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Platz vier war nicht genug, Coach Harry Redknapp muss die Tottenham Hotspur verlassen. Franzose Giroud vor Wechsel zu Arsenal, DFB fordert nach Fan-Krawallen in Fußballstadien harte Strafen gegen neun Klubs, in der Causa Erfurt kritisiert die Opposition schwere Versäumnisse des Bundesinnenministeriums. | Detailansicht öffnen Harry Redknapp als Tottenham-Coach: Hervorragende Arbeit (Foto: AFP) Fußball, Premier League: Harry Redknapp ist nicht länger Trainer von Tottenham Hotspur. Wie der Premier-League-Verein mitteilte, habe man sich von dem 65 Jahre alten Fußballlehrer getrennt. "Harry kam in einer Zeit, als seine Vorgehensweise und seine Erfahrung dringend benötigt wurden", sagte Vorstand Daniel Levy. "Diese Entscheidung soll in keiner Form von der hervorragenden Arbeit ablenken." In den knapp vier Spielzeiten seit Oktober 2008 war Tottenham nach einem achten Platz dreimal in Folge im europäischen Wettbewerb vertreten. In der abgelaufenen Saison verpassten die Londoner zum Missfallen der Clubführung mit Redknapp die Teilnahme an der Champions League knapp um einen Punkt. Redknapp dagegen soll sich vor der Trennung um einen neuen Vier-Jahres-Vertrag bemüht haben. Zwischenzeitlich war er auch als neuer Nationaltrainer Englands im Gespräch. Radsport, Tour de France: Der luxemburgische Radprofi Andy Schleck hat seine Teilnahme an der Tour de France (30. Juni bis 22. Juli) überraschend abgesagt. Der 27-Jährige vom Team RadioShack-Nissan, der wegen des Dopingfalls von Alberto Contador nachträglich zum Tour-Sieger 2010 erklärt worden war, laboriert nach Medienangaben an einem Knochenbruch im Becken. Die Verletzung ist offenbar eine Folge von Schlecks Sturz beim Criterium du Dauphine in der vergangenen Woche. Schlecks Team hat für Mittwochnachmittag (16 Uhr) eine Pressekonferenz angekündigt. Fußball, FC Chelsea: Der FC Chelsea hat dreieinhalb Wochen nach dem historischen Sieg in der Champions League seinen Trainer Roberto di Matteo mit einem Zweijahresvertrag belohnt. Di Matteo war seit März als Interimstrainer tätig, nachdem der Portugiese Andre Villas-Boas entlassen worden war. Clubbesitzer Roman Abramowitsch zögerte lange mit einem Vertragsangebot. Dann gewann Di Matteo den englischen FA-Cup und die Champions League. Fußball, Premier League: Frankreichs Nationalstürmer Olivier Giroud hat sich nach Angaben der L'Équipe für den FC Arsenal entschieden und steht vor einem Wechsel zum neuen Club von Lukas Podolski. Der Angreifer vom französischen Meister HSC Montpellier könne noch bis zum Ende dieser Woche einen Vertrag bei den Londonern unterschreiben, berichtet die Zeitung. Der 25-Jährige wurde diese Saison mit 21 Treffen Liga-Torschützenkönig und stand beim ersten EM-Spiel gegen England (1:1) nicht auf dem Platz. An Giroud hatte auch der FC Bayern München Interesse gezeigt, aber von einem Transfer wegen einer zu ähnlichen Spielweise im Vergleich zu Mario Gomez Abstand genommen. Die festgeschriebene Ablösesumme soll bei etwa zwölf Millionen Euro liegen, Giroud hat in Montpellier noch einen Kontrakt bis 2014. Bei Arsenal würde er von seinem Landsmann Arsène Wenger trainiert und neben dem früheren Kölner Podolski voraussichtlich auch auf Robin van Persie treffen. Der Niederländer wollte seinen noch ein Jahr laufenden Vertrag bislang allerdings noch nicht verlängern und wurde zuletzt mit Juventus Turin in Verbindung gebracht. Fußball, Breno: Sollte Abwehrspieler Breno seine Probleme mit der deutschen Justiz lösen, winkt ihm ein Fünfjahresvertrag bei Lazio Rom, Verein von Nationalstürmer Miroslav Klose. Nach Angaben der Tageszeitung Corriere della Sera ist der Hauptstadtklub offenbar bereit, dem Spieler 1,5 Millionen Euro pro Saison anzubieten. Seit Tagen wird Breno in Rom bereits als Neuzugang des Klose-Klubs gehandelt. Der 22-Jährige, dessen Vertrag in München am 30. Juni ausläuft und dessen Abgang bereits seit längerer Zeit feststeht, zählt schon seit längerer Zeit zu den Wunschkandidaten von Lazios Sportdirektor Igli Tare. Am Mittwoch begann in München allerdings Brenos Gerichtsprozess wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung. Zehn Verhandlungstage bis Mitte Juli sind angesetzt. Fußball, Fortuna Düsseldorf: Ein "Geisterspiel" und eine Geldstrafe in sechsstelliger Höhe - der Platzsturm-Skandal im Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC wird den Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf wohl teuer zu stehen kommen. Der Kontrollausschuss des DFB fordert für den zweimaligen DFB-Pokal-Sieger ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Beginn der neuen Saison und zudem 100.000 Geldbuße. Tausende Fans der Fortuna hatten beim 2:2 in der heimischen Esprit-Arena am 15. Mai schon vor Beendigung der siebenminütigen Nachspielzeit den Platz gestürmt. Schiedsrichter Wolfgang Stark unterbrach das Spiel für 20 Minuten, ehe er es noch einmal für rund 90 Sekunden fortsetzte. Über den Aufstieg der Fortuna wurde nach einem Einspruch der Berliner gegen die Spielwertung in zweiter Instanz vor dem Bundesgericht des DFB entschieden. Auch der Zweitliga-Absteiger Karlsruher wird wahrscheinlich ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen müssen. Nach dem Relegationsrückspiel gegen Jahn Regensburg, in dem der Abstieg besiegelt wurde, war es zu schweren Ausschreitungen rund um das Wildparkstadion gekommen. Dabei wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 76 Personen verletzt. Jeweils Teilausschlüsse der Zuschauer zu Beginn der neuen Saison müssen wegen verschiedener Verfehlungen die Hertha, Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln, Aufsteiger Eintracht Frankfurt und der Zweitligist Dynamo Dresden befürchten. Zudem wurden gegen Double-Gewinner Borussia Dortmund, Bayern München und Jahn Regensburg Geldstrafen beantragt. Alle Vereine haben nun Zeit bis Anfang nächster Woche, den jeweiligen Strafanträgen des DFB-Kontrollausschusses zuzustimmen. Tun sie dies, sind die Urteile rechtskräftig. Tennis, England: Für Mona Barthel ist das WTA-Turnier in Birmingham bereits nach ihrem Auftaktmatch beendet. Die 21-Jährige, die durch ein Freilos direkt in die zweite Runde eingezogen war, unterlag bei ihrem ersten Rasenturnier des Jahres der Tschechin Andrea Hlavackova 6:7 (5:7), 2:6. Am Mittwochabend traf die Berlinerin Sabine Lisicki ebenfalls nach einem Auftakt-Freilos in der zweiten Runde auf Urszula Radwanska aus Polen. Doping, Sportpolitik: Zwei Tage nach dem ersten Freispruch in der Blutdoping-Affäre am Olympiastützpunkt Thüringen hat SPD-Sportsprecher Martin Gerster "schwere Versäumnisse des Bundesinnenministeriums" in der Causa Erfurt angeprangert. "Es ist völlig unbestritten, dass es auch nach dem 1. Januar 2011 Blutbehandlungen mit UV-Strahlen gegeben hat. Und allen ist klar, das dies verboten war. Aber bisher sind keinerlei Konsequenzen daraus gezogen worden. Da fehlen mir die Worte", sagte Gerster am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Der SPD-Bundestagsabgeordnete forderte das Innenministerium auf, über die Zuwendungen nachzudenken. Denn schließlich seien die verbotenen Behandlungen auch aus Steuermitteln finanziert worden. Auch personelle Folgen will der Sportpolitiker nicht ausschließen. "Schließlich ist die Anwendung der UV-Methode mit Duldung des Olympiastützpunktleiters erfolgt", sagte Gerster. Er bedauert, dass sich Welt-Anti-Doping-Agentur Wada und die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada derzeit in einem "Kleinkrieg" verzetteln. Wie Staatssekretär Christoph Bergner bezeichnete es Gerster als "schlechten Stil" von Wada-Generaldirektor David Howman, in Interviews die Nada zu kritisieren, ohne vorher mit Vertretern der Nada gesprochen zu haben. "Da kann ich den Ärger der Nada verstehen", sagte Gerster. Die Nada hat zudem im Zusammenhang mit der Erfurter Blutmanipulationsaffäre erstmals ein Sportschiedsgerichts-Verfahren für den Zeitraum vor 2011 eingeleitet. "Nach sorgfältiger Prüfung der aktuell vorliegenden Hinweise ist nicht mehr auszuschließen, dass es sich bei der Anwendung der UV-Blutbehandlung auch vor 2011 um einen Dopingverstoß handelt", wurde die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann am Mittwoch in einer Pressemitteilung zitiert. Der Name des Sportlers, gegen den sich das Verfahren richtet, wurde nicht genannt. Mit dem Pilotverfahren will die Nada Rechtsklarheit für die Vorgänge am Olympiastützpunkt Erfurt schaffen, die vor 2011 lagen. Fußball, WM 2014: Bei Stadionbauarbeiten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 ist in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia ein 21 Jahre alter Arbeiter ums Leben gekommen. Der junge Mann fiel am Montag aus 30 Metern Höhe von einem Gerüst des neuen Mane-Garrincha-Stadions und war sofort tot. Laut einer offiziellen Stellungnahme untersuchen die federführenden Baugesellschaften den Todesfall: Nach ersten Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass der Arbeiter zum Zeitpunkt des Unglücks die erforderliche Schutzausrüstung trug. In der 70.000 Zuschauer fassenden Arena sollen im kommenden Jahr drei Spiele des Confederation Cups ausgetragen werden, 2014 finden in Brasilia sieben WM-Partien statt. Peter Neururer: Fußball-Trainer Peter Neururer ist nach seinem Herzinfarkt am Samstagnachmittag außer Lebensgefahr. Der 57-Jährige war beim Golfspielen auf der Anlage Haus Leythe in Gelsenkirchen zusammengebrochen und musste noch vor Ort reanimiert werden. Sein Herz arbeitet anscheinend wieder selbstständig, die Medikamentendosis ist bereits reduziert worden. "Sein Herz scheint stabil zu sein, wir können wohl sagen, dass er Glück im Unglück gehabt hat", sagte auch Dr. Karl-Heinz Bauer, ein enger Freund Neururers, am Montag dem Reviersport: "Wichtig war, dass er in den ersten Stunden nach dem Infarkt gut versorgt worden ist. Alles weitere kann man aber erst sagen, wenn er aus dem künstlichen Koma geholt wird." Neururer, der einen doppelten Hinterwandinfarkt erlitten hatte, war umgehend ins Krankenhaus Bergmannsheil und von dort ins Marienhospital zum Herzspezialisten Professor Heinrich Blanke transportiert worden. Wie die Bild-Zeitung berichtet, sei Neururer sogar schon wieder aus dem Koma erwacht: Der 57-Jährige habe am Montag kurz nach 17.00 Uhr die Augen geöffnet und seine Angehörigen erkannt. Diese Informationen sind allerdings noch nicht bestätigt. Christian Obodo, Entführung: Der nigerianische Fußballprofi Christian Obodo vom italienischen Verein US Lecce ist 24 Stunden nach seiner Entführung wieder frei. Wie lokale Medien in Nigeria und die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichteten, wurde der 28-Jährige von Polizisten und Soldaten befreit und in Sicherheit gebracht. "Ich danke Gott, mehr kann ich nicht tun", hatte Obodo nach Angaben seines Bruders Kenneth gesagt, der ebenfalls Fußballprofi in Italien ist. Christian Obodo soll unverletzt sein. Der ehemalige Nationalspieler, der in der vergangenen Saison mit Lecce in der Serie A gespielt hatte, war am Samstag in seinem Heimatort Warri im Südwesten Nigerias von einer Gruppe Bewaffneter entführt worden. Diese forderten ein Lösegeld von umgerechnet 150.000 Euro. Nach Medienangaben wurde aber noch kein Geld gezahlt. Bei der Befreiung sollen drei Kidnapper festgenommen worden sein, sagte Kenneth Obodo. Fußball, Wettskandal: Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die beiden deutschen Ex-Fußballprofis Thomas Cichon und René Schnitzler erhoben. Sie sollen sich wegen Beihilfe zum Betrug, Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und wegen Steuerhinterziehung verantworten, wie das Bochumer Landgericht am Dienstag mitteilte. Die beiden früheren Spieler vom VfL Osnabrück und von FC St. Pauli sollen in den Wettskandal von 2008 und 2009 verstrickt gewesen sein. Mitangeklagt sind auch vier Amateurspieler. Laut Staatsanwaltschaft geht es um insgesamt 18 mutmaßlich manipulierte Spiele, darunter acht Partien aus der 2. Bundesliga. Wann der Prozess stattfinden wird, steht noch nicht fest. Im aktuellen Wettskandal-Verfahren gegen Milan Sapina und fünf weitere Angeklagte hat es ein weiteres Geständnis gegeben. Ein 35 Jahre alter Angeklagter aus Berlin hat vor dem Bochumer Landgericht erklärt: "Ich dachte mir, dass ich vielleicht ein bisschen Geld machen kann. Ich brauchte unbedingt Geld." Überraschend war am Montag auch Wettpate Ante Sapina im Zuschauerbereich des Bochumer Landgerichts erschienen. Der 36-Jährige ist bereits zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. So lange sein Urteil aber nicht rechtskräftig ist, bleibt er auf freiem Fuß. Tennis, ATP Turnier in Halle: Philipp Kohlschreiber hat bei den Gerry Weber Open in Halle/Westfalen das Achtelfinale erreicht. In einem engen Match gewann der Titelverteidiger das deutsche Duell gegen Dustin Brown. Auch Cedrik-Marcel Stebe überstand die erste Runde des mit 663.750 Euro dotierten einzigen deutschen Rasenturniers. Dagegen schieden Vorjahresfinalist Philipp Petzschner und Tobias Kamke bereits in der ersten Runde aus. Der an Nummer acht gesetzte Kohlschreiber hatte beim 7:6 (7:4), 7:6 (7:4) gegen den Wildcardinhaber Brown mehr Mühe als erwartet. Im seinem ersten Match gegen den 27-Jährigen, der momentan auf Rang 163 der Weltrangliste geführt wird, verwandelte Kohlschreiber nach 1:25 Stunden auf feuchtem Rasen den zweiten Matchball. "Am Anfang hat mir die Lockerheit gefehlt. Dustin hat es in der Phase verdammt gut gemacht und ist mit den Bedingungen besser zurecht gekommen. In den Tie-Breaks war ich aber sehr konzentriert und stark", sagte Kohlschreiber. Wildcard-Inhaber Petzschner unterlag dem an Nummer fünf gesetzten Kanadier Milos Raonic mit 5:7, 6:7 (1:7). Stebe bezwang in seinem Auftaktmatch den Argentinier Carlos Berlocq nach 2:46 Stunden mit 6:3, 3:6, 7:5. Kamke musste sich dagegen dem Qualifikanten Ze Zhang 4:6, 6:7 (2:7) geschlagen geben. 3. Liga, SV Babelsberg 03: Ein verurteilter Straftäter bekommt eine zweite Chance im deutschen Profi-Fußball. Süleyman Koc kehrt zum Drittligisten SV Babelsberg 03 zurück. Der 23-Jährige unterschrieb einen Einjahresvertrag in Potsdam teilte der Verein mit. Nachdem er elf Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte, wurde er im Frühjahr wegen der Beteiligung an mehreren Raubüberfällen zu einer Haftstrafe von 45 Monaten verurteilt. Da Koc eine gute Sozialprognose bescheinigt wird, darf er seine Strafe im offenen Vollzug verbüßen. Bereits zwischen 2010 und 2011 absolvierte er in der 3. Liga 26 Punktspiele für Babelsberg. Der Verein hat unterdessen festgelegt, wer Koc begleitet, unterstützt und kontrolliert. Co-Trainer Cem Efe und der langjährige Profi Almedin Civa, der Koc bereits im Gefängnis zur Seite stand, sollen sich persönlich um ihn kümmern. Premiere League, FC Chelsea: Roberto Di Matteo steht vor einem langfristigen Engagement als Cheftrainer des englischen Fußballklubs FC Chelsea. Britische Medien berichteten übereinstimmend, dass der in der Schweiz geborene Italiener noch in dieser Woche beim Champions-League-Sieger einen Vertrag über zwei Jahre erhalten soll. Der 42-Jährige war seit der Entlassung von Vorgänger Andre Villas-Boas Anfang März vom Assistenztrainreposten befördert worden und ursprünglich nur als Zwischenlösung bis Saisonende eingesprungen. Die Blues, die bis zum Frühjahr eine schwache Saison gespielt hatten, steigerten sich unter Di Matteo enorm. Chelsea das Finale des britischen FA Cups gegen Liverpool und die Champions League gegen den FC Bayern. | https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-ticker-tottenham-trennt-sich-von-trainer-redknapp-1.1382417 | mlsum-de-601 |
Handball-Drittligist Gröbenzell verjüngt den Kader und will in der kommenden Saison mit einer Mischung aus Routiniers und ambitionierten Talenten angreifen | Hendrik Pleines gehört nicht zu der Sorte Trainer, die am Rande der Spielfläche schnell die Contenance verlieren und durch Zappeleinlagen oder Brüllorgien auffällig werden. Dennoch bedurfte es keiner besonders lebhaften Phantasie, um zu erkennen, was im Trainer der Gröbenzeller Drittliga-Handballerinnen vorging, als er in den letzten sechs Partien der abgelaufenen Saison teils desaströse Niederlagen mitansehen musste. Pleines ist als Cheftrainer der HCD-Mannschaft der Hauptverantwortliche, vor allem das 24:34 im letzten Heimspiel gegen die Bundesliga-Reserve aus Bietigheim hatte ihm sichtlich zugesetzt. Denn es war der finale Eindruck, den die Mannschaft beim heimischen Publikum hinterließ und der eine ansonsten ordentliche Saison trübte. Zwar gab sich der ehrgeizige Übungsleiter äußerlich gelassen, parlierte von einem starken Gegner, gegen den die Seinen einen schlechten Tag erwischt hätten, doch in diesem Moment war längst die Erkenntnis gereift, dass es für die kommende Spielzeit einiger Änderungen bedarf. Die neue Saison ist zwar noch knapp zwei Monate entfernt, doch seit 14 Tagen befinden sich die Gröbenzeller Handballerinnen wieder im Training - und Pleines hat seine Gedanken in Taten gegossen. "Sechseinhalb Spielerinnen", so erklärt der Trainer, habe er ausgetauscht. Bei einem 13er-Kader ist das eine beachtliche Quote, in einer Sportart, in der Konstanz eine anzustrebende Größe ist. Der Wechsel von Tine Königsmann indes fällt nicht unter die Rubrik Konsequenzen aus der vergangenen Saison, die Linkshänderin hat schlicht den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung vollzogen und sich dem schwäbischen Zweitligisten TSV Haunstetten angeschlossen. Beatrice Mazzucco wird ein Auslandssemester einlegen, womit der halbe Weggang erklärt ist, vielleicht kann sie zur Rückrunde wieder mitwirken. Dass Stephanie Kilias, Janne Ropeter, Jenny Oertel und Julia Schwaiger beim Drittligisten aufhören, hat indes in der Hauptsache zeitliche Gründe. Der Übergang in das Berufsleben lässt bei ihnen die intensive Trainingsanforderung einer Mannschaft an der Schwelle zum Profitum nicht mehr zu, finanziell ist die dritthöchste Liga - zumindest in Gröbenzell - weitgehend uninteressant. Torhüterin Susanne Fischer hat einen Knorpelschaden im Knie, sie wird ihre Karriere deshalb beenden. Diese Position bleibt vorerst vakant, Ersatz zu suchen ist wohl eine Aufgabe für Co-Trainer Harald Fischer, der ehemalige Bundesliga-Keeper betreibt auch eine Torwartschule. Alles verdiente Kräfte, daran erinnert Pleines mit Nachdruck, doch seine Ambitionen verlangen nach jungen, hungrigen Spielerinnen - zumal Berufshandballerinnen beim HCD weiterhin nicht realisierbar sind. Diesem Anforderungsprofil genügen die Zugänge allesamt, neben drei Eigengewächsen aus der Talentschmiede hat Pleines einige interessante Spielerinnen zum Vorbereitungsauftakt begrüßt. Leonie Schweinsteiger etwa, die von ihrem zweiten Kreuzbandriss genesen und auf bestem Wege zu alter Stärke ist, Schweinsteiger galt vor ihren Verletzungen als eine der hoffnungsvollsten Nachwuchsspielerinnen im Freistaat. Sie wechselt wie Amelie Bayer vom regionalen Konkurrenten Ismaning. Die 17-jährige Bayerl ist Jugendnationalspielerin, Pleines sieht in ihr gar "das mit Abstand größte Talent in Südbayern", Bayerl lagen auch Angebote von höherklassigen Klubs vor. Patricia Janssen kommt zudem für die Linksaußenposition, sie hat in Taufkirchen Bayernligaerfahrung gesammelt. Und dann ist da noch Aline Fischer, die bereits für die deutsche U20 bei der Weltmeisterschaft in Südkorea gespielt hat. Ein Kreuzbandriss zwang sie vergangene Saison zu einer Pause, aber die Kreisläuferin ist auf dem Weg zurück. "Sie ist quasi ein Neuzugang", sagt Pleines, "sie hat die letzten drei Monate sehr hart an ihrem Comeback gearbeitet, momentan befindet sie sich im Muskelaufbau." Pleines weiß, dass sich der Kader mit derzeit 15 Akteurinnen überschaubar darstellt, sieht aber darin auch Vorteile. Denn mit den routinierten Schlüsselspielerinnen Vera Balk, Sina Fischer, Romina Gullotta, Katharina Wohlrab und Lisa Sagert im Tor werde sich die "Hierarchie deutlich klarer" gestalten, auch würden alle mit großem Eifer mitziehen. Das war Pleines wichtig, er habe aus den Fehlern der vergangenen Saison gelernt. Das Saisonziel, besser als im Vorjahr abzuschneiden, war zu schwammig formuliert, der HCD recht schnell ob des übermächtigen Nürtingen aller Möglichkeiten nach oben beraubt. Weil auch der Klassenerhalt nie ein Thema war, dümpelte die Mannschaft in der zweiten Saisonhälfte vor sich hin, wurde letztendlich Siebter und war damit sogar schlechter als in der Vorsaison. "Wir haben unser Ziel nicht erreicht", gibt Pleines zu, und daraus "die Konsequenzen gezogen." Er habe intensive Gespräche geführt und plane "nur mit Spielerinnen, die mir das Gefühl geben, das sie zu 100 Prozent mitziehen". Pleines ist kein lauter Trainer, aber ein sehr ehrgeiziger. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handball-nie-wieder-niemandsland-1.2566919 | mlsum-de-602 |
Bald dürften Millionen Amerikaner wieder ohne Krankenversicherung dastehen. Dennoch geht vielen Republikanern der Vorschlag Trumps für eine neue Regelung nicht weit genug. | Die Überarbeitung der amerikanischen Krankenversicherung ist das erste große Gesetzesprojekt der Trump-Ära - doch die umstrittene Neuregelung stößt auf massiven Gegenwind. Nicht nur Demokraten, sondern auch einige gemäßigte Republikaner befürchten, dass Millionen Amerikaner ihre Versicherung verlieren könnten. Dem rechten Flügel der Republikaner wiederum geht der Entwurf, den die Republikaner-Führung im Repräsentantenhaus vorstellte, nicht weit genug. Den Hardlinern der Partei reicht es nicht, dass die bisherigen Subventionen gestrichen und durch an das Alter gekoppelte Steuervorteile ersetzt werden sollen. Sie kritisieren, dass die geplanten Steuervorteile viel zu großzügig seien und der Staat solche Subventionen nicht stärker streicht. Dass dies Geringverdiener-Familien nahezu unmöglich machen könnte, sich zu versichern, sehen sei nicht als Problem. US-Präsident Donald Trump sendet unterschiedliche Signale: Zwar unterstützt er den Entwurf aus der Feder des Kreises um den Mehrheitsführer Paul Ryan, aber auch gegenüber den Hardlinern gibt er sich kompromissbereit. Bei einem Treffen mit kritischen Abgeordneten im Weißen Haus sagte er, er sei offen für Änderungen, um die Zweifler an Bord zu holen und so den Gesetzesentwurf durch die Abstimmung in den beiden Kammern zu bekommen. "Es gab eine Reihe von Änderungen, die diskutiert wurden", erzählte die Aktivistin und Kolumnistin Jenny Beth Martin, Vorsitzende der "Tea Party Patriots", der Nachrichtenseite Politico. Einschnitte für Alte und Arme Ein wichtiger Streitpunkt ist Medicaid, der Fürsorgeplan für ältere Menschen, Bedürftige, Kinder und Behinderte. Insgesamt 75 Millionen Amerikaner werden bislang über ihn krankenversichert. Das System ist über die Bundesstaaten organisiert, doch die Regierung in Washington schießt Finanzmittel zu, die je nach Bundesstaat unterschiedlich hoch ausfallen. Vereinfacht gesagt: Ärmere Bundesstaaten bekommen höhere Zuschüsse, um ihre Bürger genauso gut versorgen zu können wie reiche Bundesstaaten. Während etwa New York und Kalifornien für jeden Dollar aus der eigenen Kasse einen Dollar von der Bundesregierung bekommen, erhält Missouri aus Washington 1,72 Dollar und Mississippi gar 2,94 Dollar. Nach den Plänen der Republikaner soll es mit diesem Ausgleich ab 2020 vorbei sein. Allen Bundesstaaten soll künftig nur noch der gleiche Pauschalbetrag überwiesen werden. Das hätte wohl zur Folge, dass arme Staaten starke Einschränkungen in der Versorgung ihrer Alten, Armen und Behinderten vornehmen müssten. Selbst diese Einschnitte gehen Kritikern aus dem rechten Flügel allerdings nicht weit genug. Der "Freedom Caucus", eine aus dem Dunstkreis der Tea-Party-Bewegung stammende Abgeordnetengruppe, hat sich bereits in Stellung gebracht. Sie hofft auf frühere Kürzungen bei Medicaid, womöglich bereits ab Januar 2018. Um solche konservativen Kritiker zu besänftigen und das Gesetz durchs Repräsentantenhaus zu bringen, müsste der Entwurf also verschärft werden. Doch die Einschnitte bei Medicaid würden vor allem Arme und Alte im so genannten "Trumpland" betreffen, also genau den finanzschwachen Gegenden auf dem Land, in denen die Mehrheit den derzeitigen Präsidenten gewählt hat. Trumps Notfallpläne Im Senat regt sich auch deshalb bereits Widerstand: Mehrere moderate Republikaner haben bereits signalisiert, dass ihnen der aktuelle Entwurf zu konservativ ist. Die Partei darf allerdings nicht mehr als zwei Stimmen verlieren - zwei Senatoren haben sich bereits gegen die bisherigen Pläne ausgesprochen. Eine Gruppe Republikaner will stärkere Medicaid-Garantien, andere sind auch gegen die enthaltene Streichung von Zuschüssen für Planned Parenthood. Die Gegensätze aus Mäßigung und Verschärfung sollen nun im langwierigen Abstimmungsprozess zwischen den beiden Kammern irgendwie zusammengehen. Trump gibt sich dennoch zuversichtlich, dass das Gesetz durchkommt. Sein Plan laut dem New York Magazine: Er will nicht nur hinter den Kulissen Druck ausüben, sondern auch Großkundgebungen in jenen Bundesstaaten halten, in denen renitente Senatoren sitzen und er eine große Anhängerschaft hat. Trumps anderer Notfallplan stammt indes aus dem machtpolitischen Standardrepertoire: Obamacare zum Scheitern bringen und den Demokraten die Schuld dafür geben. Danach wäre der Weg frei für die Krankenversicherung der Republikaner, so Trumps Idee, berichten sowohl CNN als auch Politico. Am Montag wird erwartet, dass das Congressional Budget Office (CBO) Berechnungen darüber veröffentlicht, wieviele Amerikaner nach dem neuen Entwurf nicht mehr versichert wären und was die Reform kostet. Es ist ein wichtiger Tag für die neue US-Regierung. Analysten des Think Tanks Brookings Institution haben bereits eine vorsichtige Schätzung abgegeben: Demnach verlieren nach den Plänen der Republikaner mehr als 15 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung. Der Republikaner-Entwurf bedeutet über die kommenden zehn Jahre Steuersenkungen von fast 600 Milliarden Dollar. Analysten zufolge profitieren davon allerdings nur US-Bürger mit Einkommen von mehr als 200 000 Dollar pro Jahr. Wer wiederum zu den reichsten 0,1 Prozent des Landes gehört, kann mehr als 200 000 Dollar jährlich sparen. Die neue Krankenversicherung würde also vor allem dem reichen Amerika zugute kommen und die mittellose Unterschicht hart treffen. Dabei hatte Trump im Wahlkampf noch eine "Krankenversicherung für alle" versprochen und beteuert, Medicaid nicht kürzen zu wollen. Genau wegen solcher Versprechen hatten die Menschen ihn gewählt. | https://www.sueddeutsche.de/politik/trumpcare-wie-trump-seine-waehler-im-stich-laesst-1.3415582 | mlsum-de-603 |
Der Klub steht sportlich und finanziell so gut da wie lange nicht - doch die ungewisse Zukunft des Geschäftsführers stört die Harmonie. | Die Personalie wehte zunächst als giftiges Gerücht durch die Straßen, inzwischen hat sie sich zu bedrückender Gewissheit materialisiert: Die Stadt Dresden wird eine ihrer wichtigen Führungsfiguren an Düsseldorf verlieren, sie wird einen Mann verlieren, der das Spektakel zurück auf die Bühne brachte, der den Zuschauerschnitt erhöhte und der selbst unter strengen Beobachtern der Szene einen guten Ruf genießt. Das Bedauern ist gewaltig, aber es führt kein Weg an dieser Wahrheit vorbei: Im Herbst 2016 wird Wilfried Schulz die Intendanz am Schauspielhaus in Düsseldorf übernehmen. Robert Schäfer, Geschäftsführer von Dynamo Dresden, betrachtet den Wechsel von Schulz womöglich etwas entspannter. Gerade nämlich weht das giftige Gerücht umher, Schäfer könne ebenfalls nach Düsseldorf wechseln. Als möglicher Präsident der Fortuna würde er ja selbst eine Art Intendant werden, einer von bestem Ruf: Mit Dynamo erlebt Schäfer gerade einen Drittliga-Allzeitrekord bei den Zuschauern, die beim 2:1 gegen Würzburg vor Weihnachten eine Allzeit-Rekordmannschaft in die Winterpause entließen - noch nie hatte ein Drittliga-Team nach 21 Spieltagen einen so deutlichen Vorsprung wie Dynamo gerade. Erstmals schuldenfrei seit der Wiedervereinigung Und finanziell? "Wir sind zwar noch in der Reha, können aber schon wieder ohne Schmerzen laufen", sagte Schäfer vor ein paar Tagen dem kicker. Zum 1. Juli des Jahres sollen die 3,75 Millionen Euro Alt-Zinsen beglichen sein, Dynamo wäre das erste Mal seit der Wiedervereinigung schuldenfrei, und das auch dank einer zweiten Sonderumlage der Vereinsmitglieder. Gleichwohl besitzt Dresden mehr noch als andere Vereine das Talent, gerade in guten Zeiten die Unruhe wieder anzufüttern. Zu Wilfried Schulz braucht man Sportdirektor Ralf Minge nicht groß zu befragen, zur Personalie Schäfer will er nicht viel sagen, gleich wie umständlich man es versucht: Herr Minge, im Trainingslager von Dynamo saß Robert Schäfer in roter Trainingsjacke neben Ihnen, war das etwa schon ein Zeichen Richtung Düsseldorf? "Das ist immer noch unsere Ausweichfarbe", sagt Minge. "Schwarz-Gelb steht für Dresden, Weinrot für Dynamo. Das ist die Assoziation, die ich dabei habe." | https://www.sueddeutsche.de/sport/dritte-liga-offensive-und-unruhe-1.2827033 | mlsum-de-604 |
Die Bayernligisten können seit dieser Saison so viele EU-Ausländer einsetzen, wie sie wollen. Sie wollen aber nur einen | Anrufe zum Thema Eishockey sind bei Petr Vorisek Teil des Alltags. Der 55-jährige Tscheche hat sich in der Branche einen Namen gemacht, er arbeitete schon im Nachwuchsbereich des Augsburger EV und des ESV Königsbrunn. Mittlerweile trainiert er den Bayernligisten Erding Gladiators, zum zweiten Mal nach 2010/11. In den vergangenen Wochen klingelte Voriseks Telefon aber auffällig oft. Am anderen Ende der Leitung waren zahlreiche Landsmänner von ihm, aber auch Spieler aus der Slowakei oder Österreich. Sie alle hatten eine Frage: Kann ich bei euch unterkommen? Voriseks Antwort lautete Nein. Der TSV Erding, unter dessen Dach die Gladiators spielen, hatte beschlossen, ohne Ausländer in die Saison zu starten. Mittlerweile stehen überall die Kader, an diesem Freitag beginnt die neue Bayernliga-Saison (siehe Kasten). Die vielen Anrufe in den vergangenen Monaten hatte Vorisek Rupert Kellerbauer zu verdanken. Der zweite Vorsitzende des Bezirksligisten EV Berchtesgaden hatte das Ständige Schiedsgericht des Deutschen Eishockey-Bundes angerufen, um die Ausländerbeschränkung des Bayerischen Eissportverbandes anzufechten. Kellerbauer bekam Recht - von dieser Saison an gibt es keine Beschränkung für die Verpflichtung von EU-Ausländern oder Spielern gleichgestellter Nationalitäten mehr. Statt wie bisher einen (plus einen Berufssportler, der meistens gleichzeitig der Ausländer war) dürfen die Klubs nun EU-Ausländer in unbegrenzter Zahl einsetzen. Stichwort: Diskriminierungsverbot. Das Urteil versetzte die bayerische Eishockey-Szene in helle Aufregung. Josef Jung, Vorsitzender des ESC Dorfen, sprach gar vom "Untergang des Eishockeys". Zahlreiche Verantwortliche befürchteten, dass grenznahe Vereine mehrere Spieler aus Tschechien oder Österreich verpflichten würden; der wenig schmeichelhafte Begriff "Eishockey-Tourismus" tauchte wieder und wieder auf. Die andere zentrale Frage, die viele beschäftigte, lautete: Welche Auswirkungen würde das auf den eigenen Nachwuchs haben? Und: Wer kann sich überhaupt mehrere Ausländer leisten? Zwischen den Bayernligisten glühten die Telefondrähte, schnell war klar: Eine freiwillige Selbstbeschränkung muss her. Unter der Federführung von Sven Müller, Sportlicher Leiter beim ECDC Memmingen, einigten sich schließlich alle 14 Vereine darauf, wie bisher mit nur einem transferkartenpflichtigen ausländischen Spieler anzutreten. Einzig in der Verzahnungsrunde zwischen Bayern- und Oberliga können zwei ausländische Spieler eingesetzt werden, da in den Oberligen auch zwei Ausländer spielberechtigt sind. "Wir wollten ein gutes Zeichen setzen", sagt Jung. "Lasst doch die Bayernliga, wie sie ist." Jung ist sich aber bewusst, dass die Statuten es aus rechtlicher Sicht jedem Verein ermöglichen, so viele EU-Ausländer einzusetzen, wie er will. Er weiß: "Die Selbsterklärung ist eine moralische Verpflichtung." Und Moral ist ein dehnbarer Begriff. So wie Thomas Stöber, Vorsitzender des ESC River Rats Geretsried, glaubt aber auch Jung daran, "dass die Vereine nicht anfangen zu spinnen". Auch Erding steht nicht im Verdacht, zu Spinnereien zu neigen. Einen ausländischen Spieler haben die Gladiators jetzt aber doch in ihren Reihen: David Michel, 21, aus Tschechien. Der Stürmer lief für die U18- und U20-Nationalmannschaft seines Landes auf und durfte beim HC Pilsen in der Extraliga vorspielen. Durchsetzen konnte er sich dort nicht. In Klatovy, in der dritten Liga, kam er immerhin auf 22 Scorerpunkte in 28 Spielen. Bei einem Heimatbesuch fiel er Vorisek auf, er lud Michel auf Probe nach Erding ein. Michel überzeugte. Im Schnitt sammelte er pro Spiel zwei Punkte. Die ersten deutschen Wörter kann er auch schon, laut Vorisek lauten sie "Servus" und "Prost". Dann können die Punktspiele ja beginnen. Auf eine friedliche Bayernliga-Saison. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/eishockey-moralische-neuverpflichtung-1.3193799 | mlsum-de-605 |
Wenn Marko Grujic spielt, ist Hertha BSC erfolgreich. Das 1:0 gegen Eintracht Frankfurt ist der nächste Beweis der Stärke des Mittelfeldspielers. | Pal Dardai hat in seinem Berufsleben viele großartige Mittelfeldspieler erlebt. Dardai, selbst ein passabler Mittelfeldmann, spielte zum Beispiel an der Seite von Andreas Neuendorf, der sich, nachdem er einmal Opfer eines Zeckenbisses geworden war, den Künstlernamen Zecke in den Personalausweis eintragen ließ. Dardai sicherte auch den genialen Brasilianer Marcelinho ab, wenn dieser seine hohe Kunst aufführte. Aber ein großartiger Mittelfeldspieler überragt aus Dardais Sich alle bisher Dagewesenen. Dieser eine Spieler sei "mit Abstand" der beste der neueren Vereinsgeschichte, behauptete der Berliner Trainer am Samstagabend. Niemand in den vergangenen 20 Jahren sei so begabt gewesen wie: Marko Grujic, 22 Jahre, sieben Bundesligaspiele. Dieser Grujic hatte am Samstag beim 1:0 gegen Eintracht Frankfurt das einzige Tor erzielt. Er war nach einer Ecke genau im richtigen Moment losgelaufen, hatte den Frankfurter Verteidiger Makoto Hasebe überrumpelt und den Ball mit einem präzisen Kopfstoß ins Tor gedrückt (40. Minute). Es war Grujics erster Treffer in der Bundesliga. Doch selbst wenn der junge Serbe keine Tore schießt, ist er für die Hertha von spielentscheidender Bedeutung. Grob gesagt gilt: Wenn Grujic spielt, ist Berlin erfolgreich. Das war so zu Saisonbeginn, als die Berliner (mit Grujic) in den ersten vier Partien zehn Punkte sammelten. Das bestätigte sich, als Grujic aufgrund einer Verletzung am Sprunggelenk die nächsten sieben Spiele verpasste - von denen nur eines gewonnen werden konnte. Und das belegen auch die vergangenen drei Wochen. Seit Grujic wieder gesund ist, lautet die Bilanz: zwei Siege und ein 3:3 gegen Hoffenheim, das die meisten in positiver Erinnerung haben, weil die Berliner einen doppelten Zwei-Tore-Rückstand aufholen konnten. Nach vorübergehender Herbstdepression ist die Stimmung in Berlin wieder zuversichtlich. Dass Grujic diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat, bestreitet keiner. Was zeichnet ihn aus? "Alles", findet Verteidiger Fabian Lustenberger: "Offensive Qualität, defensive Stabilität, Kopfballspiel, fußballerische Elemente." Man rede ja oft über komplette Spieler - er sei so einer. Mit 1,91 Meter Körpergröße ist Grujic eine wuchtige Erscheinung, bewegt sich aber elegant, und er spielt dazu feine Pässe. Grujic verbindet Abwehr und Sturm wie ein Kleber. Es war beeindruckend, wie die Berliner am Samstag den Laden hinten zusammen hielten. Die Eintracht verfügt in Luka Jovic (zehn Tore), Sebastien Haller (neun) und Ante Rebic (fünf) über eine der besten Angriffsreihen der Liga. Wenn es Platz gibt, kann das Trio eine Verteidigung auseinander nehmen. Aber die Berliner spannen unter Beteiligung der Mittelfeldspieler Grujic und Arne Maier sowie der Innenverteidiger Lustenberger und Jordan Torunarigha ein dichtes Netz, in dem sich die Frankfurter immer wieder verhedderten. "Hertha hat das gut verteidigt", gab Frankfurts Trainer Adi Hütter zu. Dardai lobte die Leidenschaft, mit der sich seine Spieler in die Schüsse warfen. Und Grujic sagte: "Wir haben uns darauf konzentriert, im Zentrum kompakt zu bleiben." Er war in der Regel auch beteiligt, wenn die Berliner gefährlich vors Frankfurter Tor kamen, was recht selten passierte. Grujic gab vier der sieben Berliner Torschüsse ab. Die beste Chance durch Davie Selke bereitete er vor (50.). Und natürlich köpfte er das entscheidende Tor. Ein "wirklich spezieller Moment" sei das gewesen, sagte Grujic. Zuletzt habe er ja mit den Abschlüssen oft Pech gehabt. Diesmal hatte er Glück. Vor allem in jener 87. Minute, als er Jovic im Strafraum zu Boden riss - und dafür nicht bestraft wurde. "Wenn ich hier keinen Elfmeter gebe, dann weiß ich nicht, wann", klagte Hütter. Der Beschuldigte gab zwar "einen leichten Kontakt" zu, fand aber, dass das nicht ausreiche für einen Elfmeter. Es passte irgendwie zu diesem Spiel, dass Grujic Recht bekam, obwohl er eigentlich falsch lag. Ihm fliegt gerade viel zu, auch Anerkennung von allen Seiten. Grujic hat registriert, dass ihn sein Trainer gerade regelmäßig und öffentlich (und vielleicht nicht ohne Hintergedanken) lobt. Denn ein kleines Problem gibt es schon mit dem besten Berliner Mittelfeldspieler der neueren Geschichte: Er gehört offiziell dem FC Liverpool, die Berliner haben Grujic nur ausgeliehen. Sie würden ihn aber gerne behalten. | https://www.sueddeutsche.de/sport/hertha-bsc-berliner-klebstoff-1.4246143 | mlsum-de-606 |
Der ehemalige Gefängnisinsasse Daniel Keita-Ruel trifft beim 3:1 von Fürth gegen Sandhausen zweimal in drei Minuten. | Er breitete die Arme aus, in der Pose des Erlösers stand er am Elfmeterpunkt. Am Samstagnachmittag hat Daniel Keita-Ruel einen weiteren Schritt gemacht auf seinem Weg, hinaus aus der Enge einer acht Quadratmeter kleinen Zelle im Hochsicherheitstrakt der JVA Wuppertal in die Stadien der zweiten Bundesliga. Mit seinen beiden Toren binnen drei Minuten hatte er gerade im Alleingang die Auftaktpartie seiner Fürther gegen den SV Sandhausen gedreht: Am Ende siegte die SpVgg Greuther Fürth mit 3:1. "Sie können mich so lange einsperren, wie sie wollen. Aber mein Talent können sie mir nicht nehmen." Diesen Satz sagte der ehemalige Gefängnisinsasse vor einem Jahr, als er bei Fortuna Köln in der dritten Liga wieder Fußballprofi wurde. In den Katakomben des Fürther Stadions sagte Keita-Ruel diesmal: "Ich komme zwar von einem Drittligisten, aber jeder weiß, was ich draufhabe. Jeder wusste, ich gehöre nicht in die dritte Liga." Sein Auftritt am Samstag war ein Beleg dafür. "Der Trainer sieht mich als Krieger, der vorneweg marschieren soll." Dabei galt seine Verpflichtung als Wagnis, schließlich ist Daniel Keita-Ruel ein verurteilter Mann, wegen Raubes in vier Fällen, drei davon beurteilte das Gericht als schwer. Fast vier Jahre lang saß der heute 28-Jährige im Gefängnis. Heute trägt Keita das Wort "Liberté" auf dem Arm tätowiert und die Postleitzahl 105, er ist aufgewachsen in Wuppertal Elberfeld-West. Über den Bolzplatz führte der Weg zum Wuppertaler SV, dann zu Borussia Mönchengladbach. Es ging schnell nach oben, aber für Keita-Ruel vielleicht nicht schnell genug. In Gladbach soll Max Eberl zu Keita gesagt haben: "Von Hals bis Fuß bist du Bundesliga, aber in deiner Birne bist du Kreisliga." Tatsächlich geriet seine Karriere ins Stocken, als ein Probetraining beim FSV Frankfurt scheiterte, und dann kam der Sommer 2011, der sein Leben verändern sollte. "Mir hat keiner eine Knarre an den Kopf gehalten, vielleicht war es jugendlicher Leichtsinn" sagt er heute, "ich hab mich manipulieren lassen." Daniel Keita-Ruel zog los, zusammen mit Männern, die er kaum kannte, und streifte sich eine Sturmhaube über das Gesicht. Sie überfielen einen Kiosk, eine Modeboutique, zuletzt einen Baumarkt. "Big Boy und seine Bande" nannte sie der Boulevard später. Doch sie wurden von der Polizei überwacht. Als ein Sondereinsatzkommando die Bande 2011 schließlich stellte, mitten in Wuppertal, da drohten sie, ihn ins Bein zu schießen. Sie wussten, dass er Fußballer war. Es folgten die Jahre in der JVA, nach guter Führung spielte er bald in der Gefängnismannschaft und im offenen Vollzug für Ratingen. Über Wattenscheid 09 und die Fortuna kämpft er sich wieder in den Profifußball zurück, 15 Tore gelangen ihm zuletzt in Liga drei. In Fürth glauben sie an ihn. Und in Fürth suchen sie Spieler wie ihn. Solche, die irgendwann aus der Bahn geworfen wurden und die ihr Talent nicht ausspielen konnten. Sie sollen im beschaulichen Franken zur Blüte kommen. Fürths Trainer Damir Buric hatte sogar seinen Urlaub unterbrochen, er wollte um den Stürmer werben. Für eine festgeschriebene Ablösesumme von 250 000 Euro wechselte Keita-Ruel zu Fürth. "Der Trainer sieht mich als Krieger, der vorneweg marschieren soll", so beschrieb er seine Rolle bei der Vorstellung in Fürth. Einen Krieger, so hatte ihn auch schon Fortunas Trainer Uwe Koschinat genannt. In Fürth trägt er jetzt viel Verantwortung - und die Hoffnung auf Tore. Denn nachdem Khaled Narey zum Hamburger SV weiterzog und Serdar Dursun nach Darmstadt weggelobt wurde, war das Sturmzentrum praktisch verwaist. Die Hoffnungen auf Tore, sie liegen nun auf den Schultern von Daniel Keita-Ruel. | https://www.sueddeutsche.de/sport/spvgg-greuther-fuerth-auch-mit-birne-1.4082804 | mlsum-de-607 |
Robert Lewandowski fehlt spürbar: Im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League kassiert der FC Bayern ein 1:2 gegen Real Madrid. Nur Manuel Neuer verhindert Schlimmeres. | FC Bayern gegen Real Madrid: Das klingt wie ein großes Fest. Als solches stand dieses Spiel auch in allen Programmheften, und beinahe nirgendwo fehlte der Zusatz: "vorweggenommenes Finale". Aber angesichts der Ereignisse des Vorabends konnte sich die Stimmung vor dem Spiel noch nicht so recht entscheiden, ob sie denn nun wirklich festlich sein wollte. Der Club Nr. 12 sagte eine geplante Choreografie anderthalb Stunden vor dem Spiel ab, aus "brandschutztechnischen Gründen", wie es hieß, und der Stadionsprecher erklärte den Zuschauern noch mal, wie wichtig es doch sei, sich von einem Anschlag nicht seine normalen Lebensgewohnheiten nehmen zu lassen. Die Bayern gaben sich vom Anpfiff weg aber große Mühe, bei den Zuschauern das erhoffte Champions-League-Gefühl hervorzurufen, und es dauerte tatsächlich nur 43 Sekunden bis zum ersten Eckball für die Münchner. Nach 2:13 Minuten folgte schon der zweite Eckball, nach 4:03 Minuten gab's den dritten. Verständlicherweise gelang es den Bayern nicht, diesen hohen Rhythmus aufrechtzuerhalten, dennoch konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen, was für ein unglückliches Spiel den Münchnern nach diesem guten Beginn bevorstand: Einer ordnungsgemäßen Führung folgten ein verschossener Elfmeter durch Vidal (45.+1.), eine gelb-rote Karte für Martínez (61.) - und am Ende eine 1:2-Niederlage durch zwei Ronaldo-Tore, die noch höher hätte ausfallen können, wenn Manuel Neuer nicht noch ein paar Mal exzellent pariert hätte und Sergio Ramos' Kopfballtreffer nicht wegen Abseits (zurecht) annulliert worden wäre. "In der ersten Halbzeit hatten wir das Spiel unter Kontrolle, es hat aber etwas an Effizienz gefehlt", sagte Trainer Carlo Ancelotti: "Die Unterzahl machte es natürlich schwerer, trotzdem haben wir es noch ganz gut gemacht. Wir leben noch." Etwas nachdenklicher klang Thomas Müller, als er monierte: "Wir waren nach vorne nicht so geil wie sonst. Der Respekt war zu groß." Es wird eine extreme Aufgabe für die Bayern, diesen Rückstand in Madrid noch aufzuholen, auch wenn Reals Trainer Zinedine Zidane anmerkte, es sei nicht ausgeschlossen, dass seine Mannschaft im Rückspiel "noch leiden" könne. Als Erkenntnis dieses Hinspiels muss auch gelten, dass die Bayern für diese Herausforderung unbedingt den an der Schulter verletzten Robert Lewandowski brauchen werden, dessen ballsichere und geschmeidige Spielweise sie da vorne drin nicht ersetzen können. Ob sie auch ohne Lewandowski Fußball spielen können, wissen die Bayern im Grunde ja gar nicht, sie haben es aufgrund der stählernen Natur des polnischen Mittelstürmers bisher kaum üben müssen. Für Lewandowski rückte erwartungsgemäß der rechtzeitig genesene Thomas Müller in die Sturmspitze, ebenso rechtzeitig war auch Torwart Manuel Neuer von den Verletzten auferstanden. Abwehrspieler Mats Hummels fehlte den Bayern, Real musste gleich auf zwei Innenverteidiger verzichten, auf Pepe und Varane. Trotz der Ausfälle sahen die Gäste aber überhaupt keinen Grund, demütig zu sein, sie wussten aus sicherer Quelle: Wir sind Real Madrid. Mit dieser königlichen Haltung gelang es den Spaniern, sich von Bayerns stürmischer Anfangsphase nicht irritieren zu lassen. Nach einer Viertelstunde waren die Bayern zwar immer noch die dominantere Elf, aber die Gäste gewannen zunehmend die Kontrolle übers eigene Defensivspiel, und auf der anderen Spielfeldseite dämmerte es sowohl den Münchner Zuschauern als auch den Bayern-Spielern, dass es sich bei diesem Gegner nicht um den HSV oder den FC Augsburg handelte. Real beteiligte sich nun auch an diesem Fußballspiel, und es störte die Spanier nicht mal, dass Cristiano Ronaldo zum großen Ergötzen der Zuschauer einen seiner Drama-queen-artig zelebrierten Freistöße in den Fanblock donnerte. Für Hohn und Spott gab es aber keinen Grund, denn zwei Minuten später mussten die Bayern schon die außerirdischen Fähigkeiten ihres grünen Männchens im Tor bemühen, um nicht in Rückstand zu geraten: Benzemas Kopfball endete an der Latte, aber auf dem Weg dahin hatte er Kontakt mit Neuers Fingerspitzen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-ronaldo-bedankt-sich-fuer-bayerns-einladung-1.3463183 | mlsum-de-608 |
120 Mal sticht ein Schüler in einem Getränkemarkt im Heidekreis zu, eine Verkäuferin stirbt qualvoll. Jetzt muss er für viele Jahre ins Gefängnis. Das Gericht befürchtet, er könnte rückfällig werden - wegen sadistischer Neigungen. | 13 Jahre Jugendhaft 120 Mal stach der Schüler zu. Die junge Verkäuferin verblutete qualvoll. Dafür muss der 19-Jährige 13 Jahre Jugendhaft wegen Mordes verbüßen. Die Richter am Landgericht Verden sahen bei der Urteilsverkündung am Freitag wegen sadistischer Neigungen des jungen Mannes eine hohe Rückfallgefahr. "Der Angeklagte ist gefangen gewesen in einer Welt der Horror- und Tötungsphantasien", sagte der Vorsitzende Richter nach Angaben einer Gerichtssprecherin. Deshalb soll vor Ablauf der Haftstrafe geprüft werden, ob eine Sicherungsverwahrung nötig ist. 1600 Euro Beute Der Schüler hatte als Aushilfe in einem Getränkemarkt in Rethem (Heidekreis) gearbeitet. Er überfiel seine 23 Jahre alte Kollegin im vergangenen Herbst, als diese mit der Kassenabrechnung beschäftigt war. Als sie sich wehrte, stach er mit einem Messer immer wieder auf sie ein. Nach Ansicht des Gerichts wollte der Schüler seine Kollegin quälen, sagte die Gerichtssprecherin. Nach der Tat raubte er 1600 Euro aus dem Tresor und flüchtete zu Bekannten. Geständnis vor Gericht Der Polizei erzählte er, ein Unbekannter habe den Laden überfallen. Vor Gericht gestand er später die Tat. Er bestritt aber, dass er die 23-Jährige habe quälen wollen. Nach 22 Verhandlungstagen kam die Kammer allerdings zu einem anderen Ergebnis. Sie hatte Familie und Freunde des Angeklagten befragt. Der Schüler hatte unter anderem seiner damaligen Freundin von sadistischen Phantasien berichtet. Mit seinem Urteil folgte das Landgericht in großen Teilen der Staatsanwaltschaft, die eine Jugendstrafe von 14 Jahren gefordert hatte. Die Verteidigung kündigte an, Revision einzulegen. Sie hatte sich für maximal zehn Jahre Haft ausgesprochen. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/jugendhaft-fuer-toedlicher-messerstiche-gefangen-in-einer-welt-der-toetungsfantasien-1.2190072 | mlsum-de-609 |
Die Kirche verabschiedet sich von ihrer alten Selbstgewissheit und akzeptiert, dass der römische Zentralismus keine Lösung bietet für die vielfältige Welt. | Zwei Jahre ist es her, dass Papst Franziskus seiner katholischen Kirche verordnet hat, über Ehe, Familie und Sexualität zu reden. Er hat das Kirchenvolk befragen lassen, und das Kirchenvolk hat geantwortet, dass es mit der Lehre nur noch wenig anfangen könne, wonach jeder Sex außerhalb der katholischen Ehe Sünde sei. Der Papst hat dann ein paar Hundert Bischöfe und Kardinäle zu zwei Synoden nach Rom geladen, insgesamt sechs Wochen haben sich die hohen Herren die Köpfe heiß geredet. Ein paar Regalmeter Buch sind geschrieben worden. Und das Ergebnis? Ein Dokument, in dem so gut wie nichts von dem steht, was viele Katholiken erhofft hatten. Es gibt Winzigkeiten für Wiederverheiratete, aber kein Wort über Ehen ohne Trauschein oder homosexuelle Partnerschaften; es fehlt das in der deutschsprachigen Gruppe formulierte Schuldbekenntnis, zu harsch über Menschen geurteilt zu haben, die nicht ins katholische Raster passten. Das eigentliche Ziel des Kompromisstextes war es, den innerkirchlichen Frieden nicht zu gefährden. Und weniger, ein starkes Signal für die Familien zu setzen. Und dafür der Aufwand? Immerhin zeigen die Synodenberatungen ein realistisches Bild vom Zustand der katholischen Kirche. Ein Teil der Bischöfe unterstützt Papst Franziskus bei seinen Reformen; mal begeistert, mal gehorsam, weil man eben dem Papst folgt. Ein Teil folgt aber nicht - aus Sorge um die Reinheit der Lehre, aus Angst, Macht und Kontrolle abzugeben. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat Papst Johannes Paul II. die Quasi-Dogmatisierung der kirchlichen Sexualmoral vorangetrieben. Über Jahrzehnte hinweg wurden Bischöfe danach ausgewählt, ob sie treu zu dieser Lehre standen. Die Folge war eine theologische wie menschliche Selbstverarmung dieser Kirche, verbunden mit einer verschwiemelten Doppelmoral, bei der unter der Decke gehalten werden musste, wenn Lehre und Leben auseinanderklafften. Mühsam müssen nun die Bischöfe wieder glaubwürdig werden und den Diskurs lernen. Der ist in der globalisierten Kirche schwierig genug. Zu dieser Kirche gehören afrikanische Bischöfe, die es nicht schlimm finden, dass in ihrer Heimat Männer im Gefängnis landen, wenn sie einen Mann lieben. Zu ihr gehören Kirchenmänner aus Osteuropa, die Wladimir Putin verehren, weil er angeblich für Familienwerte steht. Zu ihr gehören westeuropäische Hirten, die auch von treuen Kirchgängern zu hören bekommen, wie lebensfern diese Sexualmoral ist. Auch das ist eine Erkenntnis aus zwei Jahren Beratungen: In dieser widersprüchlichen Welt stößt der römische Zentralismus an seine Grenze. In Rom können Grundsätze festgelegt werden - etwa, dass es dem Katechismus widerspricht, Schwule ins Gefängnis zu werfen. Wie aber die Lehre in die konkrete Seelsorge umgesetzt wird, darum werden zunehmend die Kirchen in den einzelnen Kontinenten und Ländern ringen müssen. Die Kirche verabschiedet sich von der Selbstsicherheit So gesehen kann man dem Kompromisstext tatsächlich Gutes abgewinnen. Er hält die Türen offen. Er vermeidet eine Sprache, die Menschen ausschließt, er reitet nicht auf dem Kirchenrecht daher und urteilt vom hohen Ross herab. Der Text redet vom Gewissen und von der Unterscheidung: Nicht alles, was nicht dem katholischen Eheverständnis entspricht, muss auch gleich verdammt werden. Die Erklärung verabschiedet sich von jener kirchlichen Selbstsicherheit, die viele Menschen so unerträglich finden. Und dann ist da noch Papst Franziskus, der Unruhestifter. Die Kirche ist nicht zum Verurteilen auf der Welt, sondern um Barmherzigkeit zu üben, hat er zum Schluss der Synode gesagt und klargemacht: Die Debatten sind nicht zu Ende, sie müssen auf den Kontinenten und in den Ländern weitergeführt werden. Die Reformer hoffen auf ein befreiendes Wort des Papstes, die Konservativen fürchten es; der Papst fordert mutige Synoden, die Synode wünscht, dass der Papst entscheidet - auch das gehört zu den Paradoxien einer Kirche im Übergang. Nur: Ohne Bischöfe, die weitergehen, ohne Kirchenvolk, das dies auch fordert, wird das Wort von der Barmherzigkeit erst zur Floskel und dann zur Farce. Ob diese Synode ein Erfolg wird oder die Reisekosten nicht wert war, wird sich in den Ortskirchen zeigen, auch in Deutschland. Wird die Bischofskonferenz ein Schuldbekenntnis ablegen? Wird sie Ermutigendes auch über jene Lebensformen sagen, die bislang als "irregulär" abgewertet wurden? Wird sie gar eine Regelung für Wiederverheiratete finden? Das wird, da seien die Bischöfe aus Regensburg und Passau vor, nicht ohne Streit gehen. Doch eine Kirche, die diesen Streit nicht wagt, der fehlt auch das Vertrauen, dass Gott ihr den richtigen Weg zeigen wird. | https://www.sueddeutsche.de/politik/synode-zweifel-zugelassen-1.2707405 | mlsum-de-610 |
