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500
80 III 99
Sachverhalt ab Seite 100 A.- Gegen den Rekurrenten, ehemaligen Bundesbeamten, wurde in Bern die Betreibung Nr. 25695 angehoben und dort am 26. Januar 1954 das Fortsetzungsbegehren gestellt. Das Betreibungsamt Bern vollzog am 2. Februar 1954 eine Pfändung, die jedoch von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 5. April 1954 aufgehoben wurde, mit der Weisung, eine neue Pfändung vorzunehmen. Im April liess das Betreibungsamt Bern den "nunmehr" in Basel wohnenden Schuldner durch das dortige Betreibungsamt einvernehmen, und am 29. Mai 1954 pfändete es in Wabern bei Bern, wo die Familie des Schuldners wohnen geblieben war, in dessen Anwesenheit Wein und Spirituosen, welche die Ehefrau des Schuldners als ihr Eigentum ansprach, und ferner a) eine Darlehensforderung des Schuldners gegen Kurt St. und b) eine von ihm gegenüber dem Bunde geltend gemachte Forderung von Fr. 50'000.-- wegen ungerechtfertigter Entlassung. Es schätzte diese beiden Forderungen nur auf je Fr. 1.-. B.- Nach Empfang der Pfändungsurkunde beschwerte sich der Schuldner über das Betreibungsamt Bern mit dem Begehren um Aufhebung der Pfändung; das erwähnte Amt sei anzuweisen, eine neue Pfändung requisitorisch in Basel durchführen zu lassen. Er bemängelte verschiedene Angaben der Pfändungsurkunde wie auch die Ankündigung der am 29. Mai vollzogenen Pfändung; ferner verwies er auf seinen Wohnort Basel; sein gelegentliches Verweilen bei der im übrigen von ihm getrennt in Wabern/Bern lebenden Familie habe den Vollzug einer Pfändung an diesem Orte nicht gerechtfertigt. Er beanstandete die Schätzung der gepfändeten Gegenstände, bezeichnete die beiden gepfändeten Forderungen als unpfändbar und die Pfändung angeblichen Dritteigentums als unzulässig, zumal er auf andere, in Basel befindliche Aktiven hingewiesen habe. C.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde am 20. August 1954 teilweise gut, indem sie das Betreibungsamt Bern anwies, die Forderung gegen den Bund nur "soweit Lohnguthaben betreffend" zu pfänden und den gepfändeten Betrag anzugeben. Im übrigen wies sie die Beschwerde ab. D.- Mit vorliegendem Rekurse hält der Schuldner in vollem Umfang an der Beschwerde fest. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Der Rekurrent anerkennt den Betreibungsort Bern und beschwert sich nur über die Art der Pfändungsankündigung und des Pfändungsvollzuges. Da aber die kantonale Aufsichtsbehörde feststellt, er sei "nunmehr in Basel wohnhaft", muss von Amtes wegen abgeklärt werden, ob er in Basel allenfalls bereits vor der Pfändungsankündigung festen Wohnsitz erworben habe. In diesem Falle wäre das Betreibungsamt Bern zur Fortsetzung der Betreibung nicht mehr zuständig gewesen (Gegenschluss aus Art. 53 SchKG), und zwar hätte man es mit einer unbedingt zwingenden Verfahrensnorm zu tun, mit der Folge der Nichtigkeit der vom unzuständigen Betreibungsamt vorgenommenen Pfändungshandlungen (BGE 68 III 35). Ob der Rekurrent (dessen Familie, die er "gelegentlich" besucht, in Wabern bei Bern wohnen geblieben ist) in Basel einen festen Wohnsitz im Sinne von Art. 46 SchKG (entsprechend Art. 23 ZGB) erworben hat, und wann dies allenfalls geschehen ist, lässt sich den vorliegenden Akten nicht mit Sicherheit entnehmen. Das führt zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, welche über den für die Fortsetzung der Betreibung zutreffenden Betreibungsort zu entscheiden und, wenn sich Bern als unzuständig erweisen sollte, die nichtigen Handlungen des Betreibungsamtes Bern aufzuheben haben wird. Hiebei ist nicht etwa der Zeitpunkt der Pfändungsankündigung vom 25. Mai 1954, sondern - für das ganze weitere Verfahren - derjenige der ersten Pfändungsankündigung massgebend, es wäre denn, dass sie ihrerseits nichtig war oder wegen Gesetzesverletzung aufgehoben wurde. War die Pfändungsankündigung, die dem Fortsetzungsbegehren vom 25. Januar 1954 Folge gab und zur Pfändung vom 2. Februar 1954 führte, gültig, so kommt es somit nur darauf an, ob der Rekurrent damals seinen Wohnsitz in Bern beibehalten oder schon nach Basel verlegt hatte. Denn der ordentliche Betreibungsort, wie er in dem Zeitpunkt gegeben ist, da es in der betreffenden Betreibung einmal zu einer gültigen Pfändungsankündigung kommt, soll für das ganze weitere Betreibungsverfahren fortbestehen, gleichgültig ob der Schuldner später an einen andern Ort übersiedelt und dann allenfalls neue, ihm wiederum anzukündigende Pfändungen erfolgen. Sollte also hier eine gültige Pfändungsankündigung Ende Januar oder Anfang Februar 1954 ergangen und der Rekurrent erst am 18. Februar nach Basel verzogen sein (wie in einem Brief seiner Ehefrau vom 25. Juli 1954 zu lesen ist), so wäre der Betreibungsort Bern bestehen geblieben. 2. In diesem Falle konnten, was zu den Rekursvorbringen bemerkt sei, gewöhnliche (d.h. nicht in Wertpapieren verkörperte) Forderungen des Rekurrenten (in dessen Gegenwart) in Bern als dem weiterhin für diese Betreibung zu fingierenden Wohnorte gepfändet werden (vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 89 SchKG). Im übrigen ist hier zu den Rekursvorbringen nicht Stellung zu nehmen. Werden sie doch gegenstandslos, falls die in Bern ergangenen Fortsetzungshandlungen sich als nichtig erweisen sollten. Andernfalls wird die kantonale Aufsichtsbehörde sie bei der neuen Beurteilung der Beschwerde zu berücksichtigen haben. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
de
L'ufficio nel cui circondario il debitore era domiciliato al momento della notifica del primo avviso di pignoramento rimane competente per il seguito della procedura. Ove il debitore cambi domicilio nel corso dell'esecuzione, occorre esaminare d'ufficio se ciò avviene prima oppure dopo tale notifica. Art. 53 LEF.
it
debt enforcement and bankruptcy law
1,954
III
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501
80 IV 1
Sachverhalt ab Seite 1 A.- S. und M. bewarben sich um den Werkauftrag für den Skiaufzug Hochstuckli. Nachdem das Initiativkomitee sich für das Projekt M. s entschieden hatte, richtete S. am 10. September 1949 ein Schreiben an das Komitee, in welchem er sich über die bisherigen Konstruktionen M. s abfällig äusserte. Der Präsident setzte das Schreiben bei den Komiteemitgliedern, worunter Robert Marty, in Zirkulation. Anlässlich einer Begehung des Geländes mit M. gab Marty diesem das Schreiben zu lesen. B.- M. reichte am 6. Januar 1950 gegen S. Strafanzeige wegen unlauteren Wettbewerbes ein. Das Bezirksgericht Meilen verurteilte S. am 13. November 1952 gemäss Art. 13 lit. a UWG zu einer Busse von Fr. 1000.--. Auf Berufung des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich S. am 29. Oktober 1953 frei. Es ging davon aus, M. habe den Brief anlässlich der Geländebegehung gelesen und damit in diesem Zeitpunkte von den abfälligen Äusserungen des Angeklagten Kenntnis erhalten (Art. 29 StGB). Stattgefunden habe diese Begehung des Geländes nach den Umständen und Zeugenaussagen möglicher-, ja wahrscheinlicherweise am 2. Oktober 1949. Stehe demnach nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Strafantrag rechtzeitig eingereicht worden sei, so müsse der Angeklagte freigesprochen werden. C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Freispruch sei wegen Verletzung des Art. 29 StGB aufzuheben. Er macht geltend, in BGE 79 IV 59 habe das Bundesgericht erklärt, es sei normal, dass der Verletzte Klage erhebe, wenn er von den objektiven Tatbestandsmerkmalen Kenntnis habe. Implicite sei damit zum Ausdruck gebracht, dass es letztlich nicht auf die Kenntnis des Sachverhaltes, sondern auf die Zumutbarkeit der Klageerhebung ankomme. Der gleiche Gedanke komme schon in einem Urteil vom 10. April 1896 zum Ausdruck, wo gesagt worden sei, die Verjährung beginne erst mit dem Tage, an welchem der Geschädigte von der Person des Täters derart Kenntnis habe, dass er gerichtlich gegen ihn vorgehen könne; blosser Verdacht, ohne dass der Geschädigte auch in der Lage sei, den Beweis für die Täterschaft zu leisten, genüge nicht (BGE 22 494). Diese Praxis sei in BGE 76 IV 6 bestätigt worden in dem Sinne, dass eine sichere, zuverlässige Kenntnis erforderlich sei, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Es bedürfe somit immer einer irgendwie beweisbaren Kenntnis. Diese Kenntnis habe der Beschwerdeführer mit dem Lesen des Briefes anlässlich der Geländebegehung noch nicht erlangt. Im Briefe würden seinen Konstruktionen eine Menge einzelner technischer Mängel vorgeworfen, die er nicht alle im Gedächtnis habe behalten können. Eine Abschrift des Briefes habe er aber beim Abschreiten des Geländes nicht nehmen können; sie wäre ihm wahrscheinlich auch nicht bewilligt worden. Auch sei damals ganz ungewiss gewesen, ob er jemals in den Besitz des Briefes gelangen werde. Dieser hätte leicht verloren gehen können, und vor allem habe es als sehr wahrscheinlich geschienen, dass ihn das Komitee nicht herausgeben werde. Ohne im Besitze des Briefes zu sein, habe er daher nicht Strafklage erheben können, wenn er sich nicht dem Vorwurf grösster Leichtfertigkeit habe aussetzen wollen. Besonders sei er beim erstmaligen Lesen nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob das Schreiben den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs erfülle oder nicht, und ohne den Besitz des Briefes habe er sich darüber auch nicht beraten lassen können. Er hätte sich der Gefahr ausgesetzt, mit Untersuchungskosten belastet oder sogar wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede verfolgt zu werden. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Unlauterer Wettbewerb wird auf Antrag verfolgt (Art. 13 UWG). Ein solcher kann gemäss Art. 29 StGB, der hier anwendbar ist (Art. 333 Abs. 1 StGB), nur binnen drei Monaten gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und - was Art. 29 nicht ausdrücklich sagt, sich aber von selbst versteht (BGE 75 IV 20) - die Tat bekannt wird. Davon gibt es keine Ausnahme. Der Beschwerdeführer geht fehl, aus BGE 79 IV 58 abzuleiten, dass die Antragsfrist erst zu laufen beginne, wenn dem Berechtigten die Erhebung der Klage zugemutet werden könne, und dass das nur im Normalfall schon mit der Kenntnis des Täters und des objektiven Tatbestandes zutreffe. Im angerufenen Falle war zu entscheiden, ob der Verletzte nicht nur die objektiven Tatbestandsmerkmale und die Person des Täters, sondern auch schon den subjektiven Tatbestand kennen müsse, damit die Antragsfrist zu laufen beginne. Indem das Bundesgericht ausführte, es sei normal, dass der Verletzte Strafantrag stelle, sobald er den objektiven Tatbestand und den Täter kenne, sagte es nach dem ganzen Zusammenhange nur, vom Antragsberechtigten könne verlangt werden, dass er auch ohne Kenntnis des subjektiven Tatbestandes vorgehe. Keineswegs wurde damit entschieden, dass das nur in der Regel verlangt werde und dem Antragsberechtigten ausnahmsweise die Einrede offen bleibe, es habe ihm nicht zugemutet werden können, binnen drei Monaten seit Kenntnis des objektiven Tatbestandes und des Täters Antrag zu stellen. Es trifft auch nicht zu, dass das Bundesgericht entschieden hätte, die Antragsfrist laufe erst, wenn der Verletzte seine Anschuldigung beweisen könne. Auf die Kenntnis, nicht auf den Besitz von Beweismitteln kommt es nach dem klaren Wortlaut des Art. 29 StGB an. In BGE 76 IV 6 wurde lediglich entschieden, dass das Kennenmüssen oder ein blosser Verdacht die Frist nicht in Gang setze, sondern dass sichere, zuverlässige Kenntnis nötig sei, die ein Vorgehen gegen den Täter aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Das hatte nur den Sinn, dass der Antragsberechtigte namentlich dann sichere Kenntnis habe, wenn er über Beweismittel verfüge, nicht auch, dass der Besitz solcher Mittel Voraussetzung sicherer Kenntnis und damit des Beginns der Antragsfrist sei. In gleichem Sinne lautet BGE 22 494 mit Bezug auf die analoge Frage des Beginns der Verjährung. 2. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts gab Marty dem Beschwerdeführer den Brief des Beschwerdegegners anlässlich der gemeinsamen Geländebegehung zu lesen. In diesem Zeitpunkt erhielt somit der Beschwerdeführer von der Tat und dem Täter sichere Kenntnis und begann die Antragsfrist zu laufen, bestand doch die eingeklagte Handlung gerade im Schreiben des Briefes, der von seinem Verfasser unterschrieben war. Die Ausfälle im Briefe waren heftig und eindrücklich genug, dass der Beschwerdeführer als Fachmann und Ersteller der kritisierten Anlagen in der Lage war, sich das Wesentliche davon zu merken und sich schlüssig zu werden, ob er Strafantrag stellen wolle. Indem ihm der Brief bloss zu lesen gegeben, nicht auch schon damals im Original oder in Kopie überlassen wurde, war er nicht schlechter gestellt, als wenn der Beschwerdegegner seine Äusserungen bloss mündlich getan und der Beschwerdeführer zugehört hätte, womit die Frist zur Stellung des Strafantrages ebenfalls in Gang gesetzt worden wäre. Als wahrscheinlichen Zeitpunkt der Geländebegehung und damit des Lesens des Briefes durch den Beschwerdeführer bezeichnet das Obergericht auf Grund einer eingehenden Untersuchung den 2. Oktober 1949. Diese Beweiswürdigung bindet den Kassationshof und wird vom Beschwerdeführer auch nicht anzufechten versucht. Steht somit die gesetzliche Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer vom Briefe erst innerhalb der drei Monate vor Einreichung des Strafantrages Kenntnis erhielt, nicht fest, ist gegenteils wahrscheinlich, dass dies schon vorher geschah, so hat das Obergericht dem Strafantrag mit Recht nicht Folge gegeben. Ob das Verfahren einzustellen oder der Angeklagte freizusprechen sei, war eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, wie schon wiederholt für den analogen Fall der Verjährung entschieden worden ist (BGE 72 IV 47, BGE 78 IV 129). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 29 StGB. Die Antragsfrist beginnt zu laufen, wann dem Antragsberechtigten die Tat und der Täter bekannt werden, nicht erst, wann er Beweismittel besitzt.
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criminal law and criminal procedure
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Sachverhalt ab Seite 1 A.- S. und M. bewarben sich um den Werkauftrag für den Skiaufzug Hochstuckli. Nachdem das Initiativkomitee sich für das Projekt M. s entschieden hatte, richtete S. am 10. September 1949 ein Schreiben an das Komitee, in welchem er sich über die bisherigen Konstruktionen M. s abfällig äusserte. Der Präsident setzte das Schreiben bei den Komiteemitgliedern, worunter Robert Marty, in Zirkulation. Anlässlich einer Begehung des Geländes mit M. gab Marty diesem das Schreiben zu lesen. B.- M. reichte am 6. Januar 1950 gegen S. Strafanzeige wegen unlauteren Wettbewerbes ein. Das Bezirksgericht Meilen verurteilte S. am 13. November 1952 gemäss Art. 13 lit. a UWG zu einer Busse von Fr. 1000.--. Auf Berufung des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich S. am 29. Oktober 1953 frei. Es ging davon aus, M. habe den Brief anlässlich der Geländebegehung gelesen und damit in diesem Zeitpunkte von den abfälligen Äusserungen des Angeklagten Kenntnis erhalten (Art. 29 StGB). Stattgefunden habe diese Begehung des Geländes nach den Umständen und Zeugenaussagen möglicher-, ja wahrscheinlicherweise am 2. Oktober 1949. Stehe demnach nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Strafantrag rechtzeitig eingereicht worden sei, so müsse der Angeklagte freigesprochen werden. C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Freispruch sei wegen Verletzung des Art. 29 StGB aufzuheben. Er macht geltend, in BGE 79 IV 59 habe das Bundesgericht erklärt, es sei normal, dass der Verletzte Klage erhebe, wenn er von den objektiven Tatbestandsmerkmalen Kenntnis habe. Implicite sei damit zum Ausdruck gebracht, dass es letztlich nicht auf die Kenntnis des Sachverhaltes, sondern auf die Zumutbarkeit der Klageerhebung ankomme. Der gleiche Gedanke komme schon in einem Urteil vom 10. April 1896 zum Ausdruck, wo gesagt worden sei, die Verjährung beginne erst mit dem Tage, an welchem der Geschädigte von der Person des Täters derart Kenntnis habe, dass er gerichtlich gegen ihn vorgehen könne; blosser Verdacht, ohne dass der Geschädigte auch in der Lage sei, den Beweis für die Täterschaft zu leisten, genüge nicht (BGE 22 494). Diese Praxis sei in BGE 76 IV 6 bestätigt worden in dem Sinne, dass eine sichere, zuverlässige Kenntnis erforderlich sei, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Es bedürfe somit immer einer irgendwie beweisbaren Kenntnis. Diese Kenntnis habe der Beschwerdeführer mit dem Lesen des Briefes anlässlich der Geländebegehung noch nicht erlangt. Im Briefe würden seinen Konstruktionen eine Menge einzelner technischer Mängel vorgeworfen, die er nicht alle im Gedächtnis habe behalten können. Eine Abschrift des Briefes habe er aber beim Abschreiten des Geländes nicht nehmen können; sie wäre ihm wahrscheinlich auch nicht bewilligt worden. Auch sei damals ganz ungewiss gewesen, ob er jemals in den Besitz des Briefes gelangen werde. Dieser hätte leicht verloren gehen können, und vor allem habe es als sehr wahrscheinlich geschienen, dass ihn das Komitee nicht herausgeben werde. Ohne im Besitze des Briefes zu sein, habe er daher nicht Strafklage erheben können, wenn er sich nicht dem Vorwurf grösster Leichtfertigkeit habe aussetzen wollen. Besonders sei er beim erstmaligen Lesen nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob das Schreiben den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs erfülle oder nicht, und ohne den Besitz des Briefes habe er sich darüber auch nicht beraten lassen können. Er hätte sich der Gefahr ausgesetzt, mit Untersuchungskosten belastet oder sogar wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede verfolgt zu werden. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Unlauterer Wettbewerb wird auf Antrag verfolgt (Art. 13 UWG). Ein solcher kann gemäss Art. 29 StGB, der hier anwendbar ist (Art. 333 Abs. 1 StGB), nur binnen drei Monaten gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und - was Art. 29 nicht ausdrücklich sagt, sich aber von selbst versteht (BGE 75 IV 20) - die Tat bekannt wird. Davon gibt es keine Ausnahme. Der Beschwerdeführer geht fehl, aus BGE 79 IV 58 abzuleiten, dass die Antragsfrist erst zu laufen beginne, wenn dem Berechtigten die Erhebung der Klage zugemutet werden könne, und dass das nur im Normalfall schon mit der Kenntnis des Täters und des objektiven Tatbestandes zutreffe. Im angerufenen Falle war zu entscheiden, ob der Verletzte nicht nur die objektiven Tatbestandsmerkmale und die Person des Täters, sondern auch schon den subjektiven Tatbestand kennen müsse, damit die Antragsfrist zu laufen beginne. Indem das Bundesgericht ausführte, es sei normal, dass der Verletzte Strafantrag stelle, sobald er den objektiven Tatbestand und den Täter kenne, sagte es nach dem ganzen Zusammenhange nur, vom Antragsberechtigten könne verlangt werden, dass er auch ohne Kenntnis des subjektiven Tatbestandes vorgehe. Keineswegs wurde damit entschieden, dass das nur in der Regel verlangt werde und dem Antragsberechtigten ausnahmsweise die Einrede offen bleibe, es habe ihm nicht zugemutet werden können, binnen drei Monaten seit Kenntnis des objektiven Tatbestandes und des Täters Antrag zu stellen. Es trifft auch nicht zu, dass das Bundesgericht entschieden hätte, die Antragsfrist laufe erst, wenn der Verletzte seine Anschuldigung beweisen könne. Auf die Kenntnis, nicht auf den Besitz von Beweismitteln kommt es nach dem klaren Wortlaut des Art. 29 StGB an. In BGE 76 IV 6 wurde lediglich entschieden, dass das Kennenmüssen oder ein blosser Verdacht die Frist nicht in Gang setze, sondern dass sichere, zuverlässige Kenntnis nötig sei, die ein Vorgehen gegen den Täter aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Das hatte nur den Sinn, dass der Antragsberechtigte namentlich dann sichere Kenntnis habe, wenn er über Beweismittel verfüge, nicht auch, dass der Besitz solcher Mittel Voraussetzung sicherer Kenntnis und damit des Beginns der Antragsfrist sei. In gleichem Sinne lautet BGE 22 494 mit Bezug auf die analoge Frage des Beginns der Verjährung. 2. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts gab Marty dem Beschwerdeführer den Brief des Beschwerdegegners anlässlich der gemeinsamen Geländebegehung zu lesen. In diesem Zeitpunkt erhielt somit der Beschwerdeführer von der Tat und dem Täter sichere Kenntnis und begann die Antragsfrist zu laufen, bestand doch die eingeklagte Handlung gerade im Schreiben des Briefes, der von seinem Verfasser unterschrieben war. Die Ausfälle im Briefe waren heftig und eindrücklich genug, dass der Beschwerdeführer als Fachmann und Ersteller der kritisierten Anlagen in der Lage war, sich das Wesentliche davon zu merken und sich schlüssig zu werden, ob er Strafantrag stellen wolle. Indem ihm der Brief bloss zu lesen gegeben, nicht auch schon damals im Original oder in Kopie überlassen wurde, war er nicht schlechter gestellt, als wenn der Beschwerdegegner seine Äusserungen bloss mündlich getan und der Beschwerdeführer zugehört hätte, womit die Frist zur Stellung des Strafantrages ebenfalls in Gang gesetzt worden wäre. Als wahrscheinlichen Zeitpunkt der Geländebegehung und damit des Lesens des Briefes durch den Beschwerdeführer bezeichnet das Obergericht auf Grund einer eingehenden Untersuchung den 2. Oktober 1949. Diese Beweiswürdigung bindet den Kassationshof und wird vom Beschwerdeführer auch nicht anzufechten versucht. Steht somit die gesetzliche Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer vom Briefe erst innerhalb der drei Monate vor Einreichung des Strafantrages Kenntnis erhielt, nicht fest, ist gegenteils wahrscheinlich, dass dies schon vorher geschah, so hat das Obergericht dem Strafantrag mit Recht nicht Folge gegeben. Ob das Verfahren einzustellen oder der Angeklagte freizusprechen sei, war eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, wie schon wiederholt für den analogen Fall der Verjährung entschieden worden ist (BGE 72 IV 47, BGE 78 IV 129). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 29 CP. Le délai de plainte commence à courir dès l'instant que l'ayant-droit connaît l'acte et son auteur et non pas seulement lorsqu'il a réuni ses preuves.
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Sachverhalt ab Seite 1 A.- S. und M. bewarben sich um den Werkauftrag für den Skiaufzug Hochstuckli. Nachdem das Initiativkomitee sich für das Projekt M. s entschieden hatte, richtete S. am 10. September 1949 ein Schreiben an das Komitee, in welchem er sich über die bisherigen Konstruktionen M. s abfällig äusserte. Der Präsident setzte das Schreiben bei den Komiteemitgliedern, worunter Robert Marty, in Zirkulation. Anlässlich einer Begehung des Geländes mit M. gab Marty diesem das Schreiben zu lesen. B.- M. reichte am 6. Januar 1950 gegen S. Strafanzeige wegen unlauteren Wettbewerbes ein. Das Bezirksgericht Meilen verurteilte S. am 13. November 1952 gemäss Art. 13 lit. a UWG zu einer Busse von Fr. 1000.--. Auf Berufung des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich S. am 29. Oktober 1953 frei. Es ging davon aus, M. habe den Brief anlässlich der Geländebegehung gelesen und damit in diesem Zeitpunkte von den abfälligen Äusserungen des Angeklagten Kenntnis erhalten (Art. 29 StGB). Stattgefunden habe diese Begehung des Geländes nach den Umständen und Zeugenaussagen möglicher-, ja wahrscheinlicherweise am 2. Oktober 1949. Stehe demnach nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Strafantrag rechtzeitig eingereicht worden sei, so müsse der Angeklagte freigesprochen werden. C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Freispruch sei wegen Verletzung des Art. 29 StGB aufzuheben. Er macht geltend, in BGE 79 IV 59 habe das Bundesgericht erklärt, es sei normal, dass der Verletzte Klage erhebe, wenn er von den objektiven Tatbestandsmerkmalen Kenntnis habe. Implicite sei damit zum Ausdruck gebracht, dass es letztlich nicht auf die Kenntnis des Sachverhaltes, sondern auf die Zumutbarkeit der Klageerhebung ankomme. Der gleiche Gedanke komme schon in einem Urteil vom 10. April 1896 zum Ausdruck, wo gesagt worden sei, die Verjährung beginne erst mit dem Tage, an welchem der Geschädigte von der Person des Täters derart Kenntnis habe, dass er gerichtlich gegen ihn vorgehen könne; blosser Verdacht, ohne dass der Geschädigte auch in der Lage sei, den Beweis für die Täterschaft zu leisten, genüge nicht (BGE 22 494). Diese Praxis sei in BGE 76 IV 6 bestätigt worden in dem Sinne, dass eine sichere, zuverlässige Kenntnis erforderlich sei, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Es bedürfe somit immer einer irgendwie beweisbaren Kenntnis. Diese Kenntnis habe der Beschwerdeführer mit dem Lesen des Briefes anlässlich der Geländebegehung noch nicht erlangt. Im Briefe würden seinen Konstruktionen eine Menge einzelner technischer Mängel vorgeworfen, die er nicht alle im Gedächtnis habe behalten können. Eine Abschrift des Briefes habe er aber beim Abschreiten des Geländes nicht nehmen können; sie wäre ihm wahrscheinlich auch nicht bewilligt worden. Auch sei damals ganz ungewiss gewesen, ob er jemals in den Besitz des Briefes gelangen werde. Dieser hätte leicht verloren gehen können, und vor allem habe es als sehr wahrscheinlich geschienen, dass ihn das Komitee nicht herausgeben werde. Ohne im Besitze des Briefes zu sein, habe er daher nicht Strafklage erheben können, wenn er sich nicht dem Vorwurf grösster Leichtfertigkeit habe aussetzen wollen. Besonders sei er beim erstmaligen Lesen nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob das Schreiben den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs erfülle oder nicht, und ohne den Besitz des Briefes habe er sich darüber auch nicht beraten lassen können. Er hätte sich der Gefahr ausgesetzt, mit Untersuchungskosten belastet oder sogar wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede verfolgt zu werden. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Unlauterer Wettbewerb wird auf Antrag verfolgt (Art. 13 UWG). Ein solcher kann gemäss Art. 29 StGB, der hier anwendbar ist (Art. 333 Abs. 1 StGB), nur binnen drei Monaten gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und - was Art. 29 nicht ausdrücklich sagt, sich aber von selbst versteht (BGE 75 IV 20) - die Tat bekannt wird. Davon gibt es keine Ausnahme. Der Beschwerdeführer geht fehl, aus BGE 79 IV 58 abzuleiten, dass die Antragsfrist erst zu laufen beginne, wenn dem Berechtigten die Erhebung der Klage zugemutet werden könne, und dass das nur im Normalfall schon mit der Kenntnis des Täters und des objektiven Tatbestandes zutreffe. Im angerufenen Falle war zu entscheiden, ob der Verletzte nicht nur die objektiven Tatbestandsmerkmale und die Person des Täters, sondern auch schon den subjektiven Tatbestand kennen müsse, damit die Antragsfrist zu laufen beginne. Indem das Bundesgericht ausführte, es sei normal, dass der Verletzte Strafantrag stelle, sobald er den objektiven Tatbestand und den Täter kenne, sagte es nach dem ganzen Zusammenhange nur, vom Antragsberechtigten könne verlangt werden, dass er auch ohne Kenntnis des subjektiven Tatbestandes vorgehe. Keineswegs wurde damit entschieden, dass das nur in der Regel verlangt werde und dem Antragsberechtigten ausnahmsweise die Einrede offen bleibe, es habe ihm nicht zugemutet werden können, binnen drei Monaten seit Kenntnis des objektiven Tatbestandes und des Täters Antrag zu stellen. Es trifft auch nicht zu, dass das Bundesgericht entschieden hätte, die Antragsfrist laufe erst, wenn der Verletzte seine Anschuldigung beweisen könne. Auf die Kenntnis, nicht auf den Besitz von Beweismitteln kommt es nach dem klaren Wortlaut des Art. 29 StGB an. In BGE 76 IV 6 wurde lediglich entschieden, dass das Kennenmüssen oder ein blosser Verdacht die Frist nicht in Gang setze, sondern dass sichere, zuverlässige Kenntnis nötig sei, die ein Vorgehen gegen den Täter aussichtsreich erscheinen lasse und den Antragsberechtigten gleichzeitig davor schütze, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden, d.h. eine Kenntnis, wie sie insbesondere der Besitz von Beweismitteln vermittle. Das hatte nur den Sinn, dass der Antragsberechtigte namentlich dann sichere Kenntnis habe, wenn er über Beweismittel verfüge, nicht auch, dass der Besitz solcher Mittel Voraussetzung sicherer Kenntnis und damit des Beginns der Antragsfrist sei. In gleichem Sinne lautet BGE 22 494 mit Bezug auf die analoge Frage des Beginns der Verjährung. 2. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts gab Marty dem Beschwerdeführer den Brief des Beschwerdegegners anlässlich der gemeinsamen Geländebegehung zu lesen. In diesem Zeitpunkt erhielt somit der Beschwerdeführer von der Tat und dem Täter sichere Kenntnis und begann die Antragsfrist zu laufen, bestand doch die eingeklagte Handlung gerade im Schreiben des Briefes, der von seinem Verfasser unterschrieben war. Die Ausfälle im Briefe waren heftig und eindrücklich genug, dass der Beschwerdeführer als Fachmann und Ersteller der kritisierten Anlagen in der Lage war, sich das Wesentliche davon zu merken und sich schlüssig zu werden, ob er Strafantrag stellen wolle. Indem ihm der Brief bloss zu lesen gegeben, nicht auch schon damals im Original oder in Kopie überlassen wurde, war er nicht schlechter gestellt, als wenn der Beschwerdegegner seine Äusserungen bloss mündlich getan und der Beschwerdeführer zugehört hätte, womit die Frist zur Stellung des Strafantrages ebenfalls in Gang gesetzt worden wäre. Als wahrscheinlichen Zeitpunkt der Geländebegehung und damit des Lesens des Briefes durch den Beschwerdeführer bezeichnet das Obergericht auf Grund einer eingehenden Untersuchung den 2. Oktober 1949. Diese Beweiswürdigung bindet den Kassationshof und wird vom Beschwerdeführer auch nicht anzufechten versucht. Steht somit die gesetzliche Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer vom Briefe erst innerhalb der drei Monate vor Einreichung des Strafantrages Kenntnis erhielt, nicht fest, ist gegenteils wahrscheinlich, dass dies schon vorher geschah, so hat das Obergericht dem Strafantrag mit Recht nicht Folge gegeben. Ob das Verfahren einzustellen oder der Angeklagte freizusprechen sei, war eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, wie schon wiederholt für den analogen Fall der Verjährung entschieden worden ist (BGE 72 IV 47, BGE 78 IV 129). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 29 CP. Il termine per sporgere querela comincia a correre dal giorno in cui l'avente diritto ha conoscenza del reato e del suo autore e non soltanto dal giorno in cui possiede le prove.
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504
80 IV 10
Sachverhalt ab Seite 10 A.- Hans Jegge wurde am 6. Mai 1949 vom Obergericht des Kantons Luzern in Anwendung eidgenössischen Rechts zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Nachdem am 22. Februar 1951 das aargauische Schwurgericht im Sinne von Art. 68 Ziff. 2 StGB eine Zusatzstrafe von sieben Monaten ausgefällt hatte, sprach am 22. Oktober 1953 das Obergericht des Kantons Luzern eine weitere Zusatzstrafe von drei Monaten Gefängnis aus, wobei es den bedingten Aufschub ihres Vollzugs unter Berufung auf Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ablehnte, weil sie zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe die Dauer eines Jahres übersteige. B.- Jegge führt gegen das Urteil vom 22. Oktober 1953 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zwecks bedingten Aufschubes des Strafvollzugs an das Obergericht zurückzuweisen. Er legt ein Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau vom 24. November 1951 ein, aus dem sich ergibt, dass der Grosse Rat des Kantons Aargau dem Beschwerdeführer die Strafe vom 22. Februar 1951 am 13. November 1951 unter Ansetzung einer dreijährigen Bewährungsfrist bedingt erlassen hat. Er leitet daraus ab, diese Strafe sei "zufolge des Strafaufhebungsgrundes der Begnadigung als weggefallen zu betrachten" und dürfe nicht mehr berücksichtigt werden. Indem das Obergericht des Kantons Luzern das doch getan habe, habe es Art. 41 und 396, allenfalls auch Art. 79 und 80 StGB verletzt. Da die Grundstrafe vom 6. Mai 1949 nur auf sechs Monate Gefängnis laute, stehe dem bedingten Aufschub der Zusatzstrafe vom 22. Oktober 1953 nichts im Wege. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Es kann dahingestellt bleiben, ob der im angefochtenen Urteil nicht erwähnte gnadenweise bedingte Erlass der ersten Zusatzstrafe nicht etwa eine neue Tatsache und das mit der Nichtigkeitsbeschwerde eingelegte Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau ein neues Beweismittel und daher beides gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP unbeachtlich ist. Denn die Beschwerde erweist sich auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache und des erwähnten Beweismittels als unbegründet. Die Begnadigung, werde sie unbedingt oder, wie hier, bloss bedingt ausgesprochen, hebt das Strafurteil nicht auf, sondern bedeutet bloss, dass auf seinen Vollzug (unbedingt oder bedingt) verzichtet werde. Etwas anderes ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer angerufenen Bestimmungen nicht. Art. 396 StGB insbesondere, der die Wirkung der Begnadigung umschreibt, bestimmt lediglich, dass die durch rechtskräftiges Urteil auferlegten Strafen ganz oder teilweise erlassen oder in mildere Strafarten umgewandelt werden können, nicht dass das Urteil als solches von der Begnadigungsbehörde ganz oder teilweise aufgehoben oder abgeändert werden dürfe. Die Begnadigung hat denn auch nicht etwa zur Folge, dass das Urteil aus dem Strafregister zu entfernen oder dass es ohne weiteres zu löschen wäre, als ob es gar nie ergangen oder mit der Begnadigung dahingefallen wäre. Art. 81 Abs. 1 StGB stellt den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung der Strafe gleich, was zur Folge hat, dass das Urteil mindestens solange im Strafregister bleibt, als es dort eingetragen wäre, wenn der Verurteilte die Strafe im Zeitpunkt der Begnadigung verbüsst hätte (Art. 80 StGB). Gemäss Art. 9 Ziff. 7 der Verordnung vom 14. November 1941 über das Strafregister wird denn auch die Begnadigung im Register lediglich als eine den "Vollzug der Strafe" betreffende Massnahme vermerkt. Wer binnen fünf Jahren nach der Begnadigung wieder eine Tat begeht, die ihm Zuchthaus oder Gefängnis einträgt, gilt als rückfällig, da das Gesetz auch in dieser Hinsicht den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung gleichstellt (Art. 67 Ziff. 1 StGB). Der gnadenweise Erlass einer Grundstrafe oder Zusatzstrafe hat daher nicht zur Folge, dass der Richter, der über den bedingten Aufschub einer späteren Zusatzstrafe entscheidet, die frühere Verurteilung als nicht erfolgt zu übergehen hätte, sowenig ihn die vorausgegangene Begnadigung z.B. der Pflicht enthebt, Art. 68 Ziff. 2 StGB anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 76 IV 74), gegen die der Beschwerdeführer nichts einwendet, darf daher der Vollzug der am 22. Oktober 1953 ausgefällten Strafe, die zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe ein Jahr Gefängnis übersteigt, nicht bedingt aufgeschoben werden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1, 68 Ziff. 2, 396 StGB. Der Vollzug einer zweiten Zusatzstrafe, die unter Einrechnung der Grundstrafe ein Jahr nicht erreicht, aber mit dieser und einer ersten Zusatzstrafe diese Dauer übersteigt, kann selbst dann nicht bedingt aufgeschoben werden, wenn die erste Zusatzstrafe gnadenweise erlassen worden ist.
de
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IV
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80 IV 10
Sachverhalt ab Seite 10 A.- Hans Jegge wurde am 6. Mai 1949 vom Obergericht des Kantons Luzern in Anwendung eidgenössischen Rechts zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Nachdem am 22. Februar 1951 das aargauische Schwurgericht im Sinne von Art. 68 Ziff. 2 StGB eine Zusatzstrafe von sieben Monaten ausgefällt hatte, sprach am 22. Oktober 1953 das Obergericht des Kantons Luzern eine weitere Zusatzstrafe von drei Monaten Gefängnis aus, wobei es den bedingten Aufschub ihres Vollzugs unter Berufung auf Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ablehnte, weil sie zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe die Dauer eines Jahres übersteige. B.- Jegge führt gegen das Urteil vom 22. Oktober 1953 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zwecks bedingten Aufschubes des Strafvollzugs an das Obergericht zurückzuweisen. Er legt ein Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau vom 24. November 1951 ein, aus dem sich ergibt, dass der Grosse Rat des Kantons Aargau dem Beschwerdeführer die Strafe vom 22. Februar 1951 am 13. November 1951 unter Ansetzung einer dreijährigen Bewährungsfrist bedingt erlassen hat. Er leitet daraus ab, diese Strafe sei "zufolge des Strafaufhebungsgrundes der Begnadigung als weggefallen zu betrachten" und dürfe nicht mehr berücksichtigt werden. Indem das Obergericht des Kantons Luzern das doch getan habe, habe es Art. 41 und 396, allenfalls auch Art. 79 und 80 StGB verletzt. Da die Grundstrafe vom 6. Mai 1949 nur auf sechs Monate Gefängnis laute, stehe dem bedingten Aufschub der Zusatzstrafe vom 22. Oktober 1953 nichts im Wege. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Es kann dahingestellt bleiben, ob der im angefochtenen Urteil nicht erwähnte gnadenweise bedingte Erlass der ersten Zusatzstrafe nicht etwa eine neue Tatsache und das mit der Nichtigkeitsbeschwerde eingelegte Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau ein neues Beweismittel und daher beides gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP unbeachtlich ist. Denn die Beschwerde erweist sich auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache und des erwähnten Beweismittels als unbegründet. Die Begnadigung, werde sie unbedingt oder, wie hier, bloss bedingt ausgesprochen, hebt das Strafurteil nicht auf, sondern bedeutet bloss, dass auf seinen Vollzug (unbedingt oder bedingt) verzichtet werde. Etwas anderes ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer angerufenen Bestimmungen nicht. Art. 396 StGB insbesondere, der die Wirkung der Begnadigung umschreibt, bestimmt lediglich, dass die durch rechtskräftiges Urteil auferlegten Strafen ganz oder teilweise erlassen oder in mildere Strafarten umgewandelt werden können, nicht dass das Urteil als solches von der Begnadigungsbehörde ganz oder teilweise aufgehoben oder abgeändert werden dürfe. Die Begnadigung hat denn auch nicht etwa zur Folge, dass das Urteil aus dem Strafregister zu entfernen oder dass es ohne weiteres zu löschen wäre, als ob es gar nie ergangen oder mit der Begnadigung dahingefallen wäre. Art. 81 Abs. 1 StGB stellt den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung der Strafe gleich, was zur Folge hat, dass das Urteil mindestens solange im Strafregister bleibt, als es dort eingetragen wäre, wenn der Verurteilte die Strafe im Zeitpunkt der Begnadigung verbüsst hätte (Art. 80 StGB). Gemäss Art. 9 Ziff. 7 der Verordnung vom 14. November 1941 über das Strafregister wird denn auch die Begnadigung im Register lediglich als eine den "Vollzug der Strafe" betreffende Massnahme vermerkt. Wer binnen fünf Jahren nach der Begnadigung wieder eine Tat begeht, die ihm Zuchthaus oder Gefängnis einträgt, gilt als rückfällig, da das Gesetz auch in dieser Hinsicht den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung gleichstellt (Art. 67 Ziff. 1 StGB). Der gnadenweise Erlass einer Grundstrafe oder Zusatzstrafe hat daher nicht zur Folge, dass der Richter, der über den bedingten Aufschub einer späteren Zusatzstrafe entscheidet, die frühere Verurteilung als nicht erfolgt zu übergehen hätte, sowenig ihn die vorausgegangene Begnadigung z.B. der Pflicht enthebt, Art. 68 Ziff. 2 StGB anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 76 IV 74), gegen die der Beschwerdeführer nichts einwendet, darf daher der Vollzug der am 22. Oktober 1953 ausgefällten Strafe, die zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe ein Jahr Gefängnis übersteigt, nicht bedingt aufgeschoben werden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 41 ch. 1 al. 1, 68 ch. 2, 396 CP. Le sursis ne peut être accordé pour une seconde peine complémentaire, qui, avec la peine principale, n'atteint pas un an, mais dépasse cette durée avec la peine principale et une première peine complémentaire, et cela même si la première peine complémentaire a été remise par voie de grâce.
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80 IV 10
Sachverhalt ab Seite 10 A.- Hans Jegge wurde am 6. Mai 1949 vom Obergericht des Kantons Luzern in Anwendung eidgenössischen Rechts zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Nachdem am 22. Februar 1951 das aargauische Schwurgericht im Sinne von Art. 68 Ziff. 2 StGB eine Zusatzstrafe von sieben Monaten ausgefällt hatte, sprach am 22. Oktober 1953 das Obergericht des Kantons Luzern eine weitere Zusatzstrafe von drei Monaten Gefängnis aus, wobei es den bedingten Aufschub ihres Vollzugs unter Berufung auf Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ablehnte, weil sie zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe die Dauer eines Jahres übersteige. B.- Jegge führt gegen das Urteil vom 22. Oktober 1953 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zwecks bedingten Aufschubes des Strafvollzugs an das Obergericht zurückzuweisen. Er legt ein Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau vom 24. November 1951 ein, aus dem sich ergibt, dass der Grosse Rat des Kantons Aargau dem Beschwerdeführer die Strafe vom 22. Februar 1951 am 13. November 1951 unter Ansetzung einer dreijährigen Bewährungsfrist bedingt erlassen hat. Er leitet daraus ab, diese Strafe sei "zufolge des Strafaufhebungsgrundes der Begnadigung als weggefallen zu betrachten" und dürfe nicht mehr berücksichtigt werden. Indem das Obergericht des Kantons Luzern das doch getan habe, habe es Art. 41 und 396, allenfalls auch Art. 79 und 80 StGB verletzt. Da die Grundstrafe vom 6. Mai 1949 nur auf sechs Monate Gefängnis laute, stehe dem bedingten Aufschub der Zusatzstrafe vom 22. Oktober 1953 nichts im Wege. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Es kann dahingestellt bleiben, ob der im angefochtenen Urteil nicht erwähnte gnadenweise bedingte Erlass der ersten Zusatzstrafe nicht etwa eine neue Tatsache und das mit der Nichtigkeitsbeschwerde eingelegte Schreiben des Bezirksamtmannes von Aarau ein neues Beweismittel und daher beides gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP unbeachtlich ist. Denn die Beschwerde erweist sich auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache und des erwähnten Beweismittels als unbegründet. Die Begnadigung, werde sie unbedingt oder, wie hier, bloss bedingt ausgesprochen, hebt das Strafurteil nicht auf, sondern bedeutet bloss, dass auf seinen Vollzug (unbedingt oder bedingt) verzichtet werde. Etwas anderes ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer angerufenen Bestimmungen nicht. Art. 396 StGB insbesondere, der die Wirkung der Begnadigung umschreibt, bestimmt lediglich, dass die durch rechtskräftiges Urteil auferlegten Strafen ganz oder teilweise erlassen oder in mildere Strafarten umgewandelt werden können, nicht dass das Urteil als solches von der Begnadigungsbehörde ganz oder teilweise aufgehoben oder abgeändert werden dürfe. Die Begnadigung hat denn auch nicht etwa zur Folge, dass das Urteil aus dem Strafregister zu entfernen oder dass es ohne weiteres zu löschen wäre, als ob es gar nie ergangen oder mit der Begnadigung dahingefallen wäre. Art. 81 Abs. 1 StGB stellt den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung der Strafe gleich, was zur Folge hat, dass das Urteil mindestens solange im Strafregister bleibt, als es dort eingetragen wäre, wenn der Verurteilte die Strafe im Zeitpunkt der Begnadigung verbüsst hätte (Art. 80 StGB). Gemäss Art. 9 Ziff. 7 der Verordnung vom 14. November 1941 über das Strafregister wird denn auch die Begnadigung im Register lediglich als eine den "Vollzug der Strafe" betreffende Massnahme vermerkt. Wer binnen fünf Jahren nach der Begnadigung wieder eine Tat begeht, die ihm Zuchthaus oder Gefängnis einträgt, gilt als rückfällig, da das Gesetz auch in dieser Hinsicht den Erlass durch Begnadigung der Verbüssung gleichstellt (Art. 67 Ziff. 1 StGB). Der gnadenweise Erlass einer Grundstrafe oder Zusatzstrafe hat daher nicht zur Folge, dass der Richter, der über den bedingten Aufschub einer späteren Zusatzstrafe entscheidet, die frühere Verurteilung als nicht erfolgt zu übergehen hätte, sowenig ihn die vorausgegangene Begnadigung z.B. der Pflicht enthebt, Art. 68 Ziff. 2 StGB anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 76 IV 74), gegen die der Beschwerdeführer nichts einwendet, darf daher der Vollzug der am 22. Oktober 1953 ausgefällten Strafe, die zusammen mit der Grundstrafe und der ersten Zusatzstrafe ein Jahr Gefängnis übersteigt, nicht bedingt aufgeschoben werden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 41 cifra 1 cp. 1, 68 cifra 2, 396 CP. Non può essere sospesa condizionalmente una seconda pena addizionale che con la pena principale non raggiunge un anno ma che con la pena principale ed una prima pena addizionale supera tale durata, e ciò quand'anche la prima pena addizionale fosse stata condonata con decreto di grazia.
it
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80 IV 102
Sachverhalt ab Seite 102 A.- Am 1. Juli 1952 verlor der vierjährige Bernard Piquerez in Basel auf einem Botengang den Geldbeutel mit einem Franken. Sein Vater, Gaston Piquerez, schickte ihn daher strafweise ohne Mittagessen zu Bett. Als der Vater etwa um 21.45 Uhr heimkehrte, befand sich der Knabe auf der zur Wohnung gehörenden Terrasse und schaute zu, wie die Mutter den Garten besprengte. Erbost, den Knaben dort zu sehen, und möglicherweise auch über den Verlust des Geldbeutels noch verärgert, fasste Gaston Piquerez den Knaben und gab ihm mit einem Kleiderbügel starke Schläge auf Rücken, Gesäss und Oberschenkel. Der Knabe erlitt dadurch: a) auf der Aussenseite des rechten Oberschenkels über dem Rollhügel eine handtellergrosse, erhabene, blaurote Schwellung; b) auf der rechten Seite des Brustkorbes, auf der Hinterseite und seitlich, halbkreisförmige einander teilweise überlagernde, strichförmige subkutane Blutungen aus doppelt konturierten Ringen; c) über der rechten Gesässgegend rote Striemen und rote Flecken in handgrosser Ausdehnung; d) etwa 12 cm lange und 5 mm breite rote Striche auf der seitlichen und vorderen Fläche des linken Oberschenkels, sowie Kratzspuren; e) auf dem Rücken rote Flecken bis zur Grösse von Fünffrankenstücken. Am folgenden Tage begab sich Frau Piquerez mit dem Knaben zu einer Ärztin. Letztere benachrichtigte die Vormundschaftsbehörde, und diese beschloss gestützt auf Art. 283 ZGB unter anderem, den Knaben im Kinderspital unterzubringen, aus dem er nur mit Einwilligung des Jugendamtes entlassen werden dürfe. Sie zeigte den Fall der Staatsanwaltschaft an. Bernard Piquerez befand sich, ohne dass es aus medizinischen Gründen notwendig gewesen wäre, vom 2. bis 15. Juli 1952 im Spital. Infolge der Misshandlung hatte er am Morgen nach der Einlieferung 38° Fieber. B.- Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt erklärte Gaston Piquerez am 23. September 1953 der Misshandlung eines Kindes schuldig (Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Wochen. Auf Appellation des Angeklagten sprach ihn das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Januar 1954 frei. Es führte aus, die geistige Entwicklung des Knaben sei weder geschädigt noch schwer gefährdet worden. Aus dem Protokoll der Vormundschaftsbehörde vom 21. Oktober 1952 ergebe sich, dass die Kinder Piquerez ihrem Vater trotz der gelegentlich groben Behandlung zugetan seien und nicht ernsthaft Schaden genommen hätten. Auch Frau Piquerez erkläre, die Kinder könnten dem Vater gegenüber durchaus fröhlich sein. Auch die Gesundheit des Knaben sei nicht geschädigt worden; nicht jede vorübergehende Behinderung des Wohlbefindens sei eine Gesundheitsschädigung, und eine solche liege auch nicht in der Zufügung von Striemen, Blutunterlaufungen und dergleichen, wie sie sich auch bei einer massvollen Züchtigung ergeben könnten. Ebensowenig sei die Gesundheit des Knaben schwer gefährdet worden; denn die nahe Gefahr des Eintrittes einer Gesundheitsschädigung, wie sie sich aus dem tatsächlich eingetretenen Erfolge ergebe, habe nicht vorgelegen. Auch fehle der subjektive Tatbestand des Art. 134 StGB. Dass der Knabe nicht nur die ihm zugedachten Schläge erhalten habe, sondern auch am übrigen Körper getroffen worden sei, sei allem Anschein nach auf sein Bestreben zurückzuführen, sich der Züchtigung auf das Gesäss zu entziehen. Gegen die Annahme, der Angeklagte habe das Kind im Bewusstsein gezüchtigt, die Schläge könnten irgendwelche dauernde oder auch bloss vorübergehende schädigende Folgen haben, spreche nicht nur seine eigene wiederholt und glaubhaft vorgetragene Bestreitung, sondern auch seine im psychiatrischen Gutachten erwähnte Einstellung zu seinen Kindern. Wer seine Kinder lieb habe und für sie nur das Beste wolle, dem fehle in der Regel der Vorsatz, sie an der Gesundheit schwer zu gefährden oder zu schädigen, und zwar auch der Eventualvorsatz. Diese Überlegung müsse auch für den Angeklagten gelten, da keine Anzeichen für das Gegenteil sprächen. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und der Fall zur Verurteilung des Angeklagten gemäss Art. 134 StGB an diese Instanz zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 134 StGB setze nicht eine schwere Schädigung voraus; eine einfache Schädigung genüge. Eine Züchtigung, die wie im vorliegenden Falle Verletzungen zur Folge habe und Spitalpflege nötig mache, übersteige das zulässige Mass erheblich, und der eingetretene Erfolg sei eine Schädigung der Gesundheit. Eine solche, im Zorne vorgenommene schwere Misshandlung sei auch als schwere Gefährdung der geistigen Entwicklung des Kindes zu betrachten. Es liege ja im Begriffe der Gefährdung, dass der Erfolg unsicher bleibe. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt. Wer sein vierjähriges Kind im Zorne mit einem Kleiderbügel dermassen schlage, müsse damit rechnen, dass das Kind sich den Schlägen zu entziehen suche, und könne sich nicht darauf berufen, er habe die Folgen nicht vorausgesehen und nicht gewollt. Der Angeklagte habe mindestens mit Eventualvorsatz gehandelt. D.- Gaston Piquerez beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist mit Gefängnis nicht unter einem Monat zu bestrafen, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren, dessen Pflege oder Obhut ihm obliegt, so misshandelt, vernachlässigt oder grausam behandelt, dass dessen Gesundheit oder geistige Entwicklung eine Schädigung oder schwere Gefährdung erleidet". Die Gefährdung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung des Kindes fällt nur dann unter diese Bestimmung, wenn sie "schwer" ist. Damit stellt das Gesetz besondere Anforderungen sowohl an den der Gesundheit oder geistigen Entwicklung drohenden Schaden, als auch an den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der er bevorgestanden haben muss. Es genügt weder jede drohende Schädigung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung, noch jede konkrete Gefahr, in die diese Rechtsgüter gebracht werden. Schwer gefährdet ist die Gesundheit oder geistige Entwicklung nur, wenn die Misshandlung, Vernachlässigung oder grausame Behandlung einen erheblichen Schaden an der Gesundheit oder eine erheblich von der Norm abweichende geistige Entwicklung des Kindes in grosse Nähe rückt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung braucht dagegen das Merkmal der Schwere nicht erfüllt zu sein, wenn das Kind in seiner Gesundheit oder in seiner geistigen Entwicklung tatsächlich geschädigt wird. Eine Schädigung dieser Rechtsgüter liegt aber nicht jedesmal schon dann vor, wenn der Täter das Kind in seinem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden beeinträchtigt oder seinen Geist ungünstig beeinflusst. Ausser Betracht fallen einmal alle Körperschäden, unter denen die körperliche oder geistige Gesundheit nicht leidet. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz in anderen Bestimmungen ausdrücklich zwischen der Schädigung des Körpers (atteinte à l'intégrité corporelle, lésion corporelle, danno al corpo) einerseits und der Schädigung der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit (atteinte à la santé, danno alla salute) anderseits unterscheidet (Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3, 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125, 126), in Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 dagegen nur von der Schädigung oder schweren Gefährdung der Gesundheit spricht. Ein Versehen liegt nicht vor. Schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf wurde darauf hingewiesen, dass eine vereinzelte Rohheit oder Nachlässigkeit richtiger aus dem Gesichtspunkte vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung zu beurteilen sei (ZÜRCHER, Erl. zum VE 1908 137). Auch in der zweiten Expertenkommission wurde über das Verhältnis der Bestimmungen über Körperverletzung zu der Bestimmung über Misshandlung und Vernachlässigung eines Kindes gesprochen und die Auffassung vertreten, dass diese Norm nur anzuwenden sei, wenn jene versagten (Prot. 2. ExpK. 2 267 f.). Nur wenn die Körperverletzung schwer ist und der Täter sie zwar nicht gewollt hat, sie aber hat voraussehen können, trägt ihr Art. 134 Rechnung, indem er in Ziff. 1 Abs. 2 schwerere Strafe androht als Art. 123 Ziff. 2. In anderen Fällen von Körperverletzungen sind jedenfalls dann die Art. 122 ff., nicht Art. 134, anzuwenden, wenn durch die Tat die Gesundheit des Kindes weder geschädigt noch schwer gefährdet worden ist (vgl. auch VON OVERBECK, ZStrR 43 213; HAFTER, Lehrbuch, bes. Teil 67). Wenn die Verfolgung einen Strafantrag voraussetzt (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125) und der Täter der gesetzliche Vertreter des verletzten Kindes ist, kann die Vormundschaftsbehörde dem Kinde gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB einen Beistand ernennen, dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 StGB das Antragsrecht zusteht. Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 trifft auch nicht zu auf Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Wohlbefindens, die zwar ihrer Natur nach die Gesundheit treffen, aber wegen ihrer Geringfügigkeit keine Schädigungen sind. An der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit geschädigt ist das Kind nur, wenn die ungünstige Einwirkung auf dieses Rechtsgut von etwelcher Bedeutung ist. Das ergibt sich aus der hohen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis, die Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 androht. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass jeder noch so geringfügige Fehlgriff, der sich an der Gesundheit des Kindes bemerkbar macht, mindestens einen Monat Gefängnis zur Folge haben solle. So lässt sich nicht sagen, ein Kind sei an seiner Gesundheit geschädigt, wenn es als Folge einer Züchtigung z.B. einmal sich erbricht, vorübergehend Kopfschmerzen oder leichte Fieber hat oder für kurze Zeit ohnmächtig ist. Auch von einer Schädigung der geistigen Entwicklung kann nicht jedesmal dann die Rede sein, wenn die Geistesverfassung des Kindes infolge Misshandlung, Vernachlässigung oder grausamer Behandlung ungünstig beeinflusst wird. Die Beeinträchtigung muss, wenn auch nicht notwendigerweise bleibend, doch ernster Natur sein. Einschüchterung oder Verbitterung eines Kindes gegenüber dem Erzieher z.B. stellt für sich allein nicht notwendigerweise eine Schädigung der geistigen Entwicklung dar. 2. Die Schwellung sowie die subkutanen Blutungen, die Striemen, Flecken und Kratzspuren, die der Beschwerdegegner seinem Knaben zugefügt hat, haben dessen Gesundheit nicht geschädigt. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, ist der Knabe nicht aus medizinischen Gründen, sondern auf Anordnung der Vormundschaftsbehörde in den Spital verbracht und während vierzehn Tagen dort belassen worden. Das leichte Fieber, das er am Morgen nach der Einlieferung aufwies, war eine zu unbedeutende Veränderung seines Gesundheitszustandes, als dass sie als Schädigung gelten könnte. Man könnte sich höchstens fragen, ob die Auswirkungen am Körper des Knaben als Körperverletzungen zu würdigen wären (vgl.BGE 72 IV 21). Wenn ja, wären sie aber jedenfalls nicht schwer im Sinne der Art. 122 und 134 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Dem Beschwerdegegner kann auch nicht vorgeworfen werden, er habe in seinem Knaben, den er an sich züchtigen durfte, einen Wehrlosen im Sinne des Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verletzt. Er kann daher wegen Körperverletzung nicht von Amtes wegen verfolgt werden. Ein Strafantrag aber ist von einem Antragsberechtigten (Beistand) nicht gestellt worden. Die Gesundheit des Knaben ist auch nicht schwer gefährdet worden. Wenn die einmalige Verwendung eines Kleiderbügels zum Prügeln eines vierjährigen Knaben überhaupt eine gesundheitliche Schädigung wahrscheinlich macht, so jedenfalls nicht in so hohem Grade und nicht eine so erhebliche Schädigung, dass die Gefahr, in die dieses Vorgehen die Gesundheit des Knaben bringt, als schwer bezeichnet werden könnte. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdegegner das Kind so kräftig und rücksichtslos geschlagen habe, dass hier ausnahmsweise eine erhebliche Schädigung viel näher gelegen habe als nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei Verwendung eines Kleiderbügels schlechthin, z.B. dass er ihm beinahe ein Auge ausgeschlagen oder ein inneres Organ verletzt habe. Es ist möglich, dass der tatsächlich eingetretene Erfolg nach der Art und Weise, wie der Beschwerdegegner das Kind geschlagen hat, gar nicht übertroffen werden konnte. 3. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach die Kinder des Beschwerdegegners ihm zugetan sind und ihm gegenüber durchaus fröhlich sein können, hat der Knabe Bernard durch die Tat vom 1. Juli 1952, selbst in Verbindung mit der früheren gelegentlichen groben Behandlung, auch an seiner geistigen Entwicklung keinen Schaden genommen. Kann solche Behandlung, wenn sie während langer Zeit wiederholt wird, zwar die geistige Entwicklung ungünstig beeinflussen, so steht im vorliegenden Falle doch nicht fest, dass der Beschwerdegegner bis und mit dem 1. Juli 1952 den Knaben bereits derart oft und grob misshandelt habe, dass eine erhebliche Beeinträchtigung dieser Entwicklung in nächster Nähe gestanden habe. Dem Beschwerdegegner kann daher auch nicht vorgeworfen werden, er habe die geistige Entwicklung des Kindes schwer gefährdet. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. a) Wann ist die Gesundheit oder geistige Entwicklung des Kindes schwer gefährdet? (Erw. 1 Abs. 2, Erw. 2 Abs. 2). b) Wann ist die Gesundheit des Kindes geschädigt? (Erw. 1 Abs. 3-5, Erw. 2 Abs. 1). c) Wann ist die geistige Entwicklung des Kindes geschädigt? (Erw. 1 Abs. 6, Erw. 3).
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80 IV 102
Sachverhalt ab Seite 102 A.- Am 1. Juli 1952 verlor der vierjährige Bernard Piquerez in Basel auf einem Botengang den Geldbeutel mit einem Franken. Sein Vater, Gaston Piquerez, schickte ihn daher strafweise ohne Mittagessen zu Bett. Als der Vater etwa um 21.45 Uhr heimkehrte, befand sich der Knabe auf der zur Wohnung gehörenden Terrasse und schaute zu, wie die Mutter den Garten besprengte. Erbost, den Knaben dort zu sehen, und möglicherweise auch über den Verlust des Geldbeutels noch verärgert, fasste Gaston Piquerez den Knaben und gab ihm mit einem Kleiderbügel starke Schläge auf Rücken, Gesäss und Oberschenkel. Der Knabe erlitt dadurch: a) auf der Aussenseite des rechten Oberschenkels über dem Rollhügel eine handtellergrosse, erhabene, blaurote Schwellung; b) auf der rechten Seite des Brustkorbes, auf der Hinterseite und seitlich, halbkreisförmige einander teilweise überlagernde, strichförmige subkutane Blutungen aus doppelt konturierten Ringen; c) über der rechten Gesässgegend rote Striemen und rote Flecken in handgrosser Ausdehnung; d) etwa 12 cm lange und 5 mm breite rote Striche auf der seitlichen und vorderen Fläche des linken Oberschenkels, sowie Kratzspuren; e) auf dem Rücken rote Flecken bis zur Grösse von Fünffrankenstücken. Am folgenden Tage begab sich Frau Piquerez mit dem Knaben zu einer Ärztin. Letztere benachrichtigte die Vormundschaftsbehörde, und diese beschloss gestützt auf Art. 283 ZGB unter anderem, den Knaben im Kinderspital unterzubringen, aus dem er nur mit Einwilligung des Jugendamtes entlassen werden dürfe. Sie zeigte den Fall der Staatsanwaltschaft an. Bernard Piquerez befand sich, ohne dass es aus medizinischen Gründen notwendig gewesen wäre, vom 2. bis 15. Juli 1952 im Spital. Infolge der Misshandlung hatte er am Morgen nach der Einlieferung 38° Fieber. B.- Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt erklärte Gaston Piquerez am 23. September 1953 der Misshandlung eines Kindes schuldig (Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Wochen. Auf Appellation des Angeklagten sprach ihn das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Januar 1954 frei. Es führte aus, die geistige Entwicklung des Knaben sei weder geschädigt noch schwer gefährdet worden. Aus dem Protokoll der Vormundschaftsbehörde vom 21. Oktober 1952 ergebe sich, dass die Kinder Piquerez ihrem Vater trotz der gelegentlich groben Behandlung zugetan seien und nicht ernsthaft Schaden genommen hätten. Auch Frau Piquerez erkläre, die Kinder könnten dem Vater gegenüber durchaus fröhlich sein. Auch die Gesundheit des Knaben sei nicht geschädigt worden; nicht jede vorübergehende Behinderung des Wohlbefindens sei eine Gesundheitsschädigung, und eine solche liege auch nicht in der Zufügung von Striemen, Blutunterlaufungen und dergleichen, wie sie sich auch bei einer massvollen Züchtigung ergeben könnten. Ebensowenig sei die Gesundheit des Knaben schwer gefährdet worden; denn die nahe Gefahr des Eintrittes einer Gesundheitsschädigung, wie sie sich aus dem tatsächlich eingetretenen Erfolge ergebe, habe nicht vorgelegen. Auch fehle der subjektive Tatbestand des Art. 134 StGB. Dass der Knabe nicht nur die ihm zugedachten Schläge erhalten habe, sondern auch am übrigen Körper getroffen worden sei, sei allem Anschein nach auf sein Bestreben zurückzuführen, sich der Züchtigung auf das Gesäss zu entziehen. Gegen die Annahme, der Angeklagte habe das Kind im Bewusstsein gezüchtigt, die Schläge könnten irgendwelche dauernde oder auch bloss vorübergehende schädigende Folgen haben, spreche nicht nur seine eigene wiederholt und glaubhaft vorgetragene Bestreitung, sondern auch seine im psychiatrischen Gutachten erwähnte Einstellung zu seinen Kindern. Wer seine Kinder lieb habe und für sie nur das Beste wolle, dem fehle in der Regel der Vorsatz, sie an der Gesundheit schwer zu gefährden oder zu schädigen, und zwar auch der Eventualvorsatz. Diese Überlegung müsse auch für den Angeklagten gelten, da keine Anzeichen für das Gegenteil sprächen. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und der Fall zur Verurteilung des Angeklagten gemäss Art. 134 StGB an diese Instanz zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 134 StGB setze nicht eine schwere Schädigung voraus; eine einfache Schädigung genüge. Eine Züchtigung, die wie im vorliegenden Falle Verletzungen zur Folge habe und Spitalpflege nötig mache, übersteige das zulässige Mass erheblich, und der eingetretene Erfolg sei eine Schädigung der Gesundheit. Eine solche, im Zorne vorgenommene schwere Misshandlung sei auch als schwere Gefährdung der geistigen Entwicklung des Kindes zu betrachten. Es liege ja im Begriffe der Gefährdung, dass der Erfolg unsicher bleibe. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt. Wer sein vierjähriges Kind im Zorne mit einem Kleiderbügel dermassen schlage, müsse damit rechnen, dass das Kind sich den Schlägen zu entziehen suche, und könne sich nicht darauf berufen, er habe die Folgen nicht vorausgesehen und nicht gewollt. Der Angeklagte habe mindestens mit Eventualvorsatz gehandelt. D.- Gaston Piquerez beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist mit Gefängnis nicht unter einem Monat zu bestrafen, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren, dessen Pflege oder Obhut ihm obliegt, so misshandelt, vernachlässigt oder grausam behandelt, dass dessen Gesundheit oder geistige Entwicklung eine Schädigung oder schwere Gefährdung erleidet". Die Gefährdung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung des Kindes fällt nur dann unter diese Bestimmung, wenn sie "schwer" ist. Damit stellt das Gesetz besondere Anforderungen sowohl an den der Gesundheit oder geistigen Entwicklung drohenden Schaden, als auch an den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der er bevorgestanden haben muss. Es genügt weder jede drohende Schädigung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung, noch jede konkrete Gefahr, in die diese Rechtsgüter gebracht werden. Schwer gefährdet ist die Gesundheit oder geistige Entwicklung nur, wenn die Misshandlung, Vernachlässigung oder grausame Behandlung einen erheblichen Schaden an der Gesundheit oder eine erheblich von der Norm abweichende geistige Entwicklung des Kindes in grosse Nähe rückt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung braucht dagegen das Merkmal der Schwere nicht erfüllt zu sein, wenn das Kind in seiner Gesundheit oder in seiner geistigen Entwicklung tatsächlich geschädigt wird. Eine Schädigung dieser Rechtsgüter liegt aber nicht jedesmal schon dann vor, wenn der Täter das Kind in seinem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden beeinträchtigt oder seinen Geist ungünstig beeinflusst. Ausser Betracht fallen einmal alle Körperschäden, unter denen die körperliche oder geistige Gesundheit nicht leidet. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz in anderen Bestimmungen ausdrücklich zwischen der Schädigung des Körpers (atteinte à l'intégrité corporelle, lésion corporelle, danno al corpo) einerseits und der Schädigung der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit (atteinte à la santé, danno alla salute) anderseits unterscheidet (Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3, 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125, 126), in Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 dagegen nur von der Schädigung oder schweren Gefährdung der Gesundheit spricht. Ein Versehen liegt nicht vor. Schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf wurde darauf hingewiesen, dass eine vereinzelte Rohheit oder Nachlässigkeit richtiger aus dem Gesichtspunkte vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung zu beurteilen sei (ZÜRCHER, Erl. zum VE 1908 137). Auch in der zweiten Expertenkommission wurde über das Verhältnis der Bestimmungen über Körperverletzung zu der Bestimmung über Misshandlung und Vernachlässigung eines Kindes gesprochen und die Auffassung vertreten, dass diese Norm nur anzuwenden sei, wenn jene versagten (Prot. 2. ExpK. 2 267 f.). Nur wenn die Körperverletzung schwer ist und der Täter sie zwar nicht gewollt hat, sie aber hat voraussehen können, trägt ihr Art. 134 Rechnung, indem er in Ziff. 1 Abs. 2 schwerere Strafe androht als Art. 123 Ziff. 2. In anderen Fällen von Körperverletzungen sind jedenfalls dann die Art. 122 ff., nicht Art. 134, anzuwenden, wenn durch die Tat die Gesundheit des Kindes weder geschädigt noch schwer gefährdet worden ist (vgl. auch VON OVERBECK, ZStrR 43 213; HAFTER, Lehrbuch, bes. Teil 67). Wenn die Verfolgung einen Strafantrag voraussetzt (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125) und der Täter der gesetzliche Vertreter des verletzten Kindes ist, kann die Vormundschaftsbehörde dem Kinde gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB einen Beistand ernennen, dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 StGB das Antragsrecht zusteht. Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 trifft auch nicht zu auf Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Wohlbefindens, die zwar ihrer Natur nach die Gesundheit treffen, aber wegen ihrer Geringfügigkeit keine Schädigungen sind. An der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit geschädigt ist das Kind nur, wenn die ungünstige Einwirkung auf dieses Rechtsgut von etwelcher Bedeutung ist. Das ergibt sich aus der hohen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis, die Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 androht. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass jeder noch so geringfügige Fehlgriff, der sich an der Gesundheit des Kindes bemerkbar macht, mindestens einen Monat Gefängnis zur Folge haben solle. So lässt sich nicht sagen, ein Kind sei an seiner Gesundheit geschädigt, wenn es als Folge einer Züchtigung z.B. einmal sich erbricht, vorübergehend Kopfschmerzen oder leichte Fieber hat oder für kurze Zeit ohnmächtig ist. Auch von einer Schädigung der geistigen Entwicklung kann nicht jedesmal dann die Rede sein, wenn die Geistesverfassung des Kindes infolge Misshandlung, Vernachlässigung oder grausamer Behandlung ungünstig beeinflusst wird. Die Beeinträchtigung muss, wenn auch nicht notwendigerweise bleibend, doch ernster Natur sein. Einschüchterung oder Verbitterung eines Kindes gegenüber dem Erzieher z.B. stellt für sich allein nicht notwendigerweise eine Schädigung der geistigen Entwicklung dar. 2. Die Schwellung sowie die subkutanen Blutungen, die Striemen, Flecken und Kratzspuren, die der Beschwerdegegner seinem Knaben zugefügt hat, haben dessen Gesundheit nicht geschädigt. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, ist der Knabe nicht aus medizinischen Gründen, sondern auf Anordnung der Vormundschaftsbehörde in den Spital verbracht und während vierzehn Tagen dort belassen worden. Das leichte Fieber, das er am Morgen nach der Einlieferung aufwies, war eine zu unbedeutende Veränderung seines Gesundheitszustandes, als dass sie als Schädigung gelten könnte. Man könnte sich höchstens fragen, ob die Auswirkungen am Körper des Knaben als Körperverletzungen zu würdigen wären (vgl.BGE 72 IV 21). Wenn ja, wären sie aber jedenfalls nicht schwer im Sinne der Art. 122 und 134 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Dem Beschwerdegegner kann auch nicht vorgeworfen werden, er habe in seinem Knaben, den er an sich züchtigen durfte, einen Wehrlosen im Sinne des Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verletzt. Er kann daher wegen Körperverletzung nicht von Amtes wegen verfolgt werden. Ein Strafantrag aber ist von einem Antragsberechtigten (Beistand) nicht gestellt worden. Die Gesundheit des Knaben ist auch nicht schwer gefährdet worden. Wenn die einmalige Verwendung eines Kleiderbügels zum Prügeln eines vierjährigen Knaben überhaupt eine gesundheitliche Schädigung wahrscheinlich macht, so jedenfalls nicht in so hohem Grade und nicht eine so erhebliche Schädigung, dass die Gefahr, in die dieses Vorgehen die Gesundheit des Knaben bringt, als schwer bezeichnet werden könnte. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdegegner das Kind so kräftig und rücksichtslos geschlagen habe, dass hier ausnahmsweise eine erhebliche Schädigung viel näher gelegen habe als nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei Verwendung eines Kleiderbügels schlechthin, z.B. dass er ihm beinahe ein Auge ausgeschlagen oder ein inneres Organ verletzt habe. Es ist möglich, dass der tatsächlich eingetretene Erfolg nach der Art und Weise, wie der Beschwerdegegner das Kind geschlagen hat, gar nicht übertroffen werden konnte. 3. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach die Kinder des Beschwerdegegners ihm zugetan sind und ihm gegenüber durchaus fröhlich sein können, hat der Knabe Bernard durch die Tat vom 1. Juli 1952, selbst in Verbindung mit der früheren gelegentlichen groben Behandlung, auch an seiner geistigen Entwicklung keinen Schaden genommen. Kann solche Behandlung, wenn sie während langer Zeit wiederholt wird, zwar die geistige Entwicklung ungünstig beeinflussen, so steht im vorliegenden Falle doch nicht fest, dass der Beschwerdegegner bis und mit dem 1. Juli 1952 den Knaben bereits derart oft und grob misshandelt habe, dass eine erhebliche Beeinträchtigung dieser Entwicklung in nächster Nähe gestanden habe. Dem Beschwerdegegner kann daher auch nicht vorgeworfen werden, er habe die geistige Entwicklung des Kindes schwer gefährdet. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 134 ch. 1 al. 1 CP. a) Quand la santé ou le développement intellectuel d'un enfant sont-ils gravement compromis? (consid. 1 al. 2, consid. 2 al. 2). b) Quand la santé d'un enfant est-elle atteinte? (consid. 1 al. 3-5, consid. 2 al. 1). c) Quand le développement intellectuel d'un enfant est-il atteint? (consid. 1 al. 6, consid. 3).
fr
criminal law and criminal procedure
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IV
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-IV-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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80 IV 102
Sachverhalt ab Seite 102 A.- Am 1. Juli 1952 verlor der vierjährige Bernard Piquerez in Basel auf einem Botengang den Geldbeutel mit einem Franken. Sein Vater, Gaston Piquerez, schickte ihn daher strafweise ohne Mittagessen zu Bett. Als der Vater etwa um 21.45 Uhr heimkehrte, befand sich der Knabe auf der zur Wohnung gehörenden Terrasse und schaute zu, wie die Mutter den Garten besprengte. Erbost, den Knaben dort zu sehen, und möglicherweise auch über den Verlust des Geldbeutels noch verärgert, fasste Gaston Piquerez den Knaben und gab ihm mit einem Kleiderbügel starke Schläge auf Rücken, Gesäss und Oberschenkel. Der Knabe erlitt dadurch: a) auf der Aussenseite des rechten Oberschenkels über dem Rollhügel eine handtellergrosse, erhabene, blaurote Schwellung; b) auf der rechten Seite des Brustkorbes, auf der Hinterseite und seitlich, halbkreisförmige einander teilweise überlagernde, strichförmige subkutane Blutungen aus doppelt konturierten Ringen; c) über der rechten Gesässgegend rote Striemen und rote Flecken in handgrosser Ausdehnung; d) etwa 12 cm lange und 5 mm breite rote Striche auf der seitlichen und vorderen Fläche des linken Oberschenkels, sowie Kratzspuren; e) auf dem Rücken rote Flecken bis zur Grösse von Fünffrankenstücken. Am folgenden Tage begab sich Frau Piquerez mit dem Knaben zu einer Ärztin. Letztere benachrichtigte die Vormundschaftsbehörde, und diese beschloss gestützt auf Art. 283 ZGB unter anderem, den Knaben im Kinderspital unterzubringen, aus dem er nur mit Einwilligung des Jugendamtes entlassen werden dürfe. Sie zeigte den Fall der Staatsanwaltschaft an. Bernard Piquerez befand sich, ohne dass es aus medizinischen Gründen notwendig gewesen wäre, vom 2. bis 15. Juli 1952 im Spital. Infolge der Misshandlung hatte er am Morgen nach der Einlieferung 38° Fieber. B.- Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt erklärte Gaston Piquerez am 23. September 1953 der Misshandlung eines Kindes schuldig (Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs Wochen. Auf Appellation des Angeklagten sprach ihn das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Januar 1954 frei. Es führte aus, die geistige Entwicklung des Knaben sei weder geschädigt noch schwer gefährdet worden. Aus dem Protokoll der Vormundschaftsbehörde vom 21. Oktober 1952 ergebe sich, dass die Kinder Piquerez ihrem Vater trotz der gelegentlich groben Behandlung zugetan seien und nicht ernsthaft Schaden genommen hätten. Auch Frau Piquerez erkläre, die Kinder könnten dem Vater gegenüber durchaus fröhlich sein. Auch die Gesundheit des Knaben sei nicht geschädigt worden; nicht jede vorübergehende Behinderung des Wohlbefindens sei eine Gesundheitsschädigung, und eine solche liege auch nicht in der Zufügung von Striemen, Blutunterlaufungen und dergleichen, wie sie sich auch bei einer massvollen Züchtigung ergeben könnten. Ebensowenig sei die Gesundheit des Knaben schwer gefährdet worden; denn die nahe Gefahr des Eintrittes einer Gesundheitsschädigung, wie sie sich aus dem tatsächlich eingetretenen Erfolge ergebe, habe nicht vorgelegen. Auch fehle der subjektive Tatbestand des Art. 134 StGB. Dass der Knabe nicht nur die ihm zugedachten Schläge erhalten habe, sondern auch am übrigen Körper getroffen worden sei, sei allem Anschein nach auf sein Bestreben zurückzuführen, sich der Züchtigung auf das Gesäss zu entziehen. Gegen die Annahme, der Angeklagte habe das Kind im Bewusstsein gezüchtigt, die Schläge könnten irgendwelche dauernde oder auch bloss vorübergehende schädigende Folgen haben, spreche nicht nur seine eigene wiederholt und glaubhaft vorgetragene Bestreitung, sondern auch seine im psychiatrischen Gutachten erwähnte Einstellung zu seinen Kindern. Wer seine Kinder lieb habe und für sie nur das Beste wolle, dem fehle in der Regel der Vorsatz, sie an der Gesundheit schwer zu gefährden oder zu schädigen, und zwar auch der Eventualvorsatz. Diese Überlegung müsse auch für den Angeklagten gelten, da keine Anzeichen für das Gegenteil sprächen. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und der Fall zur Verurteilung des Angeklagten gemäss Art. 134 StGB an diese Instanz zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 134 StGB setze nicht eine schwere Schädigung voraus; eine einfache Schädigung genüge. Eine Züchtigung, die wie im vorliegenden Falle Verletzungen zur Folge habe und Spitalpflege nötig mache, übersteige das zulässige Mass erheblich, und der eingetretene Erfolg sei eine Schädigung der Gesundheit. Eine solche, im Zorne vorgenommene schwere Misshandlung sei auch als schwere Gefährdung der geistigen Entwicklung des Kindes zu betrachten. Es liege ja im Begriffe der Gefährdung, dass der Erfolg unsicher bleibe. Auch der subjektive Tatbestand sei erfüllt. Wer sein vierjähriges Kind im Zorne mit einem Kleiderbügel dermassen schlage, müsse damit rechnen, dass das Kind sich den Schlägen zu entziehen suche, und könne sich nicht darauf berufen, er habe die Folgen nicht vorausgesehen und nicht gewollt. Der Angeklagte habe mindestens mit Eventualvorsatz gehandelt. D.- Gaston Piquerez beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist mit Gefängnis nicht unter einem Monat zu bestrafen, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren, dessen Pflege oder Obhut ihm obliegt, so misshandelt, vernachlässigt oder grausam behandelt, dass dessen Gesundheit oder geistige Entwicklung eine Schädigung oder schwere Gefährdung erleidet". Die Gefährdung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung des Kindes fällt nur dann unter diese Bestimmung, wenn sie "schwer" ist. Damit stellt das Gesetz besondere Anforderungen sowohl an den der Gesundheit oder geistigen Entwicklung drohenden Schaden, als auch an den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der er bevorgestanden haben muss. Es genügt weder jede drohende Schädigung der Gesundheit oder geistigen Entwicklung, noch jede konkrete Gefahr, in die diese Rechtsgüter gebracht werden. Schwer gefährdet ist die Gesundheit oder geistige Entwicklung nur, wenn die Misshandlung, Vernachlässigung oder grausame Behandlung einen erheblichen Schaden an der Gesundheit oder eine erheblich von der Norm abweichende geistige Entwicklung des Kindes in grosse Nähe rückt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung braucht dagegen das Merkmal der Schwere nicht erfüllt zu sein, wenn das Kind in seiner Gesundheit oder in seiner geistigen Entwicklung tatsächlich geschädigt wird. Eine Schädigung dieser Rechtsgüter liegt aber nicht jedesmal schon dann vor, wenn der Täter das Kind in seinem körperlichen oder geistigen Wohlbefinden beeinträchtigt oder seinen Geist ungünstig beeinflusst. Ausser Betracht fallen einmal alle Körperschäden, unter denen die körperliche oder geistige Gesundheit nicht leidet. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz in anderen Bestimmungen ausdrücklich zwischen der Schädigung des Körpers (atteinte à l'intégrité corporelle, lésion corporelle, danno al corpo) einerseits und der Schädigung der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit (atteinte à la santé, danno alla salute) anderseits unterscheidet (Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3, 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125, 126), in Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 dagegen nur von der Schädigung oder schweren Gefährdung der Gesundheit spricht. Ein Versehen liegt nicht vor. Schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf wurde darauf hingewiesen, dass eine vereinzelte Rohheit oder Nachlässigkeit richtiger aus dem Gesichtspunkte vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung zu beurteilen sei (ZÜRCHER, Erl. zum VE 1908 137). Auch in der zweiten Expertenkommission wurde über das Verhältnis der Bestimmungen über Körperverletzung zu der Bestimmung über Misshandlung und Vernachlässigung eines Kindes gesprochen und die Auffassung vertreten, dass diese Norm nur anzuwenden sei, wenn jene versagten (Prot. 2. ExpK. 2 267 f.). Nur wenn die Körperverletzung schwer ist und der Täter sie zwar nicht gewollt hat, sie aber hat voraussehen können, trägt ihr Art. 134 Rechnung, indem er in Ziff. 1 Abs. 2 schwerere Strafe androht als Art. 123 Ziff. 2. In anderen Fällen von Körperverletzungen sind jedenfalls dann die Art. 122 ff., nicht Art. 134, anzuwenden, wenn durch die Tat die Gesundheit des Kindes weder geschädigt noch schwer gefährdet worden ist (vgl. auch VON OVERBECK, ZStrR 43 213; HAFTER, Lehrbuch, bes. Teil 67). Wenn die Verfolgung einen Strafantrag voraussetzt (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, 125) und der Täter der gesetzliche Vertreter des verletzten Kindes ist, kann die Vormundschaftsbehörde dem Kinde gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB einen Beistand ernennen, dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 StGB das Antragsrecht zusteht. Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 trifft auch nicht zu auf Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Wohlbefindens, die zwar ihrer Natur nach die Gesundheit treffen, aber wegen ihrer Geringfügigkeit keine Schädigungen sind. An der (körperlichen oder geistigen) Gesundheit geschädigt ist das Kind nur, wenn die ungünstige Einwirkung auf dieses Rechtsgut von etwelcher Bedeutung ist. Das ergibt sich aus der hohen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis, die Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 androht. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass jeder noch so geringfügige Fehlgriff, der sich an der Gesundheit des Kindes bemerkbar macht, mindestens einen Monat Gefängnis zur Folge haben solle. So lässt sich nicht sagen, ein Kind sei an seiner Gesundheit geschädigt, wenn es als Folge einer Züchtigung z.B. einmal sich erbricht, vorübergehend Kopfschmerzen oder leichte Fieber hat oder für kurze Zeit ohnmächtig ist. Auch von einer Schädigung der geistigen Entwicklung kann nicht jedesmal dann die Rede sein, wenn die Geistesverfassung des Kindes infolge Misshandlung, Vernachlässigung oder grausamer Behandlung ungünstig beeinflusst wird. Die Beeinträchtigung muss, wenn auch nicht notwendigerweise bleibend, doch ernster Natur sein. Einschüchterung oder Verbitterung eines Kindes gegenüber dem Erzieher z.B. stellt für sich allein nicht notwendigerweise eine Schädigung der geistigen Entwicklung dar. 2. Die Schwellung sowie die subkutanen Blutungen, die Striemen, Flecken und Kratzspuren, die der Beschwerdegegner seinem Knaben zugefügt hat, haben dessen Gesundheit nicht geschädigt. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, ist der Knabe nicht aus medizinischen Gründen, sondern auf Anordnung der Vormundschaftsbehörde in den Spital verbracht und während vierzehn Tagen dort belassen worden. Das leichte Fieber, das er am Morgen nach der Einlieferung aufwies, war eine zu unbedeutende Veränderung seines Gesundheitszustandes, als dass sie als Schädigung gelten könnte. Man könnte sich höchstens fragen, ob die Auswirkungen am Körper des Knaben als Körperverletzungen zu würdigen wären (vgl.BGE 72 IV 21). Wenn ja, wären sie aber jedenfalls nicht schwer im Sinne der Art. 122 und 134 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Dem Beschwerdegegner kann auch nicht vorgeworfen werden, er habe in seinem Knaben, den er an sich züchtigen durfte, einen Wehrlosen im Sinne des Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verletzt. Er kann daher wegen Körperverletzung nicht von Amtes wegen verfolgt werden. Ein Strafantrag aber ist von einem Antragsberechtigten (Beistand) nicht gestellt worden. Die Gesundheit des Knaben ist auch nicht schwer gefährdet worden. Wenn die einmalige Verwendung eines Kleiderbügels zum Prügeln eines vierjährigen Knaben überhaupt eine gesundheitliche Schädigung wahrscheinlich macht, so jedenfalls nicht in so hohem Grade und nicht eine so erhebliche Schädigung, dass die Gefahr, in die dieses Vorgehen die Gesundheit des Knaben bringt, als schwer bezeichnet werden könnte. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdegegner das Kind so kräftig und rücksichtslos geschlagen habe, dass hier ausnahmsweise eine erhebliche Schädigung viel näher gelegen habe als nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei Verwendung eines Kleiderbügels schlechthin, z.B. dass er ihm beinahe ein Auge ausgeschlagen oder ein inneres Organ verletzt habe. Es ist möglich, dass der tatsächlich eingetretene Erfolg nach der Art und Weise, wie der Beschwerdegegner das Kind geschlagen hat, gar nicht übertroffen werden konnte. 3. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach die Kinder des Beschwerdegegners ihm zugetan sind und ihm gegenüber durchaus fröhlich sein können, hat der Knabe Bernard durch die Tat vom 1. Juli 1952, selbst in Verbindung mit der früheren gelegentlichen groben Behandlung, auch an seiner geistigen Entwicklung keinen Schaden genommen. Kann solche Behandlung, wenn sie während langer Zeit wiederholt wird, zwar die geistige Entwicklung ungünstig beeinflussen, so steht im vorliegenden Falle doch nicht fest, dass der Beschwerdegegner bis und mit dem 1. Juli 1952 den Knaben bereits derart oft und grob misshandelt habe, dass eine erhebliche Beeinträchtigung dieser Entwicklung in nächster Nähe gestanden habe. Dem Beschwerdegegner kann daher auch nicht vorgeworfen werden, er habe die geistige Entwicklung des Kindes schwer gefährdet. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 134 cifra 1 cp. 1 CP. a) Quando la salute o lo sviluppo intellettuale di un fanciullo sono messi gravemente in pericolo? (consid. 1, cp. 2, consid. 2 cp. 2). b) Quando è lesa la salute d'un fanciullo? (consid. 1 cp. 3-5, consid. 2 cp. 1). c) Quando è leso lo sviluppo intellettuale d'un fanciullo? (consid. 1 cp. 6, consid. 3).
it
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-IV-102%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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80 IV 109
Sachverhalt ab Seite 109 Die Eheleute Ernst und Olga Hinden-Nater haben seit langem mit ihren Nachbarn, den Eheleuten Theodor und Rosa Wachter-Hemmer, deren Sohn René Wachter und dem Schwiegersohne der Frau Wachter, Justin Comte, Streit. Ein Strafverfahren vor dem Strafgericht des Kantons Basel-Land, in dem alle sechs Genannten der Körperverletzung beschuldigt waren, endete am 10. Juli 1952 damit, dass die Parteien gegenseitig ihre Strafanträge zurückzogen. Im Vergleich verpflichtete sich Theodor Wachter, Olga Hinden Fr. 60.- zu bezahlen. Justin Comte versprach dem Ernst Hinden Fr. 20.-. Alle Beteiligten erklärten, inskünftig einander in Ruhe lassen zu wollen. Am 4. August 1952 setzte B., der Vertreter der Eheleute Hinden, dem Theodor Wachter und dem Justin Comte durch Schreiben an ihren Anwalt Frist bis 10. August 1952, um die versprochenen Beträge zu bezahlen. Am 6. August 1952 um 20.15 Uhr wurde René Wachter beim Vertreter der Eheleute Hinden wegen dieser Fristansetzung telephonisch vorstellig. Da der Angerufene das Gespräch vorzeitig abbrach, schrieb ihm René Wachter noch am gleichen Abend in gereiztem Tone einen Brief. B. beantwortete ihn am 9. August 1952, indem er René Wachter ungehöriges Vorgehen vorwarf und erklärte, er werde am 12. August Betreibung anheben, wenn die im Vergleich versprochenen Beträge bis dahin nicht bezahlt seien. B. will den Brief des René Wachter vom 6. August und seine Antwort vom 9. August dem Ernst Hinden am 9. August 1952 zur Kenntnis gebracht haben. Er erklärt, Ernst Hinden sei dadurch in grosse Erregung geraten, zumal René Wachter ihn auch sonst schikaniert und ihm zuleide gelebt habe, wo er nur konnte. Das sei der Grund, weshalb er sich am 11. August 1952 schriftlich an die Eidgenössische Militärversicherung gewandt habe. Dieses Schreiben Hindens an die Militärversicherung lautet: "Betr. Militärpatient Wachter René... Unterzeichneter macht folgende Meldung bezügl. ob. Patienten: Das private Verhalten resp. Leben dieses Herrn dürfte mit den Satzungen der Versicherung nicht in Einklang zu bringen und einer völligen Gesundung hinderlich sein. Das fast allabendliche Heimkommen gegen Mitternacht und noch später (resp. früh), das zufällige Antreffen von Damen (16 jährige), die man mit dem eigenen Wagen generös heimfährt, um vor dem Hause dann darin mit dieser bis 1 1/2 zu plauschen, lässt andere Schlüsse zu. Ebenso das sich erbrechen dieses Herrn, über die Terrasse in den Hof, am Sonntagmorgen um 1 1/2 Uhr dürfte andern Umständen, als der Gesundheit dienlich, beizumessen sein. Die weitere Nachbarschaft musste die Vermittlung der Polizei in Anspruch nehmen, um diesem Herrn beizubringen, das Wagentürenzuschlagen zu mitternächtlicher Zeit abzugewöhnen. Ist es Ihnen bekannt, dass auch seine Schwester, Frau A. Comte-Koster, die zwar im gleichen Hause, aber im eigenen Haushalt wohnt, am gleichen Übel leidet und bereits zum 2ten Male sich zur Erholung in Davos resp. Arosa befindet. Dass ebenso deren beide Kinder deswegen schon fort waren? Im Interesse der Allgemeinheit und diesem Patienten im besondern dürfte eine bezügl. Kontrolle nur von Nutzen sein. Die Nachbarn:... und andere mehr können weitere bezügl. Auskunft geben. Ebenso stehe ich sowie meine Frau für weitere Auskünfte bereit. In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Meldung dienlich gewesen zu sein, verbleibt mit vorzüglicher Hochachtung: E. Hinden-Nater." Auf Klage des René Wachter erklärte das Obergericht des Kantons Basel-Land Ernst Hinden wegen dieses Schreibens und anderer Äusserungen der wiederholten üblen Nachrede und der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 150.-- Busse. Hinden führte Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof des Bundesgerichts wies sie ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht strafbar, weil er den Brief an die Militärversicherung in Wahrung öffentlicher Interessen geschrieben habe; es liege in öffentlichem Interesse, wenn eine zuständige Behörde von Missständen Kenntnis erhalte und dank der Anzeige zum Rechten sehen könne. Die Wahrung öffentlicher Interessen ist jedoch nicht an sich Rechtfertigungsgrund; sie öffnet dem Täter lediglich den Weg zum Beweis, dass seine Äusserung der Wahrheit entspreche oder dass er ernsthafte Gründe gehabt habe, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Zu diesem Beweise ist der Beschwerdeführer aber nicht zuzulassen; denn die Vorinstanzen stellen verbindlich fest, dass er die Tat in Schädigungsabsicht begangen hat, worunter sie seinen durch die langjährige Feindschaft hervorgerufenen Willen verstehen, dem Beschwerdegegner Schaden zuzufügen. Diese Feststellung deckt sich mit der vom Beschwerdeführer selbst aufgestellten Behauptung, dass der Briefwechsel vom 8./9. August 1952 und die Schikanen des Beschwerdegegners ihn stark aufgeregt und ihm Anlass gegeben hätten, den Brief vom 11. August 1952 zu schreiben. War dem so, so handelte der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen. Diese Absicht macht den in Art. 173 Ziff. 2 vorgesehenen Beweis unzulässig. Auch die Berufung auf Wahrung berechtigter privater Interessen versagt. Abgesehen davon, dass dieser Rechtfertigungsgrund, den die Rechtsprechung unter der Herrschaft des alten Textes des Art. 173 StGB anerkannte, seit 5. Januar 1951 nicht mehr gilt (nichtveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1952 i.S. Lugeon), handelt nicht in Wahrung berechtigter Interessen, wer, wie der Beschwerdeführer, die Tat vorwiegend in der Absicht begeht, dem andern Übles vorzuwerfen (BGE 78 IV 33).
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Art. 173 StGB. Nach der neuen Fassung dieser Bestimmung ist die Wahrung öffentlicher oder berechtigter privater Interessen nicht mehr an sich Rechtfertigungsgrund. Nichtzulassung des Beweises nach Art. 173 Ziff. 2 wegen Handelns mit Schädigungsabsicht.
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80 IV 109
Sachverhalt ab Seite 109 Die Eheleute Ernst und Olga Hinden-Nater haben seit langem mit ihren Nachbarn, den Eheleuten Theodor und Rosa Wachter-Hemmer, deren Sohn René Wachter und dem Schwiegersohne der Frau Wachter, Justin Comte, Streit. Ein Strafverfahren vor dem Strafgericht des Kantons Basel-Land, in dem alle sechs Genannten der Körperverletzung beschuldigt waren, endete am 10. Juli 1952 damit, dass die Parteien gegenseitig ihre Strafanträge zurückzogen. Im Vergleich verpflichtete sich Theodor Wachter, Olga Hinden Fr. 60.- zu bezahlen. Justin Comte versprach dem Ernst Hinden Fr. 20.-. Alle Beteiligten erklärten, inskünftig einander in Ruhe lassen zu wollen. Am 4. August 1952 setzte B., der Vertreter der Eheleute Hinden, dem Theodor Wachter und dem Justin Comte durch Schreiben an ihren Anwalt Frist bis 10. August 1952, um die versprochenen Beträge zu bezahlen. Am 6. August 1952 um 20.15 Uhr wurde René Wachter beim Vertreter der Eheleute Hinden wegen dieser Fristansetzung telephonisch vorstellig. Da der Angerufene das Gespräch vorzeitig abbrach, schrieb ihm René Wachter noch am gleichen Abend in gereiztem Tone einen Brief. B. beantwortete ihn am 9. August 1952, indem er René Wachter ungehöriges Vorgehen vorwarf und erklärte, er werde am 12. August Betreibung anheben, wenn die im Vergleich versprochenen Beträge bis dahin nicht bezahlt seien. B. will den Brief des René Wachter vom 6. August und seine Antwort vom 9. August dem Ernst Hinden am 9. August 1952 zur Kenntnis gebracht haben. Er erklärt, Ernst Hinden sei dadurch in grosse Erregung geraten, zumal René Wachter ihn auch sonst schikaniert und ihm zuleide gelebt habe, wo er nur konnte. Das sei der Grund, weshalb er sich am 11. August 1952 schriftlich an die Eidgenössische Militärversicherung gewandt habe. Dieses Schreiben Hindens an die Militärversicherung lautet: "Betr. Militärpatient Wachter René... Unterzeichneter macht folgende Meldung bezügl. ob. Patienten: Das private Verhalten resp. Leben dieses Herrn dürfte mit den Satzungen der Versicherung nicht in Einklang zu bringen und einer völligen Gesundung hinderlich sein. Das fast allabendliche Heimkommen gegen Mitternacht und noch später (resp. früh), das zufällige Antreffen von Damen (16 jährige), die man mit dem eigenen Wagen generös heimfährt, um vor dem Hause dann darin mit dieser bis 1 1/2 zu plauschen, lässt andere Schlüsse zu. Ebenso das sich erbrechen dieses Herrn, über die Terrasse in den Hof, am Sonntagmorgen um 1 1/2 Uhr dürfte andern Umständen, als der Gesundheit dienlich, beizumessen sein. Die weitere Nachbarschaft musste die Vermittlung der Polizei in Anspruch nehmen, um diesem Herrn beizubringen, das Wagentürenzuschlagen zu mitternächtlicher Zeit abzugewöhnen. Ist es Ihnen bekannt, dass auch seine Schwester, Frau A. Comte-Koster, die zwar im gleichen Hause, aber im eigenen Haushalt wohnt, am gleichen Übel leidet und bereits zum 2ten Male sich zur Erholung in Davos resp. Arosa befindet. Dass ebenso deren beide Kinder deswegen schon fort waren? Im Interesse der Allgemeinheit und diesem Patienten im besondern dürfte eine bezügl. Kontrolle nur von Nutzen sein. Die Nachbarn:... und andere mehr können weitere bezügl. Auskunft geben. Ebenso stehe ich sowie meine Frau für weitere Auskünfte bereit. In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Meldung dienlich gewesen zu sein, verbleibt mit vorzüglicher Hochachtung: E. Hinden-Nater." Auf Klage des René Wachter erklärte das Obergericht des Kantons Basel-Land Ernst Hinden wegen dieses Schreibens und anderer Äusserungen der wiederholten üblen Nachrede und der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 150.-- Busse. Hinden führte Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof des Bundesgerichts wies sie ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht strafbar, weil er den Brief an die Militärversicherung in Wahrung öffentlicher Interessen geschrieben habe; es liege in öffentlichem Interesse, wenn eine zuständige Behörde von Missständen Kenntnis erhalte und dank der Anzeige zum Rechten sehen könne. Die Wahrung öffentlicher Interessen ist jedoch nicht an sich Rechtfertigungsgrund; sie öffnet dem Täter lediglich den Weg zum Beweis, dass seine Äusserung der Wahrheit entspreche oder dass er ernsthafte Gründe gehabt habe, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Zu diesem Beweise ist der Beschwerdeführer aber nicht zuzulassen; denn die Vorinstanzen stellen verbindlich fest, dass er die Tat in Schädigungsabsicht begangen hat, worunter sie seinen durch die langjährige Feindschaft hervorgerufenen Willen verstehen, dem Beschwerdegegner Schaden zuzufügen. Diese Feststellung deckt sich mit der vom Beschwerdeführer selbst aufgestellten Behauptung, dass der Briefwechsel vom 8./9. August 1952 und die Schikanen des Beschwerdegegners ihn stark aufgeregt und ihm Anlass gegeben hätten, den Brief vom 11. August 1952 zu schreiben. War dem so, so handelte der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen. Diese Absicht macht den in Art. 173 Ziff. 2 vorgesehenen Beweis unzulässig. Auch die Berufung auf Wahrung berechtigter privater Interessen versagt. Abgesehen davon, dass dieser Rechtfertigungsgrund, den die Rechtsprechung unter der Herrschaft des alten Textes des Art. 173 StGB anerkannte, seit 5. Januar 1951 nicht mehr gilt (nichtveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1952 i.S. Lugeon), handelt nicht in Wahrung berechtigter Interessen, wer, wie der Beschwerdeführer, die Tat vorwiegend in der Absicht begeht, dem andern Übles vorzuwerfen (BGE 78 IV 33).
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Art. 173 CP. Selon le texte revisé de cette disposition légale, le fait d'avoir eu égard à l'intérêt public ou aux intérêts privés légitimes n'exclut plus, en lui-même, le caractère illicite de l'acte. Exclusion de la preuve prévue par l'art. 173 ch. 2, l'acte ayant été commis dans le dessein de nuire.
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80 IV 109
Sachverhalt ab Seite 109 Die Eheleute Ernst und Olga Hinden-Nater haben seit langem mit ihren Nachbarn, den Eheleuten Theodor und Rosa Wachter-Hemmer, deren Sohn René Wachter und dem Schwiegersohne der Frau Wachter, Justin Comte, Streit. Ein Strafverfahren vor dem Strafgericht des Kantons Basel-Land, in dem alle sechs Genannten der Körperverletzung beschuldigt waren, endete am 10. Juli 1952 damit, dass die Parteien gegenseitig ihre Strafanträge zurückzogen. Im Vergleich verpflichtete sich Theodor Wachter, Olga Hinden Fr. 60.- zu bezahlen. Justin Comte versprach dem Ernst Hinden Fr. 20.-. Alle Beteiligten erklärten, inskünftig einander in Ruhe lassen zu wollen. Am 4. August 1952 setzte B., der Vertreter der Eheleute Hinden, dem Theodor Wachter und dem Justin Comte durch Schreiben an ihren Anwalt Frist bis 10. August 1952, um die versprochenen Beträge zu bezahlen. Am 6. August 1952 um 20.15 Uhr wurde René Wachter beim Vertreter der Eheleute Hinden wegen dieser Fristansetzung telephonisch vorstellig. Da der Angerufene das Gespräch vorzeitig abbrach, schrieb ihm René Wachter noch am gleichen Abend in gereiztem Tone einen Brief. B. beantwortete ihn am 9. August 1952, indem er René Wachter ungehöriges Vorgehen vorwarf und erklärte, er werde am 12. August Betreibung anheben, wenn die im Vergleich versprochenen Beträge bis dahin nicht bezahlt seien. B. will den Brief des René Wachter vom 6. August und seine Antwort vom 9. August dem Ernst Hinden am 9. August 1952 zur Kenntnis gebracht haben. Er erklärt, Ernst Hinden sei dadurch in grosse Erregung geraten, zumal René Wachter ihn auch sonst schikaniert und ihm zuleide gelebt habe, wo er nur konnte. Das sei der Grund, weshalb er sich am 11. August 1952 schriftlich an die Eidgenössische Militärversicherung gewandt habe. Dieses Schreiben Hindens an die Militärversicherung lautet: "Betr. Militärpatient Wachter René... Unterzeichneter macht folgende Meldung bezügl. ob. Patienten: Das private Verhalten resp. Leben dieses Herrn dürfte mit den Satzungen der Versicherung nicht in Einklang zu bringen und einer völligen Gesundung hinderlich sein. Das fast allabendliche Heimkommen gegen Mitternacht und noch später (resp. früh), das zufällige Antreffen von Damen (16 jährige), die man mit dem eigenen Wagen generös heimfährt, um vor dem Hause dann darin mit dieser bis 1 1/2 zu plauschen, lässt andere Schlüsse zu. Ebenso das sich erbrechen dieses Herrn, über die Terrasse in den Hof, am Sonntagmorgen um 1 1/2 Uhr dürfte andern Umständen, als der Gesundheit dienlich, beizumessen sein. Die weitere Nachbarschaft musste die Vermittlung der Polizei in Anspruch nehmen, um diesem Herrn beizubringen, das Wagentürenzuschlagen zu mitternächtlicher Zeit abzugewöhnen. Ist es Ihnen bekannt, dass auch seine Schwester, Frau A. Comte-Koster, die zwar im gleichen Hause, aber im eigenen Haushalt wohnt, am gleichen Übel leidet und bereits zum 2ten Male sich zur Erholung in Davos resp. Arosa befindet. Dass ebenso deren beide Kinder deswegen schon fort waren? Im Interesse der Allgemeinheit und diesem Patienten im besondern dürfte eine bezügl. Kontrolle nur von Nutzen sein. Die Nachbarn:... und andere mehr können weitere bezügl. Auskunft geben. Ebenso stehe ich sowie meine Frau für weitere Auskünfte bereit. In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Meldung dienlich gewesen zu sein, verbleibt mit vorzüglicher Hochachtung: E. Hinden-Nater." Auf Klage des René Wachter erklärte das Obergericht des Kantons Basel-Land Ernst Hinden wegen dieses Schreibens und anderer Äusserungen der wiederholten üblen Nachrede und der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 150.-- Busse. Hinden führte Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof des Bundesgerichts wies sie ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht strafbar, weil er den Brief an die Militärversicherung in Wahrung öffentlicher Interessen geschrieben habe; es liege in öffentlichem Interesse, wenn eine zuständige Behörde von Missständen Kenntnis erhalte und dank der Anzeige zum Rechten sehen könne. Die Wahrung öffentlicher Interessen ist jedoch nicht an sich Rechtfertigungsgrund; sie öffnet dem Täter lediglich den Weg zum Beweis, dass seine Äusserung der Wahrheit entspreche oder dass er ernsthafte Gründe gehabt habe, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Zu diesem Beweise ist der Beschwerdeführer aber nicht zuzulassen; denn die Vorinstanzen stellen verbindlich fest, dass er die Tat in Schädigungsabsicht begangen hat, worunter sie seinen durch die langjährige Feindschaft hervorgerufenen Willen verstehen, dem Beschwerdegegner Schaden zuzufügen. Diese Feststellung deckt sich mit der vom Beschwerdeführer selbst aufgestellten Behauptung, dass der Briefwechsel vom 8./9. August 1952 und die Schikanen des Beschwerdegegners ihn stark aufgeregt und ihm Anlass gegeben hätten, den Brief vom 11. August 1952 zu schreiben. War dem so, so handelte der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen. Diese Absicht macht den in Art. 173 Ziff. 2 vorgesehenen Beweis unzulässig. Auch die Berufung auf Wahrung berechtigter privater Interessen versagt. Abgesehen davon, dass dieser Rechtfertigungsgrund, den die Rechtsprechung unter der Herrschaft des alten Textes des Art. 173 StGB anerkannte, seit 5. Januar 1951 nicht mehr gilt (nichtveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1952 i.S. Lugeon), handelt nicht in Wahrung berechtigter Interessen, wer, wie der Beschwerdeführer, die Tat vorwiegend in der Absicht begeht, dem andern Übles vorzuwerfen (BGE 78 IV 33).
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Art. 173 CP. Secondo il nuovo testo di questo disposto, la tutela di interessi pubblici o di interessi privati legittimi non è più in sè un motivo escludente il carattere illecito dell'atto. Improponibilità della prova di cui all'art. 173 cifra 2 pel fatto che il colpevole ha agito con l'intenzione di nuocere.
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80 IV 112
Sachverhalt ab Seite 113 A.- Brunner war am 14. November 1949 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Gehülfenschaft zu Abtreibung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gestellt worden. Er erfüllte daher weder nach den Vorschriften seines Wohnsitzkantons Zürich, noch nach denen des Kantons Graubünden die Voraussetzungen für die Erteilung der Jagdberechtigung. Trotzdem bewarb er sich am 8. September 1952 auf dem Pass- und Patentbüro des Kantons Graubünden um eine Bewilligung für die am folgenden Tage beginnende Hochjagd. Da er erklärte, er sei in den vergangenen fünf Jahren zu keiner Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt worden und erfülle in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung, und da er sich verpflichtete, die schriftliche Bestätigung über den Besitz der Jagdberechtigung im Wohnkanton sowie ein Leumundszeugnis bis 15. Oktober beizubringen, stellte ihm das Pass- und Patentbüro am Tage des Ansuchens ein "Hochjagd-Patent für nicht im Kanton niedergelassene Schweizer für das Jahr 1952" aus. Es enthält die Erklärung: "Herrn Brunner Willy, von Bassersdorf, geb. 1922, wohnhaft in Bassersdorf, wird die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteilt." Ausserdem trägt es eine Nummer, Ort und Datum, die Unterschrift Brunners, die Gebühren-Rechnung und die mit dem Aufdruck einer Registrierkasse versehene Gebühren-Quittung über Fr. 253.90. Brunner begab sich mit diesem Patent im Safiental während vierzehn Tagen auf die Jagd. B.- Am 22. Oktober 1953 erklärte das Kantonsgericht von Graubünden Brunner der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne des Art. 253 Abs. 1 StGB und der fortgesetzten vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig, verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 250.--, schloss ihn für fünf Jahre bedingt von der Jagdberechtigung aus und verfügte die Einziehung der verwendeten Jagdwaffe. Es sah das Verbrechen des Art. 253 Abs. 1 StGB in der Erschleichung des Jagdpatentes. Es führte aus, das Patent sei bestimmt und geeignet, die Tatsache der Berechtigung zur Jagd abschliessend zu beweisen. Darin werde festgehalten, dass sein Inhaber alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfülle und daher das Recht zur Jagd besitze. Wer bewusst die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen vortäusche, obschon er sie nicht erfülle, bewirke die unrichtige Beurkundung einer rechtserheblichen Tatsache. Der Beamte, der das Patent ausstelle, halte darin nicht nur einzelne für die Jagdberechtigung massgebliche Daten, wie z.B. das Alter, fest, sondern bescheinige darüber hinaus die Jagdberechtigung. Wenn man auch nicht sagen könne, das Jagdpatent habe hinsichtlich dieser einzelnen Daten (Alter, Vorstrafenlosigkeit usw.) Urkundencharakter, so habe es solchen doch ohne Zweifel hinsichtlich der Jagdberechtigung. Wer bei der Ausstellung des Patentes falsche Angaben über Alter und Vorstrafen mache, bewirke eben nicht nur die unrichtige,Beurkundung'dieser Tatsachen an sich, sondern die Beurkundung eines Rechts, das ihm in Wahrheit nicht zukomme. C.- Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das Jagdpatent sei nicht eine Urkunde über die Jagdberechtigung, da der Beamte, der es ausstellte, nicht zuständig gewesen sei, zu beurkunden, dass der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Jagd erfülle und damit jagdberechtigt sei. Beurkundet sei bloss die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Patentgebühr bezahlt habe. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 253 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Diese Bestimmung trifft nicht schon dann zu, wenn jemand einen Beamten durch Täuschung veranlasst, eine Urkunde zu erstellen, die er sonst nicht erstellen dürfte, sondern die Täuschung muss dazu führen, dass der Beamte etwas "unrichtig beurkundet". Beurkunden aber heisst eine Urkunde, d.h. eine zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmte oder geeignete Schrift herstellen (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Beurkundet sind nur Tatsachen, die die Schrift zu beweisen bestimmt oder geeignet ist (BGE 72 IV 72, 139, BGE 73 IV 50, BGE 74 IV 162, BGE 78 IV 110). Das setzt zum mindesten voraus, dass die Tatsache durch den gedanklichen Inhalt der Schrift festgehalten sei, sich aus ihm unmittelbar ergebe. Tatsachen, auf die bloss mittelbar aus beurkundeten Tatsachen geschlossen werden kann, sind selber nicht beurkundet. So ist z.B. die Ehefähigkeit der Gatten im Eheregister nicht beurkundet, obschon die daselbst beurkundete Eheschliessung (vgl. Art. 92, 94 Zivilstandsverordnung) Anzeichen dafür ist, dass deren Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die Gatten ehefähig gewesen seien. 2. Das Kantonsgericht ist der Auffassung, in der als Hochjagd-Patent bezeichneten Karte, die dem Beschwerdeführer am 8. September 1953 ausgestellt wurde, habe das Pass- und Patentbüro beurkundet, dass der Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen versteht es nicht die formelle (und zutreffende) Tatsache, dass der zuständige Beamte dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung der Jagd erteilt habe, sondern die materiellen Voraussetzungen, ohne die ein Jagdpatent nicht ausgestellt werden darf, insbesondere die (unzutreffende) Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei. Die einzige materielle Voraussetzung der Jagdberechtigung, über die die erwähnte Karte etwas sagt, ist indessen die an ihrem Fusse angebrachte Gebühren-Quittung, die nach ihrem gedanklichen Inhalt wahr ist, da der Beschwerdeführer die Gebühren tatsächlich bezahlt hat. Über die übrigen materiellen Voraussetzungen, insbesondere darüber, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor dem 8. September 1952 weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei und dass er in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle, sagt die Karte weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne etwas. Sie bildet höchstens ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien. Ihr unmittelbarer gedanklicher Inhalt erschöpft sich darin, dass das Pass- und Patentbüro der in der Karte bezeichneten Person "die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteile". Das ist eine auf das kantonale Jagdregal gestützte Erlaubnis, nicht eine Feststellung (Bescheinigung), dass die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wird, erfüllt seien. Es ist nicht etwa so, dass jeder, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt, ohne weiteres berechtigt wäre, zu jagen, und die Karte lediglich den Sinn eines Ausweises über diese Voraussetzungen hätte, die der ohne Patent Jagende im Streitfall auch auf andere Weise dartun dürfte. Nach Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz ordnen die Kantone die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen das Jagdsystem (Pachtjagd, Patentjagd). Das bündnerische Jagdgesetz vom 25. Juli 1926/25. Juli 1943 sieht die "Erteilung der Jagdbewilligung durch Ausgabe von Patenten" vor (Art. 3). Ohne die Jagdbewilligung darf überhaupt nicht gejagt werden. Diese Bewilligung aber ist dem Beschwerdeführer tatsächlich erteilt worden, die Karte also inhaltlich wahr, obwohl sie auf Grund unwahrer Angaben des Beschwerdeführers über gewisse Voraussetzungen ausgestellt worden ist. Der Beschwerdeführer ist daher von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen. Erschlichen hat er die Jagdbewilligung als staatlichen Hoheitsakt, nicht eine inhaltlich unwahre Urkunde über dessen Voraussetzungen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 22. Oktober 1953 insoweit aufgehoben, als es den Beschwerdeführer der Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig erklärt und ihn deswegen bestraft hat, und die Sache wird zur Freisprechung in diesem Punkte an das Kantonsgericht zurückgewiesen.
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Art. 253 Abs. 1 StGB. Erschleicht der, der durch unwahre Angaben eine Jagdbewilligung erwirkt, eine falsche Beurkundung?
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80 IV 112
Sachverhalt ab Seite 113 A.- Brunner war am 14. November 1949 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Gehülfenschaft zu Abtreibung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gestellt worden. Er erfüllte daher weder nach den Vorschriften seines Wohnsitzkantons Zürich, noch nach denen des Kantons Graubünden die Voraussetzungen für die Erteilung der Jagdberechtigung. Trotzdem bewarb er sich am 8. September 1952 auf dem Pass- und Patentbüro des Kantons Graubünden um eine Bewilligung für die am folgenden Tage beginnende Hochjagd. Da er erklärte, er sei in den vergangenen fünf Jahren zu keiner Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt worden und erfülle in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung, und da er sich verpflichtete, die schriftliche Bestätigung über den Besitz der Jagdberechtigung im Wohnkanton sowie ein Leumundszeugnis bis 15. Oktober beizubringen, stellte ihm das Pass- und Patentbüro am Tage des Ansuchens ein "Hochjagd-Patent für nicht im Kanton niedergelassene Schweizer für das Jahr 1952" aus. Es enthält die Erklärung: "Herrn Brunner Willy, von Bassersdorf, geb. 1922, wohnhaft in Bassersdorf, wird die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteilt." Ausserdem trägt es eine Nummer, Ort und Datum, die Unterschrift Brunners, die Gebühren-Rechnung und die mit dem Aufdruck einer Registrierkasse versehene Gebühren-Quittung über Fr. 253.90. Brunner begab sich mit diesem Patent im Safiental während vierzehn Tagen auf die Jagd. B.- Am 22. Oktober 1953 erklärte das Kantonsgericht von Graubünden Brunner der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne des Art. 253 Abs. 1 StGB und der fortgesetzten vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig, verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 250.--, schloss ihn für fünf Jahre bedingt von der Jagdberechtigung aus und verfügte die Einziehung der verwendeten Jagdwaffe. Es sah das Verbrechen des Art. 253 Abs. 1 StGB in der Erschleichung des Jagdpatentes. Es führte aus, das Patent sei bestimmt und geeignet, die Tatsache der Berechtigung zur Jagd abschliessend zu beweisen. Darin werde festgehalten, dass sein Inhaber alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfülle und daher das Recht zur Jagd besitze. Wer bewusst die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen vortäusche, obschon er sie nicht erfülle, bewirke die unrichtige Beurkundung einer rechtserheblichen Tatsache. Der Beamte, der das Patent ausstelle, halte darin nicht nur einzelne für die Jagdberechtigung massgebliche Daten, wie z.B. das Alter, fest, sondern bescheinige darüber hinaus die Jagdberechtigung. Wenn man auch nicht sagen könne, das Jagdpatent habe hinsichtlich dieser einzelnen Daten (Alter, Vorstrafenlosigkeit usw.) Urkundencharakter, so habe es solchen doch ohne Zweifel hinsichtlich der Jagdberechtigung. Wer bei der Ausstellung des Patentes falsche Angaben über Alter und Vorstrafen mache, bewirke eben nicht nur die unrichtige,Beurkundung'dieser Tatsachen an sich, sondern die Beurkundung eines Rechts, das ihm in Wahrheit nicht zukomme. C.- Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das Jagdpatent sei nicht eine Urkunde über die Jagdberechtigung, da der Beamte, der es ausstellte, nicht zuständig gewesen sei, zu beurkunden, dass der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Jagd erfülle und damit jagdberechtigt sei. Beurkundet sei bloss die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Patentgebühr bezahlt habe. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 253 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Diese Bestimmung trifft nicht schon dann zu, wenn jemand einen Beamten durch Täuschung veranlasst, eine Urkunde zu erstellen, die er sonst nicht erstellen dürfte, sondern die Täuschung muss dazu führen, dass der Beamte etwas "unrichtig beurkundet". Beurkunden aber heisst eine Urkunde, d.h. eine zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmte oder geeignete Schrift herstellen (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Beurkundet sind nur Tatsachen, die die Schrift zu beweisen bestimmt oder geeignet ist (BGE 72 IV 72, 139, BGE 73 IV 50, BGE 74 IV 162, BGE 78 IV 110). Das setzt zum mindesten voraus, dass die Tatsache durch den gedanklichen Inhalt der Schrift festgehalten sei, sich aus ihm unmittelbar ergebe. Tatsachen, auf die bloss mittelbar aus beurkundeten Tatsachen geschlossen werden kann, sind selber nicht beurkundet. So ist z.B. die Ehefähigkeit der Gatten im Eheregister nicht beurkundet, obschon die daselbst beurkundete Eheschliessung (vgl. Art. 92, 94 Zivilstandsverordnung) Anzeichen dafür ist, dass deren Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die Gatten ehefähig gewesen seien. 2. Das Kantonsgericht ist der Auffassung, in der als Hochjagd-Patent bezeichneten Karte, die dem Beschwerdeführer am 8. September 1953 ausgestellt wurde, habe das Pass- und Patentbüro beurkundet, dass der Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen versteht es nicht die formelle (und zutreffende) Tatsache, dass der zuständige Beamte dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung der Jagd erteilt habe, sondern die materiellen Voraussetzungen, ohne die ein Jagdpatent nicht ausgestellt werden darf, insbesondere die (unzutreffende) Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei. Die einzige materielle Voraussetzung der Jagdberechtigung, über die die erwähnte Karte etwas sagt, ist indessen die an ihrem Fusse angebrachte Gebühren-Quittung, die nach ihrem gedanklichen Inhalt wahr ist, da der Beschwerdeführer die Gebühren tatsächlich bezahlt hat. Über die übrigen materiellen Voraussetzungen, insbesondere darüber, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor dem 8. September 1952 weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei und dass er in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle, sagt die Karte weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne etwas. Sie bildet höchstens ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien. Ihr unmittelbarer gedanklicher Inhalt erschöpft sich darin, dass das Pass- und Patentbüro der in der Karte bezeichneten Person "die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteile". Das ist eine auf das kantonale Jagdregal gestützte Erlaubnis, nicht eine Feststellung (Bescheinigung), dass die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wird, erfüllt seien. Es ist nicht etwa so, dass jeder, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt, ohne weiteres berechtigt wäre, zu jagen, und die Karte lediglich den Sinn eines Ausweises über diese Voraussetzungen hätte, die der ohne Patent Jagende im Streitfall auch auf andere Weise dartun dürfte. Nach Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz ordnen die Kantone die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen das Jagdsystem (Pachtjagd, Patentjagd). Das bündnerische Jagdgesetz vom 25. Juli 1926/25. Juli 1943 sieht die "Erteilung der Jagdbewilligung durch Ausgabe von Patenten" vor (Art. 3). Ohne die Jagdbewilligung darf überhaupt nicht gejagt werden. Diese Bewilligung aber ist dem Beschwerdeführer tatsächlich erteilt worden, die Karte also inhaltlich wahr, obwohl sie auf Grund unwahrer Angaben des Beschwerdeführers über gewisse Voraussetzungen ausgestellt worden ist. Der Beschwerdeführer ist daher von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen. Erschlichen hat er die Jagdbewilligung als staatlichen Hoheitsakt, nicht eine inhaltlich unwahre Urkunde über dessen Voraussetzungen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 22. Oktober 1953 insoweit aufgehoben, als es den Beschwerdeführer der Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig erklärt und ihn deswegen bestraft hat, und die Sache wird zur Freisprechung in diesem Punkte an das Kantonsgericht zurückgewiesen.
de
Art. 253 al. 1 CP. Celui qui se fait délivrer un permis de chasse en donnant de fausses indications se rend-il coupable d'obtention frauduleuse d'une constatation fausse?
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IV
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80 IV 112
Sachverhalt ab Seite 113 A.- Brunner war am 14. November 1949 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Gehülfenschaft zu Abtreibung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gestellt worden. Er erfüllte daher weder nach den Vorschriften seines Wohnsitzkantons Zürich, noch nach denen des Kantons Graubünden die Voraussetzungen für die Erteilung der Jagdberechtigung. Trotzdem bewarb er sich am 8. September 1952 auf dem Pass- und Patentbüro des Kantons Graubünden um eine Bewilligung für die am folgenden Tage beginnende Hochjagd. Da er erklärte, er sei in den vergangenen fünf Jahren zu keiner Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt worden und erfülle in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung, und da er sich verpflichtete, die schriftliche Bestätigung über den Besitz der Jagdberechtigung im Wohnkanton sowie ein Leumundszeugnis bis 15. Oktober beizubringen, stellte ihm das Pass- und Patentbüro am Tage des Ansuchens ein "Hochjagd-Patent für nicht im Kanton niedergelassene Schweizer für das Jahr 1952" aus. Es enthält die Erklärung: "Herrn Brunner Willy, von Bassersdorf, geb. 1922, wohnhaft in Bassersdorf, wird die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteilt." Ausserdem trägt es eine Nummer, Ort und Datum, die Unterschrift Brunners, die Gebühren-Rechnung und die mit dem Aufdruck einer Registrierkasse versehene Gebühren-Quittung über Fr. 253.90. Brunner begab sich mit diesem Patent im Safiental während vierzehn Tagen auf die Jagd. B.- Am 22. Oktober 1953 erklärte das Kantonsgericht von Graubünden Brunner der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne des Art. 253 Abs. 1 StGB und der fortgesetzten vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig, verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 250.--, schloss ihn für fünf Jahre bedingt von der Jagdberechtigung aus und verfügte die Einziehung der verwendeten Jagdwaffe. Es sah das Verbrechen des Art. 253 Abs. 1 StGB in der Erschleichung des Jagdpatentes. Es führte aus, das Patent sei bestimmt und geeignet, die Tatsache der Berechtigung zur Jagd abschliessend zu beweisen. Darin werde festgehalten, dass sein Inhaber alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfülle und daher das Recht zur Jagd besitze. Wer bewusst die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen vortäusche, obschon er sie nicht erfülle, bewirke die unrichtige Beurkundung einer rechtserheblichen Tatsache. Der Beamte, der das Patent ausstelle, halte darin nicht nur einzelne für die Jagdberechtigung massgebliche Daten, wie z.B. das Alter, fest, sondern bescheinige darüber hinaus die Jagdberechtigung. Wenn man auch nicht sagen könne, das Jagdpatent habe hinsichtlich dieser einzelnen Daten (Alter, Vorstrafenlosigkeit usw.) Urkundencharakter, so habe es solchen doch ohne Zweifel hinsichtlich der Jagdberechtigung. Wer bei der Ausstellung des Patentes falsche Angaben über Alter und Vorstrafen mache, bewirke eben nicht nur die unrichtige,Beurkundung'dieser Tatsachen an sich, sondern die Beurkundung eines Rechts, das ihm in Wahrheit nicht zukomme. C.- Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das Jagdpatent sei nicht eine Urkunde über die Jagdberechtigung, da der Beamte, der es ausstellte, nicht zuständig gewesen sei, zu beurkunden, dass der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Jagd erfülle und damit jagdberechtigt sei. Beurkundet sei bloss die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Patentgebühr bezahlt habe. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 253 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Diese Bestimmung trifft nicht schon dann zu, wenn jemand einen Beamten durch Täuschung veranlasst, eine Urkunde zu erstellen, die er sonst nicht erstellen dürfte, sondern die Täuschung muss dazu führen, dass der Beamte etwas "unrichtig beurkundet". Beurkunden aber heisst eine Urkunde, d.h. eine zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmte oder geeignete Schrift herstellen (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Beurkundet sind nur Tatsachen, die die Schrift zu beweisen bestimmt oder geeignet ist (BGE 72 IV 72, 139, BGE 73 IV 50, BGE 74 IV 162, BGE 78 IV 110). Das setzt zum mindesten voraus, dass die Tatsache durch den gedanklichen Inhalt der Schrift festgehalten sei, sich aus ihm unmittelbar ergebe. Tatsachen, auf die bloss mittelbar aus beurkundeten Tatsachen geschlossen werden kann, sind selber nicht beurkundet. So ist z.B. die Ehefähigkeit der Gatten im Eheregister nicht beurkundet, obschon die daselbst beurkundete Eheschliessung (vgl. Art. 92, 94 Zivilstandsverordnung) Anzeichen dafür ist, dass deren Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die Gatten ehefähig gewesen seien. 2. Das Kantonsgericht ist der Auffassung, in der als Hochjagd-Patent bezeichneten Karte, die dem Beschwerdeführer am 8. September 1953 ausgestellt wurde, habe das Pass- und Patentbüro beurkundet, dass der Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen versteht es nicht die formelle (und zutreffende) Tatsache, dass der zuständige Beamte dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung der Jagd erteilt habe, sondern die materiellen Voraussetzungen, ohne die ein Jagdpatent nicht ausgestellt werden darf, insbesondere die (unzutreffende) Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei. Die einzige materielle Voraussetzung der Jagdberechtigung, über die die erwähnte Karte etwas sagt, ist indessen die an ihrem Fusse angebrachte Gebühren-Quittung, die nach ihrem gedanklichen Inhalt wahr ist, da der Beschwerdeführer die Gebühren tatsächlich bezahlt hat. Über die übrigen materiellen Voraussetzungen, insbesondere darüber, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor dem 8. September 1952 weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei und dass er in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle, sagt die Karte weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne etwas. Sie bildet höchstens ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien. Ihr unmittelbarer gedanklicher Inhalt erschöpft sich darin, dass das Pass- und Patentbüro der in der Karte bezeichneten Person "die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteile". Das ist eine auf das kantonale Jagdregal gestützte Erlaubnis, nicht eine Feststellung (Bescheinigung), dass die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wird, erfüllt seien. Es ist nicht etwa so, dass jeder, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt, ohne weiteres berechtigt wäre, zu jagen, und die Karte lediglich den Sinn eines Ausweises über diese Voraussetzungen hätte, die der ohne Patent Jagende im Streitfall auch auf andere Weise dartun dürfte. Nach Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz ordnen die Kantone die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen das Jagdsystem (Pachtjagd, Patentjagd). Das bündnerische Jagdgesetz vom 25. Juli 1926/25. Juli 1943 sieht die "Erteilung der Jagdbewilligung durch Ausgabe von Patenten" vor (Art. 3). Ohne die Jagdbewilligung darf überhaupt nicht gejagt werden. Diese Bewilligung aber ist dem Beschwerdeführer tatsächlich erteilt worden, die Karte also inhaltlich wahr, obwohl sie auf Grund unwahrer Angaben des Beschwerdeführers über gewisse Voraussetzungen ausgestellt worden ist. Der Beschwerdeführer ist daher von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen. Erschlichen hat er die Jagdbewilligung als staatlichen Hoheitsakt, nicht eine inhaltlich unwahre Urkunde über dessen Voraussetzungen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 22. Oktober 1953 insoweit aufgehoben, als es den Beschwerdeführer der Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig erklärt und ihn deswegen bestraft hat, und die Sache wird zur Freisprechung in diesem Punkte an das Kantonsgericht zurückgewiesen.
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Art. 253 cp. 1 CP. Colui che ottiene una patente di caccia dando delle indicazioni mendaci conseguisce fraudolentemente una falsa attestazione?
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80 IV 117
Sachverhalt ab Seite 117 A.- Walter Meierhofer bestimmte am 21. August 1952 Werner Mühlemann durch falsche Angaben, ihm Fr. 200.-- zu leihen. Mühlemann zeigte ihn daher am 10. Dezember 1952 bei der Stadtpolizei Zürich wegen Betruges an. Am gleichen Tage wurde Meierhofer vom Polizeigefreiten Kohler über den Sachverhalt befragt. Meierhofer erklärte ihm wider besseres Wissen, er habe die von Mühlemann geborgten Fr. 200.-- sofort dem Hans Stingelin weitergeliehen, weil dieser ihm gesagt habe, er könne von einem Bekannten für etwa Fr. 600.-- ein Automobil kaufen und es mit Gewinn weiterverkaufen, doch fehlten ihm Fr. 200.--, um dieses Geschäft abzuwickeln. Er, Meierhofer, habe dann Stingelin erst im November 1952 zufällig wieder gesehen. Bei dieser Begegnung habe er ihn gemahnt. Stingelin habe ihm versprochen, das Darlehen am nächsten Tage zurückzuzahlen, sei jedoch nicht erschienen. Er fühle sich durch Stingelin betrogen. Am 12. Dezember 1952 hielt Kohler Stingelin die Behauptungen Meierhofers vor. Stingelin bestritt, Meierhofer von einem Autokauf gesprochen und von ihm Geld erhalten zu haben. Auf Vorhalt dieser Aussagen beharrte Meierhofer am 13. Dezember 1952 vor Kohler auf seiner Darstellung und gab sie zu Protokoll. Er hielt daran fest, dass ihn Stingelin betrogen habe. Auf die Frage Kohlers, ob er gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatten solle, erklärte sich Meierhofer damit einverstanden. Er wusste, dass die Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet werde. Kohler verfasste gegen Stingelin am 22. Dezember 1952 eine Anzeige wegen Betruges und leitete sie weiter. Meierhofer hielt am 23. Januar 1953 vor der Bezirksanwaltschaft an seinen Aussagen fest. Als ihn der Bezirksanwalt am 7. Februar 1953 Stingelin gegenüberstellte, gab er zu, diesem kein Geld geliehen, sondern die von Mühlemann erhaltenen Fr. 200.-- zum Kaufe einer Lampe verwendet zu haben. B.- Am 23. Oktober 1953 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Meierhofer des Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB) und der falschen Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis als Zusatz zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe, die es am 6. Februar 1953 in anderer Sache gegen ihn ausgefällt hatte. C.- Meierhofer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der falschen Anschuldigung und zur Ausfällung einer neuen Strafe wegen Betruges an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe zwar gewusst, dass seine falschen Angaben für Stingelin eine Strafuntersuchung zur Folge haben könnten, habe also vorsätzlich gehandelt. Er habe jedoch nicht die Untersuchung, sondern seine eigene Rechtfertigung erstrebt. Die zum Verbrechen der falschen Anschuldigung gehörende Absicht habe ihm also gefehlt. Absichtlich handle nur, wer die Strafverfolgung erstrebe und wünsche, d.h. die Tat gerade deshalb begehe, damit die Strafverfolgung eintrete. Die tatsächliche Feststellung des Obergerichts, wonach er den Erfolg gebilligt und gewollt habe für den Fall, dass er eintrete, bestreite er nicht. Aus ihr ergebe sich aber nur der Vorsatz, nicht die Absicht, auch nicht eine Eventualabsicht. Denn von der vollen Absicht unterscheide sich die Eventualabsicht nur dadurch, dass der Täter nicht sicher sei, ob der gewünschte Erfolg eintrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens beschuldigt zu haben, macht jedoch geltend, er habe nicht im Sinne des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB "in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen", gehandelt, weil er die Tat nicht gerade deshalb begangen habe, damit Stingelin verfolgt werde, sondern nur deshalb, weil er sich vom Verdacht, Mühlemann betrogen zu haben, habe befreien wollen. Er verkennt den Sinn der Worte "in der Absicht". Als Absicht bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch nicht einen bestimmten Beweggrund, sondern den auf ein künftiges Handeln oder auf einen noch nicht eingetretenen Erfolg gerichteten Willen; beabsichtigt ist, was man tun oder erreichen will, aber noch nicht getan bezw. noch nicht erreicht hat. Diese Bedeutung hat das Wort "Absicht", wie in andern Bestimmungen des Strafgesetzbuches (BGE 74 IV 45), auch in Art. 303. In der Absicht, gegen einen Nichtschuldigen eine Strafverfolgung herbeizuführen, hat der Täter gehandelt, wenn er, gleichgültig aus welchem Beweggrunde, diesen Erfolg gewollt hat. Das Strafgesetzbuch berücksichtigt im allgemeinen die Beweggründe im Tatbestand der strafbaren Handlungen nicht, sondern trägt ihnen lediglich durch Art. 63 und 64 bei der Strafzumessung Rechnung. So droht es bei den Erfolgsdelikten die Strafe für die bewusste und gewollte Herbeiführung des Erfolges an, ohne darnach zu fragen, ob die Aussicht auf den Erfolg oder irgend ein anderer Beweggrund den Täter getrieben habe. Entsprechend verhält es sich bei den sog. Absichtsdelikten. Sie unterscheiden sich von den Erfolgsdelikten nur dadurch, dass der gewollte und der tatsächlich eingetretene Erfolg sich nicht zu decken brauchen. Strafwürdig ist hier, wer einen bestimmten Erfolg erreichen will und ihm in der im objektiven Tatbestand des Verbrechens umschriebenen Weise nahe kommt. Der Beweggrund spielt auch da grundsätzlich nur für das Strafmass eine Rolle. Im Strafmass kann und muss er insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung berücksichtigt werden. Mit der Überlegung des Beschwerdeführers, es sei nicht dasselbe, ob jemand einen Nichtschuldigen gerade deshalb anzeige, damit er verfolgt werde, oder bloss deshalb, weil er selber verfolgt sei und sich nicht besser zu verteidigen wisse, lässt sich daher die Auffassung, Art. 303 sei in letzterem Falle nicht anzuwenden, nicht begründen. Gewollt aber ist ein Erfolg nicht nur dann, wenn ihn der Täter, wie der Beschwerdeführer sagt, "von ganzem Herzen erstrebt", sondern auch dann, wenn er weiss, dass der Erfolg eintreten werde, und er die Tat trotzdem bewusst und aus freiem Willen begeht, ja sogar schon dann, wenn er ihn nur eventualiter will, d.h. wenn ihn die Aussicht auf den bloss möglichen, nicht sicheren, Eintritt des Erfolges nicht von der bewussten und gewollten Begehung der Tat abhält; in letzterem Falle handelt er mit Eventualabsicht, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Absichtsdelikten, insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung, in gleicher Weise genügt wie bei den Erfolgsdelikten der Eventualvorsatz (BGE 69 IV 80, BGE 72 IV 125, BGE 74 IV 47, BGE 76 IV 245). Der Beschwerdeführer ist daher mit Recht wegen falscher Anschuldigung verurteilt worden. Entgegen der Auffassung des Obergerichts hat er die Strafverfolgung gegen Stingelin nicht nur eventualiter, sondern sogar direkt gewollt. Er hat sie nicht bloss für möglich gehalten, sondern nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts sich damit einverstanden erklärt, dass der Polizeigefreite gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatte, und ist er sich auch bewusst gewesen, dass sie an die Strafuntersuchungsbehörde weitergeleitet werde. Da er trotz dieses Wissens bewusst und gewollt am Vorwurf, durch Stingelin betrogen worden zu sein, festgehalten hat, hat er die Strafverfolgung notwendigerweise gewollt, und zwar schon am 13. Dezember 1952. Ob er das Verbrechen des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 auch noch am 23. Januar 1953 vor dem Bezirksanwalt begangen hat, oder ob das damals, weil die Strafverfolgung gegen Stingelin schon eingeleitet war, nicht mehr möglich gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, da das Obergericht dem Beschwerdeführer nicht vorwirft, er habe das Verbrechen wiederholt oder fortgesetzt begangen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 303 Ziff. 1 StGB, falsche Anschuldigung. a) Die Absicht, gegen einen Nichtschuldigen eine Strafverfolgung herbeizuführen, setzt keinen bestimmten Beweggrund voraus. b) Eventualabsicht genügt.
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Sachverhalt ab Seite 117 A.- Walter Meierhofer bestimmte am 21. August 1952 Werner Mühlemann durch falsche Angaben, ihm Fr. 200.-- zu leihen. Mühlemann zeigte ihn daher am 10. Dezember 1952 bei der Stadtpolizei Zürich wegen Betruges an. Am gleichen Tage wurde Meierhofer vom Polizeigefreiten Kohler über den Sachverhalt befragt. Meierhofer erklärte ihm wider besseres Wissen, er habe die von Mühlemann geborgten Fr. 200.-- sofort dem Hans Stingelin weitergeliehen, weil dieser ihm gesagt habe, er könne von einem Bekannten für etwa Fr. 600.-- ein Automobil kaufen und es mit Gewinn weiterverkaufen, doch fehlten ihm Fr. 200.--, um dieses Geschäft abzuwickeln. Er, Meierhofer, habe dann Stingelin erst im November 1952 zufällig wieder gesehen. Bei dieser Begegnung habe er ihn gemahnt. Stingelin habe ihm versprochen, das Darlehen am nächsten Tage zurückzuzahlen, sei jedoch nicht erschienen. Er fühle sich durch Stingelin betrogen. Am 12. Dezember 1952 hielt Kohler Stingelin die Behauptungen Meierhofers vor. Stingelin bestritt, Meierhofer von einem Autokauf gesprochen und von ihm Geld erhalten zu haben. Auf Vorhalt dieser Aussagen beharrte Meierhofer am 13. Dezember 1952 vor Kohler auf seiner Darstellung und gab sie zu Protokoll. Er hielt daran fest, dass ihn Stingelin betrogen habe. Auf die Frage Kohlers, ob er gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatten solle, erklärte sich Meierhofer damit einverstanden. Er wusste, dass die Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet werde. Kohler verfasste gegen Stingelin am 22. Dezember 1952 eine Anzeige wegen Betruges und leitete sie weiter. Meierhofer hielt am 23. Januar 1953 vor der Bezirksanwaltschaft an seinen Aussagen fest. Als ihn der Bezirksanwalt am 7. Februar 1953 Stingelin gegenüberstellte, gab er zu, diesem kein Geld geliehen, sondern die von Mühlemann erhaltenen Fr. 200.-- zum Kaufe einer Lampe verwendet zu haben. B.- Am 23. Oktober 1953 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Meierhofer des Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB) und der falschen Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis als Zusatz zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe, die es am 6. Februar 1953 in anderer Sache gegen ihn ausgefällt hatte. C.- Meierhofer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der falschen Anschuldigung und zur Ausfällung einer neuen Strafe wegen Betruges an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe zwar gewusst, dass seine falschen Angaben für Stingelin eine Strafuntersuchung zur Folge haben könnten, habe also vorsätzlich gehandelt. Er habe jedoch nicht die Untersuchung, sondern seine eigene Rechtfertigung erstrebt. Die zum Verbrechen der falschen Anschuldigung gehörende Absicht habe ihm also gefehlt. Absichtlich handle nur, wer die Strafverfolgung erstrebe und wünsche, d.h. die Tat gerade deshalb begehe, damit die Strafverfolgung eintrete. Die tatsächliche Feststellung des Obergerichts, wonach er den Erfolg gebilligt und gewollt habe für den Fall, dass er eintrete, bestreite er nicht. Aus ihr ergebe sich aber nur der Vorsatz, nicht die Absicht, auch nicht eine Eventualabsicht. Denn von der vollen Absicht unterscheide sich die Eventualabsicht nur dadurch, dass der Täter nicht sicher sei, ob der gewünschte Erfolg eintrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens beschuldigt zu haben, macht jedoch geltend, er habe nicht im Sinne des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB "in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen", gehandelt, weil er die Tat nicht gerade deshalb begangen habe, damit Stingelin verfolgt werde, sondern nur deshalb, weil er sich vom Verdacht, Mühlemann betrogen zu haben, habe befreien wollen. Er verkennt den Sinn der Worte "in der Absicht". Als Absicht bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch nicht einen bestimmten Beweggrund, sondern den auf ein künftiges Handeln oder auf einen noch nicht eingetretenen Erfolg gerichteten Willen; beabsichtigt ist, was man tun oder erreichen will, aber noch nicht getan bezw. noch nicht erreicht hat. Diese Bedeutung hat das Wort "Absicht", wie in andern Bestimmungen des Strafgesetzbuches (BGE 74 IV 45), auch in Art. 303. In der Absicht, gegen einen Nichtschuldigen eine Strafverfolgung herbeizuführen, hat der Täter gehandelt, wenn er, gleichgültig aus welchem Beweggrunde, diesen Erfolg gewollt hat. Das Strafgesetzbuch berücksichtigt im allgemeinen die Beweggründe im Tatbestand der strafbaren Handlungen nicht, sondern trägt ihnen lediglich durch Art. 63 und 64 bei der Strafzumessung Rechnung. So droht es bei den Erfolgsdelikten die Strafe für die bewusste und gewollte Herbeiführung des Erfolges an, ohne darnach zu fragen, ob die Aussicht auf den Erfolg oder irgend ein anderer Beweggrund den Täter getrieben habe. Entsprechend verhält es sich bei den sog. Absichtsdelikten. Sie unterscheiden sich von den Erfolgsdelikten nur dadurch, dass der gewollte und der tatsächlich eingetretene Erfolg sich nicht zu decken brauchen. Strafwürdig ist hier, wer einen bestimmten Erfolg erreichen will und ihm in der im objektiven Tatbestand des Verbrechens umschriebenen Weise nahe kommt. Der Beweggrund spielt auch da grundsätzlich nur für das Strafmass eine Rolle. Im Strafmass kann und muss er insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung berücksichtigt werden. Mit der Überlegung des Beschwerdeführers, es sei nicht dasselbe, ob jemand einen Nichtschuldigen gerade deshalb anzeige, damit er verfolgt werde, oder bloss deshalb, weil er selber verfolgt sei und sich nicht besser zu verteidigen wisse, lässt sich daher die Auffassung, Art. 303 sei in letzterem Falle nicht anzuwenden, nicht begründen. Gewollt aber ist ein Erfolg nicht nur dann, wenn ihn der Täter, wie der Beschwerdeführer sagt, "von ganzem Herzen erstrebt", sondern auch dann, wenn er weiss, dass der Erfolg eintreten werde, und er die Tat trotzdem bewusst und aus freiem Willen begeht, ja sogar schon dann, wenn er ihn nur eventualiter will, d.h. wenn ihn die Aussicht auf den bloss möglichen, nicht sicheren, Eintritt des Erfolges nicht von der bewussten und gewollten Begehung der Tat abhält; in letzterem Falle handelt er mit Eventualabsicht, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Absichtsdelikten, insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung, in gleicher Weise genügt wie bei den Erfolgsdelikten der Eventualvorsatz (BGE 69 IV 80, BGE 72 IV 125, BGE 74 IV 47, BGE 76 IV 245). Der Beschwerdeführer ist daher mit Recht wegen falscher Anschuldigung verurteilt worden. Entgegen der Auffassung des Obergerichts hat er die Strafverfolgung gegen Stingelin nicht nur eventualiter, sondern sogar direkt gewollt. Er hat sie nicht bloss für möglich gehalten, sondern nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts sich damit einverstanden erklärt, dass der Polizeigefreite gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatte, und ist er sich auch bewusst gewesen, dass sie an die Strafuntersuchungsbehörde weitergeleitet werde. Da er trotz dieses Wissens bewusst und gewollt am Vorwurf, durch Stingelin betrogen worden zu sein, festgehalten hat, hat er die Strafverfolgung notwendigerweise gewollt, und zwar schon am 13. Dezember 1952. Ob er das Verbrechen des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 auch noch am 23. Januar 1953 vor dem Bezirksanwalt begangen hat, oder ob das damals, weil die Strafverfolgung gegen Stingelin schon eingeleitet war, nicht mehr möglich gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, da das Obergericht dem Beschwerdeführer nicht vorwirft, er habe das Verbrechen wiederholt oder fortgesetzt begangen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 303 ch. 1 CP, dénonciation calomnieuse. a) Le dessein de faire ouvrir une poursuite pénale contre un innocent ne suppose aucun mobile déterminé. b) Le dessein éventuel suffit.
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80 IV 117
Sachverhalt ab Seite 117 A.- Walter Meierhofer bestimmte am 21. August 1952 Werner Mühlemann durch falsche Angaben, ihm Fr. 200.-- zu leihen. Mühlemann zeigte ihn daher am 10. Dezember 1952 bei der Stadtpolizei Zürich wegen Betruges an. Am gleichen Tage wurde Meierhofer vom Polizeigefreiten Kohler über den Sachverhalt befragt. Meierhofer erklärte ihm wider besseres Wissen, er habe die von Mühlemann geborgten Fr. 200.-- sofort dem Hans Stingelin weitergeliehen, weil dieser ihm gesagt habe, er könne von einem Bekannten für etwa Fr. 600.-- ein Automobil kaufen und es mit Gewinn weiterverkaufen, doch fehlten ihm Fr. 200.--, um dieses Geschäft abzuwickeln. Er, Meierhofer, habe dann Stingelin erst im November 1952 zufällig wieder gesehen. Bei dieser Begegnung habe er ihn gemahnt. Stingelin habe ihm versprochen, das Darlehen am nächsten Tage zurückzuzahlen, sei jedoch nicht erschienen. Er fühle sich durch Stingelin betrogen. Am 12. Dezember 1952 hielt Kohler Stingelin die Behauptungen Meierhofers vor. Stingelin bestritt, Meierhofer von einem Autokauf gesprochen und von ihm Geld erhalten zu haben. Auf Vorhalt dieser Aussagen beharrte Meierhofer am 13. Dezember 1952 vor Kohler auf seiner Darstellung und gab sie zu Protokoll. Er hielt daran fest, dass ihn Stingelin betrogen habe. Auf die Frage Kohlers, ob er gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatten solle, erklärte sich Meierhofer damit einverstanden. Er wusste, dass die Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet werde. Kohler verfasste gegen Stingelin am 22. Dezember 1952 eine Anzeige wegen Betruges und leitete sie weiter. Meierhofer hielt am 23. Januar 1953 vor der Bezirksanwaltschaft an seinen Aussagen fest. Als ihn der Bezirksanwalt am 7. Februar 1953 Stingelin gegenüberstellte, gab er zu, diesem kein Geld geliehen, sondern die von Mühlemann erhaltenen Fr. 200.-- zum Kaufe einer Lampe verwendet zu haben. B.- Am 23. Oktober 1953 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Meierhofer des Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB) und der falschen Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis als Zusatz zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe, die es am 6. Februar 1953 in anderer Sache gegen ihn ausgefällt hatte. C.- Meierhofer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der falschen Anschuldigung und zur Ausfällung einer neuen Strafe wegen Betruges an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe zwar gewusst, dass seine falschen Angaben für Stingelin eine Strafuntersuchung zur Folge haben könnten, habe also vorsätzlich gehandelt. Er habe jedoch nicht die Untersuchung, sondern seine eigene Rechtfertigung erstrebt. Die zum Verbrechen der falschen Anschuldigung gehörende Absicht habe ihm also gefehlt. Absichtlich handle nur, wer die Strafverfolgung erstrebe und wünsche, d.h. die Tat gerade deshalb begehe, damit die Strafverfolgung eintrete. Die tatsächliche Feststellung des Obergerichts, wonach er den Erfolg gebilligt und gewollt habe für den Fall, dass er eintrete, bestreite er nicht. Aus ihr ergebe sich aber nur der Vorsatz, nicht die Absicht, auch nicht eine Eventualabsicht. Denn von der vollen Absicht unterscheide sich die Eventualabsicht nur dadurch, dass der Täter nicht sicher sei, ob der gewünschte Erfolg eintrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens beschuldigt zu haben, macht jedoch geltend, er habe nicht im Sinne des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB "in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen", gehandelt, weil er die Tat nicht gerade deshalb begangen habe, damit Stingelin verfolgt werde, sondern nur deshalb, weil er sich vom Verdacht, Mühlemann betrogen zu haben, habe befreien wollen. Er verkennt den Sinn der Worte "in der Absicht". Als Absicht bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch nicht einen bestimmten Beweggrund, sondern den auf ein künftiges Handeln oder auf einen noch nicht eingetretenen Erfolg gerichteten Willen; beabsichtigt ist, was man tun oder erreichen will, aber noch nicht getan bezw. noch nicht erreicht hat. Diese Bedeutung hat das Wort "Absicht", wie in andern Bestimmungen des Strafgesetzbuches (BGE 74 IV 45), auch in Art. 303. In der Absicht, gegen einen Nichtschuldigen eine Strafverfolgung herbeizuführen, hat der Täter gehandelt, wenn er, gleichgültig aus welchem Beweggrunde, diesen Erfolg gewollt hat. Das Strafgesetzbuch berücksichtigt im allgemeinen die Beweggründe im Tatbestand der strafbaren Handlungen nicht, sondern trägt ihnen lediglich durch Art. 63 und 64 bei der Strafzumessung Rechnung. So droht es bei den Erfolgsdelikten die Strafe für die bewusste und gewollte Herbeiführung des Erfolges an, ohne darnach zu fragen, ob die Aussicht auf den Erfolg oder irgend ein anderer Beweggrund den Täter getrieben habe. Entsprechend verhält es sich bei den sog. Absichtsdelikten. Sie unterscheiden sich von den Erfolgsdelikten nur dadurch, dass der gewollte und der tatsächlich eingetretene Erfolg sich nicht zu decken brauchen. Strafwürdig ist hier, wer einen bestimmten Erfolg erreichen will und ihm in der im objektiven Tatbestand des Verbrechens umschriebenen Weise nahe kommt. Der Beweggrund spielt auch da grundsätzlich nur für das Strafmass eine Rolle. Im Strafmass kann und muss er insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung berücksichtigt werden. Mit der Überlegung des Beschwerdeführers, es sei nicht dasselbe, ob jemand einen Nichtschuldigen gerade deshalb anzeige, damit er verfolgt werde, oder bloss deshalb, weil er selber verfolgt sei und sich nicht besser zu verteidigen wisse, lässt sich daher die Auffassung, Art. 303 sei in letzterem Falle nicht anzuwenden, nicht begründen. Gewollt aber ist ein Erfolg nicht nur dann, wenn ihn der Täter, wie der Beschwerdeführer sagt, "von ganzem Herzen erstrebt", sondern auch dann, wenn er weiss, dass der Erfolg eintreten werde, und er die Tat trotzdem bewusst und aus freiem Willen begeht, ja sogar schon dann, wenn er ihn nur eventualiter will, d.h. wenn ihn die Aussicht auf den bloss möglichen, nicht sicheren, Eintritt des Erfolges nicht von der bewussten und gewollten Begehung der Tat abhält; in letzterem Falle handelt er mit Eventualabsicht, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Absichtsdelikten, insbesondere auch bei der falschen Anschuldigung, in gleicher Weise genügt wie bei den Erfolgsdelikten der Eventualvorsatz (BGE 69 IV 80, BGE 72 IV 125, BGE 74 IV 47, BGE 76 IV 245). Der Beschwerdeführer ist daher mit Recht wegen falscher Anschuldigung verurteilt worden. Entgegen der Auffassung des Obergerichts hat er die Strafverfolgung gegen Stingelin nicht nur eventualiter, sondern sogar direkt gewollt. Er hat sie nicht bloss für möglich gehalten, sondern nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts sich damit einverstanden erklärt, dass der Polizeigefreite gegen Stingelin Anzeige wegen Betruges erstatte, und ist er sich auch bewusst gewesen, dass sie an die Strafuntersuchungsbehörde weitergeleitet werde. Da er trotz dieses Wissens bewusst und gewollt am Vorwurf, durch Stingelin betrogen worden zu sein, festgehalten hat, hat er die Strafverfolgung notwendigerweise gewollt, und zwar schon am 13. Dezember 1952. Ob er das Verbrechen des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 auch noch am 23. Januar 1953 vor dem Bezirksanwalt begangen hat, oder ob das damals, weil die Strafverfolgung gegen Stingelin schon eingeleitet war, nicht mehr möglich gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, da das Obergericht dem Beschwerdeführer nicht vorwirft, er habe das Verbrechen wiederholt oder fortgesetzt begangen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 303 cifra 1 CP, denuncia mendace. a) L'intenzione di provocare un procedimento penale contro una persona innocente non presuppone un motivo determinato. b) Basta l'intenzione eventuale.
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519
80 IV 122
Sachverhalt ab Seite 122 A.- Mathys wurde am 2. März 1953 im Scheidungsprozess der Eheleute B. vom Präsidenten des Amtsgerichts Solothurn-Lebern als Zeuge über seine persönlichen Beziehungen zu Frau B. befragt. Während zwei Stunden stellte er engere Beziehungen in Abrede. Nachdem er sich widersprochen und ihn der Gerichtspräsident wegen seiner Haltung energisch verwiesen hatte, bekannte er, gelogen zu haben, und berichtigte er seine Aussagen. Als das geschehen war, wurde das Protokoll verlesen, und Mathys unterzeichnete es. B.- Am 26. November 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn Mathys wegen unvollendeten Versuchs des falschen Zeugnisses (Art. 307, 21 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. Es vertritt die Auffassung, nach solothurnischem Prozessrecht sei das Zeugnis in den Fällen, in denen die Aussage verlesen und vom Zeugen unterschrieben wurde, mit der Unterzeichnung beendet. Da Mathys seine Aussagen vorher berichtigt habe, habe er das falsche Zeugnis nicht vollendet. Er habe aber den entscheidenden Schritt, mit dem die Ausführung des Verbrechens beginne, vor der Berichtigung seiner Aussage getan. Wäre er nicht unter dem Druck seiner Widersprüche und dank des energischen Einschreitens des Richters zum Bekenntnis gezwungen worden, hätte er ohne Zweifel die lügenhaften Aussagen unterschrieben. C.- Mathys führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe den letzten, entscheidenden Schritt zur Ablegung falschen Zeugnisses nicht getan, da er noch die Möglichkeit gehabt habe, aus innerem Antrieb heraus seine Aussagen zu berichtigen, solange das Verhör nicht abgeschlossen war. Erst in der Unterzeichnung des Protokolls liege der Schritt, von dem der Zeuge in der Regel nicht mehr aus eigenem Antrieb zurücktrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt unter Berufung auf das angefochtene Urteil, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Verbrechen des falschen Zeugnisses (Art. 307 StGB) erst vollendet, wenn die Einvernahme nach den Vorschriften des Prozessrechts beendet ist. Das trifft in Fällen, in denen die Protokollierung der Aussagen und die Unterschrift des Zeugen nötig sind, erst zu, wenn der Zeuge das Protokoll unterschrieben hat (BGE 69 IV 216). Da nach solothurnischem Prozessrecht, wie die Vorinstanz es verbindlich auslegt, in Fällen wie dem vorliegenden die Aussagen dem Zeugen vorzulesen und von ihm zu unterschreiben sind, und da der Beschwerdeführer sie vor der Unterzeichnung berichtigt hat, liegt somit ein vollendetes falsches Zeugnis hier nicht vor. Der Beschwerdeführer kann aber auch nicht wegen Versuchs bestraft werden. Das Zeugenverhör dient der Erforschung der Wahrheit. Die Erreichung dieses Zweckes würde erschwert oder vereitelt, wenn der Zeuge, der eine Lüge vor Abschluss der Einvernahme berichtigt, wegen Versuchs des falschen Zeugnisses bestraft werden müsste oder, im Falle des Rücktritts aus eigenem Antrieb (Art. 21 Abs. 2 StGB), zum mindesten bestraft werden könnte. Die Aussicht, verfolgt zu werden, könnte den Zeugen von der Berichtigung abhalten, während anderseits die Zusicherung von Straflosigkeit durch den Richter ihm die Umkehr zur Wahrheit erleichtert. Art. 307 StGB, der den Interessen der Rechtspflege zu dienen bestimmt ist, kann daher den Zeugen, der von seinen Lügen vor Beendigung der Einvernahme abkommt, nicht wegen Versuchs bestrafen lassen wollen, gleichgültig, ob der Verhörte aus eigenem Antrieb oder wegen der Gefahr der Überführung, Ermahnungen seitens des Richters und dgl. zur wahrheitsgemässen Aussage bewogen worden ist. Die im Interesse der Wahrheitserforschung liegende Nachsicht des Gesetzgebers kommt auch in Art. 308 StGB zum Ausdruck, der den Richter ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern (Art. 66) oder von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, wenn der Täter die vollendete falsche Aussage aus eigenem Antrieb berichtigt, bevor durch sie für einen andern ein Rechtsnachteil entstanden ist. Ohne diese Bestimmung könnte der Widerruf der falschen Aussage, als Betätigung aufrichtiger Reue, bloss gemäss Art. 64 und 65 StGB zu Strafmilderung führen. Hat der Beschwerdeführer nach dem Sinn und Geiste des Gesetzes sich nicht strafbar gemacht, weil er vor der Unterzeichnung des Protokolls die Wahrheit gesagt hat, so kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über den Beginn des Versuches (BGE 71 IV 211, BGE 74 IV 133, BGE 75 IV 177) schon das anfängliche Lügen oder, wie das Militärkassationsgericht annimmt (vgl. RStrS 1953 Nr. 130), erst der Beginn der Unterzeichnung als der letzte, entscheidende Schritt zu gelten hätte, von dem man nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mehr zurücktritt, wenn man zu falschem Zeugnis entschlossen ist. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 26. November 1953 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 307 StGB. Wer von seinen Lügen, gleichgültig aus welchem Grunde, vor Beendigung der Einvernahme abkommt, kann weder wegen vollendeten noch wegen versuchten falschen Zeugnisses bestraft werden.
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80 IV 122
Sachverhalt ab Seite 122 A.- Mathys wurde am 2. März 1953 im Scheidungsprozess der Eheleute B. vom Präsidenten des Amtsgerichts Solothurn-Lebern als Zeuge über seine persönlichen Beziehungen zu Frau B. befragt. Während zwei Stunden stellte er engere Beziehungen in Abrede. Nachdem er sich widersprochen und ihn der Gerichtspräsident wegen seiner Haltung energisch verwiesen hatte, bekannte er, gelogen zu haben, und berichtigte er seine Aussagen. Als das geschehen war, wurde das Protokoll verlesen, und Mathys unterzeichnete es. B.- Am 26. November 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn Mathys wegen unvollendeten Versuchs des falschen Zeugnisses (Art. 307, 21 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. Es vertritt die Auffassung, nach solothurnischem Prozessrecht sei das Zeugnis in den Fällen, in denen die Aussage verlesen und vom Zeugen unterschrieben wurde, mit der Unterzeichnung beendet. Da Mathys seine Aussagen vorher berichtigt habe, habe er das falsche Zeugnis nicht vollendet. Er habe aber den entscheidenden Schritt, mit dem die Ausführung des Verbrechens beginne, vor der Berichtigung seiner Aussage getan. Wäre er nicht unter dem Druck seiner Widersprüche und dank des energischen Einschreitens des Richters zum Bekenntnis gezwungen worden, hätte er ohne Zweifel die lügenhaften Aussagen unterschrieben. C.- Mathys führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe den letzten, entscheidenden Schritt zur Ablegung falschen Zeugnisses nicht getan, da er noch die Möglichkeit gehabt habe, aus innerem Antrieb heraus seine Aussagen zu berichtigen, solange das Verhör nicht abgeschlossen war. Erst in der Unterzeichnung des Protokolls liege der Schritt, von dem der Zeuge in der Regel nicht mehr aus eigenem Antrieb zurücktrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt unter Berufung auf das angefochtene Urteil, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Verbrechen des falschen Zeugnisses (Art. 307 StGB) erst vollendet, wenn die Einvernahme nach den Vorschriften des Prozessrechts beendet ist. Das trifft in Fällen, in denen die Protokollierung der Aussagen und die Unterschrift des Zeugen nötig sind, erst zu, wenn der Zeuge das Protokoll unterschrieben hat (BGE 69 IV 216). Da nach solothurnischem Prozessrecht, wie die Vorinstanz es verbindlich auslegt, in Fällen wie dem vorliegenden die Aussagen dem Zeugen vorzulesen und von ihm zu unterschreiben sind, und da der Beschwerdeführer sie vor der Unterzeichnung berichtigt hat, liegt somit ein vollendetes falsches Zeugnis hier nicht vor. Der Beschwerdeführer kann aber auch nicht wegen Versuchs bestraft werden. Das Zeugenverhör dient der Erforschung der Wahrheit. Die Erreichung dieses Zweckes würde erschwert oder vereitelt, wenn der Zeuge, der eine Lüge vor Abschluss der Einvernahme berichtigt, wegen Versuchs des falschen Zeugnisses bestraft werden müsste oder, im Falle des Rücktritts aus eigenem Antrieb (Art. 21 Abs. 2 StGB), zum mindesten bestraft werden könnte. Die Aussicht, verfolgt zu werden, könnte den Zeugen von der Berichtigung abhalten, während anderseits die Zusicherung von Straflosigkeit durch den Richter ihm die Umkehr zur Wahrheit erleichtert. Art. 307 StGB, der den Interessen der Rechtspflege zu dienen bestimmt ist, kann daher den Zeugen, der von seinen Lügen vor Beendigung der Einvernahme abkommt, nicht wegen Versuchs bestrafen lassen wollen, gleichgültig, ob der Verhörte aus eigenem Antrieb oder wegen der Gefahr der Überführung, Ermahnungen seitens des Richters und dgl. zur wahrheitsgemässen Aussage bewogen worden ist. Die im Interesse der Wahrheitserforschung liegende Nachsicht des Gesetzgebers kommt auch in Art. 308 StGB zum Ausdruck, der den Richter ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern (Art. 66) oder von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, wenn der Täter die vollendete falsche Aussage aus eigenem Antrieb berichtigt, bevor durch sie für einen andern ein Rechtsnachteil entstanden ist. Ohne diese Bestimmung könnte der Widerruf der falschen Aussage, als Betätigung aufrichtiger Reue, bloss gemäss Art. 64 und 65 StGB zu Strafmilderung führen. Hat der Beschwerdeführer nach dem Sinn und Geiste des Gesetzes sich nicht strafbar gemacht, weil er vor der Unterzeichnung des Protokolls die Wahrheit gesagt hat, so kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über den Beginn des Versuches (BGE 71 IV 211, BGE 74 IV 133, BGE 75 IV 177) schon das anfängliche Lügen oder, wie das Militärkassationsgericht annimmt (vgl. RStrS 1953 Nr. 130), erst der Beginn der Unterzeichnung als der letzte, entscheidende Schritt zu gelten hätte, von dem man nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mehr zurücktritt, wenn man zu falschem Zeugnis entschlossen ist. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 26. November 1953 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 307 CP. Celui qui, quelle qu'en soit la raison, revient sur une déposition mensongère avant la fin de son audition, ne peut être condamné ni pour faux témoignage ni pour tentative de faux témoignage.
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80 IV 122
Sachverhalt ab Seite 122 A.- Mathys wurde am 2. März 1953 im Scheidungsprozess der Eheleute B. vom Präsidenten des Amtsgerichts Solothurn-Lebern als Zeuge über seine persönlichen Beziehungen zu Frau B. befragt. Während zwei Stunden stellte er engere Beziehungen in Abrede. Nachdem er sich widersprochen und ihn der Gerichtspräsident wegen seiner Haltung energisch verwiesen hatte, bekannte er, gelogen zu haben, und berichtigte er seine Aussagen. Als das geschehen war, wurde das Protokoll verlesen, und Mathys unterzeichnete es. B.- Am 26. November 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn Mathys wegen unvollendeten Versuchs des falschen Zeugnisses (Art. 307, 21 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. Es vertritt die Auffassung, nach solothurnischem Prozessrecht sei das Zeugnis in den Fällen, in denen die Aussage verlesen und vom Zeugen unterschrieben wurde, mit der Unterzeichnung beendet. Da Mathys seine Aussagen vorher berichtigt habe, habe er das falsche Zeugnis nicht vollendet. Er habe aber den entscheidenden Schritt, mit dem die Ausführung des Verbrechens beginne, vor der Berichtigung seiner Aussage getan. Wäre er nicht unter dem Druck seiner Widersprüche und dank des energischen Einschreitens des Richters zum Bekenntnis gezwungen worden, hätte er ohne Zweifel die lügenhaften Aussagen unterschrieben. C.- Mathys führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe den letzten, entscheidenden Schritt zur Ablegung falschen Zeugnisses nicht getan, da er noch die Möglichkeit gehabt habe, aus innerem Antrieb heraus seine Aussagen zu berichtigen, solange das Verhör nicht abgeschlossen war. Erst in der Unterzeichnung des Protokolls liege der Schritt, von dem der Zeuge in der Regel nicht mehr aus eigenem Antrieb zurücktrete. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt unter Berufung auf das angefochtene Urteil, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Verbrechen des falschen Zeugnisses (Art. 307 StGB) erst vollendet, wenn die Einvernahme nach den Vorschriften des Prozessrechts beendet ist. Das trifft in Fällen, in denen die Protokollierung der Aussagen und die Unterschrift des Zeugen nötig sind, erst zu, wenn der Zeuge das Protokoll unterschrieben hat (BGE 69 IV 216). Da nach solothurnischem Prozessrecht, wie die Vorinstanz es verbindlich auslegt, in Fällen wie dem vorliegenden die Aussagen dem Zeugen vorzulesen und von ihm zu unterschreiben sind, und da der Beschwerdeführer sie vor der Unterzeichnung berichtigt hat, liegt somit ein vollendetes falsches Zeugnis hier nicht vor. Der Beschwerdeführer kann aber auch nicht wegen Versuchs bestraft werden. Das Zeugenverhör dient der Erforschung der Wahrheit. Die Erreichung dieses Zweckes würde erschwert oder vereitelt, wenn der Zeuge, der eine Lüge vor Abschluss der Einvernahme berichtigt, wegen Versuchs des falschen Zeugnisses bestraft werden müsste oder, im Falle des Rücktritts aus eigenem Antrieb (Art. 21 Abs. 2 StGB), zum mindesten bestraft werden könnte. Die Aussicht, verfolgt zu werden, könnte den Zeugen von der Berichtigung abhalten, während anderseits die Zusicherung von Straflosigkeit durch den Richter ihm die Umkehr zur Wahrheit erleichtert. Art. 307 StGB, der den Interessen der Rechtspflege zu dienen bestimmt ist, kann daher den Zeugen, der von seinen Lügen vor Beendigung der Einvernahme abkommt, nicht wegen Versuchs bestrafen lassen wollen, gleichgültig, ob der Verhörte aus eigenem Antrieb oder wegen der Gefahr der Überführung, Ermahnungen seitens des Richters und dgl. zur wahrheitsgemässen Aussage bewogen worden ist. Die im Interesse der Wahrheitserforschung liegende Nachsicht des Gesetzgebers kommt auch in Art. 308 StGB zum Ausdruck, der den Richter ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern (Art. 66) oder von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, wenn der Täter die vollendete falsche Aussage aus eigenem Antrieb berichtigt, bevor durch sie für einen andern ein Rechtsnachteil entstanden ist. Ohne diese Bestimmung könnte der Widerruf der falschen Aussage, als Betätigung aufrichtiger Reue, bloss gemäss Art. 64 und 65 StGB zu Strafmilderung führen. Hat der Beschwerdeführer nach dem Sinn und Geiste des Gesetzes sich nicht strafbar gemacht, weil er vor der Unterzeichnung des Protokolls die Wahrheit gesagt hat, so kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über den Beginn des Versuches (BGE 71 IV 211, BGE 74 IV 133, BGE 75 IV 177) schon das anfängliche Lügen oder, wie das Militärkassationsgericht annimmt (vgl. RStrS 1953 Nr. 130), erst der Beginn der Unterzeichnung als der letzte, entscheidende Schritt zu gelten hätte, von dem man nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mehr zurücktritt, wenn man zu falschem Zeugnis entschlossen ist. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 26. November 1953 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 307 CP. Colui che per una ragione qualsiasi ritratta una falsa deposizione prima che sia terminata la sua audizione non può essere condannato nè per falsa testimonianza, nè per tentativo di falsa testimonianza.
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80 IV 125
Sachverhalt ab Seite 125 A.- Cecilie Strub besass einen am 20. Oktober 1952 ausgestellten und bis 24. Oktober 1953 verlängerten Lernfahrausweis für Motorräder ohne Seitenwagen. Am 3. Mai 1953 führte sie den Motorroller ihres Ehemannes von Aarau über Buchs gegen ihren Wohnort Zürich. Auf dem hinteren Sitz fuhr ihr Ehemann mit, der einen Führerausweis besass. Vor der Einmündung in die Hauptstrasse Bern-Zürich vor Hunzenschwil hielt Frau Strub an, um anderen Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Sie setzte indessen das Motorrad wieder in Bewegung, bevor auch der von links kommende Personenwagen des Werner Bircher durchgefahren war. Sie stiess mit ihm zusammen. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte das Verfahren gegen Werner Bircher ein, weil ihm ein verkehrswidriges Verhalten nicht zur Last gelegt werden könne. Gegen Cecilie Strub erhob sie Anklage wegen Verletzung des Art. 25 Abs. 1 MFG (ungenügende Beobachtung nach links) und Art. 27 Abs. 2 (Missachtung des Vortrittsrechtes). Das Bezirksgericht Aarau sprach Frau Strub im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 40.-. Es führte aus, dass nachBGE 65 I 195die Verantwortlichkeit für Verstösse gegen das Motorfahrzeuggesetz grundsätzlich den Ehemann träfe. Als sich der Zusammenstoss ereignet habe, sei aber die Fahrausbildung der Angeklagten praktisch beendet gewesen. Sie besitze den Lernfahrausweis schon seit 20. Oktober 1952 und sei z.B. schon nach Klosters und zurück gefahren. Der Ehemann sei daher berechtigt gewesen, ihr Selbständigkeit in der Führung des Motorrades einzuräumen. Wenn die Angeklagte im Umfange dessen, was ihr anvertraut gewesen sei, die Fahrordnung gestört habe, so sei deshalb sie dafür strafrechtlich verantwortlich. Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 1. Februar 1954 die Beschwerde ab, die Cecilie Strub gegen dieses Urteil führte. Es schloss sich der Auffassung des Bezirksgerichtes an, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen selber strafrechtlich verantwortlich sei. C.- Cecilie Strub führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Sie macht geltend, dass sie als Fahrschülerin gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG für Übertretungen des Motorfahrzeuggesetzes strafrechtlich nicht verantwortlich sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Wer ein Motorfahrzeug führen lernt, muss gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG "von einer Person begleitet sein, die den Führerausweis besitzt und damit die Verantwortlichkeit als Führer trägt". Daraus hat der Kassationshof geschlossen, dass die im Motorfahrzeuggesetz dem Führer angedrohten Strafen gegen die - schuldhaft handelnde (vgl.BGE 64 I 360) - Begleitperson, nicht auch gegen den Fahrschüler, anzuwenden seien. Anfänglich hat er freilich offen gelassen, ob es nicht doch Fälle gebe, in denen auch letzterer zu bestrafen sei, wenn ihn ein Verschulden trifft (BGE 63 I 255). Diese Frage ist jedoch in der Folge verneint worden (BGE 65 I 196). Lediglich die Anwendung des gemeinen, früher kantonalen, jetzt eidgenössischen Strafrechts (z.B. der Bestimmungen über fahrlässige Tötung oder Störung des öffentlichen Verkehrs) wurde stets auch als gegenüber dem Fahrschüler zulässig erklärt (BGE 63 I 255,BGE 65 I 196,BGE 73 IV 183). An jener Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Indem Art. 14 Abs. 1 MFG die "Verantwortlichkeit als Führer" der Begleitperson überbindet, will er lediglich sagen, diese trage wie ein Führer die Verantwortung für die Fahrt, nicht auch, der Schüler befinde sich nicht in der Stellung eines Führers. Denn damit würde das Gesetz dem Schüler nicht nur die Tätereigenschaft absprechen, die Voraussetzung der Strafbarkeit nach Art. 58 ff. MFG ist, sondern ihn überhaupt davon entbinden, die Verkehrsvorschriften zu befolgen, die sich nach Wortlaut oder Sinn an den Führer wenden, z.B. Art. 18 Abs. 1 MFG, wonach "der Führer eines Motorfahrzeuges" die Weisungen und Anordnungen der Verkehrspolizei zu befolgen hat, oder Art. 26 Abs. 1, der dem "Führer" gebietet, rechts zu fahren, nach rechts auszuweichen und links zu überholen. Dass das nicht der Sinn des Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand. Durch den Fahrunterricht soll dem Schüler das gesetzmässige Verhalten im Verkehr beigebracht werden. Daher hat er im Rahmen seiner Fähigkeiten die gesetzlichen Vorschriften von Anfang an zu befolgen, und zwar nicht nur mittelbar, indem er den Weisungen einer an die Verkehrsvorschriften gebundenen Begleitperson nachlebt, sondern unmittelbar, indem er gemäss eigenen Kenntnissen und eigenem Pflichtgefühl so fährt, wie das Gesetz es vom Führer verlangt. Die Stellung als solcher kommt ihm übrigens auch nach allgemeinem Sprachgebrauch zu, der als Führer jene Person bezeichnet, die, am Steuer sitzend, die Maschine bedient, sie in Bewegung setzt und lenkt. Dass er keinen Führerausweis besitzt, ändert nichts, ist doch nach der Rechtsprechung jeder als Führer zu betrachten, der tatsächlich einen Akt der Führung auf eigene Verantwortung vornimmt (BGE 60 I 163). Hätte der Gesetzgeber den Fahrschüler zwar an die Verkehrsregeln des Motorfahrzeuggesetzes binden, ihn aber von Strafe für deren Übertretung befreien wollen, so hätte er das nicht im zweiten, sondern in dem die Strafbestimmungen enthaltenden vierten Titel des Gesetzes tun müssen. Es fehlt auch ein innerer Grund, der diese Lösung zu rechtfertigen vermöchte. Hat sich der Fahrschüler, wie die Beschwerdeführerin mit Recht nicht zu widerlegen versucht, für pflichtwidriges Verhalten am Steuer nach gemeinem Strafrecht zu verantworten, so ist nicht zu ersehen, weshalb er für seinen Fehler, bloss weil der gemeinrechtliche Erfolg nicht eingetreten ist, strafrechtlich nicht wie jeder andere Führer nach Motorfahrzeuggesetz sollte einstehen müssen. Trete der Erfolg ein oder nicht, ist ja die begangene Pflichtwidrigkeit die gleiche; sie besteht in der Regel in der Missachtung einer Verkehrsvorschrift. In der Literatur (LEUCH, SZStrR 52 276), auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, ist angenommen worden, der Gesetzgeber habe Polizei und Richter der heiklen Aufgabe entheben wollen, im einzelnen Falle zu untersuchen, ob die erreichte Fahrtüchtigkeit dem Schüler erlaubt habe, die Weisungen der Begleitperson zu befolgen. Da den Behörden diese Untersuchung bei Verfolgung der Vergehen des gemeinen Strafrechts obliegt, kann ihnen jedoch ohne weiteres zugemutet werden, auch die Fälle blosser Übertretungen der Verkehrsvorschriften daraufhin zu überprüfen, ob der Schüler nach dem Stande seiner Ausbildung die Tat verschuldet habe. Es wäre auch nicht zu verstehen, weshalb in Fällen, in denen die Übertretung nicht auf Ungenügen der technischen Ausbildung, sondern nur auf Unkenntnis oder bewusste Missachtung der gesetzlichen Vorschriften oder auf gewollte Nichtbefolgung von Weisungen des Fahrlehrers zurückzuführen ist, der Schüler nicht wie jeder andere Führer, der sich über die Bestimmungen des Gesetzes hinwegsetzt, bestraft werden sollte. Dass dem öffentlichen Interesse genügt sei, wenn die Begleitperson die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verkehrsregeln trage, ist nicht richtig. Ein geordneter Verkehr wäre nicht gewährleistet, wenn auch der zur Befolgung einer bestimmten Verkehrsvorschrift genügend ausgebildete Fahrschüler sie straffrei übertreten dürfte; denn auch der gewissenhaften Begleitperson gelingt es nicht immer, die Übertretung zu verhindern, insbesondere dann nicht, wenn sich der Schüler ihren Weisungen bewusst und gewollt widersetzt, oder wenn die Lernfahrt mit einem Motorrad gemacht wird. Die mit den Vorarbeiten zu einem neuen Strassenverkehrsgesetz betraute Expertenkommission bekennt sich laut Redaktionsentwurf vom Jahre 1954, Art. 16 Ziff. 2 lit. b, ebenfalls dazu, dass der Fahrschüler auf beaufsichtigter Lernfahrt mitverantwortlich sei, soweit er eine Widerhandlung nach dem Stande seiner Ausbildung hätte vermeiden können. Das ist die sachlich richtige Lösung. Sie schon heute anzuwenden, widerspricht nicht dem Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" (Art. 1 StGB), wenn, wie dargetan, auch der Fahrschüler im Rahmen der ihm durch Art. 14 Abs. 1 MFG belassenen Verantwortung "Führer" im Sinne der Art. 58 ff. und 17 ff. MFG ist. 2. Die Beschwerdeführerin bestreitet das ihr von den Vorinstanzen zur Last gelegte Verschulden nicht. Da nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts ihre Fahrausbildung praktisch beendet war und sie schon grössere Strecken durchfahren hatte, handelte sie in der Tat pflichtwidrig, so unbekümmert um das Vortrittsrecht Birchers das Motorrad wieder in Gang zu setzen und in die Hauptstrasse einzufahren. Fragen könnte man sich höchstens, ob nicht der Ehemann durch rechtzeitige Warnung die Tat hätte verhindern können und er sich dadurch, dass er es nicht tat, strafbar gemacht habe. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, bliebe es indessen dabei, dass die Beschwerdeführerin die ihrer Ausbildung entsprechende Sorgfaltspflicht verletzt hat und dafür mit Recht bestraft worden ist. Da durch die Tat der öffentliche Verkehr gestört worden ist, hätte übrigens Art. 237 Ziff. 2 StGB angewendet werden sollen. Wäre das geschehen, so müsste es schon nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Verurteilung sein Bewenden haben. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 14 Abs. 1 MFG. Auch der Lernende ist Führer und für Übertretung der Verkehrsregeln des MFG strafbar, wenn er sie vorsätzlich oder im Rahmen seiner Fähigkeiten fahrlässig begeht (Anderung der Rechtsprechung).
de
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
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523
80 IV 125
Sachverhalt ab Seite 125 A.- Cecilie Strub besass einen am 20. Oktober 1952 ausgestellten und bis 24. Oktober 1953 verlängerten Lernfahrausweis für Motorräder ohne Seitenwagen. Am 3. Mai 1953 führte sie den Motorroller ihres Ehemannes von Aarau über Buchs gegen ihren Wohnort Zürich. Auf dem hinteren Sitz fuhr ihr Ehemann mit, der einen Führerausweis besass. Vor der Einmündung in die Hauptstrasse Bern-Zürich vor Hunzenschwil hielt Frau Strub an, um anderen Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Sie setzte indessen das Motorrad wieder in Bewegung, bevor auch der von links kommende Personenwagen des Werner Bircher durchgefahren war. Sie stiess mit ihm zusammen. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte das Verfahren gegen Werner Bircher ein, weil ihm ein verkehrswidriges Verhalten nicht zur Last gelegt werden könne. Gegen Cecilie Strub erhob sie Anklage wegen Verletzung des Art. 25 Abs. 1 MFG (ungenügende Beobachtung nach links) und Art. 27 Abs. 2 (Missachtung des Vortrittsrechtes). Das Bezirksgericht Aarau sprach Frau Strub im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 40.-. Es führte aus, dass nachBGE 65 I 195die Verantwortlichkeit für Verstösse gegen das Motorfahrzeuggesetz grundsätzlich den Ehemann träfe. Als sich der Zusammenstoss ereignet habe, sei aber die Fahrausbildung der Angeklagten praktisch beendet gewesen. Sie besitze den Lernfahrausweis schon seit 20. Oktober 1952 und sei z.B. schon nach Klosters und zurück gefahren. Der Ehemann sei daher berechtigt gewesen, ihr Selbständigkeit in der Führung des Motorrades einzuräumen. Wenn die Angeklagte im Umfange dessen, was ihr anvertraut gewesen sei, die Fahrordnung gestört habe, so sei deshalb sie dafür strafrechtlich verantwortlich. Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 1. Februar 1954 die Beschwerde ab, die Cecilie Strub gegen dieses Urteil führte. Es schloss sich der Auffassung des Bezirksgerichtes an, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen selber strafrechtlich verantwortlich sei. C.- Cecilie Strub führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Sie macht geltend, dass sie als Fahrschülerin gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG für Übertretungen des Motorfahrzeuggesetzes strafrechtlich nicht verantwortlich sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Wer ein Motorfahrzeug führen lernt, muss gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG "von einer Person begleitet sein, die den Führerausweis besitzt und damit die Verantwortlichkeit als Führer trägt". Daraus hat der Kassationshof geschlossen, dass die im Motorfahrzeuggesetz dem Führer angedrohten Strafen gegen die - schuldhaft handelnde (vgl.BGE 64 I 360) - Begleitperson, nicht auch gegen den Fahrschüler, anzuwenden seien. Anfänglich hat er freilich offen gelassen, ob es nicht doch Fälle gebe, in denen auch letzterer zu bestrafen sei, wenn ihn ein Verschulden trifft (BGE 63 I 255). Diese Frage ist jedoch in der Folge verneint worden (BGE 65 I 196). Lediglich die Anwendung des gemeinen, früher kantonalen, jetzt eidgenössischen Strafrechts (z.B. der Bestimmungen über fahrlässige Tötung oder Störung des öffentlichen Verkehrs) wurde stets auch als gegenüber dem Fahrschüler zulässig erklärt (BGE 63 I 255,BGE 65 I 196,BGE 73 IV 183). An jener Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Indem Art. 14 Abs. 1 MFG die "Verantwortlichkeit als Führer" der Begleitperson überbindet, will er lediglich sagen, diese trage wie ein Führer die Verantwortung für die Fahrt, nicht auch, der Schüler befinde sich nicht in der Stellung eines Führers. Denn damit würde das Gesetz dem Schüler nicht nur die Tätereigenschaft absprechen, die Voraussetzung der Strafbarkeit nach Art. 58 ff. MFG ist, sondern ihn überhaupt davon entbinden, die Verkehrsvorschriften zu befolgen, die sich nach Wortlaut oder Sinn an den Führer wenden, z.B. Art. 18 Abs. 1 MFG, wonach "der Führer eines Motorfahrzeuges" die Weisungen und Anordnungen der Verkehrspolizei zu befolgen hat, oder Art. 26 Abs. 1, der dem "Führer" gebietet, rechts zu fahren, nach rechts auszuweichen und links zu überholen. Dass das nicht der Sinn des Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand. Durch den Fahrunterricht soll dem Schüler das gesetzmässige Verhalten im Verkehr beigebracht werden. Daher hat er im Rahmen seiner Fähigkeiten die gesetzlichen Vorschriften von Anfang an zu befolgen, und zwar nicht nur mittelbar, indem er den Weisungen einer an die Verkehrsvorschriften gebundenen Begleitperson nachlebt, sondern unmittelbar, indem er gemäss eigenen Kenntnissen und eigenem Pflichtgefühl so fährt, wie das Gesetz es vom Führer verlangt. Die Stellung als solcher kommt ihm übrigens auch nach allgemeinem Sprachgebrauch zu, der als Führer jene Person bezeichnet, die, am Steuer sitzend, die Maschine bedient, sie in Bewegung setzt und lenkt. Dass er keinen Führerausweis besitzt, ändert nichts, ist doch nach der Rechtsprechung jeder als Führer zu betrachten, der tatsächlich einen Akt der Führung auf eigene Verantwortung vornimmt (BGE 60 I 163). Hätte der Gesetzgeber den Fahrschüler zwar an die Verkehrsregeln des Motorfahrzeuggesetzes binden, ihn aber von Strafe für deren Übertretung befreien wollen, so hätte er das nicht im zweiten, sondern in dem die Strafbestimmungen enthaltenden vierten Titel des Gesetzes tun müssen. Es fehlt auch ein innerer Grund, der diese Lösung zu rechtfertigen vermöchte. Hat sich der Fahrschüler, wie die Beschwerdeführerin mit Recht nicht zu widerlegen versucht, für pflichtwidriges Verhalten am Steuer nach gemeinem Strafrecht zu verantworten, so ist nicht zu ersehen, weshalb er für seinen Fehler, bloss weil der gemeinrechtliche Erfolg nicht eingetreten ist, strafrechtlich nicht wie jeder andere Führer nach Motorfahrzeuggesetz sollte einstehen müssen. Trete der Erfolg ein oder nicht, ist ja die begangene Pflichtwidrigkeit die gleiche; sie besteht in der Regel in der Missachtung einer Verkehrsvorschrift. In der Literatur (LEUCH, SZStrR 52 276), auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, ist angenommen worden, der Gesetzgeber habe Polizei und Richter der heiklen Aufgabe entheben wollen, im einzelnen Falle zu untersuchen, ob die erreichte Fahrtüchtigkeit dem Schüler erlaubt habe, die Weisungen der Begleitperson zu befolgen. Da den Behörden diese Untersuchung bei Verfolgung der Vergehen des gemeinen Strafrechts obliegt, kann ihnen jedoch ohne weiteres zugemutet werden, auch die Fälle blosser Übertretungen der Verkehrsvorschriften daraufhin zu überprüfen, ob der Schüler nach dem Stande seiner Ausbildung die Tat verschuldet habe. Es wäre auch nicht zu verstehen, weshalb in Fällen, in denen die Übertretung nicht auf Ungenügen der technischen Ausbildung, sondern nur auf Unkenntnis oder bewusste Missachtung der gesetzlichen Vorschriften oder auf gewollte Nichtbefolgung von Weisungen des Fahrlehrers zurückzuführen ist, der Schüler nicht wie jeder andere Führer, der sich über die Bestimmungen des Gesetzes hinwegsetzt, bestraft werden sollte. Dass dem öffentlichen Interesse genügt sei, wenn die Begleitperson die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verkehrsregeln trage, ist nicht richtig. Ein geordneter Verkehr wäre nicht gewährleistet, wenn auch der zur Befolgung einer bestimmten Verkehrsvorschrift genügend ausgebildete Fahrschüler sie straffrei übertreten dürfte; denn auch der gewissenhaften Begleitperson gelingt es nicht immer, die Übertretung zu verhindern, insbesondere dann nicht, wenn sich der Schüler ihren Weisungen bewusst und gewollt widersetzt, oder wenn die Lernfahrt mit einem Motorrad gemacht wird. Die mit den Vorarbeiten zu einem neuen Strassenverkehrsgesetz betraute Expertenkommission bekennt sich laut Redaktionsentwurf vom Jahre 1954, Art. 16 Ziff. 2 lit. b, ebenfalls dazu, dass der Fahrschüler auf beaufsichtigter Lernfahrt mitverantwortlich sei, soweit er eine Widerhandlung nach dem Stande seiner Ausbildung hätte vermeiden können. Das ist die sachlich richtige Lösung. Sie schon heute anzuwenden, widerspricht nicht dem Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" (Art. 1 StGB), wenn, wie dargetan, auch der Fahrschüler im Rahmen der ihm durch Art. 14 Abs. 1 MFG belassenen Verantwortung "Führer" im Sinne der Art. 58 ff. und 17 ff. MFG ist. 2. Die Beschwerdeführerin bestreitet das ihr von den Vorinstanzen zur Last gelegte Verschulden nicht. Da nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts ihre Fahrausbildung praktisch beendet war und sie schon grössere Strecken durchfahren hatte, handelte sie in der Tat pflichtwidrig, so unbekümmert um das Vortrittsrecht Birchers das Motorrad wieder in Gang zu setzen und in die Hauptstrasse einzufahren. Fragen könnte man sich höchstens, ob nicht der Ehemann durch rechtzeitige Warnung die Tat hätte verhindern können und er sich dadurch, dass er es nicht tat, strafbar gemacht habe. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, bliebe es indessen dabei, dass die Beschwerdeführerin die ihrer Ausbildung entsprechende Sorgfaltspflicht verletzt hat und dafür mit Recht bestraft worden ist. Da durch die Tat der öffentliche Verkehr gestört worden ist, hätte übrigens Art. 237 Ziff. 2 StGB angewendet werden sollen. Wäre das geschehen, so müsste es schon nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Verurteilung sein Bewenden haben. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 14 al. 1 LA. L'élève aussi est conducteur et répond pénalement de la violation des règles de la circulation lorsqu'il y contrevient intentionnellement ou par imprudence dans le cadre de ses capacités (changement de jurisprudence).
fr
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
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524
80 IV 125
Sachverhalt ab Seite 125 A.- Cecilie Strub besass einen am 20. Oktober 1952 ausgestellten und bis 24. Oktober 1953 verlängerten Lernfahrausweis für Motorräder ohne Seitenwagen. Am 3. Mai 1953 führte sie den Motorroller ihres Ehemannes von Aarau über Buchs gegen ihren Wohnort Zürich. Auf dem hinteren Sitz fuhr ihr Ehemann mit, der einen Führerausweis besass. Vor der Einmündung in die Hauptstrasse Bern-Zürich vor Hunzenschwil hielt Frau Strub an, um anderen Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Sie setzte indessen das Motorrad wieder in Bewegung, bevor auch der von links kommende Personenwagen des Werner Bircher durchgefahren war. Sie stiess mit ihm zusammen. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte das Verfahren gegen Werner Bircher ein, weil ihm ein verkehrswidriges Verhalten nicht zur Last gelegt werden könne. Gegen Cecilie Strub erhob sie Anklage wegen Verletzung des Art. 25 Abs. 1 MFG (ungenügende Beobachtung nach links) und Art. 27 Abs. 2 (Missachtung des Vortrittsrechtes). Das Bezirksgericht Aarau sprach Frau Strub im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 40.-. Es führte aus, dass nachBGE 65 I 195die Verantwortlichkeit für Verstösse gegen das Motorfahrzeuggesetz grundsätzlich den Ehemann träfe. Als sich der Zusammenstoss ereignet habe, sei aber die Fahrausbildung der Angeklagten praktisch beendet gewesen. Sie besitze den Lernfahrausweis schon seit 20. Oktober 1952 und sei z.B. schon nach Klosters und zurück gefahren. Der Ehemann sei daher berechtigt gewesen, ihr Selbständigkeit in der Führung des Motorrades einzuräumen. Wenn die Angeklagte im Umfange dessen, was ihr anvertraut gewesen sei, die Fahrordnung gestört habe, so sei deshalb sie dafür strafrechtlich verantwortlich. Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 1. Februar 1954 die Beschwerde ab, die Cecilie Strub gegen dieses Urteil führte. Es schloss sich der Auffassung des Bezirksgerichtes an, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen selber strafrechtlich verantwortlich sei. C.- Cecilie Strub führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Sie macht geltend, dass sie als Fahrschülerin gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG für Übertretungen des Motorfahrzeuggesetzes strafrechtlich nicht verantwortlich sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Wer ein Motorfahrzeug führen lernt, muss gemäss Art. 14 Abs. 1 MFG "von einer Person begleitet sein, die den Führerausweis besitzt und damit die Verantwortlichkeit als Führer trägt". Daraus hat der Kassationshof geschlossen, dass die im Motorfahrzeuggesetz dem Führer angedrohten Strafen gegen die - schuldhaft handelnde (vgl.BGE 64 I 360) - Begleitperson, nicht auch gegen den Fahrschüler, anzuwenden seien. Anfänglich hat er freilich offen gelassen, ob es nicht doch Fälle gebe, in denen auch letzterer zu bestrafen sei, wenn ihn ein Verschulden trifft (BGE 63 I 255). Diese Frage ist jedoch in der Folge verneint worden (BGE 65 I 196). Lediglich die Anwendung des gemeinen, früher kantonalen, jetzt eidgenössischen Strafrechts (z.B. der Bestimmungen über fahrlässige Tötung oder Störung des öffentlichen Verkehrs) wurde stets auch als gegenüber dem Fahrschüler zulässig erklärt (BGE 63 I 255,BGE 65 I 196,BGE 73 IV 183). An jener Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden. Indem Art. 14 Abs. 1 MFG die "Verantwortlichkeit als Führer" der Begleitperson überbindet, will er lediglich sagen, diese trage wie ein Führer die Verantwortung für die Fahrt, nicht auch, der Schüler befinde sich nicht in der Stellung eines Führers. Denn damit würde das Gesetz dem Schüler nicht nur die Tätereigenschaft absprechen, die Voraussetzung der Strafbarkeit nach Art. 58 ff. MFG ist, sondern ihn überhaupt davon entbinden, die Verkehrsvorschriften zu befolgen, die sich nach Wortlaut oder Sinn an den Führer wenden, z.B. Art. 18 Abs. 1 MFG, wonach "der Führer eines Motorfahrzeuges" die Weisungen und Anordnungen der Verkehrspolizei zu befolgen hat, oder Art. 26 Abs. 1, der dem "Führer" gebietet, rechts zu fahren, nach rechts auszuweichen und links zu überholen. Dass das nicht der Sinn des Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand. Durch den Fahrunterricht soll dem Schüler das gesetzmässige Verhalten im Verkehr beigebracht werden. Daher hat er im Rahmen seiner Fähigkeiten die gesetzlichen Vorschriften von Anfang an zu befolgen, und zwar nicht nur mittelbar, indem er den Weisungen einer an die Verkehrsvorschriften gebundenen Begleitperson nachlebt, sondern unmittelbar, indem er gemäss eigenen Kenntnissen und eigenem Pflichtgefühl so fährt, wie das Gesetz es vom Führer verlangt. Die Stellung als solcher kommt ihm übrigens auch nach allgemeinem Sprachgebrauch zu, der als Führer jene Person bezeichnet, die, am Steuer sitzend, die Maschine bedient, sie in Bewegung setzt und lenkt. Dass er keinen Führerausweis besitzt, ändert nichts, ist doch nach der Rechtsprechung jeder als Führer zu betrachten, der tatsächlich einen Akt der Führung auf eigene Verantwortung vornimmt (BGE 60 I 163). Hätte der Gesetzgeber den Fahrschüler zwar an die Verkehrsregeln des Motorfahrzeuggesetzes binden, ihn aber von Strafe für deren Übertretung befreien wollen, so hätte er das nicht im zweiten, sondern in dem die Strafbestimmungen enthaltenden vierten Titel des Gesetzes tun müssen. Es fehlt auch ein innerer Grund, der diese Lösung zu rechtfertigen vermöchte. Hat sich der Fahrschüler, wie die Beschwerdeführerin mit Recht nicht zu widerlegen versucht, für pflichtwidriges Verhalten am Steuer nach gemeinem Strafrecht zu verantworten, so ist nicht zu ersehen, weshalb er für seinen Fehler, bloss weil der gemeinrechtliche Erfolg nicht eingetreten ist, strafrechtlich nicht wie jeder andere Führer nach Motorfahrzeuggesetz sollte einstehen müssen. Trete der Erfolg ein oder nicht, ist ja die begangene Pflichtwidrigkeit die gleiche; sie besteht in der Regel in der Missachtung einer Verkehrsvorschrift. In der Literatur (LEUCH, SZStrR 52 276), auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, ist angenommen worden, der Gesetzgeber habe Polizei und Richter der heiklen Aufgabe entheben wollen, im einzelnen Falle zu untersuchen, ob die erreichte Fahrtüchtigkeit dem Schüler erlaubt habe, die Weisungen der Begleitperson zu befolgen. Da den Behörden diese Untersuchung bei Verfolgung der Vergehen des gemeinen Strafrechts obliegt, kann ihnen jedoch ohne weiteres zugemutet werden, auch die Fälle blosser Übertretungen der Verkehrsvorschriften daraufhin zu überprüfen, ob der Schüler nach dem Stande seiner Ausbildung die Tat verschuldet habe. Es wäre auch nicht zu verstehen, weshalb in Fällen, in denen die Übertretung nicht auf Ungenügen der technischen Ausbildung, sondern nur auf Unkenntnis oder bewusste Missachtung der gesetzlichen Vorschriften oder auf gewollte Nichtbefolgung von Weisungen des Fahrlehrers zurückzuführen ist, der Schüler nicht wie jeder andere Führer, der sich über die Bestimmungen des Gesetzes hinwegsetzt, bestraft werden sollte. Dass dem öffentlichen Interesse genügt sei, wenn die Begleitperson die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verkehrsregeln trage, ist nicht richtig. Ein geordneter Verkehr wäre nicht gewährleistet, wenn auch der zur Befolgung einer bestimmten Verkehrsvorschrift genügend ausgebildete Fahrschüler sie straffrei übertreten dürfte; denn auch der gewissenhaften Begleitperson gelingt es nicht immer, die Übertretung zu verhindern, insbesondere dann nicht, wenn sich der Schüler ihren Weisungen bewusst und gewollt widersetzt, oder wenn die Lernfahrt mit einem Motorrad gemacht wird. Die mit den Vorarbeiten zu einem neuen Strassenverkehrsgesetz betraute Expertenkommission bekennt sich laut Redaktionsentwurf vom Jahre 1954, Art. 16 Ziff. 2 lit. b, ebenfalls dazu, dass der Fahrschüler auf beaufsichtigter Lernfahrt mitverantwortlich sei, soweit er eine Widerhandlung nach dem Stande seiner Ausbildung hätte vermeiden können. Das ist die sachlich richtige Lösung. Sie schon heute anzuwenden, widerspricht nicht dem Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" (Art. 1 StGB), wenn, wie dargetan, auch der Fahrschüler im Rahmen der ihm durch Art. 14 Abs. 1 MFG belassenen Verantwortung "Führer" im Sinne der Art. 58 ff. und 17 ff. MFG ist. 2. Die Beschwerdeführerin bestreitet das ihr von den Vorinstanzen zur Last gelegte Verschulden nicht. Da nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts ihre Fahrausbildung praktisch beendet war und sie schon grössere Strecken durchfahren hatte, handelte sie in der Tat pflichtwidrig, so unbekümmert um das Vortrittsrecht Birchers das Motorrad wieder in Gang zu setzen und in die Hauptstrasse einzufahren. Fragen könnte man sich höchstens, ob nicht der Ehemann durch rechtzeitige Warnung die Tat hätte verhindern können und er sich dadurch, dass er es nicht tat, strafbar gemacht habe. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, bliebe es indessen dabei, dass die Beschwerdeführerin die ihrer Ausbildung entsprechende Sorgfaltspflicht verletzt hat und dafür mit Recht bestraft worden ist. Da durch die Tat der öffentliche Verkehr gestört worden ist, hätte übrigens Art. 237 Ziff. 2 StGB angewendet werden sollen. Wäre das geschehen, so müsste es schon nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Verurteilung sein Bewenden haben. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 14 cp. 1 LA. Anche l'allievo è conducente e deve rispondere penalmente della violazione delle regole di circolazione quando le viola intenzionalmente o per imprudenza nel quadro delle sue capacità. (Cambiamento di giurisprudenza.)
it
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
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525
80 IV 13
Erwägungen ab Seite 13 Aus den Erwägungen: Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB setzt der bedingte Aufschub des Strafvollzuges voraus, dass die Umstände des Falles und die persönlichen Verhältnisse des Täters, insbesondere sein Vorleben und Charakter, erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren Verbrechen oder Vergehen abgehalten (BGE 73 IV 77, 84; BGE 74 IV 137; BGE 76 IV 72; BGE 77 IV 68). Diese Erwartung rechtfertigt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewöhnlich nicht, wenn der Täter in angetrunkenem Zustande ein Motorfahrzeug führt; denn dadurch bekundet er in der Regel, dass er Leib und Leben anderer gering achtet und ein besonders hemmungsloser Mensch ist. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist in solchen Fällen nur aufzuschieben, wenn bestimmte besondere Umstände den Schluss auf Hemmungs- und Gewissenlosigkeit des Verurteilten als unbegründet erscheinen lassen, so etwa, wenn er sich erst unter dem enthemmenden Einfluss des Alkohols zum Führen eines Motorfahrzeuges entschlossen hat oder durch starkes Drängen anderer zur Tat bewogen worden ist (BGE 74 IV 138, 196; BGE 74 IV 196; BGE 76 IV 170; BGE 79 IV 68). Was der Beschwerdeführer gegen diese Rechtsprechung einwendet, hält nicht stand. Gewiss bedarf nicht jeder einer gleich grossen Alkoholkonzentration, um Zeichen der Angetrunkenheit zu äussern, und wirkt sich ein und derselbe Alkoholgehalt des Blutes bei einem bestimmten Menschen auch nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen gleich aus. Solchen Unterschieden ist aber beim Entscheid der Beweisfrage, ob der Angeklagte angetrunken war, Rechnung zu tragen. Hat der Sachrichter auf Angetrunkenheit geschlossen, was übrigens nicht notwendigerweise eine Blutuntersuchung voraussetzt, sondern auch in freier Würdigung anderer Beweise geschehen kann (Art. 249 BStP), so ist dem Angeklagten, der in diesem Zustande ein Motorfahrzeug geführt hat, Hemmungs- und Gewissenlosigkeit vorzuwerfen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Daran ändert die Tatsache, dass die Angetrunkenheit sich nicht bei jedem Menschen gleich auswirkt, grundsätzlich nichts. Obwohl der Alkohol den einen vorwiegend bloss euphorisch stimmt, den andern ausserdem zu rücksichtslosem Verhalten treibt, ist doch allen Angetrunkenen die Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung erschwert und leidet bei ihnen auch die Fähigkeit, auf Gefahren rasch und zweckmässig zu reagieren. Wer sich antrinkt, obschon er weiss, dass er in diesem Zustande ein Motorfahrzeug führen wird, legt daher Charaktereigenschaften an den Tag, die ihn des bedingten Strafaufschubes grundsätzlich unwürdig machen. Ob er weiss, wieviele Promill Alkohol er in diesem Zustande im Blute hat, ist unerheblich; es genügt, dass grundsätzlich jedem klar ist, wieviel er trinken darf, ohne in seiner Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung und Reaktionsfähigkeit beeinflusst zu werden. Zu einer Änderung der Rechtsprechung besteht umsoweniger Anlass, als der Richter beim Entscheid über den bedingten Strafaufschub nebenbei auch dem Bedürfnis nach Generalprävention Rechnung tragen darf (BGE 73 IV 80, 87; BGE 74 IV 138; BGE 79 IV 69).
de
Art. 41 Ziff. 1 StGB. Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges bei Führen in angetrunkenem Zustande.
de
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
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80 IV 13
Erwägungen ab Seite 13 Aus den Erwägungen: Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB setzt der bedingte Aufschub des Strafvollzuges voraus, dass die Umstände des Falles und die persönlichen Verhältnisse des Täters, insbesondere sein Vorleben und Charakter, erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren Verbrechen oder Vergehen abgehalten (BGE 73 IV 77, 84; BGE 74 IV 137; BGE 76 IV 72; BGE 77 IV 68). Diese Erwartung rechtfertigt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewöhnlich nicht, wenn der Täter in angetrunkenem Zustande ein Motorfahrzeug führt; denn dadurch bekundet er in der Regel, dass er Leib und Leben anderer gering achtet und ein besonders hemmungsloser Mensch ist. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist in solchen Fällen nur aufzuschieben, wenn bestimmte besondere Umstände den Schluss auf Hemmungs- und Gewissenlosigkeit des Verurteilten als unbegründet erscheinen lassen, so etwa, wenn er sich erst unter dem enthemmenden Einfluss des Alkohols zum Führen eines Motorfahrzeuges entschlossen hat oder durch starkes Drängen anderer zur Tat bewogen worden ist (BGE 74 IV 138, 196; BGE 74 IV 196; BGE 76 IV 170; BGE 79 IV 68). Was der Beschwerdeführer gegen diese Rechtsprechung einwendet, hält nicht stand. Gewiss bedarf nicht jeder einer gleich grossen Alkoholkonzentration, um Zeichen der Angetrunkenheit zu äussern, und wirkt sich ein und derselbe Alkoholgehalt des Blutes bei einem bestimmten Menschen auch nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen gleich aus. Solchen Unterschieden ist aber beim Entscheid der Beweisfrage, ob der Angeklagte angetrunken war, Rechnung zu tragen. Hat der Sachrichter auf Angetrunkenheit geschlossen, was übrigens nicht notwendigerweise eine Blutuntersuchung voraussetzt, sondern auch in freier Würdigung anderer Beweise geschehen kann (Art. 249 BStP), so ist dem Angeklagten, der in diesem Zustande ein Motorfahrzeug geführt hat, Hemmungs- und Gewissenlosigkeit vorzuwerfen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Daran ändert die Tatsache, dass die Angetrunkenheit sich nicht bei jedem Menschen gleich auswirkt, grundsätzlich nichts. Obwohl der Alkohol den einen vorwiegend bloss euphorisch stimmt, den andern ausserdem zu rücksichtslosem Verhalten treibt, ist doch allen Angetrunkenen die Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung erschwert und leidet bei ihnen auch die Fähigkeit, auf Gefahren rasch und zweckmässig zu reagieren. Wer sich antrinkt, obschon er weiss, dass er in diesem Zustande ein Motorfahrzeug führen wird, legt daher Charaktereigenschaften an den Tag, die ihn des bedingten Strafaufschubes grundsätzlich unwürdig machen. Ob er weiss, wieviele Promill Alkohol er in diesem Zustande im Blute hat, ist unerheblich; es genügt, dass grundsätzlich jedem klar ist, wieviel er trinken darf, ohne in seiner Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung und Reaktionsfähigkeit beeinflusst zu werden. Zu einer Änderung der Rechtsprechung besteht umsoweniger Anlass, als der Richter beim Entscheid über den bedingten Strafaufschub nebenbei auch dem Bedürfnis nach Generalprävention Rechnung tragen darf (BGE 73 IV 80, 87; BGE 74 IV 138; BGE 79 IV 69).
de
Art. 41 ch. 1 CP. Conditions de l'octroi du sursis au conducteur pris de boisson.
fr
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1,954
IV
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-IV-13%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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Erwägungen ab Seite 13 Aus den Erwägungen: Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB setzt der bedingte Aufschub des Strafvollzuges voraus, dass die Umstände des Falles und die persönlichen Verhältnisse des Täters, insbesondere sein Vorleben und Charakter, erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren Verbrechen oder Vergehen abgehalten (BGE 73 IV 77, 84; BGE 74 IV 137; BGE 76 IV 72; BGE 77 IV 68). Diese Erwartung rechtfertigt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewöhnlich nicht, wenn der Täter in angetrunkenem Zustande ein Motorfahrzeug führt; denn dadurch bekundet er in der Regel, dass er Leib und Leben anderer gering achtet und ein besonders hemmungsloser Mensch ist. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist in solchen Fällen nur aufzuschieben, wenn bestimmte besondere Umstände den Schluss auf Hemmungs- und Gewissenlosigkeit des Verurteilten als unbegründet erscheinen lassen, so etwa, wenn er sich erst unter dem enthemmenden Einfluss des Alkohols zum Führen eines Motorfahrzeuges entschlossen hat oder durch starkes Drängen anderer zur Tat bewogen worden ist (BGE 74 IV 138, 196; BGE 74 IV 196; BGE 76 IV 170; BGE 79 IV 68). Was der Beschwerdeführer gegen diese Rechtsprechung einwendet, hält nicht stand. Gewiss bedarf nicht jeder einer gleich grossen Alkoholkonzentration, um Zeichen der Angetrunkenheit zu äussern, und wirkt sich ein und derselbe Alkoholgehalt des Blutes bei einem bestimmten Menschen auch nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen gleich aus. Solchen Unterschieden ist aber beim Entscheid der Beweisfrage, ob der Angeklagte angetrunken war, Rechnung zu tragen. Hat der Sachrichter auf Angetrunkenheit geschlossen, was übrigens nicht notwendigerweise eine Blutuntersuchung voraussetzt, sondern auch in freier Würdigung anderer Beweise geschehen kann (Art. 249 BStP), so ist dem Angeklagten, der in diesem Zustande ein Motorfahrzeug geführt hat, Hemmungs- und Gewissenlosigkeit vorzuwerfen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Daran ändert die Tatsache, dass die Angetrunkenheit sich nicht bei jedem Menschen gleich auswirkt, grundsätzlich nichts. Obwohl der Alkohol den einen vorwiegend bloss euphorisch stimmt, den andern ausserdem zu rücksichtslosem Verhalten treibt, ist doch allen Angetrunkenen die Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung erschwert und leidet bei ihnen auch die Fähigkeit, auf Gefahren rasch und zweckmässig zu reagieren. Wer sich antrinkt, obschon er weiss, dass er in diesem Zustande ein Motorfahrzeug führen wird, legt daher Charaktereigenschaften an den Tag, die ihn des bedingten Strafaufschubes grundsätzlich unwürdig machen. Ob er weiss, wieviele Promill Alkohol er in diesem Zustande im Blute hat, ist unerheblich; es genügt, dass grundsätzlich jedem klar ist, wieviel er trinken darf, ohne in seiner Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung und Reaktionsfähigkeit beeinflusst zu werden. Zu einer Änderung der Rechtsprechung besteht umsoweniger Anlass, als der Richter beim Entscheid über den bedingten Strafaufschub nebenbei auch dem Bedürfnis nach Generalprävention Rechnung tragen darf (BGE 73 IV 80, 87; BGE 74 IV 138; BGE 79 IV 69).
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Art. 41 cifra 1 CP. Condizioni cui è subordinato il beneficio della sospensione condizionale nel caso d'un conducente avvinato.
it
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80 IV 130
Sachverhalt ab Seite 131 A.- Alice Lüscher fuhr am 24. Juli 1953 etwa um 13 Uhr am Steuer eines 5 m langen und 1,85 m breiten Personenwagens von Frasnacht gegen Arbon. Als sie auf gerader 5,7 m breiter Strasse mit etwa 1 m Abstand vom rechten Rande der Fahrbahn an dem die Häuser Dobler und Schnelli umgebenden rechts an die Strasse stossenden und von dieser durch eine 1, 7 m hohe Hecke getrennten Garten vorbeifuhr, stiess sie mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. mit dem neunjährigen Hans Dobler zusammen, der, auf dem Pedal eines Fahrrades stehend, im Begriffe war, hinter der Hecke hervor durch das Gartentor auf die Strasse zu fahren, und diese, als er vom Automobil erfasst wurde, mit dem Vorderrad erreicht hatte. Der Knabe erlitt so schwere Verletzungen, dass seine Heilung zwei bis drei Monate dauerte. Frau Lüscher wurde erst durch den Lärm des Zusammenstosses auf ihn aufmerksam. Sie hatte auf Arbeiter geblickt, die weiter vorn bei einem Neubau am Strassenrande standen, und hatte zudem, weil ihr Wagen linksgesteuert ist, nach rechts nur schlechte Sicht gehabt. Die Unfallstelle befindet sich ausserorts, ungefähr einen halben Kilometer von der Strassengabel beim Scheidweg entfernt. B.- Bezirksgericht Arbon und auf Berufung der Staatsanwaltschaft auch das Obergericht des Kantons Thurgau, letzteres mit Urteil vom 14. Januar 1954, sprachen Alice Lüscher von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei. C.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das zweitinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht unter anderem geltend, die Angeklagte sei zu schnell gefahren, Frau Lüscher habe entgegen Art. 25 MFG nicht darauf Rücksicht genommen, dass sie, obschon sie sich ausserorts befand, an den Häusern Dobler und Schnelli vorbeifuhr und sich einem im Bau befindlichen weiteren Haus, ferner dem Restaurant Scheidweg und schliesslich zwei in der Strassengabel links der Fahrbahn stehenden weiteren Häusern näherte. Sie habe damit rechnen müssen, dass bei solchen örtlichen Verhältnissen ein Hindernis erscheinen, insbesondere ein unerfahrenes Kind sich plötzlich auf die Strasse begeben könnte. Wäre die Angeklagte langsamer, d.h. mit 30 km/Std. gefahren, so hätte sie durch Abbremsen und Linkssteuern des Wagens den Zusammenstoss vermeiden oder abschwächen können. Auch hätte sie Signal geben sollen. D.- Alice Lüscher beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 25 Abs. 1 MFG muss der Führer die Geschwindigkeit des Motorfahrzeuges den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpassen. Das hat die Beschwerdegegnerin getan. Die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. war, da sie auf gerader und gut ausgebauter Strasse ausserorts fuhr, nicht übersetzt. Dass sie mit bloss einem Meter Zwischenraum am Tor eines durch eine hohe Hecke begrenzten Gartens vorbeiflitzte, ändert nichts. Es ist Sache dessen, der von verdeckter Stelle aus die Strasse betreten oder befahren will, sich so vorsichtig herauszubegeben, dass ihm aus dem modernen, auf Flüssigkeit und Tempo eingestellten Motorfahrzeugverkehr kein Schaden erwachse (BGE 61 I 432, BGE 64 I 353, 358). Diese Rechtsprechung gilt auch gegenüber Kindern, obwohl ihnen die Einsicht in die Gefahren der Strasse oder die Fähigkeit, diesen Gefahren durch vernünftiges Verhalten zu begegnen, weitgehend fehlt. Denn dem Motorfahrzeugführer kann nicht zugemutet werden, bloss wegen der entfernten Möglichkeit, dass ein Kind, das er nicht sieht und nicht sehen kann, unbedacht in die Fahrbahn laufen oder fahren könnte, die Geschwindigkeit so stark herabzusetzen, dass Unfälle unter allen Umständen vermieden werden. Ein vernünftiger Verkehr mit Motorfahrzeugen wäre sonst praktisch in besiedeltem oder sonstwie unübersichtlichem Gebiete überhaupt unmöglich. Das erhellt schon daraus, dass die Vorinstanz verbindlich feststellt, die Angeklagte hätte den Zusammenstoss auch bei Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit nicht verhindern können. Es leuchtet denn auch ein, dass die Beschwerdegegnerin sogar bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 30 km/Std., wie die Staatsanwaltschaft sie in Verkennung der modernen Verkehrsbedürfnisse verlangt, vor dem auf dem Fahrrad hinter der Hecke hervorkommenden Knaben weder hätte anhalten, noch rechtzeitig nach links hätte ausweichen können (vgl. BGE 61 I 439 f.). Bloss wenn die Möglichkeit eines auf unbedachtes Benehmen von Kindern zurückzuführenden Unfalles zu einer konkreten Gefahr wird oder werden kann, hat der Führer des Motorfahrzeuges ihr Rechnung zu tragen, und dann mit allen Mitteln, selbst unter Hintanstellung seiner persönlichen Interessen (Geschäftsdrang, Bequemlichkeit usw.), z.B. wenn er Kinder auf oder in nächster Nähe der Fahrbahn sich aufhalten oder sich bewegen sieht (BGE 77 IV 37) oder die dringende Möglichkeit des Erscheinens von Kindern aus besonderen Umständen (Signale, Schulhäuser, Spielplätze usw.) hervorgeht. Ein vereinzeltes Gartentor an einer Überlandstrasse, selbst wenn es zwischen hohen Hecken liegt, rückt für sich allein die Möglichkeit des Erscheinens eines unüberlegt handelnden Kindes nicht so sehr in die Nähe, als dass ihr der Führer durch Herabsetzung seiner Geschwindigkeit Rechnung zu tragen hätte. Dass in der Nähe ein weiteres Haus gebaut wurde, ändert nichts, und dass, was aus Urteil und Akten nicht hervorgeht, nach der Behauptung der Staatsanwaltschaft beim Scheidweg weitere Häuser stehen sollen, muss schon deshalb ausser Betracht fallen, weil nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Beschwerdegegnerin bis zu dieser Strassengabel noch etwa einen halben Kilometer zurückzulegen hatte. 2. War die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet, auf das Gartentor durch Herabsetzung der Geschwindigkeit Rücksicht zu nehmen, so konnte ihr auch nicht zugemutet werden, deswegen Signal zu geben. Die Warnpflicht (Art. 20 MFG) wird nicht durch jede bloss abstrakte Möglichkeit eines Unfalles ausgelöst, ansonst der Lärm auf der Strasse unerträglich würde. Insbesondere ist der Führer nicht verpflichtet, vor jedem Haus oder jeder anderen unübersichtlichen Stelle, von der her jemand unversehens auf die Strasse treten könnte, zu warnen (BGE 61 I 432, 438, BGE 64 I 353). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art 25 Abs. 1, 20 MFG. Ist der Führer verpflichtet, wegen eines einzelnen zwischen hohen Hecken an einer Überlandstrasse stehenden Gartentores die Geschwindigkeit herabzusetzen oder zu warnen?
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Sachverhalt ab Seite 131 A.- Alice Lüscher fuhr am 24. Juli 1953 etwa um 13 Uhr am Steuer eines 5 m langen und 1,85 m breiten Personenwagens von Frasnacht gegen Arbon. Als sie auf gerader 5,7 m breiter Strasse mit etwa 1 m Abstand vom rechten Rande der Fahrbahn an dem die Häuser Dobler und Schnelli umgebenden rechts an die Strasse stossenden und von dieser durch eine 1, 7 m hohe Hecke getrennten Garten vorbeifuhr, stiess sie mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. mit dem neunjährigen Hans Dobler zusammen, der, auf dem Pedal eines Fahrrades stehend, im Begriffe war, hinter der Hecke hervor durch das Gartentor auf die Strasse zu fahren, und diese, als er vom Automobil erfasst wurde, mit dem Vorderrad erreicht hatte. Der Knabe erlitt so schwere Verletzungen, dass seine Heilung zwei bis drei Monate dauerte. Frau Lüscher wurde erst durch den Lärm des Zusammenstosses auf ihn aufmerksam. Sie hatte auf Arbeiter geblickt, die weiter vorn bei einem Neubau am Strassenrande standen, und hatte zudem, weil ihr Wagen linksgesteuert ist, nach rechts nur schlechte Sicht gehabt. Die Unfallstelle befindet sich ausserorts, ungefähr einen halben Kilometer von der Strassengabel beim Scheidweg entfernt. B.- Bezirksgericht Arbon und auf Berufung der Staatsanwaltschaft auch das Obergericht des Kantons Thurgau, letzteres mit Urteil vom 14. Januar 1954, sprachen Alice Lüscher von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei. C.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das zweitinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht unter anderem geltend, die Angeklagte sei zu schnell gefahren, Frau Lüscher habe entgegen Art. 25 MFG nicht darauf Rücksicht genommen, dass sie, obschon sie sich ausserorts befand, an den Häusern Dobler und Schnelli vorbeifuhr und sich einem im Bau befindlichen weiteren Haus, ferner dem Restaurant Scheidweg und schliesslich zwei in der Strassengabel links der Fahrbahn stehenden weiteren Häusern näherte. Sie habe damit rechnen müssen, dass bei solchen örtlichen Verhältnissen ein Hindernis erscheinen, insbesondere ein unerfahrenes Kind sich plötzlich auf die Strasse begeben könnte. Wäre die Angeklagte langsamer, d.h. mit 30 km/Std. gefahren, so hätte sie durch Abbremsen und Linkssteuern des Wagens den Zusammenstoss vermeiden oder abschwächen können. Auch hätte sie Signal geben sollen. D.- Alice Lüscher beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 25 Abs. 1 MFG muss der Führer die Geschwindigkeit des Motorfahrzeuges den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpassen. Das hat die Beschwerdegegnerin getan. Die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. war, da sie auf gerader und gut ausgebauter Strasse ausserorts fuhr, nicht übersetzt. Dass sie mit bloss einem Meter Zwischenraum am Tor eines durch eine hohe Hecke begrenzten Gartens vorbeiflitzte, ändert nichts. Es ist Sache dessen, der von verdeckter Stelle aus die Strasse betreten oder befahren will, sich so vorsichtig herauszubegeben, dass ihm aus dem modernen, auf Flüssigkeit und Tempo eingestellten Motorfahrzeugverkehr kein Schaden erwachse (BGE 61 I 432, BGE 64 I 353, 358). Diese Rechtsprechung gilt auch gegenüber Kindern, obwohl ihnen die Einsicht in die Gefahren der Strasse oder die Fähigkeit, diesen Gefahren durch vernünftiges Verhalten zu begegnen, weitgehend fehlt. Denn dem Motorfahrzeugführer kann nicht zugemutet werden, bloss wegen der entfernten Möglichkeit, dass ein Kind, das er nicht sieht und nicht sehen kann, unbedacht in die Fahrbahn laufen oder fahren könnte, die Geschwindigkeit so stark herabzusetzen, dass Unfälle unter allen Umständen vermieden werden. Ein vernünftiger Verkehr mit Motorfahrzeugen wäre sonst praktisch in besiedeltem oder sonstwie unübersichtlichem Gebiete überhaupt unmöglich. Das erhellt schon daraus, dass die Vorinstanz verbindlich feststellt, die Angeklagte hätte den Zusammenstoss auch bei Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit nicht verhindern können. Es leuchtet denn auch ein, dass die Beschwerdegegnerin sogar bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 30 km/Std., wie die Staatsanwaltschaft sie in Verkennung der modernen Verkehrsbedürfnisse verlangt, vor dem auf dem Fahrrad hinter der Hecke hervorkommenden Knaben weder hätte anhalten, noch rechtzeitig nach links hätte ausweichen können (vgl. BGE 61 I 439 f.). Bloss wenn die Möglichkeit eines auf unbedachtes Benehmen von Kindern zurückzuführenden Unfalles zu einer konkreten Gefahr wird oder werden kann, hat der Führer des Motorfahrzeuges ihr Rechnung zu tragen, und dann mit allen Mitteln, selbst unter Hintanstellung seiner persönlichen Interessen (Geschäftsdrang, Bequemlichkeit usw.), z.B. wenn er Kinder auf oder in nächster Nähe der Fahrbahn sich aufhalten oder sich bewegen sieht (BGE 77 IV 37) oder die dringende Möglichkeit des Erscheinens von Kindern aus besonderen Umständen (Signale, Schulhäuser, Spielplätze usw.) hervorgeht. Ein vereinzeltes Gartentor an einer Überlandstrasse, selbst wenn es zwischen hohen Hecken liegt, rückt für sich allein die Möglichkeit des Erscheinens eines unüberlegt handelnden Kindes nicht so sehr in die Nähe, als dass ihr der Führer durch Herabsetzung seiner Geschwindigkeit Rechnung zu tragen hätte. Dass in der Nähe ein weiteres Haus gebaut wurde, ändert nichts, und dass, was aus Urteil und Akten nicht hervorgeht, nach der Behauptung der Staatsanwaltschaft beim Scheidweg weitere Häuser stehen sollen, muss schon deshalb ausser Betracht fallen, weil nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Beschwerdegegnerin bis zu dieser Strassengabel noch etwa einen halben Kilometer zurückzulegen hatte. 2. War die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet, auf das Gartentor durch Herabsetzung der Geschwindigkeit Rücksicht zu nehmen, so konnte ihr auch nicht zugemutet werden, deswegen Signal zu geben. Die Warnpflicht (Art. 20 MFG) wird nicht durch jede bloss abstrakte Möglichkeit eines Unfalles ausgelöst, ansonst der Lärm auf der Strasse unerträglich würde. Insbesondere ist der Führer nicht verpflichtet, vor jedem Haus oder jeder anderen unübersichtlichen Stelle, von der her jemand unversehens auf die Strasse treten könnte, zu warnen (BGE 61 I 432, 438, BGE 64 I 353). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 25 al. 1 et 20 LA. Le conducteur est-il tenu de ralentir ou d'avertir avant un portail de jardin encadré de hautes haies et qui donne sur une route, en rase campagne?
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Sachverhalt ab Seite 131 A.- Alice Lüscher fuhr am 24. Juli 1953 etwa um 13 Uhr am Steuer eines 5 m langen und 1,85 m breiten Personenwagens von Frasnacht gegen Arbon. Als sie auf gerader 5,7 m breiter Strasse mit etwa 1 m Abstand vom rechten Rande der Fahrbahn an dem die Häuser Dobler und Schnelli umgebenden rechts an die Strasse stossenden und von dieser durch eine 1, 7 m hohe Hecke getrennten Garten vorbeifuhr, stiess sie mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. mit dem neunjährigen Hans Dobler zusammen, der, auf dem Pedal eines Fahrrades stehend, im Begriffe war, hinter der Hecke hervor durch das Gartentor auf die Strasse zu fahren, und diese, als er vom Automobil erfasst wurde, mit dem Vorderrad erreicht hatte. Der Knabe erlitt so schwere Verletzungen, dass seine Heilung zwei bis drei Monate dauerte. Frau Lüscher wurde erst durch den Lärm des Zusammenstosses auf ihn aufmerksam. Sie hatte auf Arbeiter geblickt, die weiter vorn bei einem Neubau am Strassenrande standen, und hatte zudem, weil ihr Wagen linksgesteuert ist, nach rechts nur schlechte Sicht gehabt. Die Unfallstelle befindet sich ausserorts, ungefähr einen halben Kilometer von der Strassengabel beim Scheidweg entfernt. B.- Bezirksgericht Arbon und auf Berufung der Staatsanwaltschaft auch das Obergericht des Kantons Thurgau, letzteres mit Urteil vom 14. Januar 1954, sprachen Alice Lüscher von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei. C.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das zweitinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht unter anderem geltend, die Angeklagte sei zu schnell gefahren, Frau Lüscher habe entgegen Art. 25 MFG nicht darauf Rücksicht genommen, dass sie, obschon sie sich ausserorts befand, an den Häusern Dobler und Schnelli vorbeifuhr und sich einem im Bau befindlichen weiteren Haus, ferner dem Restaurant Scheidweg und schliesslich zwei in der Strassengabel links der Fahrbahn stehenden weiteren Häusern näherte. Sie habe damit rechnen müssen, dass bei solchen örtlichen Verhältnissen ein Hindernis erscheinen, insbesondere ein unerfahrenes Kind sich plötzlich auf die Strasse begeben könnte. Wäre die Angeklagte langsamer, d.h. mit 30 km/Std. gefahren, so hätte sie durch Abbremsen und Linkssteuern des Wagens den Zusammenstoss vermeiden oder abschwächen können. Auch hätte sie Signal geben sollen. D.- Alice Lüscher beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 25 Abs. 1 MFG muss der Führer die Geschwindigkeit des Motorfahrzeuges den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpassen. Das hat die Beschwerdegegnerin getan. Die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/Std. war, da sie auf gerader und gut ausgebauter Strasse ausserorts fuhr, nicht übersetzt. Dass sie mit bloss einem Meter Zwischenraum am Tor eines durch eine hohe Hecke begrenzten Gartens vorbeiflitzte, ändert nichts. Es ist Sache dessen, der von verdeckter Stelle aus die Strasse betreten oder befahren will, sich so vorsichtig herauszubegeben, dass ihm aus dem modernen, auf Flüssigkeit und Tempo eingestellten Motorfahrzeugverkehr kein Schaden erwachse (BGE 61 I 432, BGE 64 I 353, 358). Diese Rechtsprechung gilt auch gegenüber Kindern, obwohl ihnen die Einsicht in die Gefahren der Strasse oder die Fähigkeit, diesen Gefahren durch vernünftiges Verhalten zu begegnen, weitgehend fehlt. Denn dem Motorfahrzeugführer kann nicht zugemutet werden, bloss wegen der entfernten Möglichkeit, dass ein Kind, das er nicht sieht und nicht sehen kann, unbedacht in die Fahrbahn laufen oder fahren könnte, die Geschwindigkeit so stark herabzusetzen, dass Unfälle unter allen Umständen vermieden werden. Ein vernünftiger Verkehr mit Motorfahrzeugen wäre sonst praktisch in besiedeltem oder sonstwie unübersichtlichem Gebiete überhaupt unmöglich. Das erhellt schon daraus, dass die Vorinstanz verbindlich feststellt, die Angeklagte hätte den Zusammenstoss auch bei Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit nicht verhindern können. Es leuchtet denn auch ein, dass die Beschwerdegegnerin sogar bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 30 km/Std., wie die Staatsanwaltschaft sie in Verkennung der modernen Verkehrsbedürfnisse verlangt, vor dem auf dem Fahrrad hinter der Hecke hervorkommenden Knaben weder hätte anhalten, noch rechtzeitig nach links hätte ausweichen können (vgl. BGE 61 I 439 f.). Bloss wenn die Möglichkeit eines auf unbedachtes Benehmen von Kindern zurückzuführenden Unfalles zu einer konkreten Gefahr wird oder werden kann, hat der Führer des Motorfahrzeuges ihr Rechnung zu tragen, und dann mit allen Mitteln, selbst unter Hintanstellung seiner persönlichen Interessen (Geschäftsdrang, Bequemlichkeit usw.), z.B. wenn er Kinder auf oder in nächster Nähe der Fahrbahn sich aufhalten oder sich bewegen sieht (BGE 77 IV 37) oder die dringende Möglichkeit des Erscheinens von Kindern aus besonderen Umständen (Signale, Schulhäuser, Spielplätze usw.) hervorgeht. Ein vereinzeltes Gartentor an einer Überlandstrasse, selbst wenn es zwischen hohen Hecken liegt, rückt für sich allein die Möglichkeit des Erscheinens eines unüberlegt handelnden Kindes nicht so sehr in die Nähe, als dass ihr der Führer durch Herabsetzung seiner Geschwindigkeit Rechnung zu tragen hätte. Dass in der Nähe ein weiteres Haus gebaut wurde, ändert nichts, und dass, was aus Urteil und Akten nicht hervorgeht, nach der Behauptung der Staatsanwaltschaft beim Scheidweg weitere Häuser stehen sollen, muss schon deshalb ausser Betracht fallen, weil nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Beschwerdegegnerin bis zu dieser Strassengabel noch etwa einen halben Kilometer zurückzulegen hatte. 2. War die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet, auf das Gartentor durch Herabsetzung der Geschwindigkeit Rücksicht zu nehmen, so konnte ihr auch nicht zugemutet werden, deswegen Signal zu geben. Die Warnpflicht (Art. 20 MFG) wird nicht durch jede bloss abstrakte Möglichkeit eines Unfalles ausgelöst, ansonst der Lärm auf der Strasse unerträglich würde. Insbesondere ist der Führer nicht verpflichtet, vor jedem Haus oder jeder anderen unübersichtlichen Stelle, von der her jemand unversehens auf die Strasse treten könnte, zu warnen (BGE 61 I 432, 438, BGE 64 I 353). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 25 cp. 1 e 20 LA. Il conducente deve rallentare o avvertire ad un portale di giardino circondato da alte siepi e che dà su una strada in campagna?
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531
80 IV 134
Sachverhalt ab Seite 134 Anderhub ersucht mit Eingabe vom 31. August/3. September 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichts, die Strafverfolgung wegen Urkundenfälschung, die vor Obergericht des Kantons Solothurn gegen ihn durchgeführt werde, sei gemäss Art. 340 Ziff. 1 Abs. 3 StGB den zuständigen Behörden des Bundes zur Behandlung zu überweisen. Er macht geltend, es werde ihm Fälschung von Urkunden vorgeworfen, die als Bundesurkunden zu betrachten seien. Er habe in verschiedenen Eingaben gegen die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Fälschung von Bundesurkunden durch den Kanton Solothurn protestiert, doch hätten weder der Staatsanwalt noch das Obergericht dazu Stellung genommen. Durch Überweisungsbeschluss vom 14. Juli 1954 sei die behauptete Urkundenfälschung dem Obergericht zur Beurteilung überwiesen worden. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Der Gesuchsteller leitet die Zuständigkeit der Anklagekammer des Bundesgerichts, den solothurnischen Behörden die Gerichtsbarkeit abzusprechen und die Sache den Bundesbehörden zur Behandlung zu überweisen, aus Art. 264 BStP ab. Zu Unrecht. Diese Bestimmung gilt nur für Fälle, in denen der interkantonale Gerichtsstand streitig ist, nicht auch für Streitigkeiten über die Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeit gegenüber der Bundesgerichtsbarkeit. Das ergibt sich schon aus ihrer Stellung im dritten Teil des Gesetzes, der nur "das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind", regelt, und insbesondere aus ihrer Stellung im Abschnitt "III. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz von kantonalen Behörden zu beurteilen sind". Auch der Wortlaut des Art. 264 bestätigt diesen Sinn. Der Fall, in dem "die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten" wird, wäre nicht mit dem anderen Falle, in dem "der Gerichtsstand unter den Behörden verschiedener Kantone streitig" ist, in ein und demselben Satze geregelt worden, wenn nicht ersterer gleich wie letzterer nur einen Streit über den interkantonalen Gerichtsstand beträfe. Dass dem so ist, geht auch daraus hervor, dass die Anklagekammer "den Kanton" zu bezeichnen hat, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist. Damit stimmt die Entstehungsgeschichte überein. In der ursprünglichen Fassung (vom 15. Juni 1934) war vom Rechte des Beschuldigten, die Gerichtsbarkeit eines Kantons vor der Anklagekammer zu bestreiten, nicht die Rede, und die Revision der Bestimmung durch Art. 168 OG hatte lediglich den Zweck, das Gesetz in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Anklagekammer zu bringen, die dem Beschuldigten schon unter der Herrschaft der alten Fassung das Recht zuerkannte, den interkantonalen Gerichtsstand - und nur diesen - durch sie festsetzen zu lassen. Die Anklagekammer ist daher zur Beurteilung des vorliegenden Gesuches nicht zuständig. 2. Es erübrigt sich, das Gesuch an den Kassationshof des Bundesgerichts oder an die staatsrechtliche Kammer weiterzuleiten, damit es als Nichtigkeitsbeschwerde bezw. als staatsrechtliche Beschwerde behandelt werde. Unter dem einen wie unter dem anderen Gesichtspunkte könnte darauf nicht eingetreten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 268 ff. BStP) ist nur gegen Urteile, Einstellungsbeschlüsse und Straferkenntnisse gegeben. Ein solcher Entscheid ist bis jetzt nicht ergangen. Auch die staatsrechtliche Beschwerde "wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden" (Art. 84 Abs. 1 lit. d OG) setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verfügung (Entscheid) voraus, und eine Verfügung über die Anerkennung der Gerichtsbarkeit liegt nach der Rechtsprechung der staatsrechtlichen Kammer nicht schon darin, dass ein Beschuldigter dem Gerichte zur Beurteilung überwiesen wird. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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Art. 264 BStP. Die Anklagekammer ist nicht zuständig, einer kantonalen Behörde die Gerichtsbarkeit abzusprechen und die Sache den Bundesbehörden zu überweisen.
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1,954
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80 IV 134
Sachverhalt ab Seite 134 Anderhub ersucht mit Eingabe vom 31. August/3. September 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichts, die Strafverfolgung wegen Urkundenfälschung, die vor Obergericht des Kantons Solothurn gegen ihn durchgeführt werde, sei gemäss Art. 340 Ziff. 1 Abs. 3 StGB den zuständigen Behörden des Bundes zur Behandlung zu überweisen. Er macht geltend, es werde ihm Fälschung von Urkunden vorgeworfen, die als Bundesurkunden zu betrachten seien. Er habe in verschiedenen Eingaben gegen die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Fälschung von Bundesurkunden durch den Kanton Solothurn protestiert, doch hätten weder der Staatsanwalt noch das Obergericht dazu Stellung genommen. Durch Überweisungsbeschluss vom 14. Juli 1954 sei die behauptete Urkundenfälschung dem Obergericht zur Beurteilung überwiesen worden. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Der Gesuchsteller leitet die Zuständigkeit der Anklagekammer des Bundesgerichts, den solothurnischen Behörden die Gerichtsbarkeit abzusprechen und die Sache den Bundesbehörden zur Behandlung zu überweisen, aus Art. 264 BStP ab. Zu Unrecht. Diese Bestimmung gilt nur für Fälle, in denen der interkantonale Gerichtsstand streitig ist, nicht auch für Streitigkeiten über die Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeit gegenüber der Bundesgerichtsbarkeit. Das ergibt sich schon aus ihrer Stellung im dritten Teil des Gesetzes, der nur "das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind", regelt, und insbesondere aus ihrer Stellung im Abschnitt "III. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz von kantonalen Behörden zu beurteilen sind". Auch der Wortlaut des Art. 264 bestätigt diesen Sinn. Der Fall, in dem "die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten" wird, wäre nicht mit dem anderen Falle, in dem "der Gerichtsstand unter den Behörden verschiedener Kantone streitig" ist, in ein und demselben Satze geregelt worden, wenn nicht ersterer gleich wie letzterer nur einen Streit über den interkantonalen Gerichtsstand beträfe. Dass dem so ist, geht auch daraus hervor, dass die Anklagekammer "den Kanton" zu bezeichnen hat, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist. Damit stimmt die Entstehungsgeschichte überein. In der ursprünglichen Fassung (vom 15. Juni 1934) war vom Rechte des Beschuldigten, die Gerichtsbarkeit eines Kantons vor der Anklagekammer zu bestreiten, nicht die Rede, und die Revision der Bestimmung durch Art. 168 OG hatte lediglich den Zweck, das Gesetz in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Anklagekammer zu bringen, die dem Beschuldigten schon unter der Herrschaft der alten Fassung das Recht zuerkannte, den interkantonalen Gerichtsstand - und nur diesen - durch sie festsetzen zu lassen. Die Anklagekammer ist daher zur Beurteilung des vorliegenden Gesuches nicht zuständig. 2. Es erübrigt sich, das Gesuch an den Kassationshof des Bundesgerichts oder an die staatsrechtliche Kammer weiterzuleiten, damit es als Nichtigkeitsbeschwerde bezw. als staatsrechtliche Beschwerde behandelt werde. Unter dem einen wie unter dem anderen Gesichtspunkte könnte darauf nicht eingetreten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 268 ff. BStP) ist nur gegen Urteile, Einstellungsbeschlüsse und Straferkenntnisse gegeben. Ein solcher Entscheid ist bis jetzt nicht ergangen. Auch die staatsrechtliche Beschwerde "wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden" (Art. 84 Abs. 1 lit. d OG) setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verfügung (Entscheid) voraus, und eine Verfügung über die Anerkennung der Gerichtsbarkeit liegt nach der Rechtsprechung der staatsrechtlichen Kammer nicht schon darin, dass ein Beschuldigter dem Gerichte zur Beurteilung überwiesen wird. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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Art. 264 PPF. La Chambre d'accusation n'est pas compétente pour retirer la juridiction à une autorité cantonale et transmettre la cause aux autorités fédérales.
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80 IV 134
Sachverhalt ab Seite 134 Anderhub ersucht mit Eingabe vom 31. August/3. September 1954 die Anklagekammer des Bundesgerichts, die Strafverfolgung wegen Urkundenfälschung, die vor Obergericht des Kantons Solothurn gegen ihn durchgeführt werde, sei gemäss Art. 340 Ziff. 1 Abs. 3 StGB den zuständigen Behörden des Bundes zur Behandlung zu überweisen. Er macht geltend, es werde ihm Fälschung von Urkunden vorgeworfen, die als Bundesurkunden zu betrachten seien. Er habe in verschiedenen Eingaben gegen die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Fälschung von Bundesurkunden durch den Kanton Solothurn protestiert, doch hätten weder der Staatsanwalt noch das Obergericht dazu Stellung genommen. Durch Überweisungsbeschluss vom 14. Juli 1954 sei die behauptete Urkundenfälschung dem Obergericht zur Beurteilung überwiesen worden. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Der Gesuchsteller leitet die Zuständigkeit der Anklagekammer des Bundesgerichts, den solothurnischen Behörden die Gerichtsbarkeit abzusprechen und die Sache den Bundesbehörden zur Behandlung zu überweisen, aus Art. 264 BStP ab. Zu Unrecht. Diese Bestimmung gilt nur für Fälle, in denen der interkantonale Gerichtsstand streitig ist, nicht auch für Streitigkeiten über die Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeit gegenüber der Bundesgerichtsbarkeit. Das ergibt sich schon aus ihrer Stellung im dritten Teil des Gesetzes, der nur "das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind", regelt, und insbesondere aus ihrer Stellung im Abschnitt "III. Besondere Bestimmungen für Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz von kantonalen Behörden zu beurteilen sind". Auch der Wortlaut des Art. 264 bestätigt diesen Sinn. Der Fall, in dem "die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten" wird, wäre nicht mit dem anderen Falle, in dem "der Gerichtsstand unter den Behörden verschiedener Kantone streitig" ist, in ein und demselben Satze geregelt worden, wenn nicht ersterer gleich wie letzterer nur einen Streit über den interkantonalen Gerichtsstand beträfe. Dass dem so ist, geht auch daraus hervor, dass die Anklagekammer "den Kanton" zu bezeichnen hat, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist. Damit stimmt die Entstehungsgeschichte überein. In der ursprünglichen Fassung (vom 15. Juni 1934) war vom Rechte des Beschuldigten, die Gerichtsbarkeit eines Kantons vor der Anklagekammer zu bestreiten, nicht die Rede, und die Revision der Bestimmung durch Art. 168 OG hatte lediglich den Zweck, das Gesetz in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Anklagekammer zu bringen, die dem Beschuldigten schon unter der Herrschaft der alten Fassung das Recht zuerkannte, den interkantonalen Gerichtsstand - und nur diesen - durch sie festsetzen zu lassen. Die Anklagekammer ist daher zur Beurteilung des vorliegenden Gesuches nicht zuständig. 2. Es erübrigt sich, das Gesuch an den Kassationshof des Bundesgerichts oder an die staatsrechtliche Kammer weiterzuleiten, damit es als Nichtigkeitsbeschwerde bezw. als staatsrechtliche Beschwerde behandelt werde. Unter dem einen wie unter dem anderen Gesichtspunkte könnte darauf nicht eingetreten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 268 ff. BStP) ist nur gegen Urteile, Einstellungsbeschlüsse und Straferkenntnisse gegeben. Ein solcher Entscheid ist bis jetzt nicht ergangen. Auch die staatsrechtliche Beschwerde "wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden" (Art. 84 Abs. 1 lit. d OG) setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Verfügung (Entscheid) voraus, und eine Verfügung über die Anerkennung der Gerichtsbarkeit liegt nach der Rechtsprechung der staatsrechtlichen Kammer nicht schon darin, dass ein Beschuldigter dem Gerichte zur Beurteilung überwiesen wird. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
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Art. 264 PPF. La Camera d'accusa non ha la competenza di negare la giurisdizione ad un'autorità cantonale e di trasmettere la causa alle autorità federali.
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IV
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80 IV 137
Sachverhalt ab Seite 137 A.- Am 14. Dezember 1953 verurteilte das Amtsgericht Solothurn-Lebern den in den Vereinigten Staaten von Nordamerika wohnenden Georg von Burg, der zur Hauptverhandlung nicht erschienen, jedoch verteidigt war, wegen Betrugsversuchs zu anderthalb Jahren Gefängnis und wegen Übertretung der Art. 14 und 15 des Bundesratsbeschlusses vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie zu Fr. 1000.-- Busse. Auf die kantonalen Rechtsmittel der Appellation und der Kassation, die der Verteidiger ergriff, trat das Obergericht des Kantons Solothurn durch Entscheid vom 8. Januar 1954 nicht ein, weil nach § 404 in Verbindung mit § 327 StPO ein Kontumazialurteil auf Verlangen des Verurteilten dahinfalle, wenn er sich freiwillig stelle oder verhaftet werde, worauf das ordentliche Verfahren durchzuführen sei; neben diesem einfachen Einspruchsrecht gebe es kein anderes Rechtsmittel. B.- Mit rechtzeitig erklärter und begründeter Nichtigkeitsbeschwerde ficht von Burg das Urteil des Amtsgerichts auch beim Kassationshof des Bundesgerichts an, soweit es die Verurteilung wegen Betrugsversuches betrifft. Er beantragt, es sei aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, ihn in diesem Punkte freizusprechen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Gemäss Art. 268 Abs. 2 BStP ist die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gegen Urteile der Gerichte nur zulässig, wenn sie "nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden können". Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass die Verletzung eidgenössischen Rechts nicht beim Bundesgericht geltend zu machen ist, wenn sie auf einem vom kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Wege gerügt werden kann. Ein kantonales "Rechtsmittel" im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP hat daher nicht nur zur Verfügung, wer eine obere kantonale Instanz anrufen kann, sondern auch der in Abwesenheit Verurteilte, dem das Recht zusteht, die nochmalige Beurteilung durch das gleiche Gericht zu verlangen (für den entsprechenden Fall des Art. 48 OG vgl. BGE 79 II 109 f.). Das gilt jedenfalls dann, wenn das kantonale Recht, wie hier, die Wiedereinsetzung nicht vom Nachweis abhängig macht, dass der Verurteilte sein Nichterscheinen zur Verhandlung nicht verschuldet habe. Ob es, wie § 327 soloth. StPO, eine neue Verhandlung nur zulässt, wenn er sich dem Gerichte stellt oder ergriffen wird, und ob er diese Voraussetzung nur mit grossen Opfern erfüllen kann, ist unerheblich. Art. 268 Abs. 2 BStP frägt nicht darnach, an welche Voraussetzungen das kantonale Prozessrecht die Einlegung des Rechtsmittels knüpft und ob der Partei im einzelnen Falle zugemutet werden kann, sie zu erfüllen; die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist jeder Partei verschlossen, die das Recht hat (oder hatte), die Rüge der Verletzung eidgenössischen Rechts mit einem kantonalen Rechtsmittel zu erheben. Es kommt auch nichts darauf an, ob eine neue Beweisführung überflüssig ist, weil der vom Kläger behauptete Sachverhalt gar nicht Strafe nach sich ziehen kann. Die Auffassung des Beschwerdeführers, in einem solchen Falle müsse die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen werden, weil der Weg über ein Wiedereinsetzungsbegehren ein "unnötig kompliziertes Procedere" wäre, hält nicht stand. Damit hinge die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde von ihrer materiellen Begründetheit ab, sodass der Kassationshof, um die Eintretensfrage zu entscheiden, prüfen müsste, ob die Beschwerde materiell begründet sei. Es wäre dann auch nicht einzusehen, weshalb nicht auch in anderen Fällen, in denen der Ankläger einen Sachverhalt behauptet hat, der Strafe nicht nach sich ziehen kann, die Nichtigkeitsbeschwerde ohne Erschöpfung der kantonalen Rechtsmittel zuzulassen wäre; denn hier wäre eine andere Lösung nicht weniger unnötige Weitläufigkeit. Art. 268 Abs. 2 BStP, der die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nur als letzten und damit im Verhältnis zu den kantonalen Rechtsmitteln subsidiären Rechtsbehelf kennt - ein Gedanke, der übrigens auch in Art. 275 BStP zum Ausdruck kommt -, lässt indes die vom Beschwerdeführer befürwortete und weitere Ausnahmen nicht zu. Ein in Abwesenheit Verurteilter hat von der Möglichkeit, die Wiedereinsetzung zu verlangen, nicht nur Gebrauch zu machen, wenn er den vom Kläger behaupteten oder im Urteil festgestellten Sachverhalt bestreitet, sondern auch, wenn er geltend machen will, dieser Tatbestand könne Strafe nicht nach sich ziehen. Erst wenn er das getan und alle weiteren kantonalen Rechtsmittel, mit denen die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann, erschöpft hat, steht ihm die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu. Diesen Sinn hatten schon Art. 160 und 162 des Organisationsgesetzes von 1893 (BGE 34 I 797). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 268 Abs. 2 BStP. Einem in Abwesenheit Verurteilten steht die Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls dann nicht zu, wenn er die Wiedereinsetzung verlangen kann, ohne nachweisen zu müssen, dass er sein Nichterscheinen zur Verhandlung nicht verschuldet habe.
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80 IV 137
Sachverhalt ab Seite 137 A.- Am 14. Dezember 1953 verurteilte das Amtsgericht Solothurn-Lebern den in den Vereinigten Staaten von Nordamerika wohnenden Georg von Burg, der zur Hauptverhandlung nicht erschienen, jedoch verteidigt war, wegen Betrugsversuchs zu anderthalb Jahren Gefängnis und wegen Übertretung der Art. 14 und 15 des Bundesratsbeschlusses vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie zu Fr. 1000.-- Busse. Auf die kantonalen Rechtsmittel der Appellation und der Kassation, die der Verteidiger ergriff, trat das Obergericht des Kantons Solothurn durch Entscheid vom 8. Januar 1954 nicht ein, weil nach § 404 in Verbindung mit § 327 StPO ein Kontumazialurteil auf Verlangen des Verurteilten dahinfalle, wenn er sich freiwillig stelle oder verhaftet werde, worauf das ordentliche Verfahren durchzuführen sei; neben diesem einfachen Einspruchsrecht gebe es kein anderes Rechtsmittel. B.- Mit rechtzeitig erklärter und begründeter Nichtigkeitsbeschwerde ficht von Burg das Urteil des Amtsgerichts auch beim Kassationshof des Bundesgerichts an, soweit es die Verurteilung wegen Betrugsversuches betrifft. Er beantragt, es sei aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, ihn in diesem Punkte freizusprechen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Gemäss Art. 268 Abs. 2 BStP ist die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gegen Urteile der Gerichte nur zulässig, wenn sie "nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden können". Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass die Verletzung eidgenössischen Rechts nicht beim Bundesgericht geltend zu machen ist, wenn sie auf einem vom kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Wege gerügt werden kann. Ein kantonales "Rechtsmittel" im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP hat daher nicht nur zur Verfügung, wer eine obere kantonale Instanz anrufen kann, sondern auch der in Abwesenheit Verurteilte, dem das Recht zusteht, die nochmalige Beurteilung durch das gleiche Gericht zu verlangen (für den entsprechenden Fall des Art. 48 OG vgl. BGE 79 II 109 f.). Das gilt jedenfalls dann, wenn das kantonale Recht, wie hier, die Wiedereinsetzung nicht vom Nachweis abhängig macht, dass der Verurteilte sein Nichterscheinen zur Verhandlung nicht verschuldet habe. Ob es, wie § 327 soloth. StPO, eine neue Verhandlung nur zulässt, wenn er sich dem Gerichte stellt oder ergriffen wird, und ob er diese Voraussetzung nur mit grossen Opfern erfüllen kann, ist unerheblich. Art. 268 Abs. 2 BStP frägt nicht darnach, an welche Voraussetzungen das kantonale Prozessrecht die Einlegung des Rechtsmittels knüpft und ob der Partei im einzelnen Falle zugemutet werden kann, sie zu erfüllen; die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist jeder Partei verschlossen, die das Recht hat (oder hatte), die Rüge der Verletzung eidgenössischen Rechts mit einem kantonalen Rechtsmittel zu erheben. Es kommt auch nichts darauf an, ob eine neue Beweisführung überflüssig ist, weil der vom Kläger behauptete Sachverhalt gar nicht Strafe nach sich ziehen kann. Die Auffassung des Beschwerdeführers, in einem solchen Falle müsse die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen werden, weil der Weg über ein Wiedereinsetzungsbegehren ein "unnötig kompliziertes Procedere" wäre, hält nicht stand. Damit hinge die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde von ihrer materiellen Begründetheit ab, sodass der Kassationshof, um die Eintretensfrage zu entscheiden, prüfen müsste, ob die Beschwerde materiell begründet sei. Es wäre dann auch nicht einzusehen, weshalb nicht auch in anderen Fällen, in denen der Ankläger einen Sachverhalt behauptet hat, der Strafe nicht nach sich ziehen kann, die Nichtigkeitsbeschwerde ohne Erschöpfung der kantonalen Rechtsmittel zuzulassen wäre; denn hier wäre eine andere Lösung nicht weniger unnötige Weitläufigkeit. Art. 268 Abs. 2 BStP, der die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nur als letzten und damit im Verhältnis zu den kantonalen Rechtsmitteln subsidiären Rechtsbehelf kennt - ein Gedanke, der übrigens auch in Art. 275 BStP zum Ausdruck kommt -, lässt indes die vom Beschwerdeführer befürwortete und weitere Ausnahmen nicht zu. Ein in Abwesenheit Verurteilter hat von der Möglichkeit, die Wiedereinsetzung zu verlangen, nicht nur Gebrauch zu machen, wenn er den vom Kläger behaupteten oder im Urteil festgestellten Sachverhalt bestreitet, sondern auch, wenn er geltend machen will, dieser Tatbestand könne Strafe nicht nach sich ziehen. Erst wenn er das getan und alle weiteren kantonalen Rechtsmittel, mit denen die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann, erschöpft hat, steht ihm die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu. Diesen Sinn hatten schon Art. 160 und 162 des Organisationsgesetzes von 1893 (BGE 34 I 797). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 268 al. 2 PPF. Celui qui a été condamné par contumace ne saurait en tout cas se pourvoir en nullité lorsqu'il peut obtenir le relief du jugement sans établir qu'il n'est pas responsable de son défaut à l'audience.
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80 IV 137
Sachverhalt ab Seite 137 A.- Am 14. Dezember 1953 verurteilte das Amtsgericht Solothurn-Lebern den in den Vereinigten Staaten von Nordamerika wohnenden Georg von Burg, der zur Hauptverhandlung nicht erschienen, jedoch verteidigt war, wegen Betrugsversuchs zu anderthalb Jahren Gefängnis und wegen Übertretung der Art. 14 und 15 des Bundesratsbeschlusses vom 23. Dezember 1948 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie zu Fr. 1000.-- Busse. Auf die kantonalen Rechtsmittel der Appellation und der Kassation, die der Verteidiger ergriff, trat das Obergericht des Kantons Solothurn durch Entscheid vom 8. Januar 1954 nicht ein, weil nach § 404 in Verbindung mit § 327 StPO ein Kontumazialurteil auf Verlangen des Verurteilten dahinfalle, wenn er sich freiwillig stelle oder verhaftet werde, worauf das ordentliche Verfahren durchzuführen sei; neben diesem einfachen Einspruchsrecht gebe es kein anderes Rechtsmittel. B.- Mit rechtzeitig erklärter und begründeter Nichtigkeitsbeschwerde ficht von Burg das Urteil des Amtsgerichts auch beim Kassationshof des Bundesgerichts an, soweit es die Verurteilung wegen Betrugsversuches betrifft. Er beantragt, es sei aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, ihn in diesem Punkte freizusprechen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Gemäss Art. 268 Abs. 2 BStP ist die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gegen Urteile der Gerichte nur zulässig, wenn sie "nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden können". Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass die Verletzung eidgenössischen Rechts nicht beim Bundesgericht geltend zu machen ist, wenn sie auf einem vom kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Wege gerügt werden kann. Ein kantonales "Rechtsmittel" im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP hat daher nicht nur zur Verfügung, wer eine obere kantonale Instanz anrufen kann, sondern auch der in Abwesenheit Verurteilte, dem das Recht zusteht, die nochmalige Beurteilung durch das gleiche Gericht zu verlangen (für den entsprechenden Fall des Art. 48 OG vgl. BGE 79 II 109 f.). Das gilt jedenfalls dann, wenn das kantonale Recht, wie hier, die Wiedereinsetzung nicht vom Nachweis abhängig macht, dass der Verurteilte sein Nichterscheinen zur Verhandlung nicht verschuldet habe. Ob es, wie § 327 soloth. StPO, eine neue Verhandlung nur zulässt, wenn er sich dem Gerichte stellt oder ergriffen wird, und ob er diese Voraussetzung nur mit grossen Opfern erfüllen kann, ist unerheblich. Art. 268 Abs. 2 BStP frägt nicht darnach, an welche Voraussetzungen das kantonale Prozessrecht die Einlegung des Rechtsmittels knüpft und ob der Partei im einzelnen Falle zugemutet werden kann, sie zu erfüllen; die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist jeder Partei verschlossen, die das Recht hat (oder hatte), die Rüge der Verletzung eidgenössischen Rechts mit einem kantonalen Rechtsmittel zu erheben. Es kommt auch nichts darauf an, ob eine neue Beweisführung überflüssig ist, weil der vom Kläger behauptete Sachverhalt gar nicht Strafe nach sich ziehen kann. Die Auffassung des Beschwerdeführers, in einem solchen Falle müsse die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen werden, weil der Weg über ein Wiedereinsetzungsbegehren ein "unnötig kompliziertes Procedere" wäre, hält nicht stand. Damit hinge die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde von ihrer materiellen Begründetheit ab, sodass der Kassationshof, um die Eintretensfrage zu entscheiden, prüfen müsste, ob die Beschwerde materiell begründet sei. Es wäre dann auch nicht einzusehen, weshalb nicht auch in anderen Fällen, in denen der Ankläger einen Sachverhalt behauptet hat, der Strafe nicht nach sich ziehen kann, die Nichtigkeitsbeschwerde ohne Erschöpfung der kantonalen Rechtsmittel zuzulassen wäre; denn hier wäre eine andere Lösung nicht weniger unnötige Weitläufigkeit. Art. 268 Abs. 2 BStP, der die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nur als letzten und damit im Verhältnis zu den kantonalen Rechtsmitteln subsidiären Rechtsbehelf kennt - ein Gedanke, der übrigens auch in Art. 275 BStP zum Ausdruck kommt -, lässt indes die vom Beschwerdeführer befürwortete und weitere Ausnahmen nicht zu. Ein in Abwesenheit Verurteilter hat von der Möglichkeit, die Wiedereinsetzung zu verlangen, nicht nur Gebrauch zu machen, wenn er den vom Kläger behaupteten oder im Urteil festgestellten Sachverhalt bestreitet, sondern auch, wenn er geltend machen will, dieser Tatbestand könne Strafe nicht nach sich ziehen. Erst wenn er das getan und alle weiteren kantonalen Rechtsmittel, mit denen die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann, erschöpft hat, steht ihm die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu. Diesen Sinn hatten schon Art. 160 und 162 des Organisationsgesetzes von 1893 (BGE 34 I 797). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 268 cp. 2 PPF. Il condannato in contumacia non può interporre ricorso per cassazione, in tutti casi quando può chiedere la revoca della sentenza contumaciale senza dover dimostrare che non è responsabile della sua assenza all'udienza.
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80 IV 140
Sachverhalt ab Seite 140 A.- Sur plainte d'Henri Cornu, le Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle a infligé à Adrien Veillon et à Franz Meli 75 jours d'emprisonnement sans sursis, pour calomnie et injure. Ida Veillon fut reconnue coupable de complicité à ces délits et condamnée à un mois d'emprisonnement avec sursis et à 1000 fr. d'amende. La Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a maintenu ce jugement par arrêt du 26 janvier 1953. Les condamnés s'étant pourvus en nullité à la Cour de cassation fédérale, celle-ci a, le 18 décembre 1953, annulé l'arrêt cantonal et renvoyé la cause à la juridiction vaudoise, pour qu'elle acquittât Ida Veillon et mît Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis. B.- Le 15 février 1954, la Cour de cassation cantonale a rendu un nouvel arrêt, par lequel elle maintenait derechef le jugement du Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle. C.- Les trois condamnés se pourvoient de nouveau en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Ils concluent à l'annulation de l'arrêt cantonal du 15 février 1954 et au renvoi de la cause à l'autorité vaudoise, pour qu'elle acquitte Ida Veillon et accorde le bénéfice du sursis à Adrien Veillon et à Franz Meli. Le plaignant Cornu conclut au rejet des pourvois et le Ministère public se rapporte à justice. Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l'art. 277 ter PPF, la Cour de cassation fédérale, si elle juge le pourvoi fondé en ce qui concerne l'action pénale, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau; celle-ci doit fonder sa décision sur les considérants de droit de l'arrêt de cassation. Dans une jurisprudence constante, la Cour de cassation du Tribunal fédéral considère que, lorsqu'elle admet le pourvoi et renvoie la cause au juge cantonal, elle a la faculté d'indiquer dans le dispositif de son arrêt le sens dans lequel le nouveau jugement devra être rendu (cf. par exemple RO 79 IV 73, 133 et 156). Cette pratique n'est nullement inconciliable avec le caractère cassatoire du pourvoi en nullité. Lorsque les faits ne doivent pas être complétés par la juridiction cantonale, celle-ci, qui est liée par les considérants de droit de l'arrêt de cassation, ne peut statuer que dans le sens voulu par l'autorité fédérale. Aussi est-il naturel que cette dernière le précise dans le dispositif de son prononcé, ce point du dispositif constituant alors le résumé et la conclusion des considérants juridiques qui lient le juge cantonal. Du reste, la Cour de cassation pénale vaudoise ne conteste pas cette faculté à la Cour fédérale. 2. En revanche, elle souligne qu'en vertu de l'art. 277 bis PPF, la Cour de cassation fédérale est liée par les constatations de l'autorité cantonale. Cette disposition, dit-elle, doit être rapprochée de l'art. 277 ter, par lequel le législateur a retiré à la juridiction fédérale le droit de statuer au fond lorsqu'elle admet le pourvoi, même si sa décision aboutit à un acquittement; dans ce cas, la cause doit donc toujours être renvoyée au juge cantonal, qui continue à porter, dans le jugement à rendre, la responsabilité de la partie relative aux faits; or il ne peut assumer cette responsabilité que si les faits sur lesquels s'est fondée la Cour fédérale sont identiques à ceux qu'il a constatés lui-même; il a donc le droit de vérifier si cette condition est remplie; quand elle ne l'est pas, il ne saurait être lié par les considérants de droit de l'arrêt fédéral. Cette argumentation est erronée. En premier lieu, la Cour de cassation vaudoise croit à tort qu'en ordonnant toujours le renvoi de la cause en cas d'admission du pourvoi, le législateur a voulu sauvegarder l'indépendance du juge cantonal. Cette règle remonte à l'arrêté fédéral du 11 décembre 1941 modifiant à titre provisoire l'organisation judiciaire fédérale. Elle ne fut alors édictée que pour rendre au pourvoi en nullité son caractère de moyen de cassation et permettre ainsi une reprise ultérieure de la procédure aux dépens de l'accusé, ainsi que l'application des prescriptions cantonales suivant lesquelles l'accusé acquitté peut être tenu de payer tout ou partie des frais de procédure (cf. message du Conseil fédéral du 10 octobre 1941, FF 1941 p. 785). En 1943, cette réglementation a été insérée sans discussion dans la loi fédérale sur la procédure pénale, de sorte qu'on peut admettre que les motifs invoqués à l'appui de la modification de 1941 étaient encore valables deux ans plus tard. En particulier, c'est en vain que la juridiction cantonale arguë de certaines déclarations faites en 1943 devant le Conseil des Etats à propos des art. 64 et 66 OJ; elle perd de vue que ces dispositions concernent seulement le renvoi de l'affaire au juge civil cantonal pour qu'il complète l'état de fait et qu'elles ne correspondent donc nullement à l'art. 277 ter PPF. D'autre part, la Cour de cassation fédérale est certes liée par les faits qu'a constatés le juge cantonal. Mais elle leur applique librement la loi et ses considérants - de même que la conclusion qu'elle en tire dans son dispositif - règlent définitivement le cas concret et excluent toute autre décision. Elle-même ne saurait plus rien y changer après coup. Sans doute l'art. 136 litt. d OJ dispose-t-il qu'il y a ouverture à revision lorsque, par inadvertance, le tribunal n'a pas apprécié des faits importants qui ressortent du dossier. Mais cette disposition n'est pas applicable aux arrêts rendus sur l'action pénale par les autorités fédérales de répression (art. 139 i. f. OJ) et la loi fédérale sur la procédure pénale ne prévoit aucune possibilité de revision. On doit en conclure que la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral ne peut plus revenir sur ses arrêts, même s'ils reposent sur des erreurs de fait ou des inadvertances manifestes. La juridiction cantonale ne saurait donc, à plus forte raison, revoir un arrêt fédéral sur la question des faits et, selon le résultat de son examen, refuser de se soumettre aux instructions obligatoires que ce prononcé contient (cf. arrêts Bossard du 13 septembre 1946 et Roth du 12 février 1952). 3. Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de juger si, comme le prétend l'autorité vaudoise, la Cour de cassation fédérale a fondé son arrêt du 18 décembre 1953 sur des faits différents de ceux que la juridiction cantonale avait admis. Le nouvel arrêt attaqué doit donc être annulé. La cause est renvoyée à la Cour de cassation vaudoise pour qu'elle statue dans le sens que l'autorité fédérale lui a indiqué par son premier arrêt. Dispositiv Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce: Les pourvois sont admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale: a) pour qu'elle acquitte la recourante Ida Veillon; b) pour qu'elle mette les recourants Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis.
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Art. 277 bis Abs. 1, 277 ter BStP. Der kantonale Richter ist immer an den Schluss gebunden, den der Kassationshof des Bundesgerichts für den betreffenden Fall aus seinen rechtlichen Erwägungen zieht. Er darf nicht prüfen, ob die Bundesbehörde sich wirklich auf die von ihm festgestellten Tatsachen gestützt hat.
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80 IV 140
Sachverhalt ab Seite 140 A.- Sur plainte d'Henri Cornu, le Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle a infligé à Adrien Veillon et à Franz Meli 75 jours d'emprisonnement sans sursis, pour calomnie et injure. Ida Veillon fut reconnue coupable de complicité à ces délits et condamnée à un mois d'emprisonnement avec sursis et à 1000 fr. d'amende. La Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a maintenu ce jugement par arrêt du 26 janvier 1953. Les condamnés s'étant pourvus en nullité à la Cour de cassation fédérale, celle-ci a, le 18 décembre 1953, annulé l'arrêt cantonal et renvoyé la cause à la juridiction vaudoise, pour qu'elle acquittât Ida Veillon et mît Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis. B.- Le 15 février 1954, la Cour de cassation cantonale a rendu un nouvel arrêt, par lequel elle maintenait derechef le jugement du Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle. C.- Les trois condamnés se pourvoient de nouveau en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Ils concluent à l'annulation de l'arrêt cantonal du 15 février 1954 et au renvoi de la cause à l'autorité vaudoise, pour qu'elle acquitte Ida Veillon et accorde le bénéfice du sursis à Adrien Veillon et à Franz Meli. Le plaignant Cornu conclut au rejet des pourvois et le Ministère public se rapporte à justice. Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l'art. 277 ter PPF, la Cour de cassation fédérale, si elle juge le pourvoi fondé en ce qui concerne l'action pénale, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau; celle-ci doit fonder sa décision sur les considérants de droit de l'arrêt de cassation. Dans une jurisprudence constante, la Cour de cassation du Tribunal fédéral considère que, lorsqu'elle admet le pourvoi et renvoie la cause au juge cantonal, elle a la faculté d'indiquer dans le dispositif de son arrêt le sens dans lequel le nouveau jugement devra être rendu (cf. par exemple RO 79 IV 73, 133 et 156). Cette pratique n'est nullement inconciliable avec le caractère cassatoire du pourvoi en nullité. Lorsque les faits ne doivent pas être complétés par la juridiction cantonale, celle-ci, qui est liée par les considérants de droit de l'arrêt de cassation, ne peut statuer que dans le sens voulu par l'autorité fédérale. Aussi est-il naturel que cette dernière le précise dans le dispositif de son prononcé, ce point du dispositif constituant alors le résumé et la conclusion des considérants juridiques qui lient le juge cantonal. Du reste, la Cour de cassation pénale vaudoise ne conteste pas cette faculté à la Cour fédérale. 2. En revanche, elle souligne qu'en vertu de l'art. 277 bis PPF, la Cour de cassation fédérale est liée par les constatations de l'autorité cantonale. Cette disposition, dit-elle, doit être rapprochée de l'art. 277 ter, par lequel le législateur a retiré à la juridiction fédérale le droit de statuer au fond lorsqu'elle admet le pourvoi, même si sa décision aboutit à un acquittement; dans ce cas, la cause doit donc toujours être renvoyée au juge cantonal, qui continue à porter, dans le jugement à rendre, la responsabilité de la partie relative aux faits; or il ne peut assumer cette responsabilité que si les faits sur lesquels s'est fondée la Cour fédérale sont identiques à ceux qu'il a constatés lui-même; il a donc le droit de vérifier si cette condition est remplie; quand elle ne l'est pas, il ne saurait être lié par les considérants de droit de l'arrêt fédéral. Cette argumentation est erronée. En premier lieu, la Cour de cassation vaudoise croit à tort qu'en ordonnant toujours le renvoi de la cause en cas d'admission du pourvoi, le législateur a voulu sauvegarder l'indépendance du juge cantonal. Cette règle remonte à l'arrêté fédéral du 11 décembre 1941 modifiant à titre provisoire l'organisation judiciaire fédérale. Elle ne fut alors édictée que pour rendre au pourvoi en nullité son caractère de moyen de cassation et permettre ainsi une reprise ultérieure de la procédure aux dépens de l'accusé, ainsi que l'application des prescriptions cantonales suivant lesquelles l'accusé acquitté peut être tenu de payer tout ou partie des frais de procédure (cf. message du Conseil fédéral du 10 octobre 1941, FF 1941 p. 785). En 1943, cette réglementation a été insérée sans discussion dans la loi fédérale sur la procédure pénale, de sorte qu'on peut admettre que les motifs invoqués à l'appui de la modification de 1941 étaient encore valables deux ans plus tard. En particulier, c'est en vain que la juridiction cantonale arguë de certaines déclarations faites en 1943 devant le Conseil des Etats à propos des art. 64 et 66 OJ; elle perd de vue que ces dispositions concernent seulement le renvoi de l'affaire au juge civil cantonal pour qu'il complète l'état de fait et qu'elles ne correspondent donc nullement à l'art. 277 ter PPF. D'autre part, la Cour de cassation fédérale est certes liée par les faits qu'a constatés le juge cantonal. Mais elle leur applique librement la loi et ses considérants - de même que la conclusion qu'elle en tire dans son dispositif - règlent définitivement le cas concret et excluent toute autre décision. Elle-même ne saurait plus rien y changer après coup. Sans doute l'art. 136 litt. d OJ dispose-t-il qu'il y a ouverture à revision lorsque, par inadvertance, le tribunal n'a pas apprécié des faits importants qui ressortent du dossier. Mais cette disposition n'est pas applicable aux arrêts rendus sur l'action pénale par les autorités fédérales de répression (art. 139 i. f. OJ) et la loi fédérale sur la procédure pénale ne prévoit aucune possibilité de revision. On doit en conclure que la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral ne peut plus revenir sur ses arrêts, même s'ils reposent sur des erreurs de fait ou des inadvertances manifestes. La juridiction cantonale ne saurait donc, à plus forte raison, revoir un arrêt fédéral sur la question des faits et, selon le résultat de son examen, refuser de se soumettre aux instructions obligatoires que ce prononcé contient (cf. arrêts Bossard du 13 septembre 1946 et Roth du 12 février 1952). 3. Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de juger si, comme le prétend l'autorité vaudoise, la Cour de cassation fédérale a fondé son arrêt du 18 décembre 1953 sur des faits différents de ceux que la juridiction cantonale avait admis. Le nouvel arrêt attaqué doit donc être annulé. La cause est renvoyée à la Cour de cassation vaudoise pour qu'elle statue dans le sens que l'autorité fédérale lui a indiqué par son premier arrêt. Dispositiv Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce: Les pourvois sont admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale: a) pour qu'elle acquitte la recourante Ida Veillon; b) pour qu'elle mette les recourants Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis.
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Art. 277 bis al. 1 et 277 ter PPF. Le juge cantonal est toujours lié par la conclusion que la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral tire de ses considérants de droit pour le cas d'espèce. Il ne peut contrôler si l'autorité fédérale s'est bien fondée sur les faits qu'il a constatés.
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80 IV 140
Sachverhalt ab Seite 140 A.- Sur plainte d'Henri Cornu, le Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle a infligé à Adrien Veillon et à Franz Meli 75 jours d'emprisonnement sans sursis, pour calomnie et injure. Ida Veillon fut reconnue coupable de complicité à ces délits et condamnée à un mois d'emprisonnement avec sursis et à 1000 fr. d'amende. La Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a maintenu ce jugement par arrêt du 26 janvier 1953. Les condamnés s'étant pourvus en nullité à la Cour de cassation fédérale, celle-ci a, le 18 décembre 1953, annulé l'arrêt cantonal et renvoyé la cause à la juridiction vaudoise, pour qu'elle acquittât Ida Veillon et mît Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis. B.- Le 15 février 1954, la Cour de cassation cantonale a rendu un nouvel arrêt, par lequel elle maintenait derechef le jugement du Tribunal de police correctionnelle du district d'Aigle. C.- Les trois condamnés se pourvoient de nouveau en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Ils concluent à l'annulation de l'arrêt cantonal du 15 février 1954 et au renvoi de la cause à l'autorité vaudoise, pour qu'elle acquitte Ida Veillon et accorde le bénéfice du sursis à Adrien Veillon et à Franz Meli. Le plaignant Cornu conclut au rejet des pourvois et le Ministère public se rapporte à justice. Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l'art. 277 ter PPF, la Cour de cassation fédérale, si elle juge le pourvoi fondé en ce qui concerne l'action pénale, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'il soit statué à nouveau; celle-ci doit fonder sa décision sur les considérants de droit de l'arrêt de cassation. Dans une jurisprudence constante, la Cour de cassation du Tribunal fédéral considère que, lorsqu'elle admet le pourvoi et renvoie la cause au juge cantonal, elle a la faculté d'indiquer dans le dispositif de son arrêt le sens dans lequel le nouveau jugement devra être rendu (cf. par exemple RO 79 IV 73, 133 et 156). Cette pratique n'est nullement inconciliable avec le caractère cassatoire du pourvoi en nullité. Lorsque les faits ne doivent pas être complétés par la juridiction cantonale, celle-ci, qui est liée par les considérants de droit de l'arrêt de cassation, ne peut statuer que dans le sens voulu par l'autorité fédérale. Aussi est-il naturel que cette dernière le précise dans le dispositif de son prononcé, ce point du dispositif constituant alors le résumé et la conclusion des considérants juridiques qui lient le juge cantonal. Du reste, la Cour de cassation pénale vaudoise ne conteste pas cette faculté à la Cour fédérale. 2. En revanche, elle souligne qu'en vertu de l'art. 277 bis PPF, la Cour de cassation fédérale est liée par les constatations de l'autorité cantonale. Cette disposition, dit-elle, doit être rapprochée de l'art. 277 ter, par lequel le législateur a retiré à la juridiction fédérale le droit de statuer au fond lorsqu'elle admet le pourvoi, même si sa décision aboutit à un acquittement; dans ce cas, la cause doit donc toujours être renvoyée au juge cantonal, qui continue à porter, dans le jugement à rendre, la responsabilité de la partie relative aux faits; or il ne peut assumer cette responsabilité que si les faits sur lesquels s'est fondée la Cour fédérale sont identiques à ceux qu'il a constatés lui-même; il a donc le droit de vérifier si cette condition est remplie; quand elle ne l'est pas, il ne saurait être lié par les considérants de droit de l'arrêt fédéral. Cette argumentation est erronée. En premier lieu, la Cour de cassation vaudoise croit à tort qu'en ordonnant toujours le renvoi de la cause en cas d'admission du pourvoi, le législateur a voulu sauvegarder l'indépendance du juge cantonal. Cette règle remonte à l'arrêté fédéral du 11 décembre 1941 modifiant à titre provisoire l'organisation judiciaire fédérale. Elle ne fut alors édictée que pour rendre au pourvoi en nullité son caractère de moyen de cassation et permettre ainsi une reprise ultérieure de la procédure aux dépens de l'accusé, ainsi que l'application des prescriptions cantonales suivant lesquelles l'accusé acquitté peut être tenu de payer tout ou partie des frais de procédure (cf. message du Conseil fédéral du 10 octobre 1941, FF 1941 p. 785). En 1943, cette réglementation a été insérée sans discussion dans la loi fédérale sur la procédure pénale, de sorte qu'on peut admettre que les motifs invoqués à l'appui de la modification de 1941 étaient encore valables deux ans plus tard. En particulier, c'est en vain que la juridiction cantonale arguë de certaines déclarations faites en 1943 devant le Conseil des Etats à propos des art. 64 et 66 OJ; elle perd de vue que ces dispositions concernent seulement le renvoi de l'affaire au juge civil cantonal pour qu'il complète l'état de fait et qu'elles ne correspondent donc nullement à l'art. 277 ter PPF. D'autre part, la Cour de cassation fédérale est certes liée par les faits qu'a constatés le juge cantonal. Mais elle leur applique librement la loi et ses considérants - de même que la conclusion qu'elle en tire dans son dispositif - règlent définitivement le cas concret et excluent toute autre décision. Elle-même ne saurait plus rien y changer après coup. Sans doute l'art. 136 litt. d OJ dispose-t-il qu'il y a ouverture à revision lorsque, par inadvertance, le tribunal n'a pas apprécié des faits importants qui ressortent du dossier. Mais cette disposition n'est pas applicable aux arrêts rendus sur l'action pénale par les autorités fédérales de répression (art. 139 i. f. OJ) et la loi fédérale sur la procédure pénale ne prévoit aucune possibilité de revision. On doit en conclure que la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral ne peut plus revenir sur ses arrêts, même s'ils reposent sur des erreurs de fait ou des inadvertances manifestes. La juridiction cantonale ne saurait donc, à plus forte raison, revoir un arrêt fédéral sur la question des faits et, selon le résultat de son examen, refuser de se soumettre aux instructions obligatoires que ce prononcé contient (cf. arrêts Bossard du 13 septembre 1946 et Roth du 12 février 1952). 3. Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de juger si, comme le prétend l'autorité vaudoise, la Cour de cassation fédérale a fondé son arrêt du 18 décembre 1953 sur des faits différents de ceux que la juridiction cantonale avait admis. Le nouvel arrêt attaqué doit donc être annulé. La cause est renvoyée à la Cour de cassation vaudoise pour qu'elle statue dans le sens que l'autorité fédérale lui a indiqué par son premier arrêt. Dispositiv Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce: Les pourvois sont admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à la juridiction cantonale: a) pour qu'elle acquitte la recourante Ida Veillon; b) pour qu'elle mette les recourants Adrien Veillon et Franz Meli au bénéfice du sursis.
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Art. 277 bis cp. 1 e 277 ter PPF. Il giudice cantonale è sempre vincolato dalla conclusione che la Corte di cassazione penale del Tribunale federale ha tratta dai suoi considerandi di diritto pel caso concreto. Non può sindacare se l'autorità federale si sia effettivamente basata sui fatti da lui accertati.
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80 IV 145
Erwägungen ab Seite 145 Aus den Erwägungen: Ist davon auszugehen, dass das amtliche Verfahren zu Recht angeordnet worden ist, so dringt die Beschwerdeführerin auch mit der Rüge nicht durch, der Strafantrag sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Ein unter dem Gesichtspunkt des eidgenössischen Rechts (Art. 28, 29 StGB) gültiger Strafantrag liegt vor, wenn der Antragsberechtigte vor Ablauf von drei Monaten, die mit dem Tage zu laufen beginnen, an dem ihm der Täter bekannt wird, bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde in der vom kantonalen Recht verlangten Form vorbehaltlos den Willen erklärt, dass die Strafverfolgung stattfinden solle, und zwar so, dass auf diese Erklärung hin nach kanto alem Recht das Verfahren auch tatsächlich in Gang kommt und ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nimmt (vgl. BGE 68 IV 100, BGE 69 IV 198, BGE 71 IV 66, 227, BGE 74 IV 10, BGE 78 IV 49). Diese Voraussetzungen sind mit dem Begehren Zinnikers an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 1951 um Anordnung des amtlichen Verfahrens alle erfüllt worden. Es enthielt die vorbehaltlose Willenserklärung des Gesuchstellers, dass die Strafverfolgung durchgeführt werden solle. Dass Zinniker damals verlangte, die Behörden sollten "den Einsender respektive die Redaktion respektive den Drucker" zur Rechenschaft ziehen, machte die Erklärung nicht zu einer an Vorbehalte geknüpften. Freilich kam in dieser Wendung zum Ausdruck, dass der Redaktor nur verfolgt werden solle, wenn der Einsender (Verfasser) nicht belangt werden könne. Diese Einschränkung entsprach aber dem Gesetze (Art. 27 Ziff. 3 StGB), war nicht vom Willen des Antragstellers abhängig. Zinniker brachte damit zum Ausdruck, dass er die Verfolgung des Redaktors schon jetzt (vorbehaltlos) verlange für den Fall, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu dessen Verfolgung erfüllt sein sollten. Fragen könnte sich nur, ob diese Willenserklärung nicht verfrüht gewesen sei, solange nicht feststand, dass die Verfolgung des Verfassers entfalle. Indem Art. 29 StGB die Antragsfrist mit dem Tage beginnen lässt, "an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird", legt er indessen lediglich fest, dass drei Monate später das Antragsrecht erlischt, nicht auch, dass vor dem erwähnten Tage (Bekanntwerden des Täters) ein Antrag gültig nicht gestellt werden könne. Die Rechtsprechung hat daher stets zugelassen, dass der Verletzte Strafantrag schon stelle, bevor er den Täter kennt (BGE 68 IV 101, BGE 71 IV 230 Erw. 1, BGE 73 IV 72). Aus der gleichen Überlegung steht nichts im Wege, dass gegen den Redaktor einer Zeitung oder Zeitschrift Strafantrag gestellt werde, bevor feststeht, dass der Verfasser des Artikels nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann oder dass die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden hat. An der in BGE 70 IV 149 nebenbei geäusserten Auffassung, dass nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen zur Verfolgung des Redaktors noch nicht erfüllt seien, gegen diesen eventualiter Strafantrag gestellt werden könne, weil das Strafgesetzbuch nur das bedingungslose Begehren um Bestrafung als gültigen Strafantrag anerkenne, kann nicht festgehalten werden, da, wie gesagt, von einem bloss bedingten Strafantrag nicht die Rede sein kann, wenn der Antragsteller, was sich von selbst versteht, Verfolgung nur für den Fall verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Belangung der betreffenden Person erfüllt seien. Dass das Begehren Zinnikers vom 10. Dezember 1951 entsprechend den Vorschriften des kantonalen Rechts am richtigen Ort und in der richtigen Form gestellt worden ist und geeignet war, die Verfolgung der Beschwerdeführerin ohne weitere Erklärung des Verletzten in Gang zu bringen und ihren Lauf nehmen zu lassen, steht ebenfalls fest; die dahin gehende Auffassung des Kantonsgerichts beruht auf der Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechts und ist daher vom Kassationshof nicht zu überprüfen (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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Art. 27 Ziff. 3, Art. 29 StGB. Verfolgung des Redaktors kann für den Fall, dass die Voraussetzungen zu seiner Belangung erfüllt seien, schon beantragt werden, bevor feststeht, dass der Verfasser des Artikels nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann oder dass die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden hat.
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Erwägungen ab Seite 145 Aus den Erwägungen: Ist davon auszugehen, dass das amtliche Verfahren zu Recht angeordnet worden ist, so dringt die Beschwerdeführerin auch mit der Rüge nicht durch, der Strafantrag sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Ein unter dem Gesichtspunkt des eidgenössischen Rechts (Art. 28, 29 StGB) gültiger Strafantrag liegt vor, wenn der Antragsberechtigte vor Ablauf von drei Monaten, die mit dem Tage zu laufen beginnen, an dem ihm der Täter bekannt wird, bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde in der vom kantonalen Recht verlangten Form vorbehaltlos den Willen erklärt, dass die Strafverfolgung stattfinden solle, und zwar so, dass auf diese Erklärung hin nach kanto alem Recht das Verfahren auch tatsächlich in Gang kommt und ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nimmt (vgl. BGE 68 IV 100, BGE 69 IV 198, BGE 71 IV 66, 227, BGE 74 IV 10, BGE 78 IV 49). Diese Voraussetzungen sind mit dem Begehren Zinnikers an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 1951 um Anordnung des amtlichen Verfahrens alle erfüllt worden. Es enthielt die vorbehaltlose Willenserklärung des Gesuchstellers, dass die Strafverfolgung durchgeführt werden solle. Dass Zinniker damals verlangte, die Behörden sollten "den Einsender respektive die Redaktion respektive den Drucker" zur Rechenschaft ziehen, machte die Erklärung nicht zu einer an Vorbehalte geknüpften. Freilich kam in dieser Wendung zum Ausdruck, dass der Redaktor nur verfolgt werden solle, wenn der Einsender (Verfasser) nicht belangt werden könne. Diese Einschränkung entsprach aber dem Gesetze (Art. 27 Ziff. 3 StGB), war nicht vom Willen des Antragstellers abhängig. Zinniker brachte damit zum Ausdruck, dass er die Verfolgung des Redaktors schon jetzt (vorbehaltlos) verlange für den Fall, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu dessen Verfolgung erfüllt sein sollten. Fragen könnte sich nur, ob diese Willenserklärung nicht verfrüht gewesen sei, solange nicht feststand, dass die Verfolgung des Verfassers entfalle. Indem Art. 29 StGB die Antragsfrist mit dem Tage beginnen lässt, "an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird", legt er indessen lediglich fest, dass drei Monate später das Antragsrecht erlischt, nicht auch, dass vor dem erwähnten Tage (Bekanntwerden des Täters) ein Antrag gültig nicht gestellt werden könne. Die Rechtsprechung hat daher stets zugelassen, dass der Verletzte Strafantrag schon stelle, bevor er den Täter kennt (BGE 68 IV 101, BGE 71 IV 230 Erw. 1, BGE 73 IV 72). Aus der gleichen Überlegung steht nichts im Wege, dass gegen den Redaktor einer Zeitung oder Zeitschrift Strafantrag gestellt werde, bevor feststeht, dass der Verfasser des Artikels nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann oder dass die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden hat. An der in BGE 70 IV 149 nebenbei geäusserten Auffassung, dass nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen zur Verfolgung des Redaktors noch nicht erfüllt seien, gegen diesen eventualiter Strafantrag gestellt werden könne, weil das Strafgesetzbuch nur das bedingungslose Begehren um Bestrafung als gültigen Strafantrag anerkenne, kann nicht festgehalten werden, da, wie gesagt, von einem bloss bedingten Strafantrag nicht die Rede sein kann, wenn der Antragsteller, was sich von selbst versteht, Verfolgung nur für den Fall verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Belangung der betreffenden Person erfüllt seien. Dass das Begehren Zinnikers vom 10. Dezember 1951 entsprechend den Vorschriften des kantonalen Rechts am richtigen Ort und in der richtigen Form gestellt worden ist und geeignet war, die Verfolgung der Beschwerdeführerin ohne weitere Erklärung des Verletzten in Gang zu bringen und ihren Lauf nehmen zu lassen, steht ebenfalls fest; die dahin gehende Auffassung des Kantonsgerichts beruht auf der Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechts und ist daher vom Kassationshof nicht zu überprüfen (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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Art. 27 ch. 3 et 29 CP. On peut déjà et pour le cas où les conditions légales seraient remplies, conclure à la poursuite du rédacteur dès avant que l'on sache si l'auteur pourra être découvert et traduit en Suisse devant un tribunal ou si l'article a été publié à son insu et contre sa volonté.
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Erwägungen ab Seite 145 Aus den Erwägungen: Ist davon auszugehen, dass das amtliche Verfahren zu Recht angeordnet worden ist, so dringt die Beschwerdeführerin auch mit der Rüge nicht durch, der Strafantrag sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Ein unter dem Gesichtspunkt des eidgenössischen Rechts (Art. 28, 29 StGB) gültiger Strafantrag liegt vor, wenn der Antragsberechtigte vor Ablauf von drei Monaten, die mit dem Tage zu laufen beginnen, an dem ihm der Täter bekannt wird, bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde in der vom kantonalen Recht verlangten Form vorbehaltlos den Willen erklärt, dass die Strafverfolgung stattfinden solle, und zwar so, dass auf diese Erklärung hin nach kanto alem Recht das Verfahren auch tatsächlich in Gang kommt und ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nimmt (vgl. BGE 68 IV 100, BGE 69 IV 198, BGE 71 IV 66, 227, BGE 74 IV 10, BGE 78 IV 49). Diese Voraussetzungen sind mit dem Begehren Zinnikers an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen vom 10. Dezember 1951 um Anordnung des amtlichen Verfahrens alle erfüllt worden. Es enthielt die vorbehaltlose Willenserklärung des Gesuchstellers, dass die Strafverfolgung durchgeführt werden solle. Dass Zinniker damals verlangte, die Behörden sollten "den Einsender respektive die Redaktion respektive den Drucker" zur Rechenschaft ziehen, machte die Erklärung nicht zu einer an Vorbehalte geknüpften. Freilich kam in dieser Wendung zum Ausdruck, dass der Redaktor nur verfolgt werden solle, wenn der Einsender (Verfasser) nicht belangt werden könne. Diese Einschränkung entsprach aber dem Gesetze (Art. 27 Ziff. 3 StGB), war nicht vom Willen des Antragstellers abhängig. Zinniker brachte damit zum Ausdruck, dass er die Verfolgung des Redaktors schon jetzt (vorbehaltlos) verlange für den Fall, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu dessen Verfolgung erfüllt sein sollten. Fragen könnte sich nur, ob diese Willenserklärung nicht verfrüht gewesen sei, solange nicht feststand, dass die Verfolgung des Verfassers entfalle. Indem Art. 29 StGB die Antragsfrist mit dem Tage beginnen lässt, "an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird", legt er indessen lediglich fest, dass drei Monate später das Antragsrecht erlischt, nicht auch, dass vor dem erwähnten Tage (Bekanntwerden des Täters) ein Antrag gültig nicht gestellt werden könne. Die Rechtsprechung hat daher stets zugelassen, dass der Verletzte Strafantrag schon stelle, bevor er den Täter kennt (BGE 68 IV 101, BGE 71 IV 230 Erw. 1, BGE 73 IV 72). Aus der gleichen Überlegung steht nichts im Wege, dass gegen den Redaktor einer Zeitung oder Zeitschrift Strafantrag gestellt werde, bevor feststeht, dass der Verfasser des Artikels nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann oder dass die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden hat. An der in BGE 70 IV 149 nebenbei geäusserten Auffassung, dass nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen zur Verfolgung des Redaktors noch nicht erfüllt seien, gegen diesen eventualiter Strafantrag gestellt werden könne, weil das Strafgesetzbuch nur das bedingungslose Begehren um Bestrafung als gültigen Strafantrag anerkenne, kann nicht festgehalten werden, da, wie gesagt, von einem bloss bedingten Strafantrag nicht die Rede sein kann, wenn der Antragsteller, was sich von selbst versteht, Verfolgung nur für den Fall verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Belangung der betreffenden Person erfüllt seien. Dass das Begehren Zinnikers vom 10. Dezember 1951 entsprechend den Vorschriften des kantonalen Rechts am richtigen Ort und in der richtigen Form gestellt worden ist und geeignet war, die Verfolgung der Beschwerdeführerin ohne weitere Erklärung des Verletzten in Gang zu bringen und ihren Lauf nehmen zu lassen, steht ebenfalls fest; die dahin gehende Auffassung des Kantonsgerichts beruht auf der Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechts und ist daher vom Kassationshof nicht zu überprüfen (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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Art. 27 cifra 3, art. 29 CP. Il perseguimento del redattore può essere chiesto, nel caso in cui ne ricorrano i presupposti legali, già prima che sia accertata l'impossibilità di scoprire o di tradurree davanti ad un tribunale svizzero l'autore dell'articolo incriminato o la circostanza che la pubblicazione sia avvenuta senza che questi lo sapesse o contro la sua volontà.
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80 IV 147
Sachverhalt ab Seite 148 A.- Charles Hodel, geb. 1937, stahl am 6. Oktober 1953 ein Fahrrad. Das Kantonale Jugendgericht Luzern erklärte ihn daher am 3. Februar 1954 des Diebstahls schuldig und wies ihn im Sinne des Art. 91 Ziff. 2 StGB zur Nacherziehung in eine vertrauenswürdige Fremdfamilie ein. B.- Am 30. Juni 1954 erkannte das gleiche Gericht, Charles Hodel werde in Abänderung des Urteils vom 3. Februar 1954 im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 StGB in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Eltern des Jugendlichen, namentlich die Mutter, hätten dem Vollzug des Urteils eigensinnig und uneinsichtig Widerstand geleistet, obschon sie vom Jugendanwalt und vom Vorsteher des Justizdepartmentes mehrmals mündlich und schriftlich aufgeklärt und verwarnt worden seien. Es erweise sich somit als unmöglich, das Urteil vom 3. Februar 1954 zu vollziehen. Das uneinsichtige und querulantische Verhalten namentlich der Mutter beweise, dass der Junge einer konsequenten und verständigenNacherziehung in einer Umgebung bedürfe, in der die einsichtslosen Eltern keinen schädigenden Einfluss ausüben könnten. Wer sich in solcher Weise gegen den Vollzug begründeter Verfügungen der Behörden zur Wehr setze und nicht einsehen wolle, dass das Delikt des Sohnes einer negativen Charakterentwicklung entsprungen sei, für die die Eltern als Erzieher einen Teil der Verantwortung zu tragen hätten, zeige die Bereitschaft, das dringliche Werk der Nacherziehung des sittlich gefährdeten Jungen in einer Fremdfamilie erheblich zu bedrohen. C.- Josef und Martha Hodel-Raddatz, die Eltern des Charles Hodel, führen Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid vom 30. Juni 1954 mit dem Antrag, er sei aufzuheben und das Urteil vom 3. Februar 1954 wieder in Kraft zu setzen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Erkenntnisse über Massnahmen gegen Jugendliche sind Urteile im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP (BGE 68 IV 159). Das gleiche trifft zu für Erkenntnisse, die gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB eine solche Massnahme durch eine andere ersetzen (vgl.BGE 70 IV 115). 2. Gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB kann die zuständige Behörde jederzeit die gegen einen Jugendlichen getroffene Massnahme durch eine der andern Massnahmen ersetzen. Voraussetzungen der Änderung nennt die Bestimmung keine. Die Behörde ist daher nur an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden, unter denen die neue Massnahme überhaupt zulässig ist, für den Fall der Einweisung in eine Erziehungsanstalt also z.B. an das Erfordernis der sittlichen Verwahrlosung, Verdorbenheit oder Gefährdung des Jugendlichen; im übrigen entscheidet sie nach ihrem Ermessen. Die Änderung darf somit nicht nur verfügt werden, wenn die Massnahme teilweise vollzogen worden ist und sich als ungeeignet erwiesen hat, oder wenn die Person des Jugendlichen, z.B. eine neue oder nachträglich bekannt gewordene Tatsache aus seinem Vorleben, die Abweichung vom ausgefällten Urteil nahe legt; auch andere Umstände, die befürchten lassen, dass die verhängte Massnahme ihren Zweck verfehlen würde, können die Änderung rechtfertigen. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die Behörde angeordnet hatte, der Jugendliche sei gemäss Art. 91 Ziff. 2 StGB einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung zu übergeben, und nunmehr findet, die Erziehung in einer Anstalt sei die geeignetere Massnahme. Übergang von Familienerziehung zu Anstaltsversorgung ist in dieser Bestimmung ausdrücklich vorgesehen für den Fall, dass sich jene nicht bewährt (Abs. 1 Satz 2). Das bedeutet aber nicht, dass die Behörde nicht nach Ermessen gestützt auf Art. 93 Abs. 1 auch in anderen Fällen den Jugendlichen in eine Anstalt einweisen dürfe, statt den Versuch der Erziehung in einer Familie zu unternehmen oder fortzusetzen. Solche Einengung ihrer Entscheidungsfreiheit widerspräche der Stellung, die die Anstaltserziehung im System der Massnahmen gegen Jugendliche einnimmt. Das Gesetz nennt die Einweisung in eine Erziehungsanstalt an erster Stelle, lässt sie keineswegs der Erziehung in einer Familie nachgehen, etwa in dem Sinne, dass jene nur zulässig wäre, wenn diese versagt. Liegt die Wahl der einen oder andern Massnahme von Anfang an im Ermessen der Behörde, so ist kein Grund dafür zu finden, weshalb die Erziehung in einer Anstalt nur noch unter der besonderen Voraussetzung der Nichtbewährung des Jugendlichen in einer Familie zulässig sein sollte, wenn einmal die Übergabe an eine solche verfügt worden ist. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 ist nicht Sondervorschrift, die die Anwendung des Art. 93 Abs. 1 ausschlösse, sondern verdeutlicht bloss, dass mit dem Fehlschlagen der Familienerziehung die Sache nicht erledigt ist, die Behörde vielmehr den Versuch der Erziehung in einer Anstalt zu unternehmen hat. Dass erstere Bestimmung die letztere nicht ausschaltet, ergibt sich auch daraus, dass sonst der Übergang zu einer besonderen Behandlung im Sinne des Art. 92 ebenfalls ausgeschlossen wäre, wenn die Übergabe an eine Familie verfügt worden ist; diese Beschränkung wäre offensichtlich unvernünftig. 3. Lag somit die Einweisung des Charles Hodel in eine Erziehungsanstalt im Ermessen des Jugendgerichtes, obwohl die angeordnete Erziehung in einer fremden Familie noch nicht begonnen hatte, so ist die Beschwerde unbegründet. Das Jugendgericht hat das Ermessen nicht überschritten. Es ist nicht offenbar unvernünftig, aus dem widerspenstigen und von Einsichtslosigkeit zeugenden Verhalten der Eltern zu schliessen, dass diese der Nacherziehung ihres Sohnes in einer anderen Familie Hindernisse in den Weg legen könnten, die den Erfolg der Massnahme gefährden würden, und daher Anstaltserziehung anzuordnen, um den Jugendlichen dem ungünstigen Einflusse seiner Eltern wirksamer zu entziehen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
1. Art. 268 Abs. 2 BStP. Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde. 2. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 StGB. Unter welchen Voraussetzungen kann die Erziehung eines Jugendlichen in einer Familie durch Erziehung in einer Anstalt ersetzt werden?
de
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1,954
IV
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544
80 IV 147
Sachverhalt ab Seite 148 A.- Charles Hodel, geb. 1937, stahl am 6. Oktober 1953 ein Fahrrad. Das Kantonale Jugendgericht Luzern erklärte ihn daher am 3. Februar 1954 des Diebstahls schuldig und wies ihn im Sinne des Art. 91 Ziff. 2 StGB zur Nacherziehung in eine vertrauenswürdige Fremdfamilie ein. B.- Am 30. Juni 1954 erkannte das gleiche Gericht, Charles Hodel werde in Abänderung des Urteils vom 3. Februar 1954 im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 StGB in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Eltern des Jugendlichen, namentlich die Mutter, hätten dem Vollzug des Urteils eigensinnig und uneinsichtig Widerstand geleistet, obschon sie vom Jugendanwalt und vom Vorsteher des Justizdepartmentes mehrmals mündlich und schriftlich aufgeklärt und verwarnt worden seien. Es erweise sich somit als unmöglich, das Urteil vom 3. Februar 1954 zu vollziehen. Das uneinsichtige und querulantische Verhalten namentlich der Mutter beweise, dass der Junge einer konsequenten und verständigenNacherziehung in einer Umgebung bedürfe, in der die einsichtslosen Eltern keinen schädigenden Einfluss ausüben könnten. Wer sich in solcher Weise gegen den Vollzug begründeter Verfügungen der Behörden zur Wehr setze und nicht einsehen wolle, dass das Delikt des Sohnes einer negativen Charakterentwicklung entsprungen sei, für die die Eltern als Erzieher einen Teil der Verantwortung zu tragen hätten, zeige die Bereitschaft, das dringliche Werk der Nacherziehung des sittlich gefährdeten Jungen in einer Fremdfamilie erheblich zu bedrohen. C.- Josef und Martha Hodel-Raddatz, die Eltern des Charles Hodel, führen Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid vom 30. Juni 1954 mit dem Antrag, er sei aufzuheben und das Urteil vom 3. Februar 1954 wieder in Kraft zu setzen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Erkenntnisse über Massnahmen gegen Jugendliche sind Urteile im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP (BGE 68 IV 159). Das gleiche trifft zu für Erkenntnisse, die gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB eine solche Massnahme durch eine andere ersetzen (vgl.BGE 70 IV 115). 2. Gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB kann die zuständige Behörde jederzeit die gegen einen Jugendlichen getroffene Massnahme durch eine der andern Massnahmen ersetzen. Voraussetzungen der Änderung nennt die Bestimmung keine. Die Behörde ist daher nur an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden, unter denen die neue Massnahme überhaupt zulässig ist, für den Fall der Einweisung in eine Erziehungsanstalt also z.B. an das Erfordernis der sittlichen Verwahrlosung, Verdorbenheit oder Gefährdung des Jugendlichen; im übrigen entscheidet sie nach ihrem Ermessen. Die Änderung darf somit nicht nur verfügt werden, wenn die Massnahme teilweise vollzogen worden ist und sich als ungeeignet erwiesen hat, oder wenn die Person des Jugendlichen, z.B. eine neue oder nachträglich bekannt gewordene Tatsache aus seinem Vorleben, die Abweichung vom ausgefällten Urteil nahe legt; auch andere Umstände, die befürchten lassen, dass die verhängte Massnahme ihren Zweck verfehlen würde, können die Änderung rechtfertigen. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die Behörde angeordnet hatte, der Jugendliche sei gemäss Art. 91 Ziff. 2 StGB einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung zu übergeben, und nunmehr findet, die Erziehung in einer Anstalt sei die geeignetere Massnahme. Übergang von Familienerziehung zu Anstaltsversorgung ist in dieser Bestimmung ausdrücklich vorgesehen für den Fall, dass sich jene nicht bewährt (Abs. 1 Satz 2). Das bedeutet aber nicht, dass die Behörde nicht nach Ermessen gestützt auf Art. 93 Abs. 1 auch in anderen Fällen den Jugendlichen in eine Anstalt einweisen dürfe, statt den Versuch der Erziehung in einer Familie zu unternehmen oder fortzusetzen. Solche Einengung ihrer Entscheidungsfreiheit widerspräche der Stellung, die die Anstaltserziehung im System der Massnahmen gegen Jugendliche einnimmt. Das Gesetz nennt die Einweisung in eine Erziehungsanstalt an erster Stelle, lässt sie keineswegs der Erziehung in einer Familie nachgehen, etwa in dem Sinne, dass jene nur zulässig wäre, wenn diese versagt. Liegt die Wahl der einen oder andern Massnahme von Anfang an im Ermessen der Behörde, so ist kein Grund dafür zu finden, weshalb die Erziehung in einer Anstalt nur noch unter der besonderen Voraussetzung der Nichtbewährung des Jugendlichen in einer Familie zulässig sein sollte, wenn einmal die Übergabe an eine solche verfügt worden ist. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 ist nicht Sondervorschrift, die die Anwendung des Art. 93 Abs. 1 ausschlösse, sondern verdeutlicht bloss, dass mit dem Fehlschlagen der Familienerziehung die Sache nicht erledigt ist, die Behörde vielmehr den Versuch der Erziehung in einer Anstalt zu unternehmen hat. Dass erstere Bestimmung die letztere nicht ausschaltet, ergibt sich auch daraus, dass sonst der Übergang zu einer besonderen Behandlung im Sinne des Art. 92 ebenfalls ausgeschlossen wäre, wenn die Übergabe an eine Familie verfügt worden ist; diese Beschränkung wäre offensichtlich unvernünftig. 3. Lag somit die Einweisung des Charles Hodel in eine Erziehungsanstalt im Ermessen des Jugendgerichtes, obwohl die angeordnete Erziehung in einer fremden Familie noch nicht begonnen hatte, so ist die Beschwerde unbegründet. Das Jugendgericht hat das Ermessen nicht überschritten. Es ist nicht offenbar unvernünftig, aus dem widerspenstigen und von Einsichtslosigkeit zeugenden Verhalten der Eltern zu schliessen, dass diese der Nacherziehung ihres Sohnes in einer anderen Familie Hindernisse in den Weg legen könnten, die den Erfolg der Massnahme gefährden würden, und daher Anstaltserziehung anzuordnen, um den Jugendlichen dem ungünstigen Einflusse seiner Eltern wirksamer zu entziehen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
1. Art. 268 al. 2 PPF. Recevabilité du pourvoi en nullité. 2. Art. 91 ch. 2 al. 1, art. 93 al. 1 CP. Dans quelles conditions l'éducation d'un adolescent dans une famille peut-elle être remplacée par l'éducation dans un établissement?
fr
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1,954
IV
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545
80 IV 147
Sachverhalt ab Seite 148 A.- Charles Hodel, geb. 1937, stahl am 6. Oktober 1953 ein Fahrrad. Das Kantonale Jugendgericht Luzern erklärte ihn daher am 3. Februar 1954 des Diebstahls schuldig und wies ihn im Sinne des Art. 91 Ziff. 2 StGB zur Nacherziehung in eine vertrauenswürdige Fremdfamilie ein. B.- Am 30. Juni 1954 erkannte das gleiche Gericht, Charles Hodel werde in Abänderung des Urteils vom 3. Februar 1954 im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 StGB in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Eltern des Jugendlichen, namentlich die Mutter, hätten dem Vollzug des Urteils eigensinnig und uneinsichtig Widerstand geleistet, obschon sie vom Jugendanwalt und vom Vorsteher des Justizdepartmentes mehrmals mündlich und schriftlich aufgeklärt und verwarnt worden seien. Es erweise sich somit als unmöglich, das Urteil vom 3. Februar 1954 zu vollziehen. Das uneinsichtige und querulantische Verhalten namentlich der Mutter beweise, dass der Junge einer konsequenten und verständigenNacherziehung in einer Umgebung bedürfe, in der die einsichtslosen Eltern keinen schädigenden Einfluss ausüben könnten. Wer sich in solcher Weise gegen den Vollzug begründeter Verfügungen der Behörden zur Wehr setze und nicht einsehen wolle, dass das Delikt des Sohnes einer negativen Charakterentwicklung entsprungen sei, für die die Eltern als Erzieher einen Teil der Verantwortung zu tragen hätten, zeige die Bereitschaft, das dringliche Werk der Nacherziehung des sittlich gefährdeten Jungen in einer Fremdfamilie erheblich zu bedrohen. C.- Josef und Martha Hodel-Raddatz, die Eltern des Charles Hodel, führen Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid vom 30. Juni 1954 mit dem Antrag, er sei aufzuheben und das Urteil vom 3. Februar 1954 wieder in Kraft zu setzen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Erkenntnisse über Massnahmen gegen Jugendliche sind Urteile im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP (BGE 68 IV 159). Das gleiche trifft zu für Erkenntnisse, die gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB eine solche Massnahme durch eine andere ersetzen (vgl.BGE 70 IV 115). 2. Gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB kann die zuständige Behörde jederzeit die gegen einen Jugendlichen getroffene Massnahme durch eine der andern Massnahmen ersetzen. Voraussetzungen der Änderung nennt die Bestimmung keine. Die Behörde ist daher nur an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden, unter denen die neue Massnahme überhaupt zulässig ist, für den Fall der Einweisung in eine Erziehungsanstalt also z.B. an das Erfordernis der sittlichen Verwahrlosung, Verdorbenheit oder Gefährdung des Jugendlichen; im übrigen entscheidet sie nach ihrem Ermessen. Die Änderung darf somit nicht nur verfügt werden, wenn die Massnahme teilweise vollzogen worden ist und sich als ungeeignet erwiesen hat, oder wenn die Person des Jugendlichen, z.B. eine neue oder nachträglich bekannt gewordene Tatsache aus seinem Vorleben, die Abweichung vom ausgefällten Urteil nahe legt; auch andere Umstände, die befürchten lassen, dass die verhängte Massnahme ihren Zweck verfehlen würde, können die Änderung rechtfertigen. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die Behörde angeordnet hatte, der Jugendliche sei gemäss Art. 91 Ziff. 2 StGB einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung zu übergeben, und nunmehr findet, die Erziehung in einer Anstalt sei die geeignetere Massnahme. Übergang von Familienerziehung zu Anstaltsversorgung ist in dieser Bestimmung ausdrücklich vorgesehen für den Fall, dass sich jene nicht bewährt (Abs. 1 Satz 2). Das bedeutet aber nicht, dass die Behörde nicht nach Ermessen gestützt auf Art. 93 Abs. 1 auch in anderen Fällen den Jugendlichen in eine Anstalt einweisen dürfe, statt den Versuch der Erziehung in einer Familie zu unternehmen oder fortzusetzen. Solche Einengung ihrer Entscheidungsfreiheit widerspräche der Stellung, die die Anstaltserziehung im System der Massnahmen gegen Jugendliche einnimmt. Das Gesetz nennt die Einweisung in eine Erziehungsanstalt an erster Stelle, lässt sie keineswegs der Erziehung in einer Familie nachgehen, etwa in dem Sinne, dass jene nur zulässig wäre, wenn diese versagt. Liegt die Wahl der einen oder andern Massnahme von Anfang an im Ermessen der Behörde, so ist kein Grund dafür zu finden, weshalb die Erziehung in einer Anstalt nur noch unter der besonderen Voraussetzung der Nichtbewährung des Jugendlichen in einer Familie zulässig sein sollte, wenn einmal die Übergabe an eine solche verfügt worden ist. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 ist nicht Sondervorschrift, die die Anwendung des Art. 93 Abs. 1 ausschlösse, sondern verdeutlicht bloss, dass mit dem Fehlschlagen der Familienerziehung die Sache nicht erledigt ist, die Behörde vielmehr den Versuch der Erziehung in einer Anstalt zu unternehmen hat. Dass erstere Bestimmung die letztere nicht ausschaltet, ergibt sich auch daraus, dass sonst der Übergang zu einer besonderen Behandlung im Sinne des Art. 92 ebenfalls ausgeschlossen wäre, wenn die Übergabe an eine Familie verfügt worden ist; diese Beschränkung wäre offensichtlich unvernünftig. 3. Lag somit die Einweisung des Charles Hodel in eine Erziehungsanstalt im Ermessen des Jugendgerichtes, obwohl die angeordnete Erziehung in einer fremden Familie noch nicht begonnen hatte, so ist die Beschwerde unbegründet. Das Jugendgericht hat das Ermessen nicht überschritten. Es ist nicht offenbar unvernünftig, aus dem widerspenstigen und von Einsichtslosigkeit zeugenden Verhalten der Eltern zu schliessen, dass diese der Nacherziehung ihres Sohnes in einer anderen Familie Hindernisse in den Weg legen könnten, die den Erfolg der Massnahme gefährden würden, und daher Anstaltserziehung anzuordnen, um den Jugendlichen dem ungünstigen Einflusse seiner Eltern wirksamer zu entziehen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
1. Art. 268 cp. 2 PPF. Ricevibilità del ricorso per cassazione. 2. Art. 91 cifra 2 cp. 1, art. 93 cp. 1 CP. In quali condizioni l'educazione d'un adolescente in una famiglia può essere sostituita con l'educazione in uno stabilimento?
it
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1,954
IV
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546
80 IV 15
Sachverhalt ab Seite 15 A.- Hans Weyeneth, der ein Lichtspieltheater führt, stand in den Monaten Februar bis Mai 1948 der schwer überschuldeten Eos Film AG, die keine Bankkredite mehr erhielt, finanziell bei und liess sich dafür von ihr sechs Wechsel von je Fr. 20'000.-- mit Laufzeiten von durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Monaten ausstellen und übergeben. Jeder Wechsel trug die Unterschrift eines dem Wechselnehmer als zahlungsfähig bekannten Akzeptanten. Auf den beiden ersten Wechseln war sie echt. Auf den andern vier hatte Gertrud Bachthaler, die Leiterin der Eos Film AG, sie hingesetzt, was Weyeneth nicht wusste. Weyeneth liess die Wechsel von Banken diskontieren. Der Ausstellerin der Wechsel leistete er nur Beträge, die um 10% unter den Wechselsummen blieben. In einem Falle zog er ausserdem seine Diskontspesen ab, und in einem anderen Falle liess er sich über den erwähnten Einschlag hinaus versprechen, dass er einen bestimmten Film während unbestimmter Zeit unentgeltlich in seinem Theater aufführen dürfe, wodurch er an Mietgeld mindestens Fr. 2000.-- einsparen konnte. Bei Verfall eines der beiden ersten Wechsel nahm er an Stelle der Zahlung einen Erneuerungswechsel mit knapp zwei Monaten Laufzeit an. Dafür liess er sich von der Eos Film AG 10% ihrer Einnahmen aus der Vermietung eines bestimmten Filmes versprechen und ausserdem das Recht einräumen, diesen Film während vierzehn Tagen unentgeltlich in seinem Theater aufzuführen, Vorteile, die er und Frau Bachthaler auf zusammen mindestens Fr. 7000.-- schätzten. Weyeneth wusste von Anfang an, dass Gertrud Bachthaler, die für die Eos Film AG handelte, die erwähnten Geschäfte nur einging, weil die Gesellschaft finanziell sehr bedrängt war und sich das dringend benötigte Geld nicht anders verschaffen konnte. Johann Flückiger liess sich in den Monaten März bis Mai 1948 von der Eos Film AG fünf Wechsel von je Fr. 20'000.--, zwei Wechsel von je Fr. 25'000.-- und einen Wechsel von Fr. 30'000.-- mit Laufzeiten von einem bis drei Monaten ausstellen und übergeben und bezahlte ihr dafür, um ihr finanziell beizustehen, Beträge aus, die in fünf Fällen um 10%, in zwei Fällen um 11, 1% und in einem Falle (bei einer Laufzeit von einem Monat und einer Wechselsumme von Fr. 25'000.--) um 20% unter der Wechselsumme blieben. Für jenen Wechsel, den er gegen 20% Einschlag erhielt, nahm er bei Verfall einen Erneuerungswechsel mit einer Laufzeit von einem Monat an, wobei die Wechselsumme von Fr. 25'000.-- auf Fr. 27'000.-- erhöht wurde. Als der Erneuerungswechsel verfiel, liess er sich einen zweiten solchen an Zahlungsstatt geben, mit zwei Monaten Laufzeit und einer Wechselsumme von Fr. 30'000.--. Alle Wechsel trugen die gefälschte Unterschrift eines zahlungsfähigen Akzeptanten, doch hatte Flückiger von den Fälschungen keine Kenntnis. Er war sich bei der Annahme der Wechsel bewusst, dass Gertrud Bachthaler nur deshalb für die Eos Film AG zu den erwähnten Bedingungen Geld aufnahm, weil die Gesellschaft infolge finanzieller Schwierigkeiten, die er freilich nur für vorübergehend hielt, anderswo günstiger keines mehr erhielt. Am 29. September 1948 wurde über die Eos Film AG der Konkurs eröffnet. B.- Am 23. September 1953 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Weyeneth und Flückiger wegen wiederholten Wuchers zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von je einem Monat, unter Auferlegung von zwei Jahren Probezeit, Weyeneth ausserdem zu einer Busse von Fr. 1000.-- und Flückiger zu einer solchen von Fr. 600.--. C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an das Appellationsgericht zurückzuweisen. Sie machen geltend, es sei fraglich, ob eine juristische Person, wie hier die Eos Film AG, Opfer des Wuchers nach Art. 157 StGB sein könne; jedenfalls seien die gesetzlichen Merkmale der Notlage, Abhängigkeit, Geistesschwäche, Unerfahrenheit, Charakterschwäche nicht gleich zu werten wie bei der natürlichen Person, und namentlich sei eine Notlage nicht ohne weiteres anzunehmen, da die Art. 725, 817 und 903 OR den Eintritt einer solchen verhindern sollten. Zudem seien die gefälschten Wechsel in Wirklichkeit wertlos gewesen, weshalb ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht zu Ungunsten der Eos Film AG bestanden habe. Den Beschwerdeführern habe auch der Vorsatz gefehlt. Sie hätten nicht den Eindruck gehabt, dass sich die Eos Film AG in einer Notlage befinde; denn sie hätten an den Bestand und den Wert der Akzepte geglaubt, die sie für echt hielten. Sie hätten auch keine Notlage "ausbeuten" wollen. Das Bewusstsein eines "offenbaren Missverhältnisses" zwischen den gewährten oder versprochenen Vermögensvorteilen und der eigenen Leistung habe ihnen ebenfalls gefehlt; aus den Äusserungen der Frau Bachthaler, deren unglaubliche Überredungskunst die Vorinstanzen zu wenig berücksichtigt hätten, hätten sie annehmen dürfen, der Einschlag von 10% sei durchaus üblich. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer die Notlage, die Abhängigkeit, die Geistesschwäche, die Unerfahrenheit, die Charakterschwäche oder den Leichtsinn einer Person ausbeutet, um sich oder einem andern für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen. Diese Bestimmung schützt das Vermögen (vgl. die Überschrift zum zweiten Titel und den Randtitel zu Art. 148 ff.) und kommt daher auch einer juristischen Person als Träger von Vermögensrechten zugute, gleichgültig ob sie selber oder ob vielmehr das für sie handelnde Organ sich in einer vom Täter ausgebeuteten Notlage, Abhängigkeit usw. befunden hat. Nach dem Wortlaut ist nicht nötig, dass die Person, deren Lage oder Eigenschaften der Täter ausbeutet, mit dem Geschädigten identisch sei; es genügt, dass die Ausbeutung überhaupt zum Mittel gemacht werde, um einen auf Austausch von Vermögensleistungen gerichteten Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, zustande zu bringen. Selbst der französische Text, der im Gegensatz zum deutschen und italienischen verlangt, dass der Täter sich (oder einem andern) den Vermögensvorteil durch die sich in Not usw. befindende Person ("par elle") habe gewähren oder versprechen lassen, ist nicht anders auszulegen; denn damit ist nicht gesagt, dass diese Person die Leistung oder das Versprechen im eigenen Namen erbracht bzw. abgegeben haben müsse, nicht auch als Organ einer juristischen Person habe handeln können. Wucher kann daher z.B. begangen werden, indem der Täter die Geistesschwäche des Verwaltungsrates oder Geschäftsführers einer Aktiengesellschaft ausbeutet, um sich zu Lasten der Gesellschaft Leistungen versprechen zu lassen, die zu den Gegenleistungen in einem offenbaren Missverhältnis stehen. So verhält es sich hier freilich nicht. Den Beschwerdeführern wird nicht vorgeworfen, sie hätten, um die Eos Film AG zu bewuchern, die Notlage der Geschäftsführerin Gertrud Bachthaler ausgebeutet, sondern die Gesellschaft selber soll sich in der ausgebeuteten Notlage befunden haben. Die Person, deren Lage ausgebeutet wurde, ist hier mit der Geschädigten identisch; nur ist sie nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person. Aber auch dieser Tatbestand wird von Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 erfasst. Diese Bestimmung spricht von einer Person schlechthin, nicht von einer natürlichen Person. Wenn und soweit auch eine juristische Person sich in einer Lage befinden oder eine Eigenschaft aufweisen kann, wie sie in der erwähnten Norm umschrieben sind, zieht die wucherische Ausbeutung dieser Lage oder Eigenschaft Strafe nach sich. Im vorliegenden Falle geht es nur um die Frage der "Notlage". In einer solchen kann sich auch die juristische Person befinden. Daran ändert die Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und bei Überschuldung (Art. 725, 817, 903 OR) nichts. Abgesehen davon, dass man sich fragen kann, ob nicht schon der die Anzeigepflicht auslösende Tatbestand die Voraussetzungen einer "Notlage" im Sinne des Art. 157 StGB erfüllt, kann in Fällen, in denen die Anzeigepflicht verletzt worden ist und die Lage sich dadurch verschlimmert hat, die Notlage nicht deshalb verneint werden, weil sie durch Erfüllung dieser Pflicht hätte gemildert oder vermieden werden können. Art. 157 StGB frägt nicht nach den Ursachen der Notlage; es genügt, dass sie bestand und der Täter sie ausbeutete. 2. Die Mehrzahl der Wechsel enthielten ein gefälschtes Akzept. Das schliesst Wucher in diesen Fällen nicht aus. Die Fälschungen ändern nichts daran, dass die Beschwerdeführer sich von der Eos Film AG - übrigens auch wechselrechtlich durchaus gültig - im Sinne des Art. 157 StGB Vermögensvorteile "versprechen" und "gewähren" liessen. Auch kann nicht gesagt werden, diese hätten objektiv zu den Leistungen der Beschwerdeführer in keinem offenbaren Missverhältnis gestanden, weil die Fälschung der Akzepte die Gefahr, dass die Wechselnehmer zu Verlust kommen könnten, erhöht habe. Die Vergütungen, welche die Eos Film AG versprach, um von den Beschwerdeführern für kurze Zeit Geld zu erhalten, entsprachen einem Jahreszins von 60 und mehr Prozent. Selbst das hohe Verlustrisiko, das wegen der hoffnungslosen finanziellen Lage der Eos Film AG objektiv bestand, rechtfertigte so masslose Überforderung nicht. Art. 157 StGB wäre sonst gerade in den Fällen, in denen der Bewucherte wegen seiner verzweifelten Lage des Schutzes am meisten bedurfte, toter Buchstabe. 3. Vorsatz setzt unter anderem voraus, dass den Beschwerdeführern die Notlage der Eos Film AG bekannt war. Dieses Wissen ist von der Vorinstanz verbindlich festgestellt worden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Dass die Beschwerdeführer meinten, der Eos Film AG fehlten nur vorübergehend die nötigen Mittel, ist unerheblich; eine Notlage kann auch in vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten bestehen, weshalb der Vorsatz, sich solche zunutze zu machen, genügt. Zum Vorsatz gehört ferner, dass die Beschwerdeführer wussten, in welchem Verhältnis Leistung und Gegenleistung zueinander standen. Auch dieses Wissen steht fest. Die irrige Vorstellung über die Gültigkeit der Akzepte schliesst es nicht aus; denn die Beschwerdeführer stellten sich nicht einen Sachverhalt vor, der für sie günstiger, sondern einen solchen, der für sie ungünstiger gewesen wäre, wenn er der Wirklichkeit entsprochen hätte. Nicht nötig ist, dass die Beschwerdeführer das bestehende Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als "offenbares Missverhältnis" würdigten, wie der Richter es tut; denn das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, ja Strafbarkeit einer Handlung gehört nicht zum Vorsatz; ein Irrtum in dieser Hinsicht wäre nach Art. 20 StGB zu berücksichtigen; doch entfällt die Anwendung dieser Bestimmung hier schon deshalb, weil die Beschwerdeführer sich auf keinen zureichenden Grund zu berufen vermöchten, der ihnen das Gefühl hätte nehmen können, so skrupellose Ausnützung der Notlage einer Aktiengesellschaft verstosse nicht zum mindesten irgendwie gegen das, was recht ist. Endlich war den Beschwerdeführern auch bekannt, dass die Eos Film AG die Wechselverpflichtungen nur wegen ihrer Notlage zu den vereinbarten Bedingungen einging. Sie waren sich also bewusst, dass sie durch den Abschluss der Geschäfte zu diesen Bedingungen die Notlage ausbeuteten. Indem sie trotz ihres Wissens die Geschäfte abschlossen, und zwar, wie nicht bestritten wird, aus freiem Willensentschlusse, hatten sie notwendigerweise auch den zum Vorsatz gehörenden Willen, die den Wuchertatbestand ausmachenden Merkmale zu verwirklichen. Die Vorinstanz hat den Vorsatz somit zu Recht bejaht. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 157, 18, 20 StGB. 1. Wucher, begangen durch Ausbeutung der Notlage einer juristischen Person (Erw. 1). Vorübergehende Notlage genügt 2. Wucher durch Diskontierung von Wechseln, die mit gefälschten Akzepten versehen sind; offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Erw. 2). 3. Vorsatz des Wuchers. Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört nicht dazu. Zureichende Gründe für Rechtsirrtum verneint (Erw. 3).
de
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1,954
IV
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80 IV 15
Sachverhalt ab Seite 15 A.- Hans Weyeneth, der ein Lichtspieltheater führt, stand in den Monaten Februar bis Mai 1948 der schwer überschuldeten Eos Film AG, die keine Bankkredite mehr erhielt, finanziell bei und liess sich dafür von ihr sechs Wechsel von je Fr. 20'000.-- mit Laufzeiten von durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Monaten ausstellen und übergeben. Jeder Wechsel trug die Unterschrift eines dem Wechselnehmer als zahlungsfähig bekannten Akzeptanten. Auf den beiden ersten Wechseln war sie echt. Auf den andern vier hatte Gertrud Bachthaler, die Leiterin der Eos Film AG, sie hingesetzt, was Weyeneth nicht wusste. Weyeneth liess die Wechsel von Banken diskontieren. Der Ausstellerin der Wechsel leistete er nur Beträge, die um 10% unter den Wechselsummen blieben. In einem Falle zog er ausserdem seine Diskontspesen ab, und in einem anderen Falle liess er sich über den erwähnten Einschlag hinaus versprechen, dass er einen bestimmten Film während unbestimmter Zeit unentgeltlich in seinem Theater aufführen dürfe, wodurch er an Mietgeld mindestens Fr. 2000.-- einsparen konnte. Bei Verfall eines der beiden ersten Wechsel nahm er an Stelle der Zahlung einen Erneuerungswechsel mit knapp zwei Monaten Laufzeit an. Dafür liess er sich von der Eos Film AG 10% ihrer Einnahmen aus der Vermietung eines bestimmten Filmes versprechen und ausserdem das Recht einräumen, diesen Film während vierzehn Tagen unentgeltlich in seinem Theater aufzuführen, Vorteile, die er und Frau Bachthaler auf zusammen mindestens Fr. 7000.-- schätzten. Weyeneth wusste von Anfang an, dass Gertrud Bachthaler, die für die Eos Film AG handelte, die erwähnten Geschäfte nur einging, weil die Gesellschaft finanziell sehr bedrängt war und sich das dringend benötigte Geld nicht anders verschaffen konnte. Johann Flückiger liess sich in den Monaten März bis Mai 1948 von der Eos Film AG fünf Wechsel von je Fr. 20'000.--, zwei Wechsel von je Fr. 25'000.-- und einen Wechsel von Fr. 30'000.-- mit Laufzeiten von einem bis drei Monaten ausstellen und übergeben und bezahlte ihr dafür, um ihr finanziell beizustehen, Beträge aus, die in fünf Fällen um 10%, in zwei Fällen um 11, 1% und in einem Falle (bei einer Laufzeit von einem Monat und einer Wechselsumme von Fr. 25'000.--) um 20% unter der Wechselsumme blieben. Für jenen Wechsel, den er gegen 20% Einschlag erhielt, nahm er bei Verfall einen Erneuerungswechsel mit einer Laufzeit von einem Monat an, wobei die Wechselsumme von Fr. 25'000.-- auf Fr. 27'000.-- erhöht wurde. Als der Erneuerungswechsel verfiel, liess er sich einen zweiten solchen an Zahlungsstatt geben, mit zwei Monaten Laufzeit und einer Wechselsumme von Fr. 30'000.--. Alle Wechsel trugen die gefälschte Unterschrift eines zahlungsfähigen Akzeptanten, doch hatte Flückiger von den Fälschungen keine Kenntnis. Er war sich bei der Annahme der Wechsel bewusst, dass Gertrud Bachthaler nur deshalb für die Eos Film AG zu den erwähnten Bedingungen Geld aufnahm, weil die Gesellschaft infolge finanzieller Schwierigkeiten, die er freilich nur für vorübergehend hielt, anderswo günstiger keines mehr erhielt. Am 29. September 1948 wurde über die Eos Film AG der Konkurs eröffnet. B.- Am 23. September 1953 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Weyeneth und Flückiger wegen wiederholten Wuchers zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von je einem Monat, unter Auferlegung von zwei Jahren Probezeit, Weyeneth ausserdem zu einer Busse von Fr. 1000.-- und Flückiger zu einer solchen von Fr. 600.--. C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an das Appellationsgericht zurückzuweisen. Sie machen geltend, es sei fraglich, ob eine juristische Person, wie hier die Eos Film AG, Opfer des Wuchers nach Art. 157 StGB sein könne; jedenfalls seien die gesetzlichen Merkmale der Notlage, Abhängigkeit, Geistesschwäche, Unerfahrenheit, Charakterschwäche nicht gleich zu werten wie bei der natürlichen Person, und namentlich sei eine Notlage nicht ohne weiteres anzunehmen, da die Art. 725, 817 und 903 OR den Eintritt einer solchen verhindern sollten. Zudem seien die gefälschten Wechsel in Wirklichkeit wertlos gewesen, weshalb ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht zu Ungunsten der Eos Film AG bestanden habe. Den Beschwerdeführern habe auch der Vorsatz gefehlt. Sie hätten nicht den Eindruck gehabt, dass sich die Eos Film AG in einer Notlage befinde; denn sie hätten an den Bestand und den Wert der Akzepte geglaubt, die sie für echt hielten. Sie hätten auch keine Notlage "ausbeuten" wollen. Das Bewusstsein eines "offenbaren Missverhältnisses" zwischen den gewährten oder versprochenen Vermögensvorteilen und der eigenen Leistung habe ihnen ebenfalls gefehlt; aus den Äusserungen der Frau Bachthaler, deren unglaubliche Überredungskunst die Vorinstanzen zu wenig berücksichtigt hätten, hätten sie annehmen dürfen, der Einschlag von 10% sei durchaus üblich. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer die Notlage, die Abhängigkeit, die Geistesschwäche, die Unerfahrenheit, die Charakterschwäche oder den Leichtsinn einer Person ausbeutet, um sich oder einem andern für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen. Diese Bestimmung schützt das Vermögen (vgl. die Überschrift zum zweiten Titel und den Randtitel zu Art. 148 ff.) und kommt daher auch einer juristischen Person als Träger von Vermögensrechten zugute, gleichgültig ob sie selber oder ob vielmehr das für sie handelnde Organ sich in einer vom Täter ausgebeuteten Notlage, Abhängigkeit usw. befunden hat. Nach dem Wortlaut ist nicht nötig, dass die Person, deren Lage oder Eigenschaften der Täter ausbeutet, mit dem Geschädigten identisch sei; es genügt, dass die Ausbeutung überhaupt zum Mittel gemacht werde, um einen auf Austausch von Vermögensleistungen gerichteten Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, zustande zu bringen. Selbst der französische Text, der im Gegensatz zum deutschen und italienischen verlangt, dass der Täter sich (oder einem andern) den Vermögensvorteil durch die sich in Not usw. befindende Person ("par elle") habe gewähren oder versprechen lassen, ist nicht anders auszulegen; denn damit ist nicht gesagt, dass diese Person die Leistung oder das Versprechen im eigenen Namen erbracht bzw. abgegeben haben müsse, nicht auch als Organ einer juristischen Person habe handeln können. Wucher kann daher z.B. begangen werden, indem der Täter die Geistesschwäche des Verwaltungsrates oder Geschäftsführers einer Aktiengesellschaft ausbeutet, um sich zu Lasten der Gesellschaft Leistungen versprechen zu lassen, die zu den Gegenleistungen in einem offenbaren Missverhältnis stehen. So verhält es sich hier freilich nicht. Den Beschwerdeführern wird nicht vorgeworfen, sie hätten, um die Eos Film AG zu bewuchern, die Notlage der Geschäftsführerin Gertrud Bachthaler ausgebeutet, sondern die Gesellschaft selber soll sich in der ausgebeuteten Notlage befunden haben. Die Person, deren Lage ausgebeutet wurde, ist hier mit der Geschädigten identisch; nur ist sie nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person. Aber auch dieser Tatbestand wird von Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 erfasst. Diese Bestimmung spricht von einer Person schlechthin, nicht von einer natürlichen Person. Wenn und soweit auch eine juristische Person sich in einer Lage befinden oder eine Eigenschaft aufweisen kann, wie sie in der erwähnten Norm umschrieben sind, zieht die wucherische Ausbeutung dieser Lage oder Eigenschaft Strafe nach sich. Im vorliegenden Falle geht es nur um die Frage der "Notlage". In einer solchen kann sich auch die juristische Person befinden. Daran ändert die Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und bei Überschuldung (Art. 725, 817, 903 OR) nichts. Abgesehen davon, dass man sich fragen kann, ob nicht schon der die Anzeigepflicht auslösende Tatbestand die Voraussetzungen einer "Notlage" im Sinne des Art. 157 StGB erfüllt, kann in Fällen, in denen die Anzeigepflicht verletzt worden ist und die Lage sich dadurch verschlimmert hat, die Notlage nicht deshalb verneint werden, weil sie durch Erfüllung dieser Pflicht hätte gemildert oder vermieden werden können. Art. 157 StGB frägt nicht nach den Ursachen der Notlage; es genügt, dass sie bestand und der Täter sie ausbeutete. 2. Die Mehrzahl der Wechsel enthielten ein gefälschtes Akzept. Das schliesst Wucher in diesen Fällen nicht aus. Die Fälschungen ändern nichts daran, dass die Beschwerdeführer sich von der Eos Film AG - übrigens auch wechselrechtlich durchaus gültig - im Sinne des Art. 157 StGB Vermögensvorteile "versprechen" und "gewähren" liessen. Auch kann nicht gesagt werden, diese hätten objektiv zu den Leistungen der Beschwerdeführer in keinem offenbaren Missverhältnis gestanden, weil die Fälschung der Akzepte die Gefahr, dass die Wechselnehmer zu Verlust kommen könnten, erhöht habe. Die Vergütungen, welche die Eos Film AG versprach, um von den Beschwerdeführern für kurze Zeit Geld zu erhalten, entsprachen einem Jahreszins von 60 und mehr Prozent. Selbst das hohe Verlustrisiko, das wegen der hoffnungslosen finanziellen Lage der Eos Film AG objektiv bestand, rechtfertigte so masslose Überforderung nicht. Art. 157 StGB wäre sonst gerade in den Fällen, in denen der Bewucherte wegen seiner verzweifelten Lage des Schutzes am meisten bedurfte, toter Buchstabe. 3. Vorsatz setzt unter anderem voraus, dass den Beschwerdeführern die Notlage der Eos Film AG bekannt war. Dieses Wissen ist von der Vorinstanz verbindlich festgestellt worden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Dass die Beschwerdeführer meinten, der Eos Film AG fehlten nur vorübergehend die nötigen Mittel, ist unerheblich; eine Notlage kann auch in vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten bestehen, weshalb der Vorsatz, sich solche zunutze zu machen, genügt. Zum Vorsatz gehört ferner, dass die Beschwerdeführer wussten, in welchem Verhältnis Leistung und Gegenleistung zueinander standen. Auch dieses Wissen steht fest. Die irrige Vorstellung über die Gültigkeit der Akzepte schliesst es nicht aus; denn die Beschwerdeführer stellten sich nicht einen Sachverhalt vor, der für sie günstiger, sondern einen solchen, der für sie ungünstiger gewesen wäre, wenn er der Wirklichkeit entsprochen hätte. Nicht nötig ist, dass die Beschwerdeführer das bestehende Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als "offenbares Missverhältnis" würdigten, wie der Richter es tut; denn das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, ja Strafbarkeit einer Handlung gehört nicht zum Vorsatz; ein Irrtum in dieser Hinsicht wäre nach Art. 20 StGB zu berücksichtigen; doch entfällt die Anwendung dieser Bestimmung hier schon deshalb, weil die Beschwerdeführer sich auf keinen zureichenden Grund zu berufen vermöchten, der ihnen das Gefühl hätte nehmen können, so skrupellose Ausnützung der Notlage einer Aktiengesellschaft verstosse nicht zum mindesten irgendwie gegen das, was recht ist. Endlich war den Beschwerdeführern auch bekannt, dass die Eos Film AG die Wechselverpflichtungen nur wegen ihrer Notlage zu den vereinbarten Bedingungen einging. Sie waren sich also bewusst, dass sie durch den Abschluss der Geschäfte zu diesen Bedingungen die Notlage ausbeuteten. Indem sie trotz ihres Wissens die Geschäfte abschlossen, und zwar, wie nicht bestritten wird, aus freiem Willensentschlusse, hatten sie notwendigerweise auch den zum Vorsatz gehörenden Willen, die den Wuchertatbestand ausmachenden Merkmale zu verwirklichen. Die Vorinstanz hat den Vorsatz somit zu Recht bejaht. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 157, 18, 20 CP. 1. Usure commise par l'exploitation de l'état de gêne d'une personne morale (consid. 1). Un état de gêne passager suffit (consid. 3). 2. Usure commise en escomptant des lettres de change munies de fausses acceptations; disproportion évidente entre la prestation et la contre-prestation (consid. 2). 3. Intention de l'usurier. Il n'est pas nécessaire qu'il ait conscience de l'illicéité de son acte. Erreur de droit; pas de raisons suffisantes (consid. 3).
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80 IV 15
Sachverhalt ab Seite 15 A.- Hans Weyeneth, der ein Lichtspieltheater führt, stand in den Monaten Februar bis Mai 1948 der schwer überschuldeten Eos Film AG, die keine Bankkredite mehr erhielt, finanziell bei und liess sich dafür von ihr sechs Wechsel von je Fr. 20'000.-- mit Laufzeiten von durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Monaten ausstellen und übergeben. Jeder Wechsel trug die Unterschrift eines dem Wechselnehmer als zahlungsfähig bekannten Akzeptanten. Auf den beiden ersten Wechseln war sie echt. Auf den andern vier hatte Gertrud Bachthaler, die Leiterin der Eos Film AG, sie hingesetzt, was Weyeneth nicht wusste. Weyeneth liess die Wechsel von Banken diskontieren. Der Ausstellerin der Wechsel leistete er nur Beträge, die um 10% unter den Wechselsummen blieben. In einem Falle zog er ausserdem seine Diskontspesen ab, und in einem anderen Falle liess er sich über den erwähnten Einschlag hinaus versprechen, dass er einen bestimmten Film während unbestimmter Zeit unentgeltlich in seinem Theater aufführen dürfe, wodurch er an Mietgeld mindestens Fr. 2000.-- einsparen konnte. Bei Verfall eines der beiden ersten Wechsel nahm er an Stelle der Zahlung einen Erneuerungswechsel mit knapp zwei Monaten Laufzeit an. Dafür liess er sich von der Eos Film AG 10% ihrer Einnahmen aus der Vermietung eines bestimmten Filmes versprechen und ausserdem das Recht einräumen, diesen Film während vierzehn Tagen unentgeltlich in seinem Theater aufzuführen, Vorteile, die er und Frau Bachthaler auf zusammen mindestens Fr. 7000.-- schätzten. Weyeneth wusste von Anfang an, dass Gertrud Bachthaler, die für die Eos Film AG handelte, die erwähnten Geschäfte nur einging, weil die Gesellschaft finanziell sehr bedrängt war und sich das dringend benötigte Geld nicht anders verschaffen konnte. Johann Flückiger liess sich in den Monaten März bis Mai 1948 von der Eos Film AG fünf Wechsel von je Fr. 20'000.--, zwei Wechsel von je Fr. 25'000.-- und einen Wechsel von Fr. 30'000.-- mit Laufzeiten von einem bis drei Monaten ausstellen und übergeben und bezahlte ihr dafür, um ihr finanziell beizustehen, Beträge aus, die in fünf Fällen um 10%, in zwei Fällen um 11, 1% und in einem Falle (bei einer Laufzeit von einem Monat und einer Wechselsumme von Fr. 25'000.--) um 20% unter der Wechselsumme blieben. Für jenen Wechsel, den er gegen 20% Einschlag erhielt, nahm er bei Verfall einen Erneuerungswechsel mit einer Laufzeit von einem Monat an, wobei die Wechselsumme von Fr. 25'000.-- auf Fr. 27'000.-- erhöht wurde. Als der Erneuerungswechsel verfiel, liess er sich einen zweiten solchen an Zahlungsstatt geben, mit zwei Monaten Laufzeit und einer Wechselsumme von Fr. 30'000.--. Alle Wechsel trugen die gefälschte Unterschrift eines zahlungsfähigen Akzeptanten, doch hatte Flückiger von den Fälschungen keine Kenntnis. Er war sich bei der Annahme der Wechsel bewusst, dass Gertrud Bachthaler nur deshalb für die Eos Film AG zu den erwähnten Bedingungen Geld aufnahm, weil die Gesellschaft infolge finanzieller Schwierigkeiten, die er freilich nur für vorübergehend hielt, anderswo günstiger keines mehr erhielt. Am 29. September 1948 wurde über die Eos Film AG der Konkurs eröffnet. B.- Am 23. September 1953 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Weyeneth und Flückiger wegen wiederholten Wuchers zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von je einem Monat, unter Auferlegung von zwei Jahren Probezeit, Weyeneth ausserdem zu einer Busse von Fr. 1000.-- und Flückiger zu einer solchen von Fr. 600.--. C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an das Appellationsgericht zurückzuweisen. Sie machen geltend, es sei fraglich, ob eine juristische Person, wie hier die Eos Film AG, Opfer des Wuchers nach Art. 157 StGB sein könne; jedenfalls seien die gesetzlichen Merkmale der Notlage, Abhängigkeit, Geistesschwäche, Unerfahrenheit, Charakterschwäche nicht gleich zu werten wie bei der natürlichen Person, und namentlich sei eine Notlage nicht ohne weiteres anzunehmen, da die Art. 725, 817 und 903 OR den Eintritt einer solchen verhindern sollten. Zudem seien die gefälschten Wechsel in Wirklichkeit wertlos gewesen, weshalb ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht zu Ungunsten der Eos Film AG bestanden habe. Den Beschwerdeführern habe auch der Vorsatz gefehlt. Sie hätten nicht den Eindruck gehabt, dass sich die Eos Film AG in einer Notlage befinde; denn sie hätten an den Bestand und den Wert der Akzepte geglaubt, die sie für echt hielten. Sie hätten auch keine Notlage "ausbeuten" wollen. Das Bewusstsein eines "offenbaren Missverhältnisses" zwischen den gewährten oder versprochenen Vermögensvorteilen und der eigenen Leistung habe ihnen ebenfalls gefehlt; aus den Äusserungen der Frau Bachthaler, deren unglaubliche Überredungskunst die Vorinstanzen zu wenig berücksichtigt hätten, hätten sie annehmen dürfen, der Einschlag von 10% sei durchaus üblich. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer die Notlage, die Abhängigkeit, die Geistesschwäche, die Unerfahrenheit, die Charakterschwäche oder den Leichtsinn einer Person ausbeutet, um sich oder einem andern für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen. Diese Bestimmung schützt das Vermögen (vgl. die Überschrift zum zweiten Titel und den Randtitel zu Art. 148 ff.) und kommt daher auch einer juristischen Person als Träger von Vermögensrechten zugute, gleichgültig ob sie selber oder ob vielmehr das für sie handelnde Organ sich in einer vom Täter ausgebeuteten Notlage, Abhängigkeit usw. befunden hat. Nach dem Wortlaut ist nicht nötig, dass die Person, deren Lage oder Eigenschaften der Täter ausbeutet, mit dem Geschädigten identisch sei; es genügt, dass die Ausbeutung überhaupt zum Mittel gemacht werde, um einen auf Austausch von Vermögensleistungen gerichteten Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, zustande zu bringen. Selbst der französische Text, der im Gegensatz zum deutschen und italienischen verlangt, dass der Täter sich (oder einem andern) den Vermögensvorteil durch die sich in Not usw. befindende Person ("par elle") habe gewähren oder versprechen lassen, ist nicht anders auszulegen; denn damit ist nicht gesagt, dass diese Person die Leistung oder das Versprechen im eigenen Namen erbracht bzw. abgegeben haben müsse, nicht auch als Organ einer juristischen Person habe handeln können. Wucher kann daher z.B. begangen werden, indem der Täter die Geistesschwäche des Verwaltungsrates oder Geschäftsführers einer Aktiengesellschaft ausbeutet, um sich zu Lasten der Gesellschaft Leistungen versprechen zu lassen, die zu den Gegenleistungen in einem offenbaren Missverhältnis stehen. So verhält es sich hier freilich nicht. Den Beschwerdeführern wird nicht vorgeworfen, sie hätten, um die Eos Film AG zu bewuchern, die Notlage der Geschäftsführerin Gertrud Bachthaler ausgebeutet, sondern die Gesellschaft selber soll sich in der ausgebeuteten Notlage befunden haben. Die Person, deren Lage ausgebeutet wurde, ist hier mit der Geschädigten identisch; nur ist sie nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person. Aber auch dieser Tatbestand wird von Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 erfasst. Diese Bestimmung spricht von einer Person schlechthin, nicht von einer natürlichen Person. Wenn und soweit auch eine juristische Person sich in einer Lage befinden oder eine Eigenschaft aufweisen kann, wie sie in der erwähnten Norm umschrieben sind, zieht die wucherische Ausbeutung dieser Lage oder Eigenschaft Strafe nach sich. Im vorliegenden Falle geht es nur um die Frage der "Notlage". In einer solchen kann sich auch die juristische Person befinden. Daran ändert die Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und bei Überschuldung (Art. 725, 817, 903 OR) nichts. Abgesehen davon, dass man sich fragen kann, ob nicht schon der die Anzeigepflicht auslösende Tatbestand die Voraussetzungen einer "Notlage" im Sinne des Art. 157 StGB erfüllt, kann in Fällen, in denen die Anzeigepflicht verletzt worden ist und die Lage sich dadurch verschlimmert hat, die Notlage nicht deshalb verneint werden, weil sie durch Erfüllung dieser Pflicht hätte gemildert oder vermieden werden können. Art. 157 StGB frägt nicht nach den Ursachen der Notlage; es genügt, dass sie bestand und der Täter sie ausbeutete. 2. Die Mehrzahl der Wechsel enthielten ein gefälschtes Akzept. Das schliesst Wucher in diesen Fällen nicht aus. Die Fälschungen ändern nichts daran, dass die Beschwerdeführer sich von der Eos Film AG - übrigens auch wechselrechtlich durchaus gültig - im Sinne des Art. 157 StGB Vermögensvorteile "versprechen" und "gewähren" liessen. Auch kann nicht gesagt werden, diese hätten objektiv zu den Leistungen der Beschwerdeführer in keinem offenbaren Missverhältnis gestanden, weil die Fälschung der Akzepte die Gefahr, dass die Wechselnehmer zu Verlust kommen könnten, erhöht habe. Die Vergütungen, welche die Eos Film AG versprach, um von den Beschwerdeführern für kurze Zeit Geld zu erhalten, entsprachen einem Jahreszins von 60 und mehr Prozent. Selbst das hohe Verlustrisiko, das wegen der hoffnungslosen finanziellen Lage der Eos Film AG objektiv bestand, rechtfertigte so masslose Überforderung nicht. Art. 157 StGB wäre sonst gerade in den Fällen, in denen der Bewucherte wegen seiner verzweifelten Lage des Schutzes am meisten bedurfte, toter Buchstabe. 3. Vorsatz setzt unter anderem voraus, dass den Beschwerdeführern die Notlage der Eos Film AG bekannt war. Dieses Wissen ist von der Vorinstanz verbindlich festgestellt worden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis Abs. 1 BStP). Dass die Beschwerdeführer meinten, der Eos Film AG fehlten nur vorübergehend die nötigen Mittel, ist unerheblich; eine Notlage kann auch in vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten bestehen, weshalb der Vorsatz, sich solche zunutze zu machen, genügt. Zum Vorsatz gehört ferner, dass die Beschwerdeführer wussten, in welchem Verhältnis Leistung und Gegenleistung zueinander standen. Auch dieses Wissen steht fest. Die irrige Vorstellung über die Gültigkeit der Akzepte schliesst es nicht aus; denn die Beschwerdeführer stellten sich nicht einen Sachverhalt vor, der für sie günstiger, sondern einen solchen, der für sie ungünstiger gewesen wäre, wenn er der Wirklichkeit entsprochen hätte. Nicht nötig ist, dass die Beschwerdeführer das bestehende Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als "offenbares Missverhältnis" würdigten, wie der Richter es tut; denn das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, ja Strafbarkeit einer Handlung gehört nicht zum Vorsatz; ein Irrtum in dieser Hinsicht wäre nach Art. 20 StGB zu berücksichtigen; doch entfällt die Anwendung dieser Bestimmung hier schon deshalb, weil die Beschwerdeführer sich auf keinen zureichenden Grund zu berufen vermöchten, der ihnen das Gefühl hätte nehmen können, so skrupellose Ausnützung der Notlage einer Aktiengesellschaft verstosse nicht zum mindesten irgendwie gegen das, was recht ist. Endlich war den Beschwerdeführern auch bekannt, dass die Eos Film AG die Wechselverpflichtungen nur wegen ihrer Notlage zu den vereinbarten Bedingungen einging. Sie waren sich also bewusst, dass sie durch den Abschluss der Geschäfte zu diesen Bedingungen die Notlage ausbeuteten. Indem sie trotz ihres Wissens die Geschäfte abschlossen, und zwar, wie nicht bestritten wird, aus freiem Willensentschlusse, hatten sie notwendigerweise auch den zum Vorsatz gehörenden Willen, die den Wuchertatbestand ausmachenden Merkmale zu verwirklichen. Die Vorinstanz hat den Vorsatz somit zu Recht bejaht. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 157, 18, 20 CP. 1. Usura commessa mediante sfruttamento dello stato di bisogno d'una persona giuridica (consid. 1). Basta uno stato di bisogno passeggiero (consid. 3). 2. Usura commessa scontando delle cambiali munite di false accettazioni; sproporzione manifesta tra la prestazione e la controprestazione (consid. 2). 3. Intenzione dell'usuraio. Non occorre che abbia coscienza del carattere illecito del suo atto. Errore di diritto; mancanza di ragioni sufficienti (consid. 3).
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80 IV 151
Sachverhalt ab Seite 151 A.- Roger Iseli bestellte Walter Allemann, Uhrenhändler in Zuchwil, unter dem Vorwande, dass jemand sich für 1100 Damenuhren und 200 Herrenuhren interessiere, mit solcher Ware auf den 19. August 1952 nach Zürich. Am Nachmittag dieses Tages fuhr er mit Allemann, Eduard Reichenbach und Edmondo Zarro im Motorwagen des Reichenbach nach Kreuzlingen, nachdem er Allemann angegeben hatte, der Uhrenkäufer erwarte sie dort. Auf der Fahrt steckte Iseli dem Zarro 50 der im Wagen untergebrachten Uhren zu. Die anderen 1250 Stück blieben in Kreuzlingen im Wagen. Reichenbach schloss diesen ab und nahm den Schlüssel zu sich. Unter dem Vorwande, der Uhrenkäufer treffe erst gegen Abend in Kreuzlingen ein, bestimmten hierauf Iseli, Reichenbach und Zarro auf Vorschlag des ersteren den Allemann, mit ihnen zu Fuss nach Konstanz zu gehen, um dort im Restaurant "Konzil" einen Imbiss einzunehmen. Zarro schmuggelte auf diesem Gang die 50 Uhren über die Grenze und schob sie im Restaurant dem Allemann zu. Nach kurzer Zeit entfernten Iseli und Reichenbach sich von dort, gingen nach Kreuzlingen zurück, nahmen die 1250 Uhren im Werte von Fr. 20'250.-- aus dem Automobil und hinterlegten sie im Bahnhof Kreuzlingen. Hierauf begaben sie sich wieder nach Konstanz, teilten der deutschen Zollfahndungsstelle telephonisch mit, Allemann habe 50 Uhren geschmuggelt, und veranlassten dadurch, dass er im Restaurant "Konzil" verhaftet wurde. Iseli und Reichenbach holten hernach die 1250 Uhren im Bahnhof Kreuzlingen, versorgten sie wieder im Automobil und fuhren mit diesem zusammen mit Zarro nach Zürich zurück. Alle drei hatten den Plan gemeinsam gefasst und in gemeinsamem Einverständnis und Zusammenwirken ausgeführt. Sie beabsichtigten, die Uhren zu verkaufen und den Erlös miteinander zu teilen. B.- Gestützt auf diesen von den Geschworenen durch Bejahung mehrerer Teilfragen festgestellten Sachverhalt erklärte das Schwurgericht des Kantons Zürich am 12. Dezember 1953 Iseli, Reichenbach und Zarro als Mittäter des Diebstahls im Betrage von Fr. 20'250.-- (Art. 137 Ziff. 1 StGB), der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 2 StGB) und des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 Abs. 2 StGB) schuldig. C.- Iseli, Reichenbach und Zarro führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Schwurgericht zurückzuweisen. Sie bestreiten, sich des Diebstahls und des verbotenen Handelns für einen fremden Staat schuldig gemacht zu haben. Die Uhren seien ihnen von Allemann anvertraut gewesen, weshalb nur Veruntreuung vorliege (Art. 140 StGB). Das Handeln für einen fremden Staat im Sinne des Art. 271 Ziff. 2 StGB betreffe nur Fälle, in denen jemand aus politischen Gründen ins Ausland verschleppt werde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Veruntreuung setzt voraus, dass dem Täter die fremde bewegliche Sache, die er sich aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, anvertraut worden sei (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Diese Voraussetzung ist nicht schon erfüllt, wenn der Täter zu der Sache Zutritt hat, indem z.B. der Schlüssel zu ihrem Aufbewahrungsorte sich in seinen Händen befindet. Sie muss ihm vielmehr übergeben worden sein mit dem ausdrücklich oder stillschweigend geäusserten Willen beider Beteiligten, dass er sie verwahre, verwalte, weitergebe und dgl. Ist das nicht der Fall, so macht der Täter dadurch, dass er dem andern die Sache in der erwähnten Absicht wegnimmt, sich des Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Das trifft selbst dann zu, wenn der andere zur Zeit der Tat vorübergehend nicht in der Lage ist, die Sache zu beherrschen, z.B. weil er abwesend ist oder der Schlüssel sich in den Händen eines Dritten oder des Täters selbst befindet. Wie die vorübergehende Verhinderung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt den Besitz nicht aufhebt (Art. 921 ZGB), steht sie auch dem Gewahrsam nicht im Wege, ohne den die Sache nicht im Sinne des Art. 137 Ziff. 1 StGB "weggenommen" werden kann. Die Wegnahme besteht in einem solchen Falle in einem Tun oder Unterlassen des Täters, das dem andern verunmöglicht, die tatsächliche Gewalt, an deren Ausübung er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sonst nur vorübergehend verhindert gewesen wäre, wieder auszuüben. So verhält es sich hier. Indem Allemann die von ihm mitgebrachten Uhren im gemeinsam benützten Fahrzeug zurückliess, vertraute er sie weder dem Reichenbach, dem es gehörte und der den Schlüssel dazu besass, noch einem der anderen Beschwerdeführer an, auch nicht stillschweigend. Er hatte dazu gar keine Veranlassung, da die Beschwerdeführer in ihm die Meinung erweckten, sie würden sich nur zur Einnahme eines Imbisses nach Konstanz begeben und nachher gemeinsam zum Automobil zurückkehren und den angeblichen Kaufsinteressenten aufsuchen, um ihm die Uhren anzubieten. Die Uhren den Beschwerdeführern oder einem von ihnen anzuvertrauen, hätte keinen Sinn gehabt, da nach der getroffenen Abrede keiner früher zum Wagen zurückkehren sollte als Allemann und daher keiner besser als er für die Sicherheit der Uhren sorgen konnte. Die Rechtslage war insoweit gleich, wie wenn z.B. ein Gast seine Handtasche in der Wohnung des Gastgebers zurücklässt, dieweil er mit diesem gemeinsam einen Spaziergang unternimmt, wobei unterdessen die Wohnung abgeschlossen ist und der Schlüssel in der Hand des Gastgebers liegt. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, wie ihn die Beschwerdeführer selber vorgespiegelt hatten, wäre Allemann nur vorübergehend verhindert gewesen, die tatsächliche Gewalt über die Uhren auszuüben. Sein Gewahrsam an diesen dauerte fort, bis die Beschwerdeführer ihn brachen, indem sie Allemann an der Rückkehr nach Kreuzlingen hinderten und selber die Hand auf die Uhren legten. Sie sind zu Recht des Diebstahls, nicht der Veruntreuung schuldig erklärt worden. 3. Nach Art. 271 Ziff. 2 StGB macht sich strafbar, "wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen". Diese Bestimmung wurde im wesentlichen aus dem Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft übernommen, in dem die Materie in Art. 1 normiert war. In der Botschaft zu diesem Bundesbeschluss wies der Bundesrat auf die seinerzeit bekannten Fälle Rossi, Weber und Jacob hin, die politische Verschleppungen in das faszistische bzw. nationalsozialistische Ausland betrafen (BBl 1935 I 744). Anlass zu dieser Bestimmung gaben somit tatsächlich Fälle politischer Entführung. Der Wortlaut beschränkt aber Art. 271 Ziff. 2 StGB nicht auf solche Fälle. Wenn nicht hinsichtlich der Überlieferung an eine Partei, wo die politische Verfolgung in der Natur der Sache liegt, wäre eine ausdrückliche Beschränkung in diesem Sinne mindestens bei der Überlieferung an eine Behörde unerlässlich gewesen, da die Tätigkeit von Behörden ordentlicherweise nicht in politischer Verfolgung besteht. Die Beschränkung auf politische Fälle ergibt sich auch nicht aus der Androhung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus. Eine durch Gewalt, List oder Drohung bewerkstelligte Entführung ins Ausland, um das Opfer dort einer behördlichen oder sonstigen Verfolgung zu überliefern, ist auch dann schwer, wenn die Verfolgung nicht politischer Natur und nach den Gesetzen des betreffenden Staates rechtmässig ist. Das trifft insbesondere auch zu, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Verfolgung wegen eines Fiskaldeliktes in Frage steht, wofür die Schweiz ebensowenig die Auslieferung bewilligt wie für politische Delikte. Die Beschränkung auf die aus politischen Gründen erfolgende Verschleppung widerspräche auch dem tieferen Sinne der Bestimmung. Art. 271 Ziff. 2 StGB ist nicht erlassen worden, um den einzelnen vor politischer Verfolgung oder überhaupt vor Zugriffen auf seine Person zu schützen, sondern dient, gleich wie z.B. Art. 272 StGB (vgl. BGE 74 IV 204), dem Schutze des Staates. Das ergibt sich aus der Stellung der Bestimmung im dreizehnten Titel. Es liegt ein Angriff auf die Gebietshoheit der Schweiz vor, wenn jemand sich zum Werkzeug einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation macht, um ihr mittels Entführung den Zugriff auf Personen zu ermöglichen, die der schweizerischen Hoheit unterstehen. Unter diesem Gesichtspunkt macht es keinen Unterschied aus, ob die Tat aus politischen oder aus anderen Gründen begangen wird. Art. 271 Ziff. 2 setzt auch nicht voraus, dass die Überlieferung des Entführten an eine fremde Behörde, Partei oder andere Organisation Beweggrund der Tat sei; die Bestimmung trifft auch zu, wenn der Täter in der Überlieferung bloss das Mittel zur Erreichung eines anderen Zweckes sieht und der Endzweck ihn zur Tat bewegt. Das Wort "um" hat in dieser Bestimmung bloss den Sinn, dass die Überlieferung vom Täter beabsichtigt, d.h. dass sein Wille auf sie gerichtet sein muss, womit - vgl. BGE 74 IV 45und BGE 80 IV 120 - über den Grund seines Handelns nichts gesagt ist. Ebensowenig unterscheidet die Bestimmung, ob die Überlieferung nach der Absicht des Täters dem Opfer die Freiheit dauernd oder bloss für kurze Zeit entziehen sollte. Es genügt die Absicht blosser Überlieferung, d.h. der Täter muss der fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation Gelegenheit geben wollen, das Opfer festzunehmen. Nicht nötig ist, dass dieser Erfolg tatsächlich eintrete; das Verbrechen ist schon mit der Entführung ins Ausland vollendet. Die Beschwerdeführer sind deshalb mit Recht nach Art. 271 Ziff. 2 StGB bestraft worden, obschon ihre Tat keine politischen Hintergründe hat, sie bloss die Begehung des Diebstahls ermöglichen sollte und die Beschwerdeführer das Opfer angeblich nur einer vorübergehenden Festnahme aussetzen wollten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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1. Art. 137 Ziff. 1, 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Diebstahl oder Veruntreuung? (Erw. 2). 2. Art. 271 Ziff. 2 StGB. Subjektiver Tatbestand der Entführung zur Überlieferung an eine fremde Behörde (Erw. 3).
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Sachverhalt ab Seite 151 A.- Roger Iseli bestellte Walter Allemann, Uhrenhändler in Zuchwil, unter dem Vorwande, dass jemand sich für 1100 Damenuhren und 200 Herrenuhren interessiere, mit solcher Ware auf den 19. August 1952 nach Zürich. Am Nachmittag dieses Tages fuhr er mit Allemann, Eduard Reichenbach und Edmondo Zarro im Motorwagen des Reichenbach nach Kreuzlingen, nachdem er Allemann angegeben hatte, der Uhrenkäufer erwarte sie dort. Auf der Fahrt steckte Iseli dem Zarro 50 der im Wagen untergebrachten Uhren zu. Die anderen 1250 Stück blieben in Kreuzlingen im Wagen. Reichenbach schloss diesen ab und nahm den Schlüssel zu sich. Unter dem Vorwande, der Uhrenkäufer treffe erst gegen Abend in Kreuzlingen ein, bestimmten hierauf Iseli, Reichenbach und Zarro auf Vorschlag des ersteren den Allemann, mit ihnen zu Fuss nach Konstanz zu gehen, um dort im Restaurant "Konzil" einen Imbiss einzunehmen. Zarro schmuggelte auf diesem Gang die 50 Uhren über die Grenze und schob sie im Restaurant dem Allemann zu. Nach kurzer Zeit entfernten Iseli und Reichenbach sich von dort, gingen nach Kreuzlingen zurück, nahmen die 1250 Uhren im Werte von Fr. 20'250.-- aus dem Automobil und hinterlegten sie im Bahnhof Kreuzlingen. Hierauf begaben sie sich wieder nach Konstanz, teilten der deutschen Zollfahndungsstelle telephonisch mit, Allemann habe 50 Uhren geschmuggelt, und veranlassten dadurch, dass er im Restaurant "Konzil" verhaftet wurde. Iseli und Reichenbach holten hernach die 1250 Uhren im Bahnhof Kreuzlingen, versorgten sie wieder im Automobil und fuhren mit diesem zusammen mit Zarro nach Zürich zurück. Alle drei hatten den Plan gemeinsam gefasst und in gemeinsamem Einverständnis und Zusammenwirken ausgeführt. Sie beabsichtigten, die Uhren zu verkaufen und den Erlös miteinander zu teilen. B.- Gestützt auf diesen von den Geschworenen durch Bejahung mehrerer Teilfragen festgestellten Sachverhalt erklärte das Schwurgericht des Kantons Zürich am 12. Dezember 1953 Iseli, Reichenbach und Zarro als Mittäter des Diebstahls im Betrage von Fr. 20'250.-- (Art. 137 Ziff. 1 StGB), der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 2 StGB) und des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 Abs. 2 StGB) schuldig. C.- Iseli, Reichenbach und Zarro führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Schwurgericht zurückzuweisen. Sie bestreiten, sich des Diebstahls und des verbotenen Handelns für einen fremden Staat schuldig gemacht zu haben. Die Uhren seien ihnen von Allemann anvertraut gewesen, weshalb nur Veruntreuung vorliege (Art. 140 StGB). Das Handeln für einen fremden Staat im Sinne des Art. 271 Ziff. 2 StGB betreffe nur Fälle, in denen jemand aus politischen Gründen ins Ausland verschleppt werde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Veruntreuung setzt voraus, dass dem Täter die fremde bewegliche Sache, die er sich aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, anvertraut worden sei (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Diese Voraussetzung ist nicht schon erfüllt, wenn der Täter zu der Sache Zutritt hat, indem z.B. der Schlüssel zu ihrem Aufbewahrungsorte sich in seinen Händen befindet. Sie muss ihm vielmehr übergeben worden sein mit dem ausdrücklich oder stillschweigend geäusserten Willen beider Beteiligten, dass er sie verwahre, verwalte, weitergebe und dgl. Ist das nicht der Fall, so macht der Täter dadurch, dass er dem andern die Sache in der erwähnten Absicht wegnimmt, sich des Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Das trifft selbst dann zu, wenn der andere zur Zeit der Tat vorübergehend nicht in der Lage ist, die Sache zu beherrschen, z.B. weil er abwesend ist oder der Schlüssel sich in den Händen eines Dritten oder des Täters selbst befindet. Wie die vorübergehende Verhinderung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt den Besitz nicht aufhebt (Art. 921 ZGB), steht sie auch dem Gewahrsam nicht im Wege, ohne den die Sache nicht im Sinne des Art. 137 Ziff. 1 StGB "weggenommen" werden kann. Die Wegnahme besteht in einem solchen Falle in einem Tun oder Unterlassen des Täters, das dem andern verunmöglicht, die tatsächliche Gewalt, an deren Ausübung er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sonst nur vorübergehend verhindert gewesen wäre, wieder auszuüben. So verhält es sich hier. Indem Allemann die von ihm mitgebrachten Uhren im gemeinsam benützten Fahrzeug zurückliess, vertraute er sie weder dem Reichenbach, dem es gehörte und der den Schlüssel dazu besass, noch einem der anderen Beschwerdeführer an, auch nicht stillschweigend. Er hatte dazu gar keine Veranlassung, da die Beschwerdeführer in ihm die Meinung erweckten, sie würden sich nur zur Einnahme eines Imbisses nach Konstanz begeben und nachher gemeinsam zum Automobil zurückkehren und den angeblichen Kaufsinteressenten aufsuchen, um ihm die Uhren anzubieten. Die Uhren den Beschwerdeführern oder einem von ihnen anzuvertrauen, hätte keinen Sinn gehabt, da nach der getroffenen Abrede keiner früher zum Wagen zurückkehren sollte als Allemann und daher keiner besser als er für die Sicherheit der Uhren sorgen konnte. Die Rechtslage war insoweit gleich, wie wenn z.B. ein Gast seine Handtasche in der Wohnung des Gastgebers zurücklässt, dieweil er mit diesem gemeinsam einen Spaziergang unternimmt, wobei unterdessen die Wohnung abgeschlossen ist und der Schlüssel in der Hand des Gastgebers liegt. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, wie ihn die Beschwerdeführer selber vorgespiegelt hatten, wäre Allemann nur vorübergehend verhindert gewesen, die tatsächliche Gewalt über die Uhren auszuüben. Sein Gewahrsam an diesen dauerte fort, bis die Beschwerdeführer ihn brachen, indem sie Allemann an der Rückkehr nach Kreuzlingen hinderten und selber die Hand auf die Uhren legten. Sie sind zu Recht des Diebstahls, nicht der Veruntreuung schuldig erklärt worden. 3. Nach Art. 271 Ziff. 2 StGB macht sich strafbar, "wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen". Diese Bestimmung wurde im wesentlichen aus dem Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft übernommen, in dem die Materie in Art. 1 normiert war. In der Botschaft zu diesem Bundesbeschluss wies der Bundesrat auf die seinerzeit bekannten Fälle Rossi, Weber und Jacob hin, die politische Verschleppungen in das faszistische bzw. nationalsozialistische Ausland betrafen (BBl 1935 I 744). Anlass zu dieser Bestimmung gaben somit tatsächlich Fälle politischer Entführung. Der Wortlaut beschränkt aber Art. 271 Ziff. 2 StGB nicht auf solche Fälle. Wenn nicht hinsichtlich der Überlieferung an eine Partei, wo die politische Verfolgung in der Natur der Sache liegt, wäre eine ausdrückliche Beschränkung in diesem Sinne mindestens bei der Überlieferung an eine Behörde unerlässlich gewesen, da die Tätigkeit von Behörden ordentlicherweise nicht in politischer Verfolgung besteht. Die Beschränkung auf politische Fälle ergibt sich auch nicht aus der Androhung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus. Eine durch Gewalt, List oder Drohung bewerkstelligte Entführung ins Ausland, um das Opfer dort einer behördlichen oder sonstigen Verfolgung zu überliefern, ist auch dann schwer, wenn die Verfolgung nicht politischer Natur und nach den Gesetzen des betreffenden Staates rechtmässig ist. Das trifft insbesondere auch zu, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Verfolgung wegen eines Fiskaldeliktes in Frage steht, wofür die Schweiz ebensowenig die Auslieferung bewilligt wie für politische Delikte. Die Beschränkung auf die aus politischen Gründen erfolgende Verschleppung widerspräche auch dem tieferen Sinne der Bestimmung. Art. 271 Ziff. 2 StGB ist nicht erlassen worden, um den einzelnen vor politischer Verfolgung oder überhaupt vor Zugriffen auf seine Person zu schützen, sondern dient, gleich wie z.B. Art. 272 StGB (vgl. BGE 74 IV 204), dem Schutze des Staates. Das ergibt sich aus der Stellung der Bestimmung im dreizehnten Titel. Es liegt ein Angriff auf die Gebietshoheit der Schweiz vor, wenn jemand sich zum Werkzeug einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation macht, um ihr mittels Entführung den Zugriff auf Personen zu ermöglichen, die der schweizerischen Hoheit unterstehen. Unter diesem Gesichtspunkt macht es keinen Unterschied aus, ob die Tat aus politischen oder aus anderen Gründen begangen wird. Art. 271 Ziff. 2 setzt auch nicht voraus, dass die Überlieferung des Entführten an eine fremde Behörde, Partei oder andere Organisation Beweggrund der Tat sei; die Bestimmung trifft auch zu, wenn der Täter in der Überlieferung bloss das Mittel zur Erreichung eines anderen Zweckes sieht und der Endzweck ihn zur Tat bewegt. Das Wort "um" hat in dieser Bestimmung bloss den Sinn, dass die Überlieferung vom Täter beabsichtigt, d.h. dass sein Wille auf sie gerichtet sein muss, womit - vgl. BGE 74 IV 45und BGE 80 IV 120 - über den Grund seines Handelns nichts gesagt ist. Ebensowenig unterscheidet die Bestimmung, ob die Überlieferung nach der Absicht des Täters dem Opfer die Freiheit dauernd oder bloss für kurze Zeit entziehen sollte. Es genügt die Absicht blosser Überlieferung, d.h. der Täter muss der fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation Gelegenheit geben wollen, das Opfer festzunehmen. Nicht nötig ist, dass dieser Erfolg tatsächlich eintrete; das Verbrechen ist schon mit der Entführung ins Ausland vollendet. Die Beschwerdeführer sind deshalb mit Recht nach Art. 271 Ziff. 2 StGB bestraft worden, obschon ihre Tat keine politischen Hintergründe hat, sie bloss die Begehung des Diebstahls ermöglichen sollte und die Beschwerdeführer das Opfer angeblich nur einer vorübergehenden Festnahme aussetzen wollten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
de
1. Art. 137 ch. 1, 140 ch. 1 al. 1 CP. Vol ou abus de confiance? (consid. 2). 2. Art. 271 ch. 2 CP. Eléments subjectifs du délit consistant dans le fait d'entraîner une personne à l'étranger pour la livrer à une autorité étrangère (consid. 3).
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80 IV 151
Sachverhalt ab Seite 151 A.- Roger Iseli bestellte Walter Allemann, Uhrenhändler in Zuchwil, unter dem Vorwande, dass jemand sich für 1100 Damenuhren und 200 Herrenuhren interessiere, mit solcher Ware auf den 19. August 1952 nach Zürich. Am Nachmittag dieses Tages fuhr er mit Allemann, Eduard Reichenbach und Edmondo Zarro im Motorwagen des Reichenbach nach Kreuzlingen, nachdem er Allemann angegeben hatte, der Uhrenkäufer erwarte sie dort. Auf der Fahrt steckte Iseli dem Zarro 50 der im Wagen untergebrachten Uhren zu. Die anderen 1250 Stück blieben in Kreuzlingen im Wagen. Reichenbach schloss diesen ab und nahm den Schlüssel zu sich. Unter dem Vorwande, der Uhrenkäufer treffe erst gegen Abend in Kreuzlingen ein, bestimmten hierauf Iseli, Reichenbach und Zarro auf Vorschlag des ersteren den Allemann, mit ihnen zu Fuss nach Konstanz zu gehen, um dort im Restaurant "Konzil" einen Imbiss einzunehmen. Zarro schmuggelte auf diesem Gang die 50 Uhren über die Grenze und schob sie im Restaurant dem Allemann zu. Nach kurzer Zeit entfernten Iseli und Reichenbach sich von dort, gingen nach Kreuzlingen zurück, nahmen die 1250 Uhren im Werte von Fr. 20'250.-- aus dem Automobil und hinterlegten sie im Bahnhof Kreuzlingen. Hierauf begaben sie sich wieder nach Konstanz, teilten der deutschen Zollfahndungsstelle telephonisch mit, Allemann habe 50 Uhren geschmuggelt, und veranlassten dadurch, dass er im Restaurant "Konzil" verhaftet wurde. Iseli und Reichenbach holten hernach die 1250 Uhren im Bahnhof Kreuzlingen, versorgten sie wieder im Automobil und fuhren mit diesem zusammen mit Zarro nach Zürich zurück. Alle drei hatten den Plan gemeinsam gefasst und in gemeinsamem Einverständnis und Zusammenwirken ausgeführt. Sie beabsichtigten, die Uhren zu verkaufen und den Erlös miteinander zu teilen. B.- Gestützt auf diesen von den Geschworenen durch Bejahung mehrerer Teilfragen festgestellten Sachverhalt erklärte das Schwurgericht des Kantons Zürich am 12. Dezember 1953 Iseli, Reichenbach und Zarro als Mittäter des Diebstahls im Betrage von Fr. 20'250.-- (Art. 137 Ziff. 1 StGB), der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 2 StGB) und des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 Abs. 2 StGB) schuldig. C.- Iseli, Reichenbach und Zarro führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Schwurgericht zurückzuweisen. Sie bestreiten, sich des Diebstahls und des verbotenen Handelns für einen fremden Staat schuldig gemacht zu haben. Die Uhren seien ihnen von Allemann anvertraut gewesen, weshalb nur Veruntreuung vorliege (Art. 140 StGB). Das Handeln für einen fremden Staat im Sinne des Art. 271 Ziff. 2 StGB betreffe nur Fälle, in denen jemand aus politischen Gründen ins Ausland verschleppt werde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Veruntreuung setzt voraus, dass dem Täter die fremde bewegliche Sache, die er sich aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, anvertraut worden sei (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Diese Voraussetzung ist nicht schon erfüllt, wenn der Täter zu der Sache Zutritt hat, indem z.B. der Schlüssel zu ihrem Aufbewahrungsorte sich in seinen Händen befindet. Sie muss ihm vielmehr übergeben worden sein mit dem ausdrücklich oder stillschweigend geäusserten Willen beider Beteiligten, dass er sie verwahre, verwalte, weitergebe und dgl. Ist das nicht der Fall, so macht der Täter dadurch, dass er dem andern die Sache in der erwähnten Absicht wegnimmt, sich des Diebstahls schuldig (Art. 137 Ziff. 1 StGB). Das trifft selbst dann zu, wenn der andere zur Zeit der Tat vorübergehend nicht in der Lage ist, die Sache zu beherrschen, z.B. weil er abwesend ist oder der Schlüssel sich in den Händen eines Dritten oder des Täters selbst befindet. Wie die vorübergehende Verhinderung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt den Besitz nicht aufhebt (Art. 921 ZGB), steht sie auch dem Gewahrsam nicht im Wege, ohne den die Sache nicht im Sinne des Art. 137 Ziff. 1 StGB "weggenommen" werden kann. Die Wegnahme besteht in einem solchen Falle in einem Tun oder Unterlassen des Täters, das dem andern verunmöglicht, die tatsächliche Gewalt, an deren Ausübung er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sonst nur vorübergehend verhindert gewesen wäre, wieder auszuüben. So verhält es sich hier. Indem Allemann die von ihm mitgebrachten Uhren im gemeinsam benützten Fahrzeug zurückliess, vertraute er sie weder dem Reichenbach, dem es gehörte und der den Schlüssel dazu besass, noch einem der anderen Beschwerdeführer an, auch nicht stillschweigend. Er hatte dazu gar keine Veranlassung, da die Beschwerdeführer in ihm die Meinung erweckten, sie würden sich nur zur Einnahme eines Imbisses nach Konstanz begeben und nachher gemeinsam zum Automobil zurückkehren und den angeblichen Kaufsinteressenten aufsuchen, um ihm die Uhren anzubieten. Die Uhren den Beschwerdeführern oder einem von ihnen anzuvertrauen, hätte keinen Sinn gehabt, da nach der getroffenen Abrede keiner früher zum Wagen zurückkehren sollte als Allemann und daher keiner besser als er für die Sicherheit der Uhren sorgen konnte. Die Rechtslage war insoweit gleich, wie wenn z.B. ein Gast seine Handtasche in der Wohnung des Gastgebers zurücklässt, dieweil er mit diesem gemeinsam einen Spaziergang unternimmt, wobei unterdessen die Wohnung abgeschlossen ist und der Schlüssel in der Hand des Gastgebers liegt. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, wie ihn die Beschwerdeführer selber vorgespiegelt hatten, wäre Allemann nur vorübergehend verhindert gewesen, die tatsächliche Gewalt über die Uhren auszuüben. Sein Gewahrsam an diesen dauerte fort, bis die Beschwerdeführer ihn brachen, indem sie Allemann an der Rückkehr nach Kreuzlingen hinderten und selber die Hand auf die Uhren legten. Sie sind zu Recht des Diebstahls, nicht der Veruntreuung schuldig erklärt worden. 3. Nach Art. 271 Ziff. 2 StGB macht sich strafbar, "wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen". Diese Bestimmung wurde im wesentlichen aus dem Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft übernommen, in dem die Materie in Art. 1 normiert war. In der Botschaft zu diesem Bundesbeschluss wies der Bundesrat auf die seinerzeit bekannten Fälle Rossi, Weber und Jacob hin, die politische Verschleppungen in das faszistische bzw. nationalsozialistische Ausland betrafen (BBl 1935 I 744). Anlass zu dieser Bestimmung gaben somit tatsächlich Fälle politischer Entführung. Der Wortlaut beschränkt aber Art. 271 Ziff. 2 StGB nicht auf solche Fälle. Wenn nicht hinsichtlich der Überlieferung an eine Partei, wo die politische Verfolgung in der Natur der Sache liegt, wäre eine ausdrückliche Beschränkung in diesem Sinne mindestens bei der Überlieferung an eine Behörde unerlässlich gewesen, da die Tätigkeit von Behörden ordentlicherweise nicht in politischer Verfolgung besteht. Die Beschränkung auf politische Fälle ergibt sich auch nicht aus der Androhung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus. Eine durch Gewalt, List oder Drohung bewerkstelligte Entführung ins Ausland, um das Opfer dort einer behördlichen oder sonstigen Verfolgung zu überliefern, ist auch dann schwer, wenn die Verfolgung nicht politischer Natur und nach den Gesetzen des betreffenden Staates rechtmässig ist. Das trifft insbesondere auch zu, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Verfolgung wegen eines Fiskaldeliktes in Frage steht, wofür die Schweiz ebensowenig die Auslieferung bewilligt wie für politische Delikte. Die Beschränkung auf die aus politischen Gründen erfolgende Verschleppung widerspräche auch dem tieferen Sinne der Bestimmung. Art. 271 Ziff. 2 StGB ist nicht erlassen worden, um den einzelnen vor politischer Verfolgung oder überhaupt vor Zugriffen auf seine Person zu schützen, sondern dient, gleich wie z.B. Art. 272 StGB (vgl. BGE 74 IV 204), dem Schutze des Staates. Das ergibt sich aus der Stellung der Bestimmung im dreizehnten Titel. Es liegt ein Angriff auf die Gebietshoheit der Schweiz vor, wenn jemand sich zum Werkzeug einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation macht, um ihr mittels Entführung den Zugriff auf Personen zu ermöglichen, die der schweizerischen Hoheit unterstehen. Unter diesem Gesichtspunkt macht es keinen Unterschied aus, ob die Tat aus politischen oder aus anderen Gründen begangen wird. Art. 271 Ziff. 2 setzt auch nicht voraus, dass die Überlieferung des Entführten an eine fremde Behörde, Partei oder andere Organisation Beweggrund der Tat sei; die Bestimmung trifft auch zu, wenn der Täter in der Überlieferung bloss das Mittel zur Erreichung eines anderen Zweckes sieht und der Endzweck ihn zur Tat bewegt. Das Wort "um" hat in dieser Bestimmung bloss den Sinn, dass die Überlieferung vom Täter beabsichtigt, d.h. dass sein Wille auf sie gerichtet sein muss, womit - vgl. BGE 74 IV 45und BGE 80 IV 120 - über den Grund seines Handelns nichts gesagt ist. Ebensowenig unterscheidet die Bestimmung, ob die Überlieferung nach der Absicht des Täters dem Opfer die Freiheit dauernd oder bloss für kurze Zeit entziehen sollte. Es genügt die Absicht blosser Überlieferung, d.h. der Täter muss der fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation Gelegenheit geben wollen, das Opfer festzunehmen. Nicht nötig ist, dass dieser Erfolg tatsächlich eintrete; das Verbrechen ist schon mit der Entführung ins Ausland vollendet. Die Beschwerdeführer sind deshalb mit Recht nach Art. 271 Ziff. 2 StGB bestraft worden, obschon ihre Tat keine politischen Hintergründe hat, sie bloss die Begehung des Diebstahls ermöglichen sollte und die Beschwerdeführer das Opfer angeblich nur einer vorübergehenden Festnahme aussetzen wollten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
de
1. Art. 137 cifra 1, 140 cifra 1 cp. 1 CP. Furto oppure appropriazione indebita? (consid. 2). 2. Art. 271 cifra 2 CP. Elementi soggettivi del delitto consistente nel ratto d'una persona per consegnarla ad un'autorità estera (consid. 3).
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80 IV 156
Erwägungen ab Seite 157 Aus den Erwägungen: 6. Den Antrag auf Freisprechung von der Anklage des Betruges gegenüber Jäger begründet der Beschwerdeführer damit, dass ein Urteilsunfähiger nicht im Sinne des Art. 148 StGB irregeführt und dadurch zu einem sein Vermögen schädigenden Verhalten bestimmt werden könne. Jemanden irreführen heisst, in ihm Vorstellungen wachrufen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Solche Vorstellungen können auch in einer Person erzeugt werden, die infolge ihres von der Norm abweichenden Geisteszustandes nicht fähig ist, vernünftig zu handeln. Solche Personen sind oft sogar in besonderem Masse der Gefahr ausgesetzt, sich zu irren. Gerade die Vergesslichkeit, Kritiklosigkeit und leichte Beeinflussbarkeit, unter denen Jäger wegen seines Altersschwachsinnes litt, haben die Irreführung erleichtert. Art. 148 StGB setzt bloss den Irrtum voraus, nicht auch die Fähigkeit des Opfers, sich durch vernünftige Überlegungen vor Schaden zu schützen, insbesondere mit normaler Geisteskraft einem Irrtum vorzubeugen oder einen solchen zu überwinden. Es wäre eine sonderbare Rechtsordnung, wenn sie gerade den, der infolge verminderter Geistesgaben in vermehrtem Masse der Gefahr ausgesetzt ist, sich zu irren, nicht strafrechtlich gegen die betrügerische Hervorrufung und Ausnützung von Irrtümern schützen würde. Eine andere Frage ist, ob der Täter wisse, dass das Opfer unter dem Einfluss eines Irrtums handelt, oder ob er der Meinung sei, es sei der Lüge mit der Geisteskraft eines Normalen auf die Spur gekommen und fasse seinen Entschluss in Kenntnis des wahren Sachverhaltes. Davon aber hangen nur Vorsatz und Arglist ab, die der Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreitet. Urteilsunfähigkeit des Opfers und daherige Unverbindlichkeit seiner Handlungen schliessen auch nicht die Vermögensschädigung aus, die Tatbestandsmerkmal des Betruges ist. Der Schaden tritt unabhängig vom Recht des Geprellten, den früheren Zustand wiederherstellen zu lassen, dadurch ein, dass er tatsächlich über sein Vermögen verfügt, d.h. sich einer Sache entäussert, einen Wechsel unterschreibt und dgl. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen. 8. ..... Soweit der Beschwerdeführer sodann zur Stützung seiner Rüge, das Obergericht habe ihn zu streng bestraft, auf die vom Kriminalgericht ausgefällte Strafe verweist und daraus ableitet, das Obergericht hätte sie wegen Verneinung des leichtsinnigen Konkurses und wegen Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit stärker herabsetzen sollen, geht er schon deshalb fehl, weil keine bundesrechtliche Norm der oberen kantonalen Instanz vorschreibt, die von der ersten Instanz ausgefällte Strafe als Ausgangspunkt für die Zumessung der Strafe zu nehmen. Vielmehr hat die obere Instanz, soweit nicht kantonale Prozessvorschriften sie daran hindern, die Strafe unabhängig vom erstinstanzlichen Urteil nach den bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen, insbesondere nach Art. 63 StGB, zu bestimmen. Bundesrecht wäre daher selbst dann nicht verletzt, wenn das Obergericht eine strengere Strafe ausgefällt hätte als das Kriminalgericht. Die obere kantonale Instanz verletzt im Gegenteil eidgenössisches Recht, wenn sie ohne prozessuale Notwendigkeit das erstinstanzliche Urteil als verbindlichen Massstab oder Ausgangspunkt für die Bestimmung der Art und des Masses der Strafe nimmt, statt frei die bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen anzuwenden.
de
1. Art. 148 StGB. Auch ein Urteilsunfähiger kann betrogen werden. 2. Art. 63 StGB. Bedeutung der erstinstanzlich verhängten Strafe für die Strafzumessung durch die obere kantonale Instanz.
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80 IV 156
Erwägungen ab Seite 157 Aus den Erwägungen: 6. Den Antrag auf Freisprechung von der Anklage des Betruges gegenüber Jäger begründet der Beschwerdeführer damit, dass ein Urteilsunfähiger nicht im Sinne des Art. 148 StGB irregeführt und dadurch zu einem sein Vermögen schädigenden Verhalten bestimmt werden könne. Jemanden irreführen heisst, in ihm Vorstellungen wachrufen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Solche Vorstellungen können auch in einer Person erzeugt werden, die infolge ihres von der Norm abweichenden Geisteszustandes nicht fähig ist, vernünftig zu handeln. Solche Personen sind oft sogar in besonderem Masse der Gefahr ausgesetzt, sich zu irren. Gerade die Vergesslichkeit, Kritiklosigkeit und leichte Beeinflussbarkeit, unter denen Jäger wegen seines Altersschwachsinnes litt, haben die Irreführung erleichtert. Art. 148 StGB setzt bloss den Irrtum voraus, nicht auch die Fähigkeit des Opfers, sich durch vernünftige Überlegungen vor Schaden zu schützen, insbesondere mit normaler Geisteskraft einem Irrtum vorzubeugen oder einen solchen zu überwinden. Es wäre eine sonderbare Rechtsordnung, wenn sie gerade den, der infolge verminderter Geistesgaben in vermehrtem Masse der Gefahr ausgesetzt ist, sich zu irren, nicht strafrechtlich gegen die betrügerische Hervorrufung und Ausnützung von Irrtümern schützen würde. Eine andere Frage ist, ob der Täter wisse, dass das Opfer unter dem Einfluss eines Irrtums handelt, oder ob er der Meinung sei, es sei der Lüge mit der Geisteskraft eines Normalen auf die Spur gekommen und fasse seinen Entschluss in Kenntnis des wahren Sachverhaltes. Davon aber hangen nur Vorsatz und Arglist ab, die der Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreitet. Urteilsunfähigkeit des Opfers und daherige Unverbindlichkeit seiner Handlungen schliessen auch nicht die Vermögensschädigung aus, die Tatbestandsmerkmal des Betruges ist. Der Schaden tritt unabhängig vom Recht des Geprellten, den früheren Zustand wiederherstellen zu lassen, dadurch ein, dass er tatsächlich über sein Vermögen verfügt, d.h. sich einer Sache entäussert, einen Wechsel unterschreibt und dgl. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen. 8. ..... Soweit der Beschwerdeführer sodann zur Stützung seiner Rüge, das Obergericht habe ihn zu streng bestraft, auf die vom Kriminalgericht ausgefällte Strafe verweist und daraus ableitet, das Obergericht hätte sie wegen Verneinung des leichtsinnigen Konkurses und wegen Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit stärker herabsetzen sollen, geht er schon deshalb fehl, weil keine bundesrechtliche Norm der oberen kantonalen Instanz vorschreibt, die von der ersten Instanz ausgefällte Strafe als Ausgangspunkt für die Zumessung der Strafe zu nehmen. Vielmehr hat die obere Instanz, soweit nicht kantonale Prozessvorschriften sie daran hindern, die Strafe unabhängig vom erstinstanzlichen Urteil nach den bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen, insbesondere nach Art. 63 StGB, zu bestimmen. Bundesrecht wäre daher selbst dann nicht verletzt, wenn das Obergericht eine strengere Strafe ausgefällt hätte als das Kriminalgericht. Die obere kantonale Instanz verletzt im Gegenteil eidgenössisches Recht, wenn sie ohne prozessuale Notwendigkeit das erstinstanzliche Urteil als verbindlichen Massstab oder Ausgangspunkt für die Bestimmung der Art und des Masses der Strafe nimmt, statt frei die bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen anzuwenden.
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1. Art. 148 CP. Une personne incapable de discernement peut aussi être victime d'une escroquerie. 2. Art. 63 CP. Importance de la peine prononcée en première instance pour la mesure de la peine par le juge cantonal de l'instance supérieure.
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80 IV 156
Erwägungen ab Seite 157 Aus den Erwägungen: 6. Den Antrag auf Freisprechung von der Anklage des Betruges gegenüber Jäger begründet der Beschwerdeführer damit, dass ein Urteilsunfähiger nicht im Sinne des Art. 148 StGB irregeführt und dadurch zu einem sein Vermögen schädigenden Verhalten bestimmt werden könne. Jemanden irreführen heisst, in ihm Vorstellungen wachrufen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Solche Vorstellungen können auch in einer Person erzeugt werden, die infolge ihres von der Norm abweichenden Geisteszustandes nicht fähig ist, vernünftig zu handeln. Solche Personen sind oft sogar in besonderem Masse der Gefahr ausgesetzt, sich zu irren. Gerade die Vergesslichkeit, Kritiklosigkeit und leichte Beeinflussbarkeit, unter denen Jäger wegen seines Altersschwachsinnes litt, haben die Irreführung erleichtert. Art. 148 StGB setzt bloss den Irrtum voraus, nicht auch die Fähigkeit des Opfers, sich durch vernünftige Überlegungen vor Schaden zu schützen, insbesondere mit normaler Geisteskraft einem Irrtum vorzubeugen oder einen solchen zu überwinden. Es wäre eine sonderbare Rechtsordnung, wenn sie gerade den, der infolge verminderter Geistesgaben in vermehrtem Masse der Gefahr ausgesetzt ist, sich zu irren, nicht strafrechtlich gegen die betrügerische Hervorrufung und Ausnützung von Irrtümern schützen würde. Eine andere Frage ist, ob der Täter wisse, dass das Opfer unter dem Einfluss eines Irrtums handelt, oder ob er der Meinung sei, es sei der Lüge mit der Geisteskraft eines Normalen auf die Spur gekommen und fasse seinen Entschluss in Kenntnis des wahren Sachverhaltes. Davon aber hangen nur Vorsatz und Arglist ab, die der Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreitet. Urteilsunfähigkeit des Opfers und daherige Unverbindlichkeit seiner Handlungen schliessen auch nicht die Vermögensschädigung aus, die Tatbestandsmerkmal des Betruges ist. Der Schaden tritt unabhängig vom Recht des Geprellten, den früheren Zustand wiederherstellen zu lassen, dadurch ein, dass er tatsächlich über sein Vermögen verfügt, d.h. sich einer Sache entäussert, einen Wechsel unterschreibt und dgl. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen. 8. ..... Soweit der Beschwerdeführer sodann zur Stützung seiner Rüge, das Obergericht habe ihn zu streng bestraft, auf die vom Kriminalgericht ausgefällte Strafe verweist und daraus ableitet, das Obergericht hätte sie wegen Verneinung des leichtsinnigen Konkurses und wegen Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit stärker herabsetzen sollen, geht er schon deshalb fehl, weil keine bundesrechtliche Norm der oberen kantonalen Instanz vorschreibt, die von der ersten Instanz ausgefällte Strafe als Ausgangspunkt für die Zumessung der Strafe zu nehmen. Vielmehr hat die obere Instanz, soweit nicht kantonale Prozessvorschriften sie daran hindern, die Strafe unabhängig vom erstinstanzlichen Urteil nach den bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen, insbesondere nach Art. 63 StGB, zu bestimmen. Bundesrecht wäre daher selbst dann nicht verletzt, wenn das Obergericht eine strengere Strafe ausgefällt hätte als das Kriminalgericht. Die obere kantonale Instanz verletzt im Gegenteil eidgenössisches Recht, wenn sie ohne prozessuale Notwendigkeit das erstinstanzliche Urteil als verbindlichen Massstab oder Ausgangspunkt für die Bestimmung der Art und des Masses der Strafe nimmt, statt frei die bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen anzuwenden.
de
1. Art. 148 CP. Anche una persona incapace di discernimento può essere vittima d'una truffa. 2. Art. 63 CP. Importanza della pena inflitta dal giudice di prime cure per la commisurazione della pena da parte della seconda giurisdizione cantonale.
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Sachverhalt ab Seite 159 A.- Am 2. November 1951 erschien im St. Galler Tagblatt folgendes von Dr. Robert Eibel verfasstes Inserat der Aktion für freie Meinungsbildung "Trumpf Buur": "Es fehlt an freien Männern. Kurz vor den Wahlen erlebte man im Nationalrat ein Trauerspiel. Nur einer von 73 Teilnehmern einer Sitzung hatte den Mut, gegen den Versuch eines schweren Verfassungsbruches aufzutreten. Es ging um ein Postulat, welches forderte, die Teurungszulagen an das Bundespersonal seien auszuzahlen, ohne den Ablauf der Referendumsfrist abzuwarten. Der mutige Volksvertreter, der es wagte, diesem Manöver die Stirne zu bieten, ist unbekannt geblieben. Schade, denn es wäre interessant gewesen zu erfahren, ob er nicht zum vorneherein auf eine Wiederwahl verzichtet hatte!! Neben den 73, die sich bereit fanden, im höheren Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken, sollen aber auch die 120 Ratsherren erwähnt werden, die überall zu finden waren, nur nicht dort, wo sie ihre Pflicht als Volksvertreter eigentlich hinwies, nämlich in den Ratssaal. Die letzten Sonntag frisch gewählten Herren Nationalräte täten gut, sich zu diesem Trauerspiel ihre Gedanken zu machen. Sie legen schliesslich ein feierliches Gelübde auf die Verfassung ab. Wenn trotz diesem feierlichen Versprechen Dinge wie die erwähnten möglich sind, so liegt es daran, dass sich die Volksvertreter nicht mehr als freie Verfechter des allgemeinen Wohls vorkommen, sondern als Gefangene von Verbänden, mächtigen Gruppen und Interessenten, in deren offenen oder geheimen Auftrag sie (gern oder ungern) handeln. Von der historischen Aufgabe des Parlamentes, das Volk vor den Übergriffen des Fiskus und der Bürokratie zu schützen, ist leider nicht mehr viel übrig geblieben. Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen für das Bundespersonal (sie kosten die Bagatelle von 27 Millionen Franken) in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden. Ein Hauptverfechter dieser volksdemokratischen Methode war wieder einmal mehr Herr Robert Bratschi, wahrhaftig ein Demokrat von beängstigenden Ausmassen. Es geht nicht darum, dem Personal diese Zulagen zu missgönnen, es geht darum, ob Recht noch Recht ist, und ob der Bürger sich auf ein Wort des Bundesrates, auf die Worte seiner National- und Ständeräte noch verlassen kann. Vor und während der Abstimmungskampagne um das neue Beamtengesetz, Ende 1949, hat man dem Volk versichert, dass es bei den geschätzten Mehrkosten in der Höhe von schliesslich 44 Millionen Franken jährlich bleiben werde. Präzis und deutlich wurde im Bundesrat und im Parlament erklärt, dass die bevorstehende Anpassung der Ämtereinreihung keine namhaften zusätzlichen Kosten verursachen werde. Die Druckerschwärze der Abstimmungskommentare war kaum trocken und die 44 Millionen Franken Lohnaufbesserungen für das Bundespersonal vom Volke beschlossen, als der Demokrat Bratschi seine Forderungen auf Änderung der Ämtereinreihung bekannt gab. Diese bedingen für das gesamte Bundespersonal weitere Mehrausgaben von mindestens 40 Millionen Franken jährlich, zu den bereits bewilligten 44 Millionen hinzu. Nimmt es einen da noch wunder, dass immer lauter von notwendigen Erhöhungen der Eisenbahn- und Posttarife die Rede ist? Vor der Abstimmung über das Beamtengesetz versicherten Bundesrat, SBB und PTT hoch und heilig, es würden keine Taxerhöhungen notwendig werden. Kaum war die Abstimmung vorbei, wurden die Projekte für Taxerhöhungen aus der Schublade gezogen. Begründung: Vermehrte Personalkosten! So wird das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam aber sicher untergraben. Wo sind in der neuen Bundesversammlung die freien Männer, welche Recht, Verfassung und pegebenes Wort konsequent über die Wünsche und Befehle der mächtigen Verbände und Interessengruppen stellen?" B.- Nationalrat Robert Bratschi fühlt sich durch dieses Inserat in seiner Ehre verletzt. Er reichte am 31. Januar 1952 beim Bezirksgericht St. Gallen gegen Eibel Strafklage wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede, eventuell Beschimpfung ein, verband damit das Begehren um Verurteilung des Beklagten zu Fr. 1000.-- Entschädigung und Genugtuung und verlangte Veröffentlichung des Urteils im St. Galler Tagblatt, in der Volksstimme, in der Ostschweiz, im Mitteilungsblatt der Aktion für freie Meinungsbildung, im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern. Das Bezirksgericht sprach den Beklagten am 27. Februar 1953 wegen der Anschuldigung, ein Hauptverfechter volksdemokratischer Methoden zu sein und durch sein Verhalten zur Untergrabung des Vertrauens in die Demokratie und in die Treue der Behörden beizutragen, der üblen Nachrede schuldig, verurteilte ihn zu Fr. 400.-- Busse und gegenüber dem Kläger zu Fr. 100.-- Genugtuung und verfügte, dass das Urteil auf Kosten des Beklagten im St. Galler Tagblatt zu veröffentlichen sei. Der Beklagte erklärte die Berufung an das Kantonsgericht von St. Gallen mit dem Antrag auf Freisprechung in allen Punkten. Der Kläger schloss sich der Berufung an und beantragte Gutheissung der Klage in vollem Umfange, mit der Ausnahme, dass er die Veröffentlichung des Urteils im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern nicht mehr verlangte. Das Kantonsgericht wies die Klage am 5. Januar 1954 ab. Es führte aus, dass sie sich auf den ganzen Inhalt des Inserates, nicht nur, wie das Bezirksgericht angenommen habe, auf zwei besonders hervorgehobene Stellen beziehe. Es kam zum Schluss, dass das Inserat am Kläger ausschliesslich Kritik politischer Art übe und nirgends seine persönliche Ehre berühre, somit weder als Ganzes noch zum Teil einen strafbaren Ehrverletzungstatbestand erfülle, und dass eine Genugtuung nicht zuzusprechen sei, weil eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR fehle. C.- Bratschi führt gegen das oberinstanzliche Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei im Straf- und im Zivilpunkt aufzuheben und die vor Kantonsgericht gestellten Begehren des Klägers seien zu schützen, eventuell sei die Sache zu diesem Zwecke an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das angefochtene Urteil beschränke den strafrechtlichen Ehrenschutz in unzulässiger Weise und berücksichtige die persönliche Stellung und den Lebenskreis des Klägers nicht; das Inserat verunglimpfe ihn nicht nur politisch, sondern auch persönlich schwer. D.- Eibel beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 4 des BG vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft waren strafbare Handlungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung vom Bundesgericht zu beurteilen, wenn sie begangen wurden, während diese Personen sich "im wirklichen Dienste des Bundes" befanden. Das BG vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BStrR) erweiterte die Bundesgerichtsbarkeit, da sein Art. 59 die "öffentliche Beschimpfung oder Verleumdung" eines Mitgliedes der Bundesversammlung mit Strafe bedrohte, wenn "die beleidigende Äusserung bei Gelegenheit der Ausübung der amtlichen Verrichtungen oder mit Beziehung auf dieselben" stattgefunden hatte, und da sein Art. 74 den Bundesrat ermächtigte, alle in diesem Gesetze mit Strafe bedrohten Handlungen, soweit sie nicht gemäss Art. 73 schon von Gesetzes wegen in die Zuständigkeit der Bundesassisen fielen, nach eidgenössischem Prozessverfahren untersuchen und durch dieses Gericht beurteilen zu lassen. Das BG vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege, das den Art. 74 BStrR aufhob, brachte keine Änderung, da sein Art. 146 die kantonale Gerichtsbarkeit in den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen nur vorsah für den Fall, dass die Sache durch ein Bundesgesetz oder durch Beschluss des Bundesrates den kantonalen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen werde. Das BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege, das diese Bestimmung aufhob, änderte im Ergebnis nichts, da auch es die Zuständigkeit der kantonalen Behörden in Bundesstrafsachen nur kennt, wenn sie kraft eines Bundesgesetzes oder eines Delegationsbeschlusses des Bundesrates besteht (Art. 247). Auch Art. 8 des BG vom 26. März 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft schränkte die Bundesgerichtsbarkeit zur Ahndung der in Art. 59 BStrR umschriebenen Ehrverletzungen nicht ein. Indessen hat die Lage sich durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches geändert. Weil es Art. 59 BStrR aufgehoben hat und Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung wie alle Vergehen gegen die Ehre den Art. 173 ff. StGB unterstellt, sind sie nunmehr gemäss Art. 343 StGB von den kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen, soweit sie nicht kraft einer anderen Bestimmung der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Da das Strafgesetzbuch selber (vgl. Art. 340) sie dieser Gerichtsbarkeit in keinem Falle unterstellt, werden sie von ihr nur noch in dem in Art. 8 des Garantiegesetzes umschriebenen Umfange erfasst. Diese Bestimmung sieht die Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen die Ehre von Mitgliedern der Bundesversammlung nur vor, wenn sie verübt werden, während diese Personen "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden"; denn unter den Straftaten, auf die Abs. 2 verweist, sind nicht nur die in Abs. 1 erwähnten Verbrechen gegen Leib, Leben und Freiheit, sondern auch die daselbst genannten Vergehen gegen die Ehre zu verstehen, wobei für heute dahingestellt bleiben kann, ob alle oder wie im Falle des Abs. 1 nur jene, die sich auf die Amtsführung beziehen. Diese Ordnung entspricht der Absicht der gesetzgebenden Behörden; denn sie waren sich bewusst, dass Art. 8 des Garantiegesetzes nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches die einzige Bestimmung sein werde, aus der die Bundesgerichtsbarkeit zur Verfolgung von Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung werde abgeleitet werden können (Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1933, BBl 1933 II 506). Das Inserat, das Gegenstand der Klage bildet, ist nicht während einer Session der Bundesversammlung erschienen. Auch wird von keiner Seite behauptet, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1951 an der Tagung einer Kommission der Bundesversammlung teilgenommen. Ob die Mitglieder der Bundesversammlung während einer solchen Tagung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 des Garantiegesetzes "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden", kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Beschwerdegegner untersteht für das Vergehen, das der Beschwerdeführer ihm vorwirft, der kantonalen Gerichtsbarkeit. 2. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes schützen die Art. 173 ff. StGB nur den Ruf und das Gefühl des Betroffenen, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich eignen, jemanden in anderer Hinsicht in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen oder in seinem Selbstbewusstsein zu verletzen, sind nicht ehrverletzend im Sinne der erwähnten Bestimmungen. Das wurde z.B. entschieden in bezug auf Worte, die jemanden als Künstler, Berufs- oder Geschäftsmann heruntermachten oder ihn als nervenkrank hinstellten (BGE 71 IV 230,BGE 72 IV 172,BGE 76 IV 28,BGE 77 IV 98), muss aber auch gelten für Vorwürfe, welche die politische Anschauung und Haltung eines Menschen beanstanden. Voraussetzung ist aber hier wie immer, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens und Empfindens des Betroffenen keine Schatten auf seine Geltung als ehrbarer Mensch werfe und sein Gefühl, ein solcher zu sein, vollständig unberührt lasse. Durch Beanstandung der politischen Haltung eines Menschen darf nicht der Eindruck oder auch bloss der Verdacht erweckt werden, es fehlten ihm von jenen Charaktereigenschaften, die nach allgemeiner Anschauung ein ehrbarer Mensch haben muss. Das gilt auch für Äusserungen in der Presse, sogar wenn sie der Bildung einer politischen Meinung dienen; die Aufgabe, welche die Presse auf diesem Gebiete hat, gibt ihr nicht das Recht, die Grenzen, die das Strafgesetzbuch zum Schutze der persönlichen Ehre zieht, zu überschreiten (BGE 70 IV 24, 151,BGE 73 IV 16,BGE 77 IV 99). 3. In den ersten fünf Absätzen des Inserates hat der Beschwerdegegner vom Versuch eines Verfassungs- und Rechtsbruches geschrieben. Dieser Vorwurf an sich setzt die Personen, die er angeht, in ihrem Ehrgefühl und ihrer Geltung als ehrbare Menschen nicht herab. Wie sehr auch ein in einer Behörde verfochtener Antrag gegen Gesetz oder Verfassung verstossen mag, ist der, der ihn im guten Glauben der Rechtmässigkeit stellt oder unterstützt, nicht ein ehrloser Mensch; denn die gutgläubig unrichtige Beantwortung einer Rechtsfrage verrät keinen Charakterfehler. Anders ist es sogar dann nicht, wenn der Vorwurf mit scharfen Worten erhoben wird. Immerhin dürfen sie nicht beschimpfend sein. Das sind jedoch die vom Beschwerdegegner gebrauchten Wendungen "schwerer Verfassungsbruch" und "in völlig rechtswidriger Weise" nicht. 4. Der Vorwurf, das Mitglied einer gesetzgebenden Behörde habe einen gesetz- oder verfassungswidrigen Antrag gestellt oder unterstützt, eignet sich dagegen dann, seinen Ruf als Mensch zu schädigen, wenn damit die Beschuldigung oder Verdächtigung verbunden wird, es habe mit dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt. Ein Volksvertreter, der das tut, erniedrigt sich nicht nur politisch, sondern auch allgemein menschlich, jedenfalls dann, wenn er nicht aus sittlich achtenswerten Beweggründen handelt. Ehrverletzend ist demgemäss die Stelle im zweiten Absatz des Inserates, wo der Beschwerdegegner von 73 Mitgliedern des Nationalrates, welche die sofortige Auszahlung der Teurungszulage befürworteten, gesagt hat, sie hätten sich bereit gefunden, im Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken. Diese Behauptung kann nicht anders verstanden werden, als dass die 73 Ratsmitglieder die Referendumsvorschrift bewusst missachtet hätten, um für die bevorstehende Erneuerung ihres Mandates sich die Gunst der Wähler zu sichern. Gesetz und Recht zu einem persönlichen, eigennützigen Zwecke in die Ecke drücken, heisst, sie absichtlich und gewaltsam verdrängen, ausschalten. Dass dem Satze der Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens entnommen werden muss, bestätigt auch der Hinweis des nächsten Absatzes auf das von den neuen Ratsmitgliedern abzulegende feierliche Gelübde. Vom Vorwurf betroffen wird der Beschwerdeführer indessen nicht schon wegen seiner Zugehörigkeit zum Nationalrat. Das ehrenrührige Verhalten wird nur jenen Ratsmitgliedern vorgehalten, die für die sofortige Auszahlung der Teurungszulage stimmten. Die Ehre dieser 73 aber wird damit verletzt. Dass das Inserat sie nicht mit Namen nennt, ändert nichts; denn jedenfalls die Mitglieder des Nationalrates, die es zu Gesicht bekamen, konnten wissen, welche ihrer Kollegen gemeint waren. Wenn der Beschwerdeführer zu den 73 gehört, ist er daher in seiner Ehre verletzt und damit auch berechtigt, Strafantrag zu stellen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Kantonsgericht hat festzustellen, ob der Beschwerdeführer für die sofortige Auszahlung der Teurungszulagen gestimmt hat. Wenn er bei der Abstimmung im Rate anwesend war, mag angesichts seiner Einstellung und der Haltung, die er in der ganzen Sache eingenommen hat, der Schluss nahe liegen, dass es der Fall gewesen sei. Allein ob er überhaupt anwesend war, kann dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnommen werden. Ob der Beschwerdegegner die Teilnahme des Beschwerdeführers an der betreffenden Sitzung im Prozesse nicht bestritten hat, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist vom Kassationshof nicht selber nachzuprüfen, abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in der Klage seine Anwesenheit nicht behauptet hatte und daher für den Beschwerdegegner zunächst auch gar kein Anlass bestand, sie zu bestreiten. 5. ......... 6. Nicht zu teilen ist die Auffassung des Bezirksgerichts, auch der erste Satz des fünften Absatzes des Inserates enthalte den Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens. Die Worte: "Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen... in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden", haben bloss den Sinn, dass, wenn es nach dem Willen dieser Nationalräte gegangen wäre, die Teurungszulagen dem Referendum in völlig rechtswidriger Weise entzogen worden wären, d.h., was die vierzig gewollt hätten, sei völlig rechtswidrig gewesen. Dass ihr Wille sich auch auf die "völlige Rechtswidrigkeit" bezogen habe, kann der unbefangene Leser dem Satze nicht entnehmen. 7. Durch den zweiten Satz des fünften Absatzes des Inserates sieht der Beschwerdeführer sich in seiner Ehre verletzt, weil der Ausdruck "volksdemokratische Methode" den Leser unwillkürlich an Diktatur, Terror, Aufhebung aller persönlichen Rechte, Unterdrückung der Freiheit, Aufhebung des normalen Rechtsverfahrens usw. denken lasse, und weil die ironische Bemerkung, der Beschwerdeführer sei ein "Demokrat von beängstigenden Ausmassen", den Beschwerdeführer als undemokratischen, unter dem Deckmantel der Demokratie auftretenden Menschen hinstelle. Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Inserat ihn nicht allgemein volksdemokratischer Methoden zeiht, sondern nur den Versuch, die Teurungszulagen dem Referendum zu entziehen, als solche Methode hinstellt. Volksdemokratisch steht hier für undemokratisch, autoritär, diktatorisch. Damit bleibt die Kritik im politischen Bereich. Auch im demokratischen Staat kann ein Politiker autoritäre Anschauungen und Methoden vertreten, ohne an seiner persönlichen Ehre Schaden zu leiden. Wenn seine Haltung dann in der politischen Diskussion als diktatorisch, faszistisch oder volksdemokratisch kritisiert wird, ist das eine jener üblichen Übertreibungen, die vom Leser entsprechend abgewertet werden und daher nicht den Eindruck hinterlassen, der Betroffene sei kein achtbarer Mensch. An die persönliche Ehre gehen solche Angriffe erst, wenn sie - was hier nicht zutrifft - den Vorwurf bewusster Verletzung der in Verfassung und Gesetz verankerten Volksrechte enthalten. Auch die bloss ironische Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Demokrat von beängstigenden Ausmassen" setzt ihn nur als Politiker, nicht als Mensch herab. Sie prangert ihn lediglich als schlechten Demokraten an. Auch nach schweizerischer Auffassung aber kann ein lauer Demokrat, ja sogar ein Gegner der Demokratie, ein charakterlich einwandfreier, achtbarer Mensch sein. 8. - In den Absätzen 6-10 behauptet das Inserat einen Widerspruch zwischen den im Bundesrat und in der Bundesversammlung vor der Abstimmung über das Beamtengesetz abgegebenen Erklärungen und den vom Beschwerdeführer nach der Abstimmung begehrten Änderungen der Ämtereinreihung sowie den Projekten betreffend Erhöhung der Eisenbahn- und Posttaxen. Es rügt diesen Widerspruch als eine Erscheinung, die das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam untergrabe. Auch diese Ausführungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Ehre. Der Vorwurf widerspruchsvollen Verhaltens berührt ihn nicht. Der Beschwerdeführer betont selber, dass er nie behauptet habe, die Besoldungsvorlage werde ohne Mehrbelastung auskommen, sondern dass er und seine Gesinnungsfreunde ausdrücklich auf die Notwendigkeit der neuen Ämtereinreihung hingewiesen hätten und die von ihm bei der Ämtereinreihung angemeldeten Forderungen zu einer Mehrbelastung von jährlich 16 Millionen Franken geführt hätten. Ein gegenteiliger Eindruck wird vom Inserat nicht zu erwecken versucht. An Erklärungen aber, die vor der Abstimmung über das Beamtengesetz vom Bundesrate oder von anderer Seite in der Bundesversammlung abgegeben wurden, war der Beschwerdeführer nicht gebunden. Er konnte die von ihm und seinen Gesinnungsfreunden begehrten Änderun- gen in der Ämtereinreihung beantragen, ohne dadurch einen Wortbruch zu begehen und sich unehrenhaft zu verhalten. Der Bundesversammlung und ihrer Mehrheit blieb es überlassen, ob sie trotz der genannten Erklärungen den Anträgen folgen wollten oder nicht. 9. Die Beschwerde im Strafpunkt ist demnach nur insoweit gutzuheissen, als sie sich auf die Behauptung des Inserates bezieht, der Versuch von 73 Ratsmitgliedern, die Teurungszulagen sofort auszahlen zu lassen, habe bewusst gegen die Referendumsvorschriften verstossen. In diesem Punkte hat das Kantonsgericht, wie oben unter Ziffer 4 ausgeführt ist, festzustellen, ob der Beschwerdeführer überhaupt unter den erwähnten 73 Ratsmitgliedern war. Trifft das zu, so hat es zu prüfen, ob der Beschwerdegegner bewiesen hat, dass der Vorwurf begründet war oder dass er ernsthafte Gründe hatte, ihn für begründet zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Falls beides verneint wird, stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdegegner den Vorwurf wider besseres Wissen erhoben hat (Art. 174 StGB). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 5. Januar 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 340 Ziff. 2 StGB, Art. 8 BG vom 26. März 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft. Umfang der Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen die Ehre von Mitgliedern der Bundesversammlung. 2. Art. 173 ff. StGB. Liegt in der Beanstandung der politischen Haltung, insbesondere in den Vorwürfen an ein Mitglied der Bundesversammlung, es habe die Verfassung zu brechen versucht und in einer bestimmten Sache eine volksdemokratische Methode verfochten, ein Angriff auf die Ehre?
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criminal law and criminal procedure
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https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-IV-159%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
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Sachverhalt ab Seite 159 A.- Am 2. November 1951 erschien im St. Galler Tagblatt folgendes von Dr. Robert Eibel verfasstes Inserat der Aktion für freie Meinungsbildung "Trumpf Buur": "Es fehlt an freien Männern. Kurz vor den Wahlen erlebte man im Nationalrat ein Trauerspiel. Nur einer von 73 Teilnehmern einer Sitzung hatte den Mut, gegen den Versuch eines schweren Verfassungsbruches aufzutreten. Es ging um ein Postulat, welches forderte, die Teurungszulagen an das Bundespersonal seien auszuzahlen, ohne den Ablauf der Referendumsfrist abzuwarten. Der mutige Volksvertreter, der es wagte, diesem Manöver die Stirne zu bieten, ist unbekannt geblieben. Schade, denn es wäre interessant gewesen zu erfahren, ob er nicht zum vorneherein auf eine Wiederwahl verzichtet hatte!! Neben den 73, die sich bereit fanden, im höheren Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken, sollen aber auch die 120 Ratsherren erwähnt werden, die überall zu finden waren, nur nicht dort, wo sie ihre Pflicht als Volksvertreter eigentlich hinwies, nämlich in den Ratssaal. Die letzten Sonntag frisch gewählten Herren Nationalräte täten gut, sich zu diesem Trauerspiel ihre Gedanken zu machen. Sie legen schliesslich ein feierliches Gelübde auf die Verfassung ab. Wenn trotz diesem feierlichen Versprechen Dinge wie die erwähnten möglich sind, so liegt es daran, dass sich die Volksvertreter nicht mehr als freie Verfechter des allgemeinen Wohls vorkommen, sondern als Gefangene von Verbänden, mächtigen Gruppen und Interessenten, in deren offenen oder geheimen Auftrag sie (gern oder ungern) handeln. Von der historischen Aufgabe des Parlamentes, das Volk vor den Übergriffen des Fiskus und der Bürokratie zu schützen, ist leider nicht mehr viel übrig geblieben. Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen für das Bundespersonal (sie kosten die Bagatelle von 27 Millionen Franken) in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden. Ein Hauptverfechter dieser volksdemokratischen Methode war wieder einmal mehr Herr Robert Bratschi, wahrhaftig ein Demokrat von beängstigenden Ausmassen. Es geht nicht darum, dem Personal diese Zulagen zu missgönnen, es geht darum, ob Recht noch Recht ist, und ob der Bürger sich auf ein Wort des Bundesrates, auf die Worte seiner National- und Ständeräte noch verlassen kann. Vor und während der Abstimmungskampagne um das neue Beamtengesetz, Ende 1949, hat man dem Volk versichert, dass es bei den geschätzten Mehrkosten in der Höhe von schliesslich 44 Millionen Franken jährlich bleiben werde. Präzis und deutlich wurde im Bundesrat und im Parlament erklärt, dass die bevorstehende Anpassung der Ämtereinreihung keine namhaften zusätzlichen Kosten verursachen werde. Die Druckerschwärze der Abstimmungskommentare war kaum trocken und die 44 Millionen Franken Lohnaufbesserungen für das Bundespersonal vom Volke beschlossen, als der Demokrat Bratschi seine Forderungen auf Änderung der Ämtereinreihung bekannt gab. Diese bedingen für das gesamte Bundespersonal weitere Mehrausgaben von mindestens 40 Millionen Franken jährlich, zu den bereits bewilligten 44 Millionen hinzu. Nimmt es einen da noch wunder, dass immer lauter von notwendigen Erhöhungen der Eisenbahn- und Posttarife die Rede ist? Vor der Abstimmung über das Beamtengesetz versicherten Bundesrat, SBB und PTT hoch und heilig, es würden keine Taxerhöhungen notwendig werden. Kaum war die Abstimmung vorbei, wurden die Projekte für Taxerhöhungen aus der Schublade gezogen. Begründung: Vermehrte Personalkosten! So wird das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam aber sicher untergraben. Wo sind in der neuen Bundesversammlung die freien Männer, welche Recht, Verfassung und pegebenes Wort konsequent über die Wünsche und Befehle der mächtigen Verbände und Interessengruppen stellen?" B.- Nationalrat Robert Bratschi fühlt sich durch dieses Inserat in seiner Ehre verletzt. Er reichte am 31. Januar 1952 beim Bezirksgericht St. Gallen gegen Eibel Strafklage wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede, eventuell Beschimpfung ein, verband damit das Begehren um Verurteilung des Beklagten zu Fr. 1000.-- Entschädigung und Genugtuung und verlangte Veröffentlichung des Urteils im St. Galler Tagblatt, in der Volksstimme, in der Ostschweiz, im Mitteilungsblatt der Aktion für freie Meinungsbildung, im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern. Das Bezirksgericht sprach den Beklagten am 27. Februar 1953 wegen der Anschuldigung, ein Hauptverfechter volksdemokratischer Methoden zu sein und durch sein Verhalten zur Untergrabung des Vertrauens in die Demokratie und in die Treue der Behörden beizutragen, der üblen Nachrede schuldig, verurteilte ihn zu Fr. 400.-- Busse und gegenüber dem Kläger zu Fr. 100.-- Genugtuung und verfügte, dass das Urteil auf Kosten des Beklagten im St. Galler Tagblatt zu veröffentlichen sei. Der Beklagte erklärte die Berufung an das Kantonsgericht von St. Gallen mit dem Antrag auf Freisprechung in allen Punkten. Der Kläger schloss sich der Berufung an und beantragte Gutheissung der Klage in vollem Umfange, mit der Ausnahme, dass er die Veröffentlichung des Urteils im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern nicht mehr verlangte. Das Kantonsgericht wies die Klage am 5. Januar 1954 ab. Es führte aus, dass sie sich auf den ganzen Inhalt des Inserates, nicht nur, wie das Bezirksgericht angenommen habe, auf zwei besonders hervorgehobene Stellen beziehe. Es kam zum Schluss, dass das Inserat am Kläger ausschliesslich Kritik politischer Art übe und nirgends seine persönliche Ehre berühre, somit weder als Ganzes noch zum Teil einen strafbaren Ehrverletzungstatbestand erfülle, und dass eine Genugtuung nicht zuzusprechen sei, weil eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR fehle. C.- Bratschi führt gegen das oberinstanzliche Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei im Straf- und im Zivilpunkt aufzuheben und die vor Kantonsgericht gestellten Begehren des Klägers seien zu schützen, eventuell sei die Sache zu diesem Zwecke an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das angefochtene Urteil beschränke den strafrechtlichen Ehrenschutz in unzulässiger Weise und berücksichtige die persönliche Stellung und den Lebenskreis des Klägers nicht; das Inserat verunglimpfe ihn nicht nur politisch, sondern auch persönlich schwer. D.- Eibel beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 4 des BG vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft waren strafbare Handlungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung vom Bundesgericht zu beurteilen, wenn sie begangen wurden, während diese Personen sich "im wirklichen Dienste des Bundes" befanden. Das BG vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BStrR) erweiterte die Bundesgerichtsbarkeit, da sein Art. 59 die "öffentliche Beschimpfung oder Verleumdung" eines Mitgliedes der Bundesversammlung mit Strafe bedrohte, wenn "die beleidigende Äusserung bei Gelegenheit der Ausübung der amtlichen Verrichtungen oder mit Beziehung auf dieselben" stattgefunden hatte, und da sein Art. 74 den Bundesrat ermächtigte, alle in diesem Gesetze mit Strafe bedrohten Handlungen, soweit sie nicht gemäss Art. 73 schon von Gesetzes wegen in die Zuständigkeit der Bundesassisen fielen, nach eidgenössischem Prozessverfahren untersuchen und durch dieses Gericht beurteilen zu lassen. Das BG vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege, das den Art. 74 BStrR aufhob, brachte keine Änderung, da sein Art. 146 die kantonale Gerichtsbarkeit in den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen nur vorsah für den Fall, dass die Sache durch ein Bundesgesetz oder durch Beschluss des Bundesrates den kantonalen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen werde. Das BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege, das diese Bestimmung aufhob, änderte im Ergebnis nichts, da auch es die Zuständigkeit der kantonalen Behörden in Bundesstrafsachen nur kennt, wenn sie kraft eines Bundesgesetzes oder eines Delegationsbeschlusses des Bundesrates besteht (Art. 247). Auch Art. 8 des BG vom 26. März 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft schränkte die Bundesgerichtsbarkeit zur Ahndung der in Art. 59 BStrR umschriebenen Ehrverletzungen nicht ein. Indessen hat die Lage sich durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches geändert. Weil es Art. 59 BStrR aufgehoben hat und Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung wie alle Vergehen gegen die Ehre den Art. 173 ff. StGB unterstellt, sind sie nunmehr gemäss Art. 343 StGB von den kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen, soweit sie nicht kraft einer anderen Bestimmung der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Da das Strafgesetzbuch selber (vgl. Art. 340) sie dieser Gerichtsbarkeit in keinem Falle unterstellt, werden sie von ihr nur noch in dem in Art. 8 des Garantiegesetzes umschriebenen Umfange erfasst. Diese Bestimmung sieht die Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen die Ehre von Mitgliedern der Bundesversammlung nur vor, wenn sie verübt werden, während diese Personen "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden"; denn unter den Straftaten, auf die Abs. 2 verweist, sind nicht nur die in Abs. 1 erwähnten Verbrechen gegen Leib, Leben und Freiheit, sondern auch die daselbst genannten Vergehen gegen die Ehre zu verstehen, wobei für heute dahingestellt bleiben kann, ob alle oder wie im Falle des Abs. 1 nur jene, die sich auf die Amtsführung beziehen. Diese Ordnung entspricht der Absicht der gesetzgebenden Behörden; denn sie waren sich bewusst, dass Art. 8 des Garantiegesetzes nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches die einzige Bestimmung sein werde, aus der die Bundesgerichtsbarkeit zur Verfolgung von Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung werde abgeleitet werden können (Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1933, BBl 1933 II 506). Das Inserat, das Gegenstand der Klage bildet, ist nicht während einer Session der Bundesversammlung erschienen. Auch wird von keiner Seite behauptet, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1951 an der Tagung einer Kommission der Bundesversammlung teilgenommen. Ob die Mitglieder der Bundesversammlung während einer solchen Tagung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 des Garantiegesetzes "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden", kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Beschwerdegegner untersteht für das Vergehen, das der Beschwerdeführer ihm vorwirft, der kantonalen Gerichtsbarkeit. 2. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes schützen die Art. 173 ff. StGB nur den Ruf und das Gefühl des Betroffenen, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich eignen, jemanden in anderer Hinsicht in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen oder in seinem Selbstbewusstsein zu verletzen, sind nicht ehrverletzend im Sinne der erwähnten Bestimmungen. Das wurde z.B. entschieden in bezug auf Worte, die jemanden als Künstler, Berufs- oder Geschäftsmann heruntermachten oder ihn als nervenkrank hinstellten (BGE 71 IV 230,BGE 72 IV 172,BGE 76 IV 28,BGE 77 IV 98), muss aber auch gelten für Vorwürfe, welche die politische Anschauung und Haltung eines Menschen beanstanden. Voraussetzung ist aber hier wie immer, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens und Empfindens des Betroffenen keine Schatten auf seine Geltung als ehrbarer Mensch werfe und sein Gefühl, ein solcher zu sein, vollständig unberührt lasse. Durch Beanstandung der politischen Haltung eines Menschen darf nicht der Eindruck oder auch bloss der Verdacht erweckt werden, es fehlten ihm von jenen Charaktereigenschaften, die nach allgemeiner Anschauung ein ehrbarer Mensch haben muss. Das gilt auch für Äusserungen in der Presse, sogar wenn sie der Bildung einer politischen Meinung dienen; die Aufgabe, welche die Presse auf diesem Gebiete hat, gibt ihr nicht das Recht, die Grenzen, die das Strafgesetzbuch zum Schutze der persönlichen Ehre zieht, zu überschreiten (BGE 70 IV 24, 151,BGE 73 IV 16,BGE 77 IV 99). 3. In den ersten fünf Absätzen des Inserates hat der Beschwerdegegner vom Versuch eines Verfassungs- und Rechtsbruches geschrieben. Dieser Vorwurf an sich setzt die Personen, die er angeht, in ihrem Ehrgefühl und ihrer Geltung als ehrbare Menschen nicht herab. Wie sehr auch ein in einer Behörde verfochtener Antrag gegen Gesetz oder Verfassung verstossen mag, ist der, der ihn im guten Glauben der Rechtmässigkeit stellt oder unterstützt, nicht ein ehrloser Mensch; denn die gutgläubig unrichtige Beantwortung einer Rechtsfrage verrät keinen Charakterfehler. Anders ist es sogar dann nicht, wenn der Vorwurf mit scharfen Worten erhoben wird. Immerhin dürfen sie nicht beschimpfend sein. Das sind jedoch die vom Beschwerdegegner gebrauchten Wendungen "schwerer Verfassungsbruch" und "in völlig rechtswidriger Weise" nicht. 4. Der Vorwurf, das Mitglied einer gesetzgebenden Behörde habe einen gesetz- oder verfassungswidrigen Antrag gestellt oder unterstützt, eignet sich dagegen dann, seinen Ruf als Mensch zu schädigen, wenn damit die Beschuldigung oder Verdächtigung verbunden wird, es habe mit dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt. Ein Volksvertreter, der das tut, erniedrigt sich nicht nur politisch, sondern auch allgemein menschlich, jedenfalls dann, wenn er nicht aus sittlich achtenswerten Beweggründen handelt. Ehrverletzend ist demgemäss die Stelle im zweiten Absatz des Inserates, wo der Beschwerdegegner von 73 Mitgliedern des Nationalrates, welche die sofortige Auszahlung der Teurungszulage befürworteten, gesagt hat, sie hätten sich bereit gefunden, im Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken. Diese Behauptung kann nicht anders verstanden werden, als dass die 73 Ratsmitglieder die Referendumsvorschrift bewusst missachtet hätten, um für die bevorstehende Erneuerung ihres Mandates sich die Gunst der Wähler zu sichern. Gesetz und Recht zu einem persönlichen, eigennützigen Zwecke in die Ecke drücken, heisst, sie absichtlich und gewaltsam verdrängen, ausschalten. Dass dem Satze der Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens entnommen werden muss, bestätigt auch der Hinweis des nächsten Absatzes auf das von den neuen Ratsmitgliedern abzulegende feierliche Gelübde. Vom Vorwurf betroffen wird der Beschwerdeführer indessen nicht schon wegen seiner Zugehörigkeit zum Nationalrat. Das ehrenrührige Verhalten wird nur jenen Ratsmitgliedern vorgehalten, die für die sofortige Auszahlung der Teurungszulage stimmten. Die Ehre dieser 73 aber wird damit verletzt. Dass das Inserat sie nicht mit Namen nennt, ändert nichts; denn jedenfalls die Mitglieder des Nationalrates, die es zu Gesicht bekamen, konnten wissen, welche ihrer Kollegen gemeint waren. Wenn der Beschwerdeführer zu den 73 gehört, ist er daher in seiner Ehre verletzt und damit auch berechtigt, Strafantrag zu stellen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Kantonsgericht hat festzustellen, ob der Beschwerdeführer für die sofortige Auszahlung der Teurungszulagen gestimmt hat. Wenn er bei der Abstimmung im Rate anwesend war, mag angesichts seiner Einstellung und der Haltung, die er in der ganzen Sache eingenommen hat, der Schluss nahe liegen, dass es der Fall gewesen sei. Allein ob er überhaupt anwesend war, kann dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnommen werden. Ob der Beschwerdegegner die Teilnahme des Beschwerdeführers an der betreffenden Sitzung im Prozesse nicht bestritten hat, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist vom Kassationshof nicht selber nachzuprüfen, abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in der Klage seine Anwesenheit nicht behauptet hatte und daher für den Beschwerdegegner zunächst auch gar kein Anlass bestand, sie zu bestreiten. 5. ......... 6. Nicht zu teilen ist die Auffassung des Bezirksgerichts, auch der erste Satz des fünften Absatzes des Inserates enthalte den Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens. Die Worte: "Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen... in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden", haben bloss den Sinn, dass, wenn es nach dem Willen dieser Nationalräte gegangen wäre, die Teurungszulagen dem Referendum in völlig rechtswidriger Weise entzogen worden wären, d.h., was die vierzig gewollt hätten, sei völlig rechtswidrig gewesen. Dass ihr Wille sich auch auf die "völlige Rechtswidrigkeit" bezogen habe, kann der unbefangene Leser dem Satze nicht entnehmen. 7. Durch den zweiten Satz des fünften Absatzes des Inserates sieht der Beschwerdeführer sich in seiner Ehre verletzt, weil der Ausdruck "volksdemokratische Methode" den Leser unwillkürlich an Diktatur, Terror, Aufhebung aller persönlichen Rechte, Unterdrückung der Freiheit, Aufhebung des normalen Rechtsverfahrens usw. denken lasse, und weil die ironische Bemerkung, der Beschwerdeführer sei ein "Demokrat von beängstigenden Ausmassen", den Beschwerdeführer als undemokratischen, unter dem Deckmantel der Demokratie auftretenden Menschen hinstelle. Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Inserat ihn nicht allgemein volksdemokratischer Methoden zeiht, sondern nur den Versuch, die Teurungszulagen dem Referendum zu entziehen, als solche Methode hinstellt. Volksdemokratisch steht hier für undemokratisch, autoritär, diktatorisch. Damit bleibt die Kritik im politischen Bereich. Auch im demokratischen Staat kann ein Politiker autoritäre Anschauungen und Methoden vertreten, ohne an seiner persönlichen Ehre Schaden zu leiden. Wenn seine Haltung dann in der politischen Diskussion als diktatorisch, faszistisch oder volksdemokratisch kritisiert wird, ist das eine jener üblichen Übertreibungen, die vom Leser entsprechend abgewertet werden und daher nicht den Eindruck hinterlassen, der Betroffene sei kein achtbarer Mensch. An die persönliche Ehre gehen solche Angriffe erst, wenn sie - was hier nicht zutrifft - den Vorwurf bewusster Verletzung der in Verfassung und Gesetz verankerten Volksrechte enthalten. Auch die bloss ironische Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Demokrat von beängstigenden Ausmassen" setzt ihn nur als Politiker, nicht als Mensch herab. Sie prangert ihn lediglich als schlechten Demokraten an. Auch nach schweizerischer Auffassung aber kann ein lauer Demokrat, ja sogar ein Gegner der Demokratie, ein charakterlich einwandfreier, achtbarer Mensch sein. 8. - In den Absätzen 6-10 behauptet das Inserat einen Widerspruch zwischen den im Bundesrat und in der Bundesversammlung vor der Abstimmung über das Beamtengesetz abgegebenen Erklärungen und den vom Beschwerdeführer nach der Abstimmung begehrten Änderungen der Ämtereinreihung sowie den Projekten betreffend Erhöhung der Eisenbahn- und Posttaxen. Es rügt diesen Widerspruch als eine Erscheinung, die das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam untergrabe. Auch diese Ausführungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Ehre. Der Vorwurf widerspruchsvollen Verhaltens berührt ihn nicht. Der Beschwerdeführer betont selber, dass er nie behauptet habe, die Besoldungsvorlage werde ohne Mehrbelastung auskommen, sondern dass er und seine Gesinnungsfreunde ausdrücklich auf die Notwendigkeit der neuen Ämtereinreihung hingewiesen hätten und die von ihm bei der Ämtereinreihung angemeldeten Forderungen zu einer Mehrbelastung von jährlich 16 Millionen Franken geführt hätten. Ein gegenteiliger Eindruck wird vom Inserat nicht zu erwecken versucht. An Erklärungen aber, die vor der Abstimmung über das Beamtengesetz vom Bundesrate oder von anderer Seite in der Bundesversammlung abgegeben wurden, war der Beschwerdeführer nicht gebunden. Er konnte die von ihm und seinen Gesinnungsfreunden begehrten Änderun- gen in der Ämtereinreihung beantragen, ohne dadurch einen Wortbruch zu begehen und sich unehrenhaft zu verhalten. Der Bundesversammlung und ihrer Mehrheit blieb es überlassen, ob sie trotz der genannten Erklärungen den Anträgen folgen wollten oder nicht. 9. Die Beschwerde im Strafpunkt ist demnach nur insoweit gutzuheissen, als sie sich auf die Behauptung des Inserates bezieht, der Versuch von 73 Ratsmitgliedern, die Teurungszulagen sofort auszahlen zu lassen, habe bewusst gegen die Referendumsvorschriften verstossen. In diesem Punkte hat das Kantonsgericht, wie oben unter Ziffer 4 ausgeführt ist, festzustellen, ob der Beschwerdeführer überhaupt unter den erwähnten 73 Ratsmitgliedern war. Trifft das zu, so hat es zu prüfen, ob der Beschwerdegegner bewiesen hat, dass der Vorwurf begründet war oder dass er ernsthafte Gründe hatte, ihn für begründet zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Falls beides verneint wird, stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdegegner den Vorwurf wider besseres Wissen erhoben hat (Art. 174 StGB). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 5. Januar 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
de
1. Art. 340 ch. 2 CP, art. 8 LF du 26 mars 1934 sur les garanties politiques et de police en faveur de la Confédération. Etendue de la juridiction fédérale quant aux délits contre l'honneur commis à l'encontre de membres de l'Assemblée fédérale. 2. Art. 173 et suiv. CP. Commet-on une atteinte à l'honneur lorsqu'on critique le comportement politique d'une personne, en particulier quand on reproche à un membre de l'Assemblée fédérale d'avoir tenté de violer la constitution et d'avoir, dans une affaire déterminée, soutenu un procédé digne des démocraties populaires?
fr
criminal law and criminal procedure
1,954
IV
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F80-IV-159%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document
557
80 IV 159
Sachverhalt ab Seite 159 A.- Am 2. November 1951 erschien im St. Galler Tagblatt folgendes von Dr. Robert Eibel verfasstes Inserat der Aktion für freie Meinungsbildung "Trumpf Buur": "Es fehlt an freien Männern. Kurz vor den Wahlen erlebte man im Nationalrat ein Trauerspiel. Nur einer von 73 Teilnehmern einer Sitzung hatte den Mut, gegen den Versuch eines schweren Verfassungsbruches aufzutreten. Es ging um ein Postulat, welches forderte, die Teurungszulagen an das Bundespersonal seien auszuzahlen, ohne den Ablauf der Referendumsfrist abzuwarten. Der mutige Volksvertreter, der es wagte, diesem Manöver die Stirne zu bieten, ist unbekannt geblieben. Schade, denn es wäre interessant gewesen zu erfahren, ob er nicht zum vorneherein auf eine Wiederwahl verzichtet hatte!! Neben den 73, die sich bereit fanden, im höheren Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken, sollen aber auch die 120 Ratsherren erwähnt werden, die überall zu finden waren, nur nicht dort, wo sie ihre Pflicht als Volksvertreter eigentlich hinwies, nämlich in den Ratssaal. Die letzten Sonntag frisch gewählten Herren Nationalräte täten gut, sich zu diesem Trauerspiel ihre Gedanken zu machen. Sie legen schliesslich ein feierliches Gelübde auf die Verfassung ab. Wenn trotz diesem feierlichen Versprechen Dinge wie die erwähnten möglich sind, so liegt es daran, dass sich die Volksvertreter nicht mehr als freie Verfechter des allgemeinen Wohls vorkommen, sondern als Gefangene von Verbänden, mächtigen Gruppen und Interessenten, in deren offenen oder geheimen Auftrag sie (gern oder ungern) handeln. Von der historischen Aufgabe des Parlamentes, das Volk vor den Übergriffen des Fiskus und der Bürokratie zu schützen, ist leider nicht mehr viel übrig geblieben. Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen für das Bundespersonal (sie kosten die Bagatelle von 27 Millionen Franken) in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden. Ein Hauptverfechter dieser volksdemokratischen Methode war wieder einmal mehr Herr Robert Bratschi, wahrhaftig ein Demokrat von beängstigenden Ausmassen. Es geht nicht darum, dem Personal diese Zulagen zu missgönnen, es geht darum, ob Recht noch Recht ist, und ob der Bürger sich auf ein Wort des Bundesrates, auf die Worte seiner National- und Ständeräte noch verlassen kann. Vor und während der Abstimmungskampagne um das neue Beamtengesetz, Ende 1949, hat man dem Volk versichert, dass es bei den geschätzten Mehrkosten in der Höhe von schliesslich 44 Millionen Franken jährlich bleiben werde. Präzis und deutlich wurde im Bundesrat und im Parlament erklärt, dass die bevorstehende Anpassung der Ämtereinreihung keine namhaften zusätzlichen Kosten verursachen werde. Die Druckerschwärze der Abstimmungskommentare war kaum trocken und die 44 Millionen Franken Lohnaufbesserungen für das Bundespersonal vom Volke beschlossen, als der Demokrat Bratschi seine Forderungen auf Änderung der Ämtereinreihung bekannt gab. Diese bedingen für das gesamte Bundespersonal weitere Mehrausgaben von mindestens 40 Millionen Franken jährlich, zu den bereits bewilligten 44 Millionen hinzu. Nimmt es einen da noch wunder, dass immer lauter von notwendigen Erhöhungen der Eisenbahn- und Posttarife die Rede ist? Vor der Abstimmung über das Beamtengesetz versicherten Bundesrat, SBB und PTT hoch und heilig, es würden keine Taxerhöhungen notwendig werden. Kaum war die Abstimmung vorbei, wurden die Projekte für Taxerhöhungen aus der Schublade gezogen. Begründung: Vermehrte Personalkosten! So wird das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam aber sicher untergraben. Wo sind in der neuen Bundesversammlung die freien Männer, welche Recht, Verfassung und pegebenes Wort konsequent über die Wünsche und Befehle der mächtigen Verbände und Interessengruppen stellen?" B.- Nationalrat Robert Bratschi fühlt sich durch dieses Inserat in seiner Ehre verletzt. Er reichte am 31. Januar 1952 beim Bezirksgericht St. Gallen gegen Eibel Strafklage wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede, eventuell Beschimpfung ein, verband damit das Begehren um Verurteilung des Beklagten zu Fr. 1000.-- Entschädigung und Genugtuung und verlangte Veröffentlichung des Urteils im St. Galler Tagblatt, in der Volksstimme, in der Ostschweiz, im Mitteilungsblatt der Aktion für freie Meinungsbildung, im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern. Das Bezirksgericht sprach den Beklagten am 27. Februar 1953 wegen der Anschuldigung, ein Hauptverfechter volksdemokratischer Methoden zu sein und durch sein Verhalten zur Untergrabung des Vertrauens in die Demokratie und in die Treue der Behörden beizutragen, der üblen Nachrede schuldig, verurteilte ihn zu Fr. 400.-- Busse und gegenüber dem Kläger zu Fr. 100.-- Genugtuung und verfügte, dass das Urteil auf Kosten des Beklagten im St. Galler Tagblatt zu veröffentlichen sei. Der Beklagte erklärte die Berufung an das Kantonsgericht von St. Gallen mit dem Antrag auf Freisprechung in allen Punkten. Der Kläger schloss sich der Berufung an und beantragte Gutheissung der Klage in vollem Umfange, mit der Ausnahme, dass er die Veröffentlichung des Urteils im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern nicht mehr verlangte. Das Kantonsgericht wies die Klage am 5. Januar 1954 ab. Es führte aus, dass sie sich auf den ganzen Inhalt des Inserates, nicht nur, wie das Bezirksgericht angenommen habe, auf zwei besonders hervorgehobene Stellen beziehe. Es kam zum Schluss, dass das Inserat am Kläger ausschliesslich Kritik politischer Art übe und nirgends seine persönliche Ehre berühre, somit weder als Ganzes noch zum Teil einen strafbaren Ehrverletzungstatbestand erfülle, und dass eine Genugtuung nicht zuzusprechen sei, weil eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR fehle. C.- Bratschi führt gegen das oberinstanzliche Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei im Straf- und im Zivilpunkt aufzuheben und die vor Kantonsgericht gestellten Begehren des Klägers seien zu schützen, eventuell sei die Sache zu diesem Zwecke an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das angefochtene Urteil beschränke den strafrechtlichen Ehrenschutz in unzulässiger Weise und berücksichtige die persönliche Stellung und den Lebenskreis des Klägers nicht; das Inserat verunglimpfe ihn nicht nur politisch, sondern auch persönlich schwer. D.- Eibel beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 4 des BG vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft waren strafbare Handlungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung vom Bundesgericht zu beurteilen, wenn sie begangen wurden, während diese Personen sich "im wirklichen Dienste des Bundes" befanden. Das BG vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BStrR) erweiterte die Bundesgerichtsbarkeit, da sein Art. 59 die "öffentliche Beschimpfung oder Verleumdung" eines Mitgliedes der Bundesversammlung mit Strafe bedrohte, wenn "die beleidigende Äusserung bei Gelegenheit der Ausübung der amtlichen Verrichtungen oder mit Beziehung auf dieselben" stattgefunden hatte, und da sein Art. 74 den Bundesrat ermächtigte, alle in diesem Gesetze mit Strafe bedrohten Handlungen, soweit sie nicht gemäss Art. 73 schon von Gesetzes wegen in die Zuständigkeit der Bundesassisen fielen, nach eidgenössischem Prozessverfahren untersuchen und durch dieses Gericht beurteilen zu lassen. Das BG vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege, das den Art. 74 BStrR aufhob, brachte keine Änderung, da sein Art. 146 die kantonale Gerichtsbarkeit in den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen nur vorsah für den Fall, dass die Sache durch ein Bundesgesetz oder durch Beschluss des Bundesrates den kantonalen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen werde. Das BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege, das diese Bestimmung aufhob, änderte im Ergebnis nichts, da auch es die Zuständigkeit der kantonalen Behörden in Bundesstrafsachen nur kennt, wenn sie kraft eines Bundesgesetzes oder eines Delegationsbeschlusses des Bundesrates besteht (Art. 247). Auch Art. 8 des BG vom 26. März 1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft schränkte die Bundesgerichtsbarkeit zur Ahndung der in Art. 59 BStrR umschriebenen Ehrverletzungen nicht ein. Indessen hat die Lage sich durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches geändert. Weil es Art. 59 BStrR aufgehoben hat und Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung wie alle Vergehen gegen die Ehre den Art. 173 ff. StGB unterstellt, sind sie nunmehr gemäss Art. 343 StGB von den kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen, soweit sie nicht kraft einer anderen Bestimmung der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Da das Strafgesetzbuch selber (vgl. Art. 340) sie dieser Gerichtsbarkeit in keinem Falle unterstellt, werden sie von ihr nur noch in dem in Art. 8 des Garantiegesetzes umschriebenen Umfange erfasst. Diese Bestimmung sieht die Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen die Ehre von Mitgliedern der Bundesversammlung nur vor, wenn sie verübt werden, während diese Personen "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden"; denn unter den Straftaten, auf die Abs. 2 verweist, sind nicht nur die in Abs. 1 erwähnten Verbrechen gegen Leib, Leben und Freiheit, sondern auch die daselbst genannten Vergehen gegen die Ehre zu verstehen, wobei für heute dahingestellt bleiben kann, ob alle oder wie im Falle des Abs. 1 nur jene, die sich auf die Amtsführung beziehen. Diese Ordnung entspricht der Absicht der gesetzgebenden Behörden; denn sie waren sich bewusst, dass Art. 8 des Garantiegesetzes nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches die einzige Bestimmung sein werde, aus der die Bundesgerichtsbarkeit zur Verfolgung von Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung werde abgeleitet werden können (Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1933, BBl 1933 II 506). Das Inserat, das Gegenstand der Klage bildet, ist nicht während einer Session der Bundesversammlung erschienen. Auch wird von keiner Seite behauptet, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1951 an der Tagung einer Kommission der Bundesversammlung teilgenommen. Ob die Mitglieder der Bundesversammlung während einer solchen Tagung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 des Garantiegesetzes "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden", kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Beschwerdegegner untersteht für das Vergehen, das der Beschwerdeführer ihm vorwirft, der kantonalen Gerichtsbarkeit. 2. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes schützen die Art. 173 ff. StGB nur den Ruf und das Gefühl des Betroffenen, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich eignen, jemanden in anderer Hinsicht in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen oder in seinem Selbstbewusstsein zu verletzen, sind nicht ehrverletzend im Sinne der erwähnten Bestimmungen. Das wurde z.B. entschieden in bezug auf Worte, die jemanden als Künstler, Berufs- oder Geschäftsmann heruntermachten oder ihn als nervenkrank hinstellten (BGE 71 IV 230,BGE 72 IV 172,BGE 76 IV 28,BGE 77 IV 98), muss aber auch gelten für Vorwürfe, welche die politische Anschauung und Haltung eines Menschen beanstanden. Voraussetzung ist aber hier wie immer, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens und Empfindens des Betroffenen keine Schatten auf seine Geltung als ehrbarer Mensch werfe und sein Gefühl, ein solcher zu sein, vollständig unberührt lasse. Durch Beanstandung der politischen Haltung eines Menschen darf nicht der Eindruck oder auch bloss der Verdacht erweckt werden, es fehlten ihm von jenen Charaktereigenschaften, die nach allgemeiner Anschauung ein ehrbarer Mensch haben muss. Das gilt auch für Äusserungen in der Presse, sogar wenn sie der Bildung einer politischen Meinung dienen; die Aufgabe, welche die Presse auf diesem Gebiete hat, gibt ihr nicht das Recht, die Grenzen, die das Strafgesetzbuch zum Schutze der persönlichen Ehre zieht, zu überschreiten (BGE 70 IV 24, 151,BGE 73 IV 16,BGE 77 IV 99). 3. In den ersten fünf Absätzen des Inserates hat der Beschwerdegegner vom Versuch eines Verfassungs- und Rechtsbruches geschrieben. Dieser Vorwurf an sich setzt die Personen, die er angeht, in ihrem Ehrgefühl und ihrer Geltung als ehrbare Menschen nicht herab. Wie sehr auch ein in einer Behörde verfochtener Antrag gegen Gesetz oder Verfassung verstossen mag, ist der, der ihn im guten Glauben der Rechtmässigkeit stellt oder unterstützt, nicht ein ehrloser Mensch; denn die gutgläubig unrichtige Beantwortung einer Rechtsfrage verrät keinen Charakterfehler. Anders ist es sogar dann nicht, wenn der Vorwurf mit scharfen Worten erhoben wird. Immerhin dürfen sie nicht beschimpfend sein. Das sind jedoch die vom Beschwerdegegner gebrauchten Wendungen "schwerer Verfassungsbruch" und "in völlig rechtswidriger Weise" nicht. 4. Der Vorwurf, das Mitglied einer gesetzgebenden Behörde habe einen gesetz- oder verfassungswidrigen Antrag gestellt oder unterstützt, eignet sich dagegen dann, seinen Ruf als Mensch zu schädigen, wenn damit die Beschuldigung oder Verdächtigung verbunden wird, es habe mit dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt. Ein Volksvertreter, der das tut, erniedrigt sich nicht nur politisch, sondern auch allgemein menschlich, jedenfalls dann, wenn er nicht aus sittlich achtenswerten Beweggründen handelt. Ehrverletzend ist demgemäss die Stelle im zweiten Absatz des Inserates, wo der Beschwerdegegner von 73 Mitgliedern des Nationalrates, welche die sofortige Auszahlung der Teurungszulage befürworteten, gesagt hat, sie hätten sich bereit gefunden, im Interesse ihrer glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken. Diese Behauptung kann nicht anders verstanden werden, als dass die 73 Ratsmitglieder die Referendumsvorschrift bewusst missachtet hätten, um für die bevorstehende Erneuerung ihres Mandates sich die Gunst der Wähler zu sichern. Gesetz und Recht zu einem persönlichen, eigennützigen Zwecke in die Ecke drücken, heisst, sie absichtlich und gewaltsam verdrängen, ausschalten. Dass dem Satze der Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens entnommen werden muss, bestätigt auch der Hinweis des nächsten Absatzes auf das von den neuen Ratsmitgliedern abzulegende feierliche Gelübde. Vom Vorwurf betroffen wird der Beschwerdeführer indessen nicht schon wegen seiner Zugehörigkeit zum Nationalrat. Das ehrenrührige Verhalten wird nur jenen Ratsmitgliedern vorgehalten, die für die sofortige Auszahlung der Teurungszulage stimmten. Die Ehre dieser 73 aber wird damit verletzt. Dass das Inserat sie nicht mit Namen nennt, ändert nichts; denn jedenfalls die Mitglieder des Nationalrates, die es zu Gesicht bekamen, konnten wissen, welche ihrer Kollegen gemeint waren. Wenn der Beschwerdeführer zu den 73 gehört, ist er daher in seiner Ehre verletzt und damit auch berechtigt, Strafantrag zu stellen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Kantonsgericht hat festzustellen, ob der Beschwerdeführer für die sofortige Auszahlung der Teurungszulagen gestimmt hat. Wenn er bei der Abstimmung im Rate anwesend war, mag angesichts seiner Einstellung und der Haltung, die er in der ganzen Sache eingenommen hat, der Schluss nahe liegen, dass es der Fall gewesen sei. Allein ob er überhaupt anwesend war, kann dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnommen werden. Ob der Beschwerdegegner die Teilnahme des Beschwerdeführers an der betreffenden Sitzung im Prozesse nicht bestritten hat, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist vom Kassationshof nicht selber nachzuprüfen, abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in der Klage seine Anwesenheit nicht behauptet hatte und daher für den Beschwerdegegner zunächst auch gar kein Anlass bestand, sie zu bestreiten. 5. ......... 6. Nicht zu teilen ist die Auffassung des Bezirksgerichts, auch der erste Satz des fünften Absatzes des Inserates enthalte den Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens. Die Worte: "Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen... in völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden", haben bloss den Sinn, dass, wenn es nach dem Willen dieser Nationalräte gegangen wäre, die Teurungszulagen dem Referendum in völlig rechtswidriger Weise entzogen worden wären, d.h., was die vierzig gewollt hätten, sei völlig rechtswidrig gewesen. Dass ihr Wille sich auch auf die "völlige Rechtswidrigkeit" bezogen habe, kann der unbefangene Leser dem Satze nicht entnehmen. 7. Durch den zweiten Satz des fünften Absatzes des Inserates sieht der Beschwerdeführer sich in seiner Ehre verletzt, weil der Ausdruck "volksdemokratische Methode" den Leser unwillkürlich an Diktatur, Terror, Aufhebung aller persönlichen Rechte, Unterdrückung der Freiheit, Aufhebung des normalen Rechtsverfahrens usw. denken lasse, und weil die ironische Bemerkung, der Beschwerdeführer sei ein "Demokrat von beängstigenden Ausmassen", den Beschwerdeführer als undemokratischen, unter dem Deckmantel der Demokratie auftretenden Menschen hinstelle. Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Inserat ihn nicht allgemein volksdemokratischer Methoden zeiht, sondern nur den Versuch, die Teurungszulagen dem Referendum zu entziehen, als solche Methode hinstellt. Volksdemokratisch steht hier für undemokratisch, autoritär, diktatorisch. Damit bleibt die Kritik im politischen Bereich. Auch im demokratischen Staat kann ein Politiker autoritäre Anschauungen und Methoden vertreten, ohne an seiner persönlichen Ehre Schaden zu leiden. Wenn seine Haltung dann in der politischen Diskussion als diktatorisch, faszistisch oder volksdemokratisch kritisiert wird, ist das eine jener üblichen Übertreibungen, die vom Leser entsprechend abgewertet werden und daher nicht den Eindruck hinterlassen, der Betroffene sei kein achtbarer Mensch. An die persönliche Ehre gehen solche Angriffe erst, wenn sie - was hier nicht zutrifft - den Vorwurf bewusster Verletzung der in Verfassung und Gesetz verankerten Volksrechte enthalten. Auch die bloss ironische Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Demokrat von beängstigenden Ausmassen" setzt ihn nur als Politiker, nicht als Mensch herab. Sie prangert ihn lediglich als schlechten Demokraten an. Auch nach schweizerischer Auffassung aber kann ein lauer Demokrat, ja sogar ein Gegner der Demokratie, ein charakterlich einwandfreier, achtbarer Mensch sein. 8. - In den Absätzen 6-10 behauptet das Inserat einen Widerspruch zwischen den im Bundesrat und in der Bundesversammlung vor der Abstimmung über das Beamtengesetz abgegebenen Erklärungen und den vom Beschwerdeführer nach der Abstimmung begehrten Änderungen der Ämtereinreihung sowie den Projekten betreffend Erhöhung der Eisenbahn- und Posttaxen. Es rügt diesen Widerspruch als eine Erscheinung, die das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden langsam untergrabe. Auch diese Ausführungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Ehre. Der Vorwurf widerspruchsvollen Verhaltens berührt ihn nicht. Der Beschwerdeführer betont selber, dass er nie behauptet habe, die Besoldungsvorlage werde ohne Mehrbelastung auskommen, sondern dass er und seine Gesinnungsfreunde ausdrücklich auf die Notwendigkeit der neuen Ämtereinreihung hingewiesen hätten und die von ihm bei der Ämtereinreihung angemeldeten Forderungen zu einer Mehrbelastung von jährlich 16 Millionen Franken geführt hätten. Ein gegenteiliger Eindruck wird vom Inserat nicht zu erwecken versucht. An Erklärungen aber, die vor der Abstimmung über das Beamtengesetz vom Bundesrate oder von anderer Seite in der Bundesversammlung abgegeben wurden, war der Beschwerdeführer nicht gebunden. Er konnte die von ihm und seinen Gesinnungsfreunden begehrten Änderun- gen in der Ämtereinreihung beantragen, ohne dadurch einen Wortbruch zu begehen und sich unehrenhaft zu verhalten. Der Bundesversammlung und ihrer Mehrheit blieb es überlassen, ob sie trotz der genannten Erklärungen den Anträgen folgen wollten oder nicht. 9. Die Beschwerde im Strafpunkt ist demnach nur insoweit gutzuheissen, als sie sich auf die Behauptung des Inserates bezieht, der Versuch von 73 Ratsmitgliedern, die Teurungszulagen sofort auszahlen zu lassen, habe bewusst gegen die Referendumsvorschriften verstossen. In diesem Punkte hat das Kantonsgericht, wie oben unter Ziffer 4 ausgeführt ist, festzustellen, ob der Beschwerdeführer überhaupt unter den erwähnten 73 Ratsmitgliedern war. Trifft das zu, so hat es zu prüfen, ob der Beschwerdegegner bewiesen hat, dass der Vorwurf begründet war oder dass er ernsthafte Gründe hatte, ihn für begründet zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Falls beides verneint wird, stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdegegner den Vorwurf wider besseres Wissen erhoben hat (Art. 174 StGB). ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 5. Januar 1954 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 340 cifra 2 CP, art. 8 LF del 26 marzo 1934 sulle garanzie politiche e di polizia in favore della Confederazione. Estensione della giurisdizione federale per quanto riguarda i delitti contro l'onore commessi nei confronti di membri dell'Assemblea federale. 2. Art. 173 e sgg. CP. Costituisce un'offesa all'onore il fatto di criticare il comportamento politico d'una persona, in particolare il fatto di rimproverare a un membro dell'Assemblea federale d'aver tentato di violare la costituzione e d'aver propugnato, in un dato affare, un metodo degno delle democrazie popolari?
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criminal law and criminal procedure
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Erwägungen ab Seite 170 Nach Art. 186 StGB macht sich des Hausfriedensbruches schuldig, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Streitig ist im vorliegenden Falle einzig, ob der Vormund der Frau Marie Faehndrich befugt war, deren Sohn Hermann Faehndrich das Betreten des Hauses zu verbieten. Trifft das zu, so ist der Beschwerdeführer gegen den Willen des Berechtigten in das Haus eingedrungen und trotz Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Dass beides unrechtmässig geschah, wenn dem Vormund das Verbot zustand, wird mit Recht nicht bestritten. Das Hausrecht ist Bestandteil der persönlichen Freiheiten (HAFTER; Lehrbuch, bes. Teil I S. 108 f.) und gehört zweifellos zu den höchstpersönlichen Rechten im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB, die der urteilsfähige Entmündigte ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ausüben kann. Diese Freiheit erleidet jedoch eine Einschränkung durch die Fürsorgepflicht des Vormundes. Nach Art. 406 ZGB hat der Vormund dem Bevormundeten in allen persönlichen Angelegenheiten Schutz und Beistand zu gewähren, was nötigenfalls die Unterbringung in einer Anstalt einschliesst. Um die gelähmte alte Mutter vor den Beschimpfungen, Skandalszenen und Tätlichkeiten des Beschwerdeführers zu schützen, wäre demnach der Vormund nötigenfalls befugt gewesen, sie in einer Anstalt unterzubringen. A fortiori durfte er vom näherliegenden und weniger weit gehenden Mittel Gebrauch machen, dem Beschwerdeführer das Haus zu verbieten. Der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedurfte es zu dieser Massnahme nicht (vgl. Art. 421 ZGB). Übrigens hat der Vormund der Vormundschaftsbehörde vom Verbot sofort Kenntnis gegeben und diese hat es jedenfalls stillschweigend genehmigt.
de
Art. 186 StGB. Ist der Vormund des Wohnungsinhabers "Berechtigter"?
de
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1,954
IV
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80 IV 170
Erwägungen ab Seite 170 Nach Art. 186 StGB macht sich des Hausfriedensbruches schuldig, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Streitig ist im vorliegenden Falle einzig, ob der Vormund der Frau Marie Faehndrich befugt war, deren Sohn Hermann Faehndrich das Betreten des Hauses zu verbieten. Trifft das zu, so ist der Beschwerdeführer gegen den Willen des Berechtigten in das Haus eingedrungen und trotz Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Dass beides unrechtmässig geschah, wenn dem Vormund das Verbot zustand, wird mit Recht nicht bestritten. Das Hausrecht ist Bestandteil der persönlichen Freiheiten (HAFTER; Lehrbuch, bes. Teil I S. 108 f.) und gehört zweifellos zu den höchstpersönlichen Rechten im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB, die der urteilsfähige Entmündigte ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ausüben kann. Diese Freiheit erleidet jedoch eine Einschränkung durch die Fürsorgepflicht des Vormundes. Nach Art. 406 ZGB hat der Vormund dem Bevormundeten in allen persönlichen Angelegenheiten Schutz und Beistand zu gewähren, was nötigenfalls die Unterbringung in einer Anstalt einschliesst. Um die gelähmte alte Mutter vor den Beschimpfungen, Skandalszenen und Tätlichkeiten des Beschwerdeführers zu schützen, wäre demnach der Vormund nötigenfalls befugt gewesen, sie in einer Anstalt unterzubringen. A fortiori durfte er vom näherliegenden und weniger weit gehenden Mittel Gebrauch machen, dem Beschwerdeführer das Haus zu verbieten. Der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedurfte es zu dieser Massnahme nicht (vgl. Art. 421 ZGB). Übrigens hat der Vormund der Vormundschaftsbehörde vom Verbot sofort Kenntnis gegeben und diese hat es jedenfalls stillschweigend genehmigt.
de
Art. 186 CP. Le tuteur de celui qui dispose du logement est-il un "ayant droit"?
fr
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IV
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80 IV 170
Erwägungen ab Seite 170 Nach Art. 186 StGB macht sich des Hausfriedensbruches schuldig, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Streitig ist im vorliegenden Falle einzig, ob der Vormund der Frau Marie Faehndrich befugt war, deren Sohn Hermann Faehndrich das Betreten des Hauses zu verbieten. Trifft das zu, so ist der Beschwerdeführer gegen den Willen des Berechtigten in das Haus eingedrungen und trotz Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Dass beides unrechtmässig geschah, wenn dem Vormund das Verbot zustand, wird mit Recht nicht bestritten. Das Hausrecht ist Bestandteil der persönlichen Freiheiten (HAFTER; Lehrbuch, bes. Teil I S. 108 f.) und gehört zweifellos zu den höchstpersönlichen Rechten im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB, die der urteilsfähige Entmündigte ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ausüben kann. Diese Freiheit erleidet jedoch eine Einschränkung durch die Fürsorgepflicht des Vormundes. Nach Art. 406 ZGB hat der Vormund dem Bevormundeten in allen persönlichen Angelegenheiten Schutz und Beistand zu gewähren, was nötigenfalls die Unterbringung in einer Anstalt einschliesst. Um die gelähmte alte Mutter vor den Beschimpfungen, Skandalszenen und Tätlichkeiten des Beschwerdeführers zu schützen, wäre demnach der Vormund nötigenfalls befugt gewesen, sie in einer Anstalt unterzubringen. A fortiori durfte er vom näherliegenden und weniger weit gehenden Mittel Gebrauch machen, dem Beschwerdeführer das Haus zu verbieten. Der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedurfte es zu dieser Massnahme nicht (vgl. Art. 421 ZGB). Übrigens hat der Vormund der Vormundschaftsbehörde vom Verbot sofort Kenntnis gegeben und diese hat es jedenfalls stillschweigend genehmigt.
de
Art. 186 CP. Il tutore di colui che dispone dell'appartamento è un "avente diritto" a'sensi di questo disposto?
it
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IV
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80 IV 171
Sachverhalt ab Seite 171 A.- B. forderte am 14. September 1953 R. B., geb. 1941, auf, sich mit ihm in das Pissoir eines Schulhauses zu begeben. Dort zog er dem Knaben die Hose aus, kniete nieder und nahm den Geschlechtsteil R. B. s in den Mund. Wegen dieser als beischlafsähnlich im Sinne des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gewürdigten und wegen anderer Handlungen erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn B. am 10. Februar 1954 der Unzucht mit Kindern schuldig und verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis und zwei Jahren Wirtshausverbot. B.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, die Doktrin nehme Beischlafsähnlichkeit nur an, wenn eine zum Zwecke der widernatürlichen Befriedigung des Geschlechtstriebes begangene, dem natürlichen Beischlaf ähnliche Handlung vorliege. Der Täter müsse also eine Handlung vorgenommen haben, die auf die Befriedigung des eigenen Geschlechtstriebes hinzielte. Indem der Beschwerdeführer das Glied des Knaben in den Mund genommen habe, habe er keine Handlung begangen, die für ihn selber dem Beischlaf ähnlich gewesen sei. Es verhalte sich anders, als wenn der Täter das eigene Glied in eine Körperöffnung des Opfers einführe. Die Tat gegenüber R. B. sei eine "andere unzüchtige Handlung" im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 StGB, also milder zu bestrafen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist strafbar, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht". Diese Bestimmung setzt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne voraus, dass der Täter sich wie ein Beischläfer verhalte, d.h. die beim natürlichen Beischlaf dem Manne zukommende aktive Rolle spiele. Sie verlangt bloss den Missbrauch des Kindes zum Beischlaf oder einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung, nämlich die vom Täter veranlasste Teilnahme eines Kindes an einem Beischlaf oder einer ihm nachgebildeten Handlung. Es wäre denn auch sonderbar, wenn die Frau, die sich einem Knaben zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung hingibt, nicht nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1, sondern nur nach der milderen Bestimmung der Ziffer 2 dieses Artikels zu bestrafen wäre, bloss weil sie im biologischen Sinne die passive Rolle gespielt hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass das Gesetz den vollen Schutz des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 nur den Mädchen, nicht auch den Knaben zukommen lassen wolle; die sittliche Entwicklung der letztern kann unter der vorzeitigen Ausübung des Geschlechtsaktes in gleicher Weise leiden wie der Missbrauch eines Mädchens zu solchem Verhalten. Es kann sodann auch keinen Unterschied ausmachen, wenn die Person, die einem Knaben zur Vornahme einer beischlafsähnlichen Handlung Gelegenheit gibt, ja ihn dazu veranlasst, statt eine Frau ein Mann ist; auch diese Tat ist Missbrauch eines Kindes zu einem Akt, vor dem das Gesetz die Kinder mit der vollen Strenge schützen will. Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB frägt auch nicht darnach, ob bloss der Täter oder auch das Opfer am Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung geschlechtlichen Genuss finde; die Bestimmung will nicht bloss anwendbar sein, wenn das Kind, spiele es im biologischen Sinne die passive oder die aktive Rolle, bei der Handlung Lustgefühle empfindet. Wer ein Mädchen zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung missbraucht, vergeht sich nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 auch dann, wenn es dabei kalt bleibt, ja Abneigung empfindet. Folglich kann auch nichts darauf ankommen, welche Gefühle ein Knabe in der Rolle des Opfers hat. Daher sieht die Rechtsprechung des Kassationshofes eine dem Beischlaf ähnliche Handlung nicht nur z.B. in der Einführung des Geschlechtsgliedes des Täters in den Mund eines Kindes (BGE 76 IV 108), sondern auch in der Einführung des Gliedes des Knaben in den Mund des Täters (nicht veröffentlichte Urteile vom 3. November 1950 i.S. H. und vom 18. September 1951 in Sachen Z.). Daran ist festzuhalten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 191 Ziff. 1 StGB. Wer das Geschlechtsglied eines Knaben in den Mund nimmt, missbraucht das Kind zu einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung.
de
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IV
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80 IV 171
Sachverhalt ab Seite 171 A.- B. forderte am 14. September 1953 R. B., geb. 1941, auf, sich mit ihm in das Pissoir eines Schulhauses zu begeben. Dort zog er dem Knaben die Hose aus, kniete nieder und nahm den Geschlechtsteil R. B. s in den Mund. Wegen dieser als beischlafsähnlich im Sinne des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gewürdigten und wegen anderer Handlungen erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn B. am 10. Februar 1954 der Unzucht mit Kindern schuldig und verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis und zwei Jahren Wirtshausverbot. B.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, die Doktrin nehme Beischlafsähnlichkeit nur an, wenn eine zum Zwecke der widernatürlichen Befriedigung des Geschlechtstriebes begangene, dem natürlichen Beischlaf ähnliche Handlung vorliege. Der Täter müsse also eine Handlung vorgenommen haben, die auf die Befriedigung des eigenen Geschlechtstriebes hinzielte. Indem der Beschwerdeführer das Glied des Knaben in den Mund genommen habe, habe er keine Handlung begangen, die für ihn selber dem Beischlaf ähnlich gewesen sei. Es verhalte sich anders, als wenn der Täter das eigene Glied in eine Körperöffnung des Opfers einführe. Die Tat gegenüber R. B. sei eine "andere unzüchtige Handlung" im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 StGB, also milder zu bestrafen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist strafbar, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht". Diese Bestimmung setzt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne voraus, dass der Täter sich wie ein Beischläfer verhalte, d.h. die beim natürlichen Beischlaf dem Manne zukommende aktive Rolle spiele. Sie verlangt bloss den Missbrauch des Kindes zum Beischlaf oder einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung, nämlich die vom Täter veranlasste Teilnahme eines Kindes an einem Beischlaf oder einer ihm nachgebildeten Handlung. Es wäre denn auch sonderbar, wenn die Frau, die sich einem Knaben zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung hingibt, nicht nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1, sondern nur nach der milderen Bestimmung der Ziffer 2 dieses Artikels zu bestrafen wäre, bloss weil sie im biologischen Sinne die passive Rolle gespielt hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass das Gesetz den vollen Schutz des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 nur den Mädchen, nicht auch den Knaben zukommen lassen wolle; die sittliche Entwicklung der letztern kann unter der vorzeitigen Ausübung des Geschlechtsaktes in gleicher Weise leiden wie der Missbrauch eines Mädchens zu solchem Verhalten. Es kann sodann auch keinen Unterschied ausmachen, wenn die Person, die einem Knaben zur Vornahme einer beischlafsähnlichen Handlung Gelegenheit gibt, ja ihn dazu veranlasst, statt eine Frau ein Mann ist; auch diese Tat ist Missbrauch eines Kindes zu einem Akt, vor dem das Gesetz die Kinder mit der vollen Strenge schützen will. Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB frägt auch nicht darnach, ob bloss der Täter oder auch das Opfer am Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung geschlechtlichen Genuss finde; die Bestimmung will nicht bloss anwendbar sein, wenn das Kind, spiele es im biologischen Sinne die passive oder die aktive Rolle, bei der Handlung Lustgefühle empfindet. Wer ein Mädchen zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung missbraucht, vergeht sich nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 auch dann, wenn es dabei kalt bleibt, ja Abneigung empfindet. Folglich kann auch nichts darauf ankommen, welche Gefühle ein Knabe in der Rolle des Opfers hat. Daher sieht die Rechtsprechung des Kassationshofes eine dem Beischlaf ähnliche Handlung nicht nur z.B. in der Einführung des Geschlechtsgliedes des Täters in den Mund eines Kindes (BGE 76 IV 108), sondern auch in der Einführung des Gliedes des Knaben in den Mund des Täters (nicht veröffentlichte Urteile vom 3. November 1950 i.S. H. und vom 18. September 1951 in Sachen Z.). Daran ist festzuhalten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Attentat à la pudeur des enfants; art. 191 ch. 1 CP, acte analogue à l'acte sexuel.
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Sachverhalt ab Seite 171 A.- B. forderte am 14. September 1953 R. B., geb. 1941, auf, sich mit ihm in das Pissoir eines Schulhauses zu begeben. Dort zog er dem Knaben die Hose aus, kniete nieder und nahm den Geschlechtsteil R. B. s in den Mund. Wegen dieser als beischlafsähnlich im Sinne des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gewürdigten und wegen anderer Handlungen erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn B. am 10. Februar 1954 der Unzucht mit Kindern schuldig und verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis und zwei Jahren Wirtshausverbot. B.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, die Doktrin nehme Beischlafsähnlichkeit nur an, wenn eine zum Zwecke der widernatürlichen Befriedigung des Geschlechtstriebes begangene, dem natürlichen Beischlaf ähnliche Handlung vorliege. Der Täter müsse also eine Handlung vorgenommen haben, die auf die Befriedigung des eigenen Geschlechtstriebes hinzielte. Indem der Beschwerdeführer das Glied des Knaben in den Mund genommen habe, habe er keine Handlung begangen, die für ihn selber dem Beischlaf ähnlich gewesen sei. Es verhalte sich anders, als wenn der Täter das eigene Glied in eine Körperöffnung des Opfers einführe. Die Tat gegenüber R. B. sei eine "andere unzüchtige Handlung" im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 StGB, also milder zu bestrafen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist strafbar, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht". Diese Bestimmung setzt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne voraus, dass der Täter sich wie ein Beischläfer verhalte, d.h. die beim natürlichen Beischlaf dem Manne zukommende aktive Rolle spiele. Sie verlangt bloss den Missbrauch des Kindes zum Beischlaf oder einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung, nämlich die vom Täter veranlasste Teilnahme eines Kindes an einem Beischlaf oder einer ihm nachgebildeten Handlung. Es wäre denn auch sonderbar, wenn die Frau, die sich einem Knaben zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung hingibt, nicht nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1, sondern nur nach der milderen Bestimmung der Ziffer 2 dieses Artikels zu bestrafen wäre, bloss weil sie im biologischen Sinne die passive Rolle gespielt hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass das Gesetz den vollen Schutz des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 nur den Mädchen, nicht auch den Knaben zukommen lassen wolle; die sittliche Entwicklung der letztern kann unter der vorzeitigen Ausübung des Geschlechtsaktes in gleicher Weise leiden wie der Missbrauch eines Mädchens zu solchem Verhalten. Es kann sodann auch keinen Unterschied ausmachen, wenn die Person, die einem Knaben zur Vornahme einer beischlafsähnlichen Handlung Gelegenheit gibt, ja ihn dazu veranlasst, statt eine Frau ein Mann ist; auch diese Tat ist Missbrauch eines Kindes zu einem Akt, vor dem das Gesetz die Kinder mit der vollen Strenge schützen will. Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB frägt auch nicht darnach, ob bloss der Täter oder auch das Opfer am Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung geschlechtlichen Genuss finde; die Bestimmung will nicht bloss anwendbar sein, wenn das Kind, spiele es im biologischen Sinne die passive oder die aktive Rolle, bei der Handlung Lustgefühle empfindet. Wer ein Mädchen zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung missbraucht, vergeht sich nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 auch dann, wenn es dabei kalt bleibt, ja Abneigung empfindet. Folglich kann auch nichts darauf ankommen, welche Gefühle ein Knabe in der Rolle des Opfers hat. Daher sieht die Rechtsprechung des Kassationshofes eine dem Beischlaf ähnliche Handlung nicht nur z.B. in der Einführung des Geschlechtsgliedes des Täters in den Mund eines Kindes (BGE 76 IV 108), sondern auch in der Einführung des Gliedes des Knaben in den Mund des Täters (nicht veröffentlichte Urteile vom 3. November 1950 i.S. H. und vom 18. September 1951 in Sachen Z.). Daran ist festzuhalten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Atti di libidine su fanciulli; art. 191 cifra 1 CP, atto analogo alla congiunzione carnale.
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80 IV 173
Sachverhalt ab Seite 174 A.- H., der am 26. Januar 1951 wegen wiederholter widernatürlicher Unzucht zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt worden war, wollte sich am Nachmittag des 17. September 1953, während der Probezeit, erneut widernatürlich befriedigen. Er hielt auf einer Geschäftsreise seinen Motorwagen an und wandte sich an den auf dem Felde arbeitenden ihm nicht bekannten K., geb. 20. April 1937, in der Absicht, ihn zu unzüchtigen Handlungen zu gewinnen. Er bot K. einen Stumpen an und begann von Kirchgang und Beichte zu sprechen. Um in K. die Lust zu einem geschlechtlichen Erlebnis zu wecken, lenkte er hierauf das Gespräch auf die Mädchen. Er fragte den Jungen, ob er auch schon mit Weibern im Bett gewesen sei und ob er wisse, wie man Kinder mache. Er schilderte K. den Begattungsakt und hielt ihm vor, er, K., werde wohl auch schon im Walde mit Weibern "gevögelt" haben. Auf die Antwort, dazu sei er noch zu jung, sagte H., dann werde er, K., sich eben selber befriedigen, hiezu sei er alt genug. Der Jüngling verneinte. H. ermunterte ihn, es einmal zu versuchen, um zu empfinden, welchen Genuss das biete. Er fragte K., ob er sich mit ihm in den Wald hinauf begebe, er wisse schon zu welchem Zwecke. Auf den Einwand K.s, er habe keine Zeit, forderte H. ihn auf: "Komme doch in den Wald, es geht ja nur fünf Minuten." Als K. ihn an ein des Weges kommendes Mädchen verwies, erwiderte H., an Mädchen finde er nicht Gefallen, er gebe sich nur mit Buben ab. Eine erneute Aufforderung durch H., mit ihm in den Wald zu gehen, lehnte K. wiederum ab. Er machte H. auf den in der Nähe auf einem Traktor fahrenden Z., geb. 13. August 1935, aufmerksam. H. fuhr zu Z., den er nicht kannte, und forderte ihn auf, mit ihm in den Wald hinauf zu gehen, um zu "vögeln". Er fügte bei, der weiter oben sich aufhaltende Bursche - darunter verstand er K. - habe gesagt'dass sie, K. und Z., solche Handlungen zusammen vorzunehmen pflegten. Z. lehnte ab und sagte, ohne es ernst zu meinen, wenn er, H., eine Frau wäre, würde er, Z., ihm vielleicht folgen. H. wiederholte seine ernst gemeinte Aufforderung mehrmals. Schliesslich gab er auf, weil Z. sich nicht überreden liess. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau überwies H. zur Bestrafung wegen fortgesetzten Versuchs widernatürlicher Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 und Art. 21 StGB dem Richter. Das Bezirksgericht Muri sprach den Angeklagten am 15. Februar 1954 frei. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Obergericht des Kantons Aargau am 3. September 1954 das Urteil auf und wies die Akten an das Bezirksgericht zurück "zum Freispruch des Beklagten von der Anschuldigung des Versuchs der widernatürlichen Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 StGB und Art. 21 Abs. 1 StGB sowie zur Beurteilung der Frage, ob sich der Beklagte der Übertretung des Art. 205 StGB schuldig gemacht hat". Das Obergericht ging davon aus, das Vergehen des Art. 194 Abs. 1 sei vollendet, wenn das Opfer die unzüchtige Handlung vorgenommen oder geduldet habe und es vom Täter dazu verführt worden sei. Versuch liege vor, wenn nach dem Plane, den der Täter sich gemacht habe und der der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale entspreche, der letzte entscheidende Schritt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe, bei dem also normalerweise nur noch mit der Vollendung zu rechnen sei, getan sei. Diesen Schritt habe H. gegenüber Z. nicht unternommen, denn hier habe er sich damit begnügt, ziemlich direkt einen Antrag auf gemeinsame Unzucht im Walde zu stellen, wobei er von der Weiterverfolgung seines Vorhabens abgesehen habe, als Z. abgelehnt habe. Der Antrag sei so primitiv gestellt gewesen, dass Z. denn auch bezeichnenderweise "spasseshalber" geantwortet habe, er würde H. vielleicht folgen, wenn er eine Frau wäre. Es sei also nicht einmal zu einer für den angestrebten Zweck wirklich tauglichen Anreizung gekommen, habe diese doch bloss Heiterkeit ausgelöst. Im Ernste könne daher von einem "Verführen" Z.s zu gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen, d.h. von dessen Bestimmung zu solchem Tun, nicht die Rede sein. Noch weniger könne natürlich vom Beginn der Vornahme solcher Handlungen gesprochen werden. Weniger einfach liege der Fall K. Nicht nur sei K. jünger als Z., also fremden Einflüssen zugänglicher gewesen, sondern H. sei ihm gegenüber bei der psychologischen Beeinflussung auch weit raffinierter vorgegangen. Die psychologische Behandlung des Opfers bis zur inneren Bereitschaft zur Unzucht sei eine wichtige Phase des Vergehens des Art. 194 Abs. 1, und diesen wichtigen Schritt habe H. gegenüber K. im Hinblick auf das Endziel auf routinierte Art gemacht. Nicht ganz klar sei freilich, welchen Erfolg er dabei erzielt habe; es stehe nicht fest, ob H. sein Vorhaben aufgegeben habe, weil K. sich dazu nicht habe bestimmen lassen, oder aber weil der Täter, wie er behaupte, das Opfer nach dem Alter gefragt habe und durch die Auskunft von der Tat abgehalten worden sei. Sei dem wie ihm wolle, habe aber H. auch gegenüber K. nicht den letzten, entscheidenden Schritt auf dem Wege zum Erfolg getan, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe. Entweder habe er sich mit dem Misserfolg der ersten Phase, nämlich des Verführens, abgefunden, oder er habe die Perspektiven, die ihm ein bezüglicher angeblicher Erfolg geöffnet hätte, nicht weiter ausgenützt. Blosse Einladung durch Worte oder Ausforschung einer Gelegenheit sei auch nach der subjektiven Theorie noch kein strafbarer Versuch zu widernatürlicher Unzucht. Sei der Freispruch schon aus diesen Gründen zu bestätigen, so könne die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob H. sich über das Alter K.s und Z.s geirrt habe, offen bleiben. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der freisprechende Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung H.s wegen wiederholter versuchter widernatürlicher Unzucht an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, wer in der Verfolgung des Zieles solche Beharrlichkeit an den Tag lege, wie H. es getan habe, trete erfahrungsgemäss nicht freiwillig von seinem Vorhaben zurück, sondern sei tatreif. Wenn H. trotz der Bewährungsprobe, unter der er wegen der Verurteilung vom 26. Januar 1951 gestanden habe, so beharrlich die Absicht weiteren Rechtsbruchs kundgegeben habe, müsse daraus geschlossen werden, er habe sich über alle Bedenken hinweggesetzt gehabt und sei um jeden Preis zum Handeln entschlossen gewesen. Wer bereits solche Hindernisse überwunden habe, sei nicht geneigt, wieder umzukehren. Die Persönlichkeit des Beklagten spreche eindeutig für die Annahme eines Versuches. Äussere Hindernisse hätten der Vollendung des Deliktes nicht im Wege gestanden. Der Tatort befinde sich in unmittelbarer Nähe eines Waldes, wohin der Beklagte sich mit dem verführten Opfer ohne Schwierigkeit hätte begeben können. Verführung und unzüchtige Handlung wären weder zeitlich noch örtlich auseinandergefallen. Wo so ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung der deliktischen Absicht möglich sei, stelle ein Hinarbeiten auf dieses Ziel den letzten entscheidenden Schritt dar. D.- H. beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Da das Obergericht den Beschwerdegegner nicht selber freigesprochen, sondern das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben und die Sache an diese Instanz zur Freisprechung zurückgewiesen hat, ist das kantonale Verfahren in dem Gegenstand der Beschwerde bildenden Punkte nicht abgeschlossen; es liegt ein blosser Zwischenentscheid vor. Dieser ist indessen nicht blosse Verfügung prozessleitenden Charakters, auf die zurückgekommen werden könnte. Das Obergericht hat über die Frage, ob der Beschwerdegegner sich des Versuchs des in Art. 194 Abs. 1 StGB normierten Vergehens schuldig gemacht habe, endgültig entschieden. Auch kann sein Urteil nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechtes angefochten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher zulässig (BGE 72 IV 89). 2. Einen Versuch begeht, wer mit der Ausführung des Verbrechens beginnt (Art. 21 Abs. 1 StGB). Die Ausführung fängt nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes nicht erst mit jener Handlung an, die, wenn sie beendet wird und auch die übrigen Voraussetzungen zutreffen, das Delikt ausmacht, wie z.B. das Wegnehmen den Diebstahl, die Täuschung den Betrug, sondern schon mit jener Tätigkeit, die nach dem Plane des Täters den letzten, entscheidenden Schritt ins Verbrechen bildet, von dem in der Regel nicht mehr zurückgetreten wird, es sei denn wegen äusserer Umstände, die die Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 71 IV 211,BGE 74 IV 133,BGE 75 IV 177). Im vorliegenden Falle liegt schon nach der objektiven Theorie, die den Versuch erst mit einer zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Ausführungshandlung beginnen lässt, auf der Hand, dass der Beschwerdegegner das Vergehen der Verführung eines Unmündigen zu widernatürlicher Unzucht sowohl gegenüber K. als auch gegenüber Z. zu begehen versucht hat. Art. 194 Abs. 1 StGB umschreibt es dahin, dass strafbar sei, "wer eine unmündige Person des gleichen Geschlechtes im Alter von mehr als sechzehn Jahren zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen verführt". Die Verführung durch den Täter ist also Tatbestandsmerkmal (BGE 70 IV 30). Wie der Beschwerdegegner zutreffend geltend macht, genügt sie freilich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Täter beabsichtigt, selber den Verführten zu widernatürlicher Unzucht zu missbrauchen. Aber dennoch gehört die Verführung wie der Vollzug der Unzucht zur Ausführung des Vergehens. Wer also mit dem Willen, das Opfer zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen zu bestimmen, zu verführen beginnt, begeht einen Versuch, und wenn er ihn weiterführt, bis das Opfer die unzüchtigen Handlungen vornimmt oder duldet, ist das Vergehen vollendet. Das hat der Kassationshof bereits in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 27. April 1951 i.S. R. entschieden. Dabei ist er auch davon ausgegangen, dass die Aufforderung an den Unmündigen zur Unzucht Beginn der Verführung sei. Das war sie auch im vorliegenden Falle; denn der Beschwerdegegner sah darin ein Mittel, K. und Z. tatsächlich zur widernatürlichen Unzucht zu bestimmen. Seine Behauptung, er habe die beiden Unmündigen bloss befragt, um vorgängig der gewünschten Unzucht pflichtgemäss festzustellen, wie sie zum Geschlechtsleben im allgemeinen und zur homosexuellen Betätigung im besondern eingestellt seien, ist angesichts der verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach er sie aufforderte, ihm zur Vornahme der Unzucht in den Wald zu folgen, und wonach er K. auch auf andere Weise in gewandter Art "psychologisch behandelte", um zum Ziele zu kommen, nicht zu hören. Dass die Aufforderungen erfolglos blieben, ändert nichts. Dieser Umstand könnte höchstens zu der Frage Anlass geben, ob der Versuch im Sinne des Art. 23 StGB untauglich gewesen sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Aufforderung an einen Unmündigen, dem Täter zur Vornahme widernatürlicher Unzucht in den Wald zu folgen, ist nicht ein Mittel, mit dem eine Verführung überhaupt nicht möglich wäre; sie war hier nur relativ untauglich, weil K. und Z. sich auf diese Weise nicht beeinflussen liessen. Liegt Versuch schon nach der objektiven Theorie vor, so kann die Frage, ob er auch nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie gegeben sei, sich nicht stellen; diese verlegt den Beginn des Versuches nie nach den Beginn einer im objektiven Tatbestand erwähnten Ausführungshandlung, sondern in der Regel vor eine solche und lässt ihn spätestens mit ihr beginnen, wenn der entscheidende Schritt ins Verbrechen erst mit ihr getan wird. Denn wer bereits Handlungen vornimmt, die das Gesetz in der Umschreibung des Tatbestandes zur Begehung des Verbrechens verlangt, hat auch subjektiv, d.h. nach dem gefassten Plane, das Stadium der Vorbereitung verlassen und den entscheidenden Schritt getan. Gewiss kann er auch jetzt noch aus eigenem Antrieb von der Weiterverfolgung des Planes absehen, ein Sachverhalt, dem Art. 21 Abs. 2 StGB durch die Möglichkeit der Strafbefreiung Rechnung trägt. Dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht dieses Zurück aber nicht. In der Regel sind es äussere Schwierigkeiten, die den Täter von der Vollendung abhalten, wenn er mit einer objektiven Ausführungshandlung schon begonnen hat. So war es denn auch im Falle Z., da der Beschwerdegegner nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz seine Bemühungen hier nur abbrach, weil der Unmündige nicht gefügig war. Wie es sich im Falle K. verhielt, kann dahingestellt bleiben, da der Beginn des Versuchs auch nach der subjektiven Theorie nicht davon abhängt, ob der Täter unbeeinflusst von äusseren Schwierigkeiten zurückgetreten ist, sondern bloss davon, ob nach der Lebenserfahrung in solcher Lage nur noch unter dem Einfluss äusserer Schwierigkeiten zurückgetreten zu werden pflegt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das Obergericht hat davon auszugehen, dass der objektive Tatbestand des Versuchs der Verführung zur widernatürlichen Unzucht gegenüber K. wie gegenüber Z. erfüllt ist. Vorbehalten bleibt ihm der Entscheid der Fragen, ob der Beschwerdeführer gewusst hat, dass die ausersehenen Opfer unmündig waren, und gegebenenfalls, ob der Versuch gegenüber K. vollendet (Art. 22 Abs. 1 StGB) oder unvollendet war (Art. 21 StGB) und, wenn letzteres angenommen werden sollte, ob der Beschwerdegegner die strafbare Tätigkeit aus eigenem Antrieb nicht zu Ende geführt habe (Art. 21 Abs. 2). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 3. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
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1. Art. 268 Abs. 2 BStP. Ein Zwischenentscheid ist Urteil, wenn auf ihn nicht zurückgekommen werden kann (Erw. 1). 2. Art. 21, 194 Abs. 1 StGB. Versuch der Verführung Unmündiger zu widernatürlicher Unzucht, begonnen durch Aufforderung an die ausersehenen Opfer (Erw. 2).
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80 IV 173
Sachverhalt ab Seite 174 A.- H., der am 26. Januar 1951 wegen wiederholter widernatürlicher Unzucht zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt worden war, wollte sich am Nachmittag des 17. September 1953, während der Probezeit, erneut widernatürlich befriedigen. Er hielt auf einer Geschäftsreise seinen Motorwagen an und wandte sich an den auf dem Felde arbeitenden ihm nicht bekannten K., geb. 20. April 1937, in der Absicht, ihn zu unzüchtigen Handlungen zu gewinnen. Er bot K. einen Stumpen an und begann von Kirchgang und Beichte zu sprechen. Um in K. die Lust zu einem geschlechtlichen Erlebnis zu wecken, lenkte er hierauf das Gespräch auf die Mädchen. Er fragte den Jungen, ob er auch schon mit Weibern im Bett gewesen sei und ob er wisse, wie man Kinder mache. Er schilderte K. den Begattungsakt und hielt ihm vor, er, K., werde wohl auch schon im Walde mit Weibern "gevögelt" haben. Auf die Antwort, dazu sei er noch zu jung, sagte H., dann werde er, K., sich eben selber befriedigen, hiezu sei er alt genug. Der Jüngling verneinte. H. ermunterte ihn, es einmal zu versuchen, um zu empfinden, welchen Genuss das biete. Er fragte K., ob er sich mit ihm in den Wald hinauf begebe, er wisse schon zu welchem Zwecke. Auf den Einwand K.s, er habe keine Zeit, forderte H. ihn auf: "Komme doch in den Wald, es geht ja nur fünf Minuten." Als K. ihn an ein des Weges kommendes Mädchen verwies, erwiderte H., an Mädchen finde er nicht Gefallen, er gebe sich nur mit Buben ab. Eine erneute Aufforderung durch H., mit ihm in den Wald zu gehen, lehnte K. wiederum ab. Er machte H. auf den in der Nähe auf einem Traktor fahrenden Z., geb. 13. August 1935, aufmerksam. H. fuhr zu Z., den er nicht kannte, und forderte ihn auf, mit ihm in den Wald hinauf zu gehen, um zu "vögeln". Er fügte bei, der weiter oben sich aufhaltende Bursche - darunter verstand er K. - habe gesagt'dass sie, K. und Z., solche Handlungen zusammen vorzunehmen pflegten. Z. lehnte ab und sagte, ohne es ernst zu meinen, wenn er, H., eine Frau wäre, würde er, Z., ihm vielleicht folgen. H. wiederholte seine ernst gemeinte Aufforderung mehrmals. Schliesslich gab er auf, weil Z. sich nicht überreden liess. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau überwies H. zur Bestrafung wegen fortgesetzten Versuchs widernatürlicher Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 und Art. 21 StGB dem Richter. Das Bezirksgericht Muri sprach den Angeklagten am 15. Februar 1954 frei. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Obergericht des Kantons Aargau am 3. September 1954 das Urteil auf und wies die Akten an das Bezirksgericht zurück "zum Freispruch des Beklagten von der Anschuldigung des Versuchs der widernatürlichen Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 StGB und Art. 21 Abs. 1 StGB sowie zur Beurteilung der Frage, ob sich der Beklagte der Übertretung des Art. 205 StGB schuldig gemacht hat". Das Obergericht ging davon aus, das Vergehen des Art. 194 Abs. 1 sei vollendet, wenn das Opfer die unzüchtige Handlung vorgenommen oder geduldet habe und es vom Täter dazu verführt worden sei. Versuch liege vor, wenn nach dem Plane, den der Täter sich gemacht habe und der der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale entspreche, der letzte entscheidende Schritt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe, bei dem also normalerweise nur noch mit der Vollendung zu rechnen sei, getan sei. Diesen Schritt habe H. gegenüber Z. nicht unternommen, denn hier habe er sich damit begnügt, ziemlich direkt einen Antrag auf gemeinsame Unzucht im Walde zu stellen, wobei er von der Weiterverfolgung seines Vorhabens abgesehen habe, als Z. abgelehnt habe. Der Antrag sei so primitiv gestellt gewesen, dass Z. denn auch bezeichnenderweise "spasseshalber" geantwortet habe, er würde H. vielleicht folgen, wenn er eine Frau wäre. Es sei also nicht einmal zu einer für den angestrebten Zweck wirklich tauglichen Anreizung gekommen, habe diese doch bloss Heiterkeit ausgelöst. Im Ernste könne daher von einem "Verführen" Z.s zu gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen, d.h. von dessen Bestimmung zu solchem Tun, nicht die Rede sein. Noch weniger könne natürlich vom Beginn der Vornahme solcher Handlungen gesprochen werden. Weniger einfach liege der Fall K. Nicht nur sei K. jünger als Z., also fremden Einflüssen zugänglicher gewesen, sondern H. sei ihm gegenüber bei der psychologischen Beeinflussung auch weit raffinierter vorgegangen. Die psychologische Behandlung des Opfers bis zur inneren Bereitschaft zur Unzucht sei eine wichtige Phase des Vergehens des Art. 194 Abs. 1, und diesen wichtigen Schritt habe H. gegenüber K. im Hinblick auf das Endziel auf routinierte Art gemacht. Nicht ganz klar sei freilich, welchen Erfolg er dabei erzielt habe; es stehe nicht fest, ob H. sein Vorhaben aufgegeben habe, weil K. sich dazu nicht habe bestimmen lassen, oder aber weil der Täter, wie er behaupte, das Opfer nach dem Alter gefragt habe und durch die Auskunft von der Tat abgehalten worden sei. Sei dem wie ihm wolle, habe aber H. auch gegenüber K. nicht den letzten, entscheidenden Schritt auf dem Wege zum Erfolg getan, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe. Entweder habe er sich mit dem Misserfolg der ersten Phase, nämlich des Verführens, abgefunden, oder er habe die Perspektiven, die ihm ein bezüglicher angeblicher Erfolg geöffnet hätte, nicht weiter ausgenützt. Blosse Einladung durch Worte oder Ausforschung einer Gelegenheit sei auch nach der subjektiven Theorie noch kein strafbarer Versuch zu widernatürlicher Unzucht. Sei der Freispruch schon aus diesen Gründen zu bestätigen, so könne die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob H. sich über das Alter K.s und Z.s geirrt habe, offen bleiben. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der freisprechende Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung H.s wegen wiederholter versuchter widernatürlicher Unzucht an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, wer in der Verfolgung des Zieles solche Beharrlichkeit an den Tag lege, wie H. es getan habe, trete erfahrungsgemäss nicht freiwillig von seinem Vorhaben zurück, sondern sei tatreif. Wenn H. trotz der Bewährungsprobe, unter der er wegen der Verurteilung vom 26. Januar 1951 gestanden habe, so beharrlich die Absicht weiteren Rechtsbruchs kundgegeben habe, müsse daraus geschlossen werden, er habe sich über alle Bedenken hinweggesetzt gehabt und sei um jeden Preis zum Handeln entschlossen gewesen. Wer bereits solche Hindernisse überwunden habe, sei nicht geneigt, wieder umzukehren. Die Persönlichkeit des Beklagten spreche eindeutig für die Annahme eines Versuches. Äussere Hindernisse hätten der Vollendung des Deliktes nicht im Wege gestanden. Der Tatort befinde sich in unmittelbarer Nähe eines Waldes, wohin der Beklagte sich mit dem verführten Opfer ohne Schwierigkeit hätte begeben können. Verführung und unzüchtige Handlung wären weder zeitlich noch örtlich auseinandergefallen. Wo so ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung der deliktischen Absicht möglich sei, stelle ein Hinarbeiten auf dieses Ziel den letzten entscheidenden Schritt dar. D.- H. beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Da das Obergericht den Beschwerdegegner nicht selber freigesprochen, sondern das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben und die Sache an diese Instanz zur Freisprechung zurückgewiesen hat, ist das kantonale Verfahren in dem Gegenstand der Beschwerde bildenden Punkte nicht abgeschlossen; es liegt ein blosser Zwischenentscheid vor. Dieser ist indessen nicht blosse Verfügung prozessleitenden Charakters, auf die zurückgekommen werden könnte. Das Obergericht hat über die Frage, ob der Beschwerdegegner sich des Versuchs des in Art. 194 Abs. 1 StGB normierten Vergehens schuldig gemacht habe, endgültig entschieden. Auch kann sein Urteil nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechtes angefochten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher zulässig (BGE 72 IV 89). 2. Einen Versuch begeht, wer mit der Ausführung des Verbrechens beginnt (Art. 21 Abs. 1 StGB). Die Ausführung fängt nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes nicht erst mit jener Handlung an, die, wenn sie beendet wird und auch die übrigen Voraussetzungen zutreffen, das Delikt ausmacht, wie z.B. das Wegnehmen den Diebstahl, die Täuschung den Betrug, sondern schon mit jener Tätigkeit, die nach dem Plane des Täters den letzten, entscheidenden Schritt ins Verbrechen bildet, von dem in der Regel nicht mehr zurückgetreten wird, es sei denn wegen äusserer Umstände, die die Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 71 IV 211,BGE 74 IV 133,BGE 75 IV 177). Im vorliegenden Falle liegt schon nach der objektiven Theorie, die den Versuch erst mit einer zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Ausführungshandlung beginnen lässt, auf der Hand, dass der Beschwerdegegner das Vergehen der Verführung eines Unmündigen zu widernatürlicher Unzucht sowohl gegenüber K. als auch gegenüber Z. zu begehen versucht hat. Art. 194 Abs. 1 StGB umschreibt es dahin, dass strafbar sei, "wer eine unmündige Person des gleichen Geschlechtes im Alter von mehr als sechzehn Jahren zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen verführt". Die Verführung durch den Täter ist also Tatbestandsmerkmal (BGE 70 IV 30). Wie der Beschwerdegegner zutreffend geltend macht, genügt sie freilich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Täter beabsichtigt, selber den Verführten zu widernatürlicher Unzucht zu missbrauchen. Aber dennoch gehört die Verführung wie der Vollzug der Unzucht zur Ausführung des Vergehens. Wer also mit dem Willen, das Opfer zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen zu bestimmen, zu verführen beginnt, begeht einen Versuch, und wenn er ihn weiterführt, bis das Opfer die unzüchtigen Handlungen vornimmt oder duldet, ist das Vergehen vollendet. Das hat der Kassationshof bereits in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 27. April 1951 i.S. R. entschieden. Dabei ist er auch davon ausgegangen, dass die Aufforderung an den Unmündigen zur Unzucht Beginn der Verführung sei. Das war sie auch im vorliegenden Falle; denn der Beschwerdegegner sah darin ein Mittel, K. und Z. tatsächlich zur widernatürlichen Unzucht zu bestimmen. Seine Behauptung, er habe die beiden Unmündigen bloss befragt, um vorgängig der gewünschten Unzucht pflichtgemäss festzustellen, wie sie zum Geschlechtsleben im allgemeinen und zur homosexuellen Betätigung im besondern eingestellt seien, ist angesichts der verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach er sie aufforderte, ihm zur Vornahme der Unzucht in den Wald zu folgen, und wonach er K. auch auf andere Weise in gewandter Art "psychologisch behandelte", um zum Ziele zu kommen, nicht zu hören. Dass die Aufforderungen erfolglos blieben, ändert nichts. Dieser Umstand könnte höchstens zu der Frage Anlass geben, ob der Versuch im Sinne des Art. 23 StGB untauglich gewesen sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Aufforderung an einen Unmündigen, dem Täter zur Vornahme widernatürlicher Unzucht in den Wald zu folgen, ist nicht ein Mittel, mit dem eine Verführung überhaupt nicht möglich wäre; sie war hier nur relativ untauglich, weil K. und Z. sich auf diese Weise nicht beeinflussen liessen. Liegt Versuch schon nach der objektiven Theorie vor, so kann die Frage, ob er auch nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie gegeben sei, sich nicht stellen; diese verlegt den Beginn des Versuches nie nach den Beginn einer im objektiven Tatbestand erwähnten Ausführungshandlung, sondern in der Regel vor eine solche und lässt ihn spätestens mit ihr beginnen, wenn der entscheidende Schritt ins Verbrechen erst mit ihr getan wird. Denn wer bereits Handlungen vornimmt, die das Gesetz in der Umschreibung des Tatbestandes zur Begehung des Verbrechens verlangt, hat auch subjektiv, d.h. nach dem gefassten Plane, das Stadium der Vorbereitung verlassen und den entscheidenden Schritt getan. Gewiss kann er auch jetzt noch aus eigenem Antrieb von der Weiterverfolgung des Planes absehen, ein Sachverhalt, dem Art. 21 Abs. 2 StGB durch die Möglichkeit der Strafbefreiung Rechnung trägt. Dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht dieses Zurück aber nicht. In der Regel sind es äussere Schwierigkeiten, die den Täter von der Vollendung abhalten, wenn er mit einer objektiven Ausführungshandlung schon begonnen hat. So war es denn auch im Falle Z., da der Beschwerdegegner nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz seine Bemühungen hier nur abbrach, weil der Unmündige nicht gefügig war. Wie es sich im Falle K. verhielt, kann dahingestellt bleiben, da der Beginn des Versuchs auch nach der subjektiven Theorie nicht davon abhängt, ob der Täter unbeeinflusst von äusseren Schwierigkeiten zurückgetreten ist, sondern bloss davon, ob nach der Lebenserfahrung in solcher Lage nur noch unter dem Einfluss äusserer Schwierigkeiten zurückgetreten zu werden pflegt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das Obergericht hat davon auszugehen, dass der objektive Tatbestand des Versuchs der Verführung zur widernatürlichen Unzucht gegenüber K. wie gegenüber Z. erfüllt ist. Vorbehalten bleibt ihm der Entscheid der Fragen, ob der Beschwerdeführer gewusst hat, dass die ausersehenen Opfer unmündig waren, und gegebenenfalls, ob der Versuch gegenüber K. vollendet (Art. 22 Abs. 1 StGB) oder unvollendet war (Art. 21 StGB) und, wenn letzteres angenommen werden sollte, ob der Beschwerdegegner die strafbare Tätigkeit aus eigenem Antrieb nicht zu Ende geführt habe (Art. 21 Abs. 2). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 3. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
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1. Art. 268 al. 2 PPF. Constitue un jugement, la décision incidente sur laquelle on ne peut plus revenir. 2. Art. 21, 194 al. 1 CP. Invitation adressée aux victimes et constituant le début d'une tentative d'induire des mineurs à la débauche contre nature.
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Sachverhalt ab Seite 174 A.- H., der am 26. Januar 1951 wegen wiederholter widernatürlicher Unzucht zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt worden war, wollte sich am Nachmittag des 17. September 1953, während der Probezeit, erneut widernatürlich befriedigen. Er hielt auf einer Geschäftsreise seinen Motorwagen an und wandte sich an den auf dem Felde arbeitenden ihm nicht bekannten K., geb. 20. April 1937, in der Absicht, ihn zu unzüchtigen Handlungen zu gewinnen. Er bot K. einen Stumpen an und begann von Kirchgang und Beichte zu sprechen. Um in K. die Lust zu einem geschlechtlichen Erlebnis zu wecken, lenkte er hierauf das Gespräch auf die Mädchen. Er fragte den Jungen, ob er auch schon mit Weibern im Bett gewesen sei und ob er wisse, wie man Kinder mache. Er schilderte K. den Begattungsakt und hielt ihm vor, er, K., werde wohl auch schon im Walde mit Weibern "gevögelt" haben. Auf die Antwort, dazu sei er noch zu jung, sagte H., dann werde er, K., sich eben selber befriedigen, hiezu sei er alt genug. Der Jüngling verneinte. H. ermunterte ihn, es einmal zu versuchen, um zu empfinden, welchen Genuss das biete. Er fragte K., ob er sich mit ihm in den Wald hinauf begebe, er wisse schon zu welchem Zwecke. Auf den Einwand K.s, er habe keine Zeit, forderte H. ihn auf: "Komme doch in den Wald, es geht ja nur fünf Minuten." Als K. ihn an ein des Weges kommendes Mädchen verwies, erwiderte H., an Mädchen finde er nicht Gefallen, er gebe sich nur mit Buben ab. Eine erneute Aufforderung durch H., mit ihm in den Wald zu gehen, lehnte K. wiederum ab. Er machte H. auf den in der Nähe auf einem Traktor fahrenden Z., geb. 13. August 1935, aufmerksam. H. fuhr zu Z., den er nicht kannte, und forderte ihn auf, mit ihm in den Wald hinauf zu gehen, um zu "vögeln". Er fügte bei, der weiter oben sich aufhaltende Bursche - darunter verstand er K. - habe gesagt'dass sie, K. und Z., solche Handlungen zusammen vorzunehmen pflegten. Z. lehnte ab und sagte, ohne es ernst zu meinen, wenn er, H., eine Frau wäre, würde er, Z., ihm vielleicht folgen. H. wiederholte seine ernst gemeinte Aufforderung mehrmals. Schliesslich gab er auf, weil Z. sich nicht überreden liess. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau überwies H. zur Bestrafung wegen fortgesetzten Versuchs widernatürlicher Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 und Art. 21 StGB dem Richter. Das Bezirksgericht Muri sprach den Angeklagten am 15. Februar 1954 frei. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Obergericht des Kantons Aargau am 3. September 1954 das Urteil auf und wies die Akten an das Bezirksgericht zurück "zum Freispruch des Beklagten von der Anschuldigung des Versuchs der widernatürlichen Unzucht gemäss Art. 194 Abs. 1 StGB und Art. 21 Abs. 1 StGB sowie zur Beurteilung der Frage, ob sich der Beklagte der Übertretung des Art. 205 StGB schuldig gemacht hat". Das Obergericht ging davon aus, das Vergehen des Art. 194 Abs. 1 sei vollendet, wenn das Opfer die unzüchtige Handlung vorgenommen oder geduldet habe und es vom Täter dazu verführt worden sei. Versuch liege vor, wenn nach dem Plane, den der Täter sich gemacht habe und der der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale entspreche, der letzte entscheidende Schritt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe, bei dem also normalerweise nur noch mit der Vollendung zu rechnen sei, getan sei. Diesen Schritt habe H. gegenüber Z. nicht unternommen, denn hier habe er sich damit begnügt, ziemlich direkt einen Antrag auf gemeinsame Unzucht im Walde zu stellen, wobei er von der Weiterverfolgung seines Vorhabens abgesehen habe, als Z. abgelehnt habe. Der Antrag sei so primitiv gestellt gewesen, dass Z. denn auch bezeichnenderweise "spasseshalber" geantwortet habe, er würde H. vielleicht folgen, wenn er eine Frau wäre. Es sei also nicht einmal zu einer für den angestrebten Zweck wirklich tauglichen Anreizung gekommen, habe diese doch bloss Heiterkeit ausgelöst. Im Ernste könne daher von einem "Verführen" Z.s zu gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen, d.h. von dessen Bestimmung zu solchem Tun, nicht die Rede sein. Noch weniger könne natürlich vom Beginn der Vornahme solcher Handlungen gesprochen werden. Weniger einfach liege der Fall K. Nicht nur sei K. jünger als Z., also fremden Einflüssen zugänglicher gewesen, sondern H. sei ihm gegenüber bei der psychologischen Beeinflussung auch weit raffinierter vorgegangen. Die psychologische Behandlung des Opfers bis zur inneren Bereitschaft zur Unzucht sei eine wichtige Phase des Vergehens des Art. 194 Abs. 1, und diesen wichtigen Schritt habe H. gegenüber K. im Hinblick auf das Endziel auf routinierte Art gemacht. Nicht ganz klar sei freilich, welchen Erfolg er dabei erzielt habe; es stehe nicht fest, ob H. sein Vorhaben aufgegeben habe, weil K. sich dazu nicht habe bestimmen lassen, oder aber weil der Täter, wie er behaupte, das Opfer nach dem Alter gefragt habe und durch die Auskunft von der Tat abgehalten worden sei. Sei dem wie ihm wolle, habe aber H. auch gegenüber K. nicht den letzten, entscheidenden Schritt auf dem Wege zum Erfolg getan, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gebe. Entweder habe er sich mit dem Misserfolg der ersten Phase, nämlich des Verführens, abgefunden, oder er habe die Perspektiven, die ihm ein bezüglicher angeblicher Erfolg geöffnet hätte, nicht weiter ausgenützt. Blosse Einladung durch Worte oder Ausforschung einer Gelegenheit sei auch nach der subjektiven Theorie noch kein strafbarer Versuch zu widernatürlicher Unzucht. Sei der Freispruch schon aus diesen Gründen zu bestätigen, so könne die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob H. sich über das Alter K.s und Z.s geirrt habe, offen bleiben. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der freisprechende Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung H.s wegen wiederholter versuchter widernatürlicher Unzucht an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, wer in der Verfolgung des Zieles solche Beharrlichkeit an den Tag lege, wie H. es getan habe, trete erfahrungsgemäss nicht freiwillig von seinem Vorhaben zurück, sondern sei tatreif. Wenn H. trotz der Bewährungsprobe, unter der er wegen der Verurteilung vom 26. Januar 1951 gestanden habe, so beharrlich die Absicht weiteren Rechtsbruchs kundgegeben habe, müsse daraus geschlossen werden, er habe sich über alle Bedenken hinweggesetzt gehabt und sei um jeden Preis zum Handeln entschlossen gewesen. Wer bereits solche Hindernisse überwunden habe, sei nicht geneigt, wieder umzukehren. Die Persönlichkeit des Beklagten spreche eindeutig für die Annahme eines Versuches. Äussere Hindernisse hätten der Vollendung des Deliktes nicht im Wege gestanden. Der Tatort befinde sich in unmittelbarer Nähe eines Waldes, wohin der Beklagte sich mit dem verführten Opfer ohne Schwierigkeit hätte begeben können. Verführung und unzüchtige Handlung wären weder zeitlich noch örtlich auseinandergefallen. Wo so ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung der deliktischen Absicht möglich sei, stelle ein Hinarbeiten auf dieses Ziel den letzten entscheidenden Schritt dar. D.- H. beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Da das Obergericht den Beschwerdegegner nicht selber freigesprochen, sondern das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben und die Sache an diese Instanz zur Freisprechung zurückgewiesen hat, ist das kantonale Verfahren in dem Gegenstand der Beschwerde bildenden Punkte nicht abgeschlossen; es liegt ein blosser Zwischenentscheid vor. Dieser ist indessen nicht blosse Verfügung prozessleitenden Charakters, auf die zurückgekommen werden könnte. Das Obergericht hat über die Frage, ob der Beschwerdegegner sich des Versuchs des in Art. 194 Abs. 1 StGB normierten Vergehens schuldig gemacht habe, endgültig entschieden. Auch kann sein Urteil nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechtes angefochten werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher zulässig (BGE 72 IV 89). 2. Einen Versuch begeht, wer mit der Ausführung des Verbrechens beginnt (Art. 21 Abs. 1 StGB). Die Ausführung fängt nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes nicht erst mit jener Handlung an, die, wenn sie beendet wird und auch die übrigen Voraussetzungen zutreffen, das Delikt ausmacht, wie z.B. das Wegnehmen den Diebstahl, die Täuschung den Betrug, sondern schon mit jener Tätigkeit, die nach dem Plane des Täters den letzten, entscheidenden Schritt ins Verbrechen bildet, von dem in der Regel nicht mehr zurückgetreten wird, es sei denn wegen äusserer Umstände, die die Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 71 IV 211,BGE 74 IV 133,BGE 75 IV 177). Im vorliegenden Falle liegt schon nach der objektiven Theorie, die den Versuch erst mit einer zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Ausführungshandlung beginnen lässt, auf der Hand, dass der Beschwerdegegner das Vergehen der Verführung eines Unmündigen zu widernatürlicher Unzucht sowohl gegenüber K. als auch gegenüber Z. zu begehen versucht hat. Art. 194 Abs. 1 StGB umschreibt es dahin, dass strafbar sei, "wer eine unmündige Person des gleichen Geschlechtes im Alter von mehr als sechzehn Jahren zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen verführt". Die Verführung durch den Täter ist also Tatbestandsmerkmal (BGE 70 IV 30). Wie der Beschwerdegegner zutreffend geltend macht, genügt sie freilich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Täter beabsichtigt, selber den Verführten zu widernatürlicher Unzucht zu missbrauchen. Aber dennoch gehört die Verführung wie der Vollzug der Unzucht zur Ausführung des Vergehens. Wer also mit dem Willen, das Opfer zur Vornahme oder zur Duldung unzüchtiger Handlungen zu bestimmen, zu verführen beginnt, begeht einen Versuch, und wenn er ihn weiterführt, bis das Opfer die unzüchtigen Handlungen vornimmt oder duldet, ist das Vergehen vollendet. Das hat der Kassationshof bereits in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 27. April 1951 i.S. R. entschieden. Dabei ist er auch davon ausgegangen, dass die Aufforderung an den Unmündigen zur Unzucht Beginn der Verführung sei. Das war sie auch im vorliegenden Falle; denn der Beschwerdegegner sah darin ein Mittel, K. und Z. tatsächlich zur widernatürlichen Unzucht zu bestimmen. Seine Behauptung, er habe die beiden Unmündigen bloss befragt, um vorgängig der gewünschten Unzucht pflichtgemäss festzustellen, wie sie zum Geschlechtsleben im allgemeinen und zur homosexuellen Betätigung im besondern eingestellt seien, ist angesichts der verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach er sie aufforderte, ihm zur Vornahme der Unzucht in den Wald zu folgen, und wonach er K. auch auf andere Weise in gewandter Art "psychologisch behandelte", um zum Ziele zu kommen, nicht zu hören. Dass die Aufforderungen erfolglos blieben, ändert nichts. Dieser Umstand könnte höchstens zu der Frage Anlass geben, ob der Versuch im Sinne des Art. 23 StGB untauglich gewesen sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Aufforderung an einen Unmündigen, dem Täter zur Vornahme widernatürlicher Unzucht in den Wald zu folgen, ist nicht ein Mittel, mit dem eine Verführung überhaupt nicht möglich wäre; sie war hier nur relativ untauglich, weil K. und Z. sich auf diese Weise nicht beeinflussen liessen. Liegt Versuch schon nach der objektiven Theorie vor, so kann die Frage, ob er auch nach der vom Bundesgericht anerkannten subjektiven Theorie gegeben sei, sich nicht stellen; diese verlegt den Beginn des Versuches nie nach den Beginn einer im objektiven Tatbestand erwähnten Ausführungshandlung, sondern in der Regel vor eine solche und lässt ihn spätestens mit ihr beginnen, wenn der entscheidende Schritt ins Verbrechen erst mit ihr getan wird. Denn wer bereits Handlungen vornimmt, die das Gesetz in der Umschreibung des Tatbestandes zur Begehung des Verbrechens verlangt, hat auch subjektiv, d.h. nach dem gefassten Plane, das Stadium der Vorbereitung verlassen und den entscheidenden Schritt getan. Gewiss kann er auch jetzt noch aus eigenem Antrieb von der Weiterverfolgung des Planes absehen, ein Sachverhalt, dem Art. 21 Abs. 2 StGB durch die Möglichkeit der Strafbefreiung Rechnung trägt. Dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht dieses Zurück aber nicht. In der Regel sind es äussere Schwierigkeiten, die den Täter von der Vollendung abhalten, wenn er mit einer objektiven Ausführungshandlung schon begonnen hat. So war es denn auch im Falle Z., da der Beschwerdegegner nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz seine Bemühungen hier nur abbrach, weil der Unmündige nicht gefügig war. Wie es sich im Falle K. verhielt, kann dahingestellt bleiben, da der Beginn des Versuchs auch nach der subjektiven Theorie nicht davon abhängt, ob der Täter unbeeinflusst von äusseren Schwierigkeiten zurückgetreten ist, sondern bloss davon, ob nach der Lebenserfahrung in solcher Lage nur noch unter dem Einfluss äusserer Schwierigkeiten zurückgetreten zu werden pflegt. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das Obergericht hat davon auszugehen, dass der objektive Tatbestand des Versuchs der Verführung zur widernatürlichen Unzucht gegenüber K. wie gegenüber Z. erfüllt ist. Vorbehalten bleibt ihm der Entscheid der Fragen, ob der Beschwerdeführer gewusst hat, dass die ausersehenen Opfer unmündig waren, und gegebenenfalls, ob der Versuch gegenüber K. vollendet (Art. 22 Abs. 1 StGB) oder unvollendet war (Art. 21 StGB) und, wenn letzteres angenommen werden sollte, ob der Beschwerdegegner die strafbare Tätigkeit aus eigenem Antrieb nicht zu Ende geführt habe (Art. 21 Abs. 2). Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 3. September 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
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1. Art. 268 cp. 2 PPF. Costituisce una sentenza la decisione incidentale che non può più essere riesaminata dal giudice (consid. 1). 2. Art. 21, 194 cp. 1 CP. Tentativo d'indurre una persona minore ad atti di libidine contro natura ravvisato nell'invito rivolto dall'autore alla vittima (consid. 2).
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80 IV 181
Sachverhalt ab Seite 181 Schneider hatte am 30. September 1952 etwas nach 00.30 Uhr, als er die letzte Dienstfahrt beendet hatte, die von ihm geführte Lokomotive in Koblenz im Schuppen einzustellen. Da er dieses Manöver mit leicht übersetzter Geschwindigkeit von 20 km/Std. ausführte, gelang es ihm nicht, auf den nassen und teilweise mit Oel verschmierten Schienen die Maschine im Schuppen rechtzeitig anzuhalten. Sie fuhr an den aus Bruchsteinmauerwerk bestehenden Prellbock, zerstörte ihn und schob ihn durch die Wand des Schuppens hindurch in ein Zimmer, in dem Lokomotivführer Toggweiler in einem Bette schlief. Dieses wurde an die gegenüberliegende Wand geschoben und Toggweiler durch herabfallendes Mauerwerk verletzt. Der Sachschaden belief sich auf etwa Fr. 6500.--. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach Schneider von der Anklage der fahrlässigen Störung eines der Allgemeinheit dienenden Betriebes, eventuell der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs, frei. Hiegegen führte die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde. Die Auffassung, Art. 239 StGB sei in erster Linie anzuwenden, begründete sie damit, Art. 238 StGB setze eine konkrete Gemeingefahr voraus und eine solche sei hier nicht eingetreten. Der Kassationshof hob das Urteil auf und wies die Sache zur Bestrafung wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und des von ihr angerufenen Autors (ISCHER, ZStrR 60 102 ff.) setzt Art. 238 Abs. 2 StGB nicht voraus, dass der Täter eine konkrete Gemeingefahr geschaffen, d.h. eine Mehrzahl von Personen der nahen Möglichkeit ausgesetzt habe, getötet oder verletzt oder am Eigentum geschädigt zu werden. Die Bestimmung spricht nur deshalb von Leib und Leben "von Menschen" statt von Leib und Leben "eines Menschen", weil die Tat sich nicht gegen eine ganz bestimmte vom Täter ins Auge gefasste Person richtet, sondern irgendwer aus dem Kreise der Reisenden oder des Bahnpersonals durch sie gefährdet oder verletzt werden kann, es also lediglich vom Zufall abhängt, wer das konkret gefährdete oder verletzte Opfer ist. Die Gefährdung von Leib oder Leben ist übrigens nur der eine Fall. Zur Anwendung der Bestimmung genügt auch die erhebliche Gefährdung fremden Eigentums. Dass aber das Eigentum mehrerer Personen erheblich gefährdet werden müsse, lässt sich dem deutschen Text unmöglich entnehmen, und wenn der französische Wortlaut, auf den der erwähnte Autor sich beruft, von "propriété d'autrui" spricht, ist auch das darauf zurückzuführen, dass die Tat sich nicht im Angriff auf das Eigentum einer ganz bestimmten Person, z.B. der Bahngesellschaft, zu erschöpfen braucht, sondern das Eigentum irgendeiner am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Person treffen kann. Es fehlt denn auch jeder vernünftige Grund, der es hätte rechtfertigen können, Art. 238 Abs. 2 nicht anzuwenden, wenn z.B. nur das Eigentum der Bahngesellschaft konkret gefährdet worden ist, mag das in noch so grossem Ausmasse geschehen sein, wohl aber dann, wenn ausserdem Sachen einer zweiten Person, wenn auch nur solche von geringem Wert, mitgefährdet worden sind. Zu einem anderen Schlusse führt auch nicht die Stellung des Art. 238 im Titel über die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr, dem die Titel über die gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen (Art. 221 ff.) und über die Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit (Art. 231 ff.) vorausgehen. Gewiss schützen die Art. 237 ff. gleich wie die vorausgehenden beiden Titel die Allgemeinheit, nicht wie z.B. Art. 111 ff. den einzelnen. Diese Systematik des Gesetzes rechtfertigt sich aber schon, weil die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr irgendwen in Gefahr bringen können, d.h. abstrakt eine allgemeine Gefahr in sich bergen. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass eine konkrete Gemeingefahr Tatbestandsmerkmal sei. Der Kassationshof hat denn auch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, eine konkrete Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal des im gleichen Titel stehenden Art. 237 anzuerkennen, obschon auch in dieser Bestimmung von Gefährdung von Leib und Leben "von Menschen", nicht "eines Menschen" die Rede ist (BGE 76 IV 124 und spätere nicht veröffentlichte Urteile). Der Beschwerdegegner hat Leib und Leben eines Menschen erheblich gefährdet; denn Toggweiler war der konkreten Gefahr ausgesetzt, getötet zu werden. Übrigens ist in erheblichem Umfange (vgl. BGE 72 IV 27, 69) auch fremdes Eigentum gefährdet, ja sogar verletzt worden.
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Art. 238 StGB setzt keine konkrete Gemeingefahr voraus.
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80 IV 181
Sachverhalt ab Seite 181 Schneider hatte am 30. September 1952 etwas nach 00.30 Uhr, als er die letzte Dienstfahrt beendet hatte, die von ihm geführte Lokomotive in Koblenz im Schuppen einzustellen. Da er dieses Manöver mit leicht übersetzter Geschwindigkeit von 20 km/Std. ausführte, gelang es ihm nicht, auf den nassen und teilweise mit Oel verschmierten Schienen die Maschine im Schuppen rechtzeitig anzuhalten. Sie fuhr an den aus Bruchsteinmauerwerk bestehenden Prellbock, zerstörte ihn und schob ihn durch die Wand des Schuppens hindurch in ein Zimmer, in dem Lokomotivführer Toggweiler in einem Bette schlief. Dieses wurde an die gegenüberliegende Wand geschoben und Toggweiler durch herabfallendes Mauerwerk verletzt. Der Sachschaden belief sich auf etwa Fr. 6500.--. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach Schneider von der Anklage der fahrlässigen Störung eines der Allgemeinheit dienenden Betriebes, eventuell der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs, frei. Hiegegen führte die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde. Die Auffassung, Art. 239 StGB sei in erster Linie anzuwenden, begründete sie damit, Art. 238 StGB setze eine konkrete Gemeingefahr voraus und eine solche sei hier nicht eingetreten. Der Kassationshof hob das Urteil auf und wies die Sache zur Bestrafung wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und des von ihr angerufenen Autors (ISCHER, ZStrR 60 102 ff.) setzt Art. 238 Abs. 2 StGB nicht voraus, dass der Täter eine konkrete Gemeingefahr geschaffen, d.h. eine Mehrzahl von Personen der nahen Möglichkeit ausgesetzt habe, getötet oder verletzt oder am Eigentum geschädigt zu werden. Die Bestimmung spricht nur deshalb von Leib und Leben "von Menschen" statt von Leib und Leben "eines Menschen", weil die Tat sich nicht gegen eine ganz bestimmte vom Täter ins Auge gefasste Person richtet, sondern irgendwer aus dem Kreise der Reisenden oder des Bahnpersonals durch sie gefährdet oder verletzt werden kann, es also lediglich vom Zufall abhängt, wer das konkret gefährdete oder verletzte Opfer ist. Die Gefährdung von Leib oder Leben ist übrigens nur der eine Fall. Zur Anwendung der Bestimmung genügt auch die erhebliche Gefährdung fremden Eigentums. Dass aber das Eigentum mehrerer Personen erheblich gefährdet werden müsse, lässt sich dem deutschen Text unmöglich entnehmen, und wenn der französische Wortlaut, auf den der erwähnte Autor sich beruft, von "propriété d'autrui" spricht, ist auch das darauf zurückzuführen, dass die Tat sich nicht im Angriff auf das Eigentum einer ganz bestimmten Person, z.B. der Bahngesellschaft, zu erschöpfen braucht, sondern das Eigentum irgendeiner am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Person treffen kann. Es fehlt denn auch jeder vernünftige Grund, der es hätte rechtfertigen können, Art. 238 Abs. 2 nicht anzuwenden, wenn z.B. nur das Eigentum der Bahngesellschaft konkret gefährdet worden ist, mag das in noch so grossem Ausmasse geschehen sein, wohl aber dann, wenn ausserdem Sachen einer zweiten Person, wenn auch nur solche von geringem Wert, mitgefährdet worden sind. Zu einem anderen Schlusse führt auch nicht die Stellung des Art. 238 im Titel über die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr, dem die Titel über die gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen (Art. 221 ff.) und über die Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit (Art. 231 ff.) vorausgehen. Gewiss schützen die Art. 237 ff. gleich wie die vorausgehenden beiden Titel die Allgemeinheit, nicht wie z.B. Art. 111 ff. den einzelnen. Diese Systematik des Gesetzes rechtfertigt sich aber schon, weil die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr irgendwen in Gefahr bringen können, d.h. abstrakt eine allgemeine Gefahr in sich bergen. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass eine konkrete Gemeingefahr Tatbestandsmerkmal sei. Der Kassationshof hat denn auch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, eine konkrete Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal des im gleichen Titel stehenden Art. 237 anzuerkennen, obschon auch in dieser Bestimmung von Gefährdung von Leib und Leben "von Menschen", nicht "eines Menschen" die Rede ist (BGE 76 IV 124 und spätere nicht veröffentlichte Urteile). Der Beschwerdegegner hat Leib und Leben eines Menschen erheblich gefährdet; denn Toggweiler war der konkreten Gefahr ausgesetzt, getötet zu werden. Übrigens ist in erheblichem Umfange (vgl. BGE 72 IV 27, 69) auch fremdes Eigentum gefährdet, ja sogar verletzt worden.
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Art. 238 CP. Le délit que vise cette disposition légale ne suppose pas l'existence d'un certain danger collectif in concreto.
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80 IV 181
Sachverhalt ab Seite 181 Schneider hatte am 30. September 1952 etwas nach 00.30 Uhr, als er die letzte Dienstfahrt beendet hatte, die von ihm geführte Lokomotive in Koblenz im Schuppen einzustellen. Da er dieses Manöver mit leicht übersetzter Geschwindigkeit von 20 km/Std. ausführte, gelang es ihm nicht, auf den nassen und teilweise mit Oel verschmierten Schienen die Maschine im Schuppen rechtzeitig anzuhalten. Sie fuhr an den aus Bruchsteinmauerwerk bestehenden Prellbock, zerstörte ihn und schob ihn durch die Wand des Schuppens hindurch in ein Zimmer, in dem Lokomotivführer Toggweiler in einem Bette schlief. Dieses wurde an die gegenüberliegende Wand geschoben und Toggweiler durch herabfallendes Mauerwerk verletzt. Der Sachschaden belief sich auf etwa Fr. 6500.--. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach Schneider von der Anklage der fahrlässigen Störung eines der Allgemeinheit dienenden Betriebes, eventuell der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs, frei. Hiegegen führte die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde. Die Auffassung, Art. 239 StGB sei in erster Linie anzuwenden, begründete sie damit, Art. 238 StGB setze eine konkrete Gemeingefahr voraus und eine solche sei hier nicht eingetreten. Der Kassationshof hob das Urteil auf und wies die Sache zur Bestrafung wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und des von ihr angerufenen Autors (ISCHER, ZStrR 60 102 ff.) setzt Art. 238 Abs. 2 StGB nicht voraus, dass der Täter eine konkrete Gemeingefahr geschaffen, d.h. eine Mehrzahl von Personen der nahen Möglichkeit ausgesetzt habe, getötet oder verletzt oder am Eigentum geschädigt zu werden. Die Bestimmung spricht nur deshalb von Leib und Leben "von Menschen" statt von Leib und Leben "eines Menschen", weil die Tat sich nicht gegen eine ganz bestimmte vom Täter ins Auge gefasste Person richtet, sondern irgendwer aus dem Kreise der Reisenden oder des Bahnpersonals durch sie gefährdet oder verletzt werden kann, es also lediglich vom Zufall abhängt, wer das konkret gefährdete oder verletzte Opfer ist. Die Gefährdung von Leib oder Leben ist übrigens nur der eine Fall. Zur Anwendung der Bestimmung genügt auch die erhebliche Gefährdung fremden Eigentums. Dass aber das Eigentum mehrerer Personen erheblich gefährdet werden müsse, lässt sich dem deutschen Text unmöglich entnehmen, und wenn der französische Wortlaut, auf den der erwähnte Autor sich beruft, von "propriété d'autrui" spricht, ist auch das darauf zurückzuführen, dass die Tat sich nicht im Angriff auf das Eigentum einer ganz bestimmten Person, z.B. der Bahngesellschaft, zu erschöpfen braucht, sondern das Eigentum irgendeiner am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Person treffen kann. Es fehlt denn auch jeder vernünftige Grund, der es hätte rechtfertigen können, Art. 238 Abs. 2 nicht anzuwenden, wenn z.B. nur das Eigentum der Bahngesellschaft konkret gefährdet worden ist, mag das in noch so grossem Ausmasse geschehen sein, wohl aber dann, wenn ausserdem Sachen einer zweiten Person, wenn auch nur solche von geringem Wert, mitgefährdet worden sind. Zu einem anderen Schlusse führt auch nicht die Stellung des Art. 238 im Titel über die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr, dem die Titel über die gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen (Art. 221 ff.) und über die Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit (Art. 231 ff.) vorausgehen. Gewiss schützen die Art. 237 ff. gleich wie die vorausgehenden beiden Titel die Allgemeinheit, nicht wie z.B. Art. 111 ff. den einzelnen. Diese Systematik des Gesetzes rechtfertigt sich aber schon, weil die Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr irgendwen in Gefahr bringen können, d.h. abstrakt eine allgemeine Gefahr in sich bergen. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass eine konkrete Gemeingefahr Tatbestandsmerkmal sei. Der Kassationshof hat denn auch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, eine konkrete Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal des im gleichen Titel stehenden Art. 237 anzuerkennen, obschon auch in dieser Bestimmung von Gefährdung von Leib und Leben "von Menschen", nicht "eines Menschen" die Rede ist (BGE 76 IV 124 und spätere nicht veröffentlichte Urteile). Der Beschwerdegegner hat Leib und Leben eines Menschen erheblich gefährdet; denn Toggweiler war der konkreten Gefahr ausgesetzt, getötet zu werden. Übrigens ist in erheblichem Umfange (vgl. BGE 72 IV 27, 69) auch fremdes Eigentum gefährdet, ja sogar verletzt worden.
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Art. 238 CP. Il reato contemplato da questo disposto non presuppone un pericolo collettivo concreto.
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80 IV 184
Sachverhalt ab Seite 184 A.- Armando Scarpellini führte in Zürich auf eigenen Namen eine Schuhmacherei, in der er gewöhnlich zehn bis elf Arbeitnehmer beschäftigte. Nachdem ihm eine Nachlassstundung bewilligt worden war, trat er am 1. August 1950 in den Dienst der Schuhfabrik Reiden AG in Reiden, unter Beibehaltung seines Betriebes in Zürich. Am 28. September 1951 wurde über Scarpellini der Konkurs eröffnet. Die AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich, an die Scarpellini gemäss einer ihm am 15. Februar 1949 mitgeteilten Verfügung innert zehn Tagen nach Ablauf jeden Abrechnungsmonats seine Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Beiträge seiner Arbeitnehmer abzuliefern hatte, kam mit Fr. 3500.70 zu Verlust. Sie zeigte hierauf Scarpellini und seinen Angestellten Fritz Scheyer wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 und 89 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) an. B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte am 12. Mai 1953 das Verfahren gegen Scheyer mangels Verschuldens ein. Sie führte aus, Scheyer habe wohl während eines gewissen Zeitraumes die Löhne im Betriebe ausbezahlt, sei aber für die Geschäftsführung nicht verantwortlich gewesen; Scarpellini habe zugegeben, dass er auch während der Zeit, da Scheyer in seiner Abwesenheit die Arbeit besorgte, für die Ablieferung der Beiträge verantwortlich gewesen sei. Gegen Scarpellini erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 AHVG mit dem Vorwurf, er habe zwischen dem 1. Januar 1950 und dem 15. September 1951 von den Löhnen der Arbeitnehmer Fr. 1582.75 als Beiträge abgezogen, jedoch davon nur Fr. 94.05 an die Ausgleichskasse abgeliefert. Bezirksgericht Zürich und Obergericht des Kantons Zürich, letzteres mit Urteil vom 21. Dezember 1953, sprachen Scarpellini frei. Zur Begründung führte das Obergericht im wesentlichen aus: Die eingeholten Rapporte hätten ergeben, dass der Angeklagte für die Ausgleichskasse Lohnabzüge von zusammen Fr. 794.86 vorgenommen, der Ausgleichskasse aber nur Fr. 94.05 abgeliefert habe. Die Staatsanwaltschaft habe in der Berufungsverhandlung den Deliktsbetrag auf Fr. 700.81 herabgesetzt. Die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 AHVG seien indessen nicht erfüllt. Wohl habe der Angeklagte durch die verschiedenen Buchungen erklärt, dass er die AHV-Abzüge vornehmen wolle. Dieser rein theoretische Abzug genüge aber nicht. Die erwähnte Bestimmung setze voraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerbeiträge tatsächlich zurückbehalte. Wo keine Mittel vorhanden seien, könne nichts seinem Zwecke entfremdet werden. Dass der Angeklagte, wenn er jeweilen wieder Abzahlungen auf seine Lohnschulden gemacht habe, über keine weiteren Mittel verfügt habe, dürfe ihm geglaubt werden. Nach den Aussagen seiner Angestellten sei er mit der Entrichtung der Löhne ständig im Rückstande gewesen. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass er über keine weiteren Geldmittel als die zur ratenweisen Zahlung der Nettogehälter erforderlichen verfügt habe. Da er seinen Arbeitern die Beiträge nur rechnerisch, nicht tatsächlich vom Lohne abgezogen und infolgedessen keine Mittel mehr besessen habe, die er hätte der Kasse abliefern oder dem Zwecke entfremden können, könne er gestützt auf Art. 87 Abs. 3 AHVG nicht schuldig erklärt werden. Er habe jedoch in anderer Weise gegen das Gesetz verstossen. Gemäss Art. 14 AHVG sei er verpflichtet gewesen, bei jeder Lohnzahlung, auch bei einer blossen Teilzahlung, den Arbeitnehmerbeitrag von 2% von dem im konkreten Falle ausbezahlten Betrage abzuziehen und abzuliefern. Er habe das nicht getan und habe somit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 AHVG sich der Beitragspflicht entzogen. Ob diese Bestimmung, wie der Verteidiger vorbringe, ein täuschendes, irreführendes oder betrugsähnliches Verhalten des Täters voraussetze, könne dahingestellt bleiben, da der Tatbestand des Art. 87 Abs. 2 in der Anklageschrift nicht geltend gemacht sei, diese Bestimmung somit nicht angewendet werden dürfe. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Urteil verletze Art. 87 AHVG. Beiträge, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern am Lohne abziehe, seien tatsächlich, nicht bloss rechnerisch abgezogen, und wenn der Arbeitgeber sie der Ausgleichskasse nicht abliefere, erfülle er den Tatbestand des dritten, nicht des zweiten Absatzes des Art. 87. D.- Scarpellini beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist strafbar, "wer als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Beiträge vom Lohn abzieht, sie indessen dem vorgesehenen Zwecke entfremdet". a) Abgezogen im Sinne dieser Bestimmung sind die Beiträge nur, wenn sie tatsächlich, nicht bloss rechnerisch, vom Lohn abgezogen werden. Tatsächlich abgezogen ist aber alles, was tatsächlich nicht ausbezahlt wird, und als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung abgezogen ist es, wenn der Rechtsgrund des Abzuges nach dem Willen des Arbeitgebers in der Beitragspflicht des Arbeitnehmers (Art. 5 Abs. 1, 14 Abs. 1 AHVG) liegt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Mittel nicht besitzt, die ihm erlauben würden, entweder den vollen Lohn auszuzahlen oder sofort die Arbeitnehmerbeiträge an die Ausgleichskasse abzuliefern. Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung verlangt nicht, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt, in dem er dem Arbeitnehmer den um 2% gekürzten Lohn auszahlt, Geld in der Höhe von 2% des Bruttolohnes in eine besondere Kasse lege, ihm dadurch die Zweckbestimmung als abzuliefernde Arbeitnehmerbeiträge verleihe und innerhalb der gesetzlichen Frist dieses Geld an die Ausgleichskasse leite. Es begnügt sich damit, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Lohn um 2% zu kürzen und gleichviel als Arbeitnehmerbeitrag an die Ausgleichskasse zu bezahlen. Aus welchen Mitteln er diese Schuld erfülle, ist unerheblich; seiner Pflicht nachgekommen ist er, wenn er sie rechtzeitig überhaupt erfüllt, und verletzt hat er sie, wenn er nicht oder zu spät leistet. Daher kann auch das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG objektiv nicht darin bestehen, dass der Arbeitgeber ganz bestimmte Mittel, insbesondere solche, die schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes vorhanden sein müssten, nicht abliefert, oder sogar erst darin, dass er sie für andere Zwecke verwendet (vgl.BGE 76 IV 178f.), ähnlich wie jemand, der anvertrautes Gut veruntreut, sondern nur darin, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewöhnliche Geldschuld nicht tilgt. Fehlen ihm im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes die Mittel, um die Schuld gegenüber der Ausgleichskasse zu erfüllen, so wird deswegen der Abzug, den er am Lohne macht, nicht zu einem bloss rechnerischen. Ein solcher liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf der ihm übergebenen Abrechnung (Zahltagstäschchen und dgl.) und allenfalls auch in den Geschäftsbüchern zwar 2% als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung belastet, ihm aber den Lohn trotzdem zu 100% auszahlt. b) Auch das weitere Tatbestandsmerkmal, wonach der Arbeitgeber die Beiträge des Arbeitnehmers "dem vorgesehenen Zwecke entfremdet" haben müsse ("détournées de leur destination"), setzt nicht voraus, dass der Täter die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes besitze. Durch diese Wendung werden nicht ganz bestimmte dem Arbeitgeber gehörende Geldmittel zum Gegenstand des Vergehens erklärt, so dass dieses nur an ihnen, ähnlich wie die Veruntreuung im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur an einer ganz bestimmten Sache, begangen werden könnte. Die Wendung beruht auf einer rein wirtschaftlichen Betrachtung. Dem vorgesehenen Zwecke entfremdet sind die Beiträge des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber nicht dafür sorgt, dass die finanzielle Einbusse, die der Arbeitnehmer infolge des Abzuges an seinem Lohne erleidet, sich bestimmungsgemäss zugunsten des Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung auswirkt. Mit welchen Mitteln der Arbeitgeber seine Schuld erfülle, um das vom Gesetz verlangte wirtschaftliche Ergebnis herbeizuführen, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 87 Abs. 3 AHVG unerheblich. c) InBGE 76 IV 179ist offen gelassen worden, ob das Vergehen objektiv schon vollendet sei, wenn der Arbeitgeber, der gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG die Beiträge periodisch, und zwar in der Regel monatlich (Art. 34 Abs. 1 lit. a VollzVo. zum AHVG), zu entrichten hat, nicht binnen der in Art. 34 Abs. 3 VollzVo. zum AHVG vorgesehenen Frist von zehn Tagen seit Ablauf der Periode zahlt, oder erst, wenn er auch die Nachfrist, die die Ausgleichskasse ihm gemäss Art. 37 VollzVo. durch eine schriftliche Mahnung anzusetzen hat, unbenützt verstreichen lässt. Die Frage ist dahin zu entscheiden, dass die ordnungsgemässe Durchführung des Mahnverfahrens Voraussetzung der Bestrafung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass das Mahnverfahren, das schon in Art. 14 Abs. 4 AHVG vorgesehen ist und in der Vollzugsverordnung nur näher umschrieben wird, bloss Voraussetzung für die Einleitung der Betreibung oder (wenn der Arbeitgeber auch die für die Abrechnung nötigen Angaben unterlassen hat) für den Erlass einer Veranlagungsverfügung sei, dass der Arbeitgeber dagegen auch ohne vorherige Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen sich strafbar mache. Die Strafverfolgung ist die schärfere Massnahme als die Veranlagung von Amtes wegen und die Zwangsvollstreckung und kann daher nicht an mildere Voraussetzungen geknüpft sein. Es wäre auch nicht zu verstehen, wenn die Vergehensstrafe nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ohne Mahnung des Säumigen ausgesprochen werden könnte, während Verhängung einer Ordnungsbusse wegen Verletzung von Ordnungs- und Kontrollvorschriften, z.B. wegen Unterlassung der für die Abrechnung nötigen Angaben, gemäss Art. 91 AHVG und Art. 205 VollzVo. eine Mahnung, die Ansetzung einer Nachfrist und die Androhung der Folgen der Nichtbeachtung voraussetzt. Dass es Fälle gibt, in denen die Säumnis erst nach Jahren entdeckt wird, ändert nichts. Liegt die Ursache in unwahren oder unvollständigen Angaben des Arbeitgebers, so hat er sich nach Art. 87 Abs. 2 AHVG strafbar gemacht, ohne dass es einer Mahnung bedürfte. Hat dagegen das jahrelange Unterbleiben der Zahlung eine andere Ursache, so ist es nicht unbillig, wenn dem Arbeitgeber auch in diesen Fällen durch Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen Gelegenheit gegeben wird, das Versäumte nachzuholen, ehe er vor dem Strafrichter sich zu verantworten hat. Auch die Fälle von Konkurs geben zu keiner anderen Auslegung Anlass. Hat der Arbeitgeber vor der Konkurseröffnung eine Nachfrist im Sinne des Art. 37 VollzVo. unbenützt verstreichen lassen, so ist er, subjektiver Tatbestand vorausgesetzt, trotz des Konkurses zu bestrafen. Ist dagegen vor der Eröffnung des Konkurses die Nachfrist nicht angesetzt worden oder nicht abgelaufen, so kann er nicht bestraft werden, weil er mit der Konkurseröffnung das Recht der Verfügung über sein Vermögen verliert, also nicht schuldhaft handelt, wenn er die Ausgleichskasse nicht befriedigt; diese hat ihre Forderung im Konkurse einzugeben und geniesst dafür ein Vorrecht in der zweiten Klasse (Art. 219 SchKG). d) Strafbar ist der Arbeitgeber nur, wenn er das Vergehen vorsätzlich verübt, d.h. "die Tat mit Wissen und Willen ausführt" (Art. 18 Abs. 1 und 2, 333 Abs. 1 StGB). Die "Tat" besteht in einer Unterlassung: Nichterfüllung der Schuld gegenüber der Ausgleichskasse. Bewusst begeht der Täter sie, wenn er seine Schuldpflicht kennt, insbesondere, wenn er weiss, dass er oder sein Personal den Arbeitnehmern 2% als Beitrag am Lohne abgezogen und nicht an die Ausgleichskasse abgeliefert haben, und wenn er trotzdem bewusst nicht dafür sorgt, dass bezahlt wird. Gewollt verübt er die Tat, wenn er die Zahlung aus freiem Willen unterlässt, insbesondere, wenn er die Mittel zur Zahlung besitzt, aber trotzdem gewollt nicht bezahlt, aber auch dann, wenn er durch ein gewolltes Tun oder Unterlassen bewirkt, dass er im Zeitpunkt, in dem er zahlen sollte, die nötigen Mittel nicht besitzt. Eventualvorsatz genügt. Er liegt dann vor, wenn dem Täter die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale als möglich vorschwebt und er mit ihr einverstanden ist. Auf dieses Einverständnis hat der Richter schon zu schliessen, wenn sich dem Täter der Erfolg seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nicht anders denn als Billigung dieses Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 69 IV 78,BGE 74 IV 83,BGE 75 IV 5,BGE 79 IV 34). Der Arbeitgeber, der in Kenntnis seiner Schuldpflicht bewusst und gewollt nicht dafür sorgt, dass er die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld spätestens am letzten Tage der Mahnfrist beisammen hat, obschon ihm dies möglich wäre, ist daher auch dann strafbar, wenn er das Unvermögen auf Ende der Mahnfrist bloss als möglich vorausgesehen, es aber gebilligt hat. Dabei ist auf Billigung schon zu schliessen, wenn sich ihm das Unvermögen als Folge seines Verhaltens gebieterisch aufgedrängt hat. 2. a) Entgegen der Auffassung des Obergerichts und des Beschwerdegegners sind den Arbeitnehmern des letzteren Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung nicht bloss rechnerisch, sondern tatsächlich abgezogen worden; denn wie das Obergericht verbindlich feststellt und der Beschwerdegegner übrigens nicht bestreitet, sind ihnen zwischen dem 1. Januar 1950 und 15. September 1951 an Lohn insgesamt Fr. 794.86 wegen ihrer Beitragspflicht tatsächlich vorenthalten, nicht unter Auszahlung des vollen Lohnes bloss rechnerisch belastet worden. b) Anderseits hat der Beschwerdegegner der Ausgleichskasse an Arbeitnehmerbeiträgen nur Fr. 94.05 bezahlt. Schuldig geblieben ist er Fr. 700.81. c) Nicht festgestellt ist dagegen, ob die Ausgleichskasse ihn gemahnt und ihm Nachfrist angesetzt hat, sei es vor dem 1. Januar 1951 im Sinne der alten Fassung des Art. 37 VollzVo. zum AHVG, sei es seither gemäss der neuen Fassung (vgl. den rückwirkenden Bundesratsbeschluss vom 20. April 1951 betreffend Abänderung der Vollzugsverordnung zum AHVG). Wenn ja, ist der objektive Tatbestand des Art. 87 Abs. 3 AHVG erfüllt. d) In subjektiver Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner bis zum 31. Juli 1950 seinen Betrieb selber geleitet und zu den Lohnabzügen Anlass gegeben hat, sich also seiner Schuldpflicht gegenüber der Ausgleichskasse bewusst gewesen ist. Der Wille aber, sie nicht zu erfüllen, ist durch die Feststellung, dass ihm jeweilen nach Auszahlung der um die Beiträge gekürzten Löhne keine Mittel geblieben seien, um die Ausgleichskasse zu befriedigen, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner war nicht berechtigt, seine Einnahmen ausschliesslich zur Auszahlung von Löhnen und allenfalls zur Tilgung anderer Schulden zu verwenden und die Forderung der Ausgleichskasse unbefriedigt zu lassen. Hatte er bei einer Lohnauszahlung nicht genügend Mittel, um sofort auch die entsprechenden abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge abzuliefern, so hatte er die zu diesem Zwecke nötigen Mittel aus den Einnahmen der nächsten Tage bereitzustellen und zwecks Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse unangetastet zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, andere Schulden, insbesondere die weiter auflaufenden Löhne, nicht voll bezahlen zu können. Indem er das nicht tat, setzte er sich bewusst und gewollt ausserstande, seiner Verpflichtung gegenüber der Ausgleichskasse nachzukommen, beging er also das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG vorsätzlich. Jedenfalls drängte sich ihm bei seiner ständigen gespannten finanziellen Lage gebieterisch auf, dass er die Ausgleichskasse nicht werde befriedigen können, wenn er seine Mittel ausschliesslich zur Bezahlung von Löhnen und allenfalls anderen Schulden verwende; zum mindesten liegt daher Eventualvorsatz vor. Diese Erwägungen gelten auch für die Zeit vom 1. August 1950 bis 15. September 1951, wenn der Beschwerdegegner auch während dieser Zeit die Geschäfte seines Betriebes selber besorgte oder überwachte. Dem stünde nicht im Wege, wenn er während dieser Zeit die Löhne durch Scheyer hätte auszahlen lassen. Sollte er dagegen die ganze Geschäftsführung Scheyer übertragen haben, so wäre abzuklären, ob er der Meinung war, Scheyer befriedige auch die Ausgleichskasse, und ob ihm daher der Vorsatz, seine Schuld nicht oder nicht rechtzeitig zu erfüllen, fehlte. Das Obergericht wird zu diesen Fragen Stellung zu nehmen haben. Im Gegensatz zu der Bezirksanwaltschaft hat es noch nicht dazu sich ausgesprochen, wer ab 1. August 1950 die kaufmännischen Geschäfte im Betriebe des Beschwerdegegners führte. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 1953 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 87 Abs. 3 AHVG. a) Wann hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Beiträge an die AHV am Lohne abgezogen? (Erw. 1a). b) Wann sind die Beiträge dem vorgesehenen Zwecke entfremdet? (Erw. 1b). c) Bestrafung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG setzt die ordnungsgemässe Durchführung des Mahnverfahrens (Art. 14 Abs. 4 AHVG, Art. 37 VollzVo. zum AHVG) voraus (Erw. 1c). d) Vorsatz, Eventualvorsatz (Erw. 1 d, 2 d).
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80 IV 184
Sachverhalt ab Seite 184 A.- Armando Scarpellini führte in Zürich auf eigenen Namen eine Schuhmacherei, in der er gewöhnlich zehn bis elf Arbeitnehmer beschäftigte. Nachdem ihm eine Nachlassstundung bewilligt worden war, trat er am 1. August 1950 in den Dienst der Schuhfabrik Reiden AG in Reiden, unter Beibehaltung seines Betriebes in Zürich. Am 28. September 1951 wurde über Scarpellini der Konkurs eröffnet. Die AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich, an die Scarpellini gemäss einer ihm am 15. Februar 1949 mitgeteilten Verfügung innert zehn Tagen nach Ablauf jeden Abrechnungsmonats seine Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Beiträge seiner Arbeitnehmer abzuliefern hatte, kam mit Fr. 3500.70 zu Verlust. Sie zeigte hierauf Scarpellini und seinen Angestellten Fritz Scheyer wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 und 89 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) an. B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte am 12. Mai 1953 das Verfahren gegen Scheyer mangels Verschuldens ein. Sie führte aus, Scheyer habe wohl während eines gewissen Zeitraumes die Löhne im Betriebe ausbezahlt, sei aber für die Geschäftsführung nicht verantwortlich gewesen; Scarpellini habe zugegeben, dass er auch während der Zeit, da Scheyer in seiner Abwesenheit die Arbeit besorgte, für die Ablieferung der Beiträge verantwortlich gewesen sei. Gegen Scarpellini erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 AHVG mit dem Vorwurf, er habe zwischen dem 1. Januar 1950 und dem 15. September 1951 von den Löhnen der Arbeitnehmer Fr. 1582.75 als Beiträge abgezogen, jedoch davon nur Fr. 94.05 an die Ausgleichskasse abgeliefert. Bezirksgericht Zürich und Obergericht des Kantons Zürich, letzteres mit Urteil vom 21. Dezember 1953, sprachen Scarpellini frei. Zur Begründung führte das Obergericht im wesentlichen aus: Die eingeholten Rapporte hätten ergeben, dass der Angeklagte für die Ausgleichskasse Lohnabzüge von zusammen Fr. 794.86 vorgenommen, der Ausgleichskasse aber nur Fr. 94.05 abgeliefert habe. Die Staatsanwaltschaft habe in der Berufungsverhandlung den Deliktsbetrag auf Fr. 700.81 herabgesetzt. Die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 AHVG seien indessen nicht erfüllt. Wohl habe der Angeklagte durch die verschiedenen Buchungen erklärt, dass er die AHV-Abzüge vornehmen wolle. Dieser rein theoretische Abzug genüge aber nicht. Die erwähnte Bestimmung setze voraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerbeiträge tatsächlich zurückbehalte. Wo keine Mittel vorhanden seien, könne nichts seinem Zwecke entfremdet werden. Dass der Angeklagte, wenn er jeweilen wieder Abzahlungen auf seine Lohnschulden gemacht habe, über keine weiteren Mittel verfügt habe, dürfe ihm geglaubt werden. Nach den Aussagen seiner Angestellten sei er mit der Entrichtung der Löhne ständig im Rückstande gewesen. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass er über keine weiteren Geldmittel als die zur ratenweisen Zahlung der Nettogehälter erforderlichen verfügt habe. Da er seinen Arbeitern die Beiträge nur rechnerisch, nicht tatsächlich vom Lohne abgezogen und infolgedessen keine Mittel mehr besessen habe, die er hätte der Kasse abliefern oder dem Zwecke entfremden können, könne er gestützt auf Art. 87 Abs. 3 AHVG nicht schuldig erklärt werden. Er habe jedoch in anderer Weise gegen das Gesetz verstossen. Gemäss Art. 14 AHVG sei er verpflichtet gewesen, bei jeder Lohnzahlung, auch bei einer blossen Teilzahlung, den Arbeitnehmerbeitrag von 2% von dem im konkreten Falle ausbezahlten Betrage abzuziehen und abzuliefern. Er habe das nicht getan und habe somit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 AHVG sich der Beitragspflicht entzogen. Ob diese Bestimmung, wie der Verteidiger vorbringe, ein täuschendes, irreführendes oder betrugsähnliches Verhalten des Täters voraussetze, könne dahingestellt bleiben, da der Tatbestand des Art. 87 Abs. 2 in der Anklageschrift nicht geltend gemacht sei, diese Bestimmung somit nicht angewendet werden dürfe. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Urteil verletze Art. 87 AHVG. Beiträge, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern am Lohne abziehe, seien tatsächlich, nicht bloss rechnerisch abgezogen, und wenn der Arbeitgeber sie der Ausgleichskasse nicht abliefere, erfülle er den Tatbestand des dritten, nicht des zweiten Absatzes des Art. 87. D.- Scarpellini beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist strafbar, "wer als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Beiträge vom Lohn abzieht, sie indessen dem vorgesehenen Zwecke entfremdet". a) Abgezogen im Sinne dieser Bestimmung sind die Beiträge nur, wenn sie tatsächlich, nicht bloss rechnerisch, vom Lohn abgezogen werden. Tatsächlich abgezogen ist aber alles, was tatsächlich nicht ausbezahlt wird, und als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung abgezogen ist es, wenn der Rechtsgrund des Abzuges nach dem Willen des Arbeitgebers in der Beitragspflicht des Arbeitnehmers (Art. 5 Abs. 1, 14 Abs. 1 AHVG) liegt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Mittel nicht besitzt, die ihm erlauben würden, entweder den vollen Lohn auszuzahlen oder sofort die Arbeitnehmerbeiträge an die Ausgleichskasse abzuliefern. Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung verlangt nicht, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt, in dem er dem Arbeitnehmer den um 2% gekürzten Lohn auszahlt, Geld in der Höhe von 2% des Bruttolohnes in eine besondere Kasse lege, ihm dadurch die Zweckbestimmung als abzuliefernde Arbeitnehmerbeiträge verleihe und innerhalb der gesetzlichen Frist dieses Geld an die Ausgleichskasse leite. Es begnügt sich damit, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Lohn um 2% zu kürzen und gleichviel als Arbeitnehmerbeitrag an die Ausgleichskasse zu bezahlen. Aus welchen Mitteln er diese Schuld erfülle, ist unerheblich; seiner Pflicht nachgekommen ist er, wenn er sie rechtzeitig überhaupt erfüllt, und verletzt hat er sie, wenn er nicht oder zu spät leistet. Daher kann auch das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG objektiv nicht darin bestehen, dass der Arbeitgeber ganz bestimmte Mittel, insbesondere solche, die schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes vorhanden sein müssten, nicht abliefert, oder sogar erst darin, dass er sie für andere Zwecke verwendet (vgl.BGE 76 IV 178f.), ähnlich wie jemand, der anvertrautes Gut veruntreut, sondern nur darin, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewöhnliche Geldschuld nicht tilgt. Fehlen ihm im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes die Mittel, um die Schuld gegenüber der Ausgleichskasse zu erfüllen, so wird deswegen der Abzug, den er am Lohne macht, nicht zu einem bloss rechnerischen. Ein solcher liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf der ihm übergebenen Abrechnung (Zahltagstäschchen und dgl.) und allenfalls auch in den Geschäftsbüchern zwar 2% als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung belastet, ihm aber den Lohn trotzdem zu 100% auszahlt. b) Auch das weitere Tatbestandsmerkmal, wonach der Arbeitgeber die Beiträge des Arbeitnehmers "dem vorgesehenen Zwecke entfremdet" haben müsse ("détournées de leur destination"), setzt nicht voraus, dass der Täter die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes besitze. Durch diese Wendung werden nicht ganz bestimmte dem Arbeitgeber gehörende Geldmittel zum Gegenstand des Vergehens erklärt, so dass dieses nur an ihnen, ähnlich wie die Veruntreuung im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur an einer ganz bestimmten Sache, begangen werden könnte. Die Wendung beruht auf einer rein wirtschaftlichen Betrachtung. Dem vorgesehenen Zwecke entfremdet sind die Beiträge des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber nicht dafür sorgt, dass die finanzielle Einbusse, die der Arbeitnehmer infolge des Abzuges an seinem Lohne erleidet, sich bestimmungsgemäss zugunsten des Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung auswirkt. Mit welchen Mitteln der Arbeitgeber seine Schuld erfülle, um das vom Gesetz verlangte wirtschaftliche Ergebnis herbeizuführen, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 87 Abs. 3 AHVG unerheblich. c) InBGE 76 IV 179ist offen gelassen worden, ob das Vergehen objektiv schon vollendet sei, wenn der Arbeitgeber, der gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG die Beiträge periodisch, und zwar in der Regel monatlich (Art. 34 Abs. 1 lit. a VollzVo. zum AHVG), zu entrichten hat, nicht binnen der in Art. 34 Abs. 3 VollzVo. zum AHVG vorgesehenen Frist von zehn Tagen seit Ablauf der Periode zahlt, oder erst, wenn er auch die Nachfrist, die die Ausgleichskasse ihm gemäss Art. 37 VollzVo. durch eine schriftliche Mahnung anzusetzen hat, unbenützt verstreichen lässt. Die Frage ist dahin zu entscheiden, dass die ordnungsgemässe Durchführung des Mahnverfahrens Voraussetzung der Bestrafung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass das Mahnverfahren, das schon in Art. 14 Abs. 4 AHVG vorgesehen ist und in der Vollzugsverordnung nur näher umschrieben wird, bloss Voraussetzung für die Einleitung der Betreibung oder (wenn der Arbeitgeber auch die für die Abrechnung nötigen Angaben unterlassen hat) für den Erlass einer Veranlagungsverfügung sei, dass der Arbeitgeber dagegen auch ohne vorherige Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen sich strafbar mache. Die Strafverfolgung ist die schärfere Massnahme als die Veranlagung von Amtes wegen und die Zwangsvollstreckung und kann daher nicht an mildere Voraussetzungen geknüpft sein. Es wäre auch nicht zu verstehen, wenn die Vergehensstrafe nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ohne Mahnung des Säumigen ausgesprochen werden könnte, während Verhängung einer Ordnungsbusse wegen Verletzung von Ordnungs- und Kontrollvorschriften, z.B. wegen Unterlassung der für die Abrechnung nötigen Angaben, gemäss Art. 91 AHVG und Art. 205 VollzVo. eine Mahnung, die Ansetzung einer Nachfrist und die Androhung der Folgen der Nichtbeachtung voraussetzt. Dass es Fälle gibt, in denen die Säumnis erst nach Jahren entdeckt wird, ändert nichts. Liegt die Ursache in unwahren oder unvollständigen Angaben des Arbeitgebers, so hat er sich nach Art. 87 Abs. 2 AHVG strafbar gemacht, ohne dass es einer Mahnung bedürfte. Hat dagegen das jahrelange Unterbleiben der Zahlung eine andere Ursache, so ist es nicht unbillig, wenn dem Arbeitgeber auch in diesen Fällen durch Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen Gelegenheit gegeben wird, das Versäumte nachzuholen, ehe er vor dem Strafrichter sich zu verantworten hat. Auch die Fälle von Konkurs geben zu keiner anderen Auslegung Anlass. Hat der Arbeitgeber vor der Konkurseröffnung eine Nachfrist im Sinne des Art. 37 VollzVo. unbenützt verstreichen lassen, so ist er, subjektiver Tatbestand vorausgesetzt, trotz des Konkurses zu bestrafen. Ist dagegen vor der Eröffnung des Konkurses die Nachfrist nicht angesetzt worden oder nicht abgelaufen, so kann er nicht bestraft werden, weil er mit der Konkurseröffnung das Recht der Verfügung über sein Vermögen verliert, also nicht schuldhaft handelt, wenn er die Ausgleichskasse nicht befriedigt; diese hat ihre Forderung im Konkurse einzugeben und geniesst dafür ein Vorrecht in der zweiten Klasse (Art. 219 SchKG). d) Strafbar ist der Arbeitgeber nur, wenn er das Vergehen vorsätzlich verübt, d.h. "die Tat mit Wissen und Willen ausführt" (Art. 18 Abs. 1 und 2, 333 Abs. 1 StGB). Die "Tat" besteht in einer Unterlassung: Nichterfüllung der Schuld gegenüber der Ausgleichskasse. Bewusst begeht der Täter sie, wenn er seine Schuldpflicht kennt, insbesondere, wenn er weiss, dass er oder sein Personal den Arbeitnehmern 2% als Beitrag am Lohne abgezogen und nicht an die Ausgleichskasse abgeliefert haben, und wenn er trotzdem bewusst nicht dafür sorgt, dass bezahlt wird. Gewollt verübt er die Tat, wenn er die Zahlung aus freiem Willen unterlässt, insbesondere, wenn er die Mittel zur Zahlung besitzt, aber trotzdem gewollt nicht bezahlt, aber auch dann, wenn er durch ein gewolltes Tun oder Unterlassen bewirkt, dass er im Zeitpunkt, in dem er zahlen sollte, die nötigen Mittel nicht besitzt. Eventualvorsatz genügt. Er liegt dann vor, wenn dem Täter die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale als möglich vorschwebt und er mit ihr einverstanden ist. Auf dieses Einverständnis hat der Richter schon zu schliessen, wenn sich dem Täter der Erfolg seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nicht anders denn als Billigung dieses Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 69 IV 78,BGE 74 IV 83,BGE 75 IV 5,BGE 79 IV 34). Der Arbeitgeber, der in Kenntnis seiner Schuldpflicht bewusst und gewollt nicht dafür sorgt, dass er die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld spätestens am letzten Tage der Mahnfrist beisammen hat, obschon ihm dies möglich wäre, ist daher auch dann strafbar, wenn er das Unvermögen auf Ende der Mahnfrist bloss als möglich vorausgesehen, es aber gebilligt hat. Dabei ist auf Billigung schon zu schliessen, wenn sich ihm das Unvermögen als Folge seines Verhaltens gebieterisch aufgedrängt hat. 2. a) Entgegen der Auffassung des Obergerichts und des Beschwerdegegners sind den Arbeitnehmern des letzteren Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung nicht bloss rechnerisch, sondern tatsächlich abgezogen worden; denn wie das Obergericht verbindlich feststellt und der Beschwerdegegner übrigens nicht bestreitet, sind ihnen zwischen dem 1. Januar 1950 und 15. September 1951 an Lohn insgesamt Fr. 794.86 wegen ihrer Beitragspflicht tatsächlich vorenthalten, nicht unter Auszahlung des vollen Lohnes bloss rechnerisch belastet worden. b) Anderseits hat der Beschwerdegegner der Ausgleichskasse an Arbeitnehmerbeiträgen nur Fr. 94.05 bezahlt. Schuldig geblieben ist er Fr. 700.81. c) Nicht festgestellt ist dagegen, ob die Ausgleichskasse ihn gemahnt und ihm Nachfrist angesetzt hat, sei es vor dem 1. Januar 1951 im Sinne der alten Fassung des Art. 37 VollzVo. zum AHVG, sei es seither gemäss der neuen Fassung (vgl. den rückwirkenden Bundesratsbeschluss vom 20. April 1951 betreffend Abänderung der Vollzugsverordnung zum AHVG). Wenn ja, ist der objektive Tatbestand des Art. 87 Abs. 3 AHVG erfüllt. d) In subjektiver Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner bis zum 31. Juli 1950 seinen Betrieb selber geleitet und zu den Lohnabzügen Anlass gegeben hat, sich also seiner Schuldpflicht gegenüber der Ausgleichskasse bewusst gewesen ist. Der Wille aber, sie nicht zu erfüllen, ist durch die Feststellung, dass ihm jeweilen nach Auszahlung der um die Beiträge gekürzten Löhne keine Mittel geblieben seien, um die Ausgleichskasse zu befriedigen, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner war nicht berechtigt, seine Einnahmen ausschliesslich zur Auszahlung von Löhnen und allenfalls zur Tilgung anderer Schulden zu verwenden und die Forderung der Ausgleichskasse unbefriedigt zu lassen. Hatte er bei einer Lohnauszahlung nicht genügend Mittel, um sofort auch die entsprechenden abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge abzuliefern, so hatte er die zu diesem Zwecke nötigen Mittel aus den Einnahmen der nächsten Tage bereitzustellen und zwecks Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse unangetastet zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, andere Schulden, insbesondere die weiter auflaufenden Löhne, nicht voll bezahlen zu können. Indem er das nicht tat, setzte er sich bewusst und gewollt ausserstande, seiner Verpflichtung gegenüber der Ausgleichskasse nachzukommen, beging er also das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG vorsätzlich. Jedenfalls drängte sich ihm bei seiner ständigen gespannten finanziellen Lage gebieterisch auf, dass er die Ausgleichskasse nicht werde befriedigen können, wenn er seine Mittel ausschliesslich zur Bezahlung von Löhnen und allenfalls anderen Schulden verwende; zum mindesten liegt daher Eventualvorsatz vor. Diese Erwägungen gelten auch für die Zeit vom 1. August 1950 bis 15. September 1951, wenn der Beschwerdegegner auch während dieser Zeit die Geschäfte seines Betriebes selber besorgte oder überwachte. Dem stünde nicht im Wege, wenn er während dieser Zeit die Löhne durch Scheyer hätte auszahlen lassen. Sollte er dagegen die ganze Geschäftsführung Scheyer übertragen haben, so wäre abzuklären, ob er der Meinung war, Scheyer befriedige auch die Ausgleichskasse, und ob ihm daher der Vorsatz, seine Schuld nicht oder nicht rechtzeitig zu erfüllen, fehlte. Das Obergericht wird zu diesen Fragen Stellung zu nehmen haben. Im Gegensatz zu der Bezirksanwaltschaft hat es noch nicht dazu sich ausgesprochen, wer ab 1. August 1950 die kaufmännischen Geschäfte im Betriebe des Beschwerdegegners führte. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 1953 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 87 al. 3 LAVS. a) Quand l'employeur a-t-il déduit du salaire de l'employé les cotisations à l'AVS? (condid. 1a). b) Quand les cotisations sont-elles détournées de l'affectation prévue? (consid. 1b). c) Pour qu'une peine puisse être appliquée conformément à l'art. 87 al. 3 LAVS, il faut tout d'abord que la procédure de sommation ait été régulièrement suivie (art. 14 al. 4 LAVS, art. 34 RAVS) (consid. 1c). d) Intention, dol éventuel (consid. 1 d, 2 d).
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Sachverhalt ab Seite 184 A.- Armando Scarpellini führte in Zürich auf eigenen Namen eine Schuhmacherei, in der er gewöhnlich zehn bis elf Arbeitnehmer beschäftigte. Nachdem ihm eine Nachlassstundung bewilligt worden war, trat er am 1. August 1950 in den Dienst der Schuhfabrik Reiden AG in Reiden, unter Beibehaltung seines Betriebes in Zürich. Am 28. September 1951 wurde über Scarpellini der Konkurs eröffnet. Die AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich, an die Scarpellini gemäss einer ihm am 15. Februar 1949 mitgeteilten Verfügung innert zehn Tagen nach Ablauf jeden Abrechnungsmonats seine Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Beiträge seiner Arbeitnehmer abzuliefern hatte, kam mit Fr. 3500.70 zu Verlust. Sie zeigte hierauf Scarpellini und seinen Angestellten Fritz Scheyer wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 und 89 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) an. B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte am 12. Mai 1953 das Verfahren gegen Scheyer mangels Verschuldens ein. Sie führte aus, Scheyer habe wohl während eines gewissen Zeitraumes die Löhne im Betriebe ausbezahlt, sei aber für die Geschäftsführung nicht verantwortlich gewesen; Scarpellini habe zugegeben, dass er auch während der Zeit, da Scheyer in seiner Abwesenheit die Arbeit besorgte, für die Ablieferung der Beiträge verantwortlich gewesen sei. Gegen Scarpellini erhob die Bezirksanwaltschaft Anklage wegen Widerhandlung gegen Art. 87 Abs. 3 AHVG mit dem Vorwurf, er habe zwischen dem 1. Januar 1950 und dem 15. September 1951 von den Löhnen der Arbeitnehmer Fr. 1582.75 als Beiträge abgezogen, jedoch davon nur Fr. 94.05 an die Ausgleichskasse abgeliefert. Bezirksgericht Zürich und Obergericht des Kantons Zürich, letzteres mit Urteil vom 21. Dezember 1953, sprachen Scarpellini frei. Zur Begründung führte das Obergericht im wesentlichen aus: Die eingeholten Rapporte hätten ergeben, dass der Angeklagte für die Ausgleichskasse Lohnabzüge von zusammen Fr. 794.86 vorgenommen, der Ausgleichskasse aber nur Fr. 94.05 abgeliefert habe. Die Staatsanwaltschaft habe in der Berufungsverhandlung den Deliktsbetrag auf Fr. 700.81 herabgesetzt. Die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 AHVG seien indessen nicht erfüllt. Wohl habe der Angeklagte durch die verschiedenen Buchungen erklärt, dass er die AHV-Abzüge vornehmen wolle. Dieser rein theoretische Abzug genüge aber nicht. Die erwähnte Bestimmung setze voraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerbeiträge tatsächlich zurückbehalte. Wo keine Mittel vorhanden seien, könne nichts seinem Zwecke entfremdet werden. Dass der Angeklagte, wenn er jeweilen wieder Abzahlungen auf seine Lohnschulden gemacht habe, über keine weiteren Mittel verfügt habe, dürfe ihm geglaubt werden. Nach den Aussagen seiner Angestellten sei er mit der Entrichtung der Löhne ständig im Rückstande gewesen. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass er über keine weiteren Geldmittel als die zur ratenweisen Zahlung der Nettogehälter erforderlichen verfügt habe. Da er seinen Arbeitern die Beiträge nur rechnerisch, nicht tatsächlich vom Lohne abgezogen und infolgedessen keine Mittel mehr besessen habe, die er hätte der Kasse abliefern oder dem Zwecke entfremden können, könne er gestützt auf Art. 87 Abs. 3 AHVG nicht schuldig erklärt werden. Er habe jedoch in anderer Weise gegen das Gesetz verstossen. Gemäss Art. 14 AHVG sei er verpflichtet gewesen, bei jeder Lohnzahlung, auch bei einer blossen Teilzahlung, den Arbeitnehmerbeitrag von 2% von dem im konkreten Falle ausbezahlten Betrage abzuziehen und abzuliefern. Er habe das nicht getan und habe somit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 AHVG sich der Beitragspflicht entzogen. Ob diese Bestimmung, wie der Verteidiger vorbringe, ein täuschendes, irreführendes oder betrugsähnliches Verhalten des Täters voraussetze, könne dahingestellt bleiben, da der Tatbestand des Art. 87 Abs. 2 in der Anklageschrift nicht geltend gemacht sei, diese Bestimmung somit nicht angewendet werden dürfe. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Urteil verletze Art. 87 AHVG. Beiträge, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern am Lohne abziehe, seien tatsächlich, nicht bloss rechnerisch abgezogen, und wenn der Arbeitgeber sie der Ausgleichskasse nicht abliefere, erfülle er den Tatbestand des dritten, nicht des zweiten Absatzes des Art. 87. D.- Scarpellini beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist strafbar, "wer als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Beiträge vom Lohn abzieht, sie indessen dem vorgesehenen Zwecke entfremdet". a) Abgezogen im Sinne dieser Bestimmung sind die Beiträge nur, wenn sie tatsächlich, nicht bloss rechnerisch, vom Lohn abgezogen werden. Tatsächlich abgezogen ist aber alles, was tatsächlich nicht ausbezahlt wird, und als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung abgezogen ist es, wenn der Rechtsgrund des Abzuges nach dem Willen des Arbeitgebers in der Beitragspflicht des Arbeitnehmers (Art. 5 Abs. 1, 14 Abs. 1 AHVG) liegt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Mittel nicht besitzt, die ihm erlauben würden, entweder den vollen Lohn auszuzahlen oder sofort die Arbeitnehmerbeiträge an die Ausgleichskasse abzuliefern. Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung verlangt nicht, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt, in dem er dem Arbeitnehmer den um 2% gekürzten Lohn auszahlt, Geld in der Höhe von 2% des Bruttolohnes in eine besondere Kasse lege, ihm dadurch die Zweckbestimmung als abzuliefernde Arbeitnehmerbeiträge verleihe und innerhalb der gesetzlichen Frist dieses Geld an die Ausgleichskasse leite. Es begnügt sich damit, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Lohn um 2% zu kürzen und gleichviel als Arbeitnehmerbeitrag an die Ausgleichskasse zu bezahlen. Aus welchen Mitteln er diese Schuld erfülle, ist unerheblich; seiner Pflicht nachgekommen ist er, wenn er sie rechtzeitig überhaupt erfüllt, und verletzt hat er sie, wenn er nicht oder zu spät leistet. Daher kann auch das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG objektiv nicht darin bestehen, dass der Arbeitgeber ganz bestimmte Mittel, insbesondere solche, die schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes vorhanden sein müssten, nicht abliefert, oder sogar erst darin, dass er sie für andere Zwecke verwendet (vgl.BGE 76 IV 178f.), ähnlich wie jemand, der anvertrautes Gut veruntreut, sondern nur darin, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewöhnliche Geldschuld nicht tilgt. Fehlen ihm im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes die Mittel, um die Schuld gegenüber der Ausgleichskasse zu erfüllen, so wird deswegen der Abzug, den er am Lohne macht, nicht zu einem bloss rechnerischen. Ein solcher liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf der ihm übergebenen Abrechnung (Zahltagstäschchen und dgl.) und allenfalls auch in den Geschäftsbüchern zwar 2% als Beitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung belastet, ihm aber den Lohn trotzdem zu 100% auszahlt. b) Auch das weitere Tatbestandsmerkmal, wonach der Arbeitgeber die Beiträge des Arbeitnehmers "dem vorgesehenen Zwecke entfremdet" haben müsse ("détournées de leur destination"), setzt nicht voraus, dass der Täter die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse schon im Zeitpunkt der Auszahlung des gekürzten Lohnes besitze. Durch diese Wendung werden nicht ganz bestimmte dem Arbeitgeber gehörende Geldmittel zum Gegenstand des Vergehens erklärt, so dass dieses nur an ihnen, ähnlich wie die Veruntreuung im Falle des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur an einer ganz bestimmten Sache, begangen werden könnte. Die Wendung beruht auf einer rein wirtschaftlichen Betrachtung. Dem vorgesehenen Zwecke entfremdet sind die Beiträge des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber nicht dafür sorgt, dass die finanzielle Einbusse, die der Arbeitnehmer infolge des Abzuges an seinem Lohne erleidet, sich bestimmungsgemäss zugunsten des Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung auswirkt. Mit welchen Mitteln der Arbeitgeber seine Schuld erfülle, um das vom Gesetz verlangte wirtschaftliche Ergebnis herbeizuführen, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 87 Abs. 3 AHVG unerheblich. c) InBGE 76 IV 179ist offen gelassen worden, ob das Vergehen objektiv schon vollendet sei, wenn der Arbeitgeber, der gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG die Beiträge periodisch, und zwar in der Regel monatlich (Art. 34 Abs. 1 lit. a VollzVo. zum AHVG), zu entrichten hat, nicht binnen der in Art. 34 Abs. 3 VollzVo. zum AHVG vorgesehenen Frist von zehn Tagen seit Ablauf der Periode zahlt, oder erst, wenn er auch die Nachfrist, die die Ausgleichskasse ihm gemäss Art. 37 VollzVo. durch eine schriftliche Mahnung anzusetzen hat, unbenützt verstreichen lässt. Die Frage ist dahin zu entscheiden, dass die ordnungsgemässe Durchführung des Mahnverfahrens Voraussetzung der Bestrafung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ist. Es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, dass das Mahnverfahren, das schon in Art. 14 Abs. 4 AHVG vorgesehen ist und in der Vollzugsverordnung nur näher umschrieben wird, bloss Voraussetzung für die Einleitung der Betreibung oder (wenn der Arbeitgeber auch die für die Abrechnung nötigen Angaben unterlassen hat) für den Erlass einer Veranlagungsverfügung sei, dass der Arbeitgeber dagegen auch ohne vorherige Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen sich strafbar mache. Die Strafverfolgung ist die schärfere Massnahme als die Veranlagung von Amtes wegen und die Zwangsvollstreckung und kann daher nicht an mildere Voraussetzungen geknüpft sein. Es wäre auch nicht zu verstehen, wenn die Vergehensstrafe nach Art. 87 Abs. 3 AHVG ohne Mahnung des Säumigen ausgesprochen werden könnte, während Verhängung einer Ordnungsbusse wegen Verletzung von Ordnungs- und Kontrollvorschriften, z.B. wegen Unterlassung der für die Abrechnung nötigen Angaben, gemäss Art. 91 AHVG und Art. 205 VollzVo. eine Mahnung, die Ansetzung einer Nachfrist und die Androhung der Folgen der Nichtbeachtung voraussetzt. Dass es Fälle gibt, in denen die Säumnis erst nach Jahren entdeckt wird, ändert nichts. Liegt die Ursache in unwahren oder unvollständigen Angaben des Arbeitgebers, so hat er sich nach Art. 87 Abs. 2 AHVG strafbar gemacht, ohne dass es einer Mahnung bedürfte. Hat dagegen das jahrelange Unterbleiben der Zahlung eine andere Ursache, so ist es nicht unbillig, wenn dem Arbeitgeber auch in diesen Fällen durch Mahnung und Ansetzung einer Nachfrist von zehn bis zwanzig Tagen Gelegenheit gegeben wird, das Versäumte nachzuholen, ehe er vor dem Strafrichter sich zu verantworten hat. Auch die Fälle von Konkurs geben zu keiner anderen Auslegung Anlass. Hat der Arbeitgeber vor der Konkurseröffnung eine Nachfrist im Sinne des Art. 37 VollzVo. unbenützt verstreichen lassen, so ist er, subjektiver Tatbestand vorausgesetzt, trotz des Konkurses zu bestrafen. Ist dagegen vor der Eröffnung des Konkurses die Nachfrist nicht angesetzt worden oder nicht abgelaufen, so kann er nicht bestraft werden, weil er mit der Konkurseröffnung das Recht der Verfügung über sein Vermögen verliert, also nicht schuldhaft handelt, wenn er die Ausgleichskasse nicht befriedigt; diese hat ihre Forderung im Konkurse einzugeben und geniesst dafür ein Vorrecht in der zweiten Klasse (Art. 219 SchKG). d) Strafbar ist der Arbeitgeber nur, wenn er das Vergehen vorsätzlich verübt, d.h. "die Tat mit Wissen und Willen ausführt" (Art. 18 Abs. 1 und 2, 333 Abs. 1 StGB). Die "Tat" besteht in einer Unterlassung: Nichterfüllung der Schuld gegenüber der Ausgleichskasse. Bewusst begeht der Täter sie, wenn er seine Schuldpflicht kennt, insbesondere, wenn er weiss, dass er oder sein Personal den Arbeitnehmern 2% als Beitrag am Lohne abgezogen und nicht an die Ausgleichskasse abgeliefert haben, und wenn er trotzdem bewusst nicht dafür sorgt, dass bezahlt wird. Gewollt verübt er die Tat, wenn er die Zahlung aus freiem Willen unterlässt, insbesondere, wenn er die Mittel zur Zahlung besitzt, aber trotzdem gewollt nicht bezahlt, aber auch dann, wenn er durch ein gewolltes Tun oder Unterlassen bewirkt, dass er im Zeitpunkt, in dem er zahlen sollte, die nötigen Mittel nicht besitzt. Eventualvorsatz genügt. Er liegt dann vor, wenn dem Täter die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale als möglich vorschwebt und er mit ihr einverstanden ist. Auf dieses Einverständnis hat der Richter schon zu schliessen, wenn sich dem Täter der Erfolg seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nicht anders denn als Billigung dieses Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 69 IV 78,BGE 74 IV 83,BGE 75 IV 5,BGE 79 IV 34). Der Arbeitgeber, der in Kenntnis seiner Schuldpflicht bewusst und gewollt nicht dafür sorgt, dass er die Mittel zur Erfüllung seiner Schuld spätestens am letzten Tage der Mahnfrist beisammen hat, obschon ihm dies möglich wäre, ist daher auch dann strafbar, wenn er das Unvermögen auf Ende der Mahnfrist bloss als möglich vorausgesehen, es aber gebilligt hat. Dabei ist auf Billigung schon zu schliessen, wenn sich ihm das Unvermögen als Folge seines Verhaltens gebieterisch aufgedrängt hat. 2. a) Entgegen der Auffassung des Obergerichts und des Beschwerdegegners sind den Arbeitnehmern des letzteren Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung nicht bloss rechnerisch, sondern tatsächlich abgezogen worden; denn wie das Obergericht verbindlich feststellt und der Beschwerdegegner übrigens nicht bestreitet, sind ihnen zwischen dem 1. Januar 1950 und 15. September 1951 an Lohn insgesamt Fr. 794.86 wegen ihrer Beitragspflicht tatsächlich vorenthalten, nicht unter Auszahlung des vollen Lohnes bloss rechnerisch belastet worden. b) Anderseits hat der Beschwerdegegner der Ausgleichskasse an Arbeitnehmerbeiträgen nur Fr. 94.05 bezahlt. Schuldig geblieben ist er Fr. 700.81. c) Nicht festgestellt ist dagegen, ob die Ausgleichskasse ihn gemahnt und ihm Nachfrist angesetzt hat, sei es vor dem 1. Januar 1951 im Sinne der alten Fassung des Art. 37 VollzVo. zum AHVG, sei es seither gemäss der neuen Fassung (vgl. den rückwirkenden Bundesratsbeschluss vom 20. April 1951 betreffend Abänderung der Vollzugsverordnung zum AHVG). Wenn ja, ist der objektive Tatbestand des Art. 87 Abs. 3 AHVG erfüllt. d) In subjektiver Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner bis zum 31. Juli 1950 seinen Betrieb selber geleitet und zu den Lohnabzügen Anlass gegeben hat, sich also seiner Schuldpflicht gegenüber der Ausgleichskasse bewusst gewesen ist. Der Wille aber, sie nicht zu erfüllen, ist durch die Feststellung, dass ihm jeweilen nach Auszahlung der um die Beiträge gekürzten Löhne keine Mittel geblieben seien, um die Ausgleichskasse zu befriedigen, nicht widerlegt. Der Beschwerdegegner war nicht berechtigt, seine Einnahmen ausschliesslich zur Auszahlung von Löhnen und allenfalls zur Tilgung anderer Schulden zu verwenden und die Forderung der Ausgleichskasse unbefriedigt zu lassen. Hatte er bei einer Lohnauszahlung nicht genügend Mittel, um sofort auch die entsprechenden abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge abzuliefern, so hatte er die zu diesem Zwecke nötigen Mittel aus den Einnahmen der nächsten Tage bereitzustellen und zwecks Erfüllung seiner Schuld gegenüber der Ausgleichskasse unangetastet zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, andere Schulden, insbesondere die weiter auflaufenden Löhne, nicht voll bezahlen zu können. Indem er das nicht tat, setzte er sich bewusst und gewollt ausserstande, seiner Verpflichtung gegenüber der Ausgleichskasse nachzukommen, beging er also das Vergehen des Art. 87 Abs. 3 AHVG vorsätzlich. Jedenfalls drängte sich ihm bei seiner ständigen gespannten finanziellen Lage gebieterisch auf, dass er die Ausgleichskasse nicht werde befriedigen können, wenn er seine Mittel ausschliesslich zur Bezahlung von Löhnen und allenfalls anderen Schulden verwende; zum mindesten liegt daher Eventualvorsatz vor. Diese Erwägungen gelten auch für die Zeit vom 1. August 1950 bis 15. September 1951, wenn der Beschwerdegegner auch während dieser Zeit die Geschäfte seines Betriebes selber besorgte oder überwachte. Dem stünde nicht im Wege, wenn er während dieser Zeit die Löhne durch Scheyer hätte auszahlen lassen. Sollte er dagegen die ganze Geschäftsführung Scheyer übertragen haben, so wäre abzuklären, ob er der Meinung war, Scheyer befriedige auch die Ausgleichskasse, und ob ihm daher der Vorsatz, seine Schuld nicht oder nicht rechtzeitig zu erfüllen, fehlte. Das Obergericht wird zu diesen Fragen Stellung zu nehmen haben. Im Gegensatz zu der Bezirksanwaltschaft hat es noch nicht dazu sich ausgesprochen, wer ab 1. August 1950 die kaufmännischen Geschäfte im Betriebe des Beschwerdegegners führte. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 1953 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Art. 87 cp. 3 LAVS. a) Quando il datore di lavoro ha dedotto le quote AVS dal salario d'un impiegato o d'un operaio (consid. 1a)? b) Quando le quote sono sottratte allo scopo cui sono destinate? (consid. 1b). c) Prima che una pena possa essere inflitta a norma dell'art. 87 cp. 3 LAVS, occorre che la procedura di diffida sia stata seguita regolarmente (art. 14 cp. 4 LAVS, art. 37 OAVS) (consid. 1c). d) Intenzione, dolo eventuale (consid. 1 d, 2 d).
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Erwägungen ab Seite 194 Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer hat die Tat in einem privaten Schutzwald begangen. Kahlschlag (Art. 27 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 5 FPolG) wird ihm nicht vorgeworfen. Wenn er sich nach eidgenössischem Recht strafbar gemacht hat, kann es daher nur nach Art. 29 FPolG (in Verbindung mit Art. 46 Ziff. 7) geschehen sein. Die Auffassung des Kleinen Rates, auf Abholzungen gemäss Art. 29 könne Art. 46 Ziff. 7 FPolG überhaupt nicht angewendet werden, weil erstere Bestimmung nur eine Weisung an die Kantone enthalte, hält nicht stand. Gewiss ist Art. 29 in Form einer Weisung an die Kantone abgefasst, indem er sie "verpflichtet, zur Erhaltung der privaten Schutzwaldungen und zur Sicherung ihres Zweckes jeweilen das Nötige anzuordnen" (Satz 1), und indem er ihnen gebietet, "insbesondere darüber zu wachen, dass in Schutzwaldungen ohne Bewilligung seitens der zuständigen kantonalen Behörde keine Kahlschläge in Hochwaldungen und keine erheblichen Holznutzungen zum Verkaufe oder für ein eigenes industrielles Gewerbe, zu dessen Betrieb hauptsächlich Holz verwendet wird, vorgenommen werden" (Satz 2). Das schliesst aber nicht aus, dass die Übertretung eines zur Ausführung dieser Bestimmung erlassenen kantonalen Verbotes Strafe nach eidgenössischem Recht zur Folge habe, ähnlich wie die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz (JVG) anwendbar sind auf Handlungen, deren Widerrechtlichkeit von Normen abhängt, welche die Kantone entsprechend der ihnen in Art. 1 JVG erteilten Weisung erlassen, z.B. von kantonalen Normen über die Jagdberechtigung (Art. 1 Abs. 2), die Jagdzeit (Art. 7), das Jagdgebiet (Art. 7 letzter Abs.). Fragen könnte sich daher lediglich, ob Art. 46 Ziff. 7 FPolG Strafe auch auf jene Abholzungen androht, die das kantonale Recht in Ausführung des Art. 29 FPolG verbietet, oder bloss auf die durch Art. 18 Abs. 5, 27, 30 Abs. 2 FPolG unmittelbar verbotenen Kahlschläge und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Holznutzungen in öffentlichen und privaten Schutzwäldern und nichtgeschützten privaten Hochwäldern. Da Art. 46 Ziff. 7 ohne Einschränkung von "verbotenen Abholzungen" spricht, ist jedoch nicht zu bezweifeln, dass darunter auch alle Abholzungen fallen, die den kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 FPolG (unmittelbar oder kraft der Verweisung des Art. 49 Abs. 2) zuwiderlaufen. Wäre das nicht der Wille des Gesetzes, so hätte auf die Art. 18 Abs. 5, 27 und 30 Abs. 2 verwiesen oder statt von Abholzungen von Kahlschlägen und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Nutzungen gesprochen werden müssen. Schon Art. 27 Ziff. 6 des BG vom 24. März 1876 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge drohte auf alle "gesetzwidrigen Abholzungen in sämtlichen der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Waldungen" Busse an, obschon Art. 18 gleichzeitig bestimmte, die Regelung der Holznutzungen in den Privatwäldern sei innerhalb der Schranken dieses Gesetzes Sache der Kantone. Daran wollte durch die Revision des Gesetzes im Jahre 1902 nichts geändert werden (BBl 1898 III 558). Dass die bundesrechtliche Strafnorm auch die durch kantonale Ausführungsvorschriften verbotenen Abholzungen erfassen wollte, erhellt deutlich daraus, dass sie im Entwurfe des Bundesrates zum neuen Gesetze in der gleichen Ziffer und im gleichen Satze enthalten war wie die Strafbestimmung gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen" (Art. 32 Ziff. 5 des Entwurfes; BBl 1898 III 569). Die Trennung wurde in der Bundesversammlung auf Antrag der Kommission des Ständerates beschlossen mit einer Begründung, aus der hervorgeht, dass am sachlichen Geltungsbereich der Bestimmung (damals Art. 44 Ziff. 6) nichts geändert werden wollte (StenBull 1901 578, 623). Es ist denn auch nicht zu ersehen, was den Bundesgesetzgeber hätte bewegen können, eine Strafbestimmung zwar gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen (Art. 29)" (Art. 46 Ziff. 6 FPolG), aber nicht auch gegen die ebenfalls in kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 umschriebenen verbotenen Abholzungen zu erlassen. Auch im Vollmachtenbeschluss des Bundesrates vom 23. Februar 1917 (aufgehoben am 22. Januar 1924), der in Erweiterung des Art. 30 FPolG eine dem Art. 29 entsprechende Bestimmung für private Nichtschutzwaldungen erliess und die von den Kantonen in Ausführung des Art. 29 erlassenen Vorschriften auf diese Waldungen anwendbar erklärte, wurden die Übertretungen dieser Ausführungsvorschriften (und des Bundesratsbeschlusses) der Strafandrohung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG unterstellt (AS 1917 87).
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Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 BG betr. die eidg. Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 ist auch auf Abholzungen anzuwenden, die das kantonale Recht in Ausführung der in Art. 29 dieses Gesetzes enthaltenen Weisungen verbietet.
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Erwägungen ab Seite 194 Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer hat die Tat in einem privaten Schutzwald begangen. Kahlschlag (Art. 27 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 5 FPolG) wird ihm nicht vorgeworfen. Wenn er sich nach eidgenössischem Recht strafbar gemacht hat, kann es daher nur nach Art. 29 FPolG (in Verbindung mit Art. 46 Ziff. 7) geschehen sein. Die Auffassung des Kleinen Rates, auf Abholzungen gemäss Art. 29 könne Art. 46 Ziff. 7 FPolG überhaupt nicht angewendet werden, weil erstere Bestimmung nur eine Weisung an die Kantone enthalte, hält nicht stand. Gewiss ist Art. 29 in Form einer Weisung an die Kantone abgefasst, indem er sie "verpflichtet, zur Erhaltung der privaten Schutzwaldungen und zur Sicherung ihres Zweckes jeweilen das Nötige anzuordnen" (Satz 1), und indem er ihnen gebietet, "insbesondere darüber zu wachen, dass in Schutzwaldungen ohne Bewilligung seitens der zuständigen kantonalen Behörde keine Kahlschläge in Hochwaldungen und keine erheblichen Holznutzungen zum Verkaufe oder für ein eigenes industrielles Gewerbe, zu dessen Betrieb hauptsächlich Holz verwendet wird, vorgenommen werden" (Satz 2). Das schliesst aber nicht aus, dass die Übertretung eines zur Ausführung dieser Bestimmung erlassenen kantonalen Verbotes Strafe nach eidgenössischem Recht zur Folge habe, ähnlich wie die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz (JVG) anwendbar sind auf Handlungen, deren Widerrechtlichkeit von Normen abhängt, welche die Kantone entsprechend der ihnen in Art. 1 JVG erteilten Weisung erlassen, z.B. von kantonalen Normen über die Jagdberechtigung (Art. 1 Abs. 2), die Jagdzeit (Art. 7), das Jagdgebiet (Art. 7 letzter Abs.). Fragen könnte sich daher lediglich, ob Art. 46 Ziff. 7 FPolG Strafe auch auf jene Abholzungen androht, die das kantonale Recht in Ausführung des Art. 29 FPolG verbietet, oder bloss auf die durch Art. 18 Abs. 5, 27, 30 Abs. 2 FPolG unmittelbar verbotenen Kahlschläge und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Holznutzungen in öffentlichen und privaten Schutzwäldern und nichtgeschützten privaten Hochwäldern. Da Art. 46 Ziff. 7 ohne Einschränkung von "verbotenen Abholzungen" spricht, ist jedoch nicht zu bezweifeln, dass darunter auch alle Abholzungen fallen, die den kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 FPolG (unmittelbar oder kraft der Verweisung des Art. 49 Abs. 2) zuwiderlaufen. Wäre das nicht der Wille des Gesetzes, so hätte auf die Art. 18 Abs. 5, 27 und 30 Abs. 2 verwiesen oder statt von Abholzungen von Kahlschlägen und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Nutzungen gesprochen werden müssen. Schon Art. 27 Ziff. 6 des BG vom 24. März 1876 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge drohte auf alle "gesetzwidrigen Abholzungen in sämtlichen der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Waldungen" Busse an, obschon Art. 18 gleichzeitig bestimmte, die Regelung der Holznutzungen in den Privatwäldern sei innerhalb der Schranken dieses Gesetzes Sache der Kantone. Daran wollte durch die Revision des Gesetzes im Jahre 1902 nichts geändert werden (BBl 1898 III 558). Dass die bundesrechtliche Strafnorm auch die durch kantonale Ausführungsvorschriften verbotenen Abholzungen erfassen wollte, erhellt deutlich daraus, dass sie im Entwurfe des Bundesrates zum neuen Gesetze in der gleichen Ziffer und im gleichen Satze enthalten war wie die Strafbestimmung gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen" (Art. 32 Ziff. 5 des Entwurfes; BBl 1898 III 569). Die Trennung wurde in der Bundesversammlung auf Antrag der Kommission des Ständerates beschlossen mit einer Begründung, aus der hervorgeht, dass am sachlichen Geltungsbereich der Bestimmung (damals Art. 44 Ziff. 6) nichts geändert werden wollte (StenBull 1901 578, 623). Es ist denn auch nicht zu ersehen, was den Bundesgesetzgeber hätte bewegen können, eine Strafbestimmung zwar gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen (Art. 29)" (Art. 46 Ziff. 6 FPolG), aber nicht auch gegen die ebenfalls in kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 umschriebenen verbotenen Abholzungen zu erlassen. Auch im Vollmachtenbeschluss des Bundesrates vom 23. Februar 1917 (aufgehoben am 22. Januar 1924), der in Erweiterung des Art. 30 FPolG eine dem Art. 29 entsprechende Bestimmung für private Nichtschutzwaldungen erliess und die von den Kantonen in Ausführung des Art. 29 erlassenen Vorschriften auf diese Waldungen anwendbar erklärte, wurden die Übertretungen dieser Ausführungsvorschriften (und des Bundesratsbeschlusses) der Strafandrohung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG unterstellt (AS 1917 87).
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Art. 46 al. 1 ch. 7 de la loi fédérale du 11 octobre 1902 concernant la haute surveilllance de la Confédération sur la police des forêts. Cette disposition légale est aussi applicable aux coupes que le droit cantonal interdit par application de l'art. 29.
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Erwägungen ab Seite 194 Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer hat die Tat in einem privaten Schutzwald begangen. Kahlschlag (Art. 27 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 5 FPolG) wird ihm nicht vorgeworfen. Wenn er sich nach eidgenössischem Recht strafbar gemacht hat, kann es daher nur nach Art. 29 FPolG (in Verbindung mit Art. 46 Ziff. 7) geschehen sein. Die Auffassung des Kleinen Rates, auf Abholzungen gemäss Art. 29 könne Art. 46 Ziff. 7 FPolG überhaupt nicht angewendet werden, weil erstere Bestimmung nur eine Weisung an die Kantone enthalte, hält nicht stand. Gewiss ist Art. 29 in Form einer Weisung an die Kantone abgefasst, indem er sie "verpflichtet, zur Erhaltung der privaten Schutzwaldungen und zur Sicherung ihres Zweckes jeweilen das Nötige anzuordnen" (Satz 1), und indem er ihnen gebietet, "insbesondere darüber zu wachen, dass in Schutzwaldungen ohne Bewilligung seitens der zuständigen kantonalen Behörde keine Kahlschläge in Hochwaldungen und keine erheblichen Holznutzungen zum Verkaufe oder für ein eigenes industrielles Gewerbe, zu dessen Betrieb hauptsächlich Holz verwendet wird, vorgenommen werden" (Satz 2). Das schliesst aber nicht aus, dass die Übertretung eines zur Ausführung dieser Bestimmung erlassenen kantonalen Verbotes Strafe nach eidgenössischem Recht zur Folge habe, ähnlich wie die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz (JVG) anwendbar sind auf Handlungen, deren Widerrechtlichkeit von Normen abhängt, welche die Kantone entsprechend der ihnen in Art. 1 JVG erteilten Weisung erlassen, z.B. von kantonalen Normen über die Jagdberechtigung (Art. 1 Abs. 2), die Jagdzeit (Art. 7), das Jagdgebiet (Art. 7 letzter Abs.). Fragen könnte sich daher lediglich, ob Art. 46 Ziff. 7 FPolG Strafe auch auf jene Abholzungen androht, die das kantonale Recht in Ausführung des Art. 29 FPolG verbietet, oder bloss auf die durch Art. 18 Abs. 5, 27, 30 Abs. 2 FPolG unmittelbar verbotenen Kahlschläge und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Holznutzungen in öffentlichen und privaten Schutzwäldern und nichtgeschützten privaten Hochwäldern. Da Art. 46 Ziff. 7 ohne Einschränkung von "verbotenen Abholzungen" spricht, ist jedoch nicht zu bezweifeln, dass darunter auch alle Abholzungen fallen, die den kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 FPolG (unmittelbar oder kraft der Verweisung des Art. 49 Abs. 2) zuwiderlaufen. Wäre das nicht der Wille des Gesetzes, so hätte auf die Art. 18 Abs. 5, 27 und 30 Abs. 2 verwiesen oder statt von Abholzungen von Kahlschlägen und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Nutzungen gesprochen werden müssen. Schon Art. 27 Ziff. 6 des BG vom 24. März 1876 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge drohte auf alle "gesetzwidrigen Abholzungen in sämtlichen der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Waldungen" Busse an, obschon Art. 18 gleichzeitig bestimmte, die Regelung der Holznutzungen in den Privatwäldern sei innerhalb der Schranken dieses Gesetzes Sache der Kantone. Daran wollte durch die Revision des Gesetzes im Jahre 1902 nichts geändert werden (BBl 1898 III 558). Dass die bundesrechtliche Strafnorm auch die durch kantonale Ausführungsvorschriften verbotenen Abholzungen erfassen wollte, erhellt deutlich daraus, dass sie im Entwurfe des Bundesrates zum neuen Gesetze in der gleichen Ziffer und im gleichen Satze enthalten war wie die Strafbestimmung gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen" (Art. 32 Ziff. 5 des Entwurfes; BBl 1898 III 569). Die Trennung wurde in der Bundesversammlung auf Antrag der Kommission des Ständerates beschlossen mit einer Begründung, aus der hervorgeht, dass am sachlichen Geltungsbereich der Bestimmung (damals Art. 44 Ziff. 6) nichts geändert werden wollte (StenBull 1901 578, 623). Es ist denn auch nicht zu ersehen, was den Bundesgesetzgeber hätte bewegen können, eine Strafbestimmung zwar gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen (Art. 29)" (Art. 46 Ziff. 6 FPolG), aber nicht auch gegen die ebenfalls in kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 umschriebenen verbotenen Abholzungen zu erlassen. Auch im Vollmachtenbeschluss des Bundesrates vom 23. Februar 1917 (aufgehoben am 22. Januar 1924), der in Erweiterung des Art. 30 FPolG eine dem Art. 29 entsprechende Bestimmung für private Nichtschutzwaldungen erliess und die von den Kantonen in Ausführung des Art. 29 erlassenen Vorschriften auf diese Waldungen anwendbar erklärte, wurden die Übertretungen dieser Ausführungsvorschriften (und des Bundesratsbeschlusses) der Strafandrohung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG unterstellt (AS 1917 87).
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Art. 46 cp. 1 cifra 7 LF dell'11 ottobre 1902 concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste. Questo disposto è applicabile anche ai tagli che il diritto cantonale vieta in esecuzione delle prescrizioni dell'art. 29.
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80 IV 196
Sachverhalt ab Seite 197 A.- Walter Bär führte am 1. Dezember 1952 um 06.52 Uhr bei leichtem Regen und Dunkelheit auf der Strasse Menziken-Aarau einen Personenwagen von Süden (Menziken) her durch das Ortsinnere von Reinach. Als er in einer leichten Linksbiegung sich der von Nordosten spitzwinklig einmündenden Bahnhofstrasse näherte, die sich vor dem Zusammentreffen mit der Aarauerstrasse gegen Menziken hin stark ausweitet, bemerkte er den auf der Bahnhofstrasse kommenden neunundsechzigjährigen Radfahrer Rudolf Haller, der, in der Einmündung stark links fahrend, bestrebt war, Richtung Menziken in die Aarauerstrasse einzubiegen. Obschon Bär den Radfahrer früh genug sah, um ihm unter Verzögerung der Fahrt den Vortritt lassen zu können, setzte er die Geschwindigkeit des Motorwagens, die 40-45 km/Std. erreichte, nicht herab. Er fuhr gegen links, in der Absicht, vor dem Radfahrer durchzukommen. Haller, noch immer im Einmündungstrichter der Bahnhofstrasse, schwenkte jedoch nach rechts, um vor dem Auto hindurch die Aarauerstrasse zu überqueren. Als Bär das sah, bremste er kräftig. Dennoch stiess er auf der linken Seite der Aarauerstrasse mit Haller zusammen und verletzte ihn so schwer, dass er am 12. Dezember 1952 starb. B.- Am 5. März 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau Bär der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn unter Ansetzung einer zweijährigen Probezeit zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 120.--. Es warf ihm vor, er habe die ihn nach Art. 27, 26 Abs. 1 und 25 Abs. 1 MFG treffenden Pflichten verletzt. C.- Bär führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, die Stelle, an der Haller nach rechts geschwenkt sei, um sein Vortrittsrecht auszuüben, könne nicht zur Strasseneinmündung gerechnet werden; denn die sich aus der Abrundung der aufeinandertreffenden Strassenränder ergebende trichterartige Ausweitung der Strasse gehöre nicht zur Einmündung. Die Stelle, von der aus der Radfahrer den Vortritt habe ausüben wollen, liege am äussersten Ende der Ausweitung und müsse daher bereits zum Gebiete der Aarauerstrasse gezählt werden. Sie sei zudem 20 m von der Stelle entfernt, an der Haller nach Gesetz den Vortritt hätte nehmen sollen. Wo er die Aarauerstrasse überquerte, habe er kein Vortrittsrecht mehr gehabt. Er habe sich bereits auf dieser Strasse fortbewegt gehabt, als er sich zur Überquerung angeschickt habe. Nichts habe vorher darauf schliessen lassen, dass er sich auf die rechte Strassenseite begeben wolle. Das Linksausweichen des Beschwerdeführers sei die den Umständen angepasste Reaktion gewesen. Durch dieses Vorgehen habe der Beschwerdeführer einen Unfall verhüten wollen. Um dem Radfahrer genügend Platz zum Kreuzen zu lassen, sei er immer weiter nach links gefahren. Er habe nicht voraussehen können, dass Haller plötzlich nach rechts in seine Fahrbahn abbiegen werde. Man könne dem Beschwerdeführer auch keinen Vorwurf daraus machen, dass er nicht gebremst habe. Er habe angesichts der Lage nicht mit der Gefahr eines Zusammenstosses rechnen müssen, da der Radfahrer durch das Erscheinen des Motorwagens, den er auf grössere Entfernung gesehen haben müsse, nicht habe überrascht werden können. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 MFG, der auch für Radfahrer gilt (Art. 30 MFG), hatte Haller, weil er von rechts kam, das Vortrittsrecht. Der Beschwerdeführer will das nicht gelten lassen, weil Haller die Biegung kurz genommen habe und schon auf der Aarauerstrasse gefahren sei, als er durch Abbiegen nach rechts sich angeschickt habe, diese vor dem Personenwagen hindurch zu überqueren. Diese Auffassung widerspricht dem verbindlich festgestellten Sachverhalt. Das Obergericht geht davon aus, dass die Feststellungen des Bezirksgerichts zutreffen. Dieses aber hat den von Haller eingeschlagenen Weg in einer bei den Akten liegenden Planskizze festgehalten. Aus ihr ergibt sich, dass der Radfahrer, wenn auch erheblich links in der trichterförmigen Ausweitung der Bahnhofstrasse, so doch deutlich vor Erreichung der Fahrbahn der Aarauerstrasse, wie sie aus der Verlängerung ihrer Randlinie über die Einmündung hinaus zu erkennen ist, die Schwenkung nach rechts vollzogen hat. Es liegt daher objektiv nicht ein Fall begonnenen Linksausweichens zweier auf der gleichen Strasse sich bewegender Fahrzeuge vor, sondern ein Fall gleichzeitigen Eintreffens an einer Strasseneinmündung. Dass Haller, wenn er entsprechend der Vorschrift des Art. 26 MFG rechts gefahren wäre, die Fahrbahn des Beschwerdeführers weiter nördlich überquert hätte, ändert nichts. Art. 27 Abs. 1 MFG schreibt dem Führer vor, "bei" Strassengabelungen und -kreuzungen dem von rechts Kommenden den Vortritt zu lassen, beschränkt also objektiv das Vortrittsrecht des letztern nicht auf bestimmte Stellen des Einmündungsgebietes. Zu diesem gehört entgegen BGE 66 I 122 die ganze Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus ihrer trichterförmigen Ausweitung ergibt; denn auf dieser Fläche können von der einen wie von der anderen Strasse aus gleichzeitig Fahrzeuge eintreffen. Es entstände eine erhebliche Unsicherheit darüber, wer vortrittsberechtigt sei, wenn trotz gleichzeitigen Eintreffens zweier Fahrzeuge das Vortrittsrecht davon abhinge, ob das eine etwas mehr rechts oder etwas mehr links fährt. Wer sich der Einmündung nähert, kann oft auch gar nicht schon von weitem erkennen, ob der andere in der Einmündung korrekt rechts fahren wird. Vollends verwirrlich wäre die Lage, wenn, wie im vorliegenden Falle, nicht nur das eine, sondern auch das andere Fahrzeug zu stark links fährt. Es ist nicht zu ersehen, aus welchem Grunde der eine Führer unter Berufung auf die unkorrekte Fahrweise des andern von Art. 27 MFG sollte abweichen dürfen obschon er selber auch unrichtig gefahren ist. Unfälle können am ehesten vermieden werden, wenn jeder der gleichzeitig an der Einmündung oder Kreuzung Eintreffenden sich streng an diese Bestimmung hält, auch wenn der andere zu stark links fährt oder irgend einen anderen Fehler begeht. Das Gebot des Rechtsfahrens (Art. 26 Abs. 1 und 2 MFG) wurde denn auch bloss erlassen, um zu verhüten, dass Fahrzeuge einander gefährden, deren Wege in entgegengesetzter oder gleicher Richtung verlaufen, also parallel liegen; das ist nicht eine Regel für das gegenseitige Verhalten von Fahrzeugen, deren Wege an einer Kreuzung oder Einmündung notwendigerweise sich überschneiden oder vereinigen. Obschon Haller die Biegung zu eng genommen hat, bleibt es somit dabei, dass objektiv der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht des Radfahrers missachtet hat. 2. Vom objektiven Verstoss gegen Art. 27 MFG ist die Frage zu unterscheiden, ob er vom Täter verschuldet sei. Unter diesem Gesichtspunkt ist denkbar, dass vorschriftswidriges Linksfahren des Vortrittsberechtigten den andern entlaste, nämlich wenn dieser die unrichtige Fahrweise des Vortrittsberechtigten nicht voraussehen konnte und nur dadurch zur Verletzung des Vortrittsrechts bestimmt wurde. So wird an unübersichtlichen Kreuzungen oder Einmündungen in der Regel jeder sich soweit hinter dem die Sicht beeinträchtigenden Objekt hervorwagen dürfen, als es ohne Gefährdung eines korrekt rechts fahrenden Vortrittsberechtigten möglich ist. Zugunsten des Beschwerdeführers lässt sich jedoch daraus nichts ableiten. Der Beschwerdeführer hat den Radfahrer von weitem gesehen und erkennen können, dass er die Biegung eng nahm. Er konnte deshalb rechtzeitig voraussehen, dass die Wege der beiden Fahrzeuge sich weiter südlich schneiden würden, als es bei vorschriftsgemässer Fahrweise Hallers der Fall gewesen wäre. Er behauptet denn auch nicht, dass er dem Radfahrer den Vortritt nicht hätte lassen können, wenn er, der Beschwerdeführer verlangsamt hätte und rechts geblieben wäre, als er den andern erblickte. Statt das zu tun, ist der Beschwerdeführer durch Linksfahren und Beibehalten der Geschwindigkeit darauf ausgegangen, einen ihm nicht zustehenden Vortritt zu erzwingen. Das war disziplinlos. Der Beschwerdeführer durfte nicht voraussetzen, dass der Radfahrer auf das Vortrittsrecht verzichten werde. Auch der Umstand, dass Haller plötzlich rechts schwenkte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Schon bevor es zu dieser Schwenkung kam, hätte der Beschwerdeführer die Fahrt verlangsamen sollen, um dem Radfahrer den Vortritt zu lassen. Dann hätte die Schwenkung, wenn sie überhaupt stattgefunden hätte, nicht zu einem Zusammenstoss geführt. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
de
Art. 27 MFG. Der Vortritt steht dem Berechtigten auf der ganzen Schnittfläche der sich kreuzenden oder vereinigenden Strassen zu. Bedeutung des vorschriftswidrigen Linksfahrens des Vortrittsberechtigten für den subjektiven Tatbestand der Nichtbelassung des Vortrittes.
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Sachverhalt ab Seite 197 A.- Walter Bär führte am 1. Dezember 1952 um 06.52 Uhr bei leichtem Regen und Dunkelheit auf der Strasse Menziken-Aarau einen Personenwagen von Süden (Menziken) her durch das Ortsinnere von Reinach. Als er in einer leichten Linksbiegung sich der von Nordosten spitzwinklig einmündenden Bahnhofstrasse näherte, die sich vor dem Zusammentreffen mit der Aarauerstrasse gegen Menziken hin stark ausweitet, bemerkte er den auf der Bahnhofstrasse kommenden neunundsechzigjährigen Radfahrer Rudolf Haller, der, in der Einmündung stark links fahrend, bestrebt war, Richtung Menziken in die Aarauerstrasse einzubiegen. Obschon Bär den Radfahrer früh genug sah, um ihm unter Verzögerung der Fahrt den Vortritt lassen zu können, setzte er die Geschwindigkeit des Motorwagens, die 40-45 km/Std. erreichte, nicht herab. Er fuhr gegen links, in der Absicht, vor dem Radfahrer durchzukommen. Haller, noch immer im Einmündungstrichter der Bahnhofstrasse, schwenkte jedoch nach rechts, um vor dem Auto hindurch die Aarauerstrasse zu überqueren. Als Bär das sah, bremste er kräftig. Dennoch stiess er auf der linken Seite der Aarauerstrasse mit Haller zusammen und verletzte ihn so schwer, dass er am 12. Dezember 1952 starb. B.- Am 5. März 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau Bär der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn unter Ansetzung einer zweijährigen Probezeit zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 120.--. Es warf ihm vor, er habe die ihn nach Art. 27, 26 Abs. 1 und 25 Abs. 1 MFG treffenden Pflichten verletzt. C.- Bär führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, die Stelle, an der Haller nach rechts geschwenkt sei, um sein Vortrittsrecht auszuüben, könne nicht zur Strasseneinmündung gerechnet werden; denn die sich aus der Abrundung der aufeinandertreffenden Strassenränder ergebende trichterartige Ausweitung der Strasse gehöre nicht zur Einmündung. Die Stelle, von der aus der Radfahrer den Vortritt habe ausüben wollen, liege am äussersten Ende der Ausweitung und müsse daher bereits zum Gebiete der Aarauerstrasse gezählt werden. Sie sei zudem 20 m von der Stelle entfernt, an der Haller nach Gesetz den Vortritt hätte nehmen sollen. Wo er die Aarauerstrasse überquerte, habe er kein Vortrittsrecht mehr gehabt. Er habe sich bereits auf dieser Strasse fortbewegt gehabt, als er sich zur Überquerung angeschickt habe. Nichts habe vorher darauf schliessen lassen, dass er sich auf die rechte Strassenseite begeben wolle. Das Linksausweichen des Beschwerdeführers sei die den Umständen angepasste Reaktion gewesen. Durch dieses Vorgehen habe der Beschwerdeführer einen Unfall verhüten wollen. Um dem Radfahrer genügend Platz zum Kreuzen zu lassen, sei er immer weiter nach links gefahren. Er habe nicht voraussehen können, dass Haller plötzlich nach rechts in seine Fahrbahn abbiegen werde. Man könne dem Beschwerdeführer auch keinen Vorwurf daraus machen, dass er nicht gebremst habe. Er habe angesichts der Lage nicht mit der Gefahr eines Zusammenstosses rechnen müssen, da der Radfahrer durch das Erscheinen des Motorwagens, den er auf grössere Entfernung gesehen haben müsse, nicht habe überrascht werden können. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 MFG, der auch für Radfahrer gilt (Art. 30 MFG), hatte Haller, weil er von rechts kam, das Vortrittsrecht. Der Beschwerdeführer will das nicht gelten lassen, weil Haller die Biegung kurz genommen habe und schon auf der Aarauerstrasse gefahren sei, als er durch Abbiegen nach rechts sich angeschickt habe, diese vor dem Personenwagen hindurch zu überqueren. Diese Auffassung widerspricht dem verbindlich festgestellten Sachverhalt. Das Obergericht geht davon aus, dass die Feststellungen des Bezirksgerichts zutreffen. Dieses aber hat den von Haller eingeschlagenen Weg in einer bei den Akten liegenden Planskizze festgehalten. Aus ihr ergibt sich, dass der Radfahrer, wenn auch erheblich links in der trichterförmigen Ausweitung der Bahnhofstrasse, so doch deutlich vor Erreichung der Fahrbahn der Aarauerstrasse, wie sie aus der Verlängerung ihrer Randlinie über die Einmündung hinaus zu erkennen ist, die Schwenkung nach rechts vollzogen hat. Es liegt daher objektiv nicht ein Fall begonnenen Linksausweichens zweier auf der gleichen Strasse sich bewegender Fahrzeuge vor, sondern ein Fall gleichzeitigen Eintreffens an einer Strasseneinmündung. Dass Haller, wenn er entsprechend der Vorschrift des Art. 26 MFG rechts gefahren wäre, die Fahrbahn des Beschwerdeführers weiter nördlich überquert hätte, ändert nichts. Art. 27 Abs. 1 MFG schreibt dem Führer vor, "bei" Strassengabelungen und -kreuzungen dem von rechts Kommenden den Vortritt zu lassen, beschränkt also objektiv das Vortrittsrecht des letztern nicht auf bestimmte Stellen des Einmündungsgebietes. Zu diesem gehört entgegen BGE 66 I 122 die ganze Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus ihrer trichterförmigen Ausweitung ergibt; denn auf dieser Fläche können von der einen wie von der anderen Strasse aus gleichzeitig Fahrzeuge eintreffen. Es entstände eine erhebliche Unsicherheit darüber, wer vortrittsberechtigt sei, wenn trotz gleichzeitigen Eintreffens zweier Fahrzeuge das Vortrittsrecht davon abhinge, ob das eine etwas mehr rechts oder etwas mehr links fährt. Wer sich der Einmündung nähert, kann oft auch gar nicht schon von weitem erkennen, ob der andere in der Einmündung korrekt rechts fahren wird. Vollends verwirrlich wäre die Lage, wenn, wie im vorliegenden Falle, nicht nur das eine, sondern auch das andere Fahrzeug zu stark links fährt. Es ist nicht zu ersehen, aus welchem Grunde der eine Führer unter Berufung auf die unkorrekte Fahrweise des andern von Art. 27 MFG sollte abweichen dürfen obschon er selber auch unrichtig gefahren ist. Unfälle können am ehesten vermieden werden, wenn jeder der gleichzeitig an der Einmündung oder Kreuzung Eintreffenden sich streng an diese Bestimmung hält, auch wenn der andere zu stark links fährt oder irgend einen anderen Fehler begeht. Das Gebot des Rechtsfahrens (Art. 26 Abs. 1 und 2 MFG) wurde denn auch bloss erlassen, um zu verhüten, dass Fahrzeuge einander gefährden, deren Wege in entgegengesetzter oder gleicher Richtung verlaufen, also parallel liegen; das ist nicht eine Regel für das gegenseitige Verhalten von Fahrzeugen, deren Wege an einer Kreuzung oder Einmündung notwendigerweise sich überschneiden oder vereinigen. Obschon Haller die Biegung zu eng genommen hat, bleibt es somit dabei, dass objektiv der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht des Radfahrers missachtet hat. 2. Vom objektiven Verstoss gegen Art. 27 MFG ist die Frage zu unterscheiden, ob er vom Täter verschuldet sei. Unter diesem Gesichtspunkt ist denkbar, dass vorschriftswidriges Linksfahren des Vortrittsberechtigten den andern entlaste, nämlich wenn dieser die unrichtige Fahrweise des Vortrittsberechtigten nicht voraussehen konnte und nur dadurch zur Verletzung des Vortrittsrechts bestimmt wurde. So wird an unübersichtlichen Kreuzungen oder Einmündungen in der Regel jeder sich soweit hinter dem die Sicht beeinträchtigenden Objekt hervorwagen dürfen, als es ohne Gefährdung eines korrekt rechts fahrenden Vortrittsberechtigten möglich ist. Zugunsten des Beschwerdeführers lässt sich jedoch daraus nichts ableiten. Der Beschwerdeführer hat den Radfahrer von weitem gesehen und erkennen können, dass er die Biegung eng nahm. Er konnte deshalb rechtzeitig voraussehen, dass die Wege der beiden Fahrzeuge sich weiter südlich schneiden würden, als es bei vorschriftsgemässer Fahrweise Hallers der Fall gewesen wäre. Er behauptet denn auch nicht, dass er dem Radfahrer den Vortritt nicht hätte lassen können, wenn er, der Beschwerdeführer verlangsamt hätte und rechts geblieben wäre, als er den andern erblickte. Statt das zu tun, ist der Beschwerdeführer durch Linksfahren und Beibehalten der Geschwindigkeit darauf ausgegangen, einen ihm nicht zustehenden Vortritt zu erzwingen. Das war disziplinlos. Der Beschwerdeführer durfte nicht voraussetzen, dass der Radfahrer auf das Vortrittsrecht verzichten werde. Auch der Umstand, dass Haller plötzlich rechts schwenkte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Schon bevor es zu dieser Schwenkung kam, hätte der Beschwerdeführer die Fahrt verlangsamen sollen, um dem Radfahrer den Vortritt zu lassen. Dann hätte die Schwenkung, wenn sie überhaupt stattgefunden hätte, nicht zu einem Zusammenstoss geführt. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 27 LA. La priorité de passage s'étend à toute la surface qui constitue le croisement ou la jonction des routes. Conséquences, pour les éléments subjectifs du droit de priorité, du fait que le titulaire de ce droit a circulé à gauche, contrairement à la règle.
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Sachverhalt ab Seite 197 A.- Walter Bär führte am 1. Dezember 1952 um 06.52 Uhr bei leichtem Regen und Dunkelheit auf der Strasse Menziken-Aarau einen Personenwagen von Süden (Menziken) her durch das Ortsinnere von Reinach. Als er in einer leichten Linksbiegung sich der von Nordosten spitzwinklig einmündenden Bahnhofstrasse näherte, die sich vor dem Zusammentreffen mit der Aarauerstrasse gegen Menziken hin stark ausweitet, bemerkte er den auf der Bahnhofstrasse kommenden neunundsechzigjährigen Radfahrer Rudolf Haller, der, in der Einmündung stark links fahrend, bestrebt war, Richtung Menziken in die Aarauerstrasse einzubiegen. Obschon Bär den Radfahrer früh genug sah, um ihm unter Verzögerung der Fahrt den Vortritt lassen zu können, setzte er die Geschwindigkeit des Motorwagens, die 40-45 km/Std. erreichte, nicht herab. Er fuhr gegen links, in der Absicht, vor dem Radfahrer durchzukommen. Haller, noch immer im Einmündungstrichter der Bahnhofstrasse, schwenkte jedoch nach rechts, um vor dem Auto hindurch die Aarauerstrasse zu überqueren. Als Bär das sah, bremste er kräftig. Dennoch stiess er auf der linken Seite der Aarauerstrasse mit Haller zusammen und verletzte ihn so schwer, dass er am 12. Dezember 1952 starb. B.- Am 5. März 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau Bär der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn unter Ansetzung einer zweijährigen Probezeit zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 120.--. Es warf ihm vor, er habe die ihn nach Art. 27, 26 Abs. 1 und 25 Abs. 1 MFG treffenden Pflichten verletzt. C.- Bär führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, die Stelle, an der Haller nach rechts geschwenkt sei, um sein Vortrittsrecht auszuüben, könne nicht zur Strasseneinmündung gerechnet werden; denn die sich aus der Abrundung der aufeinandertreffenden Strassenränder ergebende trichterartige Ausweitung der Strasse gehöre nicht zur Einmündung. Die Stelle, von der aus der Radfahrer den Vortritt habe ausüben wollen, liege am äussersten Ende der Ausweitung und müsse daher bereits zum Gebiete der Aarauerstrasse gezählt werden. Sie sei zudem 20 m von der Stelle entfernt, an der Haller nach Gesetz den Vortritt hätte nehmen sollen. Wo er die Aarauerstrasse überquerte, habe er kein Vortrittsrecht mehr gehabt. Er habe sich bereits auf dieser Strasse fortbewegt gehabt, als er sich zur Überquerung angeschickt habe. Nichts habe vorher darauf schliessen lassen, dass er sich auf die rechte Strassenseite begeben wolle. Das Linksausweichen des Beschwerdeführers sei die den Umständen angepasste Reaktion gewesen. Durch dieses Vorgehen habe der Beschwerdeführer einen Unfall verhüten wollen. Um dem Radfahrer genügend Platz zum Kreuzen zu lassen, sei er immer weiter nach links gefahren. Er habe nicht voraussehen können, dass Haller plötzlich nach rechts in seine Fahrbahn abbiegen werde. Man könne dem Beschwerdeführer auch keinen Vorwurf daraus machen, dass er nicht gebremst habe. Er habe angesichts der Lage nicht mit der Gefahr eines Zusammenstosses rechnen müssen, da der Radfahrer durch das Erscheinen des Motorwagens, den er auf grössere Entfernung gesehen haben müsse, nicht habe überrascht werden können. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 MFG, der auch für Radfahrer gilt (Art. 30 MFG), hatte Haller, weil er von rechts kam, das Vortrittsrecht. Der Beschwerdeführer will das nicht gelten lassen, weil Haller die Biegung kurz genommen habe und schon auf der Aarauerstrasse gefahren sei, als er durch Abbiegen nach rechts sich angeschickt habe, diese vor dem Personenwagen hindurch zu überqueren. Diese Auffassung widerspricht dem verbindlich festgestellten Sachverhalt. Das Obergericht geht davon aus, dass die Feststellungen des Bezirksgerichts zutreffen. Dieses aber hat den von Haller eingeschlagenen Weg in einer bei den Akten liegenden Planskizze festgehalten. Aus ihr ergibt sich, dass der Radfahrer, wenn auch erheblich links in der trichterförmigen Ausweitung der Bahnhofstrasse, so doch deutlich vor Erreichung der Fahrbahn der Aarauerstrasse, wie sie aus der Verlängerung ihrer Randlinie über die Einmündung hinaus zu erkennen ist, die Schwenkung nach rechts vollzogen hat. Es liegt daher objektiv nicht ein Fall begonnenen Linksausweichens zweier auf der gleichen Strasse sich bewegender Fahrzeuge vor, sondern ein Fall gleichzeitigen Eintreffens an einer Strasseneinmündung. Dass Haller, wenn er entsprechend der Vorschrift des Art. 26 MFG rechts gefahren wäre, die Fahrbahn des Beschwerdeführers weiter nördlich überquert hätte, ändert nichts. Art. 27 Abs. 1 MFG schreibt dem Führer vor, "bei" Strassengabelungen und -kreuzungen dem von rechts Kommenden den Vortritt zu lassen, beschränkt also objektiv das Vortrittsrecht des letztern nicht auf bestimmte Stellen des Einmündungsgebietes. Zu diesem gehört entgegen BGE 66 I 122 die ganze Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus ihrer trichterförmigen Ausweitung ergibt; denn auf dieser Fläche können von der einen wie von der anderen Strasse aus gleichzeitig Fahrzeuge eintreffen. Es entstände eine erhebliche Unsicherheit darüber, wer vortrittsberechtigt sei, wenn trotz gleichzeitigen Eintreffens zweier Fahrzeuge das Vortrittsrecht davon abhinge, ob das eine etwas mehr rechts oder etwas mehr links fährt. Wer sich der Einmündung nähert, kann oft auch gar nicht schon von weitem erkennen, ob der andere in der Einmündung korrekt rechts fahren wird. Vollends verwirrlich wäre die Lage, wenn, wie im vorliegenden Falle, nicht nur das eine, sondern auch das andere Fahrzeug zu stark links fährt. Es ist nicht zu ersehen, aus welchem Grunde der eine Führer unter Berufung auf die unkorrekte Fahrweise des andern von Art. 27 MFG sollte abweichen dürfen obschon er selber auch unrichtig gefahren ist. Unfälle können am ehesten vermieden werden, wenn jeder der gleichzeitig an der Einmündung oder Kreuzung Eintreffenden sich streng an diese Bestimmung hält, auch wenn der andere zu stark links fährt oder irgend einen anderen Fehler begeht. Das Gebot des Rechtsfahrens (Art. 26 Abs. 1 und 2 MFG) wurde denn auch bloss erlassen, um zu verhüten, dass Fahrzeuge einander gefährden, deren Wege in entgegengesetzter oder gleicher Richtung verlaufen, also parallel liegen; das ist nicht eine Regel für das gegenseitige Verhalten von Fahrzeugen, deren Wege an einer Kreuzung oder Einmündung notwendigerweise sich überschneiden oder vereinigen. Obschon Haller die Biegung zu eng genommen hat, bleibt es somit dabei, dass objektiv der Beschwerdeführer das Vortrittsrecht des Radfahrers missachtet hat. 2. Vom objektiven Verstoss gegen Art. 27 MFG ist die Frage zu unterscheiden, ob er vom Täter verschuldet sei. Unter diesem Gesichtspunkt ist denkbar, dass vorschriftswidriges Linksfahren des Vortrittsberechtigten den andern entlaste, nämlich wenn dieser die unrichtige Fahrweise des Vortrittsberechtigten nicht voraussehen konnte und nur dadurch zur Verletzung des Vortrittsrechts bestimmt wurde. So wird an unübersichtlichen Kreuzungen oder Einmündungen in der Regel jeder sich soweit hinter dem die Sicht beeinträchtigenden Objekt hervorwagen dürfen, als es ohne Gefährdung eines korrekt rechts fahrenden Vortrittsberechtigten möglich ist. Zugunsten des Beschwerdeführers lässt sich jedoch daraus nichts ableiten. Der Beschwerdeführer hat den Radfahrer von weitem gesehen und erkennen können, dass er die Biegung eng nahm. Er konnte deshalb rechtzeitig voraussehen, dass die Wege der beiden Fahrzeuge sich weiter südlich schneiden würden, als es bei vorschriftsgemässer Fahrweise Hallers der Fall gewesen wäre. Er behauptet denn auch nicht, dass er dem Radfahrer den Vortritt nicht hätte lassen können, wenn er, der Beschwerdeführer verlangsamt hätte und rechts geblieben wäre, als er den andern erblickte. Statt das zu tun, ist der Beschwerdeführer durch Linksfahren und Beibehalten der Geschwindigkeit darauf ausgegangen, einen ihm nicht zustehenden Vortritt zu erzwingen. Das war disziplinlos. Der Beschwerdeführer durfte nicht voraussetzen, dass der Radfahrer auf das Vortrittsrecht verzichten werde. Auch der Umstand, dass Haller plötzlich rechts schwenkte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Schon bevor es zu dieser Schwenkung kam, hätte der Beschwerdeführer die Fahrt verlangsamen sollen, um dem Radfahrer den Vortritt zu lassen. Dann hätte die Schwenkung, wenn sie überhaupt stattgefunden hätte, nicht zu einem Zusammenstoss geführt. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 27 LA. La precedenza del passaggio si estende a tutto il raggio dell'incrocio o della riunione di strade. Rilevanza, per l'estremo soggettivo dell'inosservanza della precedenza, delfatto che colui cui spettava tale diritto circolava abusivamente a sinistra.
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80 IV 201
Erwägungen ab Seite 202 Erwägungen: Das auf Begehren des Privatklägers Schüpbach gegen K. und Mitbeschuldigte wegen Betruges, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung, Pfändungsbetruges und Amtsmissbrauchs eröffnete Strafverfahren ist durch Beschluss des ausserordentlichen Untersuchungsrichters des Kantons Bern und des Bezirksprokurators des Seelandes aufgehoben worden, und die Anklagekammer des Kantons Bern hat nach Anhörung des Generalprokurators den gegen diesen Beschluss eingelegten Rekurs des Schüpbach abgewiesen. Da die den Beschuldigten vorgeworfenen Vergehen alle von Amtes wegen zu verfolgen sind, stände Schüpbach die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer nur zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts die Anklage allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, vertreten hätte (Art. 270 Abs. 3 BStP). Das trifft nicht zu. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern als öffentlicher Ankläger ist am kantonalen Verfahren beteiligt gewesen. In erster Instanz hat sie daran durch den Bezirksprokurator bei der Fassung des Aufhebungsbeschlusses teilgenommen, was nach der Rechtsprechung des Kassationshofes genügt, um den Privatkläger von der Nichtigkeitsbeschwerde auszuschliessen, da das Privatinteresse des Geschädigten die Fortsetzung eines Strafverfahrens nicht mit dem eidgenössischen Rechtsmittel soll erzwingen können, wenn der beteiligte öffentliche Ankläger dafür hält, die Interessen der Allgemeinheit verlangten sie nicht (BGE 71 IV 111). Dazu kommt, dass auch in oberer Instanz die Staatsanwaltschaft beteiligt gewesen ist, und zwar durch den Generalprokurator (Art. 194 bern. StrV). Unerheblich ist, ob er dort "Partei" oder, wie eine Lehrmeinung annimmt (vgl. WAIBLINGER, Das Strafverfahren für den Kanton Bern Art. 193 N. 1 Abs. 2, Art. 194 N. 2, ZBJV 80 213), "Hilfsperson" der Anklagekammer gewesen sei; denn im einen wie im anderen Falle ist er berufen gewesen, vor der Anklagekammer das öffentliche Interesse geltend zu machen, hat also der Privatkläger nicht im Sinne des Art. 270 Abs. 3 BStP allein die Anklage vertreten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 270 Abs. 3 BStP. Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Einstellungsbeschluss steht dem Privatstrafkläger auch dann nicht zu, wenn der öffentliche Ankläger im kantonalen Verfahren in anderer Stellung denn als Partei das öffentliche Interesse vertreten hat.
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80 IV 201
Erwägungen ab Seite 202 Erwägungen: Das auf Begehren des Privatklägers Schüpbach gegen K. und Mitbeschuldigte wegen Betruges, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung, Pfändungsbetruges und Amtsmissbrauchs eröffnete Strafverfahren ist durch Beschluss des ausserordentlichen Untersuchungsrichters des Kantons Bern und des Bezirksprokurators des Seelandes aufgehoben worden, und die Anklagekammer des Kantons Bern hat nach Anhörung des Generalprokurators den gegen diesen Beschluss eingelegten Rekurs des Schüpbach abgewiesen. Da die den Beschuldigten vorgeworfenen Vergehen alle von Amtes wegen zu verfolgen sind, stände Schüpbach die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer nur zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts die Anklage allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, vertreten hätte (Art. 270 Abs. 3 BStP). Das trifft nicht zu. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern als öffentlicher Ankläger ist am kantonalen Verfahren beteiligt gewesen. In erster Instanz hat sie daran durch den Bezirksprokurator bei der Fassung des Aufhebungsbeschlusses teilgenommen, was nach der Rechtsprechung des Kassationshofes genügt, um den Privatkläger von der Nichtigkeitsbeschwerde auszuschliessen, da das Privatinteresse des Geschädigten die Fortsetzung eines Strafverfahrens nicht mit dem eidgenössischen Rechtsmittel soll erzwingen können, wenn der beteiligte öffentliche Ankläger dafür hält, die Interessen der Allgemeinheit verlangten sie nicht (BGE 71 IV 111). Dazu kommt, dass auch in oberer Instanz die Staatsanwaltschaft beteiligt gewesen ist, und zwar durch den Generalprokurator (Art. 194 bern. StrV). Unerheblich ist, ob er dort "Partei" oder, wie eine Lehrmeinung annimmt (vgl. WAIBLINGER, Das Strafverfahren für den Kanton Bern Art. 193 N. 1 Abs. 2, Art. 194 N. 2, ZBJV 80 213), "Hilfsperson" der Anklagekammer gewesen sei; denn im einen wie im anderen Falle ist er berufen gewesen, vor der Anklagekammer das öffentliche Interesse geltend zu machen, hat also der Privatkläger nicht im Sinne des Art. 270 Abs. 3 BStP allein die Anklage vertreten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
de
Art. 270 al. 3 PPF. L'accusateur privé n'a pas non plus qualité pour former un pourvoi en nullité contre une ordonnance de non-lieu lorsque l'accusateur public, bien qu'intervenant en une qualité autre que celle de partie, a néanmoins représenté l'intérët public dans la procédure cantonale.
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80 IV 201
Erwägungen ab Seite 202 Erwägungen: Das auf Begehren des Privatklägers Schüpbach gegen K. und Mitbeschuldigte wegen Betruges, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung, Pfändungsbetruges und Amtsmissbrauchs eröffnete Strafverfahren ist durch Beschluss des ausserordentlichen Untersuchungsrichters des Kantons Bern und des Bezirksprokurators des Seelandes aufgehoben worden, und die Anklagekammer des Kantons Bern hat nach Anhörung des Generalprokurators den gegen diesen Beschluss eingelegten Rekurs des Schüpbach abgewiesen. Da die den Beschuldigten vorgeworfenen Vergehen alle von Amtes wegen zu verfolgen sind, stände Schüpbach die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer nur zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts die Anklage allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, vertreten hätte (Art. 270 Abs. 3 BStP). Das trifft nicht zu. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern als öffentlicher Ankläger ist am kantonalen Verfahren beteiligt gewesen. In erster Instanz hat sie daran durch den Bezirksprokurator bei der Fassung des Aufhebungsbeschlusses teilgenommen, was nach der Rechtsprechung des Kassationshofes genügt, um den Privatkläger von der Nichtigkeitsbeschwerde auszuschliessen, da das Privatinteresse des Geschädigten die Fortsetzung eines Strafverfahrens nicht mit dem eidgenössischen Rechtsmittel soll erzwingen können, wenn der beteiligte öffentliche Ankläger dafür hält, die Interessen der Allgemeinheit verlangten sie nicht (BGE 71 IV 111). Dazu kommt, dass auch in oberer Instanz die Staatsanwaltschaft beteiligt gewesen ist, und zwar durch den Generalprokurator (Art. 194 bern. StrV). Unerheblich ist, ob er dort "Partei" oder, wie eine Lehrmeinung annimmt (vgl. WAIBLINGER, Das Strafverfahren für den Kanton Bern Art. 193 N. 1 Abs. 2, Art. 194 N. 2, ZBJV 80 213), "Hilfsperson" der Anklagekammer gewesen sei; denn im einen wie im anderen Falle ist er berufen gewesen, vor der Anklagekammer das öffentliche Interesse geltend zu machen, hat also der Privatkläger nicht im Sinne des Art. 270 Abs. 3 BStP allein die Anklage vertreten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Art. 270 cp. 3 PPF. Anche l'accusatore privato non ha veste per interporre un ricorso per cassazione contro una dichiarazione di non doversi procedere quando l'accusatore pubblico, pur intervenendo in qualità diversa da quella di parte, ha nondimeno rappresentato l'interesse pubblico nella procedura cantonale.
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80 IV 203
Sachverhalt ab Seite 203 Am 28. Oktober 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Baumeler wegen Raubversuches und anderer Verbrechen. Das Urteil wurde ihm in schriftlicher Ausfertigung als gerichtlicher Akt mit der Post eröffnet. Da der Bote bei dem am 10. November 1953 unternommenen Versuch, die Sendung dem Adressaten zuzustellen, in dessen Wohnung niemand antraf, legte er eine Abholungseinladung in den Briefkasten. Am 12. November 1953 holte die Ehefrau Baumelers die Sendung auf der Post ab. Am 20. November 1953 erklärte Baumeler gegen das Urteil die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, und am 2. Dezember 1953 begründete er sie. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Die Nichtigkeitsbeschwerde ist innert zehn Tagen seit der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides zu erklären und innert zwanzig Tagen seit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides zu begründen (Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP). Der Beschwerdeführer hätte letztere Frist versäumt, wenn sie dadurch in Gang gesetzt worden wäre, dass der Postbote am 10. November 1953 die Einladung zur Abholung der Sendung in den Briefkasten des Beschwerdeführers warf. Das war indessen nicht der Fall. Die Abholungseinladung setzt den Empfänger bloss davon in Kenntnis, dass eine für ihn bestimmte Sendung auf der Post liege und er sie dort abholen könne. Hiezu stehen ihm vier Tage zur Verfügung (Art. 114 Abs. 1 lit. d VollzVo. I vom 15. August 1939 zum Postverkehrsgesetz; lit f dieser Bestimmung, die für Gerichtsurkunden und eingeschriebene Betreibungsurkunden eine kürzere Frist vorsah, ist durch Bundesratsbeschluss vom 13. September 1949 aufgehoben worden: AS 1949 II 1314). Jedenfalls dann, wenn der Empfänger dieser Einladung rechtzeitig Folge leistet, setzt daher erst die tatsächliche Abholung der Sendung, nicht schon der Einwurf der Abholungseinladung in den Briefkasten, die Rechtsmittelfrist in Gang (BGE 74 I 88). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
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Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP. Von wann an laufen die Fristen zur Erklärung bzw. Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde, wenn die der Eröffnung bzw. Zustellung des kantonalen Entscheides dienende Sendung auf eine in den Briefkasten des Empfängers gelegte Einladung hin auf der Post abgeholt wird?
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80 IV 203
Sachverhalt ab Seite 203 Am 28. Oktober 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Baumeler wegen Raubversuches und anderer Verbrechen. Das Urteil wurde ihm in schriftlicher Ausfertigung als gerichtlicher Akt mit der Post eröffnet. Da der Bote bei dem am 10. November 1953 unternommenen Versuch, die Sendung dem Adressaten zuzustellen, in dessen Wohnung niemand antraf, legte er eine Abholungseinladung in den Briefkasten. Am 12. November 1953 holte die Ehefrau Baumelers die Sendung auf der Post ab. Am 20. November 1953 erklärte Baumeler gegen das Urteil die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, und am 2. Dezember 1953 begründete er sie. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Die Nichtigkeitsbeschwerde ist innert zehn Tagen seit der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides zu erklären und innert zwanzig Tagen seit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides zu begründen (Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP). Der Beschwerdeführer hätte letztere Frist versäumt, wenn sie dadurch in Gang gesetzt worden wäre, dass der Postbote am 10. November 1953 die Einladung zur Abholung der Sendung in den Briefkasten des Beschwerdeführers warf. Das war indessen nicht der Fall. Die Abholungseinladung setzt den Empfänger bloss davon in Kenntnis, dass eine für ihn bestimmte Sendung auf der Post liege und er sie dort abholen könne. Hiezu stehen ihm vier Tage zur Verfügung (Art. 114 Abs. 1 lit. d VollzVo. I vom 15. August 1939 zum Postverkehrsgesetz; lit f dieser Bestimmung, die für Gerichtsurkunden und eingeschriebene Betreibungsurkunden eine kürzere Frist vorsah, ist durch Bundesratsbeschluss vom 13. September 1949 aufgehoben worden: AS 1949 II 1314). Jedenfalls dann, wenn der Empfänger dieser Einladung rechtzeitig Folge leistet, setzt daher erst die tatsächliche Abholung der Sendung, nicht schon der Einwurf der Abholungseinladung in den Briefkasten, die Rechtsmittelfrist in Gang (BGE 74 I 88). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
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Art. 272 al. 1 et 2 PPF. Point de départ des délais pour déposer et motiver une déclaration de pourvoi en nullité, lorsqu'à la suite d'un avis déposé dans sa boîte aux lettres, le recourant va chercher à la poste le pli servant à lui communiquer la décision ou à lui en remettre un exemplaire.
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80 IV 203
Sachverhalt ab Seite 203 Am 28. Oktober 1953 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Baumeler wegen Raubversuches und anderer Verbrechen. Das Urteil wurde ihm in schriftlicher Ausfertigung als gerichtlicher Akt mit der Post eröffnet. Da der Bote bei dem am 10. November 1953 unternommenen Versuch, die Sendung dem Adressaten zuzustellen, in dessen Wohnung niemand antraf, legte er eine Abholungseinladung in den Briefkasten. Am 12. November 1953 holte die Ehefrau Baumelers die Sendung auf der Post ab. Am 20. November 1953 erklärte Baumeler gegen das Urteil die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, und am 2. Dezember 1953 begründete er sie. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Die Nichtigkeitsbeschwerde ist innert zehn Tagen seit der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides zu erklären und innert zwanzig Tagen seit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides zu begründen (Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP). Der Beschwerdeführer hätte letztere Frist versäumt, wenn sie dadurch in Gang gesetzt worden wäre, dass der Postbote am 10. November 1953 die Einladung zur Abholung der Sendung in den Briefkasten des Beschwerdeführers warf. Das war indessen nicht der Fall. Die Abholungseinladung setzt den Empfänger bloss davon in Kenntnis, dass eine für ihn bestimmte Sendung auf der Post liege und er sie dort abholen könne. Hiezu stehen ihm vier Tage zur Verfügung (Art. 114 Abs. 1 lit. d VollzVo. I vom 15. August 1939 zum Postverkehrsgesetz; lit f dieser Bestimmung, die für Gerichtsurkunden und eingeschriebene Betreibungsurkunden eine kürzere Frist vorsah, ist durch Bundesratsbeschluss vom 13. September 1949 aufgehoben worden: AS 1949 II 1314). Jedenfalls dann, wenn der Empfänger dieser Einladung rechtzeitig Folge leistet, setzt daher erst die tatsächliche Abholung der Sendung, nicht schon der Einwurf der Abholungseinladung in den Briefkasten, die Rechtsmittelfrist in Gang (BGE 74 I 88). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
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Art. 272 cp. 1 e 2 PPF. Da che momento cominciano a correre i termini per depositare la dichiarazione di ricorso per cassazione e rispettivamente per motivare il ricorso, quando il ricorrente, in seguito all'avviso deposto nella sua cassetta postale, va a ritirare alla posta il plico che gli notifica la decisione cantonale o che gliene rimette un esemplare?
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80 IV 205
Sachverhalt ab Seite 205 A.- Das Bezirksgericht Baden verurteilte Emil Righetti am 1. September 1953 wegen Übertretung der Art. 26 und 27 MFG, fahrlässiger Tötung, fahrlässiger einfacher Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu vier Monaten Gefängnis und Fr. 300.-- Busse und gegenüber Marie Schraner, der Witwe des Getöteten, zu Fr. 5000.-- Genugtuung. Zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche verwies es Wwe. Schraner auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil beschwerte Righetti sich beim Obergericht des Kantons Aargau mit den Anträgen auf Freisprechung und Abweisung der Genugtuungsforderung. Wwe. Schraner führte ihrerseits Beschwerde mit dem Antrag auf Bezahlung von Fr. 10'000.-- Genugtuung. Das Obergericht wies am 24. Juni 1954 die Beschwerde der Zivilklägerin ab, ebenso jene des Righetti im Strafpunkt. Dagegen hiess es die Beschwerde des Beklagten im Zivilpunkt dahin gut, dass es die Verurteilung zu einer Genugtuung aufhob. Das Urteil wurde der Zivilklägerin und dem Beklagten am 14. Juli 1954 in vollständiger Ausfertigung eröffnet. B.- Mit Erklärung und gleichzeitiger Begründung vom 23. Juli 1954 reichte Righetti im Strafpunkt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. Nachdem am 28. Juli 1954 der Zivilklägerin davon Kenntnis gegeben worden war, erklärte sie am 2. August 1954 unter Berufung auf Art. 271 Abs. 2 und 4 und Art. 272 Abs. 4 BStP Nichtigkeitsbeschwerde und begründete sie. Sie beantragt, der die Beschwerde Righettis im Zivilpunkt gutheissende Spruch des obergerichtlichen Urteils sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, den Beklagten gegenüber der Zivilklägerin zu Fr. 3000.-- Genugtuung zu verurteilen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Wwe. Schraner hat die Nichtigkeitsbeschwerde erst nach Ablauf der in Art. 272 Abs. 1 BStP vorgesehenen Frist von zehn Tagen erklärt, die mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, also am 14. Juli 1954, zu laufen begann. Selbständig erhoben, ist daher die Beschwerde verspätet. Die Bestimmung des Art. 272 Abs. 4 BStP, wonach für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt führt, die Frist zu deren Einlegung und Begründung auf zehn Tage seit Mitteilung der von einem anderen Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert wird, gilt bloss dann, wenn "die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig ist". Darunter versteht das Gesetz, wie die Verweisung auf Art 271 Abs. 2 ergibt, den Fall, in dem der Streitwert der Zivilforderung, berechnet nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000.-- beträgt und der Anspruch im zivilprozessualen Verfahren auch nicht ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge. Diese Regelung ist getroffen, weil in diesem Falle die Beschwerde im Zivilpunkt voraussetzt, dass der Kassationshof mit dem Strafpunkt befasst sei, diese Voraussetzung aber für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erheben will, erst feststeht, wenn ihr mitgeteilt worden ist, dass ein anderer Beteiligter im Strafpunkt Beschwerde eingelegt hat. Im vorliegenden Falle verhält es sich anders. Nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (vgl. Art. 46 OG), bleibt der Streitwert der Zivilforderung nicht unter Fr. 4000.--, konnte also Wwe. Schraner unabhängig davon, ob Righetti im Strafpunkt Beschwerde führe, eine auf den Zivilpunkt beschränkte Beschwerde erheben. Dass sie sich zur Anrufung des Bundesgerichts nur wegen der Beschwerde des Righetti entschloss, ändert rechtlich nichts. Ihr Rechtsmittel kann auch nicht als Anschlussbeschwerde behandelt werden. Eine solche ist gemäss Art. 271 Abs. 4 BStP in Verbindung mit Art. 59 OG im Zivilpunkt zwar grundsätzlich zulässig und kann binnen zehn Tagen nach Empfang der Mitteilung über den Eingang der Beschwerde der Gegenpartei eingereicht werden, setzt aber voraus, dass auch die Hauptbeschwerde sich auf den Zivilpunkt beziehe. Das Gesetz will den Parteien mit der Anschlussbeschwerde nicht eine weitere Möglichkeit geben, von dem mit dem Strafpunkt befassten Kassationshof zugleich den Zivilpunkt beurteilen zu lassen, sondern dem Kassationshof nur ermöglichen, das kantonale Urteil im Zivilpunkt, wenn er diesen ohnehin zu überprüfen hat, auch zugunsten des Beschwerdegegners und Anschlussbeschwerdeführers abändern zu lassen. Im vorliegenden Falle aber liegt über den Zivilpunkt keine Hauptbeschwerde vor. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Wwe. Marie Schraner wird nicht eingetreten.
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1. Art. 272 Abs. 1 und 4 BStP. Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt unabhängig davon, ob der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist, zulässig ist, läuft die Frist zur Beschwerdeerklärung mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, und zwar sogar dann, wenn die Beschwerde auf den Zivilpunkt beschränkt wird. 2. Art. 271 Abs. 4 BStP. Die Anschlussbeschwerde (im Zivilpunkt) ist nur zulässig, wenn im Zivilpunkt eine Hauptbeschwerde erklärt worden ist.
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80 IV 205
Sachverhalt ab Seite 205 A.- Das Bezirksgericht Baden verurteilte Emil Righetti am 1. September 1953 wegen Übertretung der Art. 26 und 27 MFG, fahrlässiger Tötung, fahrlässiger einfacher Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu vier Monaten Gefängnis und Fr. 300.-- Busse und gegenüber Marie Schraner, der Witwe des Getöteten, zu Fr. 5000.-- Genugtuung. Zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche verwies es Wwe. Schraner auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil beschwerte Righetti sich beim Obergericht des Kantons Aargau mit den Anträgen auf Freisprechung und Abweisung der Genugtuungsforderung. Wwe. Schraner führte ihrerseits Beschwerde mit dem Antrag auf Bezahlung von Fr. 10'000.-- Genugtuung. Das Obergericht wies am 24. Juni 1954 die Beschwerde der Zivilklägerin ab, ebenso jene des Righetti im Strafpunkt. Dagegen hiess es die Beschwerde des Beklagten im Zivilpunkt dahin gut, dass es die Verurteilung zu einer Genugtuung aufhob. Das Urteil wurde der Zivilklägerin und dem Beklagten am 14. Juli 1954 in vollständiger Ausfertigung eröffnet. B.- Mit Erklärung und gleichzeitiger Begründung vom 23. Juli 1954 reichte Righetti im Strafpunkt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. Nachdem am 28. Juli 1954 der Zivilklägerin davon Kenntnis gegeben worden war, erklärte sie am 2. August 1954 unter Berufung auf Art. 271 Abs. 2 und 4 und Art. 272 Abs. 4 BStP Nichtigkeitsbeschwerde und begründete sie. Sie beantragt, der die Beschwerde Righettis im Zivilpunkt gutheissende Spruch des obergerichtlichen Urteils sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, den Beklagten gegenüber der Zivilklägerin zu Fr. 3000.-- Genugtuung zu verurteilen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Wwe. Schraner hat die Nichtigkeitsbeschwerde erst nach Ablauf der in Art. 272 Abs. 1 BStP vorgesehenen Frist von zehn Tagen erklärt, die mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, also am 14. Juli 1954, zu laufen begann. Selbständig erhoben, ist daher die Beschwerde verspätet. Die Bestimmung des Art. 272 Abs. 4 BStP, wonach für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt führt, die Frist zu deren Einlegung und Begründung auf zehn Tage seit Mitteilung der von einem anderen Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert wird, gilt bloss dann, wenn "die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig ist". Darunter versteht das Gesetz, wie die Verweisung auf Art 271 Abs. 2 ergibt, den Fall, in dem der Streitwert der Zivilforderung, berechnet nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000.-- beträgt und der Anspruch im zivilprozessualen Verfahren auch nicht ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge. Diese Regelung ist getroffen, weil in diesem Falle die Beschwerde im Zivilpunkt voraussetzt, dass der Kassationshof mit dem Strafpunkt befasst sei, diese Voraussetzung aber für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erheben will, erst feststeht, wenn ihr mitgeteilt worden ist, dass ein anderer Beteiligter im Strafpunkt Beschwerde eingelegt hat. Im vorliegenden Falle verhält es sich anders. Nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (vgl. Art. 46 OG), bleibt der Streitwert der Zivilforderung nicht unter Fr. 4000.--, konnte also Wwe. Schraner unabhängig davon, ob Righetti im Strafpunkt Beschwerde führe, eine auf den Zivilpunkt beschränkte Beschwerde erheben. Dass sie sich zur Anrufung des Bundesgerichts nur wegen der Beschwerde des Righetti entschloss, ändert rechtlich nichts. Ihr Rechtsmittel kann auch nicht als Anschlussbeschwerde behandelt werden. Eine solche ist gemäss Art. 271 Abs. 4 BStP in Verbindung mit Art. 59 OG im Zivilpunkt zwar grundsätzlich zulässig und kann binnen zehn Tagen nach Empfang der Mitteilung über den Eingang der Beschwerde der Gegenpartei eingereicht werden, setzt aber voraus, dass auch die Hauptbeschwerde sich auf den Zivilpunkt beziehe. Das Gesetz will den Parteien mit der Anschlussbeschwerde nicht eine weitere Möglichkeit geben, von dem mit dem Strafpunkt befassten Kassationshof zugleich den Zivilpunkt beurteilen zu lassen, sondern dem Kassationshof nur ermöglichen, das kantonale Urteil im Zivilpunkt, wenn er diesen ohnehin zu überprüfen hat, auch zugunsten des Beschwerdegegners und Anschlussbeschwerdeführers abändern zu lassen. Im vorliegenden Falle aber liegt über den Zivilpunkt keine Hauptbeschwerde vor. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Wwe. Marie Schraner wird nicht eingetreten.
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1. Art. 272 al. 1 et 4 PPF. Lorsque les conclusions civiles peuvent être l'objet d'un pourvoi en nullité indépendant de l'action pénale, la déclaration de pourvoi doit être faite dans les dix jours à compter de la communication de la décision attaquée, même si le recours est limité à la question civile. 2. Art. 271 al. 4 PPF. On ne peut former un recours joint relatif aux conclusions civiles que si elles font l'objet d'un pourvoi principal.
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Sachverhalt ab Seite 205 A.- Das Bezirksgericht Baden verurteilte Emil Righetti am 1. September 1953 wegen Übertretung der Art. 26 und 27 MFG, fahrlässiger Tötung, fahrlässiger einfacher Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu vier Monaten Gefängnis und Fr. 300.-- Busse und gegenüber Marie Schraner, der Witwe des Getöteten, zu Fr. 5000.-- Genugtuung. Zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche verwies es Wwe. Schraner auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil beschwerte Righetti sich beim Obergericht des Kantons Aargau mit den Anträgen auf Freisprechung und Abweisung der Genugtuungsforderung. Wwe. Schraner führte ihrerseits Beschwerde mit dem Antrag auf Bezahlung von Fr. 10'000.-- Genugtuung. Das Obergericht wies am 24. Juni 1954 die Beschwerde der Zivilklägerin ab, ebenso jene des Righetti im Strafpunkt. Dagegen hiess es die Beschwerde des Beklagten im Zivilpunkt dahin gut, dass es die Verurteilung zu einer Genugtuung aufhob. Das Urteil wurde der Zivilklägerin und dem Beklagten am 14. Juli 1954 in vollständiger Ausfertigung eröffnet. B.- Mit Erklärung und gleichzeitiger Begründung vom 23. Juli 1954 reichte Righetti im Strafpunkt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. Nachdem am 28. Juli 1954 der Zivilklägerin davon Kenntnis gegeben worden war, erklärte sie am 2. August 1954 unter Berufung auf Art. 271 Abs. 2 und 4 und Art. 272 Abs. 4 BStP Nichtigkeitsbeschwerde und begründete sie. Sie beantragt, der die Beschwerde Righettis im Zivilpunkt gutheissende Spruch des obergerichtlichen Urteils sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, den Beklagten gegenüber der Zivilklägerin zu Fr. 3000.-- Genugtuung zu verurteilen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Wwe. Schraner hat die Nichtigkeitsbeschwerde erst nach Ablauf der in Art. 272 Abs. 1 BStP vorgesehenen Frist von zehn Tagen erklärt, die mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, also am 14. Juli 1954, zu laufen begann. Selbständig erhoben, ist daher die Beschwerde verspätet. Die Bestimmung des Art. 272 Abs. 4 BStP, wonach für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt führt, die Frist zu deren Einlegung und Begründung auf zehn Tage seit Mitteilung der von einem anderen Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert wird, gilt bloss dann, wenn "die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig ist". Darunter versteht das Gesetz, wie die Verweisung auf Art 271 Abs. 2 ergibt, den Fall, in dem der Streitwert der Zivilforderung, berechnet nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000.-- beträgt und der Anspruch im zivilprozessualen Verfahren auch nicht ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge. Diese Regelung ist getroffen, weil in diesem Falle die Beschwerde im Zivilpunkt voraussetzt, dass der Kassationshof mit dem Strafpunkt befasst sei, diese Voraussetzung aber für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erheben will, erst feststeht, wenn ihr mitgeteilt worden ist, dass ein anderer Beteiligter im Strafpunkt Beschwerde eingelegt hat. Im vorliegenden Falle verhält es sich anders. Nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (vgl. Art. 46 OG), bleibt der Streitwert der Zivilforderung nicht unter Fr. 4000.--, konnte also Wwe. Schraner unabhängig davon, ob Righetti im Strafpunkt Beschwerde führe, eine auf den Zivilpunkt beschränkte Beschwerde erheben. Dass sie sich zur Anrufung des Bundesgerichts nur wegen der Beschwerde des Righetti entschloss, ändert rechtlich nichts. Ihr Rechtsmittel kann auch nicht als Anschlussbeschwerde behandelt werden. Eine solche ist gemäss Art. 271 Abs. 4 BStP in Verbindung mit Art. 59 OG im Zivilpunkt zwar grundsätzlich zulässig und kann binnen zehn Tagen nach Empfang der Mitteilung über den Eingang der Beschwerde der Gegenpartei eingereicht werden, setzt aber voraus, dass auch die Hauptbeschwