde Jahre dauern, sagt der frühere Unternehmensberater, der die Firma seit 2011 führt. "Die Unsicherheit nach dem Referendum erschwert die Planung", klagt er. Immerhin hilft der Absturz des Pfundkurses Abzena, denn zwei Drittel der Umsätze stammen von amerikanischen Kunden. Deren Zahlungen in Dollar sind nun mehr wert. Das Unternehmen, es ging vor zwei Jahren an die Börse, ist eine von vielen Gentechnikfirmen aus Cambridge. Nirgendwo sonst in Europa ist die Zukunftsbranche stärker als in der altehrwürdigen Hochschulstadt. Abzena verdient damit Geld, für Pharmakonzerne an Proteinen und Antikörpern zu forschen und diese zu verbessern. So hat der Betrieb eine Methode entwickelt, Arzneien - etwa Chemotherapie-mittel - an Antikörper zu kleben. Der Patient erhält die Antikörper gespritzt; diese greifen Krebszellen an und setzen da zielgenau ihr mitgeführtes Chemotherapiegift frei. Verwenden Pharmaunternehmen Abzenas patentierte Technik, erhalten die Cambridger Lizenzeinnahmen. Noch schreibt die Firma Verluste, doch in zwei Jahren peilt John Burt Gewinne an. Abzena nutzt keine Forschungsgelder der EU, aber andere britische Gentechnik-firmen und Universitäten profitieren von Zuschüssen aus Brüssel, zum Beispiel aus dem Programm "Horizon 2020". Nach dem Brexit wird auch die Europäische Arzneimittelagentur aus London wegziehen, eine EU-Behörde, die eine wichtige Rolle bei der Zulassung von Medikamenten spielt. "Wenn ich mit Kollegen von anderen Biotechfirmen spreche, ist deren größte Sorge die Unsicherheit darüber, was das alles für die Zukunft heißt", sagt Burt. Er befürchtet, dass die Ungewissheit Investoren aus dem Ausland abschrecken werde. Der Hauptgrund für ihn, beim Referendum für den Verbleib zu stimmen, sei gewesen, dass dem Königreich die Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten helfe, sagt er: "Außerhalb der Union sind wir doch nur eine kleine Insel mit weniger Einfluss." Zudem wende man sich nicht einfach von Freunden und Nachbarn ab. 52 Prozent der Wähler sahen das allerdings dezidiert anders als John Burt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-genervter-genforscher-1.3121345
mlsum-de-574
Der 13-jährige Japaner Tomokazu Harimoto rüttelt bei der Tischtennis-WM in Düsseldorf an Chinas Dominanz. Sein Geheimnis: jeden Tag neun Stunden Training. Und die Schule? In Deutschland wäre sein Weg jedenfalls undenkbar.
Die Tischtenniswelt hat Angst vor einem Kind. Es ist 13 Jahre alt und lehrt die besten Spieler des Planeten das Fürchten. Der Japaner Tomokazu Harimoto, 13, wurde im vergangenen Dezember in Kapstadt jüngster Junioren-Weltmeister der Tischtennis-Geschichte und drang bei der Weltmeisterschaft in Düsseldorf am Wochenende als jüngster Spieler der Historie bis ins Viertelfinale vor. Als Sohn ehemaliger chinesischer Nationalspieler, die vor 19 Jahren nach Japan emigrierten, fließt in seinen Adern das Blut jener Chinesen, die er in den kommenden Jahren im Kampf um die wichtigsten Titel herausfordern wird. In Düsseldorf verpasste Harimoto das Halbfinale noch knapp. Er bot dem Weltranglistendritten Xu Xin, 27, aber einen hartnäckigen Kampf. Seine Karriere, das war nach Harimotos Aus klar, hat gerade erst richtig begonnen. Chinas Tischtennisspieler können sich ihrer langjährigen und bisweilen schon langweilig anmutenden Dominanz in der Zukunft nicht mehr allzu sicher sein. Es werden aber eher nicht die Deutschen sein, die sie mittelfristig am härtesten herausfordern, sondern die Südkoreaner und Japaner. Der Südkoreaner Lee Sangsu war in Düsseldorf als einziger Nicht-Chinese ins Halbfinale vorgedrungen, weil er den Olympiasieger und zweimaligen Weltmeister Zhang Jike in der dritten Runde ausgeschaltet hatte. Lees Landsmänner Cho Seungmin und Jang Woojin sind erst 19 und 21 Jahre alt, die Japaner Yuto Maramatsu und Koki Niwa 20 und 22. Und das Ziel des 13 Jahre alten Harimoto lautet, klar: "Olympiasieger 2020 in Tokio!" "Die Japaner haben mit Blick auf Olympia im eigenen Land derzeit sehr viele gute Nachwuchsspieler", bestätigt der deutsche Männerbundestrainer Jörg Roßkopf, das Land habe "enorm aufgeholt". Richard Prause, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bunds, will sich von der langen Liste der asiatischen Talente aber "nicht blenden lassen". Aus Asien seien schon immer sehr viele sehr junge Spieler gekommen, das liege auch am dortigen System, mit viel Training bereits im Kinder- und Jugendalter. "Zhang Jike gilt da einigen ja schon als Tischtennis-Opa", sagt Prause über den 29-jährigen Chinesen. Manche verbrauchen sich durch ihren frühen Karrierestart also womöglich schneller. "In Europa erreichen viele Spieler erst in der zweiten Hälfte ihrer 20er-Jahre ihr Leistungshoch", sagt Prause. Allerdings ist man auch in Deutschland froh über jedes Talent. "Jedes Land hätte gerne einen Harimoto", sagt Prause. Dass Timo Boll mit seinen 36 Jahren bei der WM wieder Deutschlands Bester war, verrät über seine herausragende Fitness ebenso viel wie über die mittelfristig wohl schwächeren Perspektiven des deutschen Tischtennis. Dimitrij Ovtcharov, auch schon 28, hat bei seinem sechsten Auftritt in einem WM-Einzel zum sechsten Mal das Viertelfinale verpasst. Ein Harimoto? Ist hierzulande nicht mal im Ansatz in Sicht. Für Prause ist klar, dass ein Trainingsmodell wie jenes von Harimoto in Deutschland nicht funktionieren würde. "Wir können das nicht einfach kopieren, wir fahren da mit unserem dualen System ganz gut", sagt er. "Ich trainiere neun Stunden jeden Tag", hatte der kleine Harimoto in Düsseldorf stolz erklärt. "Ich weiß gar nicht, wann er dann noch zur Schule geht", sagt Roßkopf. "In Japan richtet sich die Schule nach ihm, nicht umgekehrt", weiß Prause. "Die Japaner machen es den Chinesen gerade sehr erfolgreich nach", erklärt der deutsche Sportdirektor über die Sichtungs- und Trainingsmethoden in Japan. Harimoto ist dabei freilich noch ein besonderer Fall. Der kleine Chinese im japanischen Gewand wohnt mit seinen Eltern direkt über der Sporthalle des Leistungszentrums. Den Namen Harimoto wird man sich auch im Frauenbereich merken müssen. Tomokazus kleine Schwester Niwa ist neun Jahre alt. "Sie soll sogar noch besser sein", sagt Roßkopf.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tischtennis-talent-konzept-kind-1.3534849
mlsum-de-575
In Ägypten ist ein Ring von Organhändlern aufgeflogen. Das Land gilt als eines der Zentren des illegalen Geschäfts.
Die Behörden in Ägypten haben nach eigenen Angaben einen großen Ring von Organhändlern aufgedeckt. Am Dienstag seien 45 Verdächtige festgenommen worden, unter ihnen Ägypter und Ausländer, teilten das Gesundheitsministerium und die der Regierung direkt unterstehende Verwaltungskontrollbehörde mit, zu deren Aufgaben die Bekämpfung von Korruption gehört. Laut der Zeitung al-Ahram wurde das Netzwerk seit Monaten mit Genehmigung des Generalstaatsanwalts überwacht. Unter den Verdächtigen sind Universitätsprofessoren, Ärzte und Krankenpfleger, Eigentümer privater Kliniken und Labore sowie Vermittler, die in den Organhandel verwickelt seien. Die beschuldigten Ärzte seien suspendiert worden. Einige der Beschuldigten hätten an den medizinischen Fakultäten der Kairo-Universität und der ebenfalls in der Hauptstadt ansässigen Ain-Shams-Universität unterrichtet, deren Kliniken zu den größten Krankenhäusern des Landes gehören. Auch Angestellte eines weiteren großen staatlichen Krankenhauses und des Nationalen Instituts für Urologie und Nierenheilkunde seien involviert. Zehn medizinische Zentren und Kliniken seien durchsucht und geschlossen worden, einige von ihnen hätten keine Lizenz besessen. Auch seien Millionen-Beträge in Dollar und ägyptischen Pfund sowie Goldbarren beschlagnahmt worden, außerdem Computer und Dokumente. Die Festgenommenen hätten "die wirtschaftliche Situation einiger Ägypter und das Leiden einiger Patienten" ausgenutzt, um hohe Gewinne zu erzielen, teilte das Gesundheitsministerium mit. Der Handel mit Organen ist in Ägypten illegal und mit hohen Strafen bedroht, es ist aber legal, für Transplantationen zu bezahlen, solange die nötigen Papiere vorliegen, darunter eine Versicherung des Spenders, freiwillig und ohne Bezahlung ein Organ zur Verfügung zu stellen. Dies lässt aber Raum für Arrangements, die an den Operationen beteiligte Ärzte möglicherweise nicht kennen - an der Konstellation der Patienten aber zumindest erahnen können. Die verbreitete Armut und mangelhafte staatliche Aufsicht über das Gesundheitswesen begünstigen den Verkauf von Organen unter Wahrung einer legalen juristischen Fassade. Der Großteil der unter Verdacht stehenden Einrichtungen soll in Armenvierteln von Giza in der Nähe der Pyramiden liegen. Die Menschen dort sehen oft keinen anderen Ausweg, als eine Niere oder Teile ihrer Leber zu verkaufen. Vermittler stellen den Kontakt zu Laboren her, die Gewebeproben typisieren, und suchen nach Empfängern, von denen zumindest manche offenbar aus den Golfstaaten stammen. Details über den Umfang oder das Vorgehen des Netzwerkes teilten die Behörden nicht mit, nur dass die Operationen in privaten Kliniken vorgenommen worden seien. Ägypten ist in den vergangenen Jahren immer wieder als eines der wichtigsten Länder für Organhandel genannt worden, auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Es gibt dokumentierte Fälle sudanesischer Migranten, die in Ägypten ihre Organe verkauft haben. Auch gab es nicht belegte Anschuldigungen, dass Menschenschmuggler Migranten an Organhändler verkaufen. Großes Aufsehen unter den in Ägypten lebenden Somaliern erregten Bilder, die aus dem Mittelmeer geborgene Leichen zeigten, die Operationsnähte am Bauch aufwiesen. Auch diese Bilder wurden mit illegalem Organhandel in Verbindung gebracht, ohne dass ihre Authentizität gesichert war oder es Belege dafür gab. Lokale Medien zitieren Mohammed Foad, den Geschäftsführer des Ägyptischen Zentrums zur Gewährleistung der Versorgung von Medikamenten, einer Nichtregierungsorganisation, sein Zentrum habe 33 Fälle von Organhandel im Zeitraum von Oktober 2015 bis Oktober 2016 aufgedeckt. Alle diese Vorfälle hätten sich in Kairo zugetragen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/organhandel-eine-frage-der-papiere-1.3284500
mlsum-de-576
Shey Peddy ist das Herz von Meisterkandidat Wasserburg. Dabei war die US-Spielmacherin zunächst gar nicht eingeplant.
Nach dem ersten Halbfinalspiel um die deutsche Meisterschaft hat sich Bastian Wernthaler mal wieder über Shey Peddy gewundert. Dabei hatte die US-Basketballerin nichts anders gemacht als sonst auch. Sie hatte keinen Ball von der Mittellinie aus in den Korb geworfen oder etwas anderes Verrücktes getan. Die 26-Jährige schafft es trotzdem immer wieder aufs Neue, ihren Trainer zu verblüffen, ohne Extravagantes dafür tun zu müssen. Peddy ist Spielmacherin bei Titelverteidiger TSV Wasserburg und damit eine der wichtigsten Spielerinnen von Wernthaler, sie ist dafür zuständig, die Kolleginnen mit kreativen Zuspielen gut aussehen zu lassen. Als Wernthaler also nach dem ersten Halbfinalspiel gegen die Avides Hurricanes aus Rotenburg auf die Ergebnistafel blickte, konnte er die Punktzahl hinter ihrem Namen zunächst nicht glauben, er hielt es sogar für einen Irrtum. "Sie hatte 25 Zähler erzielt, obwohl sie doch so viele Bälle selbstlos weiterpasste", stellte Wernthaler erstaunt fest. Erst die Absage einer anderen brachte Peddy in die Mannschaft Die US-Amerikanerin spielt so clever, so unauffällig, dass es bisweilen nicht einmal für ihren eigenen Trainer auf den ersten Blick ersichtlich erscheint, wie sehr sie das Spiel lenkt und es auf eine höhere Ebene hievt. "Shey ist die beste Aufbauspielerin in der Bundesliga", sagt Wernthaler voller Bewunderung. Seit dieser Saison spielt Peddy für Wasserburg, und schon jetzt hat sie den Klub so stilprägend zum Pokalsieg geführt, dass sie anschließend die Auszeichnung als wertvollste Spielerin gewann. Die Frau aus Roxbory, einem Vorort von Boston, besitzt eine seltene Gabe, um die sie viele in der Liga beneiden. Sie macht in den meisten Fällen das Richtige, sie liest das Spiel wie ein Trainer, sie weiß ganz genau, wann sie den Ball zu den Mitspielerinnen passen oder selber punkten muss, wenn es das Spiel von ihr verlangt. "Das war schon immer eine Stärke von mir", sagt die Aufbauspielerin. Am Freitag (19.30 Uhr) steht nun das Rückspiel in Rotenburg an, sollte Wasserburg gewinnen, dann hätte die dominierende deutsche Mannschaft in dieser Saison bereits die Finalserie erreicht. Dass Wasserburg in den nationalen Wettbewerben bisher sogar in 27 Spielen in Serie ungeschlagen ist, hat viel mit Peddy zu tun. Detailansicht öffnen Selbstlos im Aufbau und trotzdem auch stark im Abschluss: Shey Peddy (links, gegen Marburgs Allisa Pierce) ist Wasserburg wertvollste Spielerin. (Foto: imago) Menschen, die sie näher kennen, sagen, dass sie abseits des Spielfelds zurückhaltend sei, fast schüchtern. Auch auf dem Parkett kommt sie ohne große Gesten aus, sie muss nicht laut werden, damit sie gehört wird, sie besitzt eine natürliche Autorität, die sich nicht antrainieren lässt. "Ich habe noch nie eine Spielerin erlebt, die bei allen in der Mannschaft so geschätzt worden ist wie sie", sagt Wernthaler. Basketballerinnen aus den USA sind häufig in die eigene Statistik vernarrt, die Daten über die erzielten Punkten oder über die Effektivität sind im internationalen Basketball die einzige unbestechliche Kennziffer, wenn es darum geht, einen gut dotierten Vertrag auszuhandeln. Peddy ist anders. "Ich bin eine selbstlose Spielerin", sagt sie, "mir ist wichtiger, dass die Chemie im Team stimmt und wir gemeinsam Erfolg haben." Bei ihr ist das nicht einfach nur so dahingesagt, keine Floskel, sie meint es wirklich so und verdeutlichte ihre Weltsicht, indem sie in der vergangenen Woche ihren Vertrag in Wasserburg um eine weitere Saison verlängerte. "Ich habe gemerkt, dass wir hier noch viel erreichen können, auch im Eurocup", sagt sie: "Mir ist es deshalb leicht gefallen, das Angebot frühzeitig anzunehmen." Dabei war Peddy vor dieser Spielzeit gar nicht als Zugang in Wasserburg vorgesehen, es war sogar reiner Zufall, dass sie sich dem TSV angeschlossen hat. Kurz vor dem Trainingsstart im September kam sie nur als Ersatz für Samantha Whitcomb, die unvermittelt ihre Arbeitspapiere wieder haben wollte. Peddy hatte sich den Sommer über in Puerto Rico fitgehalten, sie wartete auf ein Angebot aus Europa. "Ich wollte unbedingt hier weiter spielen, weil mir der Stil sehr entgegenkommt", sagt sie. Mit den Flying Foxes Wien hatte sie in der Vorsaison Meisterschaft und Pokal gewonnen, davor spielte sie in Israel. Was sie so sehr an Europas Basketball schätzt, das "ist schwer zu sagen", bekennt Peddy und macht eine Pause. Dann fügt sie an: "Ich habe neue Techniken und Taktiken gelernt und mich zu einer kompletteren Spielerin entwickelt." Mögliche Finaltermin Spiel 1: Freitag, 24.4. (19 Uhr) in Wasserburg Spiel 2: Sonntag, 26.4. (auswärts) Spiel 3: Mittwoch, 29.4. (19 Uhr) in Wasserburg Spiel 4 (wenn nötig): Freitag, 1.5. (auswärts) Spiel 5 (wenn nötig): Sonntag, 3.5. (16 Uhr) in Wasserburg. Die Heimspiele sind jeweils in der Badria-Halle. Shey Peddy beherrscht jetzt etwa das sogenannte "Crossover Dribbling". Sie kann den Ball blitzschnell von der einen in die andere Hand wechseln und so leichter an der Gegenspielerin vorbeiziehen. "Das habe ich erst hier gelernt", sagt sie. In die USA zieht es die 26-Jährige nicht so schnell zurück. Dabei würde sie zu gerne den Klubs in der heimischen Profiliga WNBA beweisen, dass ihre Körperlänge von 1,70 Meter kein limitierender Faktor ist, wie manche beim Testtraining befunden hatten. In Wasserburg hält sie niemand für zu klein, im Gegenteil.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-playoffs-autoritaet-am-ball-1.2436487
mlsum-de-577
Knapp fünf Meter lang und knapp zwei Meter breit - im Carnival finden sieben Menschen Platz
(SV von 29.05.1999) Carnival hat der koreanische Fahrzeughersteller Kia, der seit kurzem zum Hyundai-Imperium gehört, sein neuestes Produkt genannt. Wer dabei an ein kleines quirliges Auto und leuchtende Farben denkt, liegt jedoch falsch: Der Carnival ist 4,89 Meter lang, 1,90 Meter breit und 1,79 Meter hoch, also - wie der Bayer sagt - ein Trumm von Großraumlimousine, in deren Innenraum die Farben Grau und Schwarz dominieren. Falsch muß die Namensgebung dennoch nicht sein, denn es ist gut vorstellbar, daß bei voller Besetzung an Bord dieses Fahrzeugs munteres Treiben herrscht, denn Kia will mit dem großen Raum und den darin installierten sieben Sitzen vor allem vielköpfige Familien beglücken. 1500 Carnival-Fahrer sollen bis zum Jahresende in Deutschland unterwegs sein, weitere 2000 in den darauffolgenden zwölf Monaten hinzukommen. "Groß, praktisch, gut ausgestattet und vor allem preiswert", nennt Jörg Tilmes, Chef von Kia Deutschland, das neue Modell, dessen Fondbereich zwei Schiebetüren und eine hoch aufschwingende Heckklappe erschließen - und er übertreibt dabei nur in einem Punkt: Einen richtig großen Laderaum kann der Carnival nicht bieten, weil sich die dritte Sitzreihe weder ausbauen noch im Boden versenken, sondern nur durch Zusammenfalten zu einer etwa 20 Zentimeter dicken, hochkant im Raum stehenden Barriere verkleinern läßt. Deshalb bleibt das maximale Fassungsvermögen des Gepäckabteils weit hinter dem eines 40 Zentimeter kürzeren Mittelklasse-Kombis zurück: Mehr als 1159 Liter passen nicht rein. Bei voller Bestuhlung und knieschonenden Abständen zwischen den Reihen reduziert sich dieser Wert auf 344 Liter. Auch damit setzt der Carnival keine neue Rekordmarke; der zehn Zentimeter kürzere Grand Espace bringt es beispielsweise auf 520 bis 3075 Liter. Unschlagbar ist der Carnival hingegen, wenn man dem Vergleich die Preise zugrundelegt. 37 790 Mark kostet das mit ABS, zwei Airbags, Servolenkung, elektrischen Fensterhebern in den Vordertüren und Zentralverriegelung ausgestattete Einstiegsmodell, 42 990 Mark die teuerste, zusätzlich mit Klimaanlage, verschieb- und drehbaren Einzelsitzen in der zweiten Reihe, einem elektrisch verstellbaren Fahrersitz, elektrischer Spiegelverstellung und -Heizung, Dachreling und elektrisch ausstellbaren Seitenscheiben im Fond ausgerüstete Variante - und zwar unabhängig davon, ob ein 121 kW (165 PS) starker Sechszylinder mit 2,5 Liter Hubraum oder ein direkteinspritzender 2,9-Liter-Turbodiesel, der maximal 93 kW (126 PS) mobilisiert, die Vorderräder antreibt. Kühle Rechner sollten sich für den TD entscheiden, obwohl er rauhe Töne anschlägt und je 100 cm3 Hubraum derzeit 37,10 Mark Kfz-Steuer fällig sind: Ein schweres Fahrzeug - das Leergewicht beziffert Kia mit 1880 Kilogramm - braucht einen drehmomentstarken Motor, der nicht nur bei hohen Drehzahlen zupackt. Das aber ist die hervorstechende Eigenschaft des V6, der erst jenseits von 3000/min aus seiner Lethargie erwacht und 4100 Touren braucht, um mittelmäßige 222 Nm bereitzustellen. Der Turbodiesel hingegen entwickelt schon bei 1950/min wahre Bärenkräfte und hält mit 338 Nm alle Konkurrenten auf Distanz. Zudem lassen DIN-Verbrauchswerte von 8,3 Litern je 100 Kilometer (Fünfgang-Schaltgetriebe) bzw. 9,1 Liter (Automatik) im Test nach Norm erwarten, daß es den TD auch im Verkehrsalltag nicht allzu oft an die Tankstelle zieht. Beim V6 dürften sich derartige Hoffnungen schnell zerschlagen: 11,3 bzw. 11,5 Liter je 100 Kilometer weisen die für ihn erarbeiteten technischen Datenblätter aus, die die volle Wahrheit nur in den seltensten Fällen enthüllen. Das Fahrverhalten des Carnival, dessen Radstand 2,91 Meter beträgt, ist akzeptabel, wobei einschränkend hinzugefügt werden muß, daß der Wagen bei den Testfahrten nicht voll beladen war. Kia weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der europäische Zweig des Unternehmens vor kurzem angefangen hat, alle für den hiesigen Markt vorgesehenen Modelle auf einer Teststrecke in Südspanien zu erproben, um ihnen eine europa-taugliche Fahrwerksabstimmung mit auf den Weg zu geben. In punkto Variabilität muß Kia hingegen noch kräftig nachlegen, um dem Einfallsreichtum der Wettbewerber etwas entgegenzusetzen. So gut es zweifellos ist, daß der Schalthebel in den Instrumententräger verbannt wurde, um einen freien Durchgang von der ersten bis zur dritten Reihe zu schaffen, so unüberlegt wirkt es, daß in der Basisversion die Einzelsitze der zweiten Reihe unverrückbar im Fahrzeugboden verankert sind. Passagiere, die auf der Dreierbank im Fond Platz nehmen wollen, sind dadurch gezwungen, gebeugten Hauptes den langen Weg durch die Mitte zu nehmen. Peter Friemelt, bei Kia für Technik und Kundendienst verantwortlich, ist sich durchaus darüber im klaren, daß der Carnival noch Raum für Verbesserungen bietet. Man sei bereits dabei, die Motoren zu modifizieren, um günstigere Einstufungen bei der Kfz-Steuer zu erreichen, und weitere Um- und Ausbaumöglichkeiten im Fond seien auch schon angedacht. Allerdings werde auch eine herausnehmbare Rücksitzbank Kritik provozieren: "Wir rechnen dann mit der Frage, warum ist die so groß und so schwer?" Von Gerlinde Fröhlich-Merz
https://www.sueddeutsche.de/auto/kia-carnival-ein-trumm-von-einem-van-1.612748
mlsum-de-578
Sigmar Gabriels Vorstoß zur Flüchtlingshilfe vom Bund kommt in Berlin nicht so gut an. Der Deutsche Städtetag zeigt sich indes sehr erfreut.
Der Deutsche Städtetag zeigte sich sehr erfreut, der Städte- und Gemeindebund ebenso. Das Innen- und das Finanzministerium reagierten sehr zurückhaltend - und mitten drin steht Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der mit Aussagen am Donnerstagabend je nach Standpunkt Hoffnungen oder Skepsis geweckt hatte. Das Thema: die stets umstrittene Finanzierung der Kosten für die Flüchtlingsunterbringung. Man müsse dem Aufruf vieler Bürgermeister und Landräte folgen "und nach Wegen suchen, den Städten, Gemeinden und Landkreisen die Last der Kosten der Flüchtlingsunterbringung abzunehmen", hatte Gabriel in Naumburg gesagt. Dort traf er sich mit Landrat Götz Ulrich (CDU), in dessen Kreis Tröglitz liegt, wo Unbekannte am Wochenende eine geplante Asylunterkunft angezündet hatten. Länder und Kommunen fordern seit längerem mehr Hilfen. Sie gehen von einem deutlichen Anstieg der Asylbewerberzahlen auf bis zu 500 000 aus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hält an seiner bisherigen Prognose von 300 000 fest. Gabriel sagte außerdem, alle demokratischen Parteien sollten sich der Aufgabe, die Kommunen zu entlasten, widmen. Man sollte es nicht zu einem politischen Streitthema werden lassen. Das ist es aber - und wird es wohl auch bleiben. Das Bundesinnenministerium jedenfalls beharrt auf den bestehenden Vereinbarungen. Für dieses und kommendes Jahr gebe es eine "abschließende Regelung", sagte ein Sprecher von Minister Thomas de Maizière am Freitag. Für die Jahre 2015 und 2016 wurden Bundesmittel von jeweils 500 Millionen Euro zugesagt. Eine Entlastung der Kommunen ist aber nach Regierungsangaben Thema in den Gesprächen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Doch Gabriel ist mit seiner Idee nicht allein. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betonte, es werde dringend eine Kraftanstrengung auch seitens des Bundes gebraucht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/asylunterkuenfte-lasten-der-landkreise-1.2430388
mlsum-de-579
Das ihr zugeloste Pferd verweigert vier Mal das Hindernis. Die deutsche Moderne Fünfkämpferin verfehlt die anvisierte Medaille, eine andere Deutsche überrascht.
Legende war sich natürlich keiner Schuld bewusst. Sie trabte mit ihrer Reiterin vom Platz, wackelte mit den Ohren und stand dann außerhalb des Parcours' auf dem Wartefeld. Und Lena Schöneborn, die im Sattel saß, hatte noch diesen letzten kurzen Ritt mit Legende hinter sich gebracht, es musste ja sein, doch dann sah sie zu, dass sie so schnell wie möglich von diesem Pferd herunterkam. Legende hatte soeben zwei Olympiaträume im Modernen Fünfkampf ruiniert, erst den von Barbora Kodedova, und dann noch den der Olympiasiegerin von 2008, der Berlinerin Lena Schöneborn, zu diesem Zeitpunkt in Rio die Mitfavoritin im Gold. Das Springreiten ist die schwierigste Disziplin in diesem Mehrkampf, nicht weil es die Sportler nicht beherrschen, sondern weil es sie vor knifflige Aufgaben mit fremden, zugelosten Tieren stellt, manchmal vor unlösbare. 18 Pferde gibt es für 36 Reiter, Legende verweigerte in beiden Einsätzen den Sprung über die Hindernisse, bei Kodevova zweimal, bei Schöneborn dann viermal; einmal am vierten und dann noch dreimal am sechsten Hindernis. Vermutlich hätte die 13-jährige Fuchsstute, die als Weltcup-Pferd bislang nicht mit Aussetzern auffällig geworden war, die Serie der Verweigerungen so fortgeführt, doch bei vier abrupten Stopps ist Schluss. Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio Schöneborn durfte noch die Kampfrichter grüßen, für die dritte Disziplin bekam sie null Punkte, damit hatte sie einen Rückstand vom 5:28 Minuten fürs abschließende kombinierte Laufen und Schießen über 3200 Meter. Alle Chancen waren somit dahin, mit den Nerven war die 30-Jährige erst einmal am Ende, die Stunde zwischen Reiten und Laufen verbrachte sie irgendwo hinter verschlossenen Türen und vergoss Tränen. Sie hatte durchaus schon Reitfehler gemacht in ihrer Karriere, sagte sie, "bei Olympia in London vor vier Jahren hatte ich auch eine Verweigerung", was 20 Punkte Abzug ergibt. "Aber null Punkte", sagte sie kopfschüttelnd, "hatte ich noch nie." Nach dem Fechten und Schwimmen hatte Schöneborn noch mit 35 Sekunden Rückstand passablen Anschluss auf Platz eins, sie war läuferisch und auch als Schützin die weitaus Beste unter den ersten Fünf. Doch dieser Nachmittag im recht gut gefüllten umgebauten Rugbystadion im Deodoro-Park brachte nicht nur Schöneborn Pech. Neben der Olympiasiegerin von 2008 fiel auch die Goldgewinnerin von 2012, die Litauerin Laura Asadauskaite wegen viermaligen Verweigerns ihres Pferdes aus dem Rennen. Gewonnen hat schließlich die Australierin Cloe Esposito vor Elodie Clouvel aus Frankreich und der Polin Oktawia Nowacka. Die Berlinerin Annika Schleu überrascht auf Rang fünf Für die deutschen Fünfkämpferinnen von Trainerin Kim Raisner, die wie alle Vertreterinnen dieses hoch komplexen und aufwändigen Nischensports auch immer um Werbung für ihre Disziplin bemüht sind, war der Nachmittag aber nicht nur ein Rückschlag. Annika Schleu, 26 Jahre alt und ebenfalls aus Berlin, hatte im Schlusswettbewerb, der wegen der integrierten vier Schießeinlagen entfernt ans Biathlon erinnert, eine furiose Aufholjagd von Platz 15 auf Rang fünf hingelegt. Irgendwann hatte sie die große Verfolgergruppe hinter sich gelassen und plötzlich gemerkt: "Ich stehe ganz alleine am Schießstand, das hat mich motiviert." Nicht erst mit diesem fünften Rang gilt sie als die Hoffnung des deutschen Verbandes für die Zeit nach Schöneborn. Schleu will bis Tokio 2020 weitermachen, bei Schöneborn sieht das etwas anders aus. "Nochmal vier Jahre mache ich eher nicht, die Chance, dass ich vorher aufhöre, liegt bei 90 Prozent", sagte sie. Andererseits will sie doch auch noch ein, zwei Jahre dranhängen, sie erklärte: "Dieser Wettkampf hier soll wirklich nicht mein letzter gewesen sein."
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-lena-schoeneborn-verzweifelt-an-der-zickigen-fuchsstute-1.3129457
mlsum-de-580
Erste Schlappe für den britischen Abhördienst GCHQ: Ein Gericht erklärt dessen Methoden für unrechtmäßig - insbesondere hätte der Geheimdienst NSA-Daten nicht auswerten dürfen.
GCHQ-Massenüberwachung war illegal Ein Gericht in Großbritannien hat entschieden, dass die Massenüberwachung des Internets durch den Geheimdienst GCHQ unrechtmäßig war. Dies meldet der britische Guardian. Das Investigatory Powers Tribunal (IPT), das das Urteil sprach, ist ein Spezialgericht für Klagen gegen britische Nachrichtendienste, es ist für die britischen Dienste GCHQ, MI5 und MI6 zuständig. Das Gericht ist damit zum ersten Mal dem Antrag der Gegner gefolgt. Das GCHQ hat systematisch Datenkabel angezapft und auch Informationen vom US-Nachrichtendienst NSA bezogen. Damit habe der britische Nachrichtendienst bis Dezember 2014 Menschenrechte verletzt. Seit Dezember werde aber nicht mehr gegen die Regelungen verstoßen. Das Gerichtsverfahren war von mehreren Bürgerrechtsgruppen angestrengt worden, die die NSA-Abhörprogramme Upstream und Prism für illegal halten. Das Urteil baut auf einer früheren gerichtlichen Entscheidung des Spezialgerichts vom Dezember auf. Damals wurde beschlossen, dass die laufende rechtliche Regelung in Großbritannien zur Massenüberwachung des Internets durch Geheimdienste die Menschenrechte nicht verletze. Es ist das erste Mal in der Geschichte des im Jahr 2000 etablierten Tribunals, dass ein Fehlverhalten der Geheimdienste anerkannt und einer Beschwerde stattgegeben werden. Eine direkte Rechtsfolge entsteht daraus zunächst nicht. Von der Existenz dieser Programme erfuhr die Öffentlichkeit durch Ex-NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden. Demnach hat Prism vollen Zugriff auf Server von Unternehmen wie Apple, Google und Facebook. Geheimdienstmitarbeiter könnten private Inhalte einfach abfangen. Reaktionen auf das Urteil Eric King, stellvertretender Direktor der Menschenrechtsorganisation Privacy International, sagte: "Geheimdienste wie GCHQ und NSA haben viel zu lange so gehandelt, als stünden sie über dem Gesetz. Die heutige Entscheidung bestätigt der Öffentlichkeit, was viele schon die ganze Zeit gesagt haben - in den vergangenen zehn Jahren waren GCHQ und die NSA an einem illegalen Massenüberwachungsprogramm beteiligt, von dem Millionen Menschen auf der ganzen Welt betroffen waren." Weiter sagte er: "Die Welt schuldet Edward Snowden viel, und die heutige Entscheidung ist eine Bestätigung für seine Handlungen." Er hoffe, dass das Europäische Gerichtshof zu Gunsten der Privatsphäre entscheidet statt ungehinderter staatlicher Macht. Ein GCHQ-Sprecher versuchte, die Auswirkungen des Urteils kleinzureden. Der Informationsaustausch und die Schutzmaßnahmen seien immer angemessen gewesen. Es gehe nur darum, wie viele Einzelheiten darüber veröffentlicht werden müssten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/britischer-geheimdienst-gericht-bewertet-massenueberwachung-des-gchq-als-illegal-1.2339502
mlsum-de-581
Franziskus nimmt zwölf Flüchtlinge von Lesbos mit in den Vatikan. Sehr viele Menschen müssen sich nun fragen: Tun wir genug?
Ist der Mann naiv? Zwölf Menschen hat der Papst von Lesbos mitgenommen. Franziskus hat sie einfach ins Flugzeug nach Rom gepackt; drei Familien aus Syrien mit insgesamt sechs Kindern, gestrandet auf der griechischen Insel. Zwölf Menschen! Weltweit sind 60 Millionen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Armut. Ein paar Hunderttausend stehen an den Grenzen eines Europa, das Zäume baut oder mit grenzwertigen Kompromissen versucht, der Lage Herr zu werden. Und dann schwebt da der Mann im weißen Gewand ein, wirft Kränze ins Meer und verschwindet fünf Stunden später wieder, mit zwölf Menschen an Bord. Ist das die Lösung der Krise, ein Konzept, eine Strategie? Nein, der Papst hat kein Konzept nach Lesbos mitgebracht oder gar eine Lösung. Er selber hat, auf dem Flug dorthin, die Lage "komplex" genannt und das Elend der Flüchtlinge die "schlimmste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg"; wenn das so ist, dann ist es auch klug, sich besserwisserische Forderungskataloge zu verkneifen. Franziskus hat etwas anders gemacht - das, was ein Papst tun kann, ja muss: Er ist, in den Zeichen noch mehr als in den Worten, ins Grundsätzliche gegangen. Er hat für die Toten gebetet, die im Mittelmeer ertranken, auch, weil es keine sicheren Wege in ein menschenwürdiges Leben gab. Er hat mit den Gestrandeten geredet, die an den Zäunen Europas hängengeblieben sind, und zwölf von denen mitgenommen, die von den Mühlen des Elendsmanagements zermahlen zu werden drohten. Franziskus hat in den fünf Stunden auf Lesbos den Flüchtlingen ihre Gesichter zurückgegeben. Die verlieren sie in dem Maße, wie die Europäer in ihnen die Flut sehen, gegen die es Deiche braucht, das anonyme Problem, die Verschiebemasse. Er hat sich Fluchtgeschichten angehört, gegen die Neigung, die Ohren zu verschließen, weil man ja schon so viele dieser Geschichten gehört hat und der Einzelfall nichts übers Große und Ganze sagt, am Ende gar das eigene Wahrnehmungssystem erschüttert. Und er hat in anarchischer Barmherzigkeit einfach mal zwölf Menschen geholfen - gegen das kleinliche und unbarmherzige Gefeilsche unter den europäischen Staaten, die sich ja tatsächlich darüber in die Haare kriegen, wer dieses Dutzend nimmt und wer jenes. Das ist eine kleine ökumenische Sensation Franziskus hat dies bewusst gemeinsam mit seinen orthodoxen Glaubensbrüdern getan. Das ist eine kleine ökumenische Sensation, wenn man bedenkt, wie misstrauisch Orthodoxe lange die Kirchen im Westen beäugten; die Katastrophe im Nahen Osten und das Elend auch vieler Christen hat die Kirchen zusammenrücken lassen. Und dann hat der Papst drei muslimische Familien mitgenommen. Ihm ist egal, was einer glaubt, der Hilfe braucht. "Ecce homo", sagte Pontius Pilatus über den gefolterten und gedemütigten Jesus. Der Papst überträgt das in die Gegenwart: Seht her, ein Mensch. Der Vatikan hat gesagt, die Papstreise habe rein humanitären, also keinen politischen Charakter. Dabei ist kaum etwas so politisch wie die Frage nach der Menschlichkeit. Die fünf Stunden auf der Flüchtlingsinsel sind ein Statement gegen die Regierungen in Polen, Ungarn oder sonstwo, die sich für besonders christlich halten, wenn sie Zäune gegen die angebliche islamische Invasion errichten. Es ist eine Gardinenpredigt ohne Worte für alle auch in Deutschland, die das harte Herz und den Egoismus als Realismus preisen, die Angst, Vorurteil und Hass schüren und sich dabei noch als Retter des christlichen Abendlandes missverstehen. Der Vatikan hat damit so viele Flüchtlinge wie Deutschland aufgenommen Die Reise nach Lesbos ist aber auch eine Herausforderung für alle, die an den notwendigen politischen Kompromissen werkeln, ohne recht wissen zu können, wohin das führt. Sie ist eine Herausforderung für alle, die jene oft unerträgliche Spannung aushalten müssen zwischen dem eigentlich Notwendigen und dem tatsächlich Möglichen: von den Flüchtlingshelfern und Landräten, die über Wohnungen, Integrationskurse und Geld streiten, bis zu den Regierungschefs, die um den Zusammenhalt Europas und den Frieden im Nahen Osten feilschen. Für sie ist der Papst, der mal eben zwölf Flüchtlinge mit nach Hause nimmt, ein Stachel, ein Schmerz: Tun wir genug? Das desavouiert niemanden, der die Pfade des Machbaren sucht. Aber es gibt der Suche eine Richtung: Seht her, der Mensch. Schaut in sein Gesicht, hört seine Geschichte. Und entscheidet dann. Zwölf Flüchtlinge beginnen nun ein neues Leben. Nur zwölf? Das Wesen des Vergleichs ist, dass er hinkt, aber: Der Vatikan hat um die 800 Bürger, Deutschland um die 80 Millionen. Die zwölf sind, rechnet man dies hoch, so viel wie die 1,1 Millionen Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland kamen. Auch das ist eine Botschaft dieser spontanen Geste des Franziskus.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlingskrise-die-geste-des-papstes-ist-ein-denkzettel-fuer-europa-1.2953024
mlsum-de-582
DFB-Präsident Niersbach wehrt sich weiterhin gegen den Vorwurf, die Fußball-WM 2006 sei gekauft gewesen. Allerdings prüft die Staatsanwaltschaft Frankfurt den Vorgang.
Verantwortliche der WM 2006 wehren sich Die Verantwortlichen der Fußball-WM 2006 gehen gegen die im Nachrichtenmagazin Spiegel erhobenen Anschuldigungen, die WM 2006 in Deutschland sei gekauft gewesen, in die Offensive. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wies die Korruptionsvorwürfe erneut ernergisch zurück. "Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört. Es hat keine schwarzen Kassen gegeben, und es hat keinen Stimmenkauf gegeben", versicherte Niersbach am Montag während der Vorstellung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. Das WM-OK habe den Bewerbungsprozess "mit lauteren Mitteln" für sich entschieden. Der 64-Jährige räumte aber auch "den einen offenen Punkt" ein: "Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden." Die dubiose Zahlung des WM-Organisationskomitees an den Weltverband FIFA hatte der DFB bereits am Freitag eingeräumt. Fragen ließ Niersbach im Anschluss an seine Erklärung nicht zu. Auch Franz Beckenbauer äußerte sich erstmals zu den Vorwürfen. "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat", ließ der damalige Chef des Bewerbungs- und Organisationskomitees über sein Management erklären. Staatsanwaltschaft Frankfurt schaltet sich in Ermittlungen ein Unterdessen hat sich die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main in die Aufklärungsarbeit zu den Vorwürfen eingeschaltet. Oberstaatsanwältin Nadja Niesen bestätigte die Information der Wirtschaftswoche, nach denen ein sogenannter Beobachtungsvorgang angelegt worden sei. Damit solle überprüft werden, ob ein Anfangsverdacht für die Aufnahme von Ermittlungen bestehe. "Es könnte um Korruption, Betrug oder Untreue gehen", sagte Niesen: "Wir werden die zur Verfügung stehenden Unterlagen prüfen. Aber wir stehen noch ganz am Anfang, haben noch keine Ermittlungen eingeleitet. Dies wird geschehen, wenn sich der Anfangsverdacht bestätigt." Niersbach in der Offensive Niersbach hatte zuvor bereits den angeblichen Kauf der Stimmen der vier asiatischen Vertreter in der Fifa-Exekutive vor der WM-Vergabe am 6. Juli 2000 in Zürich ausgeschlossen. Der 64-Jährige und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) haben Rechtsbeistand Christian Schertz mit dem Fall beauftragt. Schertz zufolge sei der Spiegel "jeden Beweis für diese Kernbehauptung der Geschichte schuldig" geblieben. "Wir werden Unterlassung fordern, wir werden Gegendarstellung fordern, und sollte dem Deutschen Fußball-Bund durch diese Berichterstattung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, werden wir den Spiegel-Verlag dafür auch haftbar machen", sagte der Rechtsanwalt in der Diskussionsrunde Sky90. Steinmeier und Bach raten zu schneller Aufklärung Angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe raten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und IOC-Präsident Thomas Bach dem DFB zu einer schnellen Aufklärung. Er könne nur raten, dass das, was der DFB zum Ausdruck gebracht habe, jetzt schnellstmöglich Untersuchungen einzuleiten, auch passiere, sagte Steinmeier: "Das ist im Interesse des Sports, im Interesse des Fußballs. Aber das ist auch unser gemeinsames Interesse." "Thomas Bach geht im Interesse des Fußballs davon aus, dass eine zügige und umfassende Aufklärung der Vorwürfe erfolgt", sagte der für Deutschland zuständige IOC-Sprecher Christian Klaue. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily sieht derweil keine Hinweise auf Bestechung. "Als Mitglied des Organisationskomitees für die Fußball-WM habe ich zu keinem Zeitpunkt Informationen erhalten, die den Verdacht 'schwarzer Kassen' begründen", sagte Schily der Bild am Sonntag und nahm den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger in die Pflicht: "Alle Zahlungen des DFB einschließlich der gesamten Buchhaltung wurden seinerzeit von dem damaligen Schatzmeister des DFB, Dr. Theo Zwanziger, sorgfältig geprüft", sagte Schily. Wenn es bei einer Zahlung des DFB an die Fifa Unklarheiten gebe, "gehört das zur Verantwortung der Fifa und liegt außerhalb der Verantwortung des Organisationskomitees".
https://www.sueddeutsche.de/sport/niersbach-zur-wm-2006-das-sommermaerchen-ist-nicht-zerstoert-1.2698519
mlsum-de-583
Der Separatistenführer will seine politischen Aktivitäten von Belgien aus fortsetzen. Er werde in den kommenden Jahren vielleicht keinen spanischen Boden betreten, aber katalanischen.
Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont hat sich zum ersten Mal nach dem Ende des Auslieferungsverfahrens an Spanien in der Öffentlichkeit geäußert. Im Haus der Berliner Bundespressekonferenz kündigte Puigdemont an, am Wochenende nach Belgien zurückzukehren. Dorthin hatte er sich im Herbst 2017 nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien abgesetzt. Von Belgien werde seine weitere politische Aktivität ausgehen. In Brüssel wolle er "weiter daran arbeiten, was wir am 1. Oktober in Gang gesetzt haben". Er "habe ein Mandat der Bevölkerung, das ich respektieren und ausüben werde". Der spanischen Regierung warf Puigdemont mangelnde Kompromissbereitschaft vor. Katalonien habe beispielsweise ein Steuerabkommen vorgeschlagen, das abgelehnt worden sei. Grundsätzlich sei die Tür zum Dialog immer offen. Es sei "ein sehr komisches Bild", wenn Madrid mit der inzwischen aufgelösten baskischen Terrororganisation ETA rede, aber nicht mit Katalanen. Puigdemont bestreitet Verbindungen nach Russland Zu angeblichen Verbindungen zwischen den Separatisten mit Russland sagte Puigdemont: "Es hat eine ganze Menge Fake News gegeben zu Verstrickungen Kataloniens mit Russland. (...) Es gibt nicht ein einziges konkretes Zeichen dafür, dass das der Wahrheit entspricht." Das Oberste Gericht in Madrid hatte den Auslieferungshaftbefehl gegen den 55-Jährigen vergangene Woche zurückgezogen. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hob den außer Vollzug gesetzten Haftbefehl daraufhin auf. Vor der Entscheidung in Madrid hatten die Schleswiger Richter eine Auslieferung nur wegen des Verdachts der Veruntreuung für zulässig erklärt - nicht jedoch wegen Rebellion, dem Hauptvorwurf der spanischen Justiz. Nach dem Rückzug des Auslieferungshaftbefehls forderte Puigdemont in einer Videobotschaft die sofortige Freilassung der anderen inhaftierten Kollegen in Spanien. Sie dürften nach dieser Entscheidung keine einzige Minute mehr in Haft bleiben, sagte er darin. Die katalanischen Separatisten rief er auf, "friedlich und demokratisch ihre Einheit zu bewahren". Ohne den Auslieferungshaftbefehl darf sich der Ex-Regionalpräsident in fast ganz Europa frei bewegen. Nach Spanien kann Puigdemont allerdings nicht zurückkehren. Der nationale Haftbefehl gegen ihn besteht weiter. Bei der Rückfahrt nach Belgien von einer Skandinavienreise war er vor vier Monaten am 25. März in Schleswig-Holstein nahe der dänischen Grenze an einer Autobahnraststätte festgenommen worden. Der frühere Journalist kam damals kurzzeitig in ein Gefängnis in Neumünster, wurde aber später unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Verhältnis zwischen Madrid und Katalonien hat sich etwas entspannt Inzwischen hat sich der Konflikt zwischen Katalonien und der Regierung in Spanien zumindest etwas entspannt. Der neue sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy am 1. Juni im Madrider Parlament mit einem Misstrauensvotum zu Fall brachte, nahm jüngst Verhandlungen mit dem separatistischen Regionalchef Quim Torra auf. Torra bezeichnet Puigdemont allerdings weiterhin als "den legitimen" Regionalpräsidenten und beharrt auch auf dem Recht zur Selbstbestimmung Kataloniens.
https://www.sueddeutsche.de/politik/puigdemont-belgien-1.4068617
mlsum-de-584
Verpflichtung des Brasilianers wurde für Barcelona teurer als bisher gedacht. BVB-Boss Watzke fordert erneut die Berücksichtigung von Torwart Weidenfeller für die Nationalmannschaft. NBA-Veteran Jason Kidd beendet seine Karriere.
Fußball in Spanien: Die Verpflichtung des brasilianischen Fußballstars Neymar vom FC Santos kostet den FC Barcelona mehr Geld als erwartet. Die Ablösesumme belaufe sich auf 57 Millionen Euro, teilte der spanische Meister auf seiner Homepage mit. Ursprünglich sei ein Betrag von 40 Millionen Euro veranschlagt worden, sagte Barça-Vizepräsident Josep Maria Bartomeu. Der Transfer habe sich verteuert, weil andere Vereine den 21-Jährigen umworben hätten. "Unsere Offerte war nicht die höchste", betonte Bartomeu: "Aber Neymar wollte unbedingt zu Barça kommen. Das hat verhindert, dass der Transfer noch teurer wurde." Das Geld teilen sich der FC Santos und drei Firmen, die Anteile an den Transferrechten besaßen. Der Brasilianer wird damit der zweitteuerste Spieler in der Vereinsgeschichte von Barça nach dem Schweden Zlatan Ibrahimovic, für den die Katalanen 2009 unterm Strich mehr als 65 Millionen Euro an Inter Mailand gezahlt hatten. Neymar unterzeichnete beim FC Barcelona einen Fünfjahresvertrag. Winfried Schäfer, Thailand: Winfried Schäfer ist nicht mehr Trainer der thailändischen Fußball-Nationalmannschaft. "Gestern haben der Verband und ich den Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst. Ich bin sehr traurig über diese Entwicklung", teilte der 63 Jahre alte ehemalige Bundesligatrainer am Dienstag bei Facebook mit. Schäfer, der das Amt im Juni 2011 übernommen hatte, besaß noch einen Kontrakt bis Juni 2014. Seit der 2:5-Niederlage in der Qualifikation zur Asienmeisterschaft gegen den Libanon im März stand Schäfer in der Kritik. Der ehemalige Nationalmannschaftskapitän und U23-Trainer Kiatisak Senamuang soll Interimscoach werden. Schäfer hat im thailändischen Fußball einiges bewegt, er hatte allerdings auch immer wieder mit strukturellen und organisatorischen Problemen zu kämpfen. "Ich hatte eine fantastische Zeit mit freundlichen und gutherzigen Spielern", so Schäfer. Nationalelf, Weidenfeller: In der Debatte über die Torhüter in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fordert Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von Champions-League-Finalist Borussia Dortmund erneut eine Chance für BVB-Schlussmann Roman Weidenfeller. "Roman muss berücksichtigt werden. Auf Dauer kommt man an ihm nicht vorbei", sagte Watzke der Bild-Zeitung. Ausdrücklich bezog sich Watzke auf Weidenfellers Leistungen in der jüngeren Vergangenheit und nicht auf den schweren Fehler von Marc-André ter Stegen (Borussia Mönchengladbach) beim 3:4 der DFB-Auswahl am vergangenen Sonntag in Washington gegen Gastgeber USA. Seine Forderung "hat nichts mit ter Stegen zu tun. Solche Fehler passieren mal". Weidenfeller war zuletzt angesichts seiner starken Auftritte besonders in der Königsklasse mehrfach als "weltbester Nicht-Nationaltorhüter" bezeichnet worden. Handball, Großwallstadt: Der akut abstiegsbedrohte TV Großwallstadt dürfte im Falle des sportlichen Klassenerhalts weiter in der Handball-Bundesliga spielen. Die Lizenzierungskommission des Ligaverbands erteilte dem Traditionsverein im zweiten Anlauf und unter starken Bedingungen doch noch die zunächst verweigerte Lizenz für die kommende Saison, teilte der TVG am Montagabend mit. Die Auflagen sehen vor, dass der siebenfache deutsche Meister nun bis zum Mittwoch, 12. Juni, weitere Liquiditätsnachweise erbringen muss. "Im Vorfeld hatten wir positive Signale erhalten und führen aktuelle Gespräche mit unseren Partnern, die bisher zufriedenstellend verlaufen sind. Daher sind wir optimistisch, die Bedingungen innerhalb der vorgegebenen Frist erfüllen zu können", sagte Großwallstadts Geschäftsführer Guido Heerstraß. Allerdings steht der Tabellendrittletzte weiterhin kurz vor dem ersten Bundesliga-Abstieg seiner Geschichte. Der TVG kann die Klasse sportlich nur halten, wenn er am Samstag gegen den deutschen Meister THW Kiel gewinnt und der VfL Gummersbach parallel gegen Absteiger TV Neuhausen stolpert. Immerhin rechnet der Verein seit Montag damit, auch die Lizenz für die 2. Liga zu erhalten. Man habe "auch hier positive Signale von der Lizenzierungskommission" bekommen. Fußball in England: Roberto Martinez steht offenbar kurz vor einem Engagement als Teammanager beim englischen Fußball-Erstligisten FC Everton. Laut eines Berichts der BBC hat sich der Klub aus Liverpool mit FA-Cup-Sieger und Absteiger Wigan Athletic über eine Ausgleichszahlung geeinigt, der Vertrag des Spaniers wäre erst 2014 ausgelaufen. Der Spanier hatte Wigan zuvor um eine Auflösung des Kontraktes gebeten. Beim FC Everton tritt Martinez die Nachfolge des zum englischen Rekordmeister Manchester United abgewanderten David Moyes an. Zuletzt war auch der frühere Bundesliga-Trainer Ralf Rangnick als Kandidat in Everton gehandelt worden. Basketball: Der langjährige NBA-Veteran Jason Kidd hat seine Karriere als Basketball-Profi beendet. Der frühere Teamkollege von Dirk Nowitzki erklärte am Montag nach 19 Jahren in der nordamerikanischen Liga seinen Rücktritt. "Meine Zeit als Profi war eine unglaubliche Reise, aber eine, die nach 19 Jahren zu Ende gehen musste", sagte der 40-Jährige auf der Internetseite seines aktuellen Vereins New York Knicks. Kidd hatte 2011 mit den Dallas Mavericks um den deutschen Nowitzki den NBA-Titel gefeiert. Zudem gewann er zwei olympische Goldmedaillen mit den USA und stand zehnmal im All-Star-Team. Mit den New York Knicks schied er in dieser Saison aber bereits im Playoff-Viertelfinale aus. Erst am Samstag hatte der ebenfalls 40 Jahre alte Grant Hill, mit dem sich Kidd 1995 den Titel für den besten Neuling teilte, auch sein Karriereende bekanntgegeben. Eishockey: Die Boston Bruins mit Eishockey-Nationalspieler Dennis Seidenberg haben auch das zweite Spiel der Halbfinalserie in der nordamerikanischen Profiliga NHL bei den Pittsburgh Penguins gewonnen. Zwei Tage nach dem 3:0-Auftaktsieg kam Boston am Montag (Ortszeit) zu einem in dieser Höhe unerwarteten 6:1-Erfolg. Somit ist der Meister von 2011 nur noch zwei Siege vom erneuten Einzug ins Stanley-Cup-Finale entfernt. Brad Marchand hatte die Gäste nach einem Fehlpass von Penguins-Kapitän Sidney Crosby bereits nach 28 Sekunden in Führung gebracht. Als David Krejci und Nathan Horton auf 3:0 erhöhten, wechselte Pittsburgh-Trainer Dan Byslma seine Torhüter, brachte Marc Andre Fleury für Thomas Vokun. Brandon Sutter gelang in der 20. Minute zwar das 1:3, Marchand stellte jedoch umgehend den alten Drei-Tore-Abstand wieder her. Im Schlussdrittel trafen Patrice Bergeron und Johnny Boychuk für die starken Gäste zum Endstand. Seidenberg bekam mit 23:12 Minuten die zweitmeiste Eiszeit seines Teams. Boston hat nun am Mittwoch und Freitag jeweils Heimrecht. Im zweiten Halbfinale haben die Chicago Blackhawks die besten Karten. Der Traditionsclub führt in der Serie "Best of seven" mit 2:0 gegen Titelverteidiger Los Angeles Kings.
https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-bundesliga-grosswallstadt-erhaelt-lizenz-unter-auflagen-1.1687835
mlsum-de-585
Besonderes Treuebekenntnis in schwierigen Zeiten: Nationalspieler Marco Reus verlängert seinen Vertrag bei Borussia Dortmund bis 2019 - und zwar ohne Ausstiegsklausel.
Deshalb verlängert Reus beim BVB Über die Ausstiegsklausel von Marco Reus bei Borussia Dortmund könnten mittlerweile Bücher geschrieben werden. Monatelang debattierten vornehmlich die Cheffunktionäre aus Dortmund und München, ob es diese Klausel gebe, bei wie vielen Millionen Euro sie liege - und überhaupt: Wie lange sei ein Spieler dieser Klasse (Reus) mit einer solchen Klausel (25 bis 30 Millionen Euro) wohl zu halten? Doch nun ist die Reus-Ausstiegsklausel seit diesem Dienstag Geschichte: Der Nationalspieler und der BVB einigten sich auf einen neuen Vertrag bis 2019 - in dem offiziell kein Hintertürchen für einen vorzeitigen, vergleichsweise günstigen Verkauf mehr enthalten sein soll. Und das mitten im Abstiegskampf. Vollzugsmeldung via Twitter "Hi Leute, ich freue mich euch mitteilen zu können, dass ich meinen Vertrag bis 2019 verlängert habe", twitterte Reus am Mittag. Ebenfalls freuen kann er sich über eine deutliche Aufstockung seiner Bezüge: Er dürfte nunmehr der Topverdiener beim BVB sein. Hi Leute, ich freue mich euch mitteilen zu können, dass ich meinen Vertrag bis 2019 verlängert habe! @BVB Euer Marco pic.twitter.com/mXEuEhBrg7 — Marco Reus (@woodyinho) 10. Februar 2015 "Dass sich Marco inmitten einer sportlichen Krise für den BVB entschieden hat, zeigt ein Höchstmaß an Identifikation, auf das wir sehr stolz sind", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Die Aktie des börsennotierten Klubs zog angesichts der Nachricht an. Gegen Mittag legte die Aktie um zeitweise 2,18 Prozent auf 4,03 Euro zu. Watzke weiter: "Marco kann in Dortmund eine Ära prägen, so wie es vor ihm Uwe Seeler in Hamburg oder Steven Gerrard in Liverpool getan hat." "Hätte zu fast jedem Topklub wechseln können" Ob Reus wirklich wie Seeler bis zum Karriereende oder wie der am Saisonende abwandernde Gerrard zumindest 17 Jahre beim BVB bleibt, erscheint aber offen. Zwar war Reus von zahlreichen Klubs wie Real Madrid, Manchester United oder dem FC Chelsea bis zum Schluss heiß begehrt, doch die für ihn wirklich infrage kommenden Alternativen waren zuletzt offenbar ausgeschieden. Der FC Bayern soll abgewinkt haben, der FC Barcelona - Reus' erklärter Traumklub - darf wegen des Transferverbots des Weltverbands Fifa im Sommer keinen Spieler verpflichten. Immerhin: Sollte Reus vor 2019 den Verein verlassen, wäre die Ablösesumme für den BVB frei verhandelbar. Daran will beim BVB noch niemand denken. Auch Manager Michael Zorc betonte, Reus "hätte zu fast jedem Topklub auf der Welt wechseln können. Durch seine Entscheidung hat er gezeigt, dass sein Herz für seine Heimatstadt und für seinen Heimatverein schlägt. Er ist ein ganz wichtiger Baustein für Borussia Dortmunds sportliche Zukunft."
https://www.sueddeutsche.de/sport/marco-reus-beim-bvb-treue-ohne-hintertuerchen-1.2344860
mlsum-de-586
Am 1. Juni treten die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip in Kraft. Doch die Umsetzung verzögert sich. Nur Berlin führt die Mietpreisbremse pünktlich ein. Andere Länder müssen noch bestimmen, wo die Regeln gelten sollen.
Vom 1. Juni an können Bundesländer in bestimmten Gebieten die Wiedervermietungsmieten deckeln. Vielerorts sind die Landesregierungen aber noch nicht so weit. Nur in Berlin gilt von Montag an flächendeckend die Mietpreisbremse: Wird eine Wohnung frei, darf der Vermieter im Anschluss höchstens eine Miete verlangen, die zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegt. Weiterhin umstritten ist, wie die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wird. Längst nicht alle großen Städte haben einen Mietspiegel erstellen lassen. Und selbst wenn dieser vorliegt, gibt es noch keine Rechtssicherheit. Erst kürzlich hatte ein Gericht etwa den Berliner Mietspiegel kassiert. Im Bundesjustizministerium laufen derzeit Vorbereitungen, für ganz Deutschland verbindliche Regeln zu formulieren. Die meisten anderen Bundesländer sind gerade dabei, jene Gebiete zu bestimmen, in denen die neue Regel wirksam sein soll. Laut Gesetz soll die Mietpreisbremse nämlich nur in angespannten Wohnungsmärkten gelten. Einige Länder wie Sachsen-Anhalt oder das Saarland wollen die Mietpreisbremse wahrscheinlich überhaupt nicht einführen. Dort gibt es ganz andere Probleme mit dem Wohnungsmarkt: In Sachsen-Anhalt beispielsweise steht bei großen Wohnungsunternehmen gerade fast jede achte Wohnung leer. Bundesweit tritt am 1. Juni das sogenannte Bestellerprinzip in Kraft. Danach zahlt bei der Vermietung künftig derjenige den Makler, der ihn beauftragt hat. In den angespannten Märkten der Großstädte sind dies in der Regel die Vermieter. Bisher entrichten aber zumeist die Mieter die Courtage. Am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht zwei Eilanträge gegen das Gesetz abgewiesen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/regulierung-neue-vorschriften-1.2497220
mlsum-de-587
In der Affäre um das Sturmgewehr G36 fordert jetzt sogar die SPD einen Untersuchungsausschuss - für den Koalitionspartner CDU ist das ein Affront.
Die Affäre um das Sturmgewehr G36 belastet jetzt auch das Klima in der großen Koalition. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi griff am Freitag in ungewöhnlicher Schärfe Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an und forderte einen Untersuchungsausschuss. Fahimis CDU-Kollege Peter Tauber reagierte darauf harsch und warf Fahimi "verbales Herumballern" vor. "Die Affäre um das G36 macht einmal mehr deutlich, dass Frau von der Leyen die Kontrolle ihres Hauses entglitten ist", erklärte Fahimi. "Wenn hier nicht restlos aufgeklärt wird, gefährden wir das Vertrauen in unsere Demokratie." Im Verteidigungsministerium täten sich "Abgründe" auf, "die nur mit Hilfe eines Untersuchungsausschusses umfassend geklärt werden können", so die Sozialdemokratin. Von der Leyen dürfe "einer rückhaltlosen Aufklärung nicht länger im Weg stehen". Die Grünen wollen einen Untersuchungsausschuss, die Linken zögern noch Zuvor war bekannt geworden, dass der Waffenhersteller Heckler & Koch wegen Enthüllungen über das G36 den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einschalten wollte und bei diesem Vorhaben von der Rüstungsabteilung des Verteidigungsministeriums unterstützt wurde. Das Dokument, in dem der Vorgang beschrieben ist, lag vor gut einem Jahr im Büro von der Leyen vor, doch die Ministerin bekam es nach Angaben eines Sprechers nicht zu Gesicht. Ein Referent, der später das Büro der Ministerin leitete, zeichnete es mit den Worten "lag vor" ab. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte dazu der Süddeutschen Zeitung: "Papiere, die im Ministerbüro ankommen, sind damit auch beim Minister angekommen." Es wäre gut, "wenn es über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Verteidigungsausschuss Konsens gäbe". Die Grünen hatten einen solchen Ausschuss bereits am Donnerstag gefordert, die Linke ist bisher noch etwas zurückhaltender. Allein können die Grünen keinen Untersuchungsausschuss durchsetzen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte der SZ, Fahimi erweise "sich sowohl in der Sache wie auch in der Wortwahl als wenig treffsicher - verbales Herumballern dient kaum der sachlichen Aufklärung". Von der Leyen habe "in ihrer politischen Verantwortung schon in der Vergangenheit Probleme direkt benannt und wird das auch künftig tun". Zur Aufgabe von Fahimi gehöre es "wohl kaum, dem Parlament Belehrungen zu erteilen, was es zu tun hat", sagte Tauber. Der Bundestag brauche "keine Anweisungen von Frau Fahimi, sondern wird allein in der Lage sein, das Notwendige auf den Weg zu bringen". In Koalitionen gilt die Übereinkunft, dass die beteiligten Fraktionen nur gemeinsam vorgehen. Fahimis unabgesprochene Forderung nach einem Untersuchungsausschuss wird in der Union auch deshalb als unfreundlicher Akt gewertet. In der Spitze der Unionsfraktion hieß es, man habe den beiden Oppositionsfraktionen das Recht zugestanden, gemeinsam einen Untersuchungsausschuss beantragen zu können, obwohl Grüne und Linke dafür eigentlich nicht über die notwendige Mehrheit im Bundestag verfügen. Das zeige, dass sich die Union nicht prinzipiell gegen Untersuchungsausschüsse stelle. Von der Leyen zog am Freitag erste personelle Konsequenzen. Nach Angaben eines Sprechers soll der für die MAD-Initiative verantwortliche ehemalige Leiter der Rüstungsabteilung von seinen Aufgaben entbunden und in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Er hatte Ende 2013 in einem Schreiben an den damaligen MAD-Präsidenten das Ansinnen der Firma Heckler & Koch unterstützt, den Dienst wegen zahlreicher Enthüllungen zum G36 einzuschalten. Von der Leyen hatte ihn in einem anderen Zusammenhang bereits Anfang 2014 seines Postens an der Spitze der Rüstungsabteilung enthoben und ihm die Leitung des Fuhrparkservice der Bundeswehr übertragen. Ein Ministeriumssprecher erweiterte außerdem die Darstellung, nach der von der Leyen die entscheidende Vorlage zu der MAD-Initiative vor einem Jahr nicht gelesen habe: Sie sei auch mündlich nicht über den brisanten Vorgang informiert worden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/affaere-um-g36-sturmgewehr-die-koalitionaere-schiessen-scharf-1.2471575
mlsum-de-588
Die Vereine der Fußball-Bundesliga leiden unter der schlechten Zahlungsmoral ausländischer Klubs. In 30 Fällen wurden nach Spielertransfers nicht die vereinbarten Ablösesummen gezahlt. DFB und DFL wollen bei der Fifa Druck machen.
Die Vereine der Fußball-Bundesliga leiden stark unter der schlechten Zahlungsmoral ausländischer Vereine nach Transfers. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung gibt es aktuell rund 30 Fälle, in denen ausländische Klubs nicht die vereinbarten Ablösesummen nach Vereinswechseln von Spielern gezahlt haben. Der Schaden soll sich derzeit auf 13 Millionen Euro belaufen. Besonders schlecht soll die Zahlungsmoral bei italienischen und türkischen Vereinen sein. Nach SZ-Informationen wollen jetzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) Druck machen, um den Vereinen zu ihrem Geld zu verhelfen. Genua schuldet Schalke noch 4,7 Millionen Euro für Rafinha DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock sagte der SZ, der DFB stehe in dieser Angelegenheit "hinter den Vereinen". Er habe bereits im Frühjahr Präsidenten und Generalsekretären anderer Nationalverbände gebeten, sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Andreas Rettig, einer der beiden Geschäftsführer der DFL, begrüßte den Schulterschluss mit dem DFB und erklärte, es sei "nicht mehr hinnehmbar, dass unsere Vereine Millionenforderungen haben und ihrem Geld hinterherlaufen müssen". Der italienische Erstligist CFC Genua schuldet Schalke 04 für den Wechsel des Spielers Rafinha im Sommer 2010 nach SZ-Informationen immer noch rund 4,7 Millionen Euro. Das Disziplinar-Komitee der Fifa hat dem CFC Genua am 8. Oktober in einem spektakulären Urteil noch einmal eine Frist von 90 Tagen zur Begleichung seiner Schulden eingeräumt und einen Drei-Stufen-Plan für Sanktionen entwickelt. Zunächst drohten dem derzeitigen Tabellenfünften der italienischen Serie A ein Sechs-Punkte-Abzug. Falls der Verein dann immer noch nicht zahle, drohe der Zwangsabstieg. Und falls der italienische Fußballverband die Anweisungen der Fifa missachten sollte, könne das zum Ausschluss Italiens aus allen Fifa-Wettbewerben führen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/transferzahlungen-auslaendische-vereine-schulden-bundesliga-klubs-13-millionen-euro-1.2222309
mlsum-de-589
Ein deutsches PC-Spiel ist der Hit in Griechenland - bis im Sommer die Kapitalkontrollen kamen. Die Folge für Unternehmen: extreme Umsatzeinbrüche.
Warum ist ein kleines Superhelden-Computerspiel wie "Hero Zero" gerade in Griechenland so erfolgreich? Das kann Johannes Sevket Gözalan zwar nicht endgültig beantworten, aber ein paar Argumente hat er. Der Unternehmer konnte das Spiel mit seiner Münchner Firma, der European Games Group, dank eines Joint Ventures mit dem griechischen Fernsehsender Antenna auch jenseits des Internets vermarkten. Es liegt wohl auch am Spiel selbst: Das Grafik-Adventure im Comic-Stil der Neunzigerjahre lässt krumme Verliererfiguren mit Klick-Fleiß zu Superhelden aufsteigen. Das macht Spaß - und bietet offenbar gerade in Krisenzeiten Ablenkung. Jedenfalls haben bereits 1,8 Millionen Nutzer in Griechenland das in der Basisversion kostenlose Spiel auf dem PC oder dem Smartphone gespielt. Im Jahr 2015 läuft "Hero Zero" in keinem Land besser - bis Ende Juni, als die Regierung in Athen die Banken schließt und Kapitalverkehrskontrollen einführt, um die Kapitalflucht zu stoppen. Damit kommt auch das internationale E-Commerce-Geschäft zum Erliegen. Apple, Amazon oder Paypal sperren griechische Kunden. Auch die bis zu drei Prozent an Nutzern von "Hero Zero", die bereit sind, für einen Spielfortschritt zu bezahlen, können dies nicht mehr tun. Es wird drei Monate dauern, bis die Firma eine neue Möglichkeit zur elektronischen Zahlung gefunden hat. Da hat sie auch schon geschätzte 165 000 Euro Umsatz verloren. Gözalan kann es bis heute nicht fassen. In den Achtzigerjahren verdient der heute 55-jährige Münchner sein erstes Geld damit, Auslandsrechte für türkische Kino-Filme für jeweils ein paar hundert Mark aufzukaufen und sie auf Videokassetten massenweise an Gastarbeiter zu verkaufen. Später arbeitet er in der Musik- und der Verlagsbranche, berät Medienunternehmen und die Grünen. Dass Joschka Fischer im Wahlkampf 2002 bei jedem Termin eine kleine Runde joggt, sei seine Idee gewesen, sagt Gözalan. 2010 gründet er die European Games Group und arbeitet mit unabhängigen Spiele-Entwicklern zusammen. "Ich bin kein Gamer, war ich nie", sagt Gözalan. In die Branche wollte er trotzdem, weil er das Potenzial von Gaming im Zusammenspiel mit Social Media erkannt hatte. Seine Firma kümmert sich um die weltweite Vermarktung der Spiele und den Kundendienst; der Profit wird mit den Entwicklern geteilt. 2015 ist der Umsatz der European Games Group um 80 Prozent gewachsen, aktuell steht eine zweite Finanzierungsrunde an. Nach Einführung der Kapitalverkehrskontrollen beginnt Gözalans private Mission "Hero Zero". Er will mit dem Computerspiel weiter Geld verdienen. Doch das Zahlungsmittel, mit dem die meisten griechischen Gamer online bezahlen, ist von Juli bis September vom Markt: die Paysafecard, eine Prepaid-Karte, die es im stationären Handel zu kaufen gibt. Durch die Kapitalverkehrskontrollen könne man seitdem nur noch E-Commerce-Erlöse an Webshops mit einem griechischen Konto überweisen, sagt Udo Müller, Geschäftsführer der österreichischen Firma Paysafecard. Also braucht Gözalan ein griechisches Konto. Er fragt bei der Industrie- und Handelskammer nach, bei deutschen und griechischen Banken. Niemand kann helfen. Auch Müller von Paysafecard hat beobachtet, dass eine Kontoeröffnung in Griechenland derart bürokratisch ist, dass ausländische Firmen es gar nicht versuchen. Gözalan schon. Ein befreundeter türkischer Anwalt in Athen eröffnet für die European Games Group ein Treuhandkonto. Dort gehen seit November wieder die Tagesumsätze aus "Hero Zero" ein - mal 7500 Euro, mal weniger. Nach Deutschland kann Gözalan sie jedoch erst transferieren, wenn die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben sind. Im ersten Halbjahr 2016 soll es soweit sein.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/auslaendische-unternehmen-in-griechenland-game-over-1.2792267
mlsum-de-590
Ausgelassen feiert der BVB den Final-Einzug. Doch das Verhältnis zwischen Trainer und Vorgesetzten ist auch in der Stunde des Triumphs eher angespannt.
Sven Bender hat selten die Gelegenheit, sich für eigene Tore feiern zu lassen. An diesem Abend aber, klitschnass vom eisigen Regen in Münchens Arena, durfte sich "Manni", wie ihn alle Welt ruft, als Matchwinner fühlen. Wegen einer Grätsche, die das 3:1 durch Arjen Robben verhinderte. Eine Rettungsszene wie ein eigener Torschuss, der Anfang vom Ende für den FC Bayern. Fünf Minuten später köpfelte Benders Kollege Pierre-Emerick Aubameyang Dortmunds Ausgleich zum 2:2. Das Spiel kippte, das Spiel drehte sich. Und gefeiert wurde hinterher Sven Bender. "Wenn er keine Lust hat, den Ball zu halten, dann bin ich halt mal da", flachste Dortmunds bayerischer Abräumer in Richtung des Torwarts Roman Bürki, der neben ihm stand - und der die Szene mit einem Harakiri-Pass auf David Alaba erst heraufbeschworen hatte. "Da nehm' ich auch in Kauf, dass ich meinen Fuß mal länger machen muss, als er ist", scherzte Bender, von dem es wegen seiner häufigen Verletzungen heißt, dass er auf jeden Rücksicht nehme, außer auf den eigenen Körper. Aber dann gab Bender doch zu: "Ich muss mir die Szene, ehrlich gesagt, selber noch mal anschauen. Ich hab' den Überblick verloren, ich wusste gar nicht, wo der Ball hingegangen ist. Dann hab' ich das Geräusch vom Pfosten gehört und dachte: Gut, dann ist der Ball wohl nicht drin." Tatsächlich, da waren sich alle Schwarz-Gelben einig, hing Dortmunds vierter Einzug in Serie ins Pokalfinale an dieser Szene mit Benders Teleskop-Fuß. Selbst die Tore von Marco Reus, Aubameyang und Ousmane Dembélé wurden weniger gewürdigt. Die sechste Saison in Folge, die mit einem Finale endet In den Minuten nach dem Sieg, nachdem eilig Bier in die Kabine geschafft worden war, nicht nur für die Bayern und Westfalen im Dortmunder Team, schien für eine Weile fast jeder Gedanke an den Bombenanschlag auf den BVB-Teambus verdrängt zu sein. Auch Manager Michael Zorc mochte nur indirekt daran erinnern: "Wenn eine Mannschaft mal ein bisschen Glück verdient hat, dann ist es sicher unsere, nach dem, was sie die letzten beiden Wochen erlebt und durchgemacht hat." Den vereitelten Robben-Schuss nannte Zorc im Überschwang eine "tausendprozentige Chance". Dortmund rannte allerdings auch kollektiv beeindruckende 123 Kilometer und setzte damit unter anderem die eigene Physis und Jugend gegen die Klasse der Bayern. Die ersten 20 und die letzten 25 Minuten gingen an Dortmund, und dies sah fast so wild und aufbegehrend aus wie in den besten Jahren der Jürgen-Klopp-Ära. Julian Weigl, der zweite Oberbayer beim Sieger, 21 Jahre jung, beschrieb die Partystimmung so: "Die Musik ist laut, in der Kabine ging es richtig ab. Der Vorfall mit dem Bus hat uns zusammengeschweißt." Die beste Therapie für alle, die tatsächlich dabei waren, als der Sprengstoff-Anschlag die Mannschaft erschütterte, sei das Miteinander gewesen: "Wir konnten am besten untereinander darüber reden." Trainer Thomas Tuchel, der selbst zu den Betroffenen gehörte, goss es später in diese Metapher: "Solche Erlebnisse, auf die wir gerne verzichtet hätten, können auch für einen besonderen Klebstoff sorgen und schaffen mehr Vertrauen untereinander." Sechs Duelle, je drei Siege: Die Pokal-Duelle der Rivalen seit 2012 2012 Fin FC Bayern - Dortmund 2:5 (1:3) 2013 VF FC Bayern - Dortmund 1:0 (1:0) 2014 Fin FC Bayern - Dortmund n.V. 2:0 (0:0) 2015 HF FC Bayern - Dortmund i.E. 0:2 (1:1) 2016 Fin FC Bayern - Dortmund i.E. 4:3 (0:0) 2017 HF FC Bayern - Dortmund 2:3 (2:1) Viertes BVB-Finale in Serie Borussia Dortmund steht als erster Verein zum vierten Mal nacheinander im Endspiel. Neben dem BVB haben vier Vereine eine Dreier-Serie zu bieten: Schalke 04 (1935-37), Fortuna Düsseldorf (1978-80), Werder Bremen (1989-91) und zweimal der FC Bayern (1998-2000, 2012-14). Die Dortmunder spielen aber gegen einen Fluch an: Keine andere Mannschaft hat drei Pokalendspiele in Serie verloren. Abgesehen von den Niederlagen gegen München 2014 und 2016 gab es 2015 ein 1:3 gegen den VfL Wolfsburg. SID Ob die Euphorie des Augenblicks den Pegelstand der Trauma-Bewältigung beim BVB nicht doch ein wenig verklärte - man weiß es nicht. Fest steht, dass Borussia nun schon zum sechsten Mal nacheinander die Saison mit einer Final-Teilnahme beenden darf. Seit 2012, als Dortmund den Pokal gewann - und zugleich erstmals das Double mit der Bundesliga-Meisterschaft - haben die Borussen allerdings kein Endspiel mehr gewonnen. 2013 nicht, im Champions-League-Finale von Wembley gegen die Bayern; 2014 und 2016 nicht, als sie in Berlin jeweils gegen die Bayern verloren, beim letzten Mal erst im Elfmeterschießen. Und auch 2015 nicht, als der BVB zwar im Halbfinale in München triumphierte, dann aber das Finale gegen den VfL Wolfsburg verschenkte. Vier große Vereinsfeiern - einmal in London, dreimal in Berlin, aber seit fünf Jahren keine Siegesfeier mehr, sondern tristere Veranstaltungen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bvb-im-pokalfinale-kleiner-seitenhieb-an-tuchel-1.3481484
mlsum-de-591
Pierre-Michel Lasogga sichert dem Hamburger SV einen 1:0-Sieg über die TSG Hoffenheim. TSG-Trainer Markus Gisdol muss um seinen Job fürchten.
Markus Gisdol steht nach einer neuerlichen völlig missratenen Vorstellung seiner Schützlinge vor dem Aus bei 1899 Hoffenheim: Die Kraichgauer verloren zum Auftakt des 10. Spieltags der Fußball-Bundesliga 0:1 (0:0) gegen den Hamburger SV und und stehen mit lediglich sechs Punkten so schlecht wie noch nie zu diesem Zeitpunkt einer Saison da. Den Siegtreffer für den HSV erzielte Pierre-Michel Lasogga in der 88. Minute. Vor der Partie gab es Berichte über einen drohenden Rauswurf Gisdols, falls sein Team nicht den zweiten Saisonsieg landen sollte. Die Niederlage nach über 20 Minuten in Unterzahl (Gelb-Rote Karte für Innenverteidiger Ermin Bicakcic wegen wiederholtem Foulspiel in der 68. Minute) dürfte das Schicksal Gisdols trotz der Fan-Sprechchöre für den Trainer besiegelt haben. Der Coach, dessen Vertrag bei den Kraichgauern bis 2018 läuft, stand zum 85. Mal in der Bundesliga an der TSG-Seitenlinie und schloss damit zum bisherigen Hoffenheimer Rekordtrainer Ralf Rangnick auf. Diese Statistik wird Mehrheitseigner Dietmar Hopp aber kaum interessieren. Das gilt auch für die Meinung der Profis, die sich vor der Partie hinter ihren Trainer gestellt hatten. Die sportliche Krise hat das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Gisdol, der die Klubführung bei den Vertragsverhandlungen im Frühjahr mit hohen Gehaltsforderungen verärgert hatte, und Hopp weiter verschlechtert. Der Kredit des einstigen Retters, der die TSG 2013 vor dem Abstieg bewahrt hatte, beim Milliardär gilt als aufgebraucht. Gisdol sah sich zuletzt schon mit den Namen seiner potenziellen Nachfolger (Tayfun Korkut, Mirko Slomka, Thomas Schaaf) konfrontiert.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-lasogga-beendet-hamburger-torflaute-1.2706736
mlsum-de-592
Bastian Schweinsteiger spielt beim Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover vermutlich wieder von Beginn an. Jonas Hofmann verlängert seinen Vertrag bei Borussia Dortmund bis 2018. Der Hamburger SV verzeichnet im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Millionenverlust.
Fußball, Verletzung: Bayern Münchens Fußball-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger wird aller Voraussicht nach im Heimspiel gegen Hannover 96 in der Startelf stehen. "Warum nicht? Er kann spielen, es geht viel, viel besser. Ich weiß aber nicht, ob er für 90 Minuten bereit ist", sagte Trainer Pep Guardiola am Freitag. Schweinsteiger war nach einer Stauchung und Kapselzerrung am Sprunggelenk diese Woche ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Zuvor hatte er das Finale um den europäischen Supercup sowie die vergangenen Länderspiele verpasst. Die Verletzungen im Mittelfeld bedauert Guardiola zwar, die Ausfälle von Mario Götze (Kapselriss), Javi Martínez (Leisten-OP), Thiago (Syndesmoseriss) dürften dennoch "keine Entschuldigung" sein. "Es sind nur 17 oder 18 Spieler gesund, aber das ist Bayern, wir müssen gewinnen", sagte der Spanier auch mit Blick auf die beginnenden englischen Wochen. Der FC Bayern bestreitet in den nächsten 21 Tagen sieben Pflichtspiele. Fußball, Vertragsverlängerung: Borussia Dortmund hat den Vertrag mit Jonas Hofmann vorzeitig bis zum 30. Juni 2018 verlängert. Der 21 Jahre alte Mittelfeldspieler, der vor zwei Jahren von 1899 Hoffenheim zum BVB gekommen war, machte mit guten Leistungen in der U23 der Borussia und im Bundesliga-Team auf sich aufmerksam. "Jonas hat in den vergangenen Monaten einen riesigen Schritt nach vorn gemacht, er ist aber noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung. Wir freuen uns sehr, langfristig mit ihm zu arbeiten und hoffentlich das beste Stück seines Karriereweges gemeinsam mit ihm gehen zu können", sagt Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. Hofmann kam bereits in der vergangenen Saison zu drei Bundesliga-Einsätzen. Inzwischen stehen für den gebürtigen Heidelberger sechs Erstliga-Spiele und ein Tor in der Statistik. Fußball, Jahresbilanz: Fußball-Bundesligist Hamburger SV hat das vergangene Geschäftsjahr mit einem Minus von etwa neun Millionen Euro abgeschlossen. Das wurde nach Informationen des Radiosenders 90,3 bei einer Aufsichtsratssitzung der Hanseaten am Donnerstagabend bekannt. Eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe die Zahlen bereits geprüft. Um das befürchtete zweistellige Millionen-Bilanzminus in Grenzen zu halten, hatte man sich mit Vermarkter Sportfive vorzeitig auf eine Verlängerung des Vertrages bis 2020 geeinigt. Dafür verzichtete Sportfive auf ein Darlehen von 12,4 Millionen Euro. Die Saison 2013/14 will der HSV mit einer ausgeglichenen Bilanz abschließen. Der Vermarktervertrag, höhere TV-Einnahmen und einige Transfers wie das Leihgeschäft von Dennis Aogo zum FC Schalke 04 spülen Geld in die Kasse. Zudem soll der teure Kader im Winter verschlankt werden. Leichtathletik, Doping: Die Dopingkontrollen im Rahmen der Leichtathletik-WM in Moskau haben positive Tests zu Tage gefördert: Roman Awramenko, Fünfter im Speerwurf, und die EM-Zweite über 200 Meter, Jelisabeta Brysgina, wurden von ihrem ukrainischen Fachverband für zwei Jahre gesperrt. Beide nahmen offenbar anabole Steroide. Bei Awramenko (25) wurde während der WM die verbotene Substanz Methyltestosteron gefunden, ein Ableger von Testosteron. Bei Brysgina (23) war es Drostanolon. Auch der zehnte Platz der ukrainischen 4x100-m-Staffel wurde annulliert. Boxen, Titelverteidigung: Der WM-Kampf im Cruisergewicht zwischen Weltmeister Marco Huck und Herausforderer Firat Arslan findet am 25. Januar 2014 in Stuttgart statt. Ursprünglich war der Kampf für diesen Samstag vorgesehen, doch Huck hatte sich vor einer Woche im Training am linken Ellenbogen verletzt. Daraufhin war der Kampfabend in Stuttgart abgesagt worden. Die bereits erworbenen Eintrittskarten behalten ihre Gültigkeit. "Für mich war erst einmal wichtig, dass die Ärzte sagen, dass ich bis dahin fit bin. Da dies der Fall ist, steht dem Kampf nichts mehr im Wege", sagte Huck und fügte an: "Ich war vor der Verletzung in Bestform, und das wird auch im Januar der Fall sein." Huck und Arslan waren bereits im November 2012 gegeneinander angetreten. Damals hatte Huck gegen den Herausforderer umstritten nach Punkten gewonnen. Fußball, International: Francesco Totti wird wohl bis zu seinem 40. Lebensjahr für den italienischen Fußball-Erstligisten AS Rom spielen. Der Kapitän einigte sich mit seinem Klub auf eine vorzeitige Verlängerung des Vertrages um weitere zwei Jahre bis 2016. Das berichtete die italienische Sporttageszeitung Corriere dello Sport am Freitag. Der 36-Jährige wird drei Millionen Euro netto pro Saison kassieren. Totti, der seit Beginn seiner Karriere bei den Römern unter Vertrag steht, belegt mit 227 Toren Platz zwei in der ewigen Torschützenliste der Serie A hinter Silvio Piola. Der hatte zwischen 1929 und 1954 274 Mal getroffen, für Pro Vercelli, Lazio Rom, Juventus Turin und Novara. Tennis, Davis Cup: Wimbledonsieger Andy Murray hat sich für eine Reform des Davis Cups stark gemacht. Er fordert, den Mannschaftswettbewerb besser in den Tennis-Kalender zu integrieren. "Sie sollten eine Pflichtveranstaltung daraus machen. Dann kommen auch keine Diskussionen auf", sagte der Weltranglistendritte der BBC: "Wir müssen 18 Pflicht-Turniere in der Saison spielen, was 27, 28 Wochen im Jahr bedeutet. Wir dürfen dabei nicht entscheiden, wo wir spielen." Spitzenspieler wie Murray sind von der Spielervereinigung ATP dazu verpflichtet, bei den vier Grand Slams, neun Masters und fünf weiteren Turnieren im Jahr anzutreten. Der Davis Cup wird vom Tennis-Weltverband ITF ausgerichtet und wirkt oft wie ein Fremdkörper im Kalender der Profis. Oft verzichten die Topspieler kurzfristig auf einen Einsatz. Lance Armstrong, Olympia: Armstrong hat seine bei den Olympischen Spielen 2000 gewonnene und mittlerweile wegen Dopings aberkannte Bronzemedaille nach eigenen Angaben an das Nationale Olympische Komitee der USA zurückgegeben. "Die 2000er Bronzene ist zurück im Besitz von @usolympics und wird so schnell wie möglich zurück in Lausanne bei @olympics sein", twitterte der einstige Radstar am Donnerstagabend auf Englisch. Armstrong war die Zeitfahr-Medaille vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aberkannt worden, nachdem der Amerikaner nach jahrelangem Leugnen gestanden hatte, leistungssteigernde Mittel genommen zu haben. In einem detaillierten Report hatte die US-Anti-Doping-Agentur zuvor die Vergehen Armstrongs dokumentiert, woraufhin er auch aus den Siegerlisten der Tour de France von 1999 bis 2005 gestrichen wurde.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-vor-heimspiel-gegen-hannover-schweinsteiger-kehrt-in-startelf-zurueck-1.1770215
mlsum-de-593
Vor dem fünften Playoff-Duell führt Titelverteidiger München 3:1. Außenseiter Bremerhaven gibt sich aber nicht geschlagen.
Das erste Drittel war zu Ende, doch Jan Urbas lag rücklings auf dem Eis der Eisarena Bremerhaven und hielt sich seine rechte Hand. Der Angreifer der Fischtown Pinguins war nach einem Schuss in der letzten Sekunde über Michael Wolf gefallen und unglücklich aufgekommen. Als der Schiedsrichter sich nach ihm erkundigte, signalisierte Urbas mit einem Kopfnicken: Alles gut. Es macht immer Eindruck, wenn ein 1,92 Meter großer Zwei-Zentner-Mann krachend zu Boden geht. Bei Urbas schaute das Bremerhavener Publikum am Mittwochabend ganz genau hin, denn der Slowene ist der personifizierte Hoffnungsträger der Pinguine vor dem fünften Playoff-Viertelfinalspiel an diesem Freitag (19.30 Uhr, Olympia-Eisstadion) in München. Der Außenseiter muss beim EHC Red Bull München gewinnen, sonst steht der Titelverteidiger in der Deutschen Eishockey Liga vorzeitig im Halbfinale. Keiner repräsentiert die Leidenschaft der Norddeutschen mehr als der 29-jährige Stürmer aus Ljubljana. "Er ist ein Spielertyp, wie wir ihn lieben", sagt sein Trainer Thomas Popiesch. "Er macht immer zu hundert Prozent seinen Job, nicht nur offensiv, auch nach hinten." Und er geht immer da hin, wo es weh tut. Im Dezember sah Urbas aus wie ein Häuptling auf dem Kriegspfad, mit Platzwunden unter beiden Augen - egal. That's Hockey. Bremerhavens Manager Alfred Prey kommt ins Schwärmen, als er am Donnerstag auf der 800 Kilometer langen Busfahrt nach Bayern über Urbas spricht. Wie der Nationalspieler "auch im gegnerischen Drittel die Scheibe behaupten kann, ist bemerkenswert", sagt Prey. "Er sucht immer den direkten Weg zum Tor und ist auch noch immens torgefährlich, ein Power Forward der alten Schule." Urbas sei ein "Glücksgriff" für die Pinguine: "Zusammen mit unserem Kapitän Mike Moore ist er einer der Leuchttürme, die bei uns in der Kabine den Ton angeben." 21 Tore hat Urbas in der Hauptrunde geschossen, dann erzielte er in der Verlängerung von Spiel zwei der Pre-Playoffs gegen Iserlohn den Treffer zum Viertelfinale. "Er hat die Erwartungen in dieser Saison übererfüllt", sagt Prey. Auch der EHC München hat seine Qualitäten schon zu spüren bekommen. Urbas scorte in jedem der vier Viertelfinalduelle: zwei Tore, drei Vorlagen. Vor vier Jahren trug Urbas selbst noch das Münchner Trikot. 2013/14 spielte er unter Pierre Pagé für den EHC. Urbas scorte nicht schlecht (acht Tore, zwölf Vorlagen), doch glücklich wurde er in der bayerischen Hauptstadt nicht. "Ich kenne nicht alle Geschichten", sagt Thomas Popiesch, "aber ich weiß, dass er nicht zurechtgekommen ist." Nach nur einer Saison verließ Urbas Bayern Richtung Österreich. In München hat sich seitdem viel verändert. Vom damaligen Team ist nur noch Yannic Seidenberg übrig. Die Zeit beim EHC sei dennoch wichtig für Urbas gewesen, sagt Prey. Er hat den mehrmaligen Olympia- und WM-Teilnehmer, 2016 wertvollster Spieler der B-WM für Slowenien, lange beobachtet. Von einem Wechsel aus Villach nach Bremerhaven überzeugte er ihn mit dem Versprechen, "dass er hier bei uns eine zentrale Rolle spielen kann". Das Umfeld des kleinsten DEL-Standorts tat das Übrige. "Er hat etwas gesucht, was etwas familiärer ist und damit seiner Mentalität entspricht", erzählt Prey. Der Plan ging auf. Urbas hat kürzlich seinen Vertrag mit den Pinguins bis 2020 verlängert. "Meine Familie und ich fühlen uns einfach wohl", sagt Urbas. "Die Leute sind nett und die Fans sind großartig." In Bremerhaven drehe sich "wirklich alles" um den Eishockeysport. Damit das noch ein paar Tage länger so bleibt, müssten Urbas und seine Teamkollegen am Freitag den zweiten Playoff-Auswärtssieg in München einfahren. Nicht mit dabei wird Jason Bast sein. Der Angreifer war am Mittwoch von Keith Aulie mit einem Bandencheck aus dem Spiel genommen worden. Der EHC-Verteidiger kassierte dafür eine Spieldauerstrafe, ist aber wieder einsatzberechtigt. Basts Verlust dagegen sei dramatisch, sagt Prey, "er ist einer unserer zentralen Spieler." Es wird also noch mehr auf Urbas ankommen, wenn Bremerhaven das "Unmögliche" schaffen will. Abgeschlossen haben die Norddeutschen mit der Serie aber noch nicht. "Das Theater ist erst zu Ende, wenn die dicke Dame nicht mehr singt", sagt Prey. "Und noch singen wir."
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/del-viertelfinale-noch-singen-wir-1.3917359
mlsum-de-594
Der eine starb, der andere wurde weltberühmt - nach langen Jahren der Zurückhaltung präsentierten einstige Bergkameraden ihre Version.
(SZ vom 24.5.2003) Am Dienstag vor zwei Wochen kam der Brief mit der Warnung. Am Mittwoch sagte der Vertreter von National Geographic, dass er sich an der Geschichte nicht die Finger verbrennen wolle. Am Donnerstag zeigten gleich mehrere Journalisten verschiedenster Blätter ihre Scheu, dieses heiße Thema anzupacken. Es scheint ein schöner Tanz zu werden. Dass der Tanz mit dem Bekanntheitsgrad des Mannes zu tun hat, um den es hier geht, ist nicht unbedingt verblüffend. Dass der Tanz aber schon beginnt, bevor das Buch überhaupt auf dem Markt ist, kann schon zum Nachdenken anregen. Die Warnung kam als ganz gewöhnliches Fax. Adressat: der kleine Münchner A1 Verlag, der den Mut und die Chuzpe besitzt, jetzt, Ende Mai, passend zum 50.Jahrestag der Erstbesteigungen von Mount Everest und Nanga Parbat, das Buch "Zwischen Licht und Schatten" zu veröffentlichen. Untertitel: "Die Messner-Tragödie am Nanga Parbat". Das lässt schon was ahnen. Autor ist der heute in Chile lebende Bergsteiger Hans Saler. Als Absender trat die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Prinz, Neidhardt und Engelschall auf, die immer wieder ihren Weg in die Zeitungen findet, weil sie spezialisiert ist auf große Namen und presserechtliche Fragen. "Sehr geehrte Damen und Herren", heißt es in dem kurzen, schmucklosen Brief, "unser Mandant hat gehört, dass es in Ihrem Haus das oben genannte Buchprojekt geben soll. Wir dürfen darauf hinweisen, dass unser Mandant eine unwahre Berichterstattung nicht hinnehmen wird und uns beauftragt hat, nach Vorliegen des Manuskripts ggf. presserechtliche Ansprüche durchzusetzen, sofern in dem Manuskript unwahre Behauptungen aufgestellt werden, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht unseres Mandanten verletzen." Unterschrieben mit Prof. Dr. Prinz, LL.M., Rechtsanwalt. Heimtückische Flanken Es wird also, so viel scheint man annehmen zu dürfen, um mehr als nur ein weiteres Bergsteigerbuch eines bislang nicht sonderlich bekannten Autors gehen, um mehr als nur eine Erinnerung an eine legendäre Bergbesteigung, um mehr als eine weitere Runde in dem ewigen Streit, wer denn nun die Schuld trägt an dem Tod von Günther Messner: Günther Messner selber; dessen Bruder Reinhold; die anderen Expeditionsteilnehmer - oder der Berg, der Nanga Parbat, der mit seinen 8126 Metern schon bedrohlich genug ist und dann auch noch über die Rupalwand verfügt, die höchste Steilwand der Erde, 4500 Meter hoch, die bis zum Jahr 1970 als unbezwingbar galt. Vielleicht aber geht es vor allem - und das würde den drohenden Brief aus dem Haus der Prinzengarde erklären - um den Mythos Reinhold Messners, der möglicherweise jetzt doch ein wenig ins Wanken gerät. Der Berg ruft, was soll er auch sonst den lieben langen Tag tun. Besonders der Nanga Parbat hat die Bergsteiger immer gerufen, hat sie gelockt, ihn über seine offenen, heimtückischen Flanken zu besiegen. Viele Menschen, ausschließlich Männer, viele aus Deutschland, haben bei diesem Zweikampf mit dem Berg ihr Leben verloren, so dass noch heute dieser Gigant als Grab der Deutschen bezeichnet wird. Kein gutes Omen also für die Wagemutigen, die sich im Juni 1970 dem Berg stellten. Angefangen hatte alles mit einer Einladung. Der Münchner Arzt Dr. Karl Maria Herrligkoffer, der schon so viele berühmte Expeditionen geleitet hatte, stellte eine Mannschaft der besten deutschsprachigen Extrembergsteiger zusammen, die den Nanga Parbat erklettern sollten, darunter so bedeutende wie Felix Kuen und Peter Scholz, Werner Haim und Gert Mändl, Hans Saler und Günter Kroh, ferner der Filmer Gerhard Baur und der Bergfotograf Jürgen Winkler und, nicht zuletzt, Reinhold und Günther Messner. Sechs Wochen lang waren die insgesamt 13 Bergsteiger schon in der Wand, ehe die entscheidende Phase begann. In diesen sechs Wochen näherten sie sich schrittweise dem Gipfel, bauten mehrere Lager, das Basislager und fünf Lager in der Wand, gewöhnten sich langsam an den extremen Sauerstoffmangel, an die Temperaturunterschiede von 70 Grad zwischen Tag und Nacht, sicherten besonders gefährliche Steilstrecken mit Seilen, wehrten sich gegen Schneestürme und warteten auf gutes Wetter, um das letzte, entscheidende Stück zum Gipfel zu wagen. Richtig los ging es dann am Freitag, dem 27. Juni. Und es begann ein Drama, das bis heute ungeklärt ist, denn es gibt nur einen einzigen Zeugen, der die Wahrheit kennt: Reinhold Messner. Sicher ist nur eines: Am Ende dieses Abenteuers war ein Mann tot: Günther Messner. Er war 24 Jahre alt und das 33. Opfer dieses Bergs. Wie das Abenteuer verlief bis zu dem tödlichen Ausgang, ist weitgehend unstrittig und in zahlreichen Büchern und Tagebüchern, Erzählungen und Gesprächen der Beteiligten festgehalten. Zwischen zwei und drei Uhr morgens am 27. Juni 1970, in der völligen Dunkelheit des Lagers V auf rund 7350 Metern Höhe, weckte ein Geräusch Günther Messner und Gerhard Baur. Reinhold Messner stand auf. Er zog sich vier Hosen, einen zusätzlichen Pullover und einen weiteren Anorak über, insgesamt sechs Schichten, setzte die Stirnlampe auf und machte sich auf den Weg durch die Dunkelheit zum Gipfel. Sie hörten, wie er fortging, jeder Schritt hinterließ einen scharfen, trockenen Riss in der Stille. Die beiden ahnten, dass Reinhold Messner es wagen würde, bis ganz nach oben zu klettern. Bei Tagesanbruch schließlich begannen Gerhard Baur und Günther Messner, die Merkl-Rinne mit Seilen zu sichern, das letzte besonders gefährliche Teilstück der Rupalwand. Es war ein wunderbarer Tag. Stahlblauer Himmel über dem Meer von Gipfeln um sie herum. Im Osten der K 2, mit 8611 Metern der zweithöchste Berg der Welt. Nicht weit davon entfernt der Broad Peak, 8047 Meter hoch. Da passierte es: Das Seil fiel von einer Rolle, die sie mit sich trugen. Günther war wütend. Sein Bruder Reinhold, an dem er so hing, alleine auf dem Weg zum Ruhm. Und hier vor ihm im Schnee dieser Seil salat. Das war offenbar zu viel. Günther folgte seinem Bruder: ohne Seil, ohne Ausrüstung, ohne Proviant. Es ist schon ein Wunder. Ein kleiner, heller, schmuckloser Raum in München, voll gestopft mit Bildern, abenteuerlichen Erlebnissen, Geräuschen, Gefühlen, Überlebenskämpfen und Dramen, einfach nur kraft der Erzählung eines Mannes. Der Raum hat große Fenster, durch die man auf eine enge Straße im alten Teil des Münchner Stadtteils Nymphenburg blicken kann. Bücher, Aktenordner, Manuskripte in den hohen Metallregalen, es ist schließlich der Raum eines Verlags. Auf einem einfachen Büroschreibtisch zwei Tassen Tee. Und dahinter dieser eher kleine, sehnige, durchtrainierte Mann mit den sonnengebräunten Gesichtszügen eines Menschen, der sich meist in der freien Natur aufhält. Ein Mann, der sich gut gehalten hat, der gesund zu leben scheint und der wirkt, als habe sein Leben keine extremen Prüfungen für ihn parat gehabt. Was mitnichten stimmt: Mit 14 Jahren schon durchstieg Hans Saler gefährlichste Wände im Alleingang, erkletterte noch als Halbwüchsiger die Nordwände des Eigers, der Königsspitze, des Matterhorns; mit 21 machte er bei einer großen Bergexpedition nach Peru und Bolivien mit, was Dr. Herrligkoffer auf ihn aufmerksam werden ließ und dem jungen, leidenschaftlichen Bergsteiger aus München das Ticket zum Nanga Parbat einbrachte, da war er 22; mit 23 baute er sich in Australien zusammen mit einem Freund aus wasserlöslichem Sperrholz, das sie mit viel Lack imprägnierten, einen Trimaran, und segelte bis nach Südafrika-für jeden Normalsterblichen eine Selbstmordaktion, aber es gab wohl höheren Ortes ein sattes Schutzkonto für den jungen Mann; mit 26 bestieg er den lang umkämpften, 7850 Meter hohen Dhaulagiri III im Himalaya; mit 27 baute er sich in einer Scheune in München eine seefeste Segeljacht und überquerte damit den Atlantik, heiratete in Bolivien eine Holländerin und segelte danach nochmals viereinhalb Jahre über die Weltmeere; er saß zwei Monate in einem Gefängnis Trinidads wegen Spionageverdachts; er überlebte einen bewaffneten Überfall in Mexiko; er lebte allein mit seiner Frau ein Jahr abgeschieden von der Zivilisation im hohen Norden Kanadas in einer selbst gebauten Blockhütte und überstand Temperaturen von minus 50 Grad... Hans Saler ist offensichtlich nicht gerade das, was man einen Angsthasen nennt- und wenn man bei diesem Lebensentwurf nach einer bestimmenden Triebkraft sucht, dann stößt man schnell auf die Erkenntnis, dass er alles erträgt und erduldet, so lange es nicht langweilig, nicht absehbar und vor allem nicht ungefährlich ist. Keine schlechte Voraussetzung also, einem Mann wie Reinhold Messner die Stirn zu bieten, der nach eigenem Selbstverständnis "der Papst, wenn nicht der Gott des Alpinismus" ist, wie der Spiegel schrieb. Reinhold hätte das alles nicht auslösen dürfen, sagt Hans Saler mit leiser Stimme. Aber er hat es getan. Und sein Bruder ist ihm gefolgt. Und sie schafften an diesem 27. Juni 1970 als Erste das, was bis dahin niemand geschafft hatte: Sie kletterten durch die Merkl-Rinne, bezwangen den Rest der bedrohlichen Wand und standen um 17 Uhr auf dem Gipfel des Nanga Parbat, auf 8126 Metern Höhe. Was dann geschah, ist seit 33 Jahren eines der faszinierendsten Rätsel in der Welt der Bergsteiger. Reinhold Messner hat einige Versionen des Folgenden präsentiert, aber die Hauptversion ist, dass sein erschöpfter Bruder ihn gedrängt habe, über die andere Seite des Bergs abzusteigen, weil ihm der Rückweg über die Aufstiegsroute als zu schwierig erschien. Sie hätten dann in 7800 Metern Höhe in einer Mulde biwakiert, ohne Zelt, ohne Proviant, nur in eine Astronautenfolie gehüllt, bei minus 30 Grad und zunehmend verwirrt durch den Sauerstoffmangel. Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr kam dann das Ereignis, das bis heute auf vielfältigste Weise interpretiert wird. Denn in diesen Minuten war Reinhold Messner nicht mehr der einzige Zeuge. Felix Kuen und Peter Scholz waren von unten die Merkl-Rinne hinaufgeklettert, aus der sie gerade über eine Rampe nach rechts hinausgequert waren. Sie sahen Reinhold Messner über sich am Grat auf einem Felsriegel stehen, rund 80 bis 100 Meter entfernt. "Wart ihr am Gipfel?", rief Kuen. "Ja, wir waren oben", rief Reinhold Messner zurück. "Gestern um 17 Uhr. " "Ist bei euch alles in Ordnung?", wollte Kuen wissen. "Ja, alles in Ordnung", antwortete Messner, und seine Worte waren, so Kuen später, deutlich zu hören. Er verschwand. Von seinem Bruder keine Spur. Und doch sagte Reinhold Messner später, dass sie beide dann gemeinsam über die Diamir-Flanke abgestiegen seien, wo Günther von einer Lawine begraben worden sei... Manche Erinnerung liegt ja wie ein Tier unter einem Stein. Jahrelang kann sie da liegen, niemand rührt daran, niemand wagt sie zu wecken. Doch irgendwann kommt sie hervor - und es ist schon verblüffend, wie jeder, der die Erinnerung ans Licht zerrt, sie anders aussehen lässt. Fast 33 Jahre haben die Beteiligten über die Tragödie jener Tage Ende Juni 1970 geschwiegen. Sie haben Reinhold Messners Erklärungen in einer Art Gentlemen's Agreement nicht weiter kommentiert, sie haben sich so verhalten, wie sie es als Bergkameraden gewohnt waren. Doch dann hat Reinhold Messner einen Fehler begangen: Er hat die anderen in den vergangenen Monaten immer wieder der unterlassenen Hilfeleistung bezichtigt und einmal sogar, im Oktober 2001, bei der Vorstellung seiner Herrligkoffer-Biografie gesagt: "Einige, älter als ich, hatten ja nichts dagegen, dass die beiden Messners nicht mehr auftauchen - und das ist die Tragödie." Und plötzlich wird Hans Saler, dieser ruhige, besonnene, heute 55 Jahre alte Mann, zu einem scharf formulierenden Ankläger, dessen Sätze wie Peitschenhiebe knallen. Ist es zum Beispiel glaubhaft, fragt er hart und fixiert einen mit zusammengekniffenen Augen, dass ein erschöpfter, völlig fertiger Mann entscheidet, welcher Weg zum Abstieg gewählt wird, und der stärkere, gesunde, der die Gefahren erkennen müsste, fügt sich ohne Widerspruch? Ist es glaubhaft, dass ein Mann "Alles in Ordnung!" ruft, wenn unweit von ihm sein Bruder in Lebensgefahr schwebt? Ist es glaubhaft, dass ein erschöpfter, kranker Mann nicht den näheren, ungefährlicheren Weg nimmt, sondern stattdessen seinem Bruder über die unbekannte, unerforschte, extrem lawinengefährdete Diamir-Flanke folgt, die 3500 Meter hoch ist, in der sie keinerlei Hilfe erwarten konnten und die zuvor noch niemand durchstiegen hat? Und Hans Saler lässt einen Satz folgen, der zeigt, wie absurd er das alles findet: "Das wäre doch so, als ob jemand 100 Stockwerke hochgeht und nur, weil er total erschöpft ist, beim Abstieg nicht die Treppe benutzt, sondern den Weg über die Außenfassade." Der Zorn sitzt tief Manchmal schreibt man ja ein Buch in der Hoffnung, es könnte eine Menge Geld bringen oder der unscheinbaren Karriere Glanz verleihen. Manchmal will man ganz profan nur die Wahrheit aufdecken oder, etwas weniger profan, eine Lüge verewigen. Ein ganz persönliches Motiv ist auch die Läuterung - oder, ganz einfach, Rache. Was aber will Hans Saler? "Gerechtigkeit", sagt er, jetzt wieder ruhig und zurückhaltend. Seine Antwort kommt ohne Zögern, und er ist überhaupt nicht verlegen, dieses große Wort zu benutzen. Man spürt: Sein Zorn auf Reinhold Messner sitzt tief. Er ist nicht nur gekränkt, er fühlt sich von den Schuldvorwürfen des einstigen Berg gefährten verletzt. Und man fragt sich, ob er ohne diese als ungerecht empfundene Schuldzuweisung jemals dieses Buch geschrieben hätte, ob es nicht gerade die Erniedrigung war, die in ihm das Verlangen geweckt hat, zu beweisen, dass alles ganz anders war, mochte dieser Beweis auch noch so viel Mühe und Unannehmlichkeiten kosten. Denn natürlich lässt sich ein Reinhold Messner nicht widerstandslos den Heiligenschein nehmen, das zeigt schon der schnelle Brief der Hamburger Anwälte. Und dann sagt Hans Saler, der Abenteurer, der Ankläger, was seiner Ansicht nach passiert ist und was in seinem Buch durch Aussagen der anderen Expeditionsteilnehmer auch unterstützt wird. Günther Messner sei auf dem Gipfel total erschöpft gewesen und habe sich entschlossen, den leichteren Weg zurück bis zum Einstieg in die Merkl-Rinne zu klettern. Da das Wetter gut war, konnte er damit rechnen, dass von unten die Bergkameraden kommen und ihm durch die Merkl-Rinne helfen würden. Reinhold, ehrgeizig, wie er war, habe sich noch am Gipfel von seinem Bruder getrennt und sei direkt den steileren Weg zur Merkl-Rinne abgestiegen, um sich seinen Traum zu erfüllen: die Eroberung der Diamir-Flanke auf der Rückseite des Bergs. Zweiter Weltrekord Die Brüder, so Hans Saler weiter, wollten wohl getrennt biwakieren. Geplant sei vermutlich gewesen, am nächsten Morgen an der Stelle, an der Reinhold Messner den Dialog mit Felix Kuen hatte, mit Günther in Sicht- und Rufkontakt zu treten. Doch Günther sei wohl auf seinem Weg zur Merkl-Rinne abgestürzt, vielleicht habe er auch das Notbiwak in der Nacht nicht überlebt. Wie immer es in Wahrheit war: Reinhold Messner stieg danach über die Diamir- Flanke ab. Es war ein Weltrekord. Der zweite nach dem Durchstieg durch die Rupalwand. Sie begründeten seinen Ruf. Sie waren der Grundstein für seine außergewöhnliche Karriere. Es ist still und dunkel geworden in dem kleinen Raum, eine fast körperhafte Stille füllt alles aus. Man hat das Gefühl, dass dieser Mann, der alles ausgelöst hat, der sich selbst ins Zwielicht gebracht hat, dass der anwesend ist. Und man fragt sich nach einigen Sekunden verwundert, warum dieser Mann nicht irgendwann einfach aufsteht, vor all seine Bewunderer tritt und den Mut und die Entschlossenheit zeigt, die ihn an den höchsten Bergen dieser Welt stets ausgezeichnet hat, und nach zahlreichen Büchern, nach Hunderten von Vorträgen, in denen er es anders geschildert hat, warum er nicht die Kraft und die Größe besitzt zu sagen, welche seiner zahlreichen Versionen denn nun stimmt und ob nicht doch Hans Saler und die anderen Recht haben. Es wäre Reinhold Messners erste Besteigung eines Neuntausenders und wahrlich eine großartige Leistung, mit oder ohne Sauerstoff. Und Hans Saler würde drüben in Chile, in seinem abgeschiedenen Tal, am Fuße eines glimmenden Vulkans, wo er mit seiner Frau, drei Hunden und zwei Lamas lebt, davon hören, ganz sicher. Es würde ihn freuen, ja vielleicht sogar erlösen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/die-tragoedie-am-nanga-parbat-auf-der-anderen-seite-der-wand-1.920952
mlsum-de-595
Berlin genehmigt die Lieferung von Kriegsgerät an Staaten am Persischen Golf - obwohl diese in die Kämpfe im Jemen verstrickt sind. Das hatte die Regierung eigentlich ausgeschlossen.
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen die Offensive zur Eroberung der jemenitischen Hafenstadt Hodeidah von den aufständischen Huthi-Milizen wieder aufnehmen. Das schreibt die Regierung in Abu Dhabi nach dem vorläufigen Scheitern von Friedensgesprächen in Genf in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat. Die UN und Hilfsorganisationen fürchten nun eine Katastrophe für die Menschen und eine massive Hungersnot in großen Teilen des ärmsten Landes der Arabischen Halbinsel, sollte der Hafen bei den Gefechten beschädigt oder die Nachschub-Routen unterbrochen werden. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD im Kapitel Rüstungsexporte festgehalten, die Bundesregierung werde "keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind". Nun berichten dpa und das Redaktionsnetzwerk Deutschland über einen Brief von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags, aus dem hervorgeht, dass die Regierung Lieferungen an Saudi-Arabien und die Emirate genehmigt hat sowie an Ägypten, das Teil der von Riad geführten Militärkoalition ist. Altmaier beziehe sich auf "abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates und des Vorbereitenden Ausschusses". Demnach gehe es um vier Artillerie-Ortungssysteme auf Panzerfahrzeugen für Saudi-Arabien, vermutlich des zusammen mit Frankreich und Großbritannien entwickelten Typs COBRA. Radar ermöglicht es solchen Systemen, die Flugbahnen von Geschossen zu verfolgen, die Abschussstelle zu berechnen und unter Feuer zu nehmen. Die Huthis schießen regelmäßig Mörsergranaten und Artillerie-Raketen über die Grenze nach Saudi-Arabien. Die Patriot-Systeme der saudischen Luftabwehr können diese anders als ballistische Raketen nicht abfangen. Ebenfalls genehmigt wurde die Lieferung von 48 Gefechtsköpfen und 91 Zielsuchköpfen für schiffsgestützte Flugabwehrsysteme an die Emirate. Unklar ist, ob die Lieferungen unter eine Klausel fallen, wonach Firmen Vertrauensschutz erhalten, wenn Lieferungen vor Abschluss des Koalitionsvertrags genehmigt wurden und sie zusätzlich nachweisen, dass diese ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Ägypten soll taktische Luftabwehrsysteme vom Typ IRIS-T SLM des Herstellers Diehl erhalten. Ägyptens Botschafter in Berlin, Badr Abdelatty, versuchte zwar Bundestagsabgeordnete zu überzeugen, dass sein Land nicht direkt am Krieg in Jemen beteiligt sei. Nach Ansicht deutscher Diplomaten nimmt Kairo aber weiterhin an Militäroperationen der Koalition teil.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruestungsexporte-militaergut-fuer-saudi-arabien-1.4138206
mlsum-de-596
Trennung aus sportlichen Gründen? Ein Cut über dem Auge von Dirk Schuster sorgt für Spekulationen, warum ihn der FC Augsburg tatsächlich freigestellt hat.
Als auch die vierte Nachfrage zu den dubiosen Umständen der Freistellung von Trainer Dirk Schuster beim FC Augsburg eher zurückhaltend beantwortet war und sich die fünfte Frage an dessen Nachfolger Manuel Baum richtete, entspannten sich die Gesichtszüge von Geschäftsführer Stefan Reuter. Ein bisschen erleichtert sah er nun aus, als er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Abschließend geklärt waren die möglicherweise auch außersportlichen Gründe für die am Mittwoch plötzlich vollzogene Trennung von Schuster allerdings nicht. Reuter wiederholte auf der Pressekonferenz am Donnerstag mehrmals, allein sportliche Gründe, "die Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist", hätten den Ausschlag gegeben. "Wie wir gespielt haben, davon waren wir nicht mehr überzeugt", sagte Reuter, auch bei der "Ausrichtung für die Zukunft hatten wir das Gefühl, dass wir keinen gemeinsamen Nenner mehr finden". Am Dienstag kam Schuster mit lädiertem Auge zum Training Die Begründung ist nicht nur deshalb erstaunlich, weil der FCA gewusst haben muss, dass der ehemalige Darmstädter Trainer einen eher defensiven und robusten Stil vermittelt. Sondern auch, weil die Augsburger selbst nach Schusters Ablösung das Ziel Klassenverbleib verfolgen und nach vielen Verletzungen mit vier Punkten vor Relegationsplatz 16 ordentlich dastehen. Dass es schwer fällt, den Zeitpunkt der Demission nur sportlich zu deuten, wissen die Augsburger. Zumal sich viele Gerüchte um die Nacht nach der 0:1-Niederlage beim Hamburger SV von Samstag auf Sonntag ranken, nach der sich Schuster offiziell wegen Magen-Darm-Beschwerden beim Training entschuldigen ließ. Kein Zwischenfall bei der Polizei gemeldet "Ich weiß nichts von einer Schlägerei. Dirk Schuster hat einen Cut, der am Sonntagmorgen genäht wurde, aber das hat nichts mit unserer Entscheidung zu tun", sagte Reuter dazu. Den Cut überm Auge habe Schuster sich nach eigenen Angaben bei einem Sturz zugezogen, "und ich habe keinen Grund anzuzweifeln, dass er mir da irgendeine Geschichte erzählt". Am Dienstag kam Schuster mit dem lädierten Auge zum Training. Gesichert ist nach SZ-Informationen, dass bei der Augsburger Polizei kein Zwischenfall mit Schuster aktenkundig geworden ist. Was zum angeblichen Sturz und womöglich auch zur Trennung geführt hatte, bleibt offen. Wenn man so will, entsteht damit das Bild, dass neben Schuster auch der beschauliche Bundesligastandort Augsburg gerade mit einem blauen Auge versehen ist. Baum soll einen offensiveren Stil pflegen Der bisherige Nachwuchs-Cheftrainer Manuel Baum, 37, soll den Profis nun wieder jenen Stil vermitteln, den auch die Mannschaft zuletzt vermisst hatte. "Mir ist es wichtig, dass wir eine mutige Mannschaft auf dem Platz haben, die Bock hat, Bälle zu erobern, die nach Eroberungen schnell umschaltet und im Spielaufbau extrem zielstrebig ist", sagte der Fußballlehrer vor dem Heimspiel am Samstag gegen den Tabellennachbarn Borussia Mönchengladbach. Bei Schuster ging es nach einem gewonnenen Ball eher darum, diesen zu sichern. Baum soll und will nun wieder jenen offensiveren Umschaltstil über die Flügel schulen, den Schusters Vorgänger Markus Weinzierl bis zum Sommer etabliert hatte und den Baum seit zweieinhalb Jahren von der U10 bis zur U23 vorgibt. Baum versteht das Antizipieren als Basis fürs schnelle Umschalten. Vorausschauendes Handeln hat wohl auch bei seiner Beförderung eine Rolle gespielt. Baum war nach seiner Zeit als Trainer des damaligen Drittligisten SpVgg Unterhaching zum FCA gewechselt und galt dort zunehmend als Kandidat für die Profis. Für sein Engagement seit Sommer 2014 ließ er sich für drei Jahre vom Realschuldienst als Lehrer für Sport und Wirtschaft freistellen. Wenn es gut läuft für ihn, könnte er sich als Augsburger Dauerlösung etablieren. "Bis auf Weiteres macht's Manuel Baum. Wie es weitergeht nach der Winterpause, ist offen", sagte Reuter. Das gilt auch für Schuster. Für Darmstadt soll er kein Thema sein, sagte Präsident Rüdiger Fritsch.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-augsburg-ein-laediertes-auge-und-viele-fragen-1.3296908
mlsum-de-597
Während Angela Merkel mitsamt ihrer "Gemischt-lohnabhängigen- Arbeitgeberbeitrags-Fondssteuerergänzungsfinanzierten-Teilpauschalprämie" in Umfragen unter Wirtschaftsführern abstürzt, genießt Gerhard Schröder ungewohnt viel Zuspruch.
Dass der komplizierte Gesundheitskompromiss von CDU und CSU noch für viel Spott sorgen wird, ist spätestens seit Montag klar. Welche Genugtuung dies den Regierenden bereitet, offenbarte sich am Dienstag den Gästen des Arbeitgebertages. Detailansicht öffnen Bundeskanzler Schröder und Arbeitgeberpräsident Hundt (Foto: Foto: dpa) Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte ins Berliner Maritim-Hotel geladen, als Ehrengast saß Bundeskanzler Gerhard Schröder in der ersten Reihe, und als Hundt unter dem Gelächter des Publikums die "gemischt-lohnabhängige-Arbeitgeberbeitrags-Fondssteuerergänzungsfinanzierte-Teilpauschalprämie" der Union geißelte, sprach das Mienenspiel des Kanzlers Bände. Dass Hundt die rot-grüne Bürgerversicherung eigentlich für noch verwerflicher hält als das CDU/CSU-Modell, spielte da kaum noch eine Rolle. Es ist zwar nur eine Szene am Rande, doch sie ist symptomatisch für einen Stimmungsumschwung, der sich bei vielen Wirtschaftsmächtigen der Republik derzeit vollzieht. Denn so viele Streitfragen Unternehmer und ihre Lobbyisten auch von Schröder trennen, von der Gesundheitsreform über den Mindestlohn bis zur Mitbestimmung - einer möglichen Kanzlerin Angela Merkel traut man offensichtlich noch weniger zu. Mit einem fast mitleidvollen Blick begrüßte Hundt die CDU-Chefin zu ihrem Auftritt beim Arbeitgebertag mit den Worten, die Union biete derzeit ein "nicht immer ganz überzeugendes Bild", ja, sie wirke oft "geradezu orientierungslos". Mit gesenktem Kopf und verkniffenem Mund vernahm Merkel die Kritik. Lob vom Siemens-Chef Das desolate Bild, das die Union bietet, schlägt sich inzwischen in den Umfragewerten für die CDU-Vorsitzende nieder. So stürzte Merkel im Urteil der Führungskräfte der deutschen Wirtschaft zuletzt deutlich ab. In einer Untersuchung des Psephos-Instituts für das Handelsblatt beispielsweise schnitt die Parteichefin zum ersten Mal seit Ende 2001 schlechter als der Kanzler ab. Während sich 62 Prozent der Befragten zufrieden über die Leistung Schröders äußerten, ist nur noch jeder vierte Wirtschaftsführer zufrieden mit der Politik der Union. 44 Prozent der Manager gaben Merkel die Note "schlecht", 19 Prozent sogar "sehr schlecht". Zuvor hatten 54 Prozent der Topmanager in einer Umfrage des Allensbach-Instituts für das Magazin Capital bereits geurteilt, Merkel habe nicht das Format zur Kanzlerin. Schröder dagegen schlägt seit einiger Zeit so viel Sympathie und Zustimmung aus der Wirtschaft entgegen wie noch nie in seiner Regierungszeit. Vor einem Jahr musste er sich beispielsweise auf dem Arbeitgebertag noch kritisch fragen lassen, ob Deutschland überhaupt reformfähig sei. Jetzt versicherte Hundt dem Kanzler "Respekt, Anerkennung und weitere Unterstützung" für dessen Reformkurs. "Durchhalten, durchschwimmen" Dieser ließ es sich dann auch nicht nehmen, in geradezu präsidialer Manier vor den mehr als 1000 Gästen die Erfolge seiner Regierungszeit darzulegen und die Arbeitgeber zu mahnen, ja die Finger von der Mitbestimmung zu lassen. Auch Siemens-Chef Heinrich von Pierer erklärte kürzlich, Schröder habe mit seiner Agenda 2010 "die Grundlage für den Wiederaufstieg Deutschlands geschaffen". Und sogar im anfangs angespannten Verhältnis zu dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, gibt es keine Misstöne mehr. "Durchhalten, durchschwimmen. Aufhören heißt Untergang, das wünschen wir Ihnen nicht", rief Rogowski dem Kanzler auf der BDI-Jahrestagung im Sommer zu. Gemeinsam mit dem Industrieverband entwickelt das Kanzleramt zur Zeit eine Imagekampagne für den Standort Deutschland. Anlass ist die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Imagekampagne für die WM Mit der Bundestagswahl, die dann ebenfalls stattfindet, will der Industrieverband die Aktion nicht verknüpft sehen. Man könne es ja nun mal nicht ändern, dass beide Ereignisse zeitlich zusammenfallen, heißt es dort. Es darf aber dennoch bezweifelt werden, ob sich BDI und Kanzleramt, die für die Kampagne jeweils zehn Millionen Euro ausgeben wollen, vor ein paar Jahren auch schon zu einer solchen Allianz zusammengeschlossen hätten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik-des-kanzlers-neue-freunde-1.906948
mlsum-de-598
Die Mitglieder der Silver Snipers sind zwischen 62 und 81 Jahre alt. Ihre Geschwindigkeitsnachteile wollen sie mit Lebenserfahrung wettmachen.
Der Schwede Öivind Toverud 75 ist Jahre alt, spielt Golf, wettet bei Pferderennen und geht gerne Skilanglaufen. Und wenn Toverud den Taktik-Shooter Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) startet, dann spielt er nach dem Motto "Lebe. Lache. Liebe. Und töte Terroristen". Außerdem heißt er im Spiel nicht mehr Öivind Toverud, sondern "Windy". Er gehört zu den Silver Snipers, dem wohl ältesten CS:GO-Team der Welt. Die fünf Mitglieder sind zwischen 62 und 81 Jahre alt und haben sich dafür Namen wie "Knitting Knight" oder "Teen Slayer" gegeben. Trainiert werden die Rentner vom ehemaligen schwedischen Top-Spieler Tommy Ingemarsson, der auch unter dem Namen Potti bekannt ist. Ingemarsson gehörte Anfang der 2000er Jahre zu den besten Counter-Strike-Spielern weltweit. Counter-Strike als E-Sport-Disziplin Im Taktik-Shooter Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) kämpfen zwei Teams mit je fünf Spielern gegeneinander - die einen als Terroristen, die anderen als Antiterroreinheit. Während eines Spiels tauschen beide Teams mehrfach die Rollen. Ausgetragen werden die Kämpfe aus sogenannten Karten, begrenzte Spielfelder mit Kisten, Stufen, Vorsprüngen, um sich dahinter zu verstecken. Die Terroristen müssen eine Bombe an einer von zwei Stellen auf der Karte legen, die Counter-Terroristen müssen dies verhindern oder den Sprengsatz rechtzeitig entschärfen. Dabei stehen im E-Sport Gewalt und virtuelles Töten weniger im Vordergrund. Für professionelle Spieler ist neben Reaktionsschnelligkeit und Präzision das taktische Verständnis des Spiels entscheidend. Die Teams trainieren täglich und studieren sekundengenau getimte Spielzüge ein. Die Silver Snipers wurden vor knapp einem Monat von einem PC-Hersteller zusammengestellt. Auch Toverud wurde gecastet: "Bis vor ein paar Wochen habe ich noch nie Counter Strike gespielt", sagt der 75-Jährige. "Tatsächlich habe ich noch nie ein Computerspiel gespielt." Zu den Silver Snipern sei er über eine schwedische Webseite gekommen, die unter anderem Komparsen für Filme und Serien sucht - wie die anderen vier Mitglieder. Die Silver Snipers treten gegen Besucher an Das Team ist also eher für Werbezwecke gedacht, aber Toverud hat trotzdem Freude an dem Spiel. "Es macht sehr viel Spaß. Und es ist schön zu sehen, wie man mit jeder Trainingseinheit besser und besser wird. Wir haben mit Tommy Ingemarsson einen tollen Trainer, schließlich ist er mehrfacher Champion." Die Silver Snipers treten auf dem Games-Festival Dreamhack an, das am Freitag im schwedischen Jönköping begonnen hat. Bis Montag finden dort E-Sport-Turniere, Konzerte und eine Messe statt. Wer seinen eigenen PC mitbringt, kann außerdem gegen andere Gamer zocken. Die Rentner-Truppe spielt einige Show-Matches gegen Besucher des Festivals. Ob sie auch gegen professionelle Teams antreten werden, konnte Toverud nicht sagen. Detailansicht öffnen Öivind "Windy" Toverud (Foto: Fotograf Andreas Nilsson AB; Silver Snipers) 2010 ging Toverud in Rente. Davor hat er im öffentlichen Dienst gearbeitet und sich um Endlagerstätten für Atommüll gekümmert. Seine Frau freut sich eher nicht über sein neues Hobby: "Meine Frau mag es nicht, dass ich Counter-Strike spiele. Sie sagt: 'Du hast noch nie vorher Computerspiele gespielt, warum jetzt?' Aber meine Tochter unterstützt mich dabei." Seine Enkel seien aber noch etwas zu jung für Counter-Strike, sagt Toverud. Der Shooter ist in Deutschland erst ab 16 Jahren. "Ich möchte in den nächsten Tagen Spaß haben" Er spielt nur, wenn er sich mit seinen Teammitgliedern trifft, nicht Zuhause. Im letzten Monat haben sich die Silver Sniper drei Mal getroffen. Viele Spiele wird das Team auf dem Dreamhack-Festival vermutlich nicht für sich entscheiden können, denn wer bei CS:GO erfolgreich sein will, braucht gute Reflexe und eine schnelle Reaktionszeit. Die meisten Profi-Gamer sind in ihren 20ern und trainieren mehrere Stunden täglich. Dagegen kommen die fünf Silver Snipers nur auf jeweils 50 bis 70 Stunden Spielzeit insgesamt, laut der Webseite des Sponsors. Das ist nicht gerade viel, aber damit übertrumpfen sie wohl viele Gleichaltrige. Toverud ist im Team der Ingame-Leader, der die Strategie vorgibt. Er hofft, dass die Silver Snipers mit einer guten Taktik die Gegner überraschen können: "Andere Spieler mögen jünger und schneller sein, aber wir haben sehr viel mehr Lebenserfahrung. Beispielsweise haben einige Männer im Team militärische Erfahrung." Ob Toverud nach dem Dreamhack-Festival weiter Counter-Strike spielen wird, weiß er noch nicht. "Ich möchte in den nächsten Tagen Spaß haben und dann sehen wir, ob ich weiter spiele."
https://www.sueddeutsche.de/digital/games-diese-rentner-zocken-counter-strike-auf-einem-gaming-festival-1.3773416
mlsum-de-599
Der neue Glücksbericht der Vereinten Nationen erklärt diesmal Norwegen zum glücklichsten Land der Welt. Warum nicht Vanuatu, Nordkorea oder Paraguay? Über die Inflation von nichtssagenden Erhebungen.
Sehen so glückliche Kinder aus (auf einer politischen Veranstaltung in Pjöngjang)? Im Jahr 2011 hatte es Nordkorea auf Platz 2 einer Liste mit den glücklichsten Ländern der Welt geschafft, gleich hinter China. Die USA kamen auf den letzten Platz. Aber das war natürlich alles nur Propaganda. Die "glücklichsten Menschen der Welt" müssen verdammt rastlose Typen sein. Ständig wechseln sie ihren Wohnsitz. Drei Jahre, immerhin, hielten sie's in Dänemark aus. Aber jetzt sind sie nach Norwegen gezogen. Und vorher waren sie schon in der Schweiz, Panama, Paraguay und Thailand zu Gast, auf Vanuatu und Costa Rica. Je nachdem, in welche Studie man so schaut. In Vallendar hatte man sie eigentlich auch vermutet, die glücklichen Menschen. Vallendar, dieser schöne Ort am rechten Ufer des Mittelrheins, eingebettet zwischen Westerwald und Eifel. 16 Jahre lang war hier das "Gemeinnützige Institut für Glücksforschung" des Soziologen Alfred Bellebaum zu Hause, dann musste es schließen. Vallendar hat die Glücksforschung also nicht viel gebracht. Die glücklichsten Deutschen sind eher in Schleswig-Holstein und Franken zu finden. So steht es zumindest im "Glücksatlas 2016 der Deutschen Post". Ziemlich unglücklich hingegen ist man in Mecklenburg-Vorpommern. Wegen der Postzustellung? Blättert man eine weitere Studie auf, so entdeckt man die glücklichsten Deutschen plötzlich in Osnabrück. Ja, was denn nun? Glück ist gar nicht leicht zu fassen. Deshalb fällt es einem auch schwer, den von den Vereinten Nationen bereits zum sechsten Mal herausgegebenen "World Happiness Report" zu vertrauen, wonach es unter 155 Ländern heuer Norwegen auf den ersten Platz geschafft hat. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hatte die UN erneut Bruttoinlandsprodukt, Lebenserwartung sowie "Selbstwahrnehmung", "Stärke des sozialen Umfelds" und "Vertrauen in Regierung und Unternehmen" untersuchen lassen. Ergebnis: In der Zentralafrikanischen Republik sind die Menschen besonders unglücklich. Der Kosovo liegt im Mittelfeld. Und in Norwegen, Dänemark und Island ist das Glück derart riesig, dass man sich schon Sorgen machen muss, um all die Unglücklichen dort. Bei den Vereinten Nationen landet Deutschland glücksmäßig nur auf Platz 16 Für Deutschland, wo man bei "Norwegen" vielleicht an Breivik, bei "Dänemark" an Ferienhäuser und bei "Island" an Krimis denkt, ist der 16. Platz auf einer solchen Liste freilich schwer verdaulich. Aber immerhin liegen wir noch deutlich vor Frankreich (31) und Italien (48), wovon bestimmt auch Vallendar und Mecklenburg-Vorpommern profitieren. Hatte es nicht einmal sogar Nordkorea in einer Glücksstudie auf Platz 2 geschafft? Gleich hinter China? Aber gut. Auftraggeber der Studie war natürlich das Regime in Pjöngjang. Die internationale Glücksforschung hat es in den vergangenen Jahren zu einer unermesslichen Fülle an Studien gebracht, die beim Publikum zwar beliebt, in ihren wissenschaftlichen Methoden aber häufig umstritten sind. So gab Ruut Veenhoven, seit drei Jahrzehnten akribischer Auswerter jeder, wo auch immer publizierten Glücks-Studie, jüngst in einem ORF-Interview bekannt, dass Costa Rica laut seiner Datenbank zwar das glücklichste Land der Welt sei. Allerdings habe er nur eine einzige Umfrage dazu vorliegen. An ihr hätten auch nur 1000 Costa Ricaner teilgenommen. "Gäbe es mehr Daten, würden sie wahrscheinlich etwas schlechter abschneiden", gab Veenhoven, Glücksforscher an der Erasmus Universität in Rotterdam, zu. Nichtsdestotrotz findet sich Costa Rica im aktuellen UN-Weltglücksbericht auf dem stolzen 12. Platz - zwei Plätze vor den USA. Die Macher der Studie hätten sich unter anderem drei Tage an der Uni Rotterdam getroffen, heißt es in der Einleitung. Sicher ist: Glücks-Indizes begeistern die Menschen, da sie einer komplizierten Welt einfache Schablonen aufdrücken. So wirkt das weite Feld "Happiness" plötzlich übersichtlich wie eine Bundesliga-Tabelle. Und jede Erhebung dient einem Zweck: Wichtige Aspekte seien in einer Glücksstudie deutscher Arbeitgeberverbände gar nicht aufgetaucht, kritisierten einmal deutsche Arbeitnehmerverbände. Dadurch sei ein völlig falsches Bild vom angeblich gerecht entlohnten Arbeiter entstanden. Bei Aldous Huxley wird schlechte Stimmung mit einer Droge bekämpft Der britische Ökonom Samuel Brittan warnte vor einiger Zeit in der Financial Times davor, Glücksforschung zur Basis internationaler Politik zu machen. Durch sie manifestiere sich womöglich der Eindruck, manche Nationen seien per se unglücklicher als andere. Da sei der Weg zu Aldous Huxley nicht weit, in dessen Roman "Schöne neue Welt" der Mangel an Glück nicht an der Wurzel, sondern mit einer stimmungsaufhellenden Droge bekämpft wird. Viel wichtiger sei es, dass sich Regierungen "auf ihre traditionellen Verantwortungsbereiche", zum Beispiel "Korrektur grober Einkommens- und Vermögensunterschiede" konzentrierten, so Brittan. Die UN lobt Norwegen als Land, welches sich vom Öl-Boom unabhängig gemacht habe, und in die Zukunft investiere. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen sei - wie bereits in den vergangenen Jahren - viel Enttäuschung zu spüren. Im Vergleich dazu geht es Mecklenburg-Vorpommern übrigens richtig gut.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/studien-happy-hour-1.3428185
mlsum-de-600