Hacker seien wie Künstler, die ihre Ziele je nach Gemütslage auswählten, erklärt der russische Präsident vor Reportern. Mit dieser Rhetorik baut er für mögliche Enthüllungen vor. | Vielleicht ist dieser Moment clever gewählt, vielleicht auch Zufall. Der amerikanische Präsident hat am Donnerstag gerade den Ausstieg Amerikas aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verkündet, da wartet der russische Präsident mit einer hochinteressanten Neuigkeit auf: Vor Reportern in Sankt Petersburg räumt Wladimir Putin ein, dass womöglich doch russische Hacker versucht haben könnten, die US-Wahl 2016 zu beeinflussen. Allerdings bestreitet er, dass der russische Staat dazu den Auftrag gegeben hat, berichtet die New York Times. Putin weicht damit deutlich von der bisherigen Kreml-Linie ab: dass nämlich Moskau nicht das Geringste mit all den im Raum stehenden Vorwürfen zu tun habe. Nach einer Cyberattacke auf Rechner der Demokratischen Partei waren im vergangenen Jahr über die Enthüllungsplattform Wikileaks brisante E-Mails publik geworden. Danach soll die Parteispitze versucht haben, die Kampagne von Hillary Clintons Vorwahlgegner Bernie Sanders zu untergraben. Bisher war aus Russland dazu nur zu hören, Opfer einer antirussischen Hetze zu sein. Angetrieben von enttäuschten Demokraten. Jetzt aber ganz neue Töne. Der russische Präsident will zwar nicht selbst involviert gewesen sein. Die womöglich russischen Hacker aber nimmt er vorsichtig in Schutz. Putin vermutet, sie hätten aus privatem, patriotischem Antrieb heraus in die große Politik hineinpfuschen wollen. Von Hackern und Künstlern Auch in Deutschland ist die Sorge verbreitet, dass russische Hacker den Ausgang der Bundestagswahl im September beeinflussen könnten. Dazu sagte Putin: Hacker seien "wie Künstler, die ihre Ziele danach auswählen, wie sie sich morgens fühlen, wenn sie aufwachen". Solche Attacken könnten aber mitnichten einen Wahlausgang in Europa, Amerika oder sonst wo entscheiden. Wenn ein Künstler aufwache und guter Dinge sei, male er ein Bild, sagte Putin. Ein Hacker reagiere eben, wenn er morgens etwas über staatliche Beziehungen lese, das ihn zum Handeln veranlasse. Und wenn er patriotisch eingestellt sei, entscheide er sich womöglich, seinen Beitrag zu leisten im Kampf gegen jene, die schlechte Dinge über Russland sagten. Aus Sicht des Hackers sei das, was er tue, richtig. Die New York Times deutet das als Anspielung auf Hillary Clinton. Die Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten hatte Putin immer wieder scharf kritisiert. Für seine Ukraine-Politik, aber auch den Umgang mit Syrien. Ganz anders Donald Trump: Der Republikaner hatte im Wahlkampf davon gesprochen, die amerikanischen Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Putins Botschaft ist klar: Der Regierung in Moskau sind die Cyberangriffe nicht anzulasten. Russland sei schließlich das letzte Land, das versuchen würde, einen freien Geist einzusperren! Das ist angesichts der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Russland etwa gegen Journalisten politisches Whitewashing der zynischen Art. Putins Ziel sei, spekuliert die New York Times, für mögliche Enthüllungen im Rahmen der in den USA laufenden Untersuchungen in der Russland-Affäre vorzubauen. Mit seiner Argumentation liegt Putin auf einer Linie mit Trump: Auch der hat bislang höchstens von Privatpersonen als Verantwortlichen gesprochen. In Bezug auf den Hackerangriff auf Server der Demokraten sagte er einmal: "Könnte jemand sein, der auf seinem Bett sitzt und 180 Kilo wiegt." Oder die Chinesen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-affaere-putin-legt-nahe-dass-patriotische-russen-die-us-wahl-beeinflusst-haben-koennten-1.3531997 | mlsum-de-611 |
Das Kabinett verabschiedet ein Anti-Terror-Gesetz, das Reisen unter Strafe stellt. Das setzt dem Unsinn die Krone auf - es kriminalisiert einen an sich neutralen Vorgang. Es ist so, als würde jemand als Mörder bestraft, weil er im Baumarkt einen Hammer kauft. | Das neue Anti-Terror-Gesetz, das heute im Kabinett verabschiedet wird, ist ein Hammer. Nicht deswegen, weil es besonders wuchtig und massiv wäre. Da gab es schon ganz anderes, noch viel Wuchtigeres und Massiveres, zu Zeiten von Bundesinnenminister Otto Schily, nach den Attentaten vom 11. September 2001. Ein Hammer ist das neue Anti-Terror-Gesetz deswegen, weil es quasi den Kauf eines Hammers bestraft. Das neue Gesetz bestraft den Terrorismus nämlich nicht dort, wo er beginnt - sondern schon weit vorher. Es bestraft den potenziellen Täter lange bevor er zu irgendwelchen Straftaten ansetzt. Das neue Gesetz bestraft ihn schon vor dem Versuch, es straft ihn für den Beginn einer an sich völlig harmlosen angeblichen Vorbereitungshandlung. Es bestraft nämlich einen Menschen schon dafür, dass er in ein verdächtiges Land reist - wo irgendwo auch Terroristen ausgebildet werden. Man unterstellt also dem beschuldigten Reisenden, selbst wenn man gar nichts davon weiß, dass er in ein Terrorcamp reist, sich dort ausbilden lassen und dann schwere Straftaten begehen will. Wer reist, soll bestraft werden Bisher darf so einer, und auch dies ist für das klassische Strafrecht schon sehr weitgehend, nur bestraft werden, wenn ihm das nachgewiesen werden kann. Dieser Beweis klappt so gut wie nie, und deshalb soll künftig gelten: Wer reist, soll bestraft werden - einfach dafür, dass er reist. Ein an sich neutraler Vorgang wird zu einem kriminellen Ereignis gemacht. Das ist so, und damit ist man wieder beim Hammer, als würde jemand als Mörder bestraft, weil er im Baumarkt einen Hammer gekauft hat: "Wer einen Mord vorbereitet, indem er einen Hammer kauft oder sich sonst verschafft oder einen solchen einem anderen überlässt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft". Da fasst sich jeder, der so etwas liest, an den Kopf. Aber genau nach dieser Methode soll nun im Anti-Terror-Strafrecht bestraft werden - mit Haft bis zu zehn Jahren. Das ist nicht Strafrecht, das ist repressive Prävention - und diese auf die irrwitzige Spitze getrieben. Das neue Gesetz setzt dem Unsinn die Krone auf Gewiss: Man kann mit den Mitteln des Polizeirechts Leute am Reisen hindern, zum Beispiel durch Entzug der Ausweispapiere. Dies mit den Mitteln des Strafrechts machen zu wollen und angeblich Verdächtige für angebliche Gedanken und Absichten zu bestrafen: das verlässt den Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Solche Tendenzen, Fachleute sprechen von "Verpolizeilichung" des Strafprozesses, gibt es zwar schon lange; man muss da nur den schon geltenden Paragrafen 89a Strafgesetzbuch lesen, der die "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" geschwätzig bestraft. Aber das neue Gesetz setzt dem Unsinn die Krone auf. Und das Ganze wird nicht besser dadurch, dass es auf einem UN-Übereinkommen beruht. Solch unförmiges Quasi-Strafrecht schadet mehr, als es nutzt. Es gaukelt Strafrechtsschutz vor, hat aber kaum schützende Wirkung. Das Einzige, was es wirklich kann, ist dies: Es macht das Strafrecht kaputt. Dafür sollte sich ein kluger Justizminister wie Heiko Maas zu schade sein. | https://www.sueddeutsche.de/politik/neues-anti-terror-gesetz-als-waere-ein-werkzeug-kauf-strafbar-1.2333380 | mlsum-de-612 |
Die knappe Wahl von Andreas Michelmann zum neuen Präsidenten des Handball-Bundes zeigt, wie zerstritten Funktionäre sind. Die unterlegenen Landesverbände, vor allem aus dem Süden, kündigen eine hartnäckige Opposition an. | Es gibt ein herrliches Bild von Andreas Michelmann, da ist sein Bart noch mehr schwarz als grau, er hat 2003 auch ein paar Kilo weniger als heute. Als Oberbürgermeister von Aschersleben steht Michelmann im Boxring, der junge Robert Stieglitz hat in der Stadt gerade einen Kampf gewonnen, da kommt Michelmann zum Siegerfoto dazu. Er hebt die Faust, und blickt Stieglitz so keck von der Seite aus an, als wolle er dem Faustkämpfer gleich eins überziehen. Nun ist Michelmanns Passionssport nicht das Boxen, sondern der Handball. Ein paar Kämpferqualitäten sollte sich Michelmann aber bewahrt haben, schließlich hat er das schwerste Amt seiner Sportart übernommen. Der Deutsche Handball-Bund (DHB) hat Michelmann am Samstag in Hannover zum neuen Präsidenten gewählt, das Ergebnis wirkt jedoch nicht gerade wie ein Vertrauensvorschuss, der ihn über die ersten Monate seiner Amtszeit trägt. Vorgänger Bernhard Bauer war 2013 noch ohne Gegenstimme zum obersten Funktionär des weltweit größten Handballverbands bestimmt worden, Michelmann nun nicht: Nur 73 von 119 gültigen Stimmen erhielt der 55-Jährige, das sind 46 Gegenstimmen - ein eher kümmerliches Ergebnis. Auch der Applaus im Saal fiel spärlich aus. Die Landesverbände haben ihre Macht gleich mal demonstriert Michelmann erklärte später, er habe ja erwartet, "dass es knapp wird". Er wirkte erleichtert, aber auch abgekämpft, zerzaust. Ein famoser Start in eine neue Ära sieht anders aus. Michelmann muss ausbaden, was sich der deutsche Handball in den vergangenen Monaten geleistet hat: einen öffentlichen Zermürbungskampf, ausgelöst vom bisherigen Präsidenten Bauer, der im März im Streit mit seinem Stellvertreter Bob Hanning bereits nach anderthalb Jahren das Amt verlassen hatte. Im Anschluss wandten sich einzelne, Bauer-nahe Landesverbände gegen Hanning; ihr Ziel war es erstens, Hanning abzusetzen - und zweitens, den bisherigen Vize Breitensport, nämlich Michelmann, als neuen Präsidenten zu verhindern, der zwar von einer Findungskommission bestimmt worden war, jedoch als Günstling Hannings gilt. Zwischenzeitlich spielte sogar Bauer mit dem Gedanken, erneut anzutreten. Ihren Abwahlantrag zog die Opposition um Strippenzieher Hans Artschwager (Württemberg) zwar zurück, doch 46 Gegenstimmen für einen Mann, dem fachlich wenig vorzuwerfen ist, zeigen, wie gespalten der deutsche Handball ist. Die Gegenstimmen kommen vermutlich nicht nur aus den Verbänden Württemberg, Bayern und Hessen, die dem Präsidium auch in Hannover noch einmal ihr "tief gehendes Misstrauen" (Artschwager) aussprachen, sondern quer verteilt aus den übrigen Landesvertretungen. Für Michelmann sind dies keine guten Startvoraussetzungen. "Ich hätte mir für die anstehenden Herausforderungen ein besseres Ergebnis für ihn gewünscht", sagte auch Uwe Schwenker, der Präsident der Männer-Handball-Bundesliga (HBL). Die Ligaverbände, Männer und Frauen, dürften Michelmann die Wahl mit ihren Stimmen letztlich gesichert haben. Die oppositionellen Landesverbände machten in Hannover noch einmal deutlich, was sie stört, und dass sie durchaus über Macht verfügen. In zwei Anträgen, unter anderem bei der Wahl von Heinz Winden zum neuen Vizepräsidenten Recht, setzten sich die Mitglieder über Empfehlungen des Präsidiums hinweg. Artschwager kritisierte die Umgangsformen des Präsidiums, sprach von einer "Missachtung der Landesverbände", was vor allem an Hanning gerichtet gewesen sein dürfte. Zuvor hatte Ex-Präsident Bauer in einem Interview ebenfalls Hanning heftig attackiert, pünktlich zum Bundestag, an dem Bauer nicht teilnehmen durfte. "Jeder diskreditiert sich, so gut er kann", entgegnete Hanning salopp. Er selbst habe den Machtkampf ja nicht gewollt. So knapp das Ergebnis für seinen Kandidaten auch war, der Manager der Füchse Berlin darf sich als Sieger fühlen. Für Michelmann macht das die Sache nicht einfacher. Er muss in seinem Amt ab dem ersten Tag kämpfen; in zwei Jahren, beim nächsten ordentlichen DHB-Bundestag, will er über seine Arbeit abstimmen lassen. Bis dahin gilt es, schnell einige Dinge anzupacken: 2017 bei den Frauen und 2019 bei den Männer stehen Weltmeisterschaften in Deutschland an. Der Verband hat zudem mit einem schleichenden Mitgliederschwund (60 000 in den vergangenen Jahren) zu kämpfen. Auch muss er den Landesverbänden, will er Querschüsse in Zukunft minimieren, mehr Gehör verschaffen. "Ruhiges Arbeiten würde mich wundern", blickte Michelmann auf die kommenden Monate voraus. Er weiß: Diesmal kommt es wirklich auf seine Kämpfer- qualitäten an. | https://www.sueddeutsche.de/sport/wahl-im-handball-tief-gespalten-1.2666529 | mlsum-de-613 |
Der NHL-Profi erhält von den Edmonton Oilers die Freigabe, zur WM in der Heimat mit dem deutschen Nationalteam zu stoßen. | Das Timing war nicht perfekt beim letzten Spielzug der Edmonton Oilers. Stürmer Connor McDavid tankte sich durch die Mitte und legte nach außen auf Leon Draisaitl, der sich mit letzter Kraft ins Spieldrittel der Anaheim Ducks geschleppt hatte. Er fischte mit seinem Schläger nach dem Puck, bugsierte ihn in Richtung Tor - doch es sollte nicht sein, kurz darauf war Schluss. Die Oilers verloren die entscheidende siebte Partie der Viertelfinalserie in Anaheim 1:2, die formidable Saison des jungen Teams ist vorbei. Weshalb Draisaitl nun pünktlich zum vorletzten Gruppenspiel der deutschen Auswahl bei der WM in Köln eintreffen dürfte. Timing war in dieser Spielzeit die große Stärke des erst 21 Jahre alten Draisaitl. Er fügte sich wunderbar in das System von Trainer Todd McLellan ein, in der Hauptrunde schaffte er 29 Treffer und 48 Zuspiele und übertraf die Bestmarke des erfolgreichsten deutschen Akteurs in der nordamerikanischen Liga NHL, die von Marco Sturm (56 Punkte in der Saison 2005/06). In den Playoffs war Draisaitl mit 16 Punkten nicht nur der erfolgreichste Stürmer seines Klubs, sondern ist derzeit hinter Jewgeni Malkin von den Pittsburgh Penguins gar auf Platz zwei der ganzen Liga. Der Weg nach Köln führt erst einmal über Edmonton Das ist freilich perfektes Timing für einen, dessen Vertrag ausläuft. Die Oilers dürften Draisaitl einen Vertrag anbieten, der ihn zwischen sechs und acht Jahre bindet und etwa 6,5 Millionen Dollar pro Saison reicher macht. Über diese Zukunft wollte Draisaitl während der Serie gegen die Ducks nicht sprechen. Dafür herrschte am Donnerstagabend Gewissheit darüber, was in den kommenden Tagen passieren wird. Während Korbinian Holzer (Anaheim) und Tom Kühnhackl (Pittsburgh) noch um den Stanley Cup spielen, ist die NHL-Saison für Draisaitl vorbei. Er wird am Freitag nach Köln reisen. Die Kollegen dort sehnen ihn herbei. Wie sehr, machte Dennis Seidenberg, NHL-Verteidiger der New York Islanders, klar: "Er ist der beste deutsche Spieler." Draisaitl teilte mit, dass er sich sehr über das Playoff-Aus ärgere, aber auch freue, jetzt das deutsche Team "in meiner Heimat unterstützen zu können". Bevor Draisaitl am Samstagmorgen in Deutschland eintrifft, musste er erst einmal zurück nach Edmonton: Abschlussgespräch, Abschlussuntersuchung, Spind räumen. Es gab Versicherungsfragen zu klären, wer bezahlt für seinen WM-Trip, und wie viel? Bis zuletzt war Draisaitl über die NHL abgesichert, für den Invaliditätsfall müsste nun der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) vorsorgen. Die Höhe der Prämie orientiert sich am künftigen Vertrag Draisaitls, im Raum steht eine bis zu sechsstellige Summe. Dafür werden wohl Sponsoren des Verbands aufkommen. Ob Draisaitl schon am Samstag gegen Aufsteiger Italien spielt, ließ Bundestrainer Marco Sturm offen. "Es war eine lange Saison, es ist eine lange Reise", sagte er. Spätestens im letzten Vorrundenspiel am Dienstag gegen Lettland soll Draisaitl auf dem Eis stehen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/leon-draisaitl-das-warten-geht-weiter-1.3501004 | mlsum-de-614 |
NBA-Profi Dennis Schröder steht vor dem Wechsel zu Oklahoma City. Im Tausch erhalten die Hawks dafür unter anderem Starspieler Carmelo Anthony. | In der kommenden Saison stehen voraussichtlich sechs Deutsche unter Vertrag bei NBA-Teams. Neben Dennis Schröder haben Maxi Kleber, Daniel Theis, Moritz Wagner und Isaac Bonga bereits gültige Kontrakte. Dirk Nowitzki, 40, hat zwar bei den Dallas Mavericks noch nicht unterschrieben. Es gilt aber als Formsache, dass er weiter in Texas spielt. Basketball-Nationalspieler Dennis Schröder, 24, hat seinen Wunsch erfüllt bekommen: Er wechselt innerhalb der nordamerikanischen Profiliga NBA von den Atlanta Hawks zu Oklahoma City Thunder. Im Tauschhandel erhalten die Hawks dafür unter anderem Oklahomas 34-jährigen Starspieler Carmelo Anthony; außerdem steht ihnen ein Auswahlrecht in der ersten Runde des Drafts 2022 zu, meldeten US-Medien. Für die Atlanta Hawks ist dieses Wahlrecht interessant, weil sie ihr Team mittelfristig runderneuern wollen. Eine offizielle Bestätigung des Wechsels steht zwar noch aus - auf Instagram veröffentlichte Schröder aber bereits ein Foto, das verrät, dass der Transfer wohl schon fix ist: Das Bild zeigt ihn in einer Fotomontage im Oklahoma-Trikot. Schröder hatte seinen Abgang von Atlanta forciert. Vor fünf Jahren hatten die Hawks ihn in der ersten Draft-Runde ausgewählt. Zuerst nur Ersatzspieler, rückte der Point Guard den vergangenen beiden Jahren in die Startformation. Während Schröder seine persönlichen Statistiken von Saison zu Saison steigerte, ging es für sein Team sportlich abwärts. Atlanta belegte in der Saison 2017/18 den letzten Platz in der Eastern Conference. Die Playoff-Chancen sind in den kommenden Jahren nicht viel besser: Sein altes Team befindet sich in einer Umbruchphase; schlechte Platzierungen haben in der NBA den Vorteil, dass die Mannschaft die besten Nachwuchstalente im Draft auswählen darf - aber das kann dauern. Doch das Warten auf bessere Mitspieler entspricht nicht den persönlichen Zukunftsplänen Schröders. Vor einiger Zeit gab er eine Pressekonferenz in seiner Heimatstadt Braunschweig, bei der er seine Wechselgedanken deutlich machte. "Natürlich will man irgendwann einen Titel gewinnen", und in seinen besten Jahren, zwischen 25 und 29, wolle er da mitspielen, sagte er: "Da kann ich nicht Letzter in der Eastern Conference sein." Bei Oklahoma hat Schröder deutlich höhere Chancen auf die Playoffs, was an den All-Stars Russell Westbrook und Paul George liegt. Der Nachteil für Schröder: Da Westbrook ebenfalls als Point Guard spielt, wird der Deutsche wohl nicht mehr in der Startformation sein. Trotzdem könnte er, von der Bank kommend, Westbrook entlasten. | https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-neues-trikot-1.4063793 | mlsum-de-615 |
Ein verloren gegangener Laptop hat Brandenburgs Innenminister Speer das Amt gekostet. Nun taucht auch Frank-Walter Steinmeiers Name in dubiosen Dateien des Computers auf. | Ein Abendessen, Parteispenden, ein Laptop - SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier droht in die Affären der Brandenburger SPD zu geraten. Steinmeier, dessen Wahlkreis in Brandenburg liegt, wehrte sich am Mittwoch gegen den Vorwurf, er habe in seiner Zeit als Außenminister sein Regierungsamt zum Einwerben von Parteispenden missbraucht. Laut Stern nahm er im Februar 2009 an einem Essen in Potsdam teil, zu dem die Brandenburger SPD Unternehmer eingeladen hatte, die in Osteuropa Geschäfte machten. Vor und nach dem Treffen, so das Magazin, seien die Unternehmer von der SPD um Parteispenden gebeten worden. Detailansicht öffnen Steinmeier muss sich gegen Vorwürfe wehren, er habe sein Amt zum Einwerben von Parteispenden missbraucht. (Foto: Getty Images) Brandenburgs SPD-Generalsekretär Klaus Ness habe den Gästen vorab für die "Bereitschaft" gedankt, Steinmeier "in diesem politisch hochinteressanten Jahr darüber hinaus unterstützen zu wollen". Bei der Planung des Abends seien zudem interne Vermerke des Auswärtigen Amts zum Einsatz gekommen - dies wäre eine Vermischung von Partei- und Regierungsgeschäften. Ness wies die Vorwürfe als "haltlos" zurück. Der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sagte, Steinmeier lägen "keine Hinweise" vor, dass die Einladung von Parteispenden abhängig gemacht worden sei. "Hätte es eine solche Bedingung gegeben, hätte Herr Steinmeier an diesem Treffen nicht teilgenommen." Es sieht so aus, als stammten die Informationen aus Datensätzen eines Laptops, der dem Brandenburger Ex-Innenminister Rainer Speer 2009 abhanden gekommen war. Speers E-Mails landeten bei der Presse, die Affäre kostete Speer das Amt. Der Stern hat früh über diese E-Mails berichtet, und auch im aktuellen Fall zitiert er aus Mails zwischen SPD-Generalsekretär Ness und Speer. Speer nahm an dem Essen mit Steinmeier teil, weil Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) krank war. Hinterher soll er mit Generalsekretär Ness versucht haben, auf unzulässige Weise eine Spende bei der Beratungsfirma Roland Berger einzuwerben, so der Stern. Der Marketingchef der Firma, der beim Essen dabei war, habe gesagt, "dass wir das Geld bekommen", schrieb Ness demnach an Speer. Da die Firma "nicht direkt spenden" wolle, solle Speer einen befreundeten Architekten fragen, ob er mit dem Roland-Berger-Mitarbeiter "Kontakt aufnehmen" könne. Wollte die SPD auf krummem Wegen an eine Spende kommen? Bot sie für Geld ein Treffen mit dem Minister an? "Unsinn", sagt Ness. Er habe zwar versucht, nach dem Essen weitere Spenden einzuwerben. Da dies im Fall Berger rechtlich nicht möglich war, habe er verzichtet. "Das Ganze hat nicht stattgefunden." Eine Mail des Auswärtigen Amtes habe er nur an Speer weitergeleitet, da Platzeck krank war. | https://www.sueddeutsche.de/politik/brandenburg-speers-laptop-bingt-steinmeier-in-bedraengnis-1.1067190 | mlsum-de-616 |
Der wahllose, übertriebene Antibiotika-Einsatz in der Humanmedizin, aber auch in der Massentierhaltung, hat resistente Keime entstehen lassen - ein tödliches Problem für Patienten. | Es ist wie ein langsames Erwachen, so kommt es dem Anwalt Attila Yurttas vor. Allmählich verstehen die Menschen, dass es in ihrer Welt eine geheimnisvolle Gefahr gibt, die ihr Leben bedroht, und er bedauert es sehr, dass dieses Bewusstsein für viele von ihnen zu spät kommt. Attila Yurttas hat sich auf Medizinrecht spezialisiert. Seit Jahren befasst er sich mit dem Thema multiresistente Keime - mit Infektionserregern also, gegen die fast kein Medikament mehr hilft. Und er stellt fest, dass er in seiner Kanzlei in Holzminden, Niedersachsen, immer mehr Leute empfängt, die Opfer dieser Gefahr geworden sind, die einen Verwandten nach einer Routine-Operation verloren haben oder die selbst Schäden davongetragen haben nach einem Eingriff im Krankenhaus. Attila Yurttas sieht die Trauer und die Wut dieser Leute, er versteht, dass sie jemanden zur Rechenschaft ziehen wollen für ihre Tragödie. Aber Keime kann man nicht verklagen. Und ob das Krankenhaus schuld daran ist, wenn sie bei Operationen fatalerweise in den Organismus eines Patienten gelangen, ist kaum zu beweisen. "Multiresistente Keime sind Phantome", sagt Attila Yurttas. Phantome sieht man nicht, jeder kann sie am Körper tragen. Yurttas rät seinen Mandanten meistens von einer Klage ab, weil Kosten und Erfolgsaussichten in einem schlechten Verhältnis stehen. Das Problem, dessen Opfer sie geworden sind, ist zu tückisch. Die Zivilisation schafft sich ihre eigenen Krankheiten. Der Fortschritt ist ein Segen mit Nebenwirkungen, und zu diesen gehört das Aufkommen von Krankheitserregern, die unempfindlich geworden sind gegen die Heilkräfte der Antibiotika. Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, die an deutschen Krankenhäusern in den vergangenen Jahren viele Tote gefordert hat. Wie viele genau, dazu gibt es nur Schätzungen. Das Robert-Koch-Institut verweist auf Zahlen des Europäischen Zentrums für Gesundheitskontrolle und Prävention und der Europäischen Arzneimittelbehörde von 2009, wonach es in Europa 25 000 Todesfälle infolge antibiotikaresistenter Erreger gegeben habe. Deutschland hinkt im Kampf gegen die Keime im Vergleich zu den Nachbarn hinterher Aber klar ist, dass das Problem ernst ist und nicht nur die Medizin fordert. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagt Professor Alex Friedrich, Chef der Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Universität Groningen, ein prägender Netzwerker im europäischen Kampf gegen multiresistente Keime. Deutschlands Bemühungen findet er bei dieser Aufgabe noch ausbaufähig. Gerade wenn er sie mit denen in seiner Wahlheimat Niederlande vergleicht. Das Problem multiresistenter Keime ist komplex. Es hat mit einer modernen Konsum-Medizin zu tun, die derart willkürlich mit Antibiotika um sich wirft, dass sie sozusagen die Saat für multiresistente Erreger (MRE) wie den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) auswirft. "Wir werden zugebombt mit Antibiotika", sagt Anwalt Yurttas, "der Umgang ist leichtsinnig geworden." Das Problem hat aber auch damit zu tun, dass mehr Bedarf an medizinischer Behandlung besteht. Mikrobiologe Friedrich verweist auf den demografischen Wandel: Die Gesellschaft altert, die Zahl der Leute, die Behandlung brauchen, wächst, mehr Medikamente kommen in Umlauf. Gleichzeitig werden die medizinischen Eingriffe komplexer, sie bringen neue Infektionsrisiken mit sich und neue antibiotikaresistente Keime, die durch jede Hygiene-Lücke schlüpfen. "Im Krankenhaus fotokopieren wir geradezu diese antibiotikaresistenten Erreger von Patient zu Patient", sagt Friedrich. "Einerseits entstehen immer mehr Infektionen, andererseits lassen sich immer weniger Infektionen adäquat behandeln, weil wir es zulassen, dass Resistenzen sich ausbreiten." Er hält das Problem für unterschätzt. "Viele erkennen noch nicht, dass wir die liebgewonnene Behandlung mithilfe von Antibiotika für bestimmte Infektionen nicht mehr haben." Hinzu kommt: In der Massentierhaltung sind Antibiotika mittlerweile praktisch Teil der Nahrung der Masttiere und bringen damit eine weitere Generation von Antibiotika-Resistenzen hervor. Die Bauern mischen die Medikamente ins Futter und ins Wasser in der Hoffnung, Infektionen vorzubeugen, die in ihren Industrieställen programmiert sind. "Diese Vorstellung von Prävention mag für die akute Behandlung der Tiere erst mal funktionieren, hat aber einen negativen Nebeneffekt", sagt Friedrich: "Im Darm der Tiere setzen sich resistente Dauererreger, die nichts mit der Erkrankung der Tiere zu tun haben, die in die Umgebung gelangen und mit denen der Mensch in Kontakt kommt." Die Behörden sind alarmiert, Niedersachsen zum Beispiel hat sich zur Auflage gemacht, den Antibiotika-Einsatz in der Tiermast binnen fünf Jahren um 50 Prozent zu senken. Das Bundesland weist die höchste Tierhaltungsdichte in Europa auf. "Dementsprechend gehen rund 40 Prozent aller Antibiotika im Mastbereich in diese Region", teilt das Agrarministerium in Hannover mit und liefert irritierende Daten aus einer eigenen Studie: Demnach erfährt eine deutsche Mastpute in den drei Monaten ihres Lebens im Durchschnitt 9,8 Behandlungen mit Antibiotika. Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer ist besorgt. Er hat festgestellt, dass in der Tierhaltung immer mehr Antibiotika aus Wirkstoffgruppen zum Einsatz kommen, die in der Humanmedizin als Reserve-Antibiotika nötig sind, wenn übliche Antibiotika nicht mehr wirken. Das kann für Menschen gefährlich werden, weshalb Meyer sagt: "Ich bin dafür, zu prüfen, ob diese Wirkstoffe für die Humanmedizin reserviert werden sollten." Resistente Erreger aus der Tierhaltung haben in Krankenhäusern noch wenig Schaden angerichtet. Sie sind unempfindlich gegen Antibiotika aus der Tierhaltung, aber noch nicht gegen Antibiotika aus der Humanmedizin. "Wenn man allerdings wartet, bis zum Beispiel MRSA aus der Tierhaltung sich so lange unter Menschen ausbreiten, dass die auch noch resistent gegen Krankenhaus-Antibiotika werden, dann hat man ein Problem", sagt Friedrich. Das Thema drängt. Seit Jahren schon, aber jeder neue Todesfall, der mit antibiotikaresistenten Keimen zu tun haben könnte, verunsichert die Bürger mehr. Anwalt Yurttas hat an den verschiedenen Orten, an denen er bisher tätig war, eine teilweise irrationale Angst in der Bevölkerung festgestellt. Viele Leute tragen Patientenverfügungen im Geldbeutel, weil sie im Notfall nicht ins örtliche Krankenhaus wollen - nicht nur wegen MRSA. Mit ausgefeilten Hygieneplänen, freiwilliger Teilnahme an Meldeprogrammen, Informationsveranstaltungen und strenger Aufarbeitung von Resistenz-Fällen versuchen die Krankenhäuser Vertrauen zu wecken. Das Robert-Koch-Institut bietet umfassende Hygiene-Empfehlungen. Und doch findet Alex Friedrich, dass Deutschland Nachholbedarf hat im Vergleich zu Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden. "Ein Niederländer muss weniger Angst haben als ein Deutscher. Warum?" Es liegt an einer anderen Präventions-Kultur im Nachbarland. "In den Niederlanden wird die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenz als etwas Unakzeptables für die Gesellschaft gefühlt", sagt Friedrich, "der Kampf dagegen wird hier um fast jeden Preis betrieben." Die frühe Vorbeuge ist in den Niederlanden der Schlüssel zu mehr Patienten-Sicherheit. Hauptamtliche Krankenhaushygieniker und Mikrobiologen gehören dort zur Grundausstattung jedes einzelnen Krankenhauses. Sie haben ihre Patienten rund um die Uhr im Blick. Mit größtmöglichem Aufwand fahnden sie nach Erregern, die eine Gefahr bedeuten könnten. "Sie haben das Auge für das Unsichtbare", sagt Friedrich, und wenn sie feststellen, dass gefährliche Keime den Körper eines Patienten besiedeln, wird der behandelt, als sei er schon infiziert. Keime, wie sie deutsche Kliniken in den vergangenen Jahren in Krisen stürzten, haben die Niederländer so schon erfolgreich bekämpft, noch bevor überhaupt jemand krank werden konnte. "In Deutschland ist der klinische Mikrobiologe durchschnittlich 140 Kilometer vom Patienten weg, in den Niederlanden ungefähr 600 Meter", sagt Friedrich. Die Klinik der Zukunft braucht Sonderfahnder, welche die Gefahr im Nichts erkennen und abwehren. Dann kann das Phantom seinen Schrecken verlieren. | https://www.sueddeutsche.de/politik/bakterien-tueckische-phantome-1.2287698 | mlsum-de-617 |
Wer per Videochat ein Konto eröffnet, konnte sich unkompliziert ausweisen. Doch die Finanzaufsicht stoppte plötzlich das simple Verfahren. Jetzt gibt es eine Neuregelung mit höheren Sicherheitsstandards | Es kann unglaublich nervenaufreibend sein, nachzuweisen, wer man ist. Für einen rechtsgültigen Vertrag reicht es nämlich nicht, kurz und knapp "Das bin ich" zu rufen. Wer über das Internet ein Bankkonto eröffnen oder online per Ratenkredit einen Laptop kaufen will, nimmt meistens einen mühsamen Gang auf sich: Der Kunde reiht sich in eine lange Warteschlange bei der Post ein, um seinen Ausweis vorzuzeigen und so seine Identität gegenüber der Bank zweifelsfrei feststellen zu lassen. Dabei ginge es so bequem anders: seit 2014 können sich Kunden in Deutschland über Videochat legitimieren. Sie halten ihren Ausweis vor die Kamera am Smartphone oder Laptop, beantworten ein paar Fragen des Mitarbeiters auf der anderen Seite der Kamera und können währenddessen gemütlich am Sofa hocken bleiben. Diese Alternative dauert zwar auch ein paar Minuten länger als der kurze Ruf "Das bin ich", aber es ist doch deutlich bequemer als die Warteschlange. Das Innenministerium hatte Sorge, dass Video-Legitimation die Terrorfinanzierung erleichtert Fast wäre dieses sogenannte Video-Identverfahren den Sicherheitsbedenken der deutschen Behörden zum Opfer gefallen. Doch nun haben sich das Innen-, das Finanzministerium und die Finanzaufsicht Bafin auf eine Regelung geeinigt, die auf der einen Seite Video-Identifikation für die Kunden möglich macht, aber andererseits auch höhere Sicherheitsstandards festlegt. In der Finanzbranche nimmt man die Einigung positiv auf. Denn inzwischen bieten nicht nur Direktbanken, sondern auch die traditionellen Filialbanken ihren Kunden diesen Service an. Am meisten freuen sich natürlich die Anbieter der Video-Verfahren: "Das wird den Finanzstandort Deutschland stärken", sagt etwa Michael Sittek, Geschäftsführer von IDnow. Er glaubt, dass das neue Verfahren ein Vorbild für ganz Europa sein könnte. Und in der Tat war Deutschland in diesem Bereich Vorreiter. Als die Finanzmarktaufsicht Bafin im Jahr 2014 zuließ, dass sich Kunden per Online-Video identifizieren können, um beispielsweise ein Bankkonto zu eröffnen, jubelten vor allem digitale Start-ups hierzulande. In ganz Europa war das Verfahren einzigartig. Nirgends war es so einfach, über das Internet rechtsgültige Verträge abzuschließen. Inzwischen haben andere europäische Länder die deutsche Vorgehensweise übernommen: die Schweiz, Österreich, Luxemburg und Spanien haben ähnliche Legitimationsverfahren eingeführt. Doch dessen ungeachtet, erschreckte die Bafin im Frühsommer des vergangenen Jahres die Branche ohne Vorwarnung mit einem Rundschreiben. Was harmlos klingt, sind verbindliche Regeln, an die sich die Anbieter zu halten haben - und zwar ohne Übergangsfristen. Von einem Tag auf den anderen sollten nur noch Banken, also nicht mehr wie bis dahin auch andere Finanzdienstleister, die Legitimation per Video anwenden dürfen. Eine Reihe von Detailregeln hätte die Video-Legitimation nur noch in Ausnahmefällen möglich gemacht. Was dann passierte, war ein Novum für die Finanzbranche: junge Start-ups verbündeten sich mit traditionellen Banken, um bei den Behörden vorzusprechen. Angesichts des Protests von allen Seiten, zog die Bafin schon nach ein paar Wochen ihr Schreiben wieder zurück. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Neuregelung beschäftigen sollte. Eingeladen wurden nicht nur Vertreter der Sicherheitsbehörden und Ministerien, sondern auch von Banken und Finanz-Start-ups. In einer Reihe von Gesprächen hinter verschlossenen Türen stellte sich heraus, dass hinter der restriktiven Regelung gar nicht die Finanzaufsicht, sondern vielmehr die Sorgen des Innenministeriums standen, dass Video-Legitimation Geldwäsche und Terrorfinanzierung erleichtern könnte. Gemeinsam überzeugten Fintechs und Banken die Behörden, dass das Online-Verfahren keineswegs unsicherer sein muss, als das herkömmliche Post-Identverfahren. Im Gegenteil: viele vertreten sogar die Ansicht, dass die Video-Legitimation sogar sicherer sei, weil die Mitarbeiter nicht nur einen flüchtigen Gesichtsabgleich am Tresen machen, sondern die Systeme Daten abgleichen können. Allerdings müssen die digitalen Prozesse nun höheren Sicherheitskriterien entsprechen. So werden künftig beispielsweise nicht mehr alle Ausweisdokumente akzeptiert, sondern nur solche, die mehrere Sicherheitsmerkmale erfüllen. Der gewöhnliche deutsche Personalausweis im Scheckkartenformat etwa entspricht diesen Bedingungen. Zudem müssen die Anbieter Ende-zu-Ende-Verschlüsselungstechnik anwenden und die Gespräche mit dem Kunden werden etwas ausführlicher, um die Angaben der Person auf Plausibilität prüfen zu können. "Es ist gut und richtig, dass die Hürden höher gelegt wurden", sagt Fintech-Experte André Bajorat. Das Video-Identverfahren ist inzwischen für viele Anbieter nicht mehr wegzudenken. Nur ein Beispiel: beim digitalen Vermögensverwalter Scalable Capital nutzt bereits die Hälfte aller Kunden die Video-Legitimation. "Die Nachfrage danach steigt an", sagt Gründer Florian Prucker. Denn schon jeder vierte Neukunde nutzt Scalable ausschließlich am Smartphone. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geldanlage-das-bin-ich-1.3460597 | mlsum-de-618 |
Da es keine Einigung über einen Zwischenhaushalt gibt, kommt es zum Verwaltungsnotstand. Der dauert mindestens bis zum 27. Dezember - oder bis 2019. | Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr muss die US-Regierung in den Verwaltungsnotstand. Die Verhandlungen über einen Kompromiss zwischen dem Weißen Haus und den Parteiführern von Demokraten und Republikanern im Kongress scheiterten. Auch Beratungen zwischen Senat und Repräsentantenhaus brachten am Samstag keine Einigung. Wegeden der Weihnachtspause wird der sogenannte "Shutdown" damit mindestens bis zum 27. Dezember dauern. Er könnte sich aber auch bis ins neue Jahr ziehen. Bis Mitternacht Ortszeit - Samstagmorgen 6 Uhr deutscher Zeit - hätte der Etat für mehrere Bundesministerien beschlossen sein müssen. Dieser hätte ohnehin nur bis Anfang Februar gegolten, um mehr Zeit für grundsätzliche Verhandlungen zu bekommen. Nun geht Teilen der US-Regierung das Geld aus. Mitarbeiter werden in den Zwangsurlaub geschickt, einige Ämter, Ministerien und Behörden geschlossen. Trump hatte gefordert, dass im Haushaltsgesetz auch Geld für die von ihm seit langem geforderte Mauer an der Grenze zu Mexiko bereitgestellt wird. Andernfalls wollte er das Budget nicht unterschreiben - und ohne Unterschrift des Präsidenten gilt es nicht. Mit Ablauf der Frist tritt nun automatisch der Shutdown-Modus in Kraft. Weitere Verhandlungen hinter den Kulissen Dieses Mal ist das Ausmaß etwas kleiner, weil drei Viertel der Bundeseinrichtungen bereits im September für ein Jahr vorfinanziert wurden. Nicht betroffen sind deshalb Verteidigungs-, das Bildungs-, das Gesundheits- sowie das Arbeitsministerium. Der "Shutdown" stand bereits am frühen Washingtoner Abend fest, als beide Kammern kurz nacheinander ihre Sitzungen offiziell bendeten, ohne dass es zu einer Abstimmung gekommen war. Hinter den Kulissen verhandelten Parteispitzen und ein Regierungsteam noch bis in den späten Abend weiter. Die Verabschiedung eines möglichen Kompromisses wäre frühestens am Sonntag möglich. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass der "Shutdown" bis Anfang 2019 dauert. Grenzmauer zu Mexiko im Blickpunkt Grundsätzlich werden bei einem Verwaltungsnotstand wichtige Bereiche, die etwa für die Sicherheit im Land zuständig sind, aufrecht erhalten: zum Beispiel Polizei oder Grenzschutz. Dort müssen die Mitarbeiter zunächst ohne Gehalt Dienst tun. Das - noch - von Trumps Republikanern dominierte Repräsentantenhaus hatte am Donnerstag nach vielem Hin und Her eine Vorlage beschlossen, in der 5,7 Milliarden Dollar für eine Grenzmauer vorgesehen sind. Im Senat haben die Republikaner zwar ebenfalls eine Mehrheit von 52 Sitzen, die Demokraten verfügen dort allerdings über eine Sperrminorität. Trump hatte seinen Anhängern im Präsidentschaftswahlkampf eine Mauer an der Grenze zu Mexiko versprochen, eigentlich auf Kosten der Mexikaner. Für ihn ist es die vielleicht letzte Möglichkeit, sein zentrales Wahlkampfversprechen halbwegs zu verwirklichen - daher sein harter Kurs. Ab Januar wird das Repräsentantenhaus nämlich von den Demokraten dominiert. Eine Mehrheit für die Finanzierung einer Mauer erscheint dann erst recht nicht realistisch. | https://www.sueddeutsche.de/politik/haushaltsstreit-naechster-shutdown-us-regierung-muss-behoerden-schliessen-1.4264046 | mlsum-de-619 |
Ein Militärtransporter vom Typ Airbus A400M stürzt nahe der andalusischen Stadt Sevilla ab. Vier Menschen sterben, zwei überleben schwer verletzt. Die Bundeswehr reagiert und stoppt vorerst ihre Testflüge. | Airbus-Militärtransporter A400M stürzt ab Ein militärisches Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M ist in Spanien abgestürzt. Dabei kamen vier Menschen ums Leben. Die Rettungsdienste bargen aus den Trümmern der Maschine zwei schwer verletzte Überlebende. Dies gab der Präfekt von Andalusien, Antonio Sanz in Sevilla bekannt. Das Unglück ereignete sich gut eineinhalb Kilometer nördlich des Flughafens San Pablo bei Sevilla. Dort werden die Transportflugzeuge montiert und getestet, ehe sie an die Luftstreitkräfte diverser Staaten übergeben werden. Bis zu zehn Menschen an Bord Accidente de un avión militar cerca del aeropuerto de Sevilla. En estos momentos seguimos trabajando en el lugar pic.twitter.com/Hho6c3EFDJ — BOMBEROS SEVILLA (@BOMBEROSSEVILLA) 9. Mai 2015 Die Maschine war zu einem Testflug gestartet. Zur Zahl der Opfer kursierten zunächst unterschiedliche Angaben. Die Unglücksursache ist noch unbekannt. Bei den Opfern handelt es sich um spanische Mitarbeiter von Airbus. "Wir können nicht genau sagen, was passiert ist", teilte Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Abend am Unglücksort mit. Bei der Aufklärung solle Transparenz herrschen, forderte Rajoy. "Das Beste ist, wenn die Verantwortlichen von Airbus der Öffentlichkeit berichten, was geschehen ist." Nach Angaben des Herstellers soll die Besatzung kurz vor dem Absturz noch einen Notruf abgesetzt haben. Das spanische Verkehrsministerium leitete eine Untersuchung ein. Die spanische Tageszeitung El Mundo berichtet, dass das Flugzeug eine Notlandung versucht habe. Allerdings stieß die Maschine dabei wohl auf eine Hochspannungsleitung, wodurch sie Feuer fing. Der Unfall habe sich wohl nahe einer Coca-Cola-Fabrik ereignet. Die Feuerwehr von Sevilla twitterte ein Bild, das große Trümmerteile auf einem Acker und eine Rauchwolke zeigt. Der Flughafen wurde vorrübergehend geschlossen. Ehrgeiziges Rüstungsprojekt Bei dem A400M-Militärflugzeug handelt es sich um eines der ehrgeizigsten Rüstungsprojekte in Europa. Mehrere Länder hatten vereinbart, 180 Maschinen zu kaufen, darunter auch Deutschland. Das abgestürzte Flugzeug hatte sich noch in der Testphase befunden. Das Flugzeug sei für das türkische Militär bestimmt gewesen, teilte der Hersteller Airbus Defense & Space mit. Pannen-Projekt der Bundeswehr Im vergangenen Dezember hatte Airbus den ersten von 53 bestellten Transportfliegern an die Bundeswehr ausgeliefert. Immer wieder traten Komplikationen bei Flugmanövern aus. Auch die Bundeswehr reagiert auf den Absturz: Sie setzt die nächsten Testflüge am A400M so lange aus, bis es genaue Angaben zur Absturzursache in Spanien gibt. Das entschied der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, nach Angaben eines Sprechers. Der erste A400M ist momentan noch in der Einsatzprüfung durch die Luftwaffe. Bereits vor dem Unglück in Spanien hatte die Bundeswehr noch erheblichen Nachbesserungsbedarf gesehen. Der Transporter soll frühestens in vier Jahren in den regulären Dienst genommen werden. Der A400M zählt zu den Pannen-Projekten der Bundeswehr. Die Entwicklung der Militärmaschine hatte sich um Jahre verzögert. Außerdem ist das Flugzeug teurer geworden als zunächst geplant. In südspanischen Sevilla werden die Transportflugzeuge montiert. 2010 war der Militär-Airbus in Sevilla zum Jungfernflug gestartet. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/spanien-airbus-400m-stuerzt-bei-sevilla-ab-mehrere-tote-1.2472562 | mlsum-de-620 |
Frank-Jürgen Weise, der Chef der Arbeitsagentur, übernimmt auch die Asylbehörde. Immer mehr Flüchtlinge erreichen jetzt Kroatien. | Nur einen Tag nach dem Rücktritt seines bisherigen Chefs Manfred Schmidt hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen neuen Präsidenten: Frank-Jürgen Weise wird das zuletzt unter starker Kritik stehende Amt übernehmen - und gleichzeitig weiter an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit stehen. Weise werde beide Behörden in Personalunion leiten, teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin mit. Der 63-jährige frühere Offizier und Unternehmensvorstand war erst vor ein paar Tagen zum Leiter eines Arbeitsstabes berufen worden, der die Zusammenarbeit von Bundesamt und Bundesagentur koordinieren sollte. Nun übernimmt er selbst "eines der schwierigsten Ämter, die die Bundesrepublik Deutschland zu vergeben hat", wie de Maizière sagte. Weises Vorgänger Schmidt hatte es tags zuvor "aus persönlichen Gründen" abgegeben. Das Bundesamt war zuletzt von den Ministerpräsidenten der Bundesländer harsch kritisiert worden. Vor allem die lange viel zu niedrigen Prognosen der Flüchtlingszahlen und die nach wie vor lange Dauer der Asylverfahren stoßen in den Landesregierungen auf zunehmenden Unmut. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel vor einer Überforderung Deutschlands gewarnt. Deutschland könne "vielen Menschen eine neue Heimat bieten, aber nicht allen", sagte der Vizekanzler der Tageszeitung Bild. Wer aus Ländern komme, in denen es weder Krieg noch Verfolgung gebe, "muss unser Land wieder verlassen". Zehntausende Flüchtlinge versuchen weiter, über die sogenannte Balkanroute nach Mitteleuropa zu gelangen - und sehen sich angesichts der Abschottungspolitik etlicher Transitländer zusehends hin und her geschoben. An den Grenzen der Transitländer herrschten am Freitag mancherorts chaotische Zustände. Allein über die Grenze von Serbien nach Kroatien kamen in den vergangenen Tagen nach Angaben der kroatischen Polizei 17 000 Migranten - viele zu Fuß über Feldwege, nachdem die Behörden sieben der acht Grenzübergänge zu Serbien in der Nacht zu Freitag geschlossen hatten. Viele von ihnen wurden in Bussen nach Norden zur Grenze nach Ungarn gefahren. Etwa 8000 Flüchtlinge kamen am Freitag in der kroatischen Kleinstadt Beli Manastir zusammen. Ungarn ließ an der nahen Grenze Soldaten aufmarschieren und auch hier den Bau eines Grenzzauns beginnen. Dennoch kamen am Freitag mehr als 4000 Flüchtlinge ins Land, wie die ungarische Regierung mitteilte. Kroatiens Ministerpräsident Zoran Milanović hatte angekündigt, die Flüchtlinge nach Norden weiterreisen zu lassen. Slowenien setzte am Freitag den Bahnverkehr mit Kroatien aus, nachdem ein Zug mit Hunderten Flüchtlingen angekommen war. Regierungschef Miro Cerar hatte zunächst gesagt, sein Land werde keinen durchlassen, der die Bedingungen des Schengen-Raumes nicht erfülle. Am Freitagabend sagte Cerar allerdings, die Regierung erwäge die Einrichtung eines Korridors. Man werde sich dazu mit den betroffenen Ländern besprechen. Österreich behält sich nach Angaben des Innenministeriums vor, aus Ungarn kommende Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen, sollten sie nicht vorhaben, Asyl zu beantragen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/asylpolitik-eines-der-schwierigsten-aemter-in-deutschland-1.2653848 | mlsum-de-621 |
Nach dem Willen der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin sollen ältere Menschen mehr Erspartes behalten dürfen, wenn sie arbeitslos werden. Man könne 60-Jährige nicht mit 20-Jährigen gleichstellen. | Im Alter arbeitslos zu werden und plötzlich vor dem finanziellen Nichts zu stehen: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) will das künftig verhindern. Sie fordert eine Korrektur der Hartz-IV-Gesetzgebung zugunsten älterer Menschen. Das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger müsse in Zukunft stärker an die Lebensarbeitszeit gekoppelt werden, sagte sie dem Tagesspiegel. Viele Menschen hätten Angst, "vor dem finanziellen Absturz zu stehen, obwohl man ein Leben lang in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt hat", sagte Dreyer. Man dürfte deshalb Menschen, die 30 Jahre lang für ihr Erspartes gearbeitet hätten, nicht mit 20-Jährigen gleichstellen, die noch am Anfang ihres Berufslebens stünden. Wer heute arbeitslos wird, muss für seinen Lebensunterhalt zunächst einen Teil der eigenen Ersparnisse aufwenden. Allein ein sogenanntes Schonvermögen von maximal 10 000 Euro muss nicht angetastet werden, unabhängig von den geleisteten Arbeitsjahren. "Das halte ich für ein langes Erwerbsleben für zu wenig", so Dreyer. Es sei klar, dass viele Menschen den Verlust ihrer Ersparnisse als Abstieg und Bedrohung sähen, so die Ministerpräsidentin. Die SPD soll nach ihrer Ansicht mit dieser Forderung im kommenden Jahr auch in den Wahlkampf ziehen. Nur so könne man den Abstiegsängsten begegnen und den Menschen die Sicherheit geben, ihr "lebenslang erspartes Geld durch eine Phase der Arbeitslosigkeit nicht komplett zu verlieren". Ähnlich verhalte es sich mit dem Gesundheitssystem, so Dreyer. Die Menschen müssten sich darauf verlassen können, ihre Beiträge auch in Zukunft finanzieren zu können. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitslosengeld-dreyer-will-aeltere-hartz-iv-empfaenger-schonen-1.3310829 | mlsum-de-622 |
Hochrangige Geheimdienst-Mitarbeiter stellten intern den Nutzen der Telefon-Überwachung in Frage. Dann kam Edward Snowden - und die Bedenken waren vergessen. Doch jetzt könnten die damaligen Zweifel die Position der NSA schwächen. | Geheimdienst-Mitarbeiter stellten Überwachung in Frage Die anlasslose Überwachung von Telefongesprächen in den USA ist umstritten - offenbar sogar innerhalb der NSA. Die Nachrichtenagentur AP berichtet, dass hochrangige Mitarbeiter des Geheimdienstes intern darüber nachdachten, das Überwachungs-Programm einzustellen. Die Kosten stünden in keinem Vergleich zum möglichen Nutzen, die Erkenntnisse würden kaum dazu beitragen, Terroranschläge zu verhindern. Furcht vor der öffentlichen Empörung Anfang 2013 regten angeblich führende NSA-Mitarbeiter an, auf die umfassende Speicherung der Metadaten von Telefonverbindungen zu verzichten - nicht zuletzt, weil sie die öffentliche Empörung fürchteten, falls diese Praxis bekannt werden sollte. Wenig später geschah genau das: Im Juni 2013 veröffentlichte Edward Snowden seine Enthüllungen - und die abzusehende Empörung von Bürgerrechtlern, Juristen und Politikern folgte auf dem Fuße. Daraufhin schaltete die NSA in den Verteidigungsmodus und wies alle Kritik zurück: Die Überwachungsprogramme seien ein unerlässliches Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Von den internen Bedenken redete plötzlich niemand mehr. Sowohl im Kongress als auch in der Öffentlichkeit präsentierten sich NSA-Vertreter als vehemente Befürworter der Überwachung und beeinflussten so die Meinung vieler Amerikaner. Steigende Kosten, aber nur eine einzige Erfolgsmeldung Dabei gab es gute Gründe, auch als NSA-Mitarbeiter am Sinn des Programms zu zweifeln: Anscheinend wurde es immer teurer, die Metadaten aller Festnetzverbindungen zu speichern, die meisten Mobilfunkdaten wurden erst gar nicht erfasst. Im Gegenzug gab es genau einen einzigen Fall, in dem die Telefon-Überwachung zur Terrorbekämpfung beigetragen hat: 2013 wurde in San Diego ein Taxifahrer festgenommen, weil ihm nachgewiesen werden konnte, dass er in Kontakt zu einem somalischen Ableger von Al-Qaida hatte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass die NSA ein geheimes Programm still und leise beerdigt. Aus den Snowden-Leaks geht hervor, dass bereits 2011 entschieden wurde, die Überwachung von E-Mail-Metadaten einzuschränken. Auch damals spielten Kosten-Nutzen-Rechnungen die entscheidende Rolle; Experten gehen aber davon aus, dass die Verbindungsdaten der E-Mail-Kommunikation auch weiterhin erfasst werden. Das umstrittene Gesetz muss im Juni erneuert werden Der damalige NSA-Chef Keith Alexander gilt als Fürsprecher der Telefon-Überwachung und war anscheinend nicht über die Bedenken seiner Mitarbeiter informiert. Er hätte den Vorschlag, das Programm einzustellen, vermutlich zurückgewiesen. Trotzdem könnte der AP-Bericht den US-Kongress beeinflussen: Die Abgeordneten müssen im Juni darüber entscheiden, ob die dann auslaufende gesetzliche Grundlage für die Speicherung der Telefon-Verbindungen erneuert wird. Wenn selbst hochrangige NSA-Mitarbeiter das Programm in Frage stellten, bringt das womöglich auch einige Politiker zum Umdenken. | https://www.sueddeutsche.de/digital/speicherung-von-telefon-verbindungen-nsa-mitarbeiter-zweifelten-am-sinn-der-ueberwachung-1.2416392 | mlsum-de-623 |
Unterhaltung und Politik verschmelzen, Donald Trump ist derzeit die zentrale Figur des US-Präsidentschaftsrennens. Wieso der Milliardär keine Eintagsfliege ist. | Donald Trump im Wahlkampf: "Vielleicht haben mich die Leute einfach einmal satt." Trump, Trump, Trump. Mit dem einfachsten aller Slogans wird der exzentrische Immobilien-Milliardär aus New York gefeiert, der seit Wochen an der Spitze der republikanischen Vorwahl-Umfragen steht. Anhänger rufen begeistert den Namen des 69-Jährigen, der diesen Sommer in den USA politisch bislang dominiert. Kaum ein Tag, an dem er nicht zu Wort kommt, knackige Zitate und Tweets oder unmögliche Provokationen liefert - oder die Medien ebenjene Auftritte kommentieren, analysieren, in ewiger Endlosschleife wiederholen. Trump ist Programm, oder, in den Kategorien des Jahres 2015: Trump liefert Content und der Content ist er selbst. Er ist der Kandidat mit bekanntem Gesicht, hohem Unterhaltungsfaktor und dem Willen, auf sämtliche Nuancen zu verzichten. Seine Reality-Show "The Apprentice" ("Der Lehrling") dreht sich noch um die Frage "Welchen Jungunternehmer wird er heute feuern?". Heute, im beginnenden Wahlkampf, heißt es eher: "Wie weit wird dieser Mann noch kommen?" "Ringe nie mit einem Schwein" In wenigen Stunden (um drei Uhr deutscher Zeit) beginnt bei Fox News die nächste Folge der Trump-Show. Das erste TV-Casting der Republikaner hat größtenteils die Prinzipien des Trumpismus übernommen, der Mann ist Hauptgarant für Quotenerfolg und lebhafte Debatten drumherum. Wie wird er sich schlagen? Überrascht er alle und ist plötzlich höflich? Wird er sich politisch selbst zerstören? Welche Kandidaten werden versuchen, über einen Schlagabtausch mit dem 69-Jährigen ins Rampenlicht zu kommen? "Ringe nie mit einem Schwein", riet ein Parteistratege bereits dem Konkurrenten Jeb Bush. "Du wirst schmutzig und außerdem gefällt es dem Schwein." Solche Sätze würzen nicht nur die Diskussionen um das Rennen der Kandidaten, sie zeigen auch, wie unangenehm vielen Republikanern Trump inzwischen ist. | https://www.sueddeutsche.de/politik/donald-trump-vor-tv-debatte-die-mit-dem-schwein-ringen-1.2597505 | mlsum-de-624 |
Bisher ist rätselhaft, welche Fortschritte der Gipfel am Montag bringen könnte. Die Anwesenheitspflicht für die Chefs der Euro-Zone soll wohl heißen: endlich wie Erwachsene eine Lösung zu finden. | Donald Tusk hat als Ministerpräsident die Einführung des Euro in Polen einst ins Unbestimmte verschoben; und auch als EU-Ratspräsident ist er bisher nicht durch Interesse an der Währungsunion aufgefallen. Doch nun hat er sich am Donnerstagabend per Kopfdruck ins Bewusstsein der Euro-Strategen katapultiert. Um 19.43 Uhr ließ Tusk per E-Mail wissen, dass er Präsidenten, Premierminister und Kanzler der Euro-Zone für Montag, 19 Uhr, zu einem Krisen-Gipfel nach Brüssel bitte. Es sei Zeit, "dringend nötige Gespräche" über die Situation in Griechenland zu führen. Und zwar auf "höchster politische Ebene". Das heißt: Anwesenheitspflicht für 19 Chefs. Bemerkenswert ist nicht nur die Einladung selbst, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem sie kam. Nämlich just in der Minute, in der in Luxemburg Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Gruppe der Euro-Finanzminister, ungewohnt stotternd begann, über das Treffen der Minister zu Griechenland zu referieren. Dieses war überraschend nach weniger als zwei Stunden beendet worden. Dijsselbloem, so schien es, hatte Mühe, das verschweigen zu müssen, was er wusste. Varoufakis wiederholte nur die bekannten Positionen Die Inszenierung vom Donnerstagabend war eine weitere Folge auf dem Weg zum Finale der griechischen Tragödie, das spätestens am 30. Juni sein vorläufiges Ende finden wird. Dann muss die griechische Regierung einen Kredit an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, wäre das ein formaler Verstoß gegen die gemeinsame Vereinbarung zwischen den Kreditgebern und Griechenland - die damit hinfällig würde. Zehn Tage haben die Euro-Strategen noch Zeit, um glaubwürdig zu versichern, dass sie alles tun, dieses schmutzige Finale zu verhindern. Dafür gibt es Voraussetzungen: Die Experten der Kreditgeber von Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und IWF einigen sich mit der griechischen Regierung auf einen Kompromiss, welche Haushaltsziele und Reformen geeignet und machbar sind, um dem Land wieder auf die Beine zu helfen. Im Gegenzug sichern sie die griechischen Banken und gewährleisten, dass Athen seine Kreditverpflichtungen zahlen kann. Nicht zu vergessen ist die Forderung der Regierung in Athen nach Erleichterung des Schuldendienstes. Weil sich die ministeriellen Unterhändler im Dickicht von Forderungen und Ansprüchen verirrt haben, will Tusk die Chefs am Montag nach Brüssel holen, damit sie einander in die Augen schauen und endlich einen Weg für die Unterhändler aufzeigen, der zum Kompromiss führt. Steffen Seibert, der Sprecher der Bundesregierung, beschrieb das Sondertreffen als "Gipfel der Beratung", was auf zweierlei Weise interpretiert werden kann. Einfach als ein weiteres Treffen, bei dem die Chefs beraten - und das bis zum 30. Juni beliebig wiederholt werden kann. Oder als eine Zusammenkunft, bei der die Staats- und Regierungschefs die entscheidenden Weichen stellen für einen folgenden Gipfel der Entscheidungen. Schäuble saß ein bisschen ratlos in Luxemburg Seibert ließ sich nicht auf größere Erklärungen ein, sondern verwies auf die generelle Regel, dass bei dem Treffen am Montag nur dann eine Entscheidung gefällt werden könne, wenn sich zuvor die Kreditgeber und Griechenland auf Zahlen und Daten verständigt hätten. "Wir brauchen alle drei Institutionen für eine Einigung." So sieht es auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der schon Montagmittag nach Brüssel reisen wird, weil die Finanzminister vor ihren Chefs zu einer Krisensitzung zusammenkommen werden. Was genau sie da beraten sollen, war am Freitag nicht zu erfahren. Schäuble saß ein bisschen ratlos in Luxemburg, wo die Ressortchefs zwei Tage getagt hatten, und wiederholte beinahe wörtlich, was Seibert kurz zuvor in Berlin gesagt hatte. "Wir können nichts entscheiden, wenn wir nicht einen Bericht der Institutionen vorliegen haben." Seinem Gesicht war nicht abzulesen, ob der Minister da gerade eine weitere Inszenierung über angebliches Nichtwissen abgeliefert hatte. Denn dass es nichts zu reden gibt, erscheint angesichts der Folgen, die beim Kollaps eines Euro-Landes drohen, kräftig untertrieben. Der IWF ist nicht so begeistert, als kriminell bezeichnet zu werden Am Vorabend jedenfalls hatten die Kollegen nicht lange mit dem griechischen Ressortchef Yanis Varoufakis geredet. Auch, weil Varoufakis lediglich wiederholte, was alle wissen. Er will einen Schuldenschnitt - oder zumindest eine Streckung der fälligen Zahlungen. Was auch bedeutet, dass es eine Konstante in diesem Drama gibt: die Haltung der Regierung in Athen. Darin hat sich in den vergangenen Monaten nichts verändert - oder wie Schäuble sagte: "Unerfreuliche Situationen werden durch Wiederholung nicht erfreulicher." Es gehe weiter um Fragen, "die uns quälen, plagen, mühen". Er gebe sich Mühe, "kein Öl in irgendwas zu gießen". IWF-Chefin Christine Lagarde schien eher ungehalten zu sein über die vielen Spielchen der vergangenen Wochen. In der Sitzung am Donnerstag sagte sie, der IWF sei Kritik gewohnt, sie sei aber nicht begeistert, von griechischer Seite als kriminelle Organisation bezeichnet zu werden. "Meiner Meinung nach ist es das Dringendste, wieder zu einem Dialog mit Erwachsenen im Raum zu kommen." Am Montag ist die nächste Gelegenheit dazu. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-krisentreffen-zu-griechenland-quaelen-plagen-muehen-1.2529318 | mlsum-de-625 |
Nach jahrelangen Tarifverhandlungen haben Lufthansa und die Piloten eine Einigung erzielt. Streiks sind damit nicht mehr zu erwarten - zumindest bis 2022. | Lufthansa und Piloten einigen sich in allen Punkten Die Lufthansa hat sich mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) geeinigt: Sämtliche tarifpolitischen Streitpunkte in dem Konflikt sind beigelegt. Die Auseinandersetzung hatte bislang zu 14 Pilotenstreiks geführt. Die Regelungen betreffen auch Lufthansa Cargo und Germanwings. Die Vereinbarungen unter anderem zu Gehältern und Betriebsrenten sollen bis Juni 2022 gelten. Dabei akzeptieren die Piloten beispielsweise die Umstellung der Betriebsrenten auf Festbeiträge. Bislang hatte die Fluggesellschaft die absolute Höhe der Zahlungen garantiert und damit das Zinsrisiko übernommen. Langfristiger Tariffriede Die Neuregelung wirke sich im Geschäftsjahr 2017 einmalig entlastend auf die Bilanz aus - "mit einem hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag", teilte das Unternehmen mit. Zudem werden die Gehälter um insgesamt 11,4 Prozent erhöht und es gibt eine Einmalzahlung von 1,8 Monatsgehältern. Das gilt für die Laufzeit von Mai 2012 bis Juni 2022. Beide Seiten streben damit einen "langfristigen Tariffrieden" an. Die Pilotengewerkschaft erklärte, die Einigung auf die "Gesamtlösung" ermögliche der Lufthansa "strukturell nachhaltig verbesserte Cockpitpersonalkosten". Im Gegenzug verpflichte sich das Unternehmen, die Arbeitsplätze der Piloten zu schützen und Karrieremöglichkeiten zu schaffen. Lufthansa garantiert den rund 5400 Konzernpiloten, dass zu diesen Bedingungen bis Mitte 2022 mindestens 325 Jets betrieben werden. Damit würden 600 Stellen für Kapitänsanwärter geschaffen und rund 700 Nachwuchsflugzeugführer könnten eingestellt werden. Zuvor hatten Lufthansa und die Piloten eine erste Teillösung erreicht, die nun von der Einigung zum Gehalt mit einer längeren Laufzeit ersetzt wird. Die Urabstimmung zur Schlichtung müsse aus formellen Gründen noch abgeschlossen werden, sagte ein VC-Sprecher. Die Gewerkschaft gehe aber davon aus, die neuen Verträge bis Mitte des Jahres unter Dach und Fach zu bringen. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tarifstreit-lufthansa-und-piloten-einigen-sich-in-allen-punkten-1.3420353 | mlsum-de-626 |
Im Pokalspiel gegen Augsburg wird der Bayern-Verteidiger nach 259 Tagen Pause kurz vor Schluss eingewechselt. Ein Moment im Stadion, der jeden berührt. | Als Holger Badstuber am Mittwochabend gerade sein Inneres nach außen kehrte, vergrub Mario Götze hinter ihm sein Gesicht in seinen Händen - der Dortmunder hatte in der Verlängerung gegen den 1. FC Union Berlin einen Freistoß nicht nur über die Mauer, sondern auch weit über das Tor gezirkelt. Badstuber interessierte sich nicht für das Spiel, das in seinem Rücken über den Bildschirm flimmerte. In diesem Moment wurde einmal mehr deutlich, dass eine vergebene Chance so klein und nichtig ist, wenn man die Leiden eines Fußballers wie Holger Badstuber kennt. Eines Fußballers, der in den vergangenen Monaten und Jahren mehr Zeit in Rehabilitationszentren und Arztpraxen verbracht hat, als auf dem Rasen, der für ihn die Welt bedeutet. Eifrige Statistiker haben herausgefunden, dass der 27-jährige Badstuber fast die komplette und drei Jahre andauernde Ära von Pep Guardiola beim FC Bayern wegen verschiedenster Verletzungen verpasst hat, nur in 25 von 161 möglichen Spielen wirkte er mit. Badstuber kommt seit 2012 auf mittlerweile mehr als 1000 Ausfalltage. Zuletzt hatte ihn eine komplizierte Knöchelverletzung samt Operation vom Sport befreit. Badstubers Haare werden dünner, während seine Krankenakte dicker wird Am Mittwochabend kehrte er nun nach 259 Tagen im Pokalspiel gegen den FC Augsburg (3:1) in den letzten zehn Minuten wieder auf den Platz zurück. Es war ein Moment im Stadion, der jeden berührte, "der den Fußball liebt", wie es Bayern-Kapitän Philipp Lahm ausdrückte. Schon als Cheftrainer Carlo Ancelotti Badstuber zum Warmmachen schickte, brandete in der Arena ein Jubel auf, als hätte der FC Bayern gerade seine 27. Meisterschaft gewonnen. "Das geht natürlich unter die Haut, und so etwas vergisst man auch nicht", gestand Badstuber hinterher. Der gebürtige Allgäuer ist einer der beliebtesten Spieler beim FC Bayern - "und jeder wünscht ihm, dass er mal über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Verletzung bleibt", sagte sein Verteidigerkollege Mats Hummels. Die Haare auf Badstubers Kopf sind dünner geworden, seine Krankenakte dagegen ist stetig angewachsen, auf die Dicke der Bibel. Aber sonderlich zu beeindrucken scheint ihn das nicht, zumindest nicht nach außen. Er gibt sich weiter so kämpferisch und klar, wie er Fußball spielt. Und doch überraschte er mit einem Satz, der aufhorchen ließ. "Heute ist das letzte Mal gewesen, dass ich zurückkomme, das habe ich für mich beschlossen", sagte Badstuber. "Ich kenne mich und meinen Körper" Will er wirklich aufhören und alles hinschmeißen bei der nächsten größeren Verletzung? Nein, beschwichtigte er und schüttelte den Kopf. "Ich arbeite nur daran, dass ich dauerhaft auf dem Platz stehen und die Mannschaft unterstützen kann." Genauer darauf eingehen wollte er nicht, er blieb im Ungefähren. Er sagte lediglich, dass er einen Weg für sich gefunden habe. "Ich kenne mich und meinen Körper und arbeite nun daran, auf meine Signale besser zu hören und an meinen Defiziten zu arbeiten." Holger Badstuber hat nach zwei Kreuzbrandrissen und anderen größeren und kleineren Blessuren schon eine gewisse Übung darin, sich in den Alltag zurückkämpfen zu müssen. Er kennt das Prozedere nach einer Verletzung, das Ruhigstellen, das Humpeln mit und ohne Krücken, die Einheiten in der Rehabilitation, das Alleinsein, die guten Tage, die schlechten Tage, das Gefühl im Training wieder erstmals den Rasen riechen und sanft gegen den Ball treten zu dürfen. Er hat die ganze Plackerei mal wieder durchgestanden. Wieder einmal. Anders war diesmal, dass er sich mehr Zeit genommen hat als früher. Auf der USA-Tour hatte er Ende Juli gegen den AC Mailand schon wieder knapp eine halbe Stunde gespielt. Doch überstürzte er seine Rückkehr in den Pflichtspielbetrieb nicht, er gönnte sich weitere Pausen und Ruhe. "Ich habe mittlerweile ein gutes Gefühl für meinen Körper und meine Situation", findet Badstuber selbst. Auch er ist ja nur ein Mensch, der psychische und physische Grenzen nicht ewig überschreiten kann. "Ich bin zuversichtlich", sagte er am Ende noch, "dass ich jetzt dauerhaft gesund bleibe." | https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-muenchen-badstubers-letztes-comeback-1.3224891 | mlsum-de-627 |
Die Zeiten der extrem kurzen Ski sind vorbei. Die Hersteller bauen wieder längere Bretter mit Graphen und leichten Hölzern im Kern. Und die Skistiefel werden bequemer. | Glaubt man dem gerne zitierten Wetterpropheten Sepp Haslinger (73) aus Benediktbeuern wird es heuer einen Jahrhundertwinter geben: lang, kalt und schneereich, bis Ostern, also Ende März. Eine frohe Botschaft für die im Vorjahr arg gebeutelte Ski-Industrie, für deren Geschmack die Pisten mal wieder viel zu lange grün statt schneeweiß waren. Der Weltcup-Auftakt der Profis am Ötztaler Rettenbachferner zu Sölden geriet jedenfalls schon mal zu einer Pracht in Weiß - ein Start, der Lust macht auf mehr. Und das am besten mit dem neuesten, in diesem Jahr vor allem deutlich leichteren Equipment unter und an den Füßen. Kork in den Skischuhen dämpft an wichtigen Stellen - wie am Knöchel Warum also nicht mal die Ausrüstung der Profis ausprobieren? Skifahren wie Felix Neureuther - das würde schließlich jeder gerne können. Und so hat dessen Ausrüster Nordica gemeinsam mit Deutschlands bestem Skifahrer einen Skischuh für sportlich-ambitionierte Skifahrer entwickelt, sozusagen einen Skistiefel mit "bequemer" Weltcup-Technologie. Während sich die Profis in speziell gefertigte Modelle zwängen, die etwa zwei Größen unter ihrer normalen Schuhgröße liegen, profitiert der Otto Normalfahrer beim Modell Dobermann GP vom anpassbaren Naturmaterial Kork. Bei der sogenannten Cork Fit Technology sitzen an den entscheidenden Stellen im Schuh spezielle Polster aus Naturkork-Granulat und Paraffin. Der Innenschuh wird erhitzt und schmiegt sich so genau an den Fuß an, was die Passform verbessert und die Steuerpräzision erhöht. Außerdem verfügt Kork über gute Dämpfungseigenschaften, gerade an so sensiblen Stellen wie den Knöcheln. So arbeitet der Skischuh als Steuerzentrale des Skifahrers nicht nur präziser, sondern ist auch endlich mal angenehmer zu tragen. Detailansicht öffnen Der Indigo 180° Visor schaut wie Star-Wars-Verkleidung aus. Der Rundblick soll gut sein. (Foto: Indigo) Bei den klassischen Alpin-Skiern, die generell wieder länger und somit laufruhiger werden, hat sich der Straubinger Hersteller Völkl etwas Neues einfallen lassen, und zwar im Bereich Schwingungsdämpfung. Das vorne an der Schaufel des Skis sitzende System UVO dämpft störende Vibrationen und Schläge, die durch unterschiedliche Pistenverhältnisse entstehen können. Dadurch läuft der Ski ruhiger und garantiert besseren Kantengriff. Montiert ist dieses Dämpfungssystem beispielsweise auf dem neuen RTM 86, einem Modell der Völkl All Mountain Linie, der auf Vielseitigkeit getrimmt ist und vor allem bei wechselhaften Verhältnissen überzeugt. Skifahrer, die früher viel und sportlich gefahren sind, aber nun nur noch ein paar Tage im Jahr auf die Piste streben oder gerade aus der Reha kommen, die Knie- oder Hüftprobleme haben oder zur älteren Generation gehören, sind besser bei der Efficient Linie der Straubinger aufgehoben. Diese Ski sind spielerischer zu fahren und leichter zu drehen als die Standard-Alpin-Modelle, aber sportlich kann man mit ihnen dennoch unterwegs sein, quasi mit einem klassischen "Racetiger" samt Komfortpaket. Die Kollegen von Head setzen dagegen auf Graphen, eins der leichtesten, stärksten und dünnsten Materialien überhaupt, das auch in Tennisschlägern verarbeitet wird. In den neuen Head-Kollektionen Monster und Instinct sorgt die Technologie für bessere Reaktionsfähigkeit, Balance und Kontrolle. Gängige Materialien wie Holz oder Fasern werden reduziert und stattdessen zusätzliche Aluminiumlegierungen verwendet, die den Ski besonders reaktionsfähig machen. Detailansicht öffnen Spitzengeheimnis: Die Dämpfung ganz vorne im Völkl-Ski. (Foto: Völkl) Mit einem der leichtesten Pistenski startet Fischer in den Winter. Sein Holzkern ist um die 25 Prozent leichter als sein Vorgänger. Wer es bei den Brettern lieber stilvoll mag, wird beim Münchner Hersteller Indigo fündig. Der hat in wenigen Jahren schon zig Designpreise eingeheimst und mit dem ACR ein Modell auf dem Markt, das durch das schnöde Wechseln der Ski von rechts auf links die Fahreigenschaften ändert: Drehsteifes Carbon auf der Innenseite für extrem sportliches Fahren, Glaslaminat auf der Außenseite für kraftsparendes Fahren. Und für die perfekte Rundumsicht gibt es dazu die futuristische, extrabreite Skibrille "180° Visor". Skitourengeher können auf die ultimative Bindung hoffen. Noch fehlt dem Entwickler Geld Bei den Frauen-Modellen wartet die Belle-Serie von Nordica mit Skikernen aus verleimtem Balsaholz auf, dem leichtesten aller Harthölzer. Der Vorteil: Man braucht weniger Kraft und die Schwungauslösung funktioniert dynamischer. Bei den Bindungen ragt die extrabreite "Marker iPT Wideride XL" heraus: 40 Prozent breiter als ihr Vorgängermodell, was eine noch bessere, verlustfreie Kraftübertragung auf den Ski garantieren soll. Detailansicht öffnen Indigo ACR - das sind zwei Paar Ski in einem. Einfach den linken gegen den rechten Ski tauschen, und schon fährt es sich anders. (Foto: Indigo) Auch Tourengeher und Freerider können sich auf eine innovative Bindung freuen, und zwar über eine, die so neu ist, dass sie noch gar nicht auf dem Markt ist, sondern erst per Crowdfunding die Serienreife anstrebt. Die Rede ist von der "Pindung" aus dem Hause B.A.M. (Bavarian Alpine Manifest), einer Neuentwicklung "Made in Bavaria" (Dietramszell), bei der die Vorteile einer sogenannten Pin-Bindung mit dem Komfort und der Sicherheit einer alpinen Sicherheitsbindung mit einstellbaren Auslösewerten kombiniert werden. Die Klammern (Pins) werden am Vorderbacken nur im Aufstiegsmodus verwendet. Für die Abfahrt wird die Bindung mit einem Handgriff am Vorderbacken in die Abfahrtsposition geschoben und zur Sicherheitsbindung samt TÜV-zertifiziertem Z-Wert (angestrebter Wert: 6 bis 14) umfunktioniert. Ein Konzept, das es so in dieser Form bislang noch nicht gibt - und das auch erst Realität wird, wenn die "eierlegende Wollmilchsau" (Zitat Hersteller) bis 7. Dezember genügend Unterstützer findet. Mindestens 40 000 Euro müssen per Crowdfunding zusammenkommen, damit eine erste kleine Serienproduktion für weitere Produkttests finanziert werden kann. Ansonsten werden auch bei den Tourengehern und Freeridern die Skier immer leichter: Teilweise liegt das Gewicht schon bei unter einem Kilo pro Ski. Auch in diesem, in den vergangenen Jahren boomenden, Bereich werden nun immer öfter Balsa- und Paulownia-Holzkerne verwendet sowie extrem stabile Titanal- und Carbon-Mixturen, die aus der Raumfahrttechnologie stammen. Vom Himmel fehlt jetzt nur noch der Schnee. Und wenn wirklich so viel fällt wie der Wetterprophet angekündigt hat, muss man sich auch nicht sorgen, falls mal ein Ski im Tiefschnee verloren geht. Per SkiTracer, einem kleinen Aufbau, der auf die Ski montiert wird, kann der vermisste Ski per Smartphone und App geortet werden. | https://www.sueddeutsche.de/reise/ausruestung-leichter-laenger-ruhiger-1.2721736 | mlsum-de-628 |
Überraschend kommt Tennisspielerin Serena Williams in Singapur eine Runde weiter. Schwimmer Paul Biedermann verpasst in Peking einen Podestplatz. Tennisspieler Benjamin Becker verpasst das Halbfinale in Basel. | Tennis, WTA-Finals: Schützenhilfe hat Titelverteidigerin Serena Williams doch noch den Sprung in das Halbfinale der WTA-Finals ermöglicht und zum vierten Mal Platz eins in der Tennis-Weltrangliste zum Jahresende gesichert. Obwohl French-Open-Siegerin Maria Scharapowa und die Serbin Ana Ivanovic bei der WTA-WM in Singapur am Freitag Siege feierten, schieden beide am spannenden letzten Vorrunden-Spieltag aus. Damit trifft Serena Williams im Halbfinale an diesem Samstag auf die bislang als Einzige noch ungeschlagene Dänin Caroline Wozniacki. In der anderen Vorschlussrunden-Partie spielt die WM-Debütantin Simona Halep aus Rumänien gegen die Polin Agnieszka Radwanska. Scharapowa gewann zwar nach 3:09 Stunden Spielzeit 7:5, 6:7 (4:7), 6:2 gegen Radwanska. Doch nur bei einem Sieg in zwei Sätzen hätte die Weltranglisten-Zweite noch Chancen auf das Halbfinale beim Jahresabschluss-Turnier der besten acht Spielerinnen der Saison gehabt. Schwimmen, Peking: Paul Biedermann hat in seinem ersten Wettkampf seit den Europameisterschaften im Sommer in Berlin einen Podestplatz verpasst. Der EM-Zweite über 200 Meter musste sich über 400 Meter beim Kurzbahn-Weltcup in Peking mit Rang vier begnügen. Biedermann benötigte am Freitag 3:42,72 Minuten und war damit deutlich langsamer als Gewinner Sun Yang. Der chinesische Olympiasieger und Weltmeister verwies in 3:37,10 auch Myles Brown aus Südafrika (3:39,26 )und Kecheng Wang ebenfalls aus China (3:42,55) auf die Plätze. Dagegen schaffte es der Hamburger Steffen Deibler zweimal unter die ersten Drei. Über 50 Meter Schmetterling musste sich der Weltrekordhalter in 22,69 Sekunden als Zweiter nur dem Südafrikaner Chad Le Clos (22,03) geschlagen geben. Über 100 Meter Freistil belegte der deutsche Meister in 47,51 Sekunden den dritten Platz. Der EM-Zweite Christian Diener aus Potsdam kam am ersten Wettkampftag in der chinesischen Hauptstadt über 100 Meter Rücken (51,95) auf Platz fünf. Insgesamt sind fünf deutsche Starter in Peking dabei, es ist die fünfte Station von insgesamt sieben Kurzbahnweltcup-Wettkämpfen. Tennis, Basel: Benjamin Becker hat beim ATP-Turnier in Basel das Halbfinale verpasst. Der Tennisprofi aus Mettlach verlor am Freitag gegen den kroatischen Aufschlagspezialisten Ivo Karlovic mit 4:6, 4:6. Dem an Nummer acht gesetzten Karlovic gelangen im Viertelfinale des mit 1,92 Millionen Euro dotierten Hartplatzturniers 19 Asse. Becker war neben dem Alexander Zverev, der mit einer Wildcard gestartet war und schon in der ersten Runde gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow verloren hatte, der einzige deutsche Spieler in der Schweiz. David Ferrer erreichte beim Turnier in Valencia einen Meilenstein. Der topgesetzte Spanier bezwang im Viertelfinale Thomaz Bellucci aus Brasilien mit 6:1, 6:2 und feierte als vierter aktiver Spieler seinen 600. Sieg auf Tour. Die Rangliste der aktuellen Profis führt Roger Federer (986 Siege) vor Rafael Nadal (706) und Lleyton Hewitt (611) an. Die meisten Erfolge der Geschichte gelangen dem Amerikaner Jimmy Connors. Fußball, Manipulationsverdacht: Die lettische Polizei hat acht Personen wegen des Verdachts der Manipulation eines Qualifikationsspiels zur Champions League, Geldwäsche und Steuerbetruges festgenommen. Zwei Spieler des lettischen Meisters von 2012, FC Daugava Daugavpils, seien betroffen, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Europäische Fußball-Union Uefa leitete ein Disziplinarverfahren gegen den Klub, seinen Präsidenten und betroffene Spieler ein. Nach Polizeiangaben wurden neben den Profis auch zwei Vereinsoffizielle und vier Personen mit Verbindungen zum Club festgenommen. Eine der acht Personen bleibe in Haft, die weiteren sieben seien vorerst freigelassen, sollen aber unter Polizeikontrolle bleiben. Bei der Partie von Daugavpils gegen IF Elfsborg aus Schweden in der zweiten Qualifikationsrunde am 17. Juli 2013 seien unregelmäßige Wettmuster festgestellt worden, erklärte die Uefa. Daraufhin waren Untersuchungen in Kooperation mit dem lettischen Verband und den Behörden des baltischen Staates angestrengt worden. Die verdächtige Partie hatte Daugavpils auswärts 1:7 verloren, sechs Tage später setzte es eine 0:4-Niederlage vor eigenem Publikum. Laut Polizei werden auch mehrere Ligaspiele untersucht. Formel 1, Caterham: Die Investorengruppe Engavest hat im eskalierten Streit um den Formel-1-Rennstall Caterham das Management an einen Insolvenzverwalter abgegeben. Das teilte das Team am Freitag mit. Man sei damit einer Aufforderung des neuen Verwalters der insolventen "Caterham Sports Limited" und den Anwälten von Vorbesitzer Tony Fernandes nachgekommen. Das Management des Rennstalls obliege nun Insolvenzverwalter Finbarr O'Connell, damit das Team wieder seine Arbeit fortsetzen und sich auf die nächsten Events vorbereiten könne. Ob damit ein Start des Rennstalls beim Großen Preis der USA in einer Woche gewährleistet ist, bleibt jedoch mehr als fraglich. Im Streit um die Besitzverhältnisse hatte der Insolvenzverwalter zunächst die Tore zum Werk verschlossen, zudem war Teamchef Manfredi Ravetto zurückgetreten. Wer sportlich das Sagen hat, ist ungeklärt. Die schweizerisch-arabische Investorengruppe, über die ansonsten praktisch nichts bekannt ist, warf Fernandes vor, seine Anteile trotz entsprechenden Vertrages von Ende Juni nicht übertragen zu haben. Fernandes seinerseits wehrte sich und erklärte dies damit, dass Engavest die vereinbarten Vertragsinhalte bis dato nicht erfüllt habe. Das Team ist Letzter der Konstrukteurswertung. Fußball, Schweinfurt: Bei dem unter Dopingverdacht stehenden Joseph Mensah vom Regionalligisten 1. FC Schweinfurt ist auch die B-Probe positiv ausgefallen. Wie der Bayerische Fußball-Verband (BFV) am Freitag mitteilte, bestätigte der zweite Test den Befund der A-Probe, in der Spuren von Amphetamin festgestellt worden waren. Die Tests waren in dem von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA akkreditierten Kontrolllabor im sächsischen Kreischa analysiert worden. Der 29-jährige Mensah wurde schon nach der A-Probe gesperrt. Gegen ihn läuft ein Verfahren vor dem BFV-Sportgericht. Dem Ghanaer droht eine Sperre von bis zu zwei Jahren. Die positive Dopingprobe war am 12. September in der Partie der Unterfranken beim TSV Buchbach genommen worden. Buchbach legte in der Zwischenzeit Einspruch gegen die Wertung des Spiels, das Schweinfurt 2:1 gewonnen hatte, ein. Der Einspruch wird vom BFV derzeit geprüft. Handball, HSV Hamburg: Unternehmer Karl Gladeck ist einstimmig zum neuen Präsidenten des Handball-Bundesligisten HSV Hamburg e.V. gewählt worden. Dies gab der Klub am Freitag bekannt. Der 47-Jährige ersetzt Frank Spillner, der den Posten nach dem Rücktritt von Andreas Rudolph interimsmäßig besetzt hatte. "Karl Gladeck hat den Verein in den vergangenen Monaten mit seiner großen Leidenschaft unterstützt. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass er den HSV in eine gute Zukunft führen kann", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Reimund Slany. Gladeck benannte in seiner ersten Amtshandlung Jugendkoordinator Gunnar Sadewater zum Vize-Präsidenten. Rudolph war im Mai zurückgetreten. Danach kämpfte der Champions-League-Sieger von 2013 gegen die Insolvenz, erhielt aber schließlich die Lizenz für die laufende Spielzeit. Premier League, Arsenal: Per Mertesacker hat eingestanden, dass er mit seinem Premier-League-Club FC Arsenal in einer Krise steckt. Nach dem schmeichelhaften 2:1 in der Champions League beim RSC Anderlecht sagte der Innenverteidiger: "Fußballerisch fehlen uns einige Dinge. Das Passspiel ist nicht so effizient wie vergangene Saison. Wir spielen nicht am Limit. Das müssen wir uns eingestehen und wieder härter arbeiten." In der Liga steht Arsenal nach acht Spieltagen mit elf Zählern nur auf Platz sieben. "Er war ein schwerer Start. Unser Selbstvertrauen ist nicht so groß, wie wir es gerne hätten", sagte Mertesacker und gab zu, dass auch er selbst in einer schweren Situation sei. Der 30 Jahre alte Abwehrspieler erklärte, dass er nach dem WM-Triumph im Sommer zuletzt ebenfalls Motivationsprobleme gehabt habe. "Es war eine sehr lange Saison, von der WM zu kommen, und die Motivation zurück zu bekommen, war schwer. Ich bin fast wieder der Alte, aber man spürt schon, dass noch etwas fehlt", meinte Mertesacker. Trotz der verlängerten Pause sei ihm die Regeneration schwergefallen. "Obwohl man Urlaub hat, hat man den Saisonstart mehr im Kopf als alles andere. Das war wirklich ein Problem. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich jetzt über die kritische Phase hinweg bin." Tennis, Paris: Der spanische Tennisprofi Rafael Nadal hat seine Teilnahme am Masters-Series-Turnier in Paris-Bercy in der kommenden Woche abgesagt. Das teilten die Organisatoren am Freitag mit. Der Weltranglisten-Dritte habe für seine Entscheidung "persönliche Gründe" angeführt. Beim ATP-Turnier in Basel war für Freitagabend das Viertelfinale Nadals gegen den Kroaten Borna Coric angesetzt. Der French-Open-Champion hatte wegen Problemen am Handgelenk nach Wimbledon drei Monate pausiert und kehrte erst Anfang Oktober beim Turnier in Peking auf die ATP-Tour zurück. Beim Masters-Series-Turnier in Shanghai trat er anschließend trotz einer Blinddarmentzündung an, scheiterte aber früh. Ob Nadal bei der Tennis-WM im November antritt, ist noch offen. Auch US-Open-Sieger Marin Cilic aus Kroatien sagte seinen Start in Paris-Bercy ab. | https://www.sueddeutsche.de/sport/wta-finals-williams-mit-glueck-im-halbfinale-1.2190646 | mlsum-de-629 |
Am 3. Mai 1978 wurde die erste Spam-Mail verschickt. Der Absender behauptet, sie habe ihm zwölf Millionen Dollar eingebracht. | Gary Thuerk verdiente mit einer einzigen Spam-Mail mehr als zwölf Millionen Dollar. Davon können die vermeintlichen nigerianischen Prinzen, die falschen Mitarbeiter von Amazon oder die "heißen Singles in Ihrer Umgebung" nur träumen, deren Nachrichten jeden Tag millionenfach in den Postfächern der Nutzer landen. Thuerk hatte Erfolg, weil er der Erste war, der eine Spam-Mail schrieb. Der Marketing-Experte verschickte sie vor 40 Jahren, am 3. Mai 1978. Spam muss nicht gleich Betrug bedeuten: Eigentlich sind damit nur massenhaft unerwünschte Mails gemeint. Mit der ersten Spam-Mail wollte Thuerk keine dubiosen Pillen verschachern oder an die Passwörter der Empfänger kommen wie Online-Kriminelle heute. Er wollte Computer verkaufen. In Großbuchstaben pries er die Vorteile der neusten Decsystem-20-Computer an, hergestellt von der mittlerweile nicht mehr existierenden Firma Digital Equipment Corporation. Außerdem lud er die Empfänger zu zwei Präsentationen der Produkte nach Kalifornien ein. Thuerk nutzte für seine Mail das Arpanet, einen Vorläufer des Internets. Über das Arpanet waren hauptsächlich Universitäten und die dortigen Netzwerk- und Computer-Experten miteinander verbunden. Genau die passende Zielgruppe für Thuerk. Adressen aus einem Buch In einem Videointerview beschreibt der Marketing-Experte, wie er mit einem gelben Marker die Mailadressen von möglichen Kunden an der amerikanischen Westküste kennzeichnete. Damals passten die etwa 2600 Teilnehmer des Arpanets und ihre E-Mail-Adressen noch in ein einzelnes, gedrucktes Verzeichnis, das als Telefonbuch für das noch kleine Netz fungierte. Anschließend tippte ein Ingenieurskollege von Thuerk die Adressen in den Computer, während dieser an der Formulierung der Mail arbeitete. Sie sollte an 593 Empfänger gehen, erreichte aber im ersten Anlauf nur 320. Mit mehr Adressen auf einmal konnte das Mailprogramm nicht umgehen. Thuerk und sein Kollege bemerkten den Fehler und schickten die Werbemail in einer zweiten Welle an die restlichen Adressen. Erste Spam-Mail, sofortige Beschwerden Wegen Thuerk mussten sich schon die Computerpioniere mit Spam herumschlagen. Unter den Empfängern war zum Beispiel Douglas C. Engelbart, der 2013 verstorbene Erfinder der Computermaus. Und schon damals kam die unerwünschte Werbemail nicht gut an. Im Gespräch mit einem Journalisten der amerikanischen Zeitschrift Computerworld erzählt Thuerk von der Beschwerde eines Mitarbeiters der Universität von Utah: Die Mail hätte sein System lahmgelegt, da sie den restlichen Speicherplatz des Computers aufgebraucht habe. "Fast sofort kamen Beschwerden", sagt Thuerk. Auch ein Vertreter des Arpanets habe ihn später angerufen. Thuerk musste ihm versprechen, so etwas nie wieder zu tun. Weitere Nachrichten von betroffenen Arpanet-Nutzern sind auf der Webseite des Software-Entwicklers Brad Templeton zu finden. Thuerks Werbemail hatte trotzdem Erfolg: Jeweils 20 Menschen kamen zu den beworbenen Computer-Präsentationen und er konnte nach eigenen Angaben Verkäufe im Wert von mehr als zwölf Millionen Dollar abschließen. Spam, Ei, Spam, Spam, Bacon und Spam Damit ist Thuerk als erster Spammer in die Internet-Geschichte eingegangen, auch wenn der Name Spam erst später aufkam. 1993 verwendete ein Nutzer eines Usenet-Forums wohl zum ersten Mal den Begriff Spam, um damit massenhafte unerwünschte Nachrichten zu beschreiben. Und Schuld daran haben vermutlich die britischen Komiker der Gruppe "Monty Python", die ein Dosenfleisch der Marke "Spam" in einen ihrer Sketche aufnahmen. In dem Sketch von 1970 taucht Spam massenhaft auf der Karte eines Restaurants auf, zur Auswahl stehen unter anderem Ei und Spam; Spam, Ei, Spam, Spam, Bacon und Spam oder Spam, Würstchen, Spam, Spam, Bacon, Spam, Tomate und Spam. Während die Kellnerin die Spam-Karte vorliest und mit Gästen über Spam diskutiert, nerven die anwesenden Wikinger immer wieder mit einem Spam-Song, der eigentlich nur aus dem Wort Spam besteht und zwischendurch den lovely Spam und wonderful Spam würdigt. Hintermänner werden fast nie entdeckt Die erste Spam-Mail mag 40 Jahr alt sein und das Wort auf einem 48 Jahre alten Sketch basieren, aber die nervigen Nachrichten füllen bis heute jedes Postfach. E-Mail-Anbieter versuchen sie möglichst früh zu erkennen und in einen eigenen abgeschirmten Bereich zu verfrachten, den Spam-Ordner. Google warnt Nutzer seines Mailprogramms Gmail seit Kurzem mit großen weißen Buchstaben auf einem roten Balken, wenn die Schutzsysteme eine Mail für verdächtig halten. Allerdings werden Spam-Mails wohl so schnell nicht verschwinden. Technisch gesehen ist es recht einfach, massenhaft Mails zu versenden und auf diese Weise dubiose Online-Casinos anzupreisen oder zu versuchen, an Passwörter zu gelangen. Die Hintermänner werden fast nie entdeckt. Das war im 2600 Nutzer starken Arpanet noch anders: Jeder wusste, dass die aufdringliche Werbemail von Gary Thuerk kam. | https://www.sueddeutsche.de/digital/spam-jubilaeum-40-jahre-unerwuenschte-mails-1.3965584 | mlsum-de-630 |
Uli Hoeneß ist stolz: Zwei "Weltstars" in München. Die beiden Nationalspieler unterschreiben Vierjahres-Verträge bei den Bayern. | Mit großem Brimborium hat Bayern München das teuerste Investment-Paket der Vereinsgeschichte der Öffentlichkeit vorgestellt. Neben dem italienischen Torjäger Luca Toni, für den elf Millionen Euro Ablöse und ein Gehalt von angeblich fünf Millionen Euro netto pro Jahr fällig werden, präsentierte der deutsche Rekordmeister auch den kurzerhand eingeflogenen Franzosen Franck Ribery. Der 24 Jahre alte Nationalspieler, für die Ablöse von 25 Millionen Euro von Olympique Marseille verpflichtet, soll rund vier Millionen Euro netto Jahresgehalt bekommen. Beide Spieler unterschrieben Vierjahres-Verträge. Detailansicht öffnen Zwei neue und ein alter Bayer: Luca Toni (links), Franck Ribery und Uli Hoeneß. (Foto: Foto: Reuters) 57 Millionen Euro allein für Ablösesummen sind schon ausgegeben Vor 13 Kamerateams und rund 50 Medienvertretern wurden Weltmeister Toni sowie Vizeweltmeister Ribery Trikots mit der Rückennummer "9" sowie 7" überreicht, und Bayern-Manager Uli Hoeneß betonte: "Wir sind stolz, dass es uns gelungen ist, zwei Weltstars nach München zu holen." Zugleich erklärte er, dass mit den sechs feststehenden Neuzugängen, der fast sicheren Rückkehr von Ze Roberto und dem angestrebten vorzeitigen Transfer von Nationalstürmer Miroslav Klose, der schon vor dem feststehenden Wechsel 2008 nach München kommen soll, "unsere Einkauspolitik" beendet ist. Summen wollte Hoeneß weder dementieren noch bestätigen, sagte aber: "Wir haben unsere Schatulle aufgemacht." Ein Eigenkapital von 159 Millionen Euro und eine freie Liquididät von knapp 95 Millionen Euro hatte der FC Bayern zum Ende des Geschäftsjahres 2005/2006 ausgewiesen - auch in der abgelaufenen Saison soll Gewinn gemacht worden sein. Ein Großteil des Geldes ist nun verplant, für Ablösen und Gehälter. Für die Superstars Toni und Ribery, außerdem für die Neuzugänge Marcell Jansen, Jose Ernesto Sosa (beide zehn Millionen Euro Ablöse), Jan Schlaudraff (eine Million), der jetzt erst einmal verletzt ausfällt (Bandscheibenoperation), Hamit Altintop (ablösefrei) und aller Voraussicht nach Ze Roberto: Er soll einen Zweijahresvertrag erhalten, noch sind aber Details zu klären. Unter anderem soll der Brasilianer auf Einsätze in der Nationalmannschaft verzichten. 57 Millionen Euro allein für Ablösesummen sind schon ausgegeben, 26 Millionen Euro kommen jedoch durch den Verkauf von Owen Hargreaves an Manchester auch wieder herein. Bleibt noch Spielraum für einen weiteren Transfer. Klose, der 2008 auf jeden Fall ohne Ablöse nach München kommen wird, ist den Bayern bei einem angestrebten vorzeitigen Wechsel wohl 10 Millionen wert. "Wir haben selbstverständlich noch Geld", versicherte Vorstandsmitglied und "Finanzminister" Karl Hopfner mit einem Schmunzeln: "Für genau solche Situation haben wir Geld zurückgelegt." Eventuelle Verkäufe von Roy Makaay und Roque Santa Cruz könnten weitere Einnahmen bringen. "Wir haben gesagt, wir wollen die Mannschaft nach dem schwierigen abgelaufenen Jahr namhaft verstärken, dafür haben wir gewisse Regeln, die wir in den vergangenen 20 Jahren aufgestellt haben, gebrochen", sagte Hoeneß zu den Investitionen. Zugleich bat er um ein wenig Geduld für den neuen Kader: "Wir haben den Mund sehr voll genommen", räumte er ein, stellte aber auch klar: "Sicher wird es einige Zeit brauchen, bis sich die Mannschaft gefunden hat. Aber wir sind guter Dinge, dass es mit der Qualität des Kaders gelingen wird, unsere Ziele zu erreichen." Weltmeister Toni gab schon mal die Richtung vor: "In den nächsten Jahren wird hier sicher Großes passieren." | https://www.sueddeutsche.de/sport/transfers-fc-bayern-stellt-toni-und-ribery-vor-1.736063 | mlsum-de-631 |
Es gibt eine Erklärung, warum der IS jetzt gezielt in Europa zuschlägt: Seine zunehmende Schwäche in Syrien und im Irak. | Als die Männer mit den langen Bärten und den schwarzen Fahnen auf ihren Jeeps und Pick-up-Trucks am Stadtrand auftauchten, liefen die irakischen Soldaten gleich in Scharen davon: Der "Islamische Staat" (IS) nahm die nordirakische Metropole Mossul im Juni 2014 im Handumdrehen ein. Kurz darauf rief IS-Führer Abu Bakr al-Bagadi in der Moschee von der Predigerkanzel aus das "Kalifat" aus. Die syrisch-irakische Terrormiliz gründete damit ihren eigenen Gottesstaat; er reicht bis heute vom Norden des Irak bis tief in den Osten des Nachbarlandes Syrien. Die sunnitische Organisation, die selbst aus einem irakischen Al-Qaida-Ableger hervorgegangen war, unterschied sich damit fundamental von Osama bin Ladens al-Qaida als Mutter aller islamistischen Terrorgruppen. Anders als al-Qaida, die erst den Sieg im weltweiten Terrorkrieg und vor allem gegen die Herrscher der islamischen Welt erringen will, war dem IS von Anfang an die Kontrolle eines fest umrissenen Territoriums wichtig , mit einem regelrechten Staatswesen samt Justiz und Steuersystem und, wie zu Zeiten der islamischen Blüte, unter Führung eines Kalifen. Der Anspruch, die Weltgeschichte zurückzudrehen, findet sich deshalb schon im Namen: Islamischer Staat. Wegen ihrer zunehmenden militärischen Schwäche will die Terrormiliz jetzt zuschlagen 2014 schien der Siegeszug der Kalifatskrieger unaufhaltbar zu sein. Nachbarstaaten wie Jordanien, Saudi-Arabien oder Libanon sahen ihre Grenzen schon von den IS-Truppen bedroht, während die Propagandisten des Kalifen im Internet prahlten, sie würden bald Rom, die Hauptstadt der verhassten Kreuzfahrerreligion, erobern und die Christen dort erschlagen. Nichts davon ist wahr geworden. Der Widerstand der irakischen und syrischen Kurden und vor allem der koordiniert geführte Luftkrieg einer arabisch-westlichen Allianz unter US-Führung hat den Vormarsch der Radikal-Islamisten im Irak gestoppt. Auch in Syrien geraten die IS-Truppen unter Druck, der Angriff auf ihre Hauptstadt Raqqa in Syrien wird ebenso geplant wie eine Attacke auf das irakische Mossul. Trotz oder gerade wegen seiner zunehmenden militärischen Schwäche hat der IS längst eine zweite Front eröffnet: in Europa. Der Pariser Terroranschlag gegen die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo Anfang 2015, das Massaker an Restaurantbesuchern und Konzertgängern ebenfalls in der französischen Hauptstadt im November darauf und der Brüsseler Terrorangriff auf Flughafen und U-Bahn im März 2016 - stets waren die Täter mit dem IS verbunden. Einige waren nachweisbar in den syrisch-irakischen IS-Trainingslagern ausgebildet worden, hatten dort oft selbst gekämpft und liefen nach der Rückkehr nach Europa bei der Planung ihrer Attacken an der langen Leine der Kalifats-Ideologen. "Der sogenannte Islamische Staat ist in Syrien und im Irak geschwächt", hat BKA-Präsident Holger Münch jüngst analysiert. "Damit steht die Terrorgruppe unter Druck und braucht spektakuläre Aktionen, um Aufmerksamkeit zu erregen und Macht zu demonstrieren." Genau dies lässt sich am einfachsten mit Anschlägen in europäischen Staaten erreichen. Denn die IS-Bombenattentate im Irak oder in Syrien selbst sind inzwischen so alltäglich geworden, dass sie keine Schlagzeilen mehr machen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/strategie-die-zweite-front-1.3016969 | mlsum-de-632 |
Nach dem Aus gegen Wolfsburg steht der EHC München vor der Aufarbeitung einer missratenen Saison - und vor wichtigen Personalentscheidungen | Wie es Brauch ist unter Eishockeyspielern, hat Yannic Seidenberg, Nationalstürmer in Diensten des EHC München, zum Playoff-Start seinen Rasierer zur Seite gelegt, und zwar "in die hinterste Ecke". Der Plan war ja, ins Finale vorzustoßen. Acht Tage nach Beginn der Viertelfinalserien hat Seidenbergs Gesichtsbehaarung bereits respektables Volumen erreicht. Allerdings darf er seinen Bart früher als erwartet jetzt schon wieder abnehmen. Der EHC ist nach einem 0:4 in der Best-of-seven-Serie gegen Wolfsburg ausgeschieden. Eine Playoff-Bilanz. Der Coach Irgendwann am Dienstag, als Wolfsburg kurz davor war, das 4:1 zu machen, wirkte Don Jackson tiefenentspannt. Beim Gespräch mit seinem Assistenten Matt McIlvane schien dem frisch rasierten Cheftrainer - Jackson hält anscheinend nicht so viel vom Playoff-Kult - sogar ein Lächeln über das Gesicht zu huschen. Anzeichen von Resignation? Oder wollte er seinem Team, für das er sich zuvor mehrfach vehement bei den Schiedsrichtern eingesetzt hatte, Ruhe vermitteln? Jackson, fünf Mal DEL-Meister, der mit den Eisbären Berlin 14 von 15 Playoff-Serien gewann, hatte sich nach Spiel drei sogar selbst in Frage gestellt, als er rätselte, ob er es sei, der "die Jungs nervös macht". Zuvor hatte er seine Reihen wild durcheinandergewürfelt. In den Schlussphasen der letzten drei Partien versuchte er es mit seinem Lieblings-Instrument: Torhüter runter, sechster Feldspieler rauf. Das führte zweimal zu Toren, reichte in beiden Fällen aber nicht mehr zum Ausgleich. Über Wolfsburg sagte er: "Sie hatten einen guten Plan." Der Kader Die Münchner Verteidiger gingen selten so konsequent und robust zur Sache wie etwa Wolfsburgs Jeff Likens. Daryl Boyle, der in der Vorrunde mit präzisen Pässen das Münchner Aufbau- und Überzahlspiel lenkte, fiel in den Playoffs durch Körperlosigkeit und Schnelligkeitsdefizite auf. Richie Regehr, Scharfschütze von der blauen Linie, nahm dem bis dahin erstmals couragiert auftretenden EHC mit seinem völlig unnötigen Kniecheck im vierten Spiel das Momentum. Es war Regehrs größter, aber nicht sein einziger Schnitzer in der Serie. Schon nach Spiel drei hatte er von Jackson einen Rüffel für einige schlampige Scheibenverluste kassiert. Der EHC ließ das körperliche Element vermissen, anders gesagt: Nie wurden Spielertypen wie die verletzten Mads Christensen, Uli Maurer und Felix Petermann mehr vermisst. "Sie schlagen uns mit unseren eigenen Waffen", sagte Petermann vor dem vierten und letzten Spiel. Die einzigen Lichtblicke neben Daniel Sparre waren Dominik Kahun, 19, und Tim Bender, 20. Jackson hatte vor dem Playoff-Start betont, beide spielten "eine große Rolle" im Team. Auf sie kann der EHC bauen. Die Einstellung Nach der sportlichen warten auf die Spieler weitere Entscheidungen: Es geht um ihre persönliche Zukunft. Seidenberg gab zu: "Die, die da waren, inklusive mir, hätten bessere Leistungen bringen müssen." Sparre sagte, das Team könne stolz darauf sein, wie es in Spiel vier gespielt habe, fügte aber auch an: "Das kann ich nicht für die ganze Serie sagen. Wir haben von uns viel mehr erwartet." Laut Sparre wird es "ein paar Tage, für einige Jungs vielleicht sogar ein paar Wochen" dauern, das Aus zu verkraften. Florian Kettemer findet: "Wir sollten nicht zu lange dran knabbern." „Unter Schock“ | Stimmen zum Playoff-Aus des EHC München Don Jackson (Trainer): "Es ist nicht leicht, unsere Ziele zu erreichen, unsere Organisation ist jung. Aber wir werden wachsen." Florian Kettemer (Verteidiger): "Wer das Spiel gesehen hat, hat gesehen, dass wir alles in die Waagschale geworfen haben. Hat leider nicht gereicht. Wolfsburg war einfach stärker. Man muss aber auch das Positive sehen: Wir haben eine super Hauptrunde gespielt und die Champions League erreicht." Yannic Seidenberg (Stürmer): "Klar sind wir stolz auf die Vorrunde, das bringt uns aber nichts. In den Playoffs werden Titel gewonnen. Wir waren nicht gut genug." Michael Wolf (Kapitän): "Natürlich war unser erstes Ziel die Champions League, das haben wir geschafft. Als Zweiter möchte man aber das Halbfinale erreichen, das müssen wir uns vorwerfen lassen." Daniel Sparre (Stürmer): "Es ist ein fürchterliches Gefühl, jeder steht unter Schock. Die Playoffs sind eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Wir wollen München den Meistertitel bringen, das ist weiterhin unser Ziel." Die Transferpolitik In den Playoffs brauche es Spieler, die das Tor "crashen" - sagte Jon DiSalvatore. Die einschlägigen Erfahrungen, die der Stürmer in der American Hockey League gemacht hat, konnte der bald 34-Jährige freilich nicht umsetzen. "Arbeit schlägt Talent, wenn Talent nicht hart genug arbeitet", lautet der Leitspruch von Mannheims Coach Geoff Ward, der mit den Adlern 3:1 gegen Nürnberg führt. Talent hatte der EHC in dieser Saison mehr als genug im Kader, trotz vieler Verletzungen betonte Don Jackson: "Wir haben genug Spieler, um zu gewinnen." Spieler wie Wolfsburgs Stürmer Christoph Höhenleitner, der nicht zu den talentiertesten der Liga gehört, aber als Aushilfsverteidiger reüssierte, hatte er zu wenige. Typen wie Tyler Haskins, Sebastian Furchner und Matt Dzieduszycki, die konsequent vors Tor zogen. Ausnahme: Daniel Sparre. Der 30-jährige Deutschkanadier, der schwer in die Saison fand, punktete im Viertelfinale nicht nur fünfmal, sondern ging auch dahin, wo es sprichwörtlich weh tut. Welche Rolle Christian Winkler, der den sonoren Titel "Business Manager Sport" trägt, bei der Kaderzusammenstellung gespielt hat, ist im unergründlichen Red-Bull-Kosmos kaum seriös zu beurteilen. Torhüter Florian Hardy soll auf seine Empfehlung geholt worden sein - es war der mit Abstand überraschendste Transfer vor der Saison. In der französischen Nationalmannschaft gilt der 30-Jährige, der zum ersten Mal in seiner Profikarriere außerhalb der Heimat spielte, als "big game goalie", als Mann für die besonderen Aufgaben. Gegen Wolfsburg machte er zwar keine gravierenden Fehler. Anders als sein Gegenüber Felix Brückmann lieferte er dem Team aber auch keine Impulse. Nicht nur die Personalie Hardy dürfte in den nächsten Tagen diskutabel sein. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/del-bergeweise-knabberzeug-1.2398901 | mlsum-de-633 |
Mehr als 600 der Rechtsradikalen, die die Bundesrepublik Deutschland als legitimen Staat ablehnen, dürfen weiterhin Pistolen und Gewehre kaufen. Dabei wollten Behörden das eigentlich verhindern. | In Deutschland sind noch immer mehr als 600 sogenannte Reichsbürger im Besitz von waffenrechtlichen Erlaubnissen, sie dürfen also legal Pistolen und Gewehre erwerben. Dies zeigen Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR. Demnach verfügen Reichsbürger aktuell auch über Hunderte scharfer Waffen, während die Behörden dies dulden. In Chemnitz waren in der vergangenen Woche Polizeikräfte ausgerückt, weil eine ausländerfeindliche Gruppe namens "Revolution Chemnitz" geplant haben soll, sich Waffen für einen Anschlag zu beschaffen. Gleichzeitig ist Sachsen eines jener Bundesländer, in deren rechter Szene viele Schusswaffen legal kursieren, wie sich jetzt zeigt: 37 Inhaber von offiziellen Waffenerlaubnissen sind Sachsens Behörden in der Szene der Reichsbürger bekannt. Die wachsende Gewaltbereitschaft dieser Personengruppe stand erst vor Kurzem im Mittelpunkt des neuen Verfassungsschutzberichts, die Verfasser warnten eindringlich vor der rechtsradikalen Szene. Reichsbürger, zu denen der Verfassungsschutz bundesweit mehr als 18 000 Personen zählt, bestreiten die Legitimität der Bundesrepublik und ihrer Gesetze. Sie beziehen sich auf ein angeblich fortdauerndes Deutsches Reich. Allein in Bayern zählen die Behörden 4000 Personen dazu. Wie nah sie gewalttätigen Neonazis stehen, ist von Land zu Land verschieden. Charakteristisch aber ist eine hohe Affinität zu Waffen, gepaart mit der Befürchtung, dass der Staat fremden Mächten gehorche. Jüngst beschlagnahmte die Polizei in Thüringen bei einem Reichsbürger sogar eine Flakgranate. Der Plan war, die Reichsbürger zu entwaffnen Die Innenminister der Länder hatten vor knapp zwei Jahren angekündigt, alle Reichsbürger zu entwaffnen. Damals hatte ein Reichsbürger in der bayerischen Gemeinde Georgensgmünd auf Polizisten geschossen und einen Beamten getötet. Die Fortschritte aber sind offenbar gering. In den meisten Ländern ist die Entwaffnung dieser Personen, die man laut dem Vizepräsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, "vielleicht längere Zeit nur für Spinner gehalten hat", erst etwa zur Hälfte geglückt. Nach dem bundesweit geltenden Waffengesetz dürfen Verfassungsfeinde eigentlich überhaupt keine Waffen besitzen. Zuständig dafür, ihnen die Waffen zu entziehen, sind die Kommunen unter Aufsicht der Innenministerien. Bayerns Innenministerium erklärte auf Anfrage, man arbeite "mit Hochdruck daran", die fast 300 Waffenerlaubnisse bayerischen Reichsbürgern restlos zu entziehen. Zweifel daran äußerte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Offenbar würden manche Behörden noch immer die Gefährlichkeit der rechten Szene unterschätzen. Von Notz verlangte, "dass die zuständigen Behörden endlich konsequent durchgreifen, bevor wieder etwas passiert". Auch der innenpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Konstantin Kuhle, kritisierte: "Die Behörden müssen hier deutlich härter durchgreifen, als dies aufgrund der vorliegenden Zahlen den Anschein hat." | https://www.sueddeutsche.de/politik/exklusiv-hunderte-reichsbuerger-besitzen-schusswaffen-1.4163330 | mlsum-de-634 |
Dank ihres Torjägers Kwasi Wriedt und Verteidiger Lars Lukas Mai behält die U 23 des FC Bayern ihre weiße Weste in der Liga. | Gerade war Kwasi Wriedt dabei zu erklären, dass man diesmal auch ein wenig Glück gehabt habe, da ging ein Spieler der gegnerischen Mannschaft an ihm vorbei und nickte. "Jaaaaa", sagte der Vertreter des 1. FC Nürnberg II mit viel Gewissheit in der Stimme. Die Gäste hatten einmal die Latte getroffen, einmal den Innenpfosten, und der Torwart des FC Bayern München II, Christian Früchtl, hatte so viel zu tun bekommen wie in keinem der fünf Ligaspiele zuvor. Weil Wriedt aber in der 71. Minute genau richtig stand und aus drei Metern Entfernung den Ball ins Tor drückte, blieb die Bilanz der jungen Bayern in der Regionalliga-Saison makellos: Ein hart erkämpftes 1:0 in diesem Spitzenspiel, da waren sich hernach alle einig, das ist schon besonders viel wert. Für den Titelaspiranten war es der sechste Sieg im sechsten Spiel. Der Gewinner dieser Nachholpartie vom zweiten Spieltag, so viel war vorher klar, würde die Tabellenführung übernehmen. Und wie die Bayern das in dieser Saison schon oft gemacht haben, wollten sie auch diesmal den Gegner mit besonders offensiven Anfangsminuten beeindrucken und so schnell wie möglich in Führung gehen. Diesmal ging der Plan allerdings nicht auf, weil Adrian Fein nach sechs Minuten nicht gut genug zielte und Wriedt in der achten Minute am guten Nürnberger Torwart Nikola Vasilj scheiterte. "Die ersten 15 Minuten hat das ordentlich ausgeschaut", fand Bayerns Trainer Holger Seitz. Danach habe man den Gästen aber angemerkt, dass sie sich zunehmend "wohlgefühlt" hätten. Das sei sicherlich der stärkste Gegner bisher, so Seitz. Das gute Umschaltspiel der Nürnberger führte dazu, dass sich die Mannschaft mehrmals erfolgreich aus der Bayern-Belagerung herauskombinieren konnte - und sich so schnell ein direkter Weg aufs Tor eröffnete. Mit zunehmender Spieldauer schlichen sich bei den Bayern auch Fehler ein. Linksverteidiger Jonathan Meier leitete in der 26. Minute eine Nürnberger Chance ein, Erik Engelhardt versuchte, Keeper Früchtl zu umkurven, traf dann aber nur das Außennetz. Dem einen oder anderen sonst so kombinationssicheren Spieler sprang diesmal der Ball etwas weiter vom Fuß. Adrian Fein, meistens einer der Besten, haderte des Öfteren mit sich selbst, ab und zu auch mit dem Schiedsrichter. Auch Lars Lukas Mai wirkte in der Innenverteidigung nicht immer sicher - kurz: Die Bayern waren erstmals richtig gefordert. Trainer Seitz gab aber zu bedenken, dass insgesamt vier Spieler auf dem Platz standen, die noch vor kurzer Zeit mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Gerade bei Mai zeigte sich dann auch, dass eine einzige Aktion aber wieder das Selbstvertrauen zurückbringen kann. Nach dem Seitenwechsel geriet die unsortierte Abwehr mehrmals in Gefahr. Zwei Minuten vor besagtem Innenpfosten-Schuss durch Engelhardt (55.) hatte der Verteidiger seinen großen Auftritt: Nürnbergs Dominik Steczyk eilte nach einem Steilpass alleine auf Früchtl zu, doch Mai sprintete hinterher, holte den Angreifer ein und packte eine viel umjubelte Grätsche aus, mit der er den Schuss blockte. "Ich will mich gar nicht zum Matchwinner aufspielen", sagte Torschütze Wriedt, "die Grätsche von Lars war für unseren Sieg mindestens genauso wichtig. Das sind Szenen, da sind andere mit dem Kopf schon woanders", lobte er. Wenige Minuten nach der Aktion lag Mai mit einem Krampf am Boden, der 18-Jährige spielte aber durch. Diesmal habe man noch deutlicher gesehen, an welchen Schwächen man arbeiten müsse, sagte Seitz. Aber insgesamt handele es sich doch um sehr interessante Spieler in seinem Kader. Er sagte dies im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Profitrainer Niko Kovac, zusammen mit seinem Co-Trainer, Bruder Robert, auch dem zweiten Heimspiel der U23 beiwohnte. "Das ist Fakt, dass sie sich wirklich dafür interessieren", sagt Seitz. Die Spieler wüssten: Die Tür zu den Profis ist weiter offen, als sie es in den vergangenen Jahren war. Pep Guardiola und Carlo Ancelotti waren nur äußerst selten im Grünwalder Stadion zu Besuch gewesen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit, es stand noch 0:0, hatten die Fans auf der Gegengeraden ein Transparent ausgepackt, dass das Konterfei des ehemaligen Trainers Tim Walter zeigte, versehen mit dem Zusatz: "Der FC Bayern sagt: Danke Tim Walter!" Es handelte sich um einen Gruß in den hohen Norden: Dafür, dass Trainer Walter am Sonntag im DFB-Pokal an gleicher Stelle mit seinem neuen Verein Holstein Kiel 1860 München besiegt hatte. So, wie er in der vorigen Saison bereits in beiden Derbys die Löwen bezwungen hatte. Wenn es mit Bayerns zweiter Mannschaft so erfolgreich weitergeht, dann dürften aber auch die Sprechchöre und Spruchbänder für Walters Nachfolger Holger Seitz nicht mehr lange auf sich warten lassen. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-regionalliga-noch-immer-makellos-1.4100916 | mlsum-de-635 |
Deutsche Start-up-Gründer zieht es zunehmend nach New York. Die Initiative German Accelerator unterstützt sie dabei. Und viele merken: Aus der Ferne wirkt alles schillernder als es in Wirklichkeit ist. | Stephan Herrlich ist kein Typ für das Silicon Valley. Der 35-Jährige trägt glänzende Lederschuhe und Sakko mit Einstecktuch - keine Turnschuhe und Kapuzenpullis, die Uniform der Start-up-Gründer aus Kalifornien. Von endlosen Networking-Treffen mit anderen Gründern hält er nicht viel. Durch sein neues Büro fährt niemand Skateboard, es gibt keinen Kickertisch. Seine Mitarbeiterin und er sitzen still an dunklen Schreibtischen. Draußen brummt der Verkehr von Manhattans Third Avenue, drinnen wird gearbeitet. Als Herrlich entschieden hat, dass seine Münchner Software-Firma Intraworlds nun reif für die Expansion nach Amerika ist, stand für ihn sofort fest: New York muss es werden, nicht das Silicon Valley. "Wir gehen dorthin, wo der Markt ist", sagt der Jungunternehmer. "Hier können wir mit der U-Bahn zu 100 möglichen Kunden fahren. Keine Stadt der Welt bietet mehr Zugang zu potenziellen Kunden." Intraworlds hat eine Software entwickelt, die Unternehmen hilft, eine "Talent-Community" aufzubauen. Es geht darum, geeignete Mitarbeiter aufzuspüren, anzusprechen und an das Unternehmen zu binden, zum Beispiel ehemalige Praktikanten. Herrlichs Zielgruppe sind Kanzleien, Unternehmensberatungen, Banken und große Konzerne - und die sitzen oft in New York. Vom Bundeswirtschaftsministerium kommen zwei Millionen Euro Seit Anfang des Jahres ist Herrlich hier, zuerst immer nur ein paar Tage am Stück, inzwischen lebt er hier. Seine Frau kommt im Januar nach. Bei dem großen Schritt hat ihm der German Accelerator geholfen, eine Initiative, die deutsche Start-ups auf dem Weg nach Amerika unterstützt. Sie bekommen einen Schreibtisch in einem Gemeinschaftsbüro und Berater zur Seite gestellt, die Tipps über den US-Markt geben und helfen, Kontakte zu knüpfen. Deutsche Unternehmen wie die Telekom und VW sponsern das Programm. Auch das Bundeswirtschaftsministerium schießt zu, von nächstem Jahr an werden es zwei Millionen Euro sein. Der Standort in New York ist neu. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist kürzlich in die Stadt gekommen, um ihn zu eröffnen. "Für die meisten Start-ups ist eine frühe Internationalisierung insbesondere in Richtung des amerikanischen Marktes eine Überlebensfrage", sagt er. Das gilt schon allein, weil der amerikanische Absatzmarkt so viel größer ist als der deutsche. Zwölf Start-ups pro Jahr holt der Accelerator nach New York, 24 ins Silicon Valley. Wer nach New York kommt, sucht etwas anderes als im Silicon Valley. Gründer wie Herrlich von Intraworlds haben die technischen Fragen für ihre Unternehmensidee meist schon gelöst. Sie kommen nach Amerika, um ihr fertiges Produkt zu verkaufen und um Geld bei amerikanischen Investoren einzusammeln. Denn Kapital für Gründer ist noch immer ein Problem in Deutschland - trotz der wachsenden Start-up-Szene vor allem in Berlin. Es fehle nicht an Ideen im Land, sagt Gabriel, und wer eine gute Idee hat, finde meist auch einen Wagniskapitalgeber für die ersten kleineren Summen. "Das Problem ist die Wachstumsphase, da fehlt jungen Unternehmen oft das Geld. Es ist sehr schwer, zehn oder 20 Millionen Euro für die Internationalisierung zu bekommen", so der Minister. "Die Wagniskapital-Kultur ist bei uns längst nicht so ausgeprägt wie in Amerika. Viel weniger Großkonzerne sind bereit, Venture-Capital-Töchter zu gründen." | https://www.sueddeutsche.de/digital/deutsche-gruender-in-new-york-der-grosse-schritt-zum-geld-1.2202450 | mlsum-de-636 |
Allmählich begreift die deutsche Industrie, dass sie die Angreifer aus Kalifornien nicht fürchten, sondern mit deren eigenen Waffen schlagen muss. | Als Justus Haucap vorige Woche im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München zu erklären versuchte, warum das Silicon Valley so erfolgreich ist, da sprach der Ökonom von der Uni Düsseldorf immer wieder von der "Plattform". Facebook, Airbnb, Uber oder Apple: Sie alle hätten es geschafft, schnell sehr viele Kunden auf ihre Plattformen zu ziehen und nicht wieder loszulassen. Sie alle sammelten deren Daten, und je mehr sie davon hätten, umso besser ließe sich daraus ein Geschäft machen. Dieser Plattform-Kapitalismus - oder soll man sagen: Imperialismus? - ist eine zweischneidige Sache: Die Kunden haben (auf die kurze Sicht) viele Vorteile, wenn sich viele Gleichgesinnte auf Facebook, Instagram oder Linkedin tummeln oder wenn möglichst viele Menschen ihre Autos oder Wohnungen über eine Plattform teilen. Und die Dienste zudem sehr billig sind. Auf längere Sicht könnte der Plattform-Kapitalismus made in USA allerdings dazu führen, dass die Quasi-Monopolisten ihre Marktmacht ausnutzen und die Preise kräftig erhöhen. Erste Ansätze dazu sieht man bei Amazon: Der Konzern hat die Jahresgebühr für seinen Service Amazon Prime, der anfangs die schnelle Paketlieferung und nun auch Streamingdienste für Musik und Filme beinhaltet, innerhalb von nur drei Jahren von 29 auf 69 Euro erhöht - um stolze 138 Prozent. Verstärkt wird diese Gefahr dadurch, dass mögliche Konkurrenten sich abgeschreckt fühlen, weil die Plattformen schon so mächtig sind. Und richtig bedrohlich wird es, zumal aus deutscher Sicht, wenn die Plattform-Firmen aus den USA versuchen, ihre Datenmacht in die klassische Industrie auszudehnen, gar in die Autoindustrie. Was ist, wenn Google oder Apple mit ihren Diensten in alle BMWs oder VWs eindringen: ins Navi, ins Interface zum Netz? Oder wenn sie gar selber ein Auto bauen - und dazu die Daten nutzen, die sie in den Fahrzeugen der klassischen Hersteller einsammeln? Den deutschen Automanagern hat diese Vorstellung anfangs einen Schrecken eingejagt, doch allmählich scheinen sie zu begreifen, dass sie die Angreifer aus den USA mit ihren eigenen Waffen schlagen müssen - und selber Plattformen schaffen müssen. Möglichst groß, mit möglichst vielen Nutzern, die viele Daten liefern - die Währung des 21. Jahrhunderts. Und so erlebt man plötzlich Auftritte wie jenen von Elmar Frickenstein, der bei BMW den Bereich für das autonome Fahren leitet. Beim Web Summit in Lissabon erklärte er im November vor 15 000 Menschen, wie BMW bis 2021 das selbstfahrende Auto auf die Straße bringen will: nicht allein, sondern im Team. "Wir brauchen Ihre Expertise", rief er den Gründern auf Europas größter Start-up-Konferenz entgegen. So wie Apple Hunderttausende von App-Entwicklern in aller Welt dazu gebracht hat, mit ihren Anwendungen jenes Ökosystem zu schaffen, von dem niemand mehr profitiert als Apple, so will BMW eine "offene Industrie-Plattform schaffen, auf der jeder entwickeln kann". BMW will also nicht bloß verhindern, dass Apple und Google nach und nach in die autonomen Autos eindringen, sondern dazu auch die Plattform-Idee von Apples App-Store kopieren. Für einen 100 Jahre alten Konzern wie BMW ist es natürlich ein gewaltiger Schritt, wenn er sich plötzlich öffnen soll - wenn also aus den Bayerischen Motoren-Werken in gewisser Hinsicht die Bayerischen Plattform-Werke werden sollen. Bei BMW haben, ähnlich wie in anderen deutschen Industriekonzernen, bisher vor allem die eigenen Ingenieure die Richtung bestimmt. Doch anders wird es nicht gehen - wenn die deutsche Industrie das datenbasierte Geschäft der Zukunft nicht an die digitalen Herausforderer verlieren will. Das gilt für die Autoindustrie ebenso wie für den Maschinenbau, die Medizintechnik, die Robotik oder den 3-D-Druck. Ein Netz aus Ladestationen oder aus selbstfahrenden Autos - es geht darum, viele Daten zu haben Von daher ist es konsequent, wenn BMW, Daimler und Audi für gut 2,5 Milliarden Euro von Nokia den digitalen Kartendienst Here mit Sitz in Berlin erwerben - sie sind nun nicht mehr auf Google angewiesen, sondern können selbst Daten sammeln. Oder wenn sich BMW, Daimler, Ford und VW zusammenschließen, um ein europaweites Netz aus Tausenden von Ladestationen zu schaffen, an denen E-Autos blitzschnell aufgeladen werden können - sie schlagen damit dem Konkurrenten Tesla ein Schnippchen. Oder wenn sich, wie am Freitag vermeldet, nun auch VW an jenem Unternehmen beteiligt, dass das Zahlen an E-Tankstellen vereinheitlichen soll: an Hubject. Der weltweit führende Anbieter in diesem Bereich verbindet mittlerweile über 40 000 Ladepunkte. Gegründet wurde er vor vier Jahren - nein, nicht im Silicon Valley, sondern in Berlin; von deutschen Industriekonzernen. Genauso konsequent wäre es, wenn BMW und Daimler tatsächlich ihre Carsharing-Dienste Drive Now und Car 2 Go zusammenlegen, am besten samt der Taxi-App Mytaxi. Auch auf diese Weise ließe sich ein umfassender Anbieter für das autonome Fahren aufbauen - ähnlich wie dies, von der anderen Seite des Marktes kommend, Uber anstrebt. Der Vorteil der Deutschen: Sie wissen, wie man Autos baut. Sage also einer: Plattformen können sie nur im Silicon Valley bauen! Nein. Wenn die deutschen Konzerne und Mittelständler es richtig machen und nicht zu lange dabei zögern, gemeinsam solche Plattformen made in Germany zu schaffen, dann haben sie gute Chancen, ihre führende Position in der Welt auch künftig zu halten. Aber entstehen so nicht auch Monopole, nur diesseits des Atlantiks? Nein, glaubt Justus Haucap, einst Chef der Monopolkommission, und verweist auf das Beispiel der Autoindustrie. Je mehr Autofirmen um das (selbstfahrende) E-Auto der Zukunft buhlen und damit in Konkurrenz zu Tesla treten, umso besser sei das doch. An dieser Stelle schreiben am Mittwoch im Wechsel Alina Fichter und Ulrich Schäfer. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/das-deutsche-valley-bayerische-plattform-werke-1.3302868 | mlsum-de-637 |
Die sensationelle Zweitrunden-Niederlage von Titelverteidiger Novak Djokovic gegen den Usbeken Denis Istomin verspricht nicht bloß diese Australian Open zu ändern - sondern womöglich das ganze Tennis. | "Bitte setzen Sie sich, so schnell es geht", sagte die Dame von der Turnierorganisation, einmal, zweimal. Schon beim Betreten des Pressekonferenzraumes namens "Theatrette" war somit klar: Da will einer rasch wieder weg, obwohl gerade erst gekommen. 15 Minuten nur war es her, dass sich "die größte Niederlage in diesem Jahrzehnt" ereignet hatte, wie der frühere Weltranglisten-Erste und jetzige TV-Kommentator John McEnroe in einer ersten Einordnung in Melbourne gar meinte, da saß Novak Djokovic dort unten und blickte fahl ins Halbrund hoch, in dem sich die Reporter drängten. 6:7 (8), 7:5, 6:2, 6:7 (5), 4:6, Spielzeit 4:48 Stunden, das Arbeitsprotokoll gab wieder, wie intensiv er sich gewehrt hatte. Und auch, dass er seine Chancen hatte. "An jedem bestimmten Tag kannst du eben verlieren", führte der Verlierer aus. Und doch war es natürlich komplizierter, alle Zahlen, Fakten, Annahmen hatten doch für ihn gesprochen. "Klar war er der Außenseiter", gab Djokovic zu. Sein Bezwinger hatte nicht sechsmal die Australian Open gewonnen wie Djokovic, der sich melancholisch erinnerte: "Dieser Platz war immer so nett zu mir." Nur diesmal nicht. Der Außenseiter siegte. Denis Istomin, 30, Usbeke, in Moskau wohnhaft, derzeit 117. der Weltrangliste, reihte sich ein in die Liste derer, denen die Tennis-Sensationen gelungen sind. 2013 zum Beispiel besiegte in Wimbledon ein gewisser Steve Darcis aus Belgien den Spanier Rafael Nadal in der ersten Runde. Beim selben Turnier warf der Ukrainer Sergej Stachowski am Tag danach Roger Federer raus. 2002 unterlag Pete Sampras dem Schweizer George Bastl in Wimbledon - ähnlich wie Boris Becker 1987: Der Deutsche scheiterte spektakulär als Titelverteidiger in Runde zwei am damals nahezu unbekannten Australier Peter Doohan. Später, als alles vorbei, als die Liste der Sensationen verlängert war, fand Djokovic doch noch zu einer Erklärung: nämlich der, dass Tennis eben so sein könne wie an diesem Donnerstag in Melbourne. Die Qualität in diesem Sport steige von Jahr zu Jahr, alle Profis würden immer professioneller. Er mochte Recht haben, nur sticht der Serbe eben aus dem Feld heraus, ist er bekannt als jener Ausnahme-Akteur, der im Juni 2016 nach seinem Triumph bei den French Open alle vier Grand-Slam-Titel (Paris, Wimbledon, New York, Melbourne) zeitgleich in Besitz hatte. Der zudem in der Weltrangliste kilometerweit vor dem Schotten Andy Murray lag und so bald nicht einzuholen zu sein schien. Djokovic war zwar Vorjahressieger, der Titelverteidiger, aber die Niederlage hatte sich durch den Saisonverlauf zumindest angedeutet. Seine zweieinhalbjährige Dominanz war ja schon gebrochen, als er im Juli 2016 in Wimbledon gegen einen gewissen Sam Querrey aus den USA verlor. Im Herbst dann, als er ein Erstrunden-Aus bei Olympia gegen den Argentinier Juan Martín Del Potro und die Finalniederlage bei den US Open gegen den Schweizer Stan Wawrinka zu verarbeiten hatte, gestand er, dass ihn die Jagd nach dem Grand-Slam-Titel von Paris - dem letzten, der ihm so lange gefehlt hatte - ausgelaugt habe. Dass er sich neu definieren, einen neuen Sinn seines Sportlerschaffens suchen müsse. Die Öffentlichkeit registrierte immer mehr Geschichten jenseits des Centre Courts: Gerüchte über Eheprobleme wurden laut, zudem die Probleme in seinem Trainerstab diskutiert. Verstärkt suchte er Zuspruch bei einem weiteren, einem dritten Trainer. Marian Vajda und Boris Becker hatten zu akzeptieren, dass der Spanier Pepe Imaz an Einfluss gewann mit von Spiritualität durchsetzten Lehren. Dem Vernehmen nach löste Becker auch wegen dieser Konstellation das Bündnis auf, das lange sehr erfolgreich wa r. An sechs der zwölf Major-Titel von Djokovic hatte Becker mitgewirkt. Im Dezember ging er, mit dezenter Kritik: Djokovic habe in der zweiten Jahreshälfte 2016 zu wenig trainiert. Umso delikater war jetzt die Situation in Melbourne, denn Becker begleitete das Djokovic-Aus in seinem neuen Job als TV-Kommentator für Eurosport. Er sei dem Serben noch verbunden, gab Becker zu verstehen - dabei klang er jedoch mehr nach unabhängigem Kritiker, der er nun ist, als nach einem in Erinnerungen schwelgenden Mitarbeiter von einst. "Das ist etwas ganz Neues für Djokovic, das hatte er lange nicht", sagte Becker und ergänzte bedeutungsschwer: "Das wird jetzt eine neue Weichenstellung für ihn. Das Turnier hat sich mit dem Djokovic-Aus komplett verändert. Das ist ein Erdrutsch." Der trotz allem nicht zu erwarten war. Anfang Januar hatte der 29-Jährige wie zum Beweis dafür, dass er zurück ist, in Doha gewonnen, im Finale beherrschte er Andy Murray, den neuen Besten der Branche. "Ich habe eine neue Saison begonnen", sagte er dort zu den Turbulenzen zuvor, "ich habe das alles vergessen, irgendwie." Verändert hat er sich dennoch, auch äußerlich: Weil er so dünn ist, hat sich jüngst sogar Martina Navratilova, Tennis-Größe von einst, besorgt dazu geäußert. Spielerisch gab es gegen Denis Istomin nur eine Phase, in der Djokovic überlegen zu sein schien. Beim Stand von 4:5, 15:40 aus Sicht des Favoriten war Istomin nur einen Punkt von einer 2:0-Satzführung entfernt - da schlug Djokovic wie zu besten Zeiten einen Aufschlagwinner sowie ein Ass und kontrollierte das Match bis zum Anfang des vierten Satzes. Dann der Wendepunkt. "Ich fühlte, dass das Match drehte", gab Djokovic zu. Fortan lief er hinterher, auch im Tie-Break, in dem Istomin auf 5:1 davonzog. Das entscheidende Break im fünften Satz gelang Istomin zum 3:2 - mit einer Rückhand bretthart die Linie entlang. "Novak hat viel zu defensiv, zu passiv gespielt", monierte Becker, "Istomin war in den Ballwechseln meist der Erste, der Druck gemacht und daher verdient gewonnen hat." Der Sieger dagegen äußerte auch Empathie. "Mir tut Novak leid", sagte Istomin, "ich habe heute so gut gespielt." Dabei hatte er sich erst über einen Umweg für die Australian Open qualifiziert. Istomin, der 2001 einen derart schlimmen Autounfall hatte, dass er zwei Jahre nicht Tennis spielen konnte, sicherte sich bei einem Qualifikationsturnier in China eine Wildcard des Verbandes Asia-Pacific. Mutter Klaudiya, die ihn coacht, sagte nach dem Sieg zu ihm: "Good job." Die Istomins haben einen trockenen Humor. Djokovic gefiel damit indes auch. Als er gefragt wurde, was er als Erkenntnis mitnehme, lächelte er und sprach: "Dass ich die Koffer packe und nach Hause gehe." | https://www.sueddeutsche.de/sport/australian-open-die-groesste-niederlage-in-diesem-jahrzehnt-1.3341095 | mlsum-de-638 |
Das Verfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden: Abgeordnete der rechtsextremen NPD dürfen die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge besichtigen - unter Auflagen. | Gericht sah durch Verbot Rechte der Abgeordneten verletzt Das Schweriner Innenministerium muss NPD-Landtagsabgeordneten den Besuch in der vom Land betriebenen Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge ermöglichen. Das Landesverfassungsgericht hob nach eigenen Angaben ein Besuchsverbot auf, das Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den NPD-Politikern im August auferlegt hatte. Caffier habe damit die Selbstinformations- und Kontrollrechte der Abgeordneten verletzt, die in der Landesverfassung verankert sind. Caffier hatte sein Verbot mit den politischen Ansichten der NPD zur Asylpolitik begründet. Dies sei jedoch nicht mit dem Status eines gewählten Abgeordneten vereinbar, so das Gericht. Allerdings muss laut der Entscheidung jeder Abgeordnete für sich den Besuch in der Flüchtlingsunterkunft beim Innenminister beantragen. Die NPD-Fraktion sei dafür nicht zuständig. Zudem darf Caffier bestimmen, wann die Besuche stattfinden, und gewisse Auflagen erteilen. Caffier sieht sich durch Entscheidung bestärkt Im August hatte der Innenminister den Besuch abgelehnt, weil dadurch das friedliche Zusammenleben der Flüchtlinge beeinträchtigt werden könnte, da die NPD durch ausländerfeindliche Äußerungen die politische Debatte anheize. Die Situation in der ausgelasteten Unterkunft mit 650 Plätzen sei ohnehin angespannt. Der NPD unterstellte er, mit politischen Provokationen auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik machen zu wollen. Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts sah sich Caffier "bestärkt", da er einen Besuch der kompletten Fraktion abgelehnt hatte. Bei der Genehmigung der Besuche einzelner Abgeordneten würden nun die Sicherheit und die Persönlichkeitsrechte der Flüchtlinge mit oberster Priorität berücksichtigt, kündigte der Minister in einer Erklärung an. | https://www.sueddeutsche.de/politik/mecklenburg-vorpommern-npd-abgeordnete-duerfen-fluechtlingsheim-besuchen-1.2630904 | mlsum-de-639 |
CSU-Chef Horst Seehofer beklagt schwere Fehler der Kanzlerin in der Euro-Krise und pocht auf eine Transaktionssteuer. | Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wirft Kanzlerin Angela Merkel Fehler in der Euro-Krise vor und fordert von Finanzminister Wolfgang Schäuble, sich an die Beschlüsse des Koalitionsausschusses zu halten und alles zu tun, um die Transaktionssteuer einzuführen. Seehofer sieht das bürgerliche Lager andernfalls weiter im Abwind. Detailansicht öffnen Muss sich manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus der Haut zu fahren: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. (Foto: Foto: ddp) "Ich muss mich schon manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus der Haut zu fahren", sagte Seehofer im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. So habe ihn vor allem irritiert, dass Finanzminister Schäuble (CDU) den Sinn einer Transaktionssteuer in Frage stelle, obwohl sich CDU, CSU und FDP im Koalitionsausschuss darauf geeinigt hatten, sie einzuführen. Schäuble hatte erklärt, diese Steuer werde nicht kommen, weil sie von anderen Ländern abgelehnt werde. "Am Dienstag ist das im Koalitionsausschuss entschieden worden. Das kann hinterher keiner in Frage stellen, auch der Finanzminister nicht", sagte Seehofer. "Jetzt muss daran gearbeitet werden, dass die Steuer kommt." Wenn der Koalitionsausschuss sage, die Steuer komme, und der Finanzminister gleichzeitig sage, sie kommt nicht, "da fühlt sich doch die Bevölkerung verhöhnt." Seehofer mahnte die Kanzlerin, sie solle nun endlich die Lehren aus der Wahlschlappe von Nordrhein-Westfalen ziehen. Das bürgerliche Lager habe nur noch 40 Prozent, das linke Lager aber 50 Prozent. Die Konsequenzen aus der Niederlage müssten nun in konkrete Politik umgesetzt werden. Die ist für Seehofer vor allem mit der Einführung einer Transaktionssteuer für Wertpapiergeschäfte verbunden. Die Bundesregierung habe zu lange der Entwicklung zugesehen. Zudem stellt er Bedingungen, damit Bayern sich am Freitag im Bundesrat nicht gegen das milliardenschwere Hilfspaket für notleidende Euroländer stellt. So soll der Haushaltsausschuss des Bundestags bei jeder Kreditvergabe an die Schuldnerländer zustimmen müssen. Außerdem müsse der Euro-Stabilitätspakt neu belebt und verschärft werden. Länder, die die Schuldengrenze verletzten, müssten automatisch ihr Stimmrecht verlieren und keine Strukturhilfen mehr bekommen. "Man hat mir in Berlin über viele Wochen immer wieder den Vorwurf gemacht, wenn es den Störenfried in München nicht gäbe, könnten wir wunderbar regieren", sagte Seehofer mit Blick auf die Kanzlerin. Deshalb habe er sich vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen zurückgehalten. Die Zurückhaltung habe aber nicht zur Verbesserung der Situation geführt. Deswegen sei nun wieder mit ihm zu rechnen. Mit mulmigem Gefühl Seehofer ist mit seiner Kritik nicht alleine. Obwohl sich am Donnerstag in der Unionsfraktion für die Abstimmung im Bundestag eine breite Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm abzeichnete, gehen viele, auch die Unterstützer, mit einem mulmigen Gefühl in die nächsten Wochen. Viele berichteten in dieser Woche, dass sie in den Wahlkreisen auf Bedenken und Verunsicherung stoßen würden. Das sei den immer schneller aufeinanderfolgenden Krisenereignissen, aber auch dem zum Teil verunsichernden Krisenmanagement der Regierung geschuldet, hieß es bei vielen Parlamentariern. Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion stimmten am Donnerstag sieben Unionsabgeordnete mit nein, zwei enthielten sich. Damit muss die schwarz-gelbe Koalition für den Freitag nicht mehr um die eigene Mehrheit fürchten, da es zuletzt auch aus der FDP-Fraktion hieß, die meisten Kritiker seien eingefangen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/regierung-in-der-krise-seehofer-wirft-merkel-fuehrungsschwaeche-vor-1.946806 | mlsum-de-640 |
Am Donnerstag trieben sie auf dem führerlosen Frachter "Ezadeen" auf Italiens Küste zu, heute haben die 360 Flüchtlinge das Schiff verlassen. Aus ihren Berichten geht hervor: Die Schlepper könnten unter ihnen sein. | Tausende Euro für Überfahrt Dass sich Schleuser von Flüchtlingen für die gefährlichen Passagen über das Meer gut bezahlen lassen, ist bekannt. Wie viel die Flüchtlinge an Bord des führungslosen Frachters Ezadeen nach eigenen Aussagen an die Menschenschmuggler zahlten, haben die italienischen Behörden nun mitgeteilt: 4000 bis 8000 Dollar (3320 bis 6640 Euro). Demnach waren die aus Syrien stammenden Flüchtlinge über den Libanon per Flugzeug in die Türkei gereist, wo sie an Bord der Ezadeen gingen. "Ezadeen" trieb führerlos in der Adria Die italienischen Behörden hatten die manövrierunfähige Ezadeen am Donnerstagabend 150 Kilometer vor der kalabrischen Küste entdeckt. Sechs Vertreter der Küstenwache wurden am Freitag von einem Marine-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt und übernahmen das Kommando an Bord. Am Freitagabend traf das 73 Meter lange Schiff, das eigentlich für Viehtransporte vorgesehen ist, in der süditalienischen Stadt Corigliano ein. Auf dem Schiff befanden sich 360 Flüchtlinge, die am Samstag an Land gingen. Unter ihnen waren laut Nachrichtenagentur Ansa auch viele Kinder und schwangere Frauen. Sie konnten am Morgen den fast 50 Jahre alten Frachter verlassen und wurden medizinisch betreut und in Aufnahmelager gebracht. Schlepper verlassen Schiffe Ihre Schleuser hatten die Flüchtlinge auf der Ezadeen ohne Treibstoff ihrem Schicksal überlassen. Laut Aussage der Geretteten hatten die Besatzungsmitglieder stets das Gesicht verhüllt, bevor sie die Brücke verließen und das Schiff führungslos vor Italien im Meer treiben ließen. Demnach ist es möglich, dass sich die Schleuser unerkannt unter die Flüchtlinge mischten, um mit ihnen schließlich das Schiff zu verlassen. Es war der zweite derartige Vorfall innerhalb weniger Tage, erst am Mittwoch hatte die Küstenwache fast 800 Migranten auf dem führungslosen Frachter Blue Sky M gerettet, der im Autopilot auf die felsige Küste Italiens zusteuerte. Neue Diskussionen um Schlepper-Methoden Die Vorfälle haben heftige Diskussionen über diese neue Methode der Menschenschmuggler-Banden entfacht. Diese Taktiken erforderten auch neue Antworten, sagten am Samstag die Chefs der Deutschen Polizeigewerkschaft und der Bundespolizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt und Ernst Walter. Das jetzige Verfahren sei "völlig verfehlt". Auch Grünen-Chefin Simone Peter forderte die EU angesichts der Tragödien auf, "ihre grausame Abschottungspolitik" zu beenden. Schon am Freitag hatte die EU-Grenzschutzagentur Frontex die "Geisterschiffe" mit ungewohnt harschen Worten kritisiert. Die Methoden der Schmuggler zeigen "einen neuen Grad der Grausamkeit", hieß es. Seit September sei ein Trend zum Einsatz von Frachtschiffen zu beobachten, um "die Zahl der Flüchtlinge auf den Booten zu erhöhen", sagte Carlotta Sami, die Sprecherin der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR für Südeuropa, der Zeitung "La Repubblica". | https://www.sueddeutsche.de/panorama/ezadeen-fluechtlinge-zahlten-bis-zu-8000-dollar-fuer-ueberfahrt-1.2290408 | mlsum-de-641 |
Der BVB will gegen Leverkusen zeigen, wie gut er die Stärke des FC Bayern schon zu kopieren weiß. Denn: In zwei Wochen kommt es zum großen Duell. | Dass am Samstag im 480 Kilometer fernen München das Oktoberfest begonnen hat, interessiert die Fußballer von Borussia Dortmund schon deshalb nicht, weil ihnen ihr Trainer und Ernährungsberater Thomas Tuchel Schmankerl wie Hendl, Ochsenfetzensemmel und vergorenen Getreidesud aus Literkrügen gar nicht erlaubt. Die Wiesn ist in den Dortmunder Köpfen noch nicht gegenwärtig. Obwohl: vielleicht doch ein ganz kleines bisschen. Denn in zwei Wochen, wenn die Wiesn zu Ende geht, an jenem Sonntag, dem 4. Oktober, da gastieren die Borussen bei den Bayern. Bis dorthin müssen sie beweisen, dass dieses Duell eines Spitzenspiels dann auch wirklich würdig ist. Die zwei Wochen mit fünf Pflichtspielen, die den Weg gen München gewissermaßen markieren, beginnen für die Dortmunder an diesem Sonntag mit einer Heimpartie gegen Bayer Leverkusen. Das ist gewissermaßen die Vorprobe. Dortmund, mit zehn Pflichtspielsiegen in Serie in die Saison gestartet, hat unter dem neuen Trainer Tuchel bisher alles gewonnen: fünf Europapokal- und vier Bundesligaspiele sowie eine Pokalpartie. Mit 15 Treffern in vier Bundesliga-Spielen ist der BVB das gegenwärtige Nonplusultra in der Liga, und man darf gespannt sein, wie diese Mannschaft sich kurzfristig entwickelt: zunächst gegen Leverkusen - und dann in zwei Wochen beim FC Bayern. Sie vergleichen sich mit dem FC Bayern Die Heimpartie gegen Leverkusen hat einen sentimentalen Beiklang für die Schwarz-Gelben aus Westfalen, weil das erste Spiel der vergangenen Spielzeit den Anfang vom Ende der Ära des Trainers Jürgen Klopp in Dortmund markierte. 9,6 Sekunden war das Spiel damals alt, als Leverkusens Karim Bellarabi die 1:0-Führung für Bayer erzielte. Von diesem Schock, wenn man so will, erholte sich der BVB erst in der Rückrunde, aber Klopp erholte sich nie so richtig und kündigte frühzeitig seinen Abschied an. Sein Nachfolger heißt Tuchel und ist bislang so erfolgreich, wie ein neuer Trainer es nur sein kann. Nun also kommt wieder Leverkusen, und die Dortmunder wollen die Schwächen aus dem Vorjahr endgültig vergessen. Sie wähnen sich nach ihrem Last-Minute-2:1 gegen die Russen aus Krasnodar am Donnerstagabend in der Europa League schon auf bestem Wege, die Münchner Mentalität zu kopieren. Denn das vermeintlich glückliche Triumphieren mit späten Siegtoren nach durchwachsenen Auftritten sei bekanntlich, so sagt der Abwehrmann Mats Hummels, eine Bayern-Stärke: "Sie wissen bis zum Ende, dass sie immer noch gewinnen können." So weit hat ihr Selbstvertrauen die Dortmunder in der noch jungen Saison bereits getragen. Sie vergleichen sich mit dem FC Bayern. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bvb-in-der-bundesliga-14-tage-pruefung-1.2653438 | mlsum-de-642 |
Der FC Augsburg beendet beim AZ Alkmaar seine sieglose Zeit. Nach zuletzt durchwachsenen Auftritten erlöst Mittelfeldmann Piotr Trochowski seine Mannschaft per Freistoß. | "Irgendwer", hatte Markus Weinzierl noch am Wochenende gesagt, "irgendwer muss einfach mal so ein Ding rein machen." So ein Ding, so eine Torchance eben, egal wie klar oder schwierig sie sein mag. Der Trainer des FC Augsburg und seine Fußballprofis sind es müde, ständig über Niederlagen und vergebene Chancen sprechen zu müssen. Dergestalt mäßig war die Chancenverwertung der Augsburger zuletzt, dass der Bundesligafünfte der vergangenen Saison sich am Sonntagabend schließlich plötzlich auf dem allerletzten Tabellenplatz wiederfand. "Mit dem Selbstbewusstsein ist es gerade nicht so weit her", gestand zuletzt Daniel Baier. Das Auswärtserlebnis am Donnerstagabend aber dürfte die Köpfe wieder etwas heben bei den Schwaben: Durch einen Freistoßtreffer von Piotr Trochowski gewann der FC Augsburg am dritten Spieltag der Europa League beim AZ Alkmaar mit 1:0 (1:0). Es war der erste Augsburger Sieg überhaupt auf internationaler Bühne, die ersten drei Punkte - und zusätzlich die Gewissheit, das Fußballspielen nicht komplett verlernt zu haben. Detailansicht öffnen Ein Mann, ein Fuß, ein Ball - und gleich ein Tor: Seinen Freistoß zum 1:0 in Alkmaar schlenzte Piotr Trochowski genau in den linken oberen Winkel. (Foto: Imago) FCA-Trainer Markus Weinzierl schickte gegen den niederländischen Tabellenzehnten von Beginn an eine sehr offensiv ausgerichtete Elf auf den Platz. Schon gegen Darmstadt hatten Trochowski, Ja-Cheol Koo und Raul Bobadilla nach ihren Einwechslungen das Augsburger Spiel verbessert, diesmal sollte das Trio von der ersten Minute weg dafür sorgen, dass das Spiel der Schwaben mehr Gefahr verströmt als zuletzt. Bobadilla hatte zwar in den Tagen zuvor über muskuläre Probleme geklagt, doch die schienen rechtzeitig zum Anpfiff vergessen zu sein. Der im Sommer verpflichteten Trochowski, der nach einer Verletzung kurz vor Saisonbeginn lange Ausgefallen war, bekam damit seinen ersten Startelfeinsatz. Und der 31-jährige ehemalige Nationalspieler zeigte, warum er für den FCA nicht nur als passgenauer Antreiber im Mittelfeld wertvoll sein kann: Waren die Standards der Augsburger bislang eher langweilige Veranstaltungen bis hin zu dem Risiko, dem Gegner einen Konter zu eröffnen, musste Alkmaar nun aufpassen, wenn der FCA einen Freistoß bekam. Die nächsten Aufgaben des FCA So. 25.10. (15.30 Uhr): Dortmund - FCA BL Mi. 28.10. (19 Uhr): SC Freiburg - FCA PO Sa. 31.10. (15.30 Uhr): FCA - Mainz 05 BL Do. 5.11. (21.05 Uhr): FCA - AZ Alkmaar EL So. 8.11. (17.30 Uhr): FCA - W. Bremen BL Sa. 21.11. (15.30 Uhr): Stuttgart - FCA BL Do. 26.11. (19 Uhr): FCA - Athletic Bilbao EL So. 29.11. (17.30 Uhr): FCA - Wolfsburg BL Sa. 5.12. (15.30 Uhr): 1. FC Köln - FCA BL Do. 10.12. (21.05 Uhr): P. Belgrad - FCA EL So. 12.12. (15.30 Uhr): FCA - Schalke 04 BL Sa. 19.12. (15.30 Uhr): Hamburg - FCA BL BL: Bundesliga; PO: DFB-Pokal; EL: Europa League Nicht nur mit seiner Parade in der Nachspielzeit sicherte Torhüter Marwin Hitz den Erfolg des FCA Bevor Trochowski allerdings seine Stärke am ruhenden Ball ausspielen konnte, musste Torhüter Marwin Hitz für seine Vorderleute mehrmals in letzter Not retten: Schon in der neunten Minute kam Alkmaars Dabney dos Santos Souza aus 16 Metern völlig frei aus zentraler Position zum Schuss - doch Hitz konnte den Ball mit einer tollen Parade per Fuß abwehren. Immer häufiger spielten die Niederländer sich die motivierten, oft aber nervös auftretenden Augsburger vor das Tor von Hitz. Der war in der ersten Spielhälfte gut beschäftigt, aber auch ebenso aufmerksam. Und er blieb ruhig, obwohl ihn die Nachlässigkeiten der Kollegen innerlich zur Weißglut gebracht haben dürften. Bislang hieß es beim FC Augsburg ja, die Mannschaft tue sich schwer mit Gegnern, die eher aufs Kontern als aufs Mitspielen setzen. Nach dem Abend in Alkmaar weiß man: Auch ein offensiv mitspielender Gegner stellt die Schwaben derzeit vor Probleme, allerdings weiß der FCA ihnen jetzt besser zu begegnen. Innenverteidiger Ragnar Klavan, der vor dem Wechsel zum FCA für Alkmaar auflief und dort auch Meister wurde, unterliefen zunächst jedoch ungewohnte Fehler, die zum Glück ungestraft blieben: Erst brachte Hendricksen den Ball nicht aufs Tor, nachdem Klavan ein Luftloch geschlagen hatte (36.). Dann schoss Janssen aus gut elf Metern über das Tor (38.). Kurz vor der Pause holte Bobadilla dann für den FCA einen Freistoß aus zentraler Position heraus, Trochowski legte sich den Ball zurecht, nahm Maß und - traf mit einem passgenauen Schuss in die linke obere Ecke zum 1:0 (43.). Alkmaar kam zur zweiten Halbzeit wieder mit viel Dynamik aus der Kabine und zwang den FCA erneut in die Defensive. Und auch wenn es den Schwaben nicht immer gelang, den Gegner vom Tor wegzuhalten - die Reihen blieben diesmal geschlossen. Und da war ja auch noch Hitz. Immer wieder musste der 28-Jährige all sein Können aufbieten. Als schließlich Hendricksen in der vierten Minute der Nachspielzeit wuchtig abzog, sahen viele schon den Ausgleich im Tor, doch Hitz hielt erneut und bescherte so dem FCA das lang ersehnte Erfolgserlebnis. "Wir haben nicht gut gespielt", urteilte Kapitän Paul Verhaegh: "Aber es ist egal, wie wir die Punkte holen, wir brauchen sie. Wir waren auch schon die bessere Mannschaft und haben verloren, heute war es eben andersrum." | https://www.sueddeutsche.de/sport/europa-league-und-dann-trifft-trochowski-1.2704122 | mlsum-de-643 |
Ein Auto erfasst eine Frau und den Kinderwagen, in dem ihr Enkelkind liegt. Beide sterben. Der Fahrer flüchtet. Doch die Polizei findet ein deutliches Indiz am Unfallort. | In Gaggenau bei Baden-Baden hat ein Mann eine Frau und ihren kleinen Enkel überfahren und sie sterbend zurückgelassen. Die Polizei hat einen Verdächtigen ermittelt, doch dieser bestreitet eine Beteiligung, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Der 47-Jährige wurde festgenommen, kam aber wieder auf freien Fuß. Gegen ihn wird wegen fahrlässiger Tötung und Unfallflucht ermittelt. Nach Erkenntnissen der Polizei war der Autofahrer am Freitagabend mit seinem Wagen in einem Wohngebiet in der Nähe des Flusses Murg unterwegs. Aus zunächst unbekannter Ursache kam er nach rechts von der Straße ab und erfasste auf dem Gehweg die 54-Jährige und den Kinderwagen, in dem ihr sieben Monate alter Enkel lag. Die 54-Jährige starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Ein Rettungshubschrauber brachte das Kind mit lebensgefährlichen Verletzungen in eine Klinik, wo es am frühen Samstagmorgen ebenfalls starb. Statt den Opfern zu helfen, flüchtete der Fahrer nach dem Unfall in der Innenstadt. Die Ermittler fanden das Kennzeichen des mutmaßlichen Unfallwagens am Unfallort. Die Polizei machte den 47-Jährigen noch am Abend bei einem Bekannten ausfindig. Dabei fanden die Beamten auch einen schwer beschädigten Wagen, der dem Mann gehören soll. Der mutmaßliche Fahrer streitet laut Polizei eine Beteiligung an dem Unfall ab. Bluttests sollen zeigen, ob er betrunken war oder Drogen genommen hatte. Bis das Ergebnis vorliegt, könnte allerdings eine Woche vergehen, sagte der Sprecher. Spezialisten der Verkehrs- und Kriminalpolizei sowie ein Sachverständiger arbeiten daran, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Jedes Jahr kommt es in Deutschland zu Tausenden Verkehrsunfällen. Im vergangenen Jahr gab es laut Statistischem Bundesamt 457 354 schwere Unfälle von Auto- und Lasterfahrern mit Verletzten. In 20 528 Fällen flüchteten die Fahrer vom Unfallort. 68 Mal davon fuhren Beteiligte sogar nach tödlichen Unfällen davon. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/gaggenau-fahrerflucht-nach-toedlichem-unfall-in-wohngebiet-1.4054713 | mlsum-de-644 |
In drei Fällen muss Berlin prüfen, ob Putschverdächtige "politisch Verfolgte" sind. Das könnte die Beziehungen zu Ankara erneut belasten. | Nach dem fehlgeschlagenen Putsch in der Türkei suchen türkische Diplomaten humanitären Schutz in Deutschland. Nach Angaben aus Regierungskreisen sind mindestens drei Fälle bekannt, darunter offenbar auch ein Militärattaché der türkischen Botschaft in Berlin. Dies hat eine Recherche der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR ergeben. Die schwierigen deutsch-türkischen Beziehungen könnten damit vor einer neuen Belastungsprobe stehen. Unmittelbar nach dem Putschversuch Mitte Juli hatte die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan damit begonnen, mutmaßliche Helfer und Mitwisser zu verfolgen. Dies betraf neben Politikern und Richtern auch Diplomaten, die angeblich an dem gescheiterten Staatsstreich mitgewirkt hatten. Das türkische Außenministerium widerrief damals die Gültigkeit von Hunderten Diplomatenpässen. In Deutschland waren acht türkische Diplomaten betroffen, wie das Außenministerium in Ankara dem Auswärtigen Amt mitteilte. Die Diplomaten wurden offenbar verdächtigt, Anhänger der Gülen-Bewegung zu sein, welche die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Während einige von ihnen ausreisten, baten andere formal um Asyl in Deutschland. Gegenüber Abgeordneten des Bundestages nannten Vertreter des Innenministeriums die Zahl drei. Diese Zahl könne aber auch höher sein, heißt es mittlerweile in Regierungskreisen. Burkhard Lischka, der innenpolitische Sprecher der SPD, verlangte, den Asylsuchenden entgegenzukommen. "Angesichts der Verfolgung von Regierungskritikern in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch muss es eine Selbstverständlichkeit für den deutschen Rechtsstaat sein, die Anträge von Botschaftsangehörigen für einen Aufenthalt in Deutschland sorgfältig und wohlwollend zu prüfen." Als besonders heikel gilt der Fall des ehemaligen türkischen Militärattachés Außenpolitisch sind die Fälle heikel, weil sie das deutsch-türkische Verhältnis weiter strapazieren könnten. Sollten die Diplomaten in Deutschland mit der Begründung Asyl erhalten, dass sie in ihrer Heimat politisch verfolgt werden, so würde die türkische Regierung dies wohl als Brüskierung durch die Bundesregierung empfinden. Deutschland und die Türkei sind enge Verbündete, unter anderem im Militärbündnis Nato. Auch setzt die Europäische Union in der Flüchtlingspolitik auf die Hilfe der Türkei. Doch hat das Verhältnis zuletzt gelitten. Im Juni beschloss der Bundestag die Armenier-Resolution, in der Verbrechen an der armenischen Minderheit im Osmanischen Reich 1915 und 1916 als Völkermord bezeichnet werden. Die Türkei zog aus Protest ihren Botschafter ab. Gerade in diesen Tagen versuchen die Regierungen beider Länder, die Beziehungen zu normalisieren. Der türkische Botschafter ist soeben nach Berlin zurückgekehrt, das Auswärtige Amt sieht darin einen "wichtigen positiven Schritt in den bilateralen Beziehungen". In Berliner Regierungskreisen hieß es, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über die Asylanträge der Diplomaten noch nicht entschieden. Es sei auch keine Eile geboten, weil die Diplomaten ohnehin vor einer Abschiebung geschützt seien, solange das Verfahren laufe. Bisher soll die türkische Regierung auch nicht dagegen protestiert haben, dass die Diplomaten in Deutschland verharren. Heftige Auseinandersetzungen in der türkische Botschaft in Berlin Als besonders heikel gilt der Fall des ehemaligen türkischen Militärattachés in Berlin. Die Zeitung Hürriyet berichtete vor zwei Wochen, Oberst Ayhan Dağli sei seit dem Putsch verschwunden, ebenso dessen Ehefrau. Das Blatt spekulierte, dass er um Asyl gebeten haben könnte. Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR soll er zum Kreis der Diplomaten gehören, die nun in Deutschland Schutz suchen. Nach bislang unbestätigten Informationen aus türkischen Sicherheitsbehörden sollen Putschisten in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli geplant haben, die türkische Botschaft in Berlin unter ihre Kontrolle zu bringen. Angeblich hätten sich Botschaftsmitarbeiter, die der türkischen Regierung gegenüber loyal waren, auf eine Konfrontation mit den Putschisten eingestellt und sich in einer Etage der Botschaft verbarrikadiert. Aus Kreisen der Bundesregierung verlautete, es sei bekannt, dass es in der türkischen Botschaft nach dem Putsch zu erheblichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Ein Botschaftssprecher bestritt auf Anfrage "einen Angriff der Putschisten", räumte aber ein: "Es ist richtig, dass einige Diplomaten zurück in die Türkei gerufen worden sind. | https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-tuerkische-diplomaten-suchen-asyl-in-deutschland-1.3195553 | mlsum-de-645 |
Der Skandal ist offenbar weit größer als angenommen: Wada-Chefermittler McLaren unterstellt Russland in seinem zweiten Bericht eine "institutionalisierte Strategie zur Medaillenbeschaffung". | Eine Mannschaft, 33 Medaillen - und mehr als 1000 gedopte Sportler? Russlands Teilnehmer an den Winterspielen 2014 in Sotschi mit Bobpilot Alexander Subkow als Fahnenträger an der Spitze. Mehr als 1000 russische Sportler sind nach Ermittlungen der Welt-Anti-Doping-Agentur zwischen 2011 und 2015 Teil einer großangelegten staatlichen Doping-Politik gewesen. Dies teilte Wada-Chefermittler Richard McLaren bei der Vorstellung seines zweiten Berichts in London mit. Der russische Doping-Skandal hat damit offenbar weit größere Ausmaße als bisher angenommen. Es habe in Russland, gesteuert vom Sportministerium, eine "institutionelle Verschwörung" gegeben, sagte McLaren. Er unterstellte Russland eine "institutionalisierte Strategie zur Medaillenbeschaffung". Es sei unmöglich zu bestimmen, wie weit die Verschwörung zurückreiche. "Jahrelang wurden internationale Sportwettbewerbe von den Russen gekapert", sagte McLaren: "Fans und Zuschauer wurden betrogen." Die mehr als 1000 betroffenen Athleten sollen entweder selbst gedopt oder von "der systematischen und zentralisierten Vertuschung und Manipulation des Dopingkontrollprozesses profitiert" haben, so McLaren. "Wir konnten die Ergebnisse des ersten Reports näher beleuchten" Betroffen gewesen seien dabei unter anderem die Olympischen Sommerspiele in London 2012, die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau sowie die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014. Es seien Beweise gefunden worden, dass Dopingproben von insgesamt zwölf Medaillengewinnern in Sotschi manipuliert worden seien. "Wir konnten die Ergebnisse des ersten Reports nicht nur bestätigen, sondern auch näher beleuchten", sagte McLaren: "Obwohl das Bild jetzt klarer ist, ist es noch nicht komplett. Wir hatten nur Zugang zu einem kleinen Teil der Daten." Zum Beweis veröffentlichte McLaren 1166 Dokumente, die er während der Untersuchung sicherstellen konnte. Darunter Fotos, forensische Berichte und E-Mails. Dies seien, so McLaren, "unzweifelhafte Fakten". Was der erste McLaren-Report enthüllte Bereits aus dem ersten Bericht, den McLaren im Juli 2016 vorstellte und der für großes Aufsehen sorgte, ging hervor, dass im russischen Spitzensport jahrelang Doping gefördert und vertuscht wurde. So sollen zwischen 2012 und 2015 etwa 650 positive Dopingproben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden sein. Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi sollen positive Proben, die im Kontrolllabor analysiert wurden, sollen unter Mithilfe des Staates und Mitwirkung des Geheimdienstes FSB in negative manipuliert worden sein. | https://www.sueddeutsche.de/sport/mclaren-report-1000-russische-sportler-in-staatliches-doping-system-involviert-1.3287235 | mlsum-de-646 |
"Beate Zschäpe ist keine Terroristin. Sie ist keine Mörderin und keine Attentäterin", erklärt Verteidiger Wolfgang Heer im NSU-Prozess. Schuldig habe sie sich nur wegen einfacher Brandstiftung gemacht. | Wolfgang Heer redet nicht lange drumrum. Gleich in den ersten Minuten seines Plädoyers fordert er die Freilassung von Beate Zschäpe. "Beate Zschäpe ist keine Terroristin. Sie ist keine Mörderin und keine Attentäterin", sagt der Verteidiger am Dienstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Sie sei wegen aller angeklagten Staatsschutzdelikte freizusprechen und unverzüglich aus der Untersuchungshaft freizulassen. Dass Zschäpe die Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Herbst 2011 in Schutt und Asche legte, sei auch nicht - wie es die Bundesanwaltschaft tut - als besonders schwere, sondern nur als einfache Brandstiftung zu werten. Einfache Brandstiftung - "dies ist alles, was von der Anklage des Generalbundesanwalts übrig bleibt", sagt Heer. Auf einfache Brandstiftung stehe eine Freiheitsstrafe von ein bis zehn Jahren. Zschäpe ist seit sechs Jahren und sieben Monaten in Untersuchungshaft, daher habe sie den Großteil einer möglichen Strafe in jedem Fall bereits abgesessen, sagt ihr Verteidiger - und fordert ihre Freilassung. Zschäpe hält sich die Hand vor dem Mund. Sie guckt Heer nicht an. Ihr Verteidiger steht rechts neben ihr. Sie aber guckt konsequent geradeaus, zeigt keinerlei Reaktion. Zumindest aber scheint sie ihrem Verteidiger zuzuhören. Zschäpe muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft an zehn Morden, Dutzenden Mordversuchen, zwei Bombenanschlägen, 15 Raubüberfällen und wegen besonders schwerer Brandstiftung vor Gericht verantworten. Fast 14 Jahre lang hat sie mit Mundlos und Böhnhardt im Untergrund gelebt. Mit den beiden Neonazis soll die 43-Jährige 1998 die rechtsterroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet haben. Die Bundesanwaltschaft hat für Zschäpe eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Verteidiger Heer widerspricht der - wie er sie nennt - "monströsen Anklage" gleich zu Beginn seines Schlussvortrags in nahezu allen Punkten. "Frau Zschäpe hat keine Morde geplant", sagt Heer: "Sie hat keine Waffen beschafft. Sie hat an den Taten nicht mitgewirkt. Sie war noch nicht einmal in der Nähe auch nur eines Tatortes und hat die Straftaten von Mundlos und Böhnhardt auch nicht vom Küchentisch aus gesteuert." Er sagt auch, dass das Verfahren gegen seine Mandantin von Anfang an von Vorverurteilung geprägt gewesen sei. Es habe eine "Vielzahl von Fairnessverstößen" gegeben, die sich strafmildernd auszuwirken hätten. Zschäpe spricht seit Jahren nicht mehr mit Heer Heer wird sein Plädoyer voraussichtlich noch am Mittwoch fortsetzen. Danach - wohl am Mittwoch und Donnerstag - sollen Zschäpes weitere Verteidiger Wolfgang Stahl und Anja Sturm plädieren. Heer verteidigt Zschäpe seit 2011, zeitnah holte er Stahl und Sturm ins Team. Seit 2015 hat sich Zschäpe von den dreien abgewandt. Damals hat sie mit Mathias Grasel einen vierten Pflichtverteidiger bekommen und wird zusätzlich von Wahlverteidiger Hermann Borchert vertreten. Sie spricht seit Jahren nur noch mit Borchert und Grasel. Nachdem sie zweieinhalb Jahre lang auf Anraten von Heer, Stahl und Sturm im Prozess geschwiegen hatte, ließ sie ihre beiden neuen Anwälte eine Aussage verlesen. Darin teilte Zschäpe mit, dass sie von den Morden und Anschlägen jeweils erst hinterher erfahren habe. Sie sei furchtbar entsetzt gewesen, hätte aber weitere Taten nicht verhindern können. Nur mit den Raubüberfällen sei sie einverstanden gewesen, zur Sicherung des Lebensunterhalts im Untergrund. Zschäpes Vertrauensanwälte haben bereits im April plädiert. Grasel und Borchert trugen vor, dass für Zschäpe eine Gesamtfreiheitsstrafe von maximal zehn Jahren tat- und schuldangemessen sei. Zschäpe sei nur wegen Beihilfe zu 15 Raubüberfällen und wegen besonders schwerer Brandstiftung zu verurteilen. Zu Unrecht, meinen ihre Altverteidiger. Heer, Stahl und Sturm kommen zu einem anderen Ergebnis - und beantragen, Zschäpe sofort freizulassen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-verteidiger-fordert-sofortige-freilassung-zschaepes-1.4002532 | mlsum-de-647 |
Mit einer Limodose und einem Zünder will der IS das russische Flugzeug bei Scharm el-Scheich zum Absturz gebracht und 224 Insassen getötet haben. | Eine Limodose, ein Schalter, ein Zünder Die Bombe, die das russische Flugzeug bei Scharm el-Scheich zum Absturz brachte, soll in einer Limodose versteckt gewesen sein - das behauptet zumindest die Terrormiliz IS. In der neuen Ausgabe ihres Propagandamazins "Dabiq" zeigen die Dschihadisten ein Foto, darauf eine Dose Ananaslimonade, ein Zünder und ein Schalter. "Exklusiv - ein Bild der Bombe, die benutzt wurde, um das russische Flugzeug zum Absturz zu bringen", steht darunter. Das Bild findet sich unter einem Artikel, in dem der IS die Terroranschläge von Paris bejubelt. Neben der angeblichen Bombe zeigt der IS auch Pässe russischer Passagiere, die bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein sollen. Ein Kämpfer habe sie am Absturzort aufgelesen, heißt es. Ob die Angaben der Terrororganisation stimmen, ist fraglich. Die russische Regierung geht jedoch offiziell von einem Bombenanschlag aus. Und die russische Zeitung Komersant berichtete, die Bombe, die das Flugzeug zum Absturz brachte, habe sich im Passagierbereich der Maschine befunden - nicht im Frachtbereich, wie angenommen. Das Blatt beruf sich auf Informanten aus dem Umfeld der Ermittlungen. Nach dem Flugzeugabsturz bei Scharm el-Scheich, bei dem alle 224 Passagiere starben, hatte ein ägyptischer IS-Ableger behauptet, das Flugzeug abgeschossen zu haben. Experten bezweifelten, dass die Terroristen über das dafür erforderliche Gerät verfügten - wahrscheinlich sei, dass das Flugzeug dafür zu hoch geflogen ist. Im IS-Propagandaheft Dabiq bekennt sich die Terrororganisation auch dazu, einen 48-jährigen Norweger und einen 50 Jahre alten Chinesen hingerichtet zu haben. Seit September hatten sie Lösegeld für die beiden Entführten verlangt. Wann und wo die Männer gefangen genommen wurden und wann sie getötet worden sein sollen, gab der IS nicht bekannt. | https://www.sueddeutsche.de/politik/flugzeugabsturz-in-aegypten-is-zeigt-angebliche-flugzeugbombe-1.2744037 | mlsum-de-648 |
Der Leerstand nimmt dramatisch zu, warnen Berater der Bundesregierung. Auf dem Land verfallen die Häuserpreise - und gefährden die Altersvorsorge vieler Menschen. | Die Immobilienforscher der Bundesregierung warnen überraschend deutlich, dass die Kluft zwischen Stadt und Land in Deutschland immer größer wird. In den Ballungsräumen steigen Mieten und Kaufpreise stark, aber in ländlichen Regionen drohe ein Preisverfall. So steht es im Wohnungs- und Immobilienmarktbericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Das Institut im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ist dem Bundesbauministerium unterstellt und berät die Bundesregierung. Die Experten schätzen, dass bundesweit inzwischen etwas mehr als zwei Millionen Wohnungen leerstehen. 2011 waren es noch rund 1,8 Millionen. Damit steigt die Leerstand-Quote von 4,5 auf 5,1 Prozent. Bereits jetzt seien Häuser vielerorts "schwierig zu vermarkten", sagen die Forscher. Sollten noch mehr Menschen vom Land in die Ballungsräume ziehen, drohten vielen Eigentümern "gravierende finanzielle und organisatorische Probleme". Besonders groß ist das Problem in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie im Ruhrgebiet und im Saarland. In einigen ostdeutschen Kreisen wie dem Altenburger Land oder dem Vogtlandkreis stehen mehr als 15 Prozent aller Wohnungen leer. Das BBSR erwartet, dass die Quote vielerorts weiter steigen wird. Vermietern drohen dort Einnahmen wegzubrechen. "Das ist vor allem mit Blick auf den Stellenwert von Immobilien als Altersvorsorge problematisch", sagt BBSR-Direktor Harald Herrmann. Bereits seit 2006 ziehen hierzulande deutlich mehr Menschen vom Land in Groß- und Universitätsstädte. Zudem sind in den vergangenen Jahren viel mehr Menschen aus dem Ausland nach Deutschland gekommen als erwartet. Vor allem die Ballungsräume werden von der hohen Zuwanderung profitieren, schätzt das BBSR. "Der Wohnungsneubau kann mit dem stark angewachsenen Zuzug bisher nicht mithalten", sagt Direktor Herrmann. "Das Wohnungsangebot wächst bei Weitem nicht so schnell wie die Nachfrage." Die Folge: In den Ballungsräumen steigen die Immobilienpreise kräftig an, doch in vielen ländlichen Kreisen stagnieren sie - oder sinken sogar. Laut dem BBSR-Bericht wechselt ein Ein- oder Zweifamilienhaus auf dem Land im Schnitt für 135 000 Euro den Besitzer. In den Großstädten kostet ein Eigenheim im Schnitt 383 000 Euro. Bei Eigentumswohnungen sind die Unterschiede noch größer. In süddeutschen Hochschulstädten wie Regensburg, Erlangen, Ulm, Augsburg und Nürnberg sind Wohnungen heute mehr als 50 Prozent teurer als noch im Jahr 2009. Gleichzeitig sind die Wohnungspreise "im Großteil der Märkte" überhaupt nicht angestiegen. Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Stadt und Land bei den Kaufpreisen für Grundstücke. Wer ein Haus bauen will, kann in einigen ostdeutschen Landkreisen entsprechendes Bauland für nur zehn Euro pro Quadratmeter kaufen. In Düsseldorf kosten Baugrundstücke dagegen 700 Euro, in München gar 1200 Euro pro Quadratmeter. Die Folge des teuren Baulands: In den Großstädten werden vor allem teure Eigentumswohnungen gebaut, die teuer vermietet werden - wenn überhaupt. Was die Forscher der Politik empfehlen In den Ballungsräumen fordert das BBSR deshalb eine "große Kraftanstrengung" der Politik, der Investoren und der Zivilgesellschaft, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Viele wohnungswirtschaftliche Akteure und Investoren sind zwar bereit zu investieren", sagt Herrmann. "Sie scheitern aber, weil nicht genügend Bauland verfügbar ist." Die Forscher empfehlen den Städten, strategisch neue Wohngebiete auszuweisen. Sie heben Großstädte wie Berlin oder München hervor, die Bauland nicht zum höchsten Preis, sondern nach dem besten Konzept vergeben. So kommen auch städtische Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften zum Zug, die vor allem bezahlbare Mietwohnungen bauen. Zudem können Städte einen Mindestanteil von Sozialwohnungen vorschreiben, wenn sie Bauland verkaufen. Zudem empfiehlt das BBSR der Politik, mittelgroße Städte auf dem Land "gezielt zu unterstützen". Nur wenn diese regionalen Zentren weiterhin Arbeitsplätze bieten und ihr Umland versorgen, könnte die Abwanderung aus den ländlichen Kreisen abgebremst werden. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesamt-fuer-bauwesen-und-raumordnung-zwei-millionen-wohnungen-in-deutschland-stehen-leer-1.3159646 | mlsum-de-649 |
Vor allem Bestände der Fischzüchter in Norwegen und Schottland sind gefährdet. Im Großhandel steigen die Preise um bis zu 50 Prozent. | Lachs gehört zu den Produkten, die ein Gefühl von Luxus transportieren, aber trotzdem erschwinglich sind. Das könnte sich in Zukunft ändern. Der Parasit "Lepeophtheirus salmonis", auch Lachslaus genannt, bedroht die Bestände - mittlerweile mit deutlichen Auswirkungen auf die Großhandelspreise. Der wenige Millimeter kleine Krebs setzt sich an der Haut der Fische fest und frisst ihr Gewebe und Blut. So schwächt der Parasit den Lachs und bewirkt im schlimmstenfalls seinen Tod. Wissenschaftler vermuten, dass das vermehrte Auftreten der Lachslaus mit dem Klimawandel zusammenhängen könnte, der die Meerestemperaturen ansteigen lässt. Dass sich der Minikrebs so rasch ausbreiten kann, ist aber vor allem auch Ergebnis der Massentierhaltung im Meer - der Fischzucht in Aquakulturen. Die aus der Aquakultur entweichenden Fische wiederum gefährden die wild lebenden Bestände. Weltweit sank die Menge an atlantischem Lachs um fast neun Prozent Wie die englische Tageszeitung The Guardian berichtet, stieg der Großhandelspreis für Lachs im vergangenen Jahr um bis zu 50 Prozent. Vor allem norwegische und schottische Lachsproduzenten haben Probleme mit der Lachlaus. Einer Analyse der norwegischen Bank Nordea zufolge produzierten die fünf größten Lachsfarmen in Norwegen im vergangenen Jahr 60 000 Tonnen weniger Fisch als erwartet. Das entspricht einem Rückgang von sechs Prozent. Weltweit sank die Menge an atlantischem Lachs um fast neun Prozent und die Analysten befürchten, dass sich das Parasitenproblem in diesem Jahr noch verschärfen könnte. Die Lachspreise für die Verbraucher sind bisher nur mäßig gestiegen. Das liegt nach Angaben von Experten unter anderem daran, dass die Großhändler einen Teil des Preisanstiegs auffingen und dass die Verträge für Fisch von den Supermärkten normalerweise bis zu ein Jahr im Voraus abgeschlossen würden. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. "Es ist verrückt", zitiert der Guardian einen Händler des Billingsgate Market, dem größten Fischmarkt in Großbritannien. "Ich bin seit 30 Jahren bei Billingsgate und so schlimm war es noch nie." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fischindustrie-lachslaus-treibt-die-preise-fuer-lachs-1.3333186 | mlsum-de-650 |
Vor zehn Jahren begannen der Staat und die hier lebenden Muslime, auf Augenhöhe miteinander zu reden. Doch was ist, außer frommen Wünschen, aus der "Deutschen Islamkonferenz" geworden? | Schon der Ort des Treffens war ein Symbol. Wolfgang Schäuble, damals Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, hatte das Schloss Charlottenburg reservieren lassen, mit seinem hochherrschaftlichen Ambiente und dem Parkettboden, über den die Touristen sonst nur in Filzpantoffeln rutschen dürfen; es war ein schöner, milder Tag zwischen Sommer und Herbst, an dem sich Deutschland und Berlin von ihrer schönsten Seite zeigten. Schäuble hatte die 15 Vertreter der in Deutschland lebenden Muslime ins Wohnzimmer des Landes geladen, um mit weiteren 15 Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen über den Islam in Deutschland zu diskutieren. Es war ein historischer Tag, dieser 27. September 2006. Erstmals saßen sich Staat und Muslime zumindest für die Dauer des Treffens auf Augenhöhe gegenüber. Bewusst hieß das Gremium, das da seine ersten Schritte ging, "Deutsche Islamkonferenz", weil es eben um Deutschland ging und den Islam, der in diesem Land seine Heimat finden sollte. Zu den Muslimen, die an diesem Tag ins Schloss geladen waren, gehörten neben den islamischen Verbandsvertretern Persönlichkeiten wie die Schriftsteller Navid Kermani und Feridun Zaimoglu - und auch die scharfzüngige Islamkritikerin Necla Kelek. Eine andere, optimistischere Zeit An diesem historischen Tag sagte Wolfgang Schäuble: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas. Er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten, und sie sollen unser Land weiter voranbringen." Einige Zeit später wird der damalige Bundespräsident Christian Wulff Vergleichbares sagen und damit eine Kontroverse auslösen. Das alles, die Islamkonferenz in Berlin, ist zehn Jahre her und wirkt doch wie der Bericht aus einer anderen, optimistischeren Zeit. Der christdemokratische Innenminister fand, dass es auch für einen säkularen Staat wichtig ist, Religionen durch Einbinden zu befrieden, die gefährlichen Seiten zu bändigen und ihr Potenzial für eine friedliche und soziale Gesellschaft zu nutzen. Die Vertreter der Islam-Verbände dachten, dass sie nun zum Verhandlungspartner für den Staat würden, von den Bundesministern bis hinunter zu den Bürgermeistern. Und die meisten Kommentatoren fanden, dass es gut ist, wenn alle miteinander reden - die frommen Verbandsvertreter und ihre Kritiker, die Schriftsteller und die Verwaltungsexperten. Die Deutsche Islamkonferenz gibt es noch. Sie hat erst im Mai darüber diskutiert, wie eine professionelle muslimische Wohlfahrtspflege aufgebaut werden könnte, vergleichbar mit jener der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie. Sie wird im nächsten Mai darüber reden, wie die Jugendarbeit der Islam-Verbände besser vom Staat unterstützt werden und wie sie besser Jugendliche vorm Abgleiten in den Fundamentalismus bewahren könnte. Das sind wichtige Themen, zweifelsohne, und weil sie eher die Mühen der Sozialgesetzgebung und des Juristischen berühren, kommen auch keine Schriftsteller und Publizisten mehr zu den Treffen. Wer sich für den Islam in Deutschland interessiert, findet auf der Homepage der Islamkonferenz Beiträge über "Religionssensible soziale Dienstleistungen und Kommunen und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege", über "Flucht und Islam", den Moscheebau und das Kopftuch - oder über muslimischen Rap, der, natürlich, "in keine Schublade passt". Doch in der Politik und der Öffentlichkeit hat die Bedeutung der Islamkonferenz arg gelitten - und das liegt an den Protagonisten beider Seiten, der staatlichen wie der muslimischen. Schon unter Schäubles Nachfolger Thomas de Maizière legte das Innenministerium zunehmenden Wert auf das Thema innere Sicherheit; im Innenministerium sei Schäubles Dialogkurs manchmal nur zähneknirschend hingenommen worden, hieß es damals. Als dann Hans-Peter Friedrich von der CSU Innenminister wurde, eskalierte der Streit zwischen ihm und den Verbänden bald: Friedrich erklärte erst einmal, dass für ihn zwar die Muslime zu Deutschland gehörten, der Islam aber nicht Teil des Landes sei. Er schlug dann eine "Sicherheitspartnerschaft" zwischen den Behörden und den Moscheegemeinden vor - letztere sollten enger mit Polizei und Verfassungsschutz zusammenarbeiten, um den radikalen Islamismus bekämpfen zu helfen. Das empfanden die Muslime als Generalverdacht und Aufruf zur Denunziation und drohten mit dem Boykott der Konferenz - tatsächlich schien von Schäubles Idee, einen Dialog von Staat zu Religion auszustoßen, wenig übrig geblieben zu sein. Beteiligte Moscheeverbände waren bald untereinander zerstritten Was allerdings auch an den muslimischen Vertretern lag. Die vier größten Moscheeverbände - die türkisch-islamische Ditib, der Islamrat, der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime - hatten zu Beginn der Islamkonferenz den "Koordinierungsrat der Muslime" gegründet, um mit einer Stimme zu sprechen und die Kräfte zu bündeln. Doch bald waren die Verbände samt ihren Protagonisten zerstritten: Die Ditib beanspruchte als größter Verband eine Führungsrolle, was die anderen grundsätzlich, zunehmend aber auch mit Verweis auf die faktische Abhängigkeit vom türkischen Staat ablehnten. Der Zentralrat der Muslime mit dem umtriebigen Vorsitzenden Aiman Mazyek wurde zum Liebling der Politiker und Journalisten - doch der war der Chef des kleinsten der vier Verbände. So wurde der Koordinierungsrat nie ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner - und die unabhängigen Vertreter der Islamkonferenz wiesen immer wieder darauf hin, dass die Verbände insgesamt nur eine Minderheit der Muslime verträten und überhaupt nur das konservative Spektrum des Islam. Gescheitert ist die Islamkonferenz allerdings nicht, wie so mancher Kritiker sagt. Innenminister Thomas de Maizière hat es geschafft, die Beteiligten am gemeinsamen Tisch zu halten, der CDU-Politiker hat Tempo aus mancher ideologischen Debatte herausgenommen - man redet nicht mehr über Rechtsstaat, Grundgesetz, Scharia, Koran, sondern über Jugendarbeit und Pflegedienste. Der Preis ist, dass die vor zehn Jahren so glanzvoll gestartete Veranstaltung nun wenig glanzvoll vor sich hinwerkelt - und am Ende keine großen Sätze stehen, sondern ein paar trockene Absichtserklärungen. Was, wenn man die Islamdebatte im Land sieht, nicht weniger ein Zeichen ist als das erste Treffen im Königsschloss. | https://www.sueddeutsche.de/politik/deutsche-islamkonferenz-trockene-absichtserklaerungen-1.3179584 | mlsum-de-651 |
In aller Welt lassen sich Staatschefs pompöse Denkmäler setzen - die Bürger haben oft nichts davon. | Wenn Politiker sich noch zu Lebzeiten ein Denkmal setzen lassen, geht es in vielen Fällen um eines: Größe. Die Wichtigkeit des Mannes soll sich in der Dimension des Monuments ausdrücken. Ein extremes Beispiel: Kasachstan. Staatsgründer Nursultan Nasarbajew schafft sich allerdings nicht bloß ein wuchtiges Monument. Er verewigt sich mit einer ganzen Stadt. Soll man nun die gläserne Pyramide in Astana hervorheben, die hochoffiziell Palast des Friedens und der Eintracht heißt? Die Auswahl ist schwierig, denn in der kasachischen Hauptstadt steht ja auch der Bajterek-Turm, der einen erhabenen Blick auf eine kilometerlange Achse erlaubt, an deren Ende der pompöse Palast von Präsident Nasarbajew steht. Auf der Aussichtsplattform können Besucher eine Hand in den Handabdruck des Staatschefs legen, und ein patriotisches Lied erklingt. Es gibt noch eine Nasarbajew-Universität, der internationale Flughafen ist ebenfalls nach dem seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierenden Präsidenten benannt. Vor 20 Jahren ließ Nasarbajew die Hauptstadt verlegen. Vom südlichen Almaty in das nördliche, jetzige Astana. In der Steppe lässt sich viel leichter Neues schaffen, eine identitätsstiftende Hauptstadt soll Astana sein, jung, modern, emporstrebend. Ein rasant wachsender Mikrokosmos, in dem sich die Entwicklung des ölreichen, zentralasiatischen Landes spiegeln soll. Die Menschen wirken stolz, einerseits, indes auch klein und verloren unter all den neuen Riesen, die da im Namen des Übervaters wachsen: den Towern der Unternehmen und der staatlichen Ministerien. Detailansicht öffnen Einer von vielen Großbauten des Staatsgründers von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew: Der Präsidentenpalatast in der neu errichteten Hauptstadt Astana. (Foto: Nikita Basov/AP) Es fällt auf, dass Frauen sich deutlich seltener mittels monumentaler Bauten ein Vermächtnis sichern wollen. Zwar gibt es Flughäfen mit prominenten weiblichen Namensgebern: den "Benazir Bhutto Airport" in Islamabad etwa, oder den "Indira-Gandhi-Flughafen" in Delhi. Aber die früheren Premiermisterinnen Pakistans und Indiens haben sich damit nicht selbst zu Lebzeiten verewigt - die Namen wurden erst nach ihrem Tod vergeben. Auch in Europa sehen sich vor allem mächtige Staatsmänner gerne als Bauherren - Paradebeispiel: Frankreich. Ihre Lieblingsbaustelle ist Paris. Dort ist es zwar vor lauter Königsbauten schon etwas eng, doch auch die Paläste der Moderne finden ihren Platz. In der Fünften Republik ist es vor allen Dingen den Präsidenten Georges Pompidou (1969 bis 1974) und François Mitterrand (1981 bis 1995) gelungen, Gebäude errichten zu lassen, die heute jeder kennt und die die Erinnerung an ihre Ära festbetonieren. Das Museum für Moderne Kunst im Zentrum der Stadt nennt inzwischen jeder einfach nach seinem Initiator: Centre Pompidou. Als das Haus mit den bunten Röhren und Rolltreppen an der Außenfassade 1977 fertiggestellt wurde, reagierten die Pariser mit Entsetzen. Heute zieht der Retro-Futurismus die Touristen an. Mitterrand nutzte seine lange Amtszeit für besonders viele Architekturprojekte. Er ließ die Glaspyramide in den Innenhof des Louvre setzen, vor der nun auch Emmanuel Macron seinen Einstand als Präsident feierte. Mitterrand ließ es sich zudem nicht nehmen, sich seinen eigenen Triumphbogen zu errichten. Das 110 Meter hohe, quadratische Bauwerk aus dem Jahr 1989 heißt "Der Große Bogen der Brüderlichkeit" und liegt genau auf der Achse der Champs-Élysée und des bereits stehenden Triumphbogens. So architekturwütig wie Mitterrand war nach ihm kein anderer Präsident mehr. Jacques Chirac hinterließ zwar das Museum am Quai Branly, doch seine Nachfolger Nicolas Sarkozy und François Hollande schieden aus dem Amt, ohne sich selbst große Häuser errichtet zu haben. Und der heutige Präsident Macron hat bislang noch keine neuen Großbauwerke versprochen. Auf Europas Nachbarkontinent Afrika mangelt es ebenfalls nicht an Denkmälern. Viele tragen hochfliegende Namen wie "Monument der afrikanischen Wiedergeburt" oder "Denkmal der nationalen Helden" und sollen an das Ende von Sklaverei, Kolonialismus und Ausbeutung erinnern. Auch hier belegen die Prestigebauten, dass es ihren Auftraggebern mehr um sich selbst als um ihre Völker ging. Ein besonders eindrückliches Beispiel für Großmannssucht steht in der Elfenbeinküste, mitten im Urwald. Der erste Präsident des Landes, Félix Houphouët-Boigny, hatte sein Geburtsdorf Yamoussoukro Anfang der 1980er-Jahre einfach zur Hauptstadt erklärt. Weil es dort nicht viel hauptstadtmäßiges gab, ließ er in der unscheinbaren Siedlung eine Kopie des Petersdoms errichten: Notre-Dame de la Paix. Die gewaltige Kirche bietet Platz für 7000 Gläubige und verfügt über klimatisierte Sitze. Geschätzte Baukosten: etwa 300 Millionen Euro. Detailansicht öffnen Verewigt, Mitten in Paris: Der französische Präsident Georges Pompidou ließ in den 70er jahren das nach ihm benannte Centre errichten. (Foto: Charles Platiau/Reuters) Andere afrikanische Staatsmänner begnügen sich mit Bronzeplastiken - nur groß sollten sie schon sein. Im Senegal hat der 2012 abgewählte Präsident Abdoulaye Wade drei bronzene Mega-Menschen aufstellen lassen, Vater, Mutter, Kind, knapp 50 Meter hoch. Wie viele Bronzedenkmäler in Afrikas Hauptstädten stammt auch das senegalesische aus der Skulpturenfabrik Mansudae Art Studio, einem nordkoreanischen Unternehmen mit 4000 Mitarbeitern. Die Fabrik beliefert inzwischen die ganze Welt mit recht billigen Bronzeplastiken. Und torpediert damit das, was die Bauherren eigentlich im Sinn haben: sich ein einzigartiges Denkmal zu setzen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/monumente-mein-triumphbogen-mein-dom-meine-stadt-1.4186119 | mlsum-de-652 |
Bayern München trifft am Samstag gleich auf mehrere Gegner, Schalke beschäftigt die Paläanthropologen und Köln die Polizei. Die Vorschau auf den 27. Spieltag. | 1. FC Köln - Borussia Mönchengladbach (Freitag, 20.30 Uhr) Fußball ist ein schönes Spiel mit 22 Akteuren. Wenn aber mehrere Hundertschaften der Polizei vor Ort sind, das Ordnungspersonal im Stadion um 20 Prozent aufgestockt wird und rund 250 gewaltbereite Fans mit einem Betretungsverbot für Arena und Stadt belegt werden, ist das eigentlich nur noch ein Armutszeugnis für das Spiel Fußball, das zur Nebensache wird. Nach den Jagdszenen in Berlin vom vergangenen Wochenende herrscht in Köln vor dem Rheinderby gegen Gladbach Ausnahmezustand. Während die Ansetzung auf Freitagabend die Angst vor erhöhter Gewaltbereitschaft weiter schürt, reicht allein die sportliche Situation in Köln und in Gladbach aus, um maximale Brisanz zu erzeugen. Kölns Vorsprung auf Relegationsplatz 16 beträgt nur noch vier Zähler. Nach der zuletzt desolaten Vorstellung in Mainz orakelte Udo Lattek: "Mit einer solchen Leistung kann der FC gegen keine Bundesliga-Mannschaft gewinnen." Nun ist Gladbach unbestritten eine solche, aber auch hier folgten auf passable Ergebnisse zwei herbe Niederlagen (0:3 in Dortmund, 0:4 gegen Wolfsburg). FC-Trainer Soldo lässt sich bezüglich Taktik und Aufstellung für das "Spiel des Jahres" nicht in die Karten schauen. Sicher ist, dass Petit nach Gelbsperre wieder ins Team rückt. Bei Gladbach könnte Rob Friend für Colautti stürmen. Im Mittelfeld wackeln Marcel Meeuwis und Michael Bradley. Thorben Marx oder Tony Jantschke stehen als Alternativen bereit. Bleibt nur zu hoffen, dass all das "auf dem Platz" am Freitag in Köln auch jemanden interessiert. Foto: dpa | https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-27-spieltag-wayne-rooney-im-kopf-felix-magath-im-nacken-1.25012 | mlsum-de-653 |
Die Deutsche Bank verlässt sich zu einseitig auf das lukrative Investmentmentbanking. Im Extremfall kann das fatale Folgen haben. | Es kam nicht so schlimm, wie Analysten befürchtet hatten, es ist noch nicht so gut, wie es die Deutsche Bank selber gerne hätte: Der Branchenprimus lieferte am Dienstag ein zwiespältiges Quartalsergebnis ab. Nach den vorher vorgelegten Ergebnissen amerikanischer Investmentbanken hatte sich der Markt auf einiges gefasst gemacht. Das Geschäft mit dem Handel von Aktien, Anleihen und Währungen litt in den vergangenen Monaten stark unter der Krise der europäischen Schuldenstaaten. Dies schlug auch bei der Deutschen Bank ins Kontor, aber es gab eine Reihe von positiven Effekten, die dafür sorgten, dass unter dem Strich noch ein passables Ergebnis stand. Es war sogar höher, als die Analysten vorhergesagt hatten. Und so gehörte die Deutsche Bank an der Börse sogar zu den großen Gewinnern. Detailansicht öffnen Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, konzentriert sich zu stark auf das Investmentbanking. (Foto: ap) Das darf und wird das Kreditinstitut aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein strukturelles Problem mit den neuen Zahlen noch deutlicher zu Tage getreten ist: Das Institut hängt zu stark am Tropf des Investmentbankings. Läuft es dort einmal schlecht, leidet sofort die gesamte Bank, weil die anderen Sparten zu schwach sind. Und Zeiten wie die vergangenen beiden Quartale, als das Investmentbanking boomte, sind eher die Ausnahme als die Regel. Auch in den nächsten Monaten dürfte das Geschäft eher schleppend laufen. Die Frage aber ist, ob der Deutschen Bank dann noch einmal Sondereffekte helfen, das Gesamtbild aufzuhübschen. Ganz vorsichtig hat Vorstandschef Josef Ackermann sogar sein ehrgeiziges Ziel für 2011 relativiert. Das ist eine Nachricht, die am Dienstag fast unterging. Es ist bei weitem nicht so gut, wie es die Deutsche Bank gerne hätte. | https://www.sueddeutsche.de/geld/deutsche-bank-am-tropf-der-investmentbanker-1.980536 | mlsum-de-654 |
Trainer Markus Gisdol holt mit dem Hamburger SV ein Unentschieden bei seinem Ex-Klub Hoffenheim. Seine Mannschaft zeigt eine große Willensleistung. | Ob es das Insiderwissen von Trainer Markus Gisdol war? Jedenfalls haben die beiden Auswärtstore seit über zwei Monaten dem Hamburger SV ein überraschendes Erfolgserlebnis beschert. Dank einer großen Willensleistung erkämpfte sich der Krisenklub nach drei Niederlagen in Serie ein 2:2 (1:1) bei der bisher ungeschlagenen TSG Hoffenheim. Gisdol holte den Punkt ausgerechnet an seiner alten Wirkungsstätte, wo er vor 13 Monaten nach einer 0:1-Niederlage - übrigens gegen den HSV - entlassen worden war. Filip Kostic (28.) und Nicolai Müller (61.) trafen für die Hamburger, die nach einem knappen Drittel der Saison dennoch Letzter sind. Die sieglosen Hanseaten haben lediglich drei Punkte auf dem Konto, Gisdol holte in sechs Partien nur zwei Zähler. Die Hoffnung ruht nun auf einem Sieg am Samstag im Nordderby gegen Werder Bremen. Sandro Wagner (45.+1) und Steven Zuber (49.) erzielten die Tore für die Hoffenheimer, die als Tabellenfünfter sechs Punkte Rückstand auf Spitzenreiter RB Leipzig aufweisen. Elf Partien ohne Niederlage unter der Regie des ehemaligen Gisdol-Assistenten Julian Nagelsmann bedeuten immerhin einen neuen Vereinsrekord. Das Chaos der vergangenen Tage in Hamburg hatte vor der Partie das Schlimmste für den Bundesliga-Letzten befürchten lassen. Klubchef Dietmar Beiersdorfer wurde nach seiner erfolglosen Sportdirektor-Suche von Aufsichtsratsboss Karl Gernandt angezählt, Marketing-Vorstand Joachim Hilke kündigte seinen Rückzug an, und Gisdol setzte Kapitän Johan Djourou zugunsten des Japaners Gotoku Sakai ab. Dazu kam die Verletzung von Torwart Rene Adler, der nach seiner Ellbogen-Operation bis Jahresende ausfällt. Die 29 512 Zuschauer in der Rhein-Neckar-Arena mussten nicht lange auf die erste große Chance der Gastgeber warten. Nach starker Vorarbeit von Nadiem Amiri schloss der Kroate Andrej Kramaric schwach ab (3.). Nach rund zehn Minuten konnten sich die Hamburger vom Druck der Kraichgauer befreien, außerdem mussten die Hoffenheimer in der 21. Minute ungeplant auswechseln. Für den angeschlagenen Innenverteidiger Kevin Vogt (Adduktoren) kam Ermin Bicakcic. In der Nachspielzeit vergibt Sandro Wagner die Chance zum Hoffenheimer Sieg Der HSV stand in dieser Phase stabil und bestimmte sogar das Spiel. Von Hoffenheim kam nicht mehr viel. Die Führung der Gäste nach einer schönen Einzelaktion von Kostic war deshalb nicht unverdient. Erst in der 44. Minute wurden die Hoffenheimer wieder gefährlich, Wagner konnte seinen früheren Darmstädter Kollegen Christian Mathenia zunächst aber nicht überwinden. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte stocherte der Angreifer den Ball nach einer Ecke aber doch über die Linie. Kurz nach dem Seitenwechsel brachte Zuber die Gastgeber nach guter Vorarbeit von Kaderabek in Führung. Hoffenheim konnte den Vorsprung aber nicht lange halten, Müller profitierte bei seinem dritten Saisontor von einem Fehler von Süle. Kurz darauf vergab Kramaric große Chancen zur erneuten Führung für die TSG (65. und 71.). Auf der Gegenseite strich ein Schuss von Lewis Holtby nur knapp am Tor vorbei (76.). In der Nachspielzeit verfehlte Wagner nur um Zentimeter das Ziel. | https://www.sueddeutsche.de/sport/hamburger-sv-wiedersehen-macht-freude-1.3258153 | mlsum-de-655 |
Hin und her zwischen Eurogruppe und Griechenlands Finanzminister Varoufakis: Nach zähem Ringen sah es zunächst so aus, als habe man sich doch noch auf ein Vorgehen für die finanzielle Rettung des Landes geeinigt. Doch am Ende scheitert es an der Abschlusserklärung. | Traditionell werden neu ins Amt gekommene Regierungschefs oder Minister bei ihrem ersten Treffen im Kreise der Kollegen in Brüssel besonders willkommen geheißen. Ob sich der griechische Premier Alexis Tsipras auf dem informellen EU-Gipfel an diesem Donnerstag auf einen herzlichen Empfang freuen darf, darüber schwiegen sich am Mittwoch die verantwortlichen Organisatoren aber aus. Man werde "nicht darauf dringen, über Griechenland zu debattieren", verlautete nüchtern aus dem Planungsstab von EU-Ratspräsident Donald Tusk. Bei Finanzminister Yanis Varoufakis, der am Mittwochnachmittag zu einem speziell wegen der dramatischen griechischen Finanzlage anberaumten Sondertreffen des Euro-Spitzenpersonals nach Brüssel reiste, hielten sich die Ressortkollegen aus den 18 Euro-Ländern nicht lange mit Freundlichkeiten auf. Dass Varoufakis mit leeren Händen ankam, verschlug einigen zunächst schlicht die Sprache. Statt eines Planes, wie Athen sich den für alle Euro-Länder geltenden Regeln annähern könnte, trug der griechische Finanzminister erneut die Forderungen seiner Regierung vor. Danach, so verlautet aus dem Verhandlungssaal, sei der selbstbewusste Grieche in ein regelrechtes Feuer der Kollegen geraten. Forderungen hin oder her, Griechenland müsse spätestens am Montag die Verlängerung des bis Ende Februar laufenden Hilfsprogrammes beantragen - um so Zeit zu gewinnen, in Ruhe über die weitere Zukunft nachdenken zu können. Nach drei Stunden schien es soweit: Varoufakis stimmte zu, an diesem Donnerstag "technische Gespräche" zu beginnen, an die sich Verhandlungen über die Verlängerung des Kreditprogramms anschließen könnten. Gegen 21 Uhr am Mittwochabend ging ein Aufatmen durch den Saal. Eine Stunde später war die Stimmung wieder angespannt. Kurz vor Mitternacht brachte ein Bote die Kunde, dass der Deal an der Wortwahl der Abschlusserklärung zu scheitern drohe. Die einen bestünden auf dem Wort "Verlängerung", die anderen auf "neuer Brückenfinanzierung". Kurze Zeit später traf die nächste Nachricht ein: Am Donnerstagmorgen um 9 Uhr beginnen die Gespräche zwischen griechischen Unterhändlern und Euro-Institutionen. Zwanzig Minuten nach Mitternacht: Es gibt keine Gespräche. Neuer Versuch am Montag. Bereits vor dem Finanzministertreffen hatten Diplomaten klar gemacht, dass Berlin und Paris kein separates Treffen mit Tsipras planten. Die Chefs seien nicht dazu da, Finanzpläne zu verhandeln. Es sei Aufgabe der Finanzminister der Euro-Länder, "einen strukturierten Arbeitsprozess, der den Regeln entspricht, in Gang zu setzen", sagte ein Unterhändler der Euro-Länder. Drohung implodiert Hinter dem kryptischen Satz verbirgt sich das eigentliche Problem. Bisher hatten sich Tsipras und die Euro-Partner in rhetorischen Angriffen und Maximalforderungen an die jeweilige andere Seite verfangen - und damit das Verhandlungsklima eingefroren. Und zwar so weit, dass sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der von Amts wegen nicht für die griechischen Finanzen zuständig ist, gezwungen sah, vermittelnd einzugreifen. Juncker habe auf Bitten Tsipras' "einige inhaltliche und diplomatische Unterstützung" gegeben, hieß es in Athen. Detailansicht öffnen Athens Premier Alexis Tsipras (links) begrüßt am Mittwoch den Generalsekretär der OECD, José Ángel Gurria. (Foto: Aris Messinis/AFP) Tsipras hatte in den vergangenen Tagen eine Trumpfkarte nach der anderen verloren, die er in den Verhandlungen ziehen wollte. Die Forderung nach einem Schuldenschnitt musste er zurückstellen - Tsipras hat erkannt, dass er für die nächsten sechs Monate Geld braucht, damit seine Regierung überleben kann. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der OECD bei Reformen ist eine Sackgasse, weil die OECD keine Hilfskredite vergibt - und Tsipras' kurzfristiges Geldproblem bestehen bleibt. Die Drohung einiger Minister, eben anderswo Geld aufzutreiben, etwa in Russland und China, implodierte am Mittwoch praktisch von allein. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums sagte, in Peking sei nichts von einem entsprechenden Angebot bekannt. Die russische Regierung hatte im Jahr 2013 dem von der Pleite bedrohten Zypern Hilfskredite in Aussicht gestellt. Die Konditionen waren so hart, dass es bei einem Kredit blieb. Zyprischen Diplomaten zufolge hatte Moskau unter anderem den Austritt aus der Währungsunion gefordert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow gab sich am Mittwoch in Moskau zurückhaltend. Sollte Athen um finanzielle Hilfe bitten, werde das geprüft. Zum Dilemma von Tsipras gehört, dass der Ausweg, sich Geld am Finanzmarkt über kurzlaufende Staatsanleihen zu beschaffen, verschlossen zu sein scheint. Die Zinsaufschläge steigen seit Tagen an, sie pendeln für mittelfristige Papiere um zehn Prozent. Wenn Griechenland am 28. Februar aus dem laufenden Kreditprogramm aussteigt, werden sich die Konditionen weiter verschlechtern. Charmeoffensive Varoufakis und Tsipras reisten unter den schlechtesten Voraussetzungen an, sagte ein Euro-Unterhändler: "Sie haben kein Geld und keine Zeit." Ihre potenziellen Geldgeber, also die Euro-Länder, die Europäische Zentralbank, der Euro-Rettungsfonds und der Internationale Währungsfonds, stünden ihnen mit einer klaren Linie gegenüber. Jedes Land der Währungsunion müsse sich an die Regeln halten. Auch die Bundesregierung dämpfte die Erwartungen an eine schnelle Einigung. Allerdings: Auch auf Seiten der Euro-Partner gibt es Gründe, warum sie Athen entgegenkommen müssen. In der gegenwärtigen geopolitischen Lage kann es sich Europa nicht leisten, Griechenland als Partner zu verlieren. Zudem entstünde mit dem Austritt Athens aus dem Euro eine unkontrollierbare Situation an den Finanzmärkten - die verhindert werden soll. Ein Diplomat zeichnete am Abend ein plastisches Bild der Lage. Als Tsipras kürzlich den italienischen Premier Matteo Renzi besucht habe, sei er von diesem mit einer Krawatte beschenkt worden - wohl ein Hinweis darauf, dass Tsipras sich vom Parteiführer zum Regierungschef wandeln müsse. "Und wenn Tsipras in Brüssel die Krawatte angezogen hat, ziehen die Partner den Knoten fest", sagte der Diplomat. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sondertreffen-in-bruessel-griechenland-und-eurogruppe-beenden-treffen-ohne-gemeinsame-erklaerung-1.2346579 | mlsum-de-656 |
Fluthilfe für Pakistan, Unterstützung für Haiti: Funktionäre in der Fifa tarnten ihre korrupten Geschäfte offenbar mit Spendengeldern, die die eigentlichen Empfänger nie erhielten. | Auch Chung Jong-Moon war zugegen, als sich Spitzenvertreter der globalen Fußballgemeinde am Wochenende in Berlin beim Champions-League-Finale versammelten. Für die meisten war der Spielausgang marginal - schließlich ging es neben dem Rasen auch um das Ausloten von Allianzen und individuellen Chancen im Kampf um die Nachfolge Sepp Blatters. Der Fifa-Boss will angeblich auf einem Sonderkongress in den nächsten Monaten von der Spitze des Fußball-Weltverbandes abtreten. Und Chung, 63, hat erklärt, dass er sich für den Job sehr interessieren würde. Der Südkoreaner hat Erfahrung, er saß lange im Fifa-Vorstand (1994 bis 2011) und führte seinen Nationalverband (1993 bis 2009). Zugleich gehört er der mächtigen Hyundai-Familie an, zählt zu den reichsten Männern des Landes und war in der Vergangenheit politisch stark ambitioniert. So einer kann Gewicht einbringen, wenn es um die Wahl des neuen Fifa-Chefs geht. Aber nun hat auch er Fragen zu beantworten - wie andere Funktionäre, die derzeit als Kandidaten für Blatters Nachfolge gelten. Der Franzose Michel Platini, Präsident von Europas Fußball-Union, weil er bei der Wahl des WM-Ortes 2022 für Katar stimmte und sein Sohn später bei einer katarischen Firma unterkam. Oder Scheich Al-Sabah aus Kuwait, der höchst erfolgreich Mehrheiten in der Sportwelt schmiedet, aber im Kontext mit Korruptionsvorwürfen gegen engste Mitarbeiter selbst schon mit dem Sportthema Nummer eins in Berührung kam. Und Chung? Muss einen Vorgang in Pakistan erklären. Es geht um eine 400 000-Dollar-Spende des Spitzenfunktionärs an Pakistans Fußballverband. Sie sollte nach der Flutkatastrophe 2010 dem Wiederaufbau einer zerstörten Fußballanlage dienen. Weitere 250 000 Dollar sollte Asiens Fußballverband (AFC) beisteuern. Das Aufbauprojekt kam bis heute nicht in Gang, der pakistanischen Zeitung Dawn zufolge liegt das Geld gut verzinst auf einem Konto des Landesverbands. Mit Wissen des AFC, wie die pakistanische Föderation versichert. Interessant ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen ungenutzter Spende und wichtigen sportpolitischen Entscheidungen. Chung kämpfte damals um einflussreiche Posten, insbesondere um den Platz als Fifa-Vizepräsident, der Asien zusteht. Am Ende unterlag er bei der AFC-Abstimmung Anfang 2011 Ali bin al-Hussein. Der jordanische Prinz beklagte nach der Wahl, dass "signifikanter Druck" auf nationale Verbände ausgeübt worden sei, Kandidaten aus dem Chung-Block zu wählen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-skandal-hilfsgelder-die-nie-ankommen-1.2513128 | mlsum-de-657 |
Meister FC Bayern München besteht den Stresstest gegen Aufsteiger Crailsheim. Sportlich ist das 110:76 eher ein kleiner Schritt, für das angekratzte Selbstvertrauen aber ein großer Sprung. | Bryce Taylor ist keiner dieser Basketballprofis aus den USA, die nach dem Spiel in so große Kleider schlüpfen, dass sich darin eine ganze Familie verstecken könnte. Er trägt seine Jeans und seinen Pullover eng anliegend. Auch sonst neigt der US-Amerikaner nicht zu Großspurigkeit, sondern schätzt die sportliche Lage meist sachlich und seriös sein. Während sein Mannschaftskollege vom FC Bayern München, Yassin Idbihi, am Samstagabend nach Spielende noch immer in Sportklamotten auf dem Parkett herumtollte und seinem Sohn Bälle zupasste, stand Taylor längst geduscht und umgezogen abseits des Spielfelds und gab Interviews. "Es war wichtig für unser Selbstvertrauen, dass wir heute so klar gewonnen haben", sagte der Flügelspieler des FC Bayern. Dass ein Sieg gegen den Aufsteiger Crailsheim Merlins einmal eine tiefere Bedeutung für den deutschen Meister erlangen würde, hätte vor ein paar Wochen niemand geglaubt. Doch der 110:76-Erfolg öffnet ein wenig den Blick in die Gefühlswelten der Münchner Basketballer. Auch die Mitglieder des deutschen Meisters sind nur normale Sportler, die ihr Selbstvertrauen über Erfolge vermehren. Nach zwei überraschenden Niederlagen - zu Hause gegen Braunschweig und in Göttingen - waren die hochdekorierten und in der Euroleague erprobten Bayern doch verunsicherter, als sie anfangs zugeben wollten. Nach den Niederlagen im Eurocup gegen Valencia, sagte Taylor, "hatten wir vor allem große Probleme in der Offensive beim Punkten". Der Kapitän selbst offenbarte eine unerklärliche Abschlussschwäche, er verwarf reihenweise Bälle, die sogar Idbihis Sohn verwandelt hätte. In den beiden Spielen gegen Valencia kam er auf mickrige vier Punkte, in Spanien traf er sogar überhaupt nicht. "Ich habe sehr mit mir in der Offensive gekämpft", gibt der 28-Jährige zu: "Wir alle waren zuletzt zu hektisch und haben den Ball schlecht laufen lassen." Eine Erklärung, die ihn persönlich hätte zufriedenstellen können, hatte er aber auch nicht finden können. "Ich habe im Training deshalb versucht, viele einfache Körbe zu machen und noch mehr als sonst zu werfen, um meinen Rhythmus zurückzubekommen", sagte Taylor. Wie der Beginn gegen Crailsheim zeigte, scheint die Plackerei erste positive Effekte zu zeitigen. Der Kalifornier traf gleich seinen ersten Drei-Punkte-Versuch zum 9:5. Sein Trainer Svetislav Pesic honorierte den Wurf mit aufmunterndem Klatschen. Es kommt selten vor, dass der Serbe einzelne Aktionen seiner Spieler mit Applaus begleitet, aber nicht nur bei seinem Kapitän hatte er gespürt, dass er eine Extraanerkennung nötig hatte, auch John Bryant spendete er Beifall. "Es war ein Spiel, das wir alle gebraucht haben", bekannte Pesic hinterher. Der 65-Jährige meinte damit weniger das Resultat als vielmehr das Gefühl der Spieler. "Alle haben mehr oder weniger Spielzeit bekommen, in der Offensive sehr viel investiert und so ihr Selbstvertrauen entwickeln können." Taylor verwandelte am Ende drei seiner sechs Dreierversuche, mit 13 Punkten war er zweitbester Werfer seines Teams hinter Bryant (19 Zähler). "Ich bin wieder bei 100 Prozent", sagte der US-Amerikaner. Eine komplizierte Hüftverletzung mit Operation hatte ihn zu Beginn der Saison mehre Monate vom Sport befreit. Es hat anschließend lange gedauert, bis er wieder die prägende Figur im Spiel war, die in der vergangenen Saison großen Anteil hatte, dass München den Titel gewann. Er lebt von seiner Athletik, von seiner gewaltigen Sprungkraft. Gegen Crailsheim zeigte er eine kleine Kostprobe, er flog einmal über einen Gegenspieler hinweg und stopfte per Dunk den Ball aus der Luft in den Korb, die Zuschauer schrien vor Begeisterung. "Ich habe aggressiv gespielt, aber wir alle haben das getan", hob Taylor hervor. In der Tat war es verblüffend mitanzusehen, wie die Bayern die Bretter dominierten. 52 Abpraller vom Brett, die so wichtigen Rebounds, sammelten sie im gesamten Spiel. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir das jemals geschafft haben", sagte Pesic. Aber er weiß genauso wie sein Kapitän, dass der abgeschlagene Tabellenletzte nicht für einen seriösen Stresstest taugt. Beim Aufsteiger lassen sich mit viel Wohlwollen vielleicht fünf Spieler finden, die Erstligaansprüchen genügen. Die großen Spiele kommen erst noch, am Ostersonntag reisen die Münchner zum Tabellenvierten Ulm, bevor nach dem Pokalwochenende Tabellenführer Bamberg in der bayerischen Hauptstadt gastiert. Es stehen entscheidende Wochen an. Den ersten oder zweiten Platz in der Tabelle nach der Vorrunde, der das Heimrecht bis zum Halbfinale in den Playoffs garantiert, schreibt Taylor noch nicht ab. "Das ist nach wie vor möglich", bekannte der Flügelspieler. Er will weniger auf die Gegner schauen, fügte Taylor hinzu, "wir müssen unser eigenes Spiel verbessern." Dann lächelte er und trottete von dannen. Yassin Idbihi warf immer noch seinem Sohn die Bälle zu. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/basketball-ein-grosser-sprung-fuers-selbstvertrauen-1.2415079 | mlsum-de-658 |
Österreichs Bundesbahnen rüsten auf und bauen ab. Begleiterscheinungen der Modernisierung sind grelle Beleuchtung und aufpreispflichtige Coupés. Ein Erfahrungsbericht. | Eisenbahnfahren ist wie geschenkte Zeit. Während der Autofahrer konzentriert eine risikoreiche Arbeit zu verrichten hat, kann der Bahnreisende dösen, lesen, schlafen, arbeiten, träumen. Und er kann sich, was der Autofahrer tunlichst vermeiden sollte, der vorbeiziehenden Landschaft widmen. Alle Bahngesellschaften, so auch Österreichs Bundesbahnen ÖBB, sehen ihre Chance im neu erwachten Sinn für die Annehmlichkeiten eines Verkehrsmittels, bei dem die besorgte Bitte "Fahr nicht zu schnell" zu einem hübschen Scherz mutiert, fährt doch ein Fachmann alle. Detailansicht öffnen IC der Österreichischen Bundesbahnen: Wer teuer sitzt, kommt hier schnell ins Schwitzen. (Foto: Foto: ÖBB) Die Bahnen rüsten auf, unter gelegentlichem Murren des Publikums angesichts gewisser Schwerfälligkeit so großer Systeme. Auch in Österreich hat man diverse Strecken wacker ausgebaut und beschleunigt; Brenner und Wienerwald werden untertunnelt, die Hauptstadt bekommt einen Zentralbahnhof statt der alten Kopfstationen. Der alte Wagenpark und schäbige Bahnhöfe werden restauriert und erneuert. Dennoch beschleicht den Bahnreisenden hier wie in ganz Europa der Verdacht, dass die Verantwortlichen für so manche Erneuerung nie wirklich selbst Zug fahren. Bezeichnend war vor gut einem Jahr die Konferenz aller europäischen Bahndirektoren in Wien, zu der peinlicherweise kein einziger mit dem Zug kam. Machen wir es konkret. Ein tückischer Kunstgriff der modernen Warenwelt ist es, billige Kunstmaterialen wie ein echtes Naturprodukt aussehen zu lassen. Bei der ÖBB hat man diesen Kniff auf seine konträre Spitze getrieben: Die neuen Waggons der 1. Klasse haben durchweg echte Ledergarnituren, die aber wie Kunstleder anmuten. Will heißen: Wer hier teuer sitzt, kommt schnell ins Schwitzen. Auch deshalb, weil das neueste Stereotyp der Ausfall der Klimaanlage just in den neuen Waggons ist. Kaum ein Zug, in dem nicht ein Wagen unklimatisiert rollt, was auch an kälteren Tagen zu Saunatemperaturen führt. Die Passagiere der 2. Klasse dürfen weiter auf angenehmeren Stoffsitzen reisen. Und all diese Sitzgelegenheiten haben nur zwei Stellungen, die alsbald Pein bereiten. Raubrittertum bei der Preisgestaltung Die 1. Klasse verzeichnet allgemein weit größere Zuwächse als die zweite. Trotzdem geht dies wegen des Überhandnehmens der Großraumwagen mit einer Art Vermassung einher. Dazu gehören der Duft eines Döner in Händen eines Eiligen ebenso wie Klingeltöne und herrische Telefonate. Nach so mancher Fahrt kennt man die Bilanz verschiedener Unternehmen oder die Probleme einer Beziehungskiste im Detail. Es gibt in den neuen Wagen aber tatsächlich auch noch das klassische Coupé - mit vier Plätzen und viel Raum. Das aber nennt sich Business-Abteil und kostet pro Fahrt 15 Euro zusätzlich. Pures Raubrittertum, schimpfen manche - trotz des Begrüßungsgetränks und der Möglichkeit, Wertsachen im Zugbegleitersafe verstauen zu lassen. Massentransport oder zahlen. | https://www.sueddeutsche.de/auto/oesterreichische-bundesbahn-in-vollen-zuegen-1.830330 | mlsum-de-659 |
Die Bewohner der israelischen Kommunen nahe dem Gazastreifen fordern: Der Kreislauf der Gewalt muss endlich durchbrochen werden. Auf den Raketenhagel der Hamas reagieren sie trotzdem erstaunlich gelassen. | Mitten im Gespräch bricht Haim Jelin ab, seine Handy gibt Sirenengeräusche von sich: Raketenalarm! Der drahtige 60-jährige Knesset-Abgeordnete sprintet zu seinem grauen Toyota und braust davon. Alle anderen laufen zum weißen, kuppelförmigen Bunker, der am Rande des Geländes neben einer Tankstelle steht. Vor wenigen Minuten noch hatte Liora Yerday im nur wenige Meter entfernten Geschäft hinter der Kasse versichert, keine Angst zu haben. "Wir sind das gewohnt. Wir haben gute Schutzräume." Die junge äthiopische Jüdin verweist auf die Rückseite des Hauses. In der Ecke neben dem Eingang im Geschäft hängt ein TV-Schirm, auch im leeren Restaurant nebenan ist die Liveberichterstattung über die Ereignisse rund um den Gazastreifen so laut gestellt, dass man es bis auf die Straße hören kann. Dabei bräuchten sie alle hier nur auf die Rückseite ihrer Häuser zu gehen, dann können sie sich selbst ein Bild machen. Von dort, einer leicht erhöhten Stelle beim Kibbuz Kfar Aza, sind es nur etwa vier Kilometer bis zur Grenze. Mehrere Zäune sind zu sehen, dann Wüstensand und dahinter die Hochhäuser der Stadt Dschabaliya im Gazastreifen. Gelegentlich steigen Rauchsäulen auf. Immer wieder gibt es Detonationsgeräusche, Flugzeuge und Hubschrauber sind zu hören, an zwei weiße Ballone sind Drohnen montiert, die in Richtung Gazastreifen gerichtet sind. Von dort sind seit Montag 16.30 Uhr mehr als vierhundert Raketen Richtung Israel abgefeuert worden. Es ist der heftige Raketenhagel, der seit dem Ende des Gazakriegs im Sommer 2014 auf die Kommunen entlang der Grenze niedergegangen ist. Die Nacht zum Dienstag mussten die Menschen hier im Schutzraum verbringen, dennoch reagieren sie auch am Dienstagmorgen erstaunlich gelassen. Nach wenigen Minuten ist der Alarm vorbei und jeder geht seiner Wege. Yerday steht nun wieder hinter der Kasse, zwei Männer holen sich Kaffee und setzen sich an einen Tisch im Freien. In der nächsten Viertelstunde halten fünf Fahrzeuge zum Tanken an der heute wenig befahrenen Straße 232. Der Fahrer eines Lieferwagens stoppt und räumt ein Dutzend Kisten in den Lagerraum auf der Rückseite des Geschäfts. "Ich muss meine Arbeit machen", sagt er. Ob er Angst habe? "Nein! Keine Zeit!" Zwei orthodoxe Juden sind von der 70 Kilometer entfernten Stadt Bet Schemesch angereist, "um zu sehen, was los ist". Das einzige Opfer auf der israelischen Seite der Grenze ist ausgerechnet ein Palästinenser Mehr Schaulustige drängen sich in Aschkelon, einer Küstenstadt mit 130 000 Einwohnern, um jenes vierstöckige Wohnhaus, in das Montagabend eine Rakete eingeschlagen hat. Die Leiche eines Mannes wurde von einem Fotografen unter einer eingestürzten Mauer entdeckt, die Rettungskräfte hatten das Haus zu dem Zeitpunkt schon mit zwei schwer verletzten Frauen verlassen. Die Identität des Mannes wurde Dienstag bekannt gegeben: Ein 48-jähriger Palästinenser aus Halhul bei Hebron, der in Israel arbeitete. Einen weiteren Schwerverletzten gab es nach einem Angriff auf einen Bus, der zum Transport von Soldaten eingesetzt war. Jelin, der Politiker der liberalen Jesch Atid-Partei, gibt Premierminister Benjamin Netanjahu die Schuld. Er kritisiert ihn dafür, das Problem mit der Hamas nicht in den Griff zu bekommen. "Und das seit Jahren!" Es könne auch nicht sein, dass die Hamas immer wieder israelische Gebiete angreife und dann plötzlich Israel einen Waffenstillstand diktieren könne, sagte der frühere Leiter des Verwaltungsrates der von den Raketen hauptbetroffenen Region Eschkol. Jelin wohnt selbst im Kibbuz Beeri ganz in der Nähe. Viele Israelis beschäftigt, was ihre eigene Regierung nun tun wird. In den wenigen Geschäften, die im Einkaufszentrum von Sderot geöffnet haben, halten sich Befürworter und Gegner eines Angriffs die Waage. Aber die meisten in der Stadt mit 20 000 Einwohnern eilen weiter. Sderot wird wegen der vielen Schutzräume auch "Welthauptstadt der Bunker" genannt. Ein Mann bleibt kurz stehen und weist auf die Schutzanlagen ringsum. "Wir haben wenigstens welche. Aber die Menschen im Gazastreifen haben nicht einmal das. Wir brauchen Frieden, keinen neuen Krieg." Die israelische Armee bombardierte bis Dienstag 160 Ziele. Wie mit dieser Eskalation umzugehen sei, darüber berieten 60 Kilometer Luftlinie vom Gazastreifen entfernt die Mitglieder des Sicherheitskabinetts. Auslöser für die Reaktion von Hamas und Dschihad war diesmal eine missglückte Militäroperation im Gazastreifen, bei der ein Israeli und sieben Palästinenser starben. Am Dienstag früh kamen die Regierungsmitglieder erneut im Armeehauptquartier zu Beratungen zusammen, die viele Stunden dauerten. In einer knappen Mitteilung hieß es, die Angriffe würden "nach Notwendigkeit" fortgesetzt. Am Abend kehrte dann vorläufig Ruhe ein, mehrere Palästinensergruppen hatten einseitig eine Waffenruhe erklärt, offenbar auf Vermittlung Ägyptens; auch auf israelischer Seite schwiegen die Waffen. "Irgendwann muss es eine Entscheidung geben", sagt Yerday in dem kleinen Geschäft am Rande des Gazastreifens nach einem Blick auf den TV-Schirm. "Sie werden schon das Richtige tun." | https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-gazastreifen-eskalation-1.4209065 | mlsum-de-660 |
Sie kam aus einem schwäbischen Gasthaus und wurde zur Linksterroristin. Nun ist Magdalena Kopp im Alter von 67 Jahren gestorben. | Ihren ersten Freund lernte sie mit 18 an der Ulmer Hochschule für Gestaltung kennen. Michel Leiner arbeitete an einem Filmprojekt mit dem Titel "Auf der Suche nach dem Glück". Sie hatte Führerschein und Auto, Leiner nicht. Die Männer machten Film, sie durfte mithelfen. Sie lernte Fotografieren und ging mit ihrem Freund nach Frankfurt. Damals verglich sie sich mit einem Schaf und hatte Angst, dass der Vergleich zutreffen könnte. In Frankfurt war es nicht so streng und langweilig wie daheim in Schwaben, dort fand der revolutionäre Kampf auf der Straße statt und im Verlag Roter Stern. Leiner übernahm Grafik und Herstellung, sie half mit und bekam ein Kind. Der Verlag spaltete sich: Eine Fraktion begann eine schier unendliche Hölderlin-Ausgabe, die andere verwandelte sich in eine Revolutionäre Zelle und stürzte sich als Hilfstruppe der Palästinenser in den bewaffneten Kampf. Aus der Schwäbin Magdalena Cäcilia Kopp wurde "Lilly", die mit Terroristen zusammen war und bei Anschlägen mithalf. Sie folgte den Männern in den Untergrund, ging mit in den Orient und nach Osteuropa. Der venezolanische Anführer Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, verliebt sich in Lilly und schickt sie nach Paris, um mit einem Sprengstoffanschlag Schutzgeld zu erpressen. Sie wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Carlos schreibt an den deutschen und den französischen Innenminister und fordert die Freilassung seiner Freundin. Seine Truppe unternimmt Anschläge auf die französischen Eisenbahnen, um sie freizupressen. Sie wird dennoch verurteilt. Nach ihrer Freilassung bestellt Carlos sie nach Syrien. Er will ein Kind, sie bekommt es. Sie heiraten, aber bald schickt er Frau und Kind zu seiner Familie nach Venezuela. Carlos wird 1994 im Sudan verhaftet; in Frankreich verbüßt er eine lebenslange Freiheitsstrafe. Lilly kommt aus Südamerika zurück, wird wieder Magdalena Kopp und sagt über das revolutionäre Treiben der Männer aus. Das Glück kommt nicht mehr vor. In dem Film "In the Darkroom" sitzt sie zuletzt allein in ihrer Ulmer Wohnung, die "freundliche Arbeiterin der Revolution", wie sie ein alter Freund nennt. Am vergangenen Montag ist Magdalena Kopp mit 67 Jahren gestorben. | https://www.sueddeutsche.de/politik/magdalena-kopp-die-frau-die-lilly-war-1.2530890 | mlsum-de-661 |
Kanzlerin Merkel nennt Leitlinien für ein Bündnis mit den Sozialdemokraten. Die SPD macht deutlich, dass sie nicht billig zu haben sein wird. | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gegen Neuwahlen als Konsequenz aus den gescheiterten Jamaika-Sondierungen mit FDP und Grünen ausgesprochen. "Ich halte überhaupt nichts davon, wenn wir mit dem Ergebnis nichts anfangen können, dass wir die Menschen wieder bitten, neu zu wählen", sagte die CDU-Vorsitzende beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Kühlungsborn. Die SPD hatte ihr kategorisches "Nein" zu einer Regierungsbeteiligung auf Druck von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aufgegeben. Am Donnerstag kommender Woche hat Steinmeier SPD-Chef Martin Schulz, Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen, um weitere Schritte auszuloten. "Ich strebe keine große Koalition an. Ich strebe auch keine Minderheitsregierung an" Schulz betonte am Freitag beim Bundeskongress der Jusos, die eine große Koalition ablehnen: "Ich strebe keine große Koalition an. Ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe auch keine Neuwahlen an. Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen." Derweil warb SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles beim Parteinachwuchs um Unterstützung und warnte davor, vorschnell eine mögliche große Koalition abzulehnen. "Es wird hier so geredet, als ob wir schon in der GroKo wären. Das ist nicht so", sagte sie am Samstag in Saarbrücken. Eine personelle Umgestaltung schloss sie nicht aus. "Wir sind einfach zu langweilig, an uns entzünden sich nicht Geister". Durch die gescheiterten Sondierungsgespräche sei aber eine neue Lage entstanden. "Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden". Eine Entscheidung über die mögliche Neuauflage der großen Koalition im Bund wird nach Angaben von SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel aber nicht vor dem Bundesparteitag fallen, der vom 7. bis 9. Dezember stattfindet. Merkel machte unterdessen keinen Hehl aus ihrer Verärgerung darüber, dass die SPD im Wahlkampf den Erfolg des schwarz-roten Bündnisses kleingeredet habe und trotz langjähriger Regierungsbeteiligung mit der Mahnung angetreten war, es sei nun Zeit für Gerechtigkeit. Leitlinien für eine Regierungsbeteiligung der CDU, so Merkel, müssten sein, dass Deutschland vorankomme, es den Menschen besser gehe und die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt würden. Aus ihrer Sicht solle es nicht nur einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden geben, sondern auch finanzielle Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen durch Änderungen beim Soli. "Frau Merkel ist bei Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann" Mehrere SPD-Spitzenpolitiker stellten hohe Hürden für ein Bündnis mit der CDU auf. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer machte klar, dass sich die SPD von der CDU nicht "erpressen" lassen werde. "Frau Merkel ist bei Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann", sagte Dreyer dem Trierischen Volksfreund. "Was die SPD politisch umsetzen will, hat sie klar im Wahlprogramm formuliert. Das weiß Frau Merkel." Aus ihrer Sicht ist auch die Tolerierung einer Minderheitsregierung Merkels "keineswegs" vom Tisch. Parteivize Ralf Stegner sagte mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit der Union: "Den Auftrag haben wir angenommen, aber billig ist die SPD nicht zu haben." Ein Knackpunkt könnte etwa der Flüchtlingskompromiss der Union sein. Eine weitere Begrenzung des Familiennachzugs werde es mit der SPD nicht geben. Und wie geht es nun weiter? Merkel sagte in ihrer Rede bei ihrem heimatlichen Landesverband: "Es wäre wünschenswert, sehr schnell zu einer Regierung zu kommen - nicht nur zu einer geschäftsführenden." Neuwahlen will auch Steinmeier vermeiden. Das Ergebnis könnte ähnlich ausfallen wie am 24. September - und die Parteien wären keinen Schritt weiter. Zudem ist die Furcht verbreitet, die AfD könnte noch besser abschneiden. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov zufolge glauben 35 Prozent der Bürger, die AfD profitiere am stärksten vom Scheitern der Jamaika-Gespräche. Das ist weit mehr, als anderen Parteien zugesprochen wird. In der CDU stellt man sich nun auf schwierige Gespräche ein. "Das wird mit der SPD nicht einfach werden", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auf einem CDU-Landesparteitag in Neumünster. Ziel müsse eine handlungsfähige Regierung unter Führung der CDU sein. Und Merkel müsse Kanzlerin bleiben. | https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-cdu-und-spd-bringen-sich-fuer-moegliche-koalition-in-stellung-1.3765706 | mlsum-de-662 |
Dem VfL Osnabrück droht nach dem Feuerzeugwurf im DFB-Pokal eine harte Strafe. Leipzigs Trainer Ralf Rangnick unterbreitet einen anderen Vorschlag. | Leipzig bietet Wiederholungsspiel an Nach dem Abbruch des DFB-Pokalspiels zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig beim Stand von 1:0 für die Gastgeber bietet der Zweitligist aus Sachsen eine Wiederholung dieser Begegnung an. "Unser Verein steht für Fairness, Fair Play, Familienfreundlichkeit, soziales Engagement, sportlichen Wettkampf und gegenseitigen Respekt", sagte RB-Trainer und -Sportdirektor Ralf Rangnick. Gleichwohl kritisierte Rangnick auch: "Es war definitiv nicht nur ein Einzeltäter, dessen Handeln später zu dem für alle Seiten bedauerlichen Spielabbruch führte." Schon das ganze Spiel über seien "Feuerzeuge, Trinkbecher und andere Wurfgegenstände in Richtung unserer Spieler sowie unserer Auswechselspieler" geflogen. Rangnick weiter: "Wir verurteilen die unsportlichen und unfairen Taten aufs Schärfste. Dennoch bieten wir ein Wiederholungsspiel an." Der RB-Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff ergänzte: "Wir wollen und werden solchen Chaoten im Fußball keine Plattform bieten, in diesen Sport negativ einzugreifen oder ihn sogar zu bestimmen." Spielabbruch nach 71 Minuten Die Begegnung in Osnabrück konnte nach 71 Minuten nicht mehr fortgesetzt werden, weil Schiedsrichter Martin Petersen am Montagabend von einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden war. Daraufhin brach der Unparteiische das Erstrundenmatch ab. Der DFB hat bereits Ermittlungen aufgenommen. "Über die Spielwertung wird dann das DFB-Sportgericht entscheiden. Daneben geht es um die sportrechtliche Sanktion gegen den Verein, dem der Vorfall zuzurechnen ist", teilte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker am Montagabend mit. | https://www.sueddeutsche.de/sport/nach-feuerzeugwurf-im-dfb-pokal-rb-leipzig-bietet-wiederholungsspiel-an-1.2603469 | mlsum-de-663 |
2025 werden hierzulande etwa 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche in allgemeinbildende Schulen gehen. Die Entwicklung trifft die Lehranstalten unvorbereitet. | Die Zahl der Schüler in Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich stärker ansteigen als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Nach Jahren des kontinuierlichen Rückgangs erwarten die Forscher einen "Schüler-Boom": Im Jahr 2025 werden ihren Berechnungen zufolge 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in allgemeinbildende Schulen gehen. Das seien 300 000 mehr als 2015 - und mehr als eine Million mehr, als die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer aktuellsten Prognose aus dem Jahr 2013 annimmt. Diese Entwicklung treffe das Schulsystem daher weitgehend unvorbereitet. Die Studie birgt politische Brisanz, weil viele Bundesländer schon heute mit massivem Lehrermangel zu kämpfen haben. Den Bedarf zu decken, werde in Zukunft noch schwieriger, prophezeien die Autoren Klaus Klemm und Dirk Zorn. Bis zum Jahr 2025, so ihre Berechnungen, würden allein an Grundschulen mehr als 24 000 zusätzliche Lehrer benötigt. Zeitversetzt erreichten die starken Jahrgänge dann auch etwa Gymnasien, Real- und Gesamtschulen. Auch beim Schulbau gelte es, eine "deutliche Trendwende einzuleiten". Forscher sehen verhaltenen Beginn eines Trends Die Gesamtzahl der Schüler in Deutschland, also allgemeinbildende und berufsbildende Schulen zusammengenommen, war nach der Jahrtausendwende jahrelang gefallen - bis zum Jahr 2017. Im März vermeldete das Statistische Bundesamt erstmals einen leichten Anstieg um 0,3 Prozent. Für die Forscher "der verhaltene Beginn eines Trends, der enorm an Fahrt gewinnen wird". Die Gründe sehen sie einerseits im gestiegenen Zuzug nach Deutschland, wobei die Flüchtlinge nur einen vergleichsweise kleinen Effekt ausmachten. Vorangig aber, so Zorn, ergebe sich der Anstieg der Schülerzahlen aus der "dynamischen Geburtenentwicklung". Seit wenigen Jahren steigt die sogenannte Geburtenziffer wieder, zwar nur leicht, aber offenbar mit weitreichenden Folgen: "Ich war zunächst selbst überrascht, dass eine scheinbar marginale Veränderung bei der Geburtenrate sich so stark auf die Zahl der Schüler auswirkt", sagt Zorn. Auf die Bundesländer kämen erhebliche Investitionen zu Zorn und Klemm appellieren daher an die Bundesländer und Kommunen, ihre Prognosen zu überprüfen. Der "Schüler-Boom" werde regional sehr unterschiedlich ausfallen, insbesondere die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen müssten sich auf viele zusätzliche Schüler vorbereiten, ihre Zahl steige bis zum Jahr 2030 in allen Schulformen um nahezu ein Drittel. Auf die Bundesländer kämen erhebliche Investitionen zu: Im Jahr 2030, so die Kalkulation, müssten sie 4,7 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgeben als heute. Allerdings, auch dies geht aus der Prognose hervor, könnte sich der Effekt bald wieder abschwächen. Im Jahr 2030 könnte die Zahl der Grundschüler bereits wieder sinken. Zorn betont deshalb, dass es darum gehe, das Schulsystem insgesamt flexibler, "atmender" zu gestalten, damit es auf Veränderungen nach oben wie nach unten schneller reagieren könne. "Wir brauchen ein besseres Frühwarnsystem für Veränderungen in der demografischen Entwicklung", sagt er. | https://www.sueddeutsche.de/bildung/schuelerzahlen-forscher-erwarten-schueler-boom-1.3583996 | mlsum-de-664 |
Zweitligist Stusta München hofft noch auf den Aufstieg. Vorher will sich das Team gegen Handschuhsheim Selbstvertrauen holen. | Geknickt und mit hängenden Köpfen verließen sie den Platz. Verschwitzt, gezeichnet und ausgelaugt, Sandkörner aus dem stumpfen Kunstrasen noch am ganzen Körper klebend, trotteten die Rugbyspieler von Studentenstadt München (Stusta) Richtung Kabine. Soeben hatten sie das Finale der Aufstiegsrunde zur ersten Bundesliga beim Rugby Club Luxemburg, der am deutschen Ligasystem teilnimmt, mit 12:18 verloren. Stusta, zuletzt zweimal im Halbfinale gescheitert, hatte sich als Meister der zweiten Liga Süd abermals für die Aufstiegsrunde qualifiziert. Mit einem knappen Sieg über die Rugby Löwen der TGS Hausen (34:20) zogen die Studentenstädter dieses Jahr ins Finale um den direkten Bundesliga-Aufstieg ein. Am vergangenen Samstag stand die entscheidende Partie beim Absteiger aus der ersten Liga an. "Auf dem für uns ungewohnten Kunstrasen kamen wir nur langsam ins Spiel, haben uns gerade offensiv durch zahlreiche kleine Fehler immer wieder selbst ausgebremst", analysiert Stusta-Abteilungsleiter Georges Besenius. Durch unnötige Disziplinarstrafen erlitten die Münchner zudem einige Raumverluste. So führten die Gastgeber schnell komfortabel mit 18:0 und wähnten sich schon als der sichere Sieger. Doch die Gäste wurden in der zweiten Halbzeit besser. Mit zwei gelegten Versuchen in schneller Folge kamen sie auf 12:18 heran und machten die Schlussphase spannend. "Doch letztlich kam das Erwachen zu spät, wir haben erst in der Schlussphase wirklich zu unserem Spiel gefunden", erklärt Besenius. Luxemburg verteidigte das 18:12 und schaffte damit auf Anhieb den direkten Wiederaufstieg in die höchste deutsche Spielklasse. Aber auch Stusta muss noch nicht alle Hoffnungen begraben: Über ein Relegationsspiel gegen den Vorletzten der Bundesliga Süd/West haben die Studentenstädter noch eine weitere Chance, aufzusteigen. Mit einem Sieg im Entscheidungsspiel gegen den Bundesligasiebten RK Heusenstamm am Samstag, 7. Juli, können Besenius und sein Team doch noch den ersten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte feiern. "Natürlich waren wir erst einmal enttäuscht und traurig über die verpasste Chance", sagte Besenius nach dem Spiel gegen Luxemburg. "Doch wir geben nicht auf und wollen die zweite Möglichkeit nun nutzen. Wir haben schnell wieder nach vorne geschaut." Die Chancen auf einen Sieg schätzt er gut ein: Die Spitzenteams der zweiten und die Kellerkinder der ersten Liga nähmen sich vom Niveau her nicht viel, außerdem spiele Stusta diesmal zu Hause. Der Heimvorteil sei ein nicht unwesentlicher Faktor. "Auch die Paarung gegen Luxemburg hätten wir daheim vermutlich gewonnen", mutmaßt der Abteilungsleiter. Die Gelegenheit zur Generalprobe bietet sich bereits an diesem Samstag: Um 13 Uhr spielt Stusta zu Hause (Willi-Graf-Straße 2) gegen den TSV Handschuhsheim im Achtelfinale des DRV-Pokals. Der Erstligist aus Heidelberg beendete die vergangene Saison nach einer starken Rückrunde auf Rang fünf und stellt vor dem Relegationsspiel einen willkommenen Härtetest für Stusta dar. "Wir tanken noch mal Selbstvertrauen, um dann nicht wieder enttäuscht vom Platz zu schleichen", sagt Besenius. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/rugby-tankstopp-im-pokal-1.4006427 | mlsum-de-665 |
Der Debütant von Werder Bremen glänzt beim lockeren 8:0 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in San Marino mit drei Treffern. | San Marino sei kein Gegner, mindestens zweistellig müsse das werden: Das waren die Sätze, die man vor diesem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Serravalle zu hören bekam. Tatsächlich stellte sich dann heraus, dass die DFB-Elf in ihrer langen Geschichte schon den ein oder anderen besseren Gegner hatte, aber in einer Hinsicht hatte die öffentliche Meinung diesen Gastgeber unterschätzt. San Marino war ein fast unbezwingbarer Gegner für alle Reporter - bzw. für jene bedauernswerten Menschen, die immer diese Aufstellungs-Grafiken herzustellen haben. Gegen diesen besonders kleinen Gegner würde Bundestrainer Löw seine Elf bestimmt auch besonders anordnen, das war die allgemeine Einschätzung - so gab eine Nachrichtenagentur ein Schema heraus, in dem nur ein einziger (!) Spieler in der Abwehr stand (Mats Hummels) und Joshua Kimmich auf dem rechten offensiven Flügel; eine andere Agentur machte den Debütanten Benjamin Henrichs zum Innenverteidiger in einer Dreierkette - gemessen an diesen abenteuerlichen Varianten geriet Löws Elf geradezu enttäuschend konservativ. Sein - auf den ersten Blick - fast klassisches 4-2-3-1 reichte aber selbstverständlich ebenfalls locker aus, um den Kleinsten der Kleinen mit 8:0 zu besiegen und die Führung in der Qualifikationsstabelle locker zu behaupten. Besser als Brasilien wolle man sein, das hatten die Männer aus San Marino vor dem Spiel als Ziel ausgegeben und dabei eher nicht an die grundsätzliche Qualität gedacht. Gemeint war: Besser als Brasilien in Belo Horizonte im Juli 2014 - damals unterlagen die WM-Gastgeber der deutschen Elf, wie sich inzwischen herumgesprochen hat, mit 1:7. Am Ende verfehlte der 201. der Weltrangliste sein schönes Ziel - auch, weil die DFB-Elf bis zum Schluss konzentriert und seriös blieb. Debüt für Henrichs und Gnabry "Wir haben vor dem Spiel gesagt, wir wollen möglichst viele Tore erzielen und den Gegner ständig laufen lassen", sagte Löw später. So schickte der Bundestrainer auch gegen die naturgemäß überforderten Amateure eine mutige und sehr ernst gemeinte Elf aufs Feld - es war kein Widerspruch, dass er dabei den Neulingen Benjamin Henrichs (Bayer Leverkusen) und Serge Gnabry (Werder Bremen) vertraute. Natürlich war San Marino ein debüttauglicher Gegner, dennoch passten diese Personalien perfekt in die Logik dieses Abends. In Erwartung eines extrem defensiven Gegners hatte Löw alle Positionen extrem offensiv besetzt und fast alle Offensivspieler gebracht, die sein Kader hergab - auch den angriffslustigen Rechtsverteidiger Henrichs und den dribbelstarken Linksaußen Gnabry. Auf der Bank saßen nur zwei Offensive (Volland, Meyer) - ansonsten stapelten sich auf der Bank die Defensiven (Höwedes, Mustafi, Tah, Gerhardt, Goretzka, Rudy, Weigl), deren Qualitäten gegen diesen Gegner nicht gebraucht wurden. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-gnabry-tanzt-im-regen-1.3246706 | mlsum-de-666 |
Deutschlands Kanuten überzeugen mit Medaillen und Herz. Deutschlands Basketballer beklagen den nächsten EM-Ausfall. Leverkusens Zugang Charles Aránguiz reißt sich die Achillessehne. | Kanu, WM in Mailand: Canadier-Olympiasieger Sebastian Brendel hat seinen Titel bei den Kanu-Weltmeisterschaften in Mailand erfolgreich verteidigt. Der 27 Jahre alte Europameister aus Potsdam setzte sich auf seiner 1000-Meter-Paradestrecke dank eines starken Schlussspurts noch mit 17 Tausendstelsekunden Vorsprung hauchdünn vor dem Tschechen Martin Fuksa durch und sicherte dem Deutschen Kanu-Verband (DKV) damit auch einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele in Rio. Gold holten auch Max Rendschmidt und Marcus Groß 1000 Meter. Die Europameister aus Essen und Berlin setzten sich vor den Australiern Kenny Wallace/Lachlan Tame durch. Rendschmidt/Groß hatten schon bei der Heim-WM vor zwei Jahren in Duisburg den Titel geholt. Groß machte nach dem Erolg seiner langjährigen Freundin Kathi einen Heiratsantrag. "Das war eine Kurzschlussreaktion. Ich hatte den Ring zwar eingesteckt, den hatte ich aber schon öfter dabei", sagte der Berliner, der den Antrag unmittelbar nach der Siegerehrung machte. Kathi sagte "Ja", einen Hochzeitstermin gibt es aber noch nicht. Ende Februar erwartet das Paar das erste Kind. Vor dem Antrag fragte Groß seinen Essener Partner Rendschmidt noch nach seiner Meinung, dieser gab sein "Okay", obwohl "ich mit ihm fast mehr Zeit verbringe als sie". Basketball, EM: Die Nationalmannschaft muss ohne Maik Zirbes auskommen. Der Center von Roter Stern Belgrad hat sich am Freitag im Länderspiel gegen Lettland in Hamburg (85:80) eine Bänderverletzung im Knöchel zugezogen und kann nicht auflaufen. Dies gab der Deutsche Basketball Bund (DBB) bekannt. Zirbes war beim Supercup im Auftaktspiel früh umgeknickt und in die Kabine gehumpelt. Später am Abend erhielt der DBB die bittere Diagnose. "Maiks Ausfall ist natürlich ein herber Verlust für uns. Er hat uns eine Menge Stabilität gegeben. Die Situation ist sehr enttäuschend, weil er so gut gespielt hat und uns sehr fehlen wird", sagte Bundestrainer Chris Fleming. Zirbes ist nicht der erste Ausfall für die EuroBasket mit der Heimvorrunde in Berlin. Per Günther (ratiopharm Ulm) hatte frühzeitig wegen seiner Verletzungsprobleme in der abgelaufenen Bundesliga-Saison abgesagt, Elias Harris und Daniel Theis vom deutschen Meister Brose Baskets Bamberg wurden nach Operationen nicht schnell genug fit. Formel 1, Großer Preis von Belgien: Trotz eines Reifenschadens hat Nico Rosberg im Freitagstraining zum Formel-1-Grand-Prix von Belgien die Bestzeit aufgestellt. Der 30-Jährige verwies seinen Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton in Spa-Francorchamps auf den zweiten Rang. Rund 25 Minuten vor Ende der zweiten Übungseinheit musste Rosberg aber seinen Silberpfeil vorzeitig abstellen, nachdem sich der rechte Hinterreifen plötzlich bei 306 km/h abgelöst hatte. "Ich fuhr Höchstgeschwindigkeit, das war also nicht gut", sagte Rosberg der BBC. Mercedes-Technikchef Paddy Lowe reagierte völlig verwundert: "So etwas habe ich noch nie gesehen." Reifenlieferant Pirelli kündigte umgehend Aufklärung an. "Wir untersuchen genau, was mit dem Reifen passiert ist", schrieben die Italiener bei Twitter. Dritter wurde Vorjahressieger Daniel Ricciardo im Red Bull. Force-India-Mann Nico Hülkenberg landete auf Position sechs. Sebastian Vettel wurde im Ferrari nur Zehnter. Bayer Leverkusen: Bayer Leverkusen muss monatelang auf Neuzugang Charles Aránguiz verzichten. Der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler habe sich im Training des Werksklubs einen Achillessehnenriss zugezogen, berichtete zuerst die chilenische Zeitung La Tercera. Der Verein hat die Verletzung mittlerweile bestätigt. Bei der Pressekonferenz vor dem bevorstehenden Bundesligaspiel bei Hannover 96 hatte Trainer Roger Schmidt am Donnerstag den Neuzugang ausdrücklich nach den ersten Trainingseindrücken gelobt, allerdings den Zeitpunkt von dessen Debüt im Bayer-Trikot offen gelassen. Aránguiz war erst am vergangenen Freitag in Leverkusen vorgestellt worden. Er unterschrieb einen Vertrag bis 2020. Bayer soll für ihn etwa 13 Millionen Euro an den brasilianischen Spitzenclub Internacional Porto Alegre überwiesen haben. VfL Osnabrück: Der Feuerzeugwerfer vom DFB-Pokalspiel VfL Osnabrück gegen RB Leipzig ist ermittelt. Es handelt sich dabei um einen jungen Mann im Alter zwischen 18 und 21 Jahren aus Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Das teilten die Polizei und Staatsanwaltschaft Osnabrück am Freitag mit. Zuvor hatte es eine Hausdurchsuchung bei dem Mann gegeben, der die Tat einräumte. Gegen ihn läuft nun ein Strafverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Dabei könnte noch das Jugendstrafrecht angewandt werden. Ob auch der VfL zivilrechtlich gegen ihn vorgeht, war am Freitagmittag noch nicht entschieden. Der Beschuldigte hatte beim Erstrundenspiel im DFB-Pokal am 10. August ein Feuerzeug aufs Spielfeld geworfen und Schiedsrichter Martin Petersen am Kopf getroffen. Das Spiel war daraufhin in der 71. Minute und beim Stand von 1:0 für den Drittligisten Osnabrück abgebrochen worden. Später wurde die Partie zugunsten des Zweitligisten Leipzig gewertet, der nun in der zweiten Pokalrunde in Unterhaching spielt. Osnabrück drohen zudem noch Sanktionen. Bislang sei aber noch kein Strafantrag durch den DFB-Kontrollausschuss gestellt worden, teilte VfL-Präsident Hermann Queckenstedt mit. | https://www.sueddeutsche.de/sport/kanu-wm-in-mailand-erst-gold-dann-heiratsantrag-1.2617519 | mlsum-de-667 |
Er rettete sich selbst und ließ die Passagiere im Chaos zurück: Feige hat sich Kapitän Schettino nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nach der Havarie der "Costa Concordia" verhalten. Nun fordern die Ankläger eine lange Haftstrafe. | 26 Jahre Haft gefordert Feige hat sich Kapitän Francesco Schettino nach Ansicht der Anklage nach der Havarie der Costa Concordia verhalten - er habe sich selbst gerettet und die Passagiere im Chaos zurückgelassen. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll er deswegen 26 Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das forderte die Anklage zum Abschluss ihres mehrtägigen Plädoyers am Montag vor dem Gericht im toskanischen Grosseto, berichtet die Nachrichtenagentur Ansa. Bei der Havarie des Kreuzfahrtschiffs vor der Mittelmeer-Insel Giglio waren im Januar 2012 insgesamt 32 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen auch zwölf Deutsche. Schettino muss sich seit Juli 2013 vor Gericht verantworten. Dem 54-Jährigen werden unter anderem fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen. Anklage spricht von schweren Fehlern Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Reihe von Fehlern Schettinos aufgezählt. "Schettino und seine Crew hätten auf der Costa Concordia bleiben müssen, bis der letzte Passagier von Bord war. Stattdessen hat er entschieden, seinen Vorteil zu nutzen und vom Schiff zu fliehen", sagte Staatsanwalt Alessandro Leopizzi. Zudem habe der 54-Jährige nur zögerlich Alarm ausgelöst und bei den Behörden falsche Angaben gemacht. Schettino selbst hatte in dem Prozess jede Schuld am Unglück des Kreuzfahrtschiffes von sich gewiesen. Auf dem Schiff sei er als Kommandant zwar "der erste nach Gott". Trotzdem hätten insbesondere seine Stellvertreter auf der Brücke entscheidende Fehler gemacht. Ein Urteil wird frühestens für den 9. Februar erwartet. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/costa-concordia-kapitaen-schettino-staatsanwaltschaft-fordert-mehr-als-26-jahre-haft-1.2321420 | mlsum-de-668 |
Der Gastgeber dreht das hart umkämpfte Bayernliga-Derby mit vier Toren in den Schlussminuten und gewinnt gegen Aufsteiger Ismaning glücklich 30:28. | Die kurze Zusammenfassung auf der Facebookseite der Unterhachinger Handballer war eindeutig: "Schön ist anders, aber: Derbysieger", war da zu lesen. Mit 30:28 (16:13) hatte die Mannschaft von Trainer Christian Sorger am Wochenende die Bayernligapartie gegen den Aufsteiger TSV Ismaning für sich entschieden - und der Coach wollte dem prägnanten Resümee im Internet auch gar nicht widersprechen: "Ismaning ist im Aufwind, sie sind nicht so schlecht, wie sie dastehen. Und wir sind denen ein bisschen in die Falle getappt." Dramatisch ging es her, vor allem in der Schlussphase. Zunächst allerdings hatte Haching die Partie ziemlich gut im Griff: Nur einmal lag man kurz hinten, ansonsten kontrollierten die Gastgeber vor etwa 500 Zuschauern in der Hachinga Halle das Geschehen. Zur Halbzeit führte Haching mit drei Treffern, einen möglichen Vier-Tore-Vorsprung verwarf Christoph Behm unmittelbar vor der Pausensirene. "Es war zu Beginn ein typisches Derby, beide Mannschaften haben etwas gebraucht, bis sie in den Rhythmus kamen", fand Sorger. Sein Gegenüber Christoph Ilg, der zusammen mit Rudi Heiss seit der Trennung von Thomas Eck für die Ismaninger Männer zuständig ist, war gar nicht einverstanden mit der Leistung seiner Truppe vor der Pause: "Wir haben den ersten Durchgang etwas verbockt, sind nie richtig in unser schnelles Angriffsspiel gekommen." Das änderte sich im zweiten Abschnitt, denn jetzt nahm sich Ismanings Florian Elsinger des Hachinger Topscorers Martin Dauhrer an. "Wir haben gemerkt, dass unsere 6:0-Deckung nicht funktioniert gegen die guten Kombinationen der Hachinger", so Ilg. Außerdem habe man spekuliert, dass der Gegner den Torwart herausnimmt, um Überzahl zu schaffen und so die Deckung Dauhrers zu kompensieren. Was Haching prompt tat, war zudem in der Folge im Passspiel zu ungenau, schloss zu früh ab und lud dadurch die Gäste zum Toreschießen ein: Dreimal traf Ismaning in dieser Phase ins leere Tor. "Dabei liegt uns das Sieben-gegen-Sechs eigentlich", sagte Trainer Sorger, "wir haben diese Saison bisher nur ein Empty-Net-Gegentor kassiert. Und diesmal gleich drei." Beim Stande von 26:28 korrigierte Sorger seine Taktik, die letzten paar Minuten waren dann vom Kampf geprägt. Julian Beiche brachte Haching mit 29:28 in Führung, dann nagelte Ismanings Yannick Teschner den Ball an die Latte. "Der Knackpunkt war die Zwei-Minuten-Strafe gegen Benedikt Simon vier Minuten vor dem Ende", sagte Ismanings Trainer Heiss. Prompt krönte Philipp Heinle seine überragende Leistung mit dem zehnten Treffer und fixierte den 30:28-Sieg für Haching. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", resümierte Coach Sorger: "14:10 Punkte sind super. Noch zwei, drei Siege, dann können wir uns neuen Zielen zuwenden." Christoph Ilg haderte noch mit der roten Karte gegen Olaf Neumann, dem eine Sperre droht, nahm die Niederlage aber nicht weiter tragisch: "Wir wollen wieder eine Einheit werden, und da sind wir auf einem guten Weg." | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handball-hachinger-veilchen-1.3796916 | mlsum-de-669 |
Als unbezahlter Praktikant bei den UN in Genf schlief er im Zelt. Nun sagt der 22-jährige Neuseeländer, dass er mit der Aktion nur auf einen Missstand aufmerksam machen wollte. | Hinweis auf die "Scheinheiligkeit" unbezahlter Arbeit Mit seiner Aktion erregte er Aufsehen, nun stellt sich das Ganze als PR-Aktion heraus: Ein aus Neuseeland stammender Praktikant der Vereinten Nationen in Genf hat eingeräumt, dass er mit seinen angeblich aus Geldmangel in einem Zelt verbrachten Nächten nur die Öffentlichkeit alarmieren wollte. Er habe auf die "Scheinheiligkeit" unbezahlter Arbeit hinweisen wollen, sagte der 22-jährige David Hyde dem Online-Portal The Intercept. Er habe sich unter anderem für das Zelt als Behausung entschieden, weil er um "die wirkungsvollen Bilder" wusste, die die Aktion nach sich ziehen würde. Wie SZ.de berichtet hat Auch SZ.de hatte über den Fall berichtet. Im Gespräch hatte Hyde behauptet: "Für mich war die Sache mit dem Zelt einfach eine praktische Lösung. Warum also nicht? Wenn ich den Sommer über im Zelt gelebt hätte, hätte ich hoffentlich genug Geld sparen können, um vielleicht im Winter dann ein Zimmer zu mieten." Auch sagte er am Dienstag, dass er nun Angst habe, sein Praktikum nicht fortsetzen zu können. Als er am Mittwoch, also tags darauf, plötzlich sein Praktikum - angeblich wegen der medialen Aufmerksamkeit - für beendet erklärte, sagte er: "Nennt mich jung und idealistisch, aber ich denke nicht, dass das ein gerechtes System ist." Ein UN-Sprecher hatte am Dienstag erklärt, die UN würden Praktikanten gern entlohnen, wegen einer Resolution der Generalversammlung sei dies aber bislang nicht möglich. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/vereinte-nationen-zeltender-un-praktikant-erklaert-seine-motive-1.2608510 | mlsum-de-670 |
Julia Görges kann gegen Tschechien nur eins, Angelique Kerber kein einziges ihrer Einzel gewinnen. Damit ist das Team noch vor dem Doppel ausgeschieden. | Die deutschen Fed-Cup-Frauen sind im Halbfinale gegen Tschechien klar gescheitert. Angelique Kerber verlor am Sonntag in Stuttgart auch ihr zweites Einzel gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova mit 2:6, 2:6. Obwohl die deutsche Nummer eins Julia Görges zuvor 6:4, 6:2 gegen Karolina Pliskova gewonnen hatte, führen die Tschechinnen damit uneinholbar mit 3:1. Im abschließenden Doppel geht es für Tatjana Maria und Anna-Lena Grönefeld gegen Barbora Strycova und Katerina Siniakova nur noch um Ergebniskosmetik, denn am Tag zuvor waren die deutschen Frauen ohne Satzgewinn geblieben. Zunächst verlor Görges in nur 63 Minuten 3:6, 2:6 gegen Kvitova, anschließend die frühere Weltranglistenerste Kerber gegen Tschechiens Spitzenspielerin Pliskova 5:7, 3:6. Nur einmal kurz keimte Hoffnung auf Am Sonntag präsentierte sich jedoch zumindest Görges wie ausgewechselt. Mit starkem Service kontrollierte die Weltranglistenelfte gegen Pliskova die Partie. Nur 27 Minuten benötigte Görges zum Gewinn des ersten Satzes, nutzte im zweiten Durchgang ihre ersten beiden Breakchancen eiskalt und beendete das Match nach 55 Minuten mit einem Ass. Doch die Hoffnung auf ein Comeback der DTB-Auswahl keimte nur kurz auf. Kerber kassierte gegen Kvitova im ersten Durchgang drei Breaks und hatte große Probleme in die Partie zu finden. Auch im zweiten Durchgang konnte Kerber Kvitova kaum einmal längere Ballwechsel aufzwingen. So machte die aufschlagstarke Tschechin am Ende kurzen Prozess. Damit verpasste die DTB-Auswahl neben dem insgesamt achten Finaleinzug im Nationenwettbewerb auch die Revanche für die Endspielpleite von 2014. Von nunmehr neun Fed-Cup-Begegnungen mit Tschechien konnte Deutschland überhaupt erst eine einzige (1987) für sich entscheiden. Die Tschechinnen, die in den letzten sieben Jahren fünfmal den Titel gewonnen hat, treffen nun im Finale auf den Sieger der Partie zwischen Frankreich und den USA. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fed-cup-deutsche-tennis-damen-verpassen-finaleinzug-1.3955070 | mlsum-de-671 |
Bei einer Schießerei im Mailänder Justizpalast sind drei Menschen getötet worden. Mehrere Menschen wurden verletzt. Der Täter wurde nach Angaben des Innenministers mittlerweile festgenommen. | Mehrere Tote und Verletzte Bei einer Schießerei in einem Mailänder Gericht sind ersten Erkenntnissen zufolge drei Menschen getötet worden. Zwei Menschen seien durch Schüsse ums Leben gekommen, ein weiteres Opfer sei tot in dem Gerichtsgebäude gefunden worden, teilten die Rettungskräfte mit. Catturato a Vimercate il presunto assassino di Milano. Ora si trova in caserma dei Carabinieri. — Angelino Alfano (@angealfa) 9. April 2015 Der mutmaßliche Täter wurde von der Polizei festgenommen, wie Innenminister Angelino Alfano auf Twitter bestätigte. Unter den Toten sind ein Richter und ein Anwalt. Mindestens zwei Menschen seien schwer verletzt worden, mehrere weitere leicht. Täter flüchtet mit Motorroller Der Mann, der den Berichten zufolge in einem Insolvenzprozess angeklagt war, war mit einem Motorroller geflüchtet und konnte schließlich von Beamten gestellt werden. Zunächst hatten ihn die Einsatzkräfte noch im Gebäude vermutet, weshalb das Gericht evakuiert wurde und Sicherheitskräfte die Eingänge absperrten. "Plötzlich hörten wir mindestens drei bis vier Schüsse", berichtete der Anwalt Marcello Ilia der Nachrichtenagentur AFP. "Wir fragten uns noch, was los ist, als eine große Zahl von Polizisten auftauchte. Sie forderten uns auf, den Raum nicht zu verlassen und schlossen uns ein." Nach wenigen Minuten seien sie wieder aus dem Raum gelassen und zum Ausgang gebracht worden. "Sie sagten uns, ein bewaffneter Mann im Anzug und mit Krawatte halte sich im Gericht auf." Der Justizpalast steht im historischen Zentrum von Mailand, nur wenige Straßen vom Dom und dem Geschäftsviertel entfernt. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/italien-angeklagter-erschiesst-im-mailaender-justizpalast-drei-menschen-1.2427633 | mlsum-de-672 |
Wegen einer unsportlichen Aktion muss der junge Aufbau der Atlanta Hawks eine Partie aussetzen. Der arabische Präsident von Paris St. Germain kritisiert Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge. Sepp Blatter spottet über einen Vorschlag von Michel Platini. | Basketball, NBA: Der deutsche Rookie Dennis Schröder ist wegen unsportlichen Verhaltens beim 105:100-Sieg seiner Atlanta Hawks am Mittwoch bei den Sacramento Kings für ein Spiel gesperrt worden. Das gab die nordamerikanische Basketball-Profiliga am Donnerstag bekannt. Der 20 Jahre alte Guard hatte im letzten Viertel der Partie seinem Gegenspieler DeMarcus Cousins in die Leistengegend geschlagen. Schröder, dem gegen Sacramento sechs Punkte und sieben Assists gelangen, wird die Sperre im Auswärtsspiel bei den Denver Nuggets am Donnerstagabend absitzen. Fußball, Karl-Heinz Rummenigge: Der Präsident des französischen Meisters Paris St. Germain hat Bayern Münchens Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge für dessen wiederholte Kritik am Finanzgebaren seines Klubs kritisiert. "Ich kann nur sagen, dass sie sich auf ihren Klub beschränken sollten, denn sie wissen gar nicht, was wir hier machen", sagte Nasser Al-Khelaifi Sky Sport News HD. Rummenigge hatte immer wieder die hohen Transferausgaben der Franzosen kritisiert und die Uefa zu einer konsequenten Durchsetzung des Financial Fairplay aufgefordert. "Wir haben versucht, mit Bayern in Kontakt zu kommen. Ich möchte die Kritik einfach verstehen. Die Diskussion würde zwischen ihm und mir ablaufen und natürlich nicht in den Medien. Nicht um irgendwen zu kritisieren, sondern um einander zu helfen. Das ist nur Fußball", sagte Al-Khelaifi. PSG wird seit Mai 2011 von der Investorengruppe Qatar Sport Investment (QSI) mit Millionenbeträgen unterstützt und hat seitdem eine Vielzahl neuer Stars verpflichtet, darunter Zlatan Ibrahimovic. Deutliche Worte fand Al-Khelaifi auch für DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, der sich zuletzt ähnlich wie Rummenigge geäußert hatte. "Seifert ist DFL-Vorsitzender und hat mit Frankreich nichts zu tun, er sollte sich auf seine Liga konzentrieren. Ehrlich gesagt, bin ich enttäuscht und weiß nicht, worüber sich die Leute Sorgen machen", sagte Al-Khelaifi: "Sind sie neidisch? Haben sie Angst? Ich brauche eine klare Ansage, um zu sehen, was sie genau wollen." Olympia, Bewerbung: Als fünfter Konkurrent einer möglichen Münchner Olympia-Kandidatur bewirbt sich auch Polen mit Krakau um die Winterspiele 2022. Das teilte das Nationale Olympische Komitee von Polen am Donnerstag mit. Die Pläne sehen dabei eine Kooperation mit Nachbar Slowakei vor, wo die alpinen Ski-Veranstaltungen ausgetragen werden sollen. Damit haben eine Woche vor dem Bewerbungsschluss fünf Kandidaten ihr Interesse bekräftigt. Zuvor hatten schon Oslo, Almaty, Peking und Lwiw ihre Bewerbung angekündigt. Bis zum 14. November müssen alle Kandidatenstädte erste Dokumente beim IOC abgegeben haben. Für diesen Sonntag sind in München, Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden Bürgerentscheide angesetzt, nach denen eine endgültige Entscheidung über eine erneute Kandidatur der Isar-Metropole fallen wird. Fifa, WM: Joseph S. Blatter hat mit Spott auf den Vorschlag von Michel Platini reagiert, die Fußball-Weltmeisterschaft statt mit 32 künftig mit 40 Teams austragen zu wollen. "Die Anzahl der Teams auf 40 erhöhen? Warum nicht 48, 64 oder 128?", fragte der Präsident des Weltverbandes im Rahmen einer Iran-Reise am Mittwoch mit beißender Ironie in Richtung des Präsidenten der Uefa. Der Franzose Platini hatte Blatters Wunsch, die WM-Teilnehmerzahl zu reduzieren, Ende Oktober postwendend mit einer möglichen Erhöhung gekontert. "Wir spielen die WM mit 32 Mannschaften, denn wenn wir die Qualität des Turniers beibehalten wollen, können wir die Teilnehmerzahl nicht erhöhen", sagte der 77 Jahre alte Schweizer in Teheran. Platini erhofft sich von der Steigerung mehr Startplätze für die Kontinente Afrika, Asien, Ozeanien und Nordamerika. "Mit 40 Mannschaften hätte man acht Gruppen mit fünf Teams. Nach unseren Berechnungen würde das die WM um drei Tage verlängern", sagte Blatter der Nachrichtenagentur AFP. Die beiden Verbandsbosse hatten sich in den vergangenen Wochen wiederholt Scharmützel um den künftigen Kurs bei Fußball-Großveranstaltungen geliefert. Platini gilt als aussichtsreicher Kandidat auf die Nachfolge des Schweizers Blatter, der die Fifa seit 1998 führt. Fußball, Sead Kolasinac: Abwehrspieler Sead Kolasinac vom Fußball-Bundesligisten Schalke 04 hat sich gegen weitere Einsätze für Deutschland entschieden und will sich mit Bosnien-Herzegowina den Traum von einer WM-Teilnahme erfüllen. Nationaltrainer Safet Susic berief den 20-Jährigen, der für die U19 und U20 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) insgesamt 13 Spiele (2 Tore) absolviert hat, in den Kader für das A-Länderspiel gegen Argentinien am 18. November in St. Louis/US-Bundestaat Missouri. Wie Bosniens nationaler Fußball-Verband NFSBIH mitteilte, hatder Weltverband FIFA grünes Licht für einen Wechsel gegeben. Kolasinac (19 Bundesligaspiele) ist in Karlsruhe geboren, seine Eltern kommen aus Bosnien. Er stand im Kader der deutschen U21-Nationalmannschaft für die EM 2013 in Israel, blieb aber ohne Einsatz. Bosnien-Herzegowina hatte sich am 15. Oktober als Sieger der Qualifikationsgruppe G das Ticket zur WM 2014 (12. Juni bis 13. Juli) in Brasilien gesichert. Für die Bosnier ist es die erste WM-Teilnahme. Basketball, Würzburg: Die Entscheidung über die Zukunft der Baskets Würzburg ist vertagt worden. Der verschuldete Heimatverein von Weltstar Dirk Nowitzki erhielt vom Lizenzligaausschuss der Basketball Bundesliga (BBL) eine Frist bis zum 29. November, um "weitere substanzielle Unterlagen beizubringen, die eine positive Fortführungsprognose ermöglichen". Dies sagte BBL-Präsident Thomas Braumann als neuer Vorsitzender des Ausschusses. Eine Entscheidung darüber, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klubs auch künftig gegeben ist und ob es Sanktionen wegen des Verstoßes gegen das Lizenzstatut gibt, soll in der ersten Dezember-Woche fallen. Würzburg droht eine Geldstrafe oder ein Punktabzug, die Lizenz ist nach derzeitigem Stand nicht in Gefahr. Der Verlust der Unterfranken betrug nach dem abgelaufenen Geschäftsjahr zum 30. Juni 2013 835.000 Euro. Die BBL hat Würzburg inzwischen Spielereinkäufe untersagt. "Mit dieser Fristverlängerung möchten wir den s.Oliver Baskets ermöglichen, sich mit Hilfe von Sponsoren und Partnern eine positive Fortführungsprognose zu erarbeiten", erklärte Braumann. Fußball, FC St. Pauli: Der bisherige Assistenztrainer Roland Vrabec wird beim FC St. Pauli mindestens bis zur Winterpause die Nachfolge des am Mittwoch beurlaubten Michael Frontzeck antreten. Dies gab der Fußball-Zweitligist am Donnerstag bekannt. Ursprünglich sahen die Planungen der Hamburger vor, in der Länderspielpause nach der Heimpartie am Montag kommender Woche gegen Energie Cottbus über die Besetzung des Cheftrainerpostens zu entscheiden. Der 39-Jährige besitzt alle erforderlichen Lizenzen und könnte die Mannschaft auch auf Dauer betreuen. 24 Stunden nach seiner Entlassung bedauerte Frontzeck die Trennung erneut. "Es macht mich traurig und ist schade, weil vieles auf dem richtigen Weg war", sagte der Coach bei Sky Sports News HD. Die Hanseaten hatten die Entlassung des 49-Jährigen damit begründet, dass Frontzeck ultimativ eine Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrages noch vor der Winterpause gefordert habe. Basketball, NBA: Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks haben auch ihr zweites Auswärtsspiel dieser Saison in der nordamerikanischen Basketballliga NBA verloren. Nach zwei Heimsiegen in Serie unterlagen die Texaner am Mittwoch (Ortszeit) bei den Oklahoma City Thunder mit 93:107. Damit haben die Mavs seit elf Partien nicht mehr gegen ihren Rivalen aus der Western Conference gewinnen können. Nowitzki kam auf 16 Punkte, bester Scorer für Dallas war Monta Ellis mit 20 Zählern. Bei Oklahoma City ragte das All-Star-Duo Kevin Durant (23) und Russell Westbrook (22) heraus. Mit einer Bilanz von drei Siegen aus fünf Partien liegt Dallas im Westen auf dem achten und letzten Playoffplatz. 2. Bundesliga, Cottbus: Stephan Schmidt soll den Fußball-Zweitligisten FC Energie Cottbus vor dem Abstieg bewahren. Wie der Verein am Mittwoch mitteilte, wird der 37 Jahre alte Nachfolger des am Dienstag beurlaubten Trainers Rudi Bommer. Der Wunschkandidat der Lausitzer wird bereits am Donnerstag um 10.00 Uhr das Training leiten und um 12.30 Uhr auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Schmidt erhielt nach Vereinsangaben einen Vertrag bis 2016. Schmidt soll wie zuvor Bommer neben dem Trainer-Job auch das Amt des Sportdirektors ausüben. Der gebürtige Berliner war am 5. Mai beim Liga-Konkurrenten SC Paderborn entlassen worden. Er feierte seinen größten Erfolg als Trainer mit dem Gewinn der U19-Meisterschaft beim VfL Wolfsburg, wo er zwischen 2009 und 2012 tätig war. In seiner aktiven Laufbahn hatte er unter anderem beim SV Babelsberg, Preußen Münster und in der zweiten Mannschaft von Hertha BSC gekickt. "Bisher habe ich nur als Kontrahent respektvoll zum FC Energie aufgeschaut. Um die Bedingungen, den namhaften Kader, die wirtschaftliche Stabilität und die Möglichkeiten im Nachwuchsbereich beneiden viele Zweitligisten Cottbus", erklärte Schmidt. "Die sportlichen Geschicke nun mitgestalten zu können, ist eine große Herausforderung", sagte er bei seiner Vertragsunterschrift. Ski alpin, Lindsey Vonn: Neun Monate nach dem schweren Sturz bei der alpinen Ski-WM hat Olympiasiegerin Lindsey Vonn erfolgreich ihr erstes Abfahrtstraining absolviert. Die 29 Jahre alte Amerikanerin unternahm am Mittwoch (Ortszeit) fünf Schussfahrten im US Ski Team Speedcenter in Copper Mountain. "Ich fühle mich frisch und trainiere hart. Alles ist perfekt", sagte die viermalige Gesamtweltcupsiegerin. Vonn hatte Ende Oktober noch auf den Saisonauftakt im Riesenslalom von Sölden verzichtet und peilt ihr Weltcup-Comeback bei den Speed-Rennen in Beaver Creek Ende dieses Monats an. Sie hatte sich bei der WM in Schladming schwer am rechten Knie verletzt. Handball, Bundesliga: Rekordmeister und Titelverteidiger THW Kiel hat seine Vormachtstellung in der Handball-Bundesliga eindrucksvoll untermauert. In einem hochklassigen Spitzenspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen setzte sich der Tabellenführer 31:28 (14:13) durch und baute das Polster an der Spitze mit 22:2 Zählern auf drei Punkte aus. Die Löwen (17:7), die in der Liga seit dem 6. April 2011 und sieben Spielen auf einen Sieg gegen Kiel warten, rutschten dagegen auf den fünften Platz ab. Zuvor hatten der HSV Hamburg (18:4) und die SG Flensburg-Handewitt (19:5) ihre Spiele gewonnen und den Druck in der Spitzengruppe erhöht. Der Champions-League-Sieger aus Hamburg setzte sich 32:24 (13:12) gegen den SC Magdeburg durch, Flensburg kam zu einem 29:25 (15:12)-Sieg bei der HSG Wetzlar. | https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-in-den-usa-dennis-schroeder-fuer-ein-nba-spiel-gesperrt-1.1813313 | mlsum-de-673 |
Die Bundesbank schlägt vor, die Europäische Kommission zu entmachten und den Euro-Rettungsfonds ESM zu stärken. | Der Ärger in Berlin war bekannt. Die Bundesregierung merkt seit längerem an, dass sie es für falsch hält, wenn die Europäische Kommission ihren politischen Spielraum bei der Bewertung der Haushaltslage von Euro-Ländern aus ihrer Sicht zu weit dehnt. Erst recht, wenn es darum geht, die Lage in Krisenländern zu bewerten, die sich vorübergehend mit Krediten aus dem Euro-Rettungsfonds ESM finanzieren. Auch die Rolle der Europäischen Zentralbank bei der Bewertung der Krisenländer stand wegen möglicher Interessenkonflikte in der Kritik. Die Bundesbank hat nun am Montag einen Vorschlag gemacht, der diese Kritik aufgreift. Die deutsche Notenbank schlägt in ihrem Monatsbericht vor, den Euro-Rettungsfonds ESM weiter zu stärken. Dazu sollen bisherige Aufgaben der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank auf den Fonds übertragen werden. Es ist ein Vorschlag, der die europäischen Institutionen schwächt und die Verantwortung für Entscheidungen in der Euro-Zone verstärkt nationalen Regierungen überträgt. Der Vorschlag läuft grundsätzlich darauf hinaus, den ESM zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Die Bundesbank möchte den Euro-Rettungsfonds ESM bei der Bewältigung künftiger Staatsschuldenkrisen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Dem ESM könnte die Aufgabe übertragen werden, die konjunkturelle Entwicklung des Krisenlandes einzuschätzen, die Schuldentragfähigkeit zu bewerten und den konkreten Finanzbedarf zu ermitteln, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht weiter. "Die Programmumsetzung könnte künftig ebenfalls durch den ESM überwacht werden." Ideenpaket, um den Krisenlösungsmechanismus langfristig zu verbessern Bisher hat diese Aufgaben die sogenannte Troika übernommen: Die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds. Geht es nach der Bundesbank, würde sich künftig statt der beiden europäischen Institutionen der ESM um diese Aufgabe kümmern. Aus Sicht der Notenbank ist dieser Vorschlag logisch, weil auch die Eigentümer des ESM, nämlich die Euro-Länder, die Kredite für Krisenländer zur Verfügung stellen. Die Bundesbank will mit dem Vorschlag Ansatzpunkte liefern, "um den Krisenlösungsmechanismus mittel- bis langfristig zu verbessern". Der Euro-Rettungsfonds ESM wurde im Jahr 2012 als dauerhafter Rettungsfonds gegründet, um Euro-Staaten bei drohender Zahlungsunfähigkeiten Kredite gegen Verpflichtungen zu Reformen und Sparauflagen bereit zu stellen. Das dritte Kreditprogramm für Griechenland umfasst Zusagen des ESM bis zu 86 Milliarden Euro. Die Bundesbank wiederholte zudem ihren Vorschlag, dass sich die Laufzeiten von Anleihen für private Gläubiger automatisch um drei Jahre verlängern, sobald ein Staat ein Kreditprogramm beantragt. Damit werde der Finanzbedarf erheblich gesenkt und zudem verhindert, dass die Anleihen am Ende bei den anderen Euro-Staaten landeten, heißt es zur Begründung. Zudem spricht sich die Notenbank dafür aus, dass Euro-Staaten künftig nur noch solche Anleihen begeben, bei denen eine Mehrheit der Gläubiger verbindlich über alle Anleiheserien hinweg eine Restrukturierung beschließen kann. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesbank-vorschlag-weidmann-und-schaeuble-gegen-bruessel-1.3084611 | mlsum-de-674 |
Die Zahl der Opfer nach dem gewaltigen Erdbeben in der Himalaya-Region steigt immer weiter. Nun soll erneut eine Lawine abgegangen sein und Hunderte Menschen verschüttet haben. | Diese Aufnahme wurde von einem Helikopter aus fotografiert. Sie zeigt ein völlig zerstörtes Bergdorf im Distrikt Gorkha. Etwa 500 Deutsche sollen sich zum Zeitpunkt des Erdbebens in Nepal aufgehalten haben. Nach Medienberichten sind davon 150 vermisst, auch das Auswärtige Amt spricht inzwischen von einer "niedrigen dreistelligen Zahl" von Deutschen, deren Verbleib nicht geklärt ist. Der Krisenstab bemühe sich um Informationen über das Schicksal von mehr als 100 vermissten Deutschen. "Nach derzeitigem Stand haben wir die traurige Gewissheit, dass ein deutscher Staatsangehöriger unter den Todesopfern des Erdbebens in Nepal ist. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass sich weitere Deutsche unter den Opfern befinden", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Dienstag zudem. Angaben zur Zahl der Verletzten machte er nicht. Einige Deutsche und ihre Angehörige konnten das Land inzwischen mit Unterstützung der deutschen Botschaft in Kathmandu verlassen. Diplomaten haben einen Betreuungsstand am Flughafen der nepalesischen Hauptstadt eingerichtet. Einige deutsche Staatsbürger halten sich noch auf dem Botschaftsgelände auf. Bei dem Toten handelt es sich um einen Geografie-Professor der Universität Göttingen, wie die Hochschule am Dienstag mitteilte. Er befand sich mit 15 Studenten und einem weiteren Wissenschaftler auf einer Exkursion, als die Gruppe vom Erdbeben überrascht wurde. Bis zu 250 Vermisste nach neuer Lawine in Nepal Nach dem Abgang einer neuen Lawine im nepalesischen Erdbebengebiet werden bis zu 250 Menschen vermisst. Möglicherweise seien darunter ausländische Touristen, sagte Gouverneur des Bezirks Rasuwa, Uddhav Bhattarai, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Lawine habe zur Mittagszeit das Dorf Ghodatabela getroffen, das in einem Naturpark liege. Die Region nördlich der Hauptstadt Kathmandu ist bei Wanderern beliebt. "Wir versuchen sie zu retten, aber schlechtes Wetter und Regen behindern die Arbeit", sagte Bhattarai weiter. Ministerpräsident befürchtet 10 000 Tote Die Zahl der Toten nach dem gewaltigen Erdbeben in der Himalaya-Region steigt immer weiter. Allein in Nepal starben nach Angaben des Innenministeriums vom Dienstag 4485 Menschen. Zudem gebe es mehr als 8000 Verletzte. Nepals Regierung hat drei Tage Staatstrauer angeordnet und räumte am Dienstag erstmals öffentlich ein, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. "Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen", erklärte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. "Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet", sagte er. Nach Angaben von Ministerpräsident Sushil Koirala könnten insgesamt 10 000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Regierung habe angeordnet, dass die Rettungsarbeiten intensiviert würden, sagte der Regierungschef am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Sein Land benötige jetzt Hilfe von außen - vor allem Zelte und Medikamente. UN: Acht Millionen Menschen betroffen Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind insgesamt etwa acht Millionen Menschen von dem schweren Erdbeben betroffen. Mehr als 1,4 Millionen davon bräuchten Nahrungsmittel, berichtete das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in New York. Wasser und Unterkünfte würden benötigt. Für die Gesundheitsversorgung müssten medizinische Zelte, Medikamente und chirurgische Geräte ins Land gebracht werden. Auch Leichensäcke würden gebraucht. Die UN-Organisation erklärte weiter, sie habe die Zahl ohne Vor-Ort-Begehung ermittelt. Sie sei errechnet anhand von Zensusdaten und der Annahme, dass 50 Prozent der Bevölkerung in den Distrikten betroffen sind. Dazu gehörten vor allem diejenigen Menschen, die in schlechten Häusern mit schwachen Mauern leben. Kein Strom und kaum Trinkwasser in Kathmandu Auf der Suche nach Wasser und Nahrung haben inzwischen Zehntausende Menschen das von einem Erdbeben schwer getroffene Kathmandu-Tal in Nepal verlassen. Die nepalesische Zeitung Himalayan Times gab ihre Zahl am Dienstag mit mehr als 72 000 an. We are last 9 Sherpas & 8 climbers @ #Everest. On helipad here in C1 @ 6100m / 20,000ft. Sunny & cloudless, but waiting is hard. — Daniel Mazur (@danielmazur) 28. April 2015 In der Hauptstadt gebe es derzeit keinen Strom und kaum Trinkwasser, sagte Philips Ewert, Einsatzleiter der Hilfsorganisation World Vision vor Ort. Alle großen Geschäfte und Banken seien geschlossen. "Außerdem wollen viele Menschen in ihre Heimatdörfer fahren und schauen, wie es ihren Familien geht", sagte Ewert. Auf Fotos waren völlig überladene Lastwagen und Busse zu sehen, die Kathmandu verließen. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/nepal-mehr-als-100-deutsche-werden-nach-erdbeben-vermisst-1.2455955 | mlsum-de-675 |
Trainer Nagelsmann ärgert sich, weil seine Hoffenheimer beim 1:1 gegen fragile Dortmunder beste Chancen vergeben. Die BVB-Fans machen sich unbeliebt. | Als Christian Pulisic nach überragender Vorarbeit von Marco Reus kurz vor Schluss das 1:1 für Borussia Dortmund erzielte, lief Julian Nagelsmann heiß. Eigentlich hatte der Trainer der TSG Hoffenheim bei nächster Gelegenheit Abwehrspieler Kevin Akpoguma zur Sicherung der Führung einwechseln wollen. Nun entschied sich Nagelsmann nach dem Ausgleich um und wechselte Stürmer Ishak Belfodil ein. Und in der zweiten Minute der Nachspielzeit hätte dieser Belfodil tatsächlich den Siegtreffer für die TSG erzielen müssen: Aber der im Sommer aus Bremen gekommene Algerier brachte das Kunststück fertig, den Ball zwei Meter vor dem leeren Tor in den Himmel über Sinsheim zu treten. "Wir hatten den Winner auf dem Fuß, der uns mal guttun würde", haderte Nagelsmann. Vor einer Woche verlor seine Elf bei Aufsteiger Düsseldorf völlig unnötig, nachdem Andrej Kramaric eine ähnlich klare Möglichkeit zur Führung vergeben hatte; unter der Woche hätte Hoffenheim in der Champions-League bei Schachtjor Donezk gewinnen statt 2:2 spielen müssen. Und an diesem Samstag dominierte die TSG Borussia Dortmund lange klar - und musste sich am Ende mit nur einem Punkt zufrieden geben. Nagelsmann blickte nach Belfodils vergebener Großchance ungläubig nach oben, später sagte er: "Ich schicke ein Stoßgebet Richtung Fußballgott. Es wäre gut, wenn er mal wieder über Sinsheim abbiegen würde." "Den Punkt nehmen wir gerne mit" Gegen Dortmund spielte Hoffenheim lange ganz stark - aber wieder einmal blieb der Ertrag gering: Nach vier Spieltagen stehen für die TSG nur vier Punkte auf dem Konto, zu wenig für die eigenen Ansprüche - und zu wenig angesichts der Chancen, die die Mannschaft zuletzt in Düsseldorf und nun gegen den BVB fahrlässig vergab. Ganz anders war die Gefühlslage in Dortmund: Der BVB ist durch den Punkt mit nun acht Zählern unter dem neuen Trainer Lucien Favre in der Liga weiter ungeschlagen. Auch der Champions-League-Start war unter der Woche durch den 1:0-Sieg in Brügge geglückt. "Den Punkt nehmen wir gerne mit", sagte Reus nach dem Abpfiff erleichtert. Vor allem, weil die Elf nach einer roten Karte für Innenverteidiger Abdou Diallo (75.) nach einer Notbremse an Andrej Kramaric die Schlussphase dezimiert spielen musste. "Komischerweise haben wir danach besser Fußball gespielt", meinte Reus, ohne eine Erklärung für diese Erkenntnis zu finden. Es war allerdings keine Überraschung, dass der Ausgleich nach einer Zusammenarbeit zwischen Reus und Pulisic fiel, der BVB entwickelte über die gesamte Spielzeit nur Gefahr, wenn die zwei schnellen Offensivspieler loszogen. Wobei den Dortmundern in der Anfangsphase ein Elfmeter verweigert wurde - Nico Schulz hatte Pulisic im Strafraum ein Bein gestellt (6.), der Video-Assistent griff aber seltsamerweise nicht ein. Nach dieser Aktion diktierten die insgesamt bissigeren, gierigeren und reifer wirkenden Hoffenheimer das Spiel. Der überragende Stürmer Joelinton traf kurz vor der Pause zur Führung, aber weil die TSG in der zweiten Halbzeit mehrere Chancen ungenutzt ließ und zwei vermeintliche Tore wegen Abseitsstellung nicht anerkannt bekam, blieben die Dortmunder im Spiel - und erzielten nach 84 Minuten wieder einmal spät ein wichtiges Tor. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-hoffenheim-bvb-1.4140847 | mlsum-de-676 |
Die Karriere von Erik Durm kam derart oft zum Stillstand, dass er einfach nur wieder Fußball spielen will. Sein früherer Amateurtrainer gibt ihm nun die Chance. | Erik Durm war einmal Weltmeister, und da meint man, solche Spieler hätten hohe Ansprüche. Aber schon ein simpler Pressschlag bereitete Erik Durm in diesem Sommer große Freude. "Das war ein gutes Tackling zum Reinkommen, weil man merkt, dass der Fuß ganz normal mitmacht", sagt Durm nach dem 3:0 im Testspiel gegen RB Leipzig, seiner Premiere im Huddersfield-Trikot. 14 Minuten durfte Durm das tun, was er so selten tun konnte in den vergangenen Jahren: auf dem Platz stehen. Fußball spielen. Zweikämpfe bestreiten. Nach sechs Jahren bei Borussia Dortmund hat Durm in diesem Sommer den Schritt nach England gemacht: zu Huddersfield Town. Der Klub ist in England ohnehin schon für seinen "deutschen" Anstrich bekannt, Christopher Schindler spielt hier, auch Chris Löwe, trainiert wird die Mannschaft von David Wagner. Jetzt steht sogar ein deutscher Weltmeister im Kader. Nach vielen Jahren, die durch Verletzungen bestimmt waren, will Durm einen Neuanfang wagen. Wieder einmal. Die Verletzungszeit begann ein Jahr nach dem WM-Titel 2014, als Durm zwar im Kader stand, in Brasilien letztlich aber kein Spiel bestritt. Erst entzündete sich das linke, dann das rechte Knie. Operationen folgten. Über zwei Jahre hinweg verpasst er allein dadurch zusammengerechnet so viele Spieltage, dass diese für eine ganze Saison reichten. Tiefpunkt: der gescheiterte Wechsel nach Stuttgart Als er wieder für gesund erklärt wurde, entschied sich Durm im Sommer 2017 für einen Wechsel nach Stuttgart. Also verabschiedete er sich von seinen Mitspielern in Dortmund, fuhr nach Stuttgart, absolvierte den Medizincheck. "Dann kam mein Berater und musste mir erzählen, dass es nicht geklappt hat. Ich dachte erst, das sei ein Scherz", erzählt Durm. Die Stuttgarter Ärzte hatten eine Hüftproblematik festgestellt, die in ihren Augen wohl operiert werden müsste. Stuttgart nahm vom Wechsel wieder Abstand. Durm blieb nur der Frust. Und abermals eine OP. Im Winter kam noch ein Riss im Außenband des Sprunggelenks dazu, Durm stand in der Saison 17/18 kein einziges Mal für den BVB auf dem Platz. "Ich habe halt das Pech gehabt, dass ich jetzt in drei Jahren durchgemacht habe, was mancher in zehn Jahren bekommt", sagt Durm: "Beim Fußball immer nur zuzuschauen, ist das schlimmste an der ganzen Verletzungsgeschichte." Dass Durm gerade bei Huddersfield Town gelandet ist, hat viel mit David Wagner zu tun. Unter ihm verbrachte Durm in der zweiten Mannschaft das erste Jahr bei Dortmund und lernte damals noch als Sturmspitze, sich im Abstiegskampf der dritten Liga durchzusetzen. "David Wagner hat es geschafft, dass wir zu dieser Zeit immer ruhig geblieben sind und uns nie gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben", erinnert sich Durm. Von da an ging es für Durm schnell nach oben. Nach der Umschulung zum Außenverteidiger kamen die ersten Einsätze in der Bundesliga, Champions League und schließlich in der Nationalmannschaft. | https://www.sueddeutsche.de/sport/erik-durm-in-der-premier-league-ein-weltmeister-fuer-huddersfield-1.4088644 | mlsum-de-677 |
"Außer Ehrmann könnt ihr alle gehen": Beim FCK ist die Lage dramatisch. Der Meister von 1998 ist Tabellenletzter der zweiten Liga - und niemand hat eine Idee für die Wende zum Guten. | Wer das Fritz-Walter-Stadion von der Haupttribüne über die Westkurve in Richtung Bahnhof verlässt, sieht an einer Stelle auf Kaiserslautern, wie von einer Panoramaplattform in den Alpen über Täler und Landschaften. Der Betzenberg ist zwar nur 285 Meter hoch, aber er thront mit diesem Fußballstadion über der Stadt. Freitagnacht standen dort oben an den Geländern Fans des FCK, sie hatten ein übles 0:0 gegen den VfL Bochum erlebt, das die Lage für ihren Klub im Tabellenkeller der zweiten Liga verschlimmerte. Sie blickten hinab in die Buseinfahrt zu den Katakomben des Stadions. Dort blockierten etwa 100 Anhänger die Ausfahrt, sie wollten die Verantwortlichen zur Rede stellen. Es war kalt und dunkel, die Polizei riegelte den Bereich ab, es blieb friedlich. Die FCK-Vorstände Michael Klatt und Thomas Gries, das Aufsichtsratsmitglied Mathias Abel und Sportdirektor Boris Notzon standen Rede und Antwort. Und mitten in der Menge sah man Gerry Ehrmann lebhaft diskutieren. "Dann spielen wir halt demnächst gegen Pirmasens", ruft ein Fan Ehrmann ist seit Ewigkeiten auf dem Betzenberg, er stand im Tor, als der Klub 1991 die bislang vorletzte seiner vier deutschen Meisterschaften feierte. Seit dem Ende seiner Spielerlaufbahn bildet Ehrmann Torhüter aus, die später woanders große Karrieren machten: Tim Wiese, Roman Weidenfeller, Kevin Trapp und einige andere gehören dazu. Ehrmann ist eine der letzten Identifikationsfiguren dieses großen Klubs, der schier unaufhaltsam immer näher Richtung Abstieg taumelt. Am Freitag hatte es gegen Bochum kurz vor dem Abpfiff eine Rudelbildung gegeben, in solchen Momenten ist es Folklore, dass das Lauterer Publikum "Ehrmann, Ehrmann" ruft, weil der Mann mit der Bodybuilderfigur (Spitzname Tarzan) Symbol für die ehemals legendäre Widerstandskraft des FCK ist. Am Freitag stand Ehrmann nun wieder einmal in erster Reihe, als es galt, die eigenen Fans zu beschwichtigen. Oben, an der Balustrade, riefen ein paar Menschen: "Außer Ehrmann könnt ihr alle gehen." Andere gingen nur achselzuckend weiter, gelangweilt von dem Schauspiel, das sie da unten sahen. Einer sagte: "Was soll das? Diese Mannschaft kann es halt nicht." Und wieder ein anderer erwiderte verzweifelt: "Ist so: Wir holen keine zehn Punkte bis zur Winterpause." Nach dem trüben Nullnull am Freitag hat der FCK gerade einmal sieben Punkte nach 13 Spieltagen. Der Klub Fritz Walters ist Tabellenletzter in der zweiten Liga. Zuletzt sollte der Befreiungsschlag gegen direkte Konkurrenten gelingen, aber stattdessen folgte der sportliche Offenbarungseid mit Pleiten gegen Duisburg (0:1) und in Regensburg (1:3). Sportliche Miseren sind nichts Neues für die Fans des FCK, seit Jahren erleben sie einen Niedergang. Doch nun hat er an Tempo zugenommen und die Zukunft des finanziell klammen und mit Altlasten befrachteten Klubs ist tatsächlich ungewiss. Angesichts von rund zehn Millionen Euro an Miete und Betriebskosten pro Jahr für das zur WM-Arena 2006 aufgerüstete Stadion ist die Lizenz für die dritte Liga fraglich. Noch ist es nicht soweit, aber die Angst nimmt zu: "Dann spielen wir halt demnächst gegen Pirmasens", sagte einer am Freitag auf dem Nachhauseweg. Der einstige Rivale FKP spielt aktuell in der Oberliga Südwest. Die Untergangszenarien werden mit jedem Spieltag detaillierter. Und die Mannschaft bietet keinen Anlass, Hoffnung zu verbreiten. Die allgemeine Stimmungslage in der Fußballpfalz ist derzeit eher apathisch als aggressiv. Doch die Blockade am Freitag könnte ein unheilvoller Vorbote sein. Schafft die Mannschaft es in den nächsten Wochen nicht, ein paar Punkte zu sammeln, könnte die Mitgliederversammlung am 3. Dezember zu einem Akt der Selbstzerfleischung werden. Der Niedergang des großen Klubs hat viele Facetten, aber man braucht nicht die vielen Dramen der Grabenkämpfe und der finanziellen Verfehlungen der letzten Jahre zu bemühen, um die sportliche Misere dieses Herbstes zu erklären. Im Sommer erlebte der FCK eine desaströse Transferperiode, in der der Sportdirektor Uwe Stöver (mittlerweile beim FC St. Pauli tätig) zurücktrat und nach einer bizarren Nachfolgersuche schließlich Wochen später der Chefscout Boris Notzon zum Sportchef befördert wurde. 17 Zugänge sind in dieser Zeit gekommen, herausgekommen ist ein veritabler Murks: eine Ansammlung von Spielern, die nicht zu einer Mannschaft zusammengewachsen sind. | https://www.sueddeutsche.de/sport/1-fc-kaiserslautern-vorboten-des-untergangs-1.3735530 | mlsum-de-678 |
1980 kamen 125000 gering qualifizierte Flüchtlinge aus Kuba nach Miami. Auf die Löhne Einheimischer hat sich das nicht negativ ausgewirkt. | Nehmen die Flüchtlinge uns die Arbeitsplätze weg? Werden Flüchtlingswellen "als neue Möglichkeit der Lohndrückerei missbraucht", wie Oskar Lafontaine dies 2015 einmal ausdrückte? Die alte Frage, wie sich Einwanderung auf den Arbeitsmarkt des Ziellandes auswirkt, ist in diesen Tagen hochpolitisch, vor allem seit der Wahl Donald Trumps, der zu dem Thema ähnliche Ansichten hat wie Lafontaine. Brisant ist dabei, dass wissenschaftliche Antworten meist kompliziert sind, was den großen Vereinfachern das Geschäft erleichtert. "Einwanderer lösen unser Facharbeiter-Problem" (egal wie sie ausgebildet sind), sagen die einen. "Einwanderer treiben einheimische Arbeiter in die Armut" (auch wenn sie Jobs erledigen, für die sich keine Einheimischen finden, zum Beispiel Spargelstechen), sagen die anderen. Und alle, die sich nicht sicher sind, schweigen, weil sie nicht Beifall von der falschen Seite bekommen wollen. In diesem Klima ist nun eine alte akademische Debatte unter Migrationsforschern wiederaufgelebt: die Sache mit dem "Mariel Boatlift ". Die Geschichte beginnt im April 1980. Damals steckte Kuba - wieder einmal - in einer schweren Krise. Immer mehr Kubaner wollten die Segnungen des Sozialismus in Richtung Vereinigte Staaten verlassen, einige hatten damit begonnen, Schiffe zu entführen, um ihre Flucht zu erzwingen. In der Situation beschloss Diktator Fidel Castro, Dampf aus dem Kessel zu lassen. Er erlaubte 125 000 Kubanern legal auszureisen; einzige Voraussetzung: Sie mussten dies über den Hafen von Mariel im Nordwesten Kubas tun. Das Regime behielt so eine gewisse Kontrolle über die Massenflucht und schmuggelte bei der Gelegenheit gleich noch ein paar Kriminelle unter die Flüchtlinge. Die Ursachen der Mariel-Flucht - Misswirtschaft und Unfreiheit - waren bedrückend, die Umstände dramatisch - aber für Arbeitsökonomen waren die Ereignisse des Jahres 1980 ein Geschenk. Weil der Zustrom der Flüchtlinge so plötzlich kam, konnten sie in Florida wie in einem Labor untersuchen, wie die Einwanderung einer bestimmten Gruppe auf den Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes wirkt. Die meisten Flüchtlinge waren gering qualifiziert, etwa 60 Prozent hatten keinen Abschluss, der dem einer amerikanischen Highschool entsprochen hätte, nur zehn Prozent hatten ein College besucht. Allein in Miami, der Hauptstadt der Exil-Kubaner, stieg dadurch das Angebot an gering qualifizierten Arbeitskräften auf einen Schlag um 55 000. Intuitiv würden die meisten Ökonomen vermuten, dass so ein Angebotsschock einen Verdrängungswettbewerb mit sinkenden Löhnen auslöst. Umso erstaunter war die Fachöffentlichkeit, als David Card, ein angesehener Arbeitsökonom, der heute an der Universität Berkeley lehrt, 1990 in einer Studie herausfand, dass negative Folgen der Mariel-Fluchtwelle auf die Löhne alteingesessener Arbeiter nicht feststellbar waren. Der flexible Arbeitsmarkt von Miami absorbierte den Angebotsschock in kürzester Zeit. Ein Grund dafür, so meinte der Ökonom, könnte die Tatsache sein, dass Miami in den 20 Jahren zuvor mehrere große Einwandererwellen erlebt hatte und entsprechend darauf eingestellt war. Cards Studie hatte großen politischen Einfluss. Ihre Ergebnisse sprachen erstens für eine liberale Einwanderungspolitik und zweitens für einen wenig regulierten Arbeitsmarkt. 2006 wurde der Ökonom mit dem prestigeträchtigen Preis des Bonner Instituts Zukunft der Arbeit (IZA) ausgezeichnet. Es ist riskant, wenn man sich zu früh einredet, alles sei in Ordnung Es dauerte 26 Jahre, ehe jemand die Arbeit von David Card infrage stellte. David Borjas, Ökonom von der Harvard University, veröffentlichte 2016 ein Papier, das den Ergebnissen Cards widerspricht. Borjas hatte einen persönlichen Bezug zu dem Thema: Er war 1950 in Havanna geboren worden und im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern in die USA ausgewandert. Heute ist er einer der bekanntesten Arbeitsökonomen des Landes und wurde 2011 ebenfalls mit dem IZA-Preis ausgezeichnet. Borjas kritisierte an Card, dass dieser nicht genau genug gemessen habe. Die Fluchtwelle habe sehr wohl negative Folgen auf den Arbeitsmarkt von Miami gehabt, und zwar für highschool dropouts, also für Arbeiter ohne Schulabschluss. Deren Löhne seien in der Folge von Mariel um zehn bis 30 Prozent gesunken. Man muss immer genau hinsehen, so der Ökonom: Wie qualifiziert sind die Einwanderer im Verhältnis zu den einheimischen Arbeitern (im Fall von Miami hatte ein Viertel der Alteingesessenen keinen Highschool-Abschluss). Es zeige sich, "dass selbst die sehr kursorische Neubewertung alter Daten anhand neuer Ideen Trends zutage fördern kann, die auf radikale Weise das ändern, was wir zu wissen glaubten". Borjas Papier löste nun seinerseits heftigen Widerspruch aus: Zu kleine Stichproben, bemängelten die Kritiker und warfen ihm im Übrigen statistische Fehlgriffe vor, die für Nicht-Arbeitsökonomen nur schwer zu bewerten sind. Die Tatsache, dass Trump Borjas Ergebnisse im Wahlkampf zitierte und als Argument für seine Politik des "America first" nutzte, hat der Debatte auch nicht unbedingt gutgetan. Inzwischen erlebt Europa Flüchtlingsströme, im Vergleich zu denen sich der Mariel Boatlift wie ein Schulausflug ausmacht. In vielem lässt sich die Zuwanderung von einer Million Menschen 2015 nach Deutschland nicht mit der Lage in Miami 1980 vergleichen. Mindestlohn und Tarifverträge sorgen hierzulande dafür, dass Lohndruck, wenn überhaupt, dann nur über den Schwarzmarkt stattfinden kann. Viele Asylsuchende dürfen noch gar nicht arbeiten. Trotzdem kann Deutschland etwas aus der Card/Borjas-Debatte lernen: Es ist riskant, wenn man sich zu früh einredet, alles sei bestens und es gebe keine Probleme. An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pipers-welt-fidel-castros-geschenk-1.3565988 | mlsum-de-679 |
Die Bundesregierung verurteilt die Ausschreitungen zwischen Flüchtlingen und meist rechtsgerichteten Deutschen in Bautzen scharf. Die Polizei will ihre Präsenz in dem sächsischen Ort verstärken. | Die Bundesregierung hat die jüngsten Ausschreitungen zwischen rechtsgerichteten Deutschen und Flüchtlingen im sächsischen Bautzen scharf verurteilt. "Das ist unseres Landes nicht würdig", sagte die Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag. "In Deutschland ist kein Platz für derartige Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Extremismus." Die Regierung verurteile aggressive, fremdenfeindliche und gewalttätige Ausschreitungen auf das Schärfste. Demmer betonte: "Ohne jetzt auf den konkreten Fall einzugehen, müssen wir natürlich dafür sorgen, dass die Gesetze sowohl von Flüchtlingen als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden." Polizei verstärkt Präsenz in Bautzen Nach der Krawallnacht von Bautzen setzt die Polizei auf massive Präsenz. Man werde in den kommenden Tagen mit zusätzlichen Kräften vor Ort sein, sagt der Leiter des Bautzener Polizeireviers, Polizeidirektor Uwe Kilz. Rechte Gruppen haben für Freitag und Sonntag Demonstrationen in der sächsischen Stadt angekündigt. Bereits am Donnerstagabend versammelten sich nach Polizeiangaben etwa 350 Personen auf dem Kornmarkt und den angrenzenden Straßen. Es handelte sich überwiegend um Einheimische, etliche von ihnen waren augenscheinlich der rechten Szene zuzuordnen. Bis in die Nacht blieb es weitgehend friedlich. "Die unschönen Szenen, wie sie an den vergangenen Abenden am Kornmarkt zu sehen waren, gab es heute nicht", sagte Kilz. Gegen 23:30 Uhr kehrte Ruhe auf dem Platz ein. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit 90 Einsatzkräften vor Ort. Die Gruppe "Kaltland-Reisen" hatte über soziale Medien zu einer Kundgebung auf dem Kornmarkt um 20 Uhr aufgerufen und war mit 25 Aktivisten in der Stadt. Die Gruppe bezeichnet sich selbst als "Gemeinschaft von Antirassist_innen und Antifaschist_innen, die regelmäßig dort unterwegs sind, wo es 'brennt'". An diesem Abend waren sie aus Leipzig angereist. Wie der Tagesspiegel berichtet, konnte die Demo zunächst nicht stattfinden, weil Rechte den Platz besetzt hielten. Erst gegen 21:30 Uhr hatte die Polizei den Demonstranten so weit Platz verschafft, dass deren Kundgebung stattfinden konnte. Mit zwei Ketten trennten die Beamten dann die beiden Gruppen voneinander. Ein Mann aus Reihen der Einheimischen schlug einem filmenden Journalisten auf den Arm, wie die Polizei mitteilte. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung gegen einen 30-Jährigen. Darüber hinaus registrierte die Polizei weitere sieben Straftaten etwa wegen verfassungsfeindlicher Symbole sowie volksverhetzenden Parolen. In Bautzen gilt nun eine Ausgangssperre für junge Flüchtlinge Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping, die der SPD angehört, sprach in den "Tagesthemen" am Donnerstagabend von einer beängstigenden Stimmung in Bautzen. "Es gibt schon Regionen in Sachsen, wo Rechtsradikalismus und radikalisierte Einstellungen stärker sind als in anderen Regionen." Gleichzeitig betonte sie, die Übergriffe aus der Nacht zum Donnerstag seien nicht repräsentativ für Bautzen. Nach den Ausschreitungen greift der zuständige Landkreis gegen junge Asylbewerber hart durch. Vier Rädelsführer aus einem Wohnheim im Alter zwischen 15 und 20 Jahren wurden bereits an andere Standorte gebracht und sollen keinen Einfluss mehr auf ihre Mitbewohner ausüben. Außerdem gilt fortan ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19 Uhr für die etwa 30 in Bautzen lebenden sogenannten UMAs - unbegleitete, minderjährige Ausländer. Der Bautzener Kornmarkt steht seit mehreren Tagen im Fokus, weil sich Einheimische und Asylbewerber Auseinandersetzungen lieferten. In der Nacht zu Donnerstag kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen etwa 20 Flüchtlingen und 80 Deutschen. Nach Darstellung des Bautzener Polizeichefs Uwe Kilz ging die Gewalt bei den Krawallen am Mittwochabend von jungen Flüchtlingen aus. Von einer Gruppe von 15 bis 20 Asylbewerbern seien auf dem Kornmarkt Flaschen und Steine in Richtung der Einheimischen geflogen. Bereits bei einer Konfrontation am vergangenen Freitag hätten zunächst die Jugendlichen Gewalt ausgeübt. Die Polizei hatte schon zuvor von "wechselseitigen Provokationen" zwischen Flüchtlingen und Rechten gesprochen und den Kornmarkt als "Pulverfass" bezeichnet. Meist sei Alkohol im Spiel. Bautzen war in den vergangenen Monaten wiederholt negativ in die Schlagzeilen geraten. Im Februar hatten Schaulustige einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft zugesehen. Im März war Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch in Bautzen als "Volksverräter" beschimpft und beleidigt worden. Damals hatte er mit Bürgern über die Flüchtlingskrise diskutiert. Die neuerlichen Vorfälle befeuerten die Debatte über Fremdenfeindlichkeit in Sachsen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/krawalle-in-sachsen-polizei-trennt-demonstranten-in-bautzen-1.3164736 | mlsum-de-680 |
Der Streit um den Stoff R1234yf schien fast beigelegt. Doch jetzt warnt ein renommierter Chemiker vor lebensgefährlichen Risiken. | Mit dem Rüssel schien das Problem eigentlich gelöst, technisch gesehen: Der Autobauer Daimler, der lange in Sorge war wegen der Brandgefahr des neuen Klimaanlagen-Kältemittels R1234yf, lenkte im Oktober ein: Dank einer neu konstruierten Anlage, die bei einem Unfall mittels eines Rüssels nicht brennbares Gas zum Motor führt und so einen Brand verhindern soll, seien die Risiken des Kältemittels beherrschbar, erklärten die Schwaben. Damit war nun der letzte mächtige Zauderer eingeschwenkt auf den Kurs der globalen Autoindustrie. Drei Jahre lang hatte sich Daimler gegen den Einsatz des neuen Mittels gewehrt. Das trägt viel weniger zum Treibhauseffekt bei, ist also umweltfreundlicher, als die bisherige Chemikalie, die in den Autoklimaanlagen für den Wärmetransport sorgt. Bei Tests bei Daimler hatte sich R1234yf jedoch entzündet, dabei entstand unter anderem ätzende Flusssäure. Eine Gefahr für Unfallopfer und Rettungskräfte. Der Konzern weigerte sich daraufhin, das Mittel einzufüllen - bis er die Lösung mit dem Rüssel erfand. Ein Streit vor dem Europäischen Gerichtshof gilt es deswegen noch auszufechten, weil die deutschen Behörden Daimler gewähren ließen. Doch technisch schien alles geklärt. Entwarnung gewissermaßen. Jetzt allerdings gibt es neue Untersuchungen, die den Streit wieder befeuern könnten. Andreas Kornath, Inhaber eines Lehrstuhls für anorganische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, hat am Wochenende bei einer Tagung auf Hawaii seine neuen Untersuchungen vorgestellt und eindringlich auf ein bislang unterschätztes Risiko hingewiesen. "Wir haben bei R1234yf die große Gefahr, dass beim Brand Carbonylfluorid entstehen kann, ein Giftgas, verwandt mit Phosgen, das man vom Ersten Weltkrieg in Flandern kennt", erläutert der Wissenschaftler. Das war zwar schon bekannt, aber bislang ging die Industrie davon aus, dass sich Carbonylfluorid schnell zersetzt. Dem ist wohl nicht so. Es stehe fest, sagt Kornath, dass dieses Gas eine Halbwertszeit von neun Minuten habe. "Das ist ein noch weit größeres Risiko als die ätzende Flusssäure, die ebenfalls entsteht." Das mit dem Risiko der Flusssäure hat er in seinen Laboren in München-Großhadern schon einmal an einem Schweinekopf vorgeführt, der danach kaum mehr zu erkennen war. Nun also auch noch Gas. Bei der "Pazifichem"-Konferenz hätten Kollegen auch von Verletzungen berichtet, die sie in ihren Laboren durch diese geruchlose Verbindung erlitten hätten. "Wir sind hier erst am Beginn der Erforschung", zumal das Gas "sehr schwer nachzuweisen" sei, sagt Kornath, die LMU habe eines der wenigen Labore weltweit, die das könnten. Ist also eine Neubewertung fällig? Bei einem der wichtigsten Hersteller des Mittels gibt man sich entspannt. Der US-Mischkonzern Honeywell hat in jahrelanger Arbeit das Mittel entwickelt und inzwischen auch mehrere hundert Millionen Euro in Produktionsanlagen investiert. "Die Bedenken, die bezüglich Carbonylfluorid geäußert wurden, können wir nicht nachvollziehen", sagt Tim Vink, der für das Unternehmen in Brüssel für Regulierungsangelegenheiten zuständig ist. Dieser Stoff setze sich, "so er denn überhaupt entstehen würde", innerhalb von Sekunden in andere, ungefährliche Stoffe um. So er denn überhaupt entstehen würde - das ist ein Aspekt, auf den die Autoindustrie, aber auch offizielle Stellen, wie das Joint Research Center der EU-Kommission (JRC) verweisen: Extrem unwahrscheinlich sei ein Brand. Das zeige auch die Praxis, erklärt Vink: "Wir haben mittlerweile etwa acht Millionen Fahrzeuge weltweit, die das Mittel einsetzen und es wurde von keinem gefährlichen Vorkommnis berichtet." Zudem würden Autos und seine Betriebsstoffe, allen voran Benzin, seit der Erfindung des Autos ein enormes Gefahrenpotenzial bergen, das aber sehr gut beherrschbar sei. "Ebenso wie dieses Kältemittel", sagt Vink, das sowieso in einer so geringen Menge eingesetzt werde, dass es keinen großen Schaden anrichten könne. Kurzum: "Für uns ist das Thema Sicherheit jetzt erfolgreich und unzweifelhaft geklärt, dieses Kapitel ist geschlossen." Ähnlich äußert sich auch der zweite Hersteller des Kältemittels, das US-Unternehmen Chemours. Also sind Ihre Bedenken überzogen, Herr Kornath? Nein, sagt der Forscher, der betont, dass er ein unabhängiger, bayerischer Beamter sei und ohne Sponsoring forsche. "Wenn 400 bis 500 Gramm, die Menge, die in einer Klimaanlage eingefüllt ist, verbrennen, reicht das aus, um 200 Leute umzubringen." Er, der jeden Tag mit R1234yf zu tun hat, bleibt dabei: "Autos mit dem Zeug: das ist verdammt gefährlich!" Bereits bei 405 Grad Celsius entflamme das Mittel, viel früher als das alte Kältemittel, das erst bei über 1000 Grad Celsius brennt. Der Daimler-Rüssel sei hilfreich, um das Risiko zu verringern. Aber die Einschätzung von Behörden wie Industrie, eine Entzündung sei extrem unwahrscheinlich, die kann er wiederum "nicht nachvollziehen": Bei entsprechenden Berechnungen werde etwa nicht berücksichtigt, dass es Kabelbrände gebe, Sabotage oder einen Wagenbrand in einer Tiefgarage. Im Europäischen Parlament ist das Mittel nun ebenfalls wieder Thema. "Angesichts dieser neuen Aussagen", erneuerte Michael Theurer (FDP) seine Forderung an die EU-Kommission und das JRC, "endlich" standardisierte Tests in Auftrag zu geben, die solch aktuelle Hinweise und Studien berücksichtigen. Um ein für alle Mal zu klären, wie gefährlich R1234yf wirklich ist. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umstrittenes-klimaanlagen-mittel-r1234yf-klimaanlagen-chemikalie-das-ist-verdammt-gefaehrlich-1.2793801 | mlsum-de-681 |
Der frühere VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch sah den japanischen Kleinwagenspezialisten schon als nächste Marke in seinem Reich. Doch daraus wurde nichts. | Der Scheidungskrieg zwischen Volkswagen und seinem japanischen Partner Suzuki ist nach fast vier Jahren entschieden. Das Schiedsgericht der internationalen Handelskammer in London erklärte nach Informationen beider Autohersteller die Zusammenarbeit für beendet. Volkswagen werde die Beteiligung an Suzuki in Höhe von 19,9 Prozent abgeben, kündigte der Wolfsburger Konzern an. Dies werde sich positiv auf Ergebnis und Liquidität auswirken. Die Japaner gaben bekannt, den Anteil zum Marktpreis zurückkaufen zu wollen. Man gehe von Kosten von rund 400 Milliarden Yen (rund 2,9 Milliarden Euro) für die Übernahme aus, sagte Suzuki-Chef Osamu Suzuki. Der japanische Konzern hatte im November 2011 beim Londoner Schiedsgericht geklagt, weil Volkswagen sich weigerte, seinen Anteil an Suzuki zurückzugeben. Die Niedersachsen argumentierten mit dem Eigentumsrecht und beharrten darauf, dass Suzuki sie nicht zum Verkauf zwingen könnte. Nun erklärten die Richter, dass die Kündigung des Kooperationsvertrages durch Suzuki rechtens ist. "Die Entscheidung basiert auf dem Grundsatz, dass Verträge grundsätzlich kündbar sein müssen", teilte VW weiter mit. Die Wolfsburger hatten die Suzuki-Aktien 2010 für 1,7 Milliarden Euro gekauft. Im Gegenzug erwarb der japanische Familienkonzern rund 1,5 Prozent der VW-Stammaktien, um die Allianz zu stärken. VW wollte gemeinsam mit Suzuki Kleinwagen für Schwellenländer entwickeln und erhoffte sich Zugang zum wichtigen indischen Markt, wo Suzuki mit seiner Beteiligung Maruti stark ist. Als die Partnerschaft in die Brüche ging, mussten die Deutschen ein besonders günstiges Auto für diesen Markt selbst entwickeln. Es soll nun 2018 in China an den Start gehen. Suzuki sollte Volkswagen zudem dabei helfen, dem japanischen Rivalen Toyota Konkurrenz zu machen. Suzuki versprach sich seinerseits Zugang zu alternativen Antrieben von Volkswagen. Bereits nach kurzer Zeit fühlte sich der japanische Kleinwagen- und Motorradhersteller aber vom viel größeren deutschen Konzern dominiert. Und VW bezichtigte Suzuki des Vertragsbruchs, weil die Japaner Dieselmotoren vom italienischen Konkurrenten Fiat bezogen. In dieser Streitfrage gab das Schiedsgericht Volkswagen nun recht. Die Wolfsburger behalten sich vor, Schadensersatz zu fordern. Als Ursache für den erbittert geführten Konflikt gilt die Furcht des japanischen Familienkonzerns vor dem Verlust seiner Eigenständigkeit. Denn der damals noch mächtige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hatte den japanischen Kleinwagenspezialisten schon als nächste Marke in seinem Reich betrachtet. Piëch zog jedoch im April 2015 im Machtkampf mit Konzernchef Martin Winterkorn den Kürzeren und verließ den Wolfsburger Konzern. Der Schiedsspruch ist für beide Seiten rechtlich bindend und kann vor einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autoallianz-vw-und-sein-partner-suzuki-trennen-sich-1.2627306 | mlsum-de-682 |
Die Aufregung ist groß, seit die USA das Atomabkommen mit Iran gekündigt haben. Was bedeutet Trumps Entscheidung für Siemens, VW und andere deutsche Konzerne? | Wie voll der Regierungsflieger ist, wenn ein Minister ins Ausland reist, ist ein guter Indikator dafür, wie interessant die deutsche Wirtschaft das Land findet, in das die Reise geht. Als Sigmar Gabriel (SPD), damals noch Bundeswirtschaftsminister, im Herbst 2016 am Berliner Flughafens Tegel ins Flugzeug Richtung Teheran stieg, war es sehr voll. 120 Unternehmensvertreter saßen dicht an dicht, bis in die Holzklasse hinein. Bekannte Namen wie Linde, Wintershall, Bilfinger, Airbus, Boehringer Ingelheim, SAP oder Voith tauchten auf in der ungewöhnlich dicken Delegationsbroschüre, hinzu kamen Maschinen- und Anlagenbauer, Energiespezialisten, Logistiker, Architekten, Spezialchemie-Firmen. Alle wollten sie nach Iran. Damals, neun Monate nachdem die Sanktionen des Westens im Zuge des Atomabkommens aufgehoben worden waren, sprossen die Hoffnungen. Man wollte wieder anknüpfen an jahrzehntelange Wirtschaftsbeziehungen, die durch die Sanktionen unterbrochen worden waren. Iran, das war für alle ein Markt mit jungen, gut ausgebildeten Menschen, Rohstoffen und einem gewaltigen Investitionsbedarf, ob in Industrie, Verkehr oder Gesundheit. Schadensbegrenzung statt große Verträge Seit Präsident Donald Trump in dieser Woche den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran verkündet und neue Sanktionen angekündigt hat, sind die Träume geplatzt. Peter Altmaier (CDU), Gabriels Nach-Nachfolger als Wirtschaftsminister, muss statt von "großen Verträgen mit großen Firmen" nun von "Schadensbegrenzung" sprechen. Gleichzeitig steigt die Angst in den deutschen Unternehmen, auch unter den Bann der USA zu geraten. "Für den amerikanischen Appell, dass deutsche Unternehmen ihr Geschäft in Iran sofort zurückfahren sollten, haben wir kein Verständnis", sagt Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Der Druck der US-Regierung auf Unternehmen mit Iran-Geschäft erhöhe sich "dramatisch mit unabsehbaren Folgen". Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hatte bereits gefordert, dass deutsche Unternehmen, die in Iran tätig sind, den Betrieb "unverzüglich" einstellen sollen. "Wer sich jetzt noch stark in Iran engagiert, bekommt Probleme im US-Geschäft", sagt ein Industrievertreter, der nicht genannt werden möchte. Probleme im - deutlich größeren - US-Geschäft will keiner haben. Dann lieber das bislang schwache Iran-Geschäft abschreiben. 79,9 Millionen Menschen leben nach der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 2016 in Iran, das sind ungefähr so viele wie in Deutschland. Die Fläche des Landes ist dagegen mehr als viermal so groß. Der Altersdurchschnitt liegt bei lediglich rund 31 Jahren, die Bevölkerung ist damit deutlich jünger als in Deutschland (Durchschnitt etwa 47 Jahre). Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt nach Schätzung nur bei etwa 20 000 Dollar, weit hinter dem von Deutschland. Iran hat einen großen wirtschaftlichen Nachholbedarf. Zuletzt öffnete sich das Land auch für Touristen. Zum Beispiel Airbus. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern hat bereits Aufträge reingeholt. Iran Air hat 98 Airbus-Maschinen bestellt mit einem Wert von knapp 20 Milliarden Euro. Drei wurden schon ausgeliefert, eine Kurzstreckenmaschine direkt an Iran Air, zwei weitere A 330 für die Mittelstrecke über einen Leasinggeber. Und die übrigen 95 Flieger? Das könnte jetzt auf der Kippe stehen. US-Finanzminister Steven Mnuchin kündigte bereits an, dem europäischen Flugzeugbauer und dem amerikanischen Konkurrenten Boeing, der weitere 80 Maschinen an Iran liefern will, die Lizenz zum Verkauf von Passagiermaschinen dorthin zu entziehen. "Airbus wird seine Entscheidung in den nächsten Tagen bekanntgeben", sagte der Berater von Irans Verkehrsminister Asghar Fachrieh-Kaschan. Airbus wollte sich dazu nicht äußern. Immerhin knapp 3,4 Milliarden Euro betrug das deutsch-iranische Handelsvolumen im vergangenen Jahr, gut 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Das war zwar ein kräftiges Wachstum, erhofft hatten sich Wirtschaft und Politik weit mehr. Kernproblem waren die US-Finanzsanktionen, die unberührt vom Atomabkommen weiter in Kraft blieben. Sie erschwerten die Finanzierung größerer Geschäfte mit Iran; auch deutsche Banken wollten keinen Ärger mit Amerika und hielten sich zurück. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/iran-atomabkommen-wie-die-traeume-der-deutschen-industrie-platzen-1.3975543 | mlsum-de-683 |
Die verstörenden Bluttaten in den USA sind Folgen uralter, nie gelöster Konflikte. Nun könnte das Klima noch aggressiver werden. | Am Montag vergangener Woche war Nationalfeiertag in den USA, das Land zelebrierte sich, seine Einheit, seine Größe. Die Redner sagten, dies sei das großartigste Land auf Erden. Sie sagten, dieses Gefühl, gemeinsam zu etwas Großartigem zu gehören, sei der Kitt, der all die verschiedenen Menschen eine und zusammenhalte. Als dann das Feuerwerk abgebrannt wurde über der Mall in Washington, da hingen die Regenwolken so niedrig, dass man vom eigentlichen Feuerwerk nichts sehen konnte außer einem diffusen, beinahe bedrohlichen Leuchten am Himmel. Das Fernsehen zeigte dann eben Archivaufnahmen von Böllern aus einem anderen Jahr. Selbst die große Feier von Einheit und Größe will also nicht mehr gelingen. Amerika ist ein Land, das im Unreinen ist mit sich selbst. Vor ein paar Wochen erst beging ein muslimischer US-Bürger in Orlando die schlimmste Schießerei der jüngeren Geschichte, das ist beinahe schon wieder vergessen. In dieser Woche nun eskalierte der Streit um die Polizei: In solch unterschiedlichen Staaten wie Minnesota und Louisiana erschossen Polizisten vor laufender Kamera und mutmaßlich aus nichtigem Anlass schwarze Männer. Es folgte der Anschlag in Dallas - fünf Beamte starben, es war der schwerste Angriff auf Polizisten seit Jahrzehnten. Offenbar war dies eine rassistische, terroristische Tat, der Täter sagte, er wolle aus Wut über die Vorfälle in Louisiana und Minnesota "weiße Polizisten" töten. Jeder Streit kann jederzeit mit größer Gewalt ausgetragen werden Mit Sicherheit ist diese Tat das nächste Symptom für eine Gesellschaft, die keine innere Ruhe mehr findet. Eine Gesellschaft, in der alte Konflikte, die nie richtig beigelegt wurden, plötzlich wieder aufbrechen. Es gibt die Auseinandersetzung zwischen Weiß und Schwarz, jene zwischen Bürger und Staat, jene zwischen Arbeiterklasse und Elite. Nicht jeder dieser Konflikte ist gewalttätig, aber selbst die politische Debatte vor der Präsidentschaftswahl im November ist so bitter und hasserfüllt, dass sie sehr grundsätzliche und beunruhigende gesellschaftliche Verwerfungen offenbart. Und schließlich gibt es mit mehr als 300 Millionen Waffen im Land die Möglichkeit, jeden Streit jederzeit mit größter Gewalt auszutragen. Die Taten von Dallas bilden offenbar den vorläufigen Höhepunkt einer Eskalation, die vor zwei Jahren in Ferguson begonnen hat. Damals erschoss ein weißer Polizist einen schwarzen Jugendlichen. Seitdem teilt sich die Gesellschaft in ein Lager namens "black lives matter", schwarze Leben zählen, und in eines, das sich "blue lives matter" nennt und damit das Leben der blau Uniformierten würdigt. Dies ist also eine Gesellschaft, in der diverse Bürger ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass ihr Leben einen Wert hat. Jetzt droht auch noch ein wütender Wahlkampf Trumps Amerikas Schwarze haben ihre Unterdrückung in der Sklavenzeit bis heute nicht überwinden können und leben immer noch mit zahllosen Diskriminierungen. Die Schlimmste ist es, dass jede noch so harmlose Begegnung mit weißen Polizisten für sie tödlich ausgehen kann. Weiße Polizisten sehen schwarze Bürger zu oft als Gefahrenquelle, sie schießen auch dann, wenn es der Selbstschutz nicht gebietet. Übermäßige staatliche Gewalt schlägt irgendwann in Gegengewalt um, dies hat in Ferguson und Baltimore begonnen und jetzt in Dallas offenbar zu einem schweren Terrorakt geführt. Eigentlich ist es Aufgabe der Politik, solche gesellschaftlichen Konflikte zu entschärfen. Aber die Politik in Amerika ist dazu nicht mehr in der Lage; vielmehr versuchen Politiker, ihr jeweiliges Lager möglichst aufzupeitschen und gegen das andere in Stellung zu bringen. Im Parlament gibt es längst keine nüchterne Debatte über Sachfragen mehr, diese ist geradezu persönlichen Animositäten gewichen: Jede Seite unterstellt der anderen, nicht bloß anderer Meinung zu sein, sondern in Wahrheit dem Land zu schaden. Kriegsgerät ist allgemein verfügbar - das gefährdet Polizisten Rechte Politiker und Medien zum Beispiel begnügten sich nach dem Tod Michael Browns in Ferguson damit, Schwarzen und Linken Hysterie vorzuwerfen. Sie beschränkten sich darauf, "blue lives matter" zu skandieren. Hätten sie sich wirklich um das Leben der Beamten gesorgt, hätten sie das Waffenrecht massiv verschärft. Schließlich ist es die allgemeine Verfügbarkeit von Kriegsgerät, die Amerikas Polizisten am meisten gefährdet. Nach dem Terror in Orlando kursierten mehrere Gesetzentwürfe im Kongress, um zumindest mutmaßliche Terroristen am Kauf neuer Mordwerkzeuge zu hindern. Keinem dieser Entwürfe stimmten die Republikaner zu: Sie sehen die Waffe als vielleicht letztes Symbol dafür, wie der Bürger seine Freiheit und Unabhängigkeit gegen einen regelungswütigen Staat behauptet. Leider ist für Amerika keine Besserung in Sicht. Der Wahlkampf um das Weiße Haus hat die bisherige Polarisierung noch einmal überboten. Donald Trump hat die persönliche Attacke, die Beleidigung, die Häme zum erfolgreichen politischen Stilmittel erhoben. Er schürt Ressentiments gegen Latinos, gegen Muslime. Er zettelt einen Klassenkampf an zwischen der weißen Arbeiterschicht und der besserverdienenden Elite, die für Globalisierung und Weltoffenheit steht. Trump hat bei Veranstaltungen sogar zur Gewalt gegen Andersdenkende aufgefordert. Weil in Teilen der Bevölkerung eine spürbare Sehnsucht nach Aufstand und Krawall herrscht, stellt sich die Polizei in Cleveland vor dem republikanischen Parteitag bereits auf Unruhen ein. Viele Konflikte Amerikas gehen noch auf die Gründerzeit zurück, und es ist dem Land nie gelungen, sie zu lösen. Es ist kein Zufall, dass jetzt zwei der ältesten und bittersten Kontroversen miteinander verschmelzen, die um Rassismus und die um Waffen. Auch 240 Jahre nach der Unabhängigkeit der "Vereinigten" Staaten stehen sich viele ihrer Bürger in unüberwindbarer ideologischer Teilung, ja in ständiger Todesangst gegenüber. Statt den Waffenwahn einzudämmen, haben sie sich wie betäubt mit ihm abgefunden. Nach dem Terror in Dallas verlangten viele, die Amerikaner müssten aufhören, so zornig aufeinander zu sein. Dies ist eine enorme Aufgabe: Um die Verwerfungen zu überwinden, wird es nicht reichen, wie beim missglückten Feuerwerk Bilder aus ruhigeren Zeiten zu zeigen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-entzweite-staaten-1.3069791 | mlsum-de-684 |
Die winzige Insel war einst das zweitreichste Land der Welt. Heute schiebt Australien seine Flüchtlinge dorthin ab. | Zwischen Papua-Neuguinea, der Republik Fidschi und den Marshallinseln befindet sich vor allem eins: viel Pazifik. Irgendwo zwischen winzig kleinen Inseln und Atollen, ziemlich genau 2900 Kilometer nordöstlich von Australien, liegt zudem Nauru, die kleinste Republik der Welt. Gerade einmal 21 Quadratkilometer misst sie, hat keine offizielle Hauptstadt, geschweige denn eine eigene Währung (es gilt der australische Dollar), aber ist jetzt Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieser hat sich bekanntermaßen die Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik sowie die Ausweitung des Welthandels zum Ziel gesetzt. Er unterstützt Länder etwa mit Krediten und berät sie wirtschaftlich. Mit Nauru wächst der Verbund nun auf insgesamt 189 Staaten weltweit. Zuwachs bekommt der IWF in der Regel kaum, seit der Jahrtausendwende sind lediglich sechs Staaten hinzugekommen. Das letzte Mal war das 2011 der Südsudan, zuvor Montenegro im Jahr 2006. Und nun also Nauru, diese winzig kleine Pazifikinsel. Die einst als das zweitreichste Land der Welt nach Saudi-Arabien galt und als Paradies verkannt wurde, in Wirklichkeit aber nie eines war. Im Gegenteil. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Nauru durch zufällig entdeckte, riesige Phosphatvorkommen extrem reich: Es gab fortan keine Steuern mehr, die medizinische Behandlung wurde kostenlos und jeder Haushalt der 10 000-Einwohner-Insel besaß durchschnittlich ein Motorboot und zwei bis drei Autos - bei nur 29 Kilometern asphaltierter Straße. Die Regierung konnte diesen Wohlstand aber nicht sichern, in den Neunzigerjahren brach alles zusammen. Die Phosphatreserven waren nahezu aufgebraucht, die Inselbank ging pleite und das Land war schnell hoch verschuldet. Finanzielle Hilfe bot schließlich der große Nachbar Australien im Rahmen einer "pazifischen Lösung" an: Alle Bootsflüchtlinge, die vor den Küsten Australiens ankämen, sollten auf die Inseln Manus und Nauru gebracht und dort in Lagern untergebracht werden. Im Gegenzug würde Australien Millionen auf die nauruische Staatskasse überweisen. Auch heute machen diese Zahlungen noch immer fast das gesamte Staatseinkommen der kleinen Republik aus. Schätzungsweise 500 Flüchtlinge sollen sich ständig auf der Insel befinden, immer wieder erheben Menschenrechtsgruppen schwere Vorwürfe und berichten von schlechten Lebensbedingungen in den Camps. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/waehrungsfonds-umstrittene-pazifikinsel-nauru-wird-iwf-mitglied-1.2947316 | mlsum-de-685 |
Der in Finanznöte geratene chinesische HNA-Konzern verkauft erneut Aktien der Bank. Man wolle aber langfristig Investor des Geldhauses bleiben, einen weiteren Anteilsverkauf gebe es nicht. | Der hoch verschuldete chinesische Großaktionär HNA hat seine Beteiligung an der Deutschen Bank erneut gesenkt. Diese belaufen sich nun auf rund 8,8 Prozent, sagte ein Sprecher des Konglomerats am Freitag. HNA werde aber ein langfristiger Investor der Deutschen Bank bleiben. "Eine weitere Reduzierung der Beteiligung ist nicht vorgesehen." Erst vergangene Woche hatte HNA seinen teilweise über Derivatestrukturen gehaltene Anteil an der Deutschen Bank von 9,9 auf 9,2 gesenkt. Angeblich hängt die Reduzierung mit einer neu geordneten Finanzierungsstruktur des Aktienanteils zusammen. Für den Kauf von mehr als der Hälfte der Aktien hatte HNA im Frühjahr 2017 bei der Schweizer Bank UBS rund 2,1 Milliarden Euro Kredit aufgenommen. Sobald der Aktienkurs unter 15 Euro fällt, übernimmt zunächst die UBS das Risiko. Dieses Absicherungsgeschäft, das bei Aktienkäufen dieser Größe durchaus üblich ist, verlängern HNA und UBS gerade, weswegen es möglicherweise zu Verschiebungen des Anteils gekommen ist. Weitere Großaktionäre des Geldhauses sind zwei Scheichs aus Katar, die laut Schriftsätzen der Bank 7,5 Prozent halten, sowie der US-Vermögensverwalter Blackrock (6,4 Prozent) und der US-Finanzinvestor Cerberus (3 Prozent). HNA war Anfang 2017 bei dem Institut eingestiegen, hat mit dem Investment bisher jedoch kein Glück gehabt. Seit dem Einstieg ist der Aktienkurs der Bank um rund 30 Prozent gefallen. Das Konglomerat steht jedoch ohnehin unter Druck: HNA hatte in den vergangenen Jahren für rund 50 Milliarden Dollar in aller Welt Beteiligungen erworben und hat nun Schwierigkeiten, Schulden zu bedienen. Deswegen wird am Markt seit langem darüber spekuliert, dass HNA seinen Anteil an der Deutschen Bank womöglich auch verkaufen muss. Dagegen spricht jedoch, dass HNA damit kaum Mittel freisetzen würde, weil die Chinesen mit dem Geld erst einmal den Kredit an die UBS zurückzahlen müssten. Sollte der Anteil von HNA an der Bank aber nicht wieder steigen, könnten sich die Chinesen immerhin dem Zugriff der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) entziehen. Die EZB will HNA angesichts seines Einflusses eigentlich genauer prüfen. Die Aktie der Deutschen Bank notierte am Freitag leicht im Minus. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-hna-reduziert-noch-ein-wenig-1.3870455 | mlsum-de-686 |
CDU und SPD haben besonders bei den jüngeren Wählern verloren. Am ehesten kommen sie noch bei Menschen ab 60 an. Die Grünen gewinnen bei Akademikern und Abiturienten. | CDU und SPD haben in Hessen nicht nur ihre schlechtesten Ergebnisse seit Jahrzehnten eingefahren. Das Wählerverhalten der sozialen Gruppen zeigt auch, dass beide Parteien bestimmten Gruppen nur noch wenig zu bieten haben. So sind nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen die beiden alten Parteien inzwischen auch die Parteien der Älteren: Beide finden bei den Wählern über 60 Jahren die meisten Stimmen. Die CDU konnte in dieser Altersgruppe 35 Prozent der Stimmen gewinnen, die SPD immerhin noch 27 Prozent. Unter den jüngsten Wählern (unter 30) dagegen konnten die Christdemokraten nicht einmal jeden fünften überzeugen, bei der SPD kamen ebenfalls die wenigsten Stimmen von den jungen Wählern. Anders sieht es bei den Grünen aus. Sie erhalten den geringsten Zuspruch bei den Wählern in der Altersgruppe über 60 Jahren. Dafür haben 25 Prozent der jüngsten Wähler für sie gestimmt. Verhältnismäßig gut schneiden auch die Linken bei den Jüngeren ab, von denen zehn Prozent hier ihr Kreuz gemacht haben, und auch die FDP hat bei den jungen Wählern mit neun Prozent die meiste Zustimmung. Auf der anderen Seite war bei beiden Parteien der Anteil der Stimmen, die sie erhielten, unter den Ältesten am kleinsten. Die AfD, die erstmals in den hessischen Landtag einzieht, wurde vor allem von Wählern im Alter zwischen 30 und 59 gewählt. 15 Prozent dieser Altersgruppe konnte die Partei für sich gewinnen, während 2013 eher die Jüngeren für sie gestimmt hatten. Von den über 60 Jahre alten Wählern stimmten nur elf Prozent für die AfD. Deutliche Unterschiede gibt es bei den Berufs- und Bildungsgruppen. So fanden die Christdemokraten die größte Zustimmung unter den Selbstständigen, von denen jede dritte Stimme an die CDU ging. Mit 27 und 28 Prozent lag der Anteil der Angestellten und Beamten, die die Partei wählten, etwas niedriger. Aber nicht einmal jeder vierte Arbeiter wollte hier das Kreuz machen. Für die Sozialdemokraten stimmten dagegen mit 25 Prozent zwar mehr Beamte als Arbeiter (23 Prozent), noch geringer war aber die Zustimmung unter Angestellten, und nur zwölf Prozent der Selbstständigen wählte die SPD. Für die Linken entschieden sich lediglich sieben Prozent der Arbeiter, und damit kaum mehr als Angestellte, Beamte und Selbstständige (jeweils sechs Prozent). Für die Grünen stimmte dagegen fast jeder vierte Angestellte, jeder fünfte Beamte und Selbstständige, und nur elf Prozent der Arbeiter. Mit Blick auf die Bildung fällt auf, dass die CDU eher bei Wählern mit Hauptschulabschluss beliebt ist (32 Prozent) als bei jenen mit Abitur (23 Prozent). Einen Hochschulabschluss hatte nur jeder vierte Wähler, mittlere Reife besaßen 28 Prozent. Bei der SPD war, wie bei der Union, die Gruppe der Wähler mit Hauptschulabschluss mit 29 Prozent die größte. Lediglich 16 Prozent der Wähler mit Abitur stimmten für die Sozialdemokraten und nur etwa jeder fünfte mit mittlerer Reife oder Hochschulabschluss. Die FDP-Wähler dagegen verteilten sich bezüglich der Bildung relativ gleichmäßig mit Anteilen zwischen sechs Prozent mit Haupt- und acht Prozent mit Hochschulabschluss. Die Wahl bestätigt einmal mehr, dass die Grünen unter Akademikern beliebt sind. Ihre Stimmen erhielten sie vor allem von Wählern mit Hochschulabschluss (29 Prozent) oder Abitur (27 Prozent). Weder unter den Wählern mit Hauptschulabschluss noch mit mittlerer Reife konnten sie viele Stimmen gewinnen. Bei den Linken zeigte sich eine ähnliche Tendenz: Unter Wählern mit Abitur oder den Akademikern lag der Anteil bei neun beziehungsweise acht Prozent, bei jenen mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife war er halb so groß. Für die AfD stimmten 22 Prozent der Arbeiter sowie 16 Prozent der Wähler mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife. Unter den Akademikern war der Anteil nur halb so groß. Auch unter Männern und Frauen sind verschiedene Wahltendenzen zu beobachten. Am deutlichsten zeigte sich das bei der Zustimmung zur AfD. Mit 16 Prozent war der Anteil unter den Männern, die sie wählten, deutlich höher als bei Frauen, bei denen es nur neun Prozent waren. Umgekehrt sieht es bei den Grünen aus: Mit 23 Prozent der Frauen war deren Anteil unter den Wählern der Grünen deutlich größer als der der Männer (18 Prozent). Bei CDU und SPD war die Zustimmung unter den Geschlechtern nicht sehr verschieden. Für die Union stimmten 27 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer, bei der SPD ist der Anteil der männlichen Wähler mit 19 Prozent etwas geringer als der der weiblichen Wähler (21). Ein ausgewogenes Verhältnis zeigten auch die Linken und die FDP, für die jeweils etwa sieben Prozent der Geschlechter stimmten. | https://www.sueddeutsche.de/politik/waehlerverhalten-nur-noch-bei-aelteren-beliebt-1.4189256 | mlsum-de-687 |
Wer beim Chef mehr Geld verlangen will, braucht gute Argumente, Übung und die richtige Gesprächsstrategie. Was Ratgeber-Autoren empfehlen. | Gehaltserhöhung mitten in der Wirtschaftskrise? Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, meint Gehaltscoach Martin Wehrle aus Jork bei Hamburg. "Gerade wenn Stellen abgebaut werden und alle mehr arbeiten müssen, brauchen Unternehmen motivierte Mitarbeiter", betont der Autor. Was zählt, sind gute Argumente. Pluspunkte bringen neue Kunden, Umsatzzuwächse oder erfolgreiche Projekte. Verbinden lassen sich Gehaltsforderungen aber auch mit neuen Aufgaben oder einer Beförderung. Detailansicht öffnen Gehaltspoker: "Wichtig ist, dass das Wertschätzung nicht auf der Strecke bleibt" (Foto: Foto: dpa) Doch es kommt nicht nur auf die Leistung an. "90 Prozent des Erfolges hängen davon ab, wie geschickt man diese Leistungen verkauft", sagt Wehrle. Darum rät der Coach, Argumente, Körpersprache und Antworten vorher zu üben: "Man sollte das Gespräch mit Freunden in der Rolle des Vorgesetzten durchspielen." Wer so vorbereitet seinen Chef um ein Gespräch bittet, sollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, warnt der Karriereberater Jürgen Hesse aus Berlin. "Es genügt, um ein Gespräch über künftige Aufgaben oder die Position in der Firma zu bitten", rät er. Das Wort "Gehalt" sollte nicht zu früh fallen. Smalltalk bietet eine Gelegenheit, sich aufzuwärmen und für eine gute Atmosphäre zu sorgen. "Wenn ein Mitarbeiter etwas will, ist es seine Aufgabe, den Chef einzustimmen", rät Hesse. Mit Komplimenten und interessierten Fragen lasse sich mancher Vorgesetzte eine goldene Brücke bauen. "Die wenigsten Chefs haben Spaß daran, immer als Ablehner zu gelten." Bevor es um Geld geht, sollte der Mitarbeiter seine Argumente darlegen. "Am besten fängt man mit dem zweitbesten Argument an und endet mit dem Topargument. Dazwischen ist Platz für die schwächeren Punkte", rät Wehrle. Im Idealfall lasse sich der Chef dazu bringen, die Leistung des Mitarbeiters zu würdigen - der optimale Zeitpunkt für den Gehaltswunsch, sagt Hesse. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/gehaltsverhandlung-ein-ziel-reicht-nicht-1.504589 | mlsum-de-688 |
Der Markt für Gewerbeimmobilien in Deutschland ist erstmals seit 2009 geschrumpft - weil es nicht genügend Angebote gibt. | Nach sechs Rekordjahren zeigen sich am deutschen Markt für Gewerbeimmobilien erstmals Bremsspuren. Der Handel mit Büros, Läden, Hotels und Lager-Immobilien sei 2016 um vier Prozent auf 52,9 Milliarden Euro geschrumpft, teilte der Immobilienberater Jones Lang LaSalle (JLL) in Frankfurt mit. Dank eines furiosen Jahres-Endspurts sei 2016 aber immer noch das drittstärkste Jahr gewesen. Grund für den Rückgang sei vor allem, dass Investoren nicht mehr genügend Kaufobjekte fänden, sagte JLL-Deutschland-Chef Frank Pörschke. "Noch immer deuten aber alle fundamentalen Marktindikatoren auf eine Fortsetzung der Hochphase auf den Immobilienmärkten hin." Für das laufende Jahr sagt JLL ein Transaktionsvolumen von 45 bis 50 Milliarden Euro voraus. Die Zeit der Nullzinsen sei vorbei, und für die Großinvestoren würden auch andere Anlagen wieder attraktiver. "Damit wird auch der Kapitaldruck auf Immobilien etwas nachlassen", erklärte JLL-Manager Timo Tschammler. Angesichts steigender Kaufpreise mussten sich die Investoren bei Büroimmobilien bereits mit geringeren Renditen zufriedengeben. In den wichtigsten sieben Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart haben die Preise 2016 laut JLL um 20 Prozent angezogen, im neuen Jahr rechnen die Experten nur noch mit sieben Prozent Preisauftrieb. Vom Schlussspurt habe vor allem Frankfurt profitiert. Hier wurden Gewerbeimmobilien für 7,3 Milliarden Euro verkauft, 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Mit dem Commerzbank-Tower und dem neuen Wolkenkratzer Taunus Turm, die jeweils mehr als 600 Millionen Euro kosteten, spielten sich in der Finanz-Metropole auch die beiden teuersten Einzeltransaktionen ab. Das größte Portfolio, die IVG-Tochter OfficeFirst mit dem Büro- und Geschäftskomplex "The Squaire" am Frankfurter Flughafen, ging für 3,3 Milliarden Euro an den US-Investor Blackstone. Auf Platz zwei und drei der begehrtesten Städte liegen München (6,4 Milliarden Euro, plus elf Prozent) und Berlin (fünf Milliarden, minus 38 Prozent). 45 Prozent des Marktes entfielen auf Büros, 23 Prozent auf den Einzelhandel. Ausländische Investoren standen für 45 Prozent des Kaufvolumens. | https://www.sueddeutsche.de/geld/gewerbeimmobilien-grosse-nachfrage-kleines-angebot-1.3329896 | mlsum-de-689 |
Besserer Schutz für Mieter - oder wirkungslose Maßnahme? Nach langem Ringen innerhalb der großen Koalition passiert die Mietpreisbremse den Bundestag. Mieter könnten künftig um hohe Maklerprovisionen herumkommen. | Bessere Kontrolle der Mietsteigerungen Der Bundestag hat die Mietpreisbremse mit den Stimmen der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD beschlossen. Die Neuregelung soll voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft treten. Der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht im Kern vor, dass in Städten und Gegenden mit angespannter Wohnsituation bei Neuvermietungen die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. In welchen Gegenden diese Regelung gilt, legen die Bundesländer fest. Ausgenommen von der Regelung sind Neubauten und zunächst auch grundsanierte Wohnungen, um den Bau neuer Wohnungen nicht zu behindern. Der Mangel an Wohnraum gilt in gefragten Gegenden als Hauptgrund dafür, dass die Mieten steigen. Nun muss noch der Bundesrat über die Regelung abstimmen - möglichst noch Ende März. Wer bestellt, soll zahlen Es bleibt, wie vereinbart, bei dem sogenannten Bestellerprinzip für Makler. Künftig bezahlt derjenige den Makler, der ihn bestellt hat - also meist die Vermieter statt wie bisher die Mieter. Die Maklerbranche fürchtet allerdings um Aufträge, weil Vermieter aus Kostengründen die Wohnungsvermittlung selbst übernehmen könnten. Opposition: Mietpreisbremse wird kaum Wirkung haben Die Opposition kritisierte die geplante Mietpreisbremse als wirkungslos. Das Gesetz sei ausgehöhlt "wie ein Schweizer Käse" und werde am Ende kaum Wirkung entfalten, sagte Linksfraktionsvize Caren Lay. Sie bemängelte, dass die Mietpreisbremse nur zeitlich befristet und begrenzt auf bestimmte Regionen eingeführt werde. Außerdem gebe es zu viele Ausnahmen. Auch die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), sagte: "Diese sogenannte Bremse hat kaum Wirkung." Das Gesetz habe zu viele Ausnahmen und komme viel zu spät. Viele Vermieter hätten in der Zwischenzeit noch die Preise erhöht. Länder wollen schnell handeln Mehrere Bundesländer mit großen Ballungsräumen und Universitätsstädten wollen die Mietpreisbremse schnell anwenden. Wo sie greifen soll, können die Länder für fünf Jahre festlegen. Dafür müssen sie für bestimmte Gebiete "angespannte Wohnungsmärkte" ausweisen. Dass Mieten um 20 Prozent und mehr steigen, kommt in begehrten Vierteln vieler Großstädte vor, aber auch in kleineren Uni-Städten. | https://www.sueddeutsche.de/geld/grosse-koalition-bundestag-beschliesst-die-mietpreisbremse-1.2378967 | mlsum-de-690 |
Nachteil für Kassenpatienten: Wer privat versichert ist wartet kürzer auf einen Termin beim Arzt. Mehr Honorar bedeutet offenbar eine kürzere Wartezeit. | Kassenpatienten müssen länger auf einen Termin beim Arzt warten als Privatpatienten. Sitzt der gesetzlich Versicherte erst einmal in der Praxis, muss er Zeit und Demut mitbringen. Langsamer ins Sprechzimmer wird er nämlich auch gebeten. Hausärzte praktizieren diese ungleiche Behandlung weit weniger häufig als ihre Kollegen, die sich auf ein Fachgebiet spezialisiert haben. Detailansicht öffnen Wer weniger warten will, muss mehr zahlen - sagt eine Studie der Kassenärztlichen Vereinigung. (Foto: Foto: AP) Diese Erkenntnisse sind ungefähr so überraschend wie das Erlebnis der Nässe beim Eintauchen in ein Wannenbad. Man lebt, man lernt. Und trotzdem hat sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Mühe gemacht, diesen nicht gerade spärlich dokumentierten Umstand erneut aufzuarbeiten. Sie beauftragte dazu die renommierte Forschungsgruppe Wahlen, die insgesamt mehr als 6100 Patienten befragte - nach der Zufriedenheit der Deutschen mit ihren Medizinern (sehr hoch), nach der Einschätzung der Kompetenz (sehr hoch), nach ihrem Vertrauensverhältnis (gut bis sehr gut) und eben nach den Wartezeiten. Lange Wartezeiten 30 Prozent aller gesetzlich Versicherten bekommen sofort einen Termin. Bei den Privatpatienten sind es 39 Prozent. Etwa doppelt so viele Kassenversicherte müssen drei Wochen oder länger auf einen Termin warten, und das obwohl manche von ihnen über akute Beschwerden klagen. In der Praxis sehen 51 Prozent der Privatpatienten innerhalb von 15 Minuten den Arzt aber nur 39 Prozent der Kassenversicherten. Dennoch, so bilanziert KBV-Chef Andreas Köhler zufrieden, 80 Prozent sei es egal gewesen, dass sie auf Termine warten mussten. Weil im deutschen Gesundheitswesen alles relativ ist, fällt die KBV-Umfrage um einiges freundlicher aus als die Anfang April veröffentlichte des Instituts für Gesundheitsökonomie der Universität Köln. Die Wissenschaftler kamen zum Ergebnis, dass Kassenpatienten etwa dreimal so lange beim Arzt warten müssen wie Privatversicherte und bilanzierte eine "Zweiklassenmedizin". Der - derzeit beurlaubte - Direktor des Instituts ist der SPD-Abgeordnete und Buchautor Karl Lauterbach ("Der Zweiklassenstaat"). Lauterbach setzt sich seit Jahren für die Abschaffung der privaten Krankenversicherung ein, um die Unterschiede in der Behandlung zu beenden. Kostenlose Arbeit Klar, dass der Ärztevertreter Köhler diesen Weg für den falschen hält. In der Analyse über die Ursachen der unterschiedlichen langen Wartezeiten stimmt er allerdings mit dem in der Ärzteschaft wohl bestgehassten Politiker Deutschlands überein: Es hängt am Geld. "Privatversicherte sind für die meisten Praxen lebensnotwendig, weil es dort keine Budgets gibt und die Vergütung besser ist", sagt er. Durch den Kostendeckel auf den Ärztehonoraren müssten die Mediziner etwa 30 Prozent ihrer Arbeit umsonst erledigen, so behaupten die Standesvertreter. Falle die Ausgabengrenze weg und könnten die Ärzte die Behandlung der Kassenpatienten so abrechnen wie die der Privatversicherten, werde es auch keine Unterschiede mehr bei den Wartezeiten geben. Der niedrigste Honorarsatz reiche dafür aus. Kostenpunkt des Vorschlages: etwa 7,6 Milliarden Euro. Mehr Geld oder weiter warten - so lautet offenbar die Devise der Ärzteschaft. Wären damit Unterschiede zwischen den Versicherten endlich angeglichen? Natürlich nicht, denn der Arzt nimmt vom Privatpatienten in der Regel den 2,3-fachen Satz, und damit mehr, als von Köhler vorgeschlagen. Um das zu finanzieren, müsste noch einmal ein zweistelliger Milliardenbetrag her. Also: Der Kassenpatient wartet weiter. | https://www.sueddeutsche.de/geld/zweiklassenmedizin-geld-oder-warten-1.688997 | mlsum-de-691 |
Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bö haben die Biathlon-Saison geprägt - doch bei Olympia schwächelte der eine, wenn der andere triumphierte. In den Massenstart gehen sie mit unterschiedlichen Gefühlen. | Irgendwann fing Martin Fourcade an zu schreiben. Die Tage sind lang im Weltcup-Geschehen, wer an einem Tag einen Sprint gewinnt, muss sich schon am nächsten in der Verfolgung behaupten. "Der Wettbewerb nutzt ab, formt und verformt", schrieb Fourcade auf, aus seinen Notizen ist eine Autobiografie entstanden, in der auch folgender Satz steht, gesprochen zu seiner jetzigen Frau: "Du wirst mich häufiger im Fernsehen sehen als in echt." Damals war der Franzose 14 Jahre alt. In Pyeongchang ist Fourcade als Fahnenträger der Franzosen ins Stadion eingelaufen, er ist mit 29 Jahren ein Nationalheld unter den Wintersportlern: Seit sechs Jahren gewinnt er jedes Mal den Gesamt-Weltcup der Biathleten, vier Olympia-Medaillen hat er schon, dazu 25 WM-Medaillen und 67 Siege im Weltcup. Die Plaketten, die er im letztgenannten Wettbewerb erhält, verschenkt er an Kinder an der Strecke; es geht ihm nicht um die Auszeichnungen, sondern um das Gefühl, seinen Sport zu perfektionieren. Olympia in Pyeongchang hat ihm bisher unterschiedliche Gefühle vermittelt. Erst Ratlosigkeit, dann Befreiung, dann wieder Wut auf sich selber. Und mit Johannes Thingnes Bö, seinem Widersacher aus Norwegen, verbindet ihn nicht nur ein ähnliches Auf und Ab bei diesen Spielen, sondern auch die Familiengeschichte. Fourcade und Bö, Bö und Fourcade, sie haben sich immer wieder auf dem Podium getroffen in dieser Saison. Der Franzose war in keinem Rennen schlechter als Dritter, Bö feierte dafür mehr Saisonsiege: acht gegenüber sechs. Nun also der Showdown bei Olympia? Beide haben schon Gold gewonnen, beide haben aber auch zwei Rennen vergeigt. Johannes Thingnes Bö hatte im Sprint viermal vorbeigeschossen bei zehn Versuchen, die Böen hatte Bö nicht im Griff, er landete nur auf Rang 31. Mit sechs Fehlern in der anschließenden Verfolgung konnte der 24-Jährige dann auch nicht mehr als zehn Plätze gut machen. Aber im Einzel hatte alles gepasst, da war der Norweger Erster. Fourcade kam zunächst auf einen achten Rang im Sprint, was ihn wurmte. "Ich konnte nicht verstehen, was passiert ist", sagte er. Am nächsten Tag schaute er ein Bild von sich am Schießstand an und sah: Die Windfahnen zeigten andere Tendenzen an, als er sie selber wahrgenommen hatte. "Da wusste ich, ich hatte nicht nur Pech, es war mein eigener Fehler", sagte Fourcade. Damit konnte er arbeiten und tat es: Er stürmte von Rang acht aus zum Sieg in der Verfolgung. Als er auch den letzten der 20 Schüsse ins Schwarze gebracht hatte, riss er ausufernd die Faust nach oben. Er weiß, dass er auf seine Gegner provokant wirken kann. "Beeinflussen, Druck ausüben - auch das ist ein Teil dieses Spiels", schreibt Fourcade in seinem Buch. Vor acht Jahren in Vancouver hat er Silber im Massenstart gewonnen. Als er auf dem Siegertreppchen stand und seine Medaille bekam, sah er seinen Vater im Publikum, daneben eine französische Fahne - hinter der sich sein Bruder versteckte, weinend. Simon Fourcade ist vier Jahre älter und hatte Martin überhaupt erst zum Biathlon gebracht. Simon war schon gesetzt im französischen Team und als Trainingsweltmeister bekannt, als Martin erst noch testete, ob er sich für derart harte Arbeit überhaupt motivieren konnte. "Für Simon musste es so aussehen, als würde mir mit einiger Leichtigkeit zufallen, was er sich mit der schwersten Arbeit nicht erarbeiten konnte", schreibt der jüngere Fourcade. Die beiden distanzierten sich voneinander, heute kann Simon mit den Kräfteverhältnissen leben, sie sind ja eindeutig: Im Gesamtweltcup ist er 34., Martin der Führende. "Ich bin stolz auf ihn, es ist großartig, was er geschafft hat", sagte Simon Fourcade nun zum Gold seines Bruders. In Pyeongchang gehört auch der Ältere zur französischen Auswahl, ist aber noch nicht zum Einsatz gekommen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/biathlon-letzte-chance-auf-den-showdown-1.3870580 | mlsum-de-692 |
Abiturienten, die sich für ein duales Studium entscheiden, hoffen auf Jobsicherheit und schnellen Aufstieg. Die Unternehmen setzen darauf, dass sich ihre Investition auszahlt. Das funktioniert gut - meistens. | Schon der schnelle Blick in die Statistik verrät: Das duale Studium ist ein Erfolgsmodell. Seit 2004 hat sich die Zahl der Studierenden von 40 000 auf mehr als 100 000 erhöht; aus 500 Studiengängen wurden gar 1500. All diese Zahlen veröffentlichte das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2017 in seinem noch aktuellen Bericht "Ausbildung Plus: Duales Studium in Zahlen 2016". Inzwischen dürften sie sich weiter erhöht haben; zudem basieren sie auf einer Selbstauskunft der Hochschulen; wer nicht antwortet, wird nicht erfasst. Angesichts der steigenden Zahlen ist das Studienmodell, das Theorie und Praxis miteinander verzahnt, wissenschaftlich erstaunlich wenig dokumentiert. Der sechste Nationale Bildungsbericht ("Bildung in Deutschland 2016") etwa, ein alle zwei Jahre erscheinendes Kompendium von Bund und Ländern, widmet sich auf seinen 350 Seiten zwar ausführlich dem Studienerfolg von Fachhochschülern versus universitär Ausgebildeten. Zur Beschreibung des dualen Studiums beschränkt er sich hingegen auf wenige Zeilen. Immerhin steht darin, worum es geht: "Das duale Studium kombiniert einen Studiengang mit einer beruflichen Ausbildung oder wiederkehrenden Praxisphasen, deren Umfang über ein Praxissemester hinausgehen." Detailansicht öffnen Am Anfang ist es verwirrend, bis man sich für einen von mittlerweile mehr als 1500 dualen Studiengängen entschieden hat. Doch dann ist diese akademische Ausbildung klar strukturiert. (Foto: Florian Schuh/dpa) Die Sozialwissenschaftlerin Sirikit Krone (Institut Arbeit und Qualifikation, Duisburg-Essen) steht kurz vor der Veröffentlichung der bisher wohl umfangreichsten Annäherung an die Frage, ob sich ein duales Studium aus Sicht der Absolventen bewährt. Bundesweit füllten etwa 10 000 junge Männer und Frauen ihren Fragebogen zu Karrierewegen dual Studierender aus; einmal während des Studiums, noch einmal nach dem Berufsstart. "Die zentralen Erwartungen werden erfüllt", sagt Krone. "Wer ein duales Studium aufnimmt, sucht vor allem Jobsicherheit und eine klare Karriereoption. Das bekommen sie." 87 Prozent der Absolventen sind eineinhalb Jahre nach dem Studium erwerbstätig, unter ihnen mehr als neun von zehn in Vollzeit, mehr als drei von vier unbefristet. Zum Vergleich: Normal Studierende sind dann nur zu 68 Prozent regulär beschäftigt; acht von zehn in Vollzeit und sieben von zehn unbefristet. Arbeitslos sind dann ein Prozent der dual Studierenden - gegenüber sechs Prozent der Absolventen mit einem regulären Studium. Nicht ganz so rosig sieht es bei der Zufriedenheit mit der Karrierestufe aus. Drei von vier dual Studierende wähnen sich im Vorfeld zum Berufseinstieg bald in leitender Position - nur zwei von drei bekommen diese auch. Ein Grund mag sein, dass ihre Verhandlungsposition nicht die beste ist. Die meisten bleiben nach dem Bachelor in dem Unternehmen, das sie ausgebildet - und dafür bezahlt - hat; rund jeder Fünfte hat sich dazu sogar für eine gewisse Zeit verpflichtet. "Für Unternehmen ist das duale Studium eine betriebswirtschaftliche Kalkulation", erklärt Krone. "In Zeiten des Fachkräftemangels hat das viele, aber eben nicht nur Vorteile." Für die Betriebe geht die Rechnung vor allem auf, weil sie die Kandidaten streng auswählen. "Die Bewerber werden auf Herz und Nieren geprüft, teils in regelrechten Assessment-Verfahren", erklärt Miriam Weich, die in ihrer Dissertation an der Universität Tübingen untersuchte, wodurch sich dual und regulär Studierende unterscheiden. Dabei fand sie heraus: Dual-Studenten haben im Schnitt bessere Noten, sind lernbereiter, selbständiger und trauen sich mehr zu. Während des Studiums allerdings nähmen die Unterschiede nicht weiter zu. "Die Schere öffnet sich nicht weiter", erklärt Weich. Das ist insofern überraschend, als man annehmen könnte, dass die Verzahnung von Praxis und Theorie etwa die Selbständigkeit und das Selbstvertrauen verstärkten. Woran das liegt, hat Weich in ihrer Studie, in der sie dual und normal Studierende an bayerischen Fachhochschulen zu Studienbeginn und nach drei Semestern befragte, nicht untersucht. Eventuell würden unterschiedliche Entwicklungen erst gegen Ende des Studiums sichtbar. Eine andere Erklärung wäre, dass "bei der Konzeption und Umsetzung des dualen Studiums noch Optimierungspotenzial besteht." Die unzureichende Verknüpfung der Praxis im Unternehmen mit den Studieninhalten ist wohl der Hauptkritikpunkt des stark expandierenden Studienmodells. "Bei allem, was gut läuft: An der engen Kooperation zwischen akademischer und betrieblicher Seite hapert es oftmals - und zwar auf beiden Seiten", konstatiert die Sozialwissenschaftlerin Bettina Langfeldt. Ihre Auswertung einer - gemeinsam mit Wilfried Hesser an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg durchgeführten - Onlinebefragung von mehr als 4000 dual Studierenden ergab: Diese haben häufig den Eindruck, dass weder die Betriebe wissen, was in der Hochschule passiert, noch umgekehrt. Gewollt ist das so nicht: "Dualität" verlange sowohl einen "angemessenen Umfang der Praxisanteile" wie auch "eine Verbindung und Abstimmung der Lernorte" - so hält es der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zum dualen Studium fest. Theorie plus Praxis Jeder 20. Studierende ist in einem dualen Studiengang eingeschrieben. Das sind etwa so viele, wie es Fernstudierende gibt. Der größte Anbieter ist die Duale Hochschule Baden-Württemberg mit mehr als 30 000 Studierenden, die auf mehrere Standorte verteilt auch die größte Hochschule im Ländle ist. Bundesweit werden duale Studiengänge meist an Hochschulen für angewandte Wissenschaften - so nennen sich heute die meisten Fachhochschulen - angeboten. Universitäten beteiligen sich selten; eine Ausnahme ist etwa die Technische Universität Hamburg-Harburg. Auch Berufsakademien bieten duale Studiengänge an. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen ausbildungsintegrierenden und praxisintegrierenden Studiengängen. Ausbildungsintegrierende verbinden das Studium mit einer Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf; praxisintegrierende verknüpfen Theorie und Praxis über einen Praktikanten- oder Kooperationsvertrag mit einem Unternehmen. Vor allem die Zahl der praxisintegrierenden Studiengänge nimmt zu. In beiden Fällen steht am Ende ein Hochschulabschluss. Ebenso ist ein duales Studium grundsätzlich vergütet, wobei die Höhe stark variieren kann. Drei von vier dualen Studiengängen (72 Prozent) sind wirtschafts- oder ingenieurwissenschaftlich; zunehmend gibt es aber - analog zu deren Akademisierung - auch Angebote in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften. Ein Überblick über die Angebote findet sich unter: www.hochschulkompass.de/studium/rund-ums-studieren/studienformen/duales-studium.html Jeanette Goddar Warum diese Verbindung wichtig ist, erklärt Langfeldt, die an der Uni Kassel lehrt, so: In den betrieblichen Phasen würden "meist Lösungen gesucht, ohne alternative Handlungsmöglichkeiten zu erörtern". Angesichts des Zeitdrucks in vielen Unternehmen sei das "verständlich" - aber es sei "nötig, die Praxisphasen in der Hochschule ausreichend zu reflektieren". Am besten stünden Dozenten und Ausbildungsbeauftragte dazu "in Kontakt und schauten auch einmal in der jeweils anderen Bildungsstätte vorbei," sagt Langfeldt. Im Gegensatz dazu, berichtet Krone, gäbe es allerdings "Professoren, die gar nicht wissen, dass dual Studierende in ihren Veranstaltungen sitzen." Und so mehren sich die Stimmen, die mehr Standardisierung wünschen. "Ein erster Schritt ist bereits gemacht, wenn Wissenschaft und Wirtschaft in einem Bündnis Qualitätsstandards vereinbaren", sagt Krone. Solche Bündnisse gibt es in mehreren Ländern - "Hochschule Dual" in Bayern etwa, oder "Duales Studium Hessen". Ein anderer Weg wäre, dass die für die Akkreditierung von Studiengängen zuständigen Agenturen künftig strengere Kriterien anlegten. Insgesamt gelte, sagt Krone: "Einheitliche Standards kommen allen zugute." | https://www.sueddeutsche.de/karriere/warum-dual-studieren-kalkulation-und-karriere-1.4017306 | mlsum-de-693 |
Einst wurden dem AFC Bournemouth wegen Misswirtschaft 17 Punkte abgezogen. Nun steigt der Klub erstmals in die Premier League auf. Die Geschichte einer rasanten Genesung. | Es dauerte nur Augenblicke, dann entlud sich auf dem Rasen von Bournemouth, was sich an Hoffen, Bangen und Leiden angesammelt hatte. Vom Grün war nichts mehr zu sehen. In Rot und Schwarz stürmten die Fans des AFC Bournemouth kurz nach dem Schlusspfiff das Spielfeld im "Goldsands Stadium". Die Sekunden nach dem 3:0-Heimsieg gegen die Bolton Wanderers am Montagabend dürften in die Annalen der 116-jährigen Geschichte des Vereins eingehen, der 2008 nach Jahren der Misswirtschaft noch vor dem Aus gestanden hatte. Jetzt, sieben Jahre später, lächeln die Spieler des AFC Bournemouth mit Champagner-Gläsern von den Titelblättern der englischen Zeitungen. Die "Cherries" sind zum ersten Mal in die Premier League aufgestiegen. Theoretisch zwar noch nicht, aber praktisch allemal. "So gut wie in der Premier League" Vor dem 46. und letzten Spieltag in der Championship, der zweithöchsten englischen Liga, trennen Bournemouth drei Punkte vom Tabellendritten Middlesbrough. Der Uefa-Cup-Finalist von 2006 hatte bereits am Samstag durch ein Gegentor in der 94. Minute 3:4 gegen den früheren Club von Trainer Felix Magath, den FC Fulham, verloren. Am letzten Spieltag müsste Middlesbrough nicht nur drei Punkte, sondern zudem einen Rückstand von 20 Toren auf Bournemouth aufholen. Oder wie es der Guardian ausdrückt: "In Wirklichkeit ist Bournemouth so gut wie in der Premier League." Für die englische Presse ist der Durchmarsch der Hafenstadt im Süden von England von der vierten bis in die höchste nationale Spielklasse ein dankbares Thema. Fast scheint es, als hätten die Zeitungen Ersatzhelden für ihre gescheiterten Europacup-Teams gefunden - in der Champions League hatte es keines der hoch ambitionierten Premier-League-Klubs von Manchester City bis zum FC Chelsea ins Viertelfinale geschafft. In den britischen Blättern füllt der Europacup deshalb seit Wochen nur noch die Randspalten. Genug Platz also, um sich mit dem AFC Bournemouth auseinanderzusetzen. "Es passieren noch Wunder", schrieb die Daily Mail in ihrer Dienstagsausgabe und zitierte Harry Redknapp, der in den Achziger- und Neunzigerjahren 464 mal bei Bournemouth auf der Trainerbank saß: Der derzeitige Coach Eddie Howe verdiene es, Bürgermeister zu werden, befand Redknapp. Gewohnt wortgewandt titelte die Sun mit "Die Bourne Verschwörung" in Anlehnung an den gleichnamigen Action-Thriller. Und traf damit den Kern einer fulminanten Geschichte, die begonnen hatte, als der AFC Bournemouth eigentlich am Ende zu sein schien. | https://www.sueddeutsche.de/sport/aufstieg-in-die-premier-league-bournemouth-feiert-das-wunder-1.2456065 | mlsum-de-694 |
Ihre heruntergezogenen Mundwinkel machten sie im Netz berühmt: Mit einem Film, Büchern und Merchandising-Artikeln soll Grumpy Cat in zwei Jahren etwa 80 Millionen Euro eingespielt haben. Ein Erfolg, den die Katze ihrem Unterbiss verdankt. | Reich mit einer Katze Sie guckt immer ein bisschen grimmig und gelangweilt. Auf Tassen, T-Shirts und Handyhüllen hängen ihre Mundwinkel schlapp nach unten, so als hätte sie schlechte Laune. Dieser Look machte sie im Netz als Grumpy Cat bekannt und ihre Besitzerin Tabatha Bundesen zur Millionärin. Laut einem Bericht im britischen Telegraph hat Bundesen innerhalb von nur zwei Jahren mit einem Film, Merchandising-Produkten und Büchern über die Katze 64 Millionen britischer Pfund verdient. Das sind umgerechnet etwa 80 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Fußballer Christiano Ronaldo verdiente dem Forbes-Magazin zufolge im vergangenen Jahr insgesamt rund 64 Millionen Euro. Der Schweizer Tennisprofi Roger Federer rund 45 Millionen und die Schauspielerin Gwyneth Paltrow etwa 15 Millionen Euro, also deutlich weniger als Grumpy Cat. Wie Grumpy Cat berühmt wurde Die Karriere der Katze begann vor zwei Jahren. Damals hieß sie noch Tadar Source. Im September 2012 postete Bundesens Bruder ein Foto der Katze auf der Webseite Reddit. Seitdem gehen Bilder und Videos der Katze um die Welt. "Sie ist nicht aufzuhalten", sagt Bundesen im Telegraph. Dass Grumpy Cat so griesgrämig und gelangweilt guckt, hat laut dem Bericht zwei Gründe: Sie hat einen Unterbiss und ist kleinwüchsig. Seit die Katze so populär geworden ist, hat die 28-Jährige aus Arizona ihren Job als Kellnerin aufgegeben. Sie kümmert sich um die Vermarktung der Katze. Dabei hilft ihr der Agent Ben Lashes, der sich auf Katzen im Netz spezialisiert hat. Neben Grumpy Cat vertritt er auch die Regenbogen-Katze Nyan Cat und Keyboard Cat, eine Katze, die Klavier spielen kann. Grumpy Cat hat mittlerweile mehr als sieben Millionen Facebook Likes. Neben Katzensocken und Katzentassen gibt es sogar eine Eiskaffeemarke, die nach ihr benannt ist: den "Grumppuchino". Ende dieses Jahres erscheint mit "Grumpy Cat's worst christmas ever" ihr erster Film und die Katze wird, na klar, grimmig gucken. Wem das noch nicht reicht, der kann auf Grumpy's offizieller Webseite das "schlimmste Weihnachten" auch ins Wohnzimmer holen: mit Grumpy Cat's Geschenkpapier. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/grumpy-cat-reich-mit-schlechter-laune-1.2257308 | mlsum-de-695 |
Ein starker Daniel Didavi, ein Fehler des Gästetorwarts: Der Tabellenletzte VfB Stuttgart schöpft nach dem völlig verdienten 2:0-Erfolg gegen Mainz 05 wieder Hoffnung. | Neben allerlei mehr oder weniger prominenten VfB-Sympathisanten ließ auch der Manager der "Fantastischen Vier" vor dem Anpfiff die allerbesten Wünsche für den Klassenerhalt ausrichten. Und tatsächlich schien der Beistand von der Anzeigetafel zu helfen: Nach dem völlig verdienten 2:0-Sieg gegen schwache Mainzer hofft der VfB wieder auf den Klassenerhalt. Im Falle einer Niederlage hätte man hingegen für die zweite Liga planen können. "Wir haben uns vor dem Spiel gesagt, dass wir ein Viertel-, ein Halbfinale und dann das Endspiel vor der Brust haben", erklärte Kapitän Christian Gentner. Das Viertelfinale haben sie schon mal gewonnen. Und sind guter Dinge, dass am kommenden Samstag auch der HSV einen unangenehmen Nachmittag im Ländle verbringt: "Wenn wir mit der Leidenschaft von heute auftreten, schlagen wir auch den HSV", sagte Torwart Sven Ulreich. Gegen Mainz begannen die Stuttgarter, die trotz des Sieges immer noch auf Platz 18 der Tabelle rangieren, schon mal vielversprechend. Nach schönem Zuspiel von Filip Kostic bugsierte Daniel Didavi den Ball im Fallen knapp über das Tor (5.), kurz darauf scheiterte er an 05-Keeper Loris Karius mit einem Distanzschuss (16.). Der Mittelfeldspieler, der seit seinem Wechsel von Nürnberg nach Stuttgart im Sommer 2013 wegen diverser Verletzungen erst das 19. Bundesligaspiel für den VfB bestritt, schwang sich am Samstagabend prompt zum besten Mann auf dem Platz auf. Detailansicht öffnen Der Sonne gefühlt wieder ein Stück näher: Das 2:0 von Stuttgarts Kostic (r.) entscheidet das Spiel gegen Mainz für die abstiegsbedrohten Schwaben. (Foto: imago) Die Laune des Stuttgarter Publikums bessert sich schlagartig Als es nach gut einer halben Stunde immer noch 0:0 stand, zog ein leichtes Grummeln in der Arena auf. Als es das nächste Mal laut wurde, weil ein satter Schuss an den Innenpfosten des Mainzer Tores geklatscht war, besserte sich die Laune allerdings schlagartig - wieder war es Didavi, der den Schuss in Auftrag gegeben hatte (35.). Viele Chancen, keine Tore, wie so oft im bisherigen Verlauf der VfB-Saison. Immerhin stand die Defensive der Schwaben, bei denen Georg Niedermeier auf der Bank geblieben war. Timo Baumgartl und Antonio Rüdiger bildeten stattdessen die Innenverteidigung. Es war eine stabile Defensive, die ein Zu-Null-Spiel hervorbrachte - was in Stuttgart in dieser Saison doch eher selten vorkommt. Und Mainz? Durfte zur Halbzeit einigermaßen erleichtert sein, dass es ohne Gegentor davongekommen war. Außer einem harmlosen Freistoß von Johannes Geis aus gut 30 Metern, den Sven Ulreich fing, gab es nichts zu notieren. Der Respekt, den 05-Trainer Martin Schmidt dem VfB schon vor der Partie entgegengebracht hatte - "wenn man sie spielen sieht, denkt man nie, dass sie dahinten drin stehen" - dürfte in der Kabine nicht geschrumpft sein. Ob das die Erklärung für eine klägliche Mainzer Leistung war, sei dahingestellt. Schema & Statistik Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier. "Der Trainer ging mir die ganze Zeit auf den Sack", sagte Harnik Der zweite Durchgang begann dann allerdings auch auf VfB-Seite vergleichsweise verhalten. Scheinbar hatte man sich in der Kabine noch einmal vergegenwärtigt, dass man das hohe Tempo nicht die ganze Partie über würde durchhalten können. Die völlige Ereignislosigkeit über 20 Minuten hatte dann offenbar der Konzentration von Mainz-Keeper Karius schwer zugesetzt: In der 66. Minute ließ er einen verunglückten Distanzschuss von Didavi zur Stuttgarter 1:0-Führung passieren. Kurz darauf wurde der Held des Tages ausgewechselt. Dem Stuttgarter Torhunger tat das allerdings keinen Abbruch. Filip Kostic erhöhte in der 79. Minute auf 2:0, ehe Ginczek (87.) und Gentner (90.) weitere Chancen vergaben. "Wenn ich etwas kritisieren muss, dann nur, dass wir viele Chancen nicht genutzt haben", sagte VfB-Trainer Huub Stevens. "Aber es hat heute Spaß gemacht, diese Mannschaft zu trainieren." Manche Mitglieder dieser Mannschaft teilten diese Meinung nur bedingt. "Der Trainer ging mir die ganze Zeit auf den Sack und hat mich gefragt, ob es noch geht", sagte Stuttgarts Angreifer Martin Harnik, "dann habe ich siebenmal gesagt, dass es noch geht." Das Einzige, womit Harnik laut eigener Auskunft seine Probleme hatte, waren die Fliegen im Stadion: "Ich glaube, dass ich sieben verschluckt habe." Wobei der 27-Jährige auch diesem Umstand etwas abgewinnen konnte: "Das war am Ende nochmal ein Eiweißschub." | https://www.sueddeutsche.de/sport/stuttgart-besiegt-mainz-2-0-viertelfinale-gewonnen-1.2470660 | mlsum-de-696 |
Beim 0:0 gegen Österreich wird der Portugiese zur tragischen Figur. Er vergibt einen Elfmeter, schießt ein Abseitstor - und sorgt für einen Nervenzusammenbruch. | Wer Cristiano Ronaldo am Samstag weinen sehen wollte, konnte sich im Internet bedienen. Seine Mutter, Dolores Aveiro, hatte ein Video online gestellt, das zeigte, wie CR7 seinem Erstgeborenen Cristiano Jr. am Freitag zum Geburtstag gratulierte - im EM-Quartier der Portugiesen in Marcoussis, einem Vorort von Paris, wo die Sportstadt des französischen Rugby-Verbands steht. Cristiano Jr. tauchte überraschend in Marcoussis auf; die Geburtstagsüberraschung galt also weniger dem Buben als dem Vater, der dann auch gerührt war. Es ist zu sehen, wie er sich eine Träne aus dem Auge wischt. Die Tränen aus dem Video blieben die einzigen, die zu sehen waren, und das war absehbar: Nach dem 1:1 zwischen Ungarn und Island, dem ersten Spiel der Gruppe F des Samstags, war klar, dass Portugal vor dem abschließenden Gruppenspiel am Mittwoch gegen Ungarn zumindest nicht ausscheiden würde. Und dennoch ging Ronaldo geknickt von dannen. In der 77. Minute hatte der Kapitän der Portugiesen einen Elfmeter herausgeholt. Am Strafraum lieferte er sich einen Ringkampf mit dem österreichischen Innenverteidiger Martin Hinteregger und holte einen kleinen Vorteil heraus. Als Ronaldo aber schon auf dem Weg zum gegnerischen Tor und der Pass von links unterwegs war, rang Hinteregger Ronaldo doch noch nieder. Der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli zeigte ohne zu Zögern auf den Elfmeterpunkt. Ronaldo trat selbst an - und jagte den Ball flach an den von ihm aus gesehen linken Pfosten. Später traf er dann doch noch ins Tor - war aber im Abseits gestanden. Ronaldo prüft den österreichischen Keeper Robert Almer Ronaldo haderte, zum ersten Mal im Spiel, mit sich selbst. Acht Minuten später haderte er mit dem Schiedsrichter Rizzoli. Denn er annullierte einen Kopfballtreffer Ronaldos. Bei einem Freistoß von der rechten Seite hatte Ronaldo eindeutig im Abseits gestanden. Zuvor hatte er mit einigen guten Aktionen dazu beigetragen, den österreichischen Torwart Robert Almer zum Spieler des Spiels zu machen. In der 55. Minute parierte der Keeper der Wiener Austria einen gewaltigen Linksschuss von Ronaldo aus 20 Metern; eine Minute später stand er goldrichtig, als Ronaldo allein aus kurzer Distanz zum Kopfball kam. | https://www.sueddeutsche.de/sport/portugal-bei-der-fussball-em-niemand-will-ronaldos-trikot-1.3039999 | mlsum-de-697 |
"Das ist genau das, was wir erreichen wollten": Der Präsident preist den Militärschlag als Erfolg und beansprucht eine besondere Rolle für sein Land. | Schon in seiner Präsidentschaftskampagne versprach Emmanuel Macron, dass er als Staatschef jährlich Rechenschaft über die Fortschritte seiner Amtszeit ablegen würde. Nun, nach knapp einem Jahr an der Macht, hat Frankreichs Präsident seine mediale Offensive begonnen und zieht öffentlich Bilanz. Doch in einem lange geplanten Fernseh-Interview am Sonntagabend ging es zunächst weniger um seine Reformpolitik, als um seine Entscheidung, die französische Armee in Syrien eingreifen zu lassen. "Weder Frankreich, noch seine Alliierten, haben dem Regime Baschar al-Assads den Krieg erklärt. Wir haben uns schlicht dafür eingesetzt, dass das internationale Recht, die Resolutionen des Sicherheitsrats, keine hohlen Phrasen bleiben", sagte Macron. Drei Produktionsstätten für Chemiewaffen seien getroffen und zerstört worden, es habe keine zivilen Opfer gegeben. "Das ist genau das, was wir erreichen wollten", so der Präsident. Das Ziel seiner Politik sei es, einen langfristigen Friedensprozess in Syrien zu ermöglichen. Frankreich komme eine besondere Rolle zu: "Wir werden weiterhin mit allen Parteien im Gespräch bleiben." Die französische Luftwaffe beteiligt sich seit September 2015 an Einsätzen in Syrien. Bislang ging es vor allem darum, die Terrormiliz Islamischer Staat zu schwächen. Am Samstag wurde nun der erste Einsatz gegen das Regime von Baschar al-Assad geflogen. Macrons Vorgänger, der Sozialist François Hollande, hatte im August 2013 einen Militärschlag gegen Assad geplant, konnte diesen ohne Unterstützung der USA jedoch nicht durchführen. Die Opposition kritisierte den Einsatz. Der Linke Jean-Luc Mélenchon nannte den Angriff eine "Kriegserklärung", die der Zustimmung des Parlaments bedurft hätte. Marine Le Pen, Chefin des rechten Front National, wies darauf hin, dass Macron den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung für bewiesen erklärte, ohne die Ergebnisse einer internationalen Untersuchung abzuwarten. Der Vorsitzende der Republikaner, Laurent Wauquiez, sagte, dass er "prinzipiell die Armee unterstütze", aber nicht glaube, dass der aktuelle Einsatz "nützlich" sei. Die französische Verfassung erlaubt es dem Präsidenten, die Armee zu mobilisieren, ohne das Parlament zu informieren. Dies ist erst nach einem Einsatz nötig. | https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-vorbild-obama-1.3945372 | mlsum-de-698 |
Deutsche Unternehmen drängt es an die Börse - trotz der weltweiten Turbulenzen. Verbraucherschützer warnen vor einem allzu eiligen Zugriff. | Was war das für ein ausgelassener Rummel im vergangenen Herbst. Rocket Internet ging an die Börse und große Teile der deutschen Finanzmarktszene ergaben sich dem Charme der Samwer-Brüder - und die Anleger auch: Sie zeigten reges Interesse an der Aktie, die zum Börsengang einen Preis von 42,50 Euro erzielte. Knapp ein Jahr später notiert das Wertpapier bei 22,50 Euro. Das entspricht einem Minus von 47 Prozent. Die Geschichte von Rocket Internet sollte Anlegern als warnendes Beispiel dienen. Es passiert immer wieder, dass Unternehmen die Erwartungen der Eigentümer nicht erfüllen. Der Preis am Tag des Börsengangs ist nur eine Momentaufnahme, die im schlimmsten Fall viel zu vorteilhaft wirkt. Börsen können grausam sein. Das schreckt in diesen Tagen aber niemanden ab. Die Bayer-Kunststoff-Sparte Covestro möchte am Freitag mit einem Volumen von 2,5 Milliarden Euro den größten Börsengang in Deutschland seit dem Boom-Jahr 2000 hinlegen. Am Montag darauf folgt der fränkische Auto- und Industriezulieferer Schaeffler. Bereits am Donnerstag plant die Internet-Anzeigen-Plattform Scout 24 ihr Börsendebüt, Ende des Monats folgt der Baustoffkonzern Xella. Die Modefirma Steilmann plant in den kommenden Wochen ein öffentliches Angebot von neuen Aktien sowie eine Zulassung im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse, teilte Steilmann am Freitag mit. In der Warteschlange steht Finanzkreisen zufolge auch noch Deutschlands größte Containerreederei Hapag-Lloyd. Frankfurt im Börsenfieber: Es könnte das beste Jahr seit langem werden. Man kann sich kaum noch daran erinnern, dass so viele große Unternehmen an die Börse drängen. Altgediente Profis denken da an das Jahr 2000 zurück. Damals gingen die Deutsche Post, Infineon und T-Online an die Börse und sammelten dabei viele Milliarden ein. Es war die Zeit der Internet-Euphorie. Mit der Jahrtausendwende begann eine lange Leidensphase, in der die Aktienkurse stark fielen. Detailansicht öffnen Trotz Unsicherheiten auf dem Finanzmarkt wagen in nächster Zeit mehrere große Unternehmen den Schritt an die Börse. (Foto: Daniel Roland/AFP) Auch in diesen Wochen geben sich die Börsen extrem unruhig. Die Wachstumsraten in China gehen zurück. In den Schwellenländern, die auf hohen US-Dollarschulden sitzen, kriselt es. Der deutsche Aktienindex Dax hat in den vergangenen sechs Wochen gut 15 Prozent an Wert verloren. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve wich angesichts der wachsenden Unruhe an den internationalen Finanzmärkten vom geplanten Kurs ab und verschob die erste Leitzinserhöhung nach neun Jahren weiter in die Zukunft. Sind das wirklich geeignete Rahmenbedingungen für den Gang an den Kapitalmarkt? "Börsengänge haben mindestens sechs Monate Vorlauf, manchmal sogar ein Jahr und mehr", sagt ein Frankfurter Investmentbanker. "Einen solchen gut vorbereiteten Plan möchte man nicht einfach zurückziehen, denn das hinterlässt bei den Investoren auch keinen guten Eindruck." Schließlich sehe es dann so aus, als ob das Unternehmen nur an einem möglichst hohen Zeichnungspreis interessiert gewesen sei. Wenn später der Kurs falle, sei die Frustration dann aber umso größer. Siehe Rocket Internet. Zudem könne niemand ausschließen, dass sich das Börsenumfeld im nächsten Jahr sogar noch verschlechtere. Wer sein Geld in Aktien steckt, der sollte seine Spargelder weltweit streuen Die Unternehmen und ihre beratenden gut verdienenden Investmentbanken wollen es also durchziehen. Egal, was an den Finanzmärkten gerade los ist. Die Börsenaspiranten tragen dem schwankungsanfälligen Börsenumfeld Rechnung, indem sie eine weite Preisspanne wählen. Dabei gilt: Je größer der Börsengang, desto eher kann man die Aktien auch in unruhigen Zeiten bei Investoren platzieren. Verbraucherschützer sind von der aktuellen Welle an Börsengängen aber nicht beunruhigt. "Problematisch wird es erst, wenn Verbraucher neue Aktien zeichnen, ohne die Risiken zu kennen, oder wenn sie reingetrieben werden in diese Investments, sei es durch Medien oder Verkaufsgespräche der Finanzberater", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dieses "Reintreiben" in Geldanlagen erlebe man auch derzeit. "Doch im Vergleich zum Boom im Jahr 2000 mit dem Neuen Markt ist die Situation doch eine völlig andere.", sagt Nauhauser, der zu einer breiten weltweiten Streuung der Spargelder rät, die in Aktien angelegt werden sollen. "Wer das Risiko mit Börsengängen kennt und es tragen kann, der kann natürlich das Wagnis eingehen". Der starke Drang an die Frankfurter Börse steht im Kontrast zur globalen Entwicklung. Die Unruhe an den Finanzmärkten, die von China ausgeht, hat den Markt im dritten Quartal gebremst, heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. "Die Zahl der Börsengänge ist weltweit im dritten Quartal um 31 Prozent auf 192 gesunken. Das Emissionsvolumen sank sogar um 73 Prozent von 67 auf knapp 18 Milliarden US-Dollar", so das Ergebnis der Untersuchung. In China sei die Zahl der Börsengänge im vergangenen Vierteljahr von 139 auf nur noch 26 zurückgegangen. "In den Vereinigten Staaten sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 48 Prozent von 62 auf 32, der Wert sank sogar um 88 Prozent von 42 auf knapp fünf Milliarden Dollar." In Europa gab es im dritten Quartal 29 Börsengänge, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es noch 44. Der Erlös der Börsengänge schrumpfte stark von sieben auf drei Milliarden Dollar. Nur Deutschland schert aus. Drei Börsengänge brachten im dritten Quartal insgesamt 1,6 Milliarden Euro ein. "Damit war Deutschland der mit Abstand stärkste Markt innerhalb Europas." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktien-boese-erinnerungen-an-die-blase-1.2667056 | mlsum-de-699 |
Franz-Peter Tebartz-van Elst muss keinen Schadenersatz zahlen, das hat Rom entschieden. In Limburg ist man darüber nicht glücklich. 3,9 Millionen Euro sind endgültig weg. | Der ehemalige Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, ist um eine Sorge ärmer: Er muss keinen Schadenersatz für die hohen Baukosten der Bischofsresidenz in Limburg zahlen, die auch durch seine zahlreichen Sonderwünsche entstanden sind. So haben es im Vatikan das Staatssekretariat und die Bischofskongregation entschieden. Man halte dort ein entsprechendes Verfahren nicht für angebracht, teilte die Pressestelle des Bistums Limburg mit. Damit hat das Bistum eine schmerzhafte Niederlage in der Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Bischof erlitten, der inzwischen für den Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung in Rom arbeitet. Der gegenwärtige Diözesanadministrator und Paderborner Weihbischof Manfred Grothe hatte das Verfahren in Rom angestrengt, um wenigstens einen Teil der insgesamt 3,9 Millionen Euro von Tebartz zurückzubekommen, die das Bistum in den Jahren 2012 und 2013 außerplanmäßig hatte abschreiben müssen. "Politisch nicht gewollt" Immerhin hatte Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der Bischofskongregation, den Interimsverwalter Grothe vergangene Woche in den Vatikan geladen, um ihm persönlich die Entscheidung mitzuteilen. Die Gespräche seien konstruktiv und zielführend gewesen, teilte Grothe am Mittwoch tapfer mit. Es sei nun eine Entscheidung gefallen, "die auch Klarheit über das weitere Vorgehen gibt". Zielführend hin oder her: Der Weihbischof, der den Limburger Finanzskandal aufarbeiten soll, kommt mit leeren Händen zurück. Die Enttäuschung bei denen, die sich gewünscht hätten, dass Papst Franziskus schärfer gegen den verschwenderischen Tebartz-van Elst vorgeht, ist groß. "Was kirchenrechtlich möglich und notwendig gewesen wäre, hat Rom politisch nicht gewollt", sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller. "Die Botschaft des Papstes lautet: Das Bistum ist Bittsteller, der Bischof kann das Recht brechen, ohne sanktioniert zu werden." Das Kirchenrecht werde so "zur Farce". Tebartz-van Elst hat mächtige Unterstützer in Rom Tatsächlich gibt es Fälle, wo Bischöfe einen Teil des Schadens zahlen mussten, den sie angerichtet hatten; eine Entscheidung gegen Tebartz-van Elst wäre also möglich gewesen. Allerdings hätten die Kirchenbehörden mühsam untersuchen müssen, welche Verantwortung der Bischof für die Kostensteigerungen des 30-Millionen-Euro-Baus trägt - welche aber auch das Domkapitel und der einstige Vermögensverwaltungsrat. Dann hätte geklärt werden müssen, wofür der Bischof persönlich haftbar gemacht werden kann, was also mehr war als eine Fehlentscheidung aus bestem Wissen und Gewissen. Doch dies herauszuarbeiten, erschien in Rom offenbar zu schwierig - und zu heikel. Denn nach wie vor hat Tebartz-van Elst mächtige Unterstützer in Rom: den emeritierten Papst Benedikt XVI., Kardinal Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Georg Gänswein, den Präfekten des Päpstlichen Hauses - und auch Kardinal Oullet sei ihm wohlgesinnt, heißt es. Sie haben dafür gesorgt, dass der Skandalbischof weich gefallen ist, mit einem schönen Posten samt ordentlichem Gehalt. Aus Deutschland erhält der Bischof offenbar ein Ruhegehalt von mehr als 6000 Euro, vom Vatikan sollen 3000 Euro kommen. "Gehaltszahlen kommentieren wir nicht, sagt Stephan Schnelle, der Bistumssprecher. Er bestätigt aber, dass die Zahlungen des Bistums mit den Einkünften aus der Arbeit in Rom verrechnet werden sollten - "da bemühen wir uns um eine Lösung", sagt er. "Für Ruhe im Bistum wird das nicht sorgen", sagt der Kirchenrechts-Professor Schüller. Tatsächlich ist der Beschluss aus Rom eine Hypothek für den künftigen Bischof von Limburg, der das zutiefst gespaltene Bistum befrieden soll. Wann der kommen soll, ist weiterhin unklar - er hoffe auf den Sommer 2016, sagt Diözesanadministrator Rohde. Wichtiger als das Geld seien vier Worte, die Tebartz-van Elst sprechen müsste, sagt ein Bistumsmitarbeiter: "Es tut mir leid." | https://www.sueddeutsche.de/panorama/limburg-vatikan-schont-tebartz-van-elst-1.2640570 | mlsum-de-700 |
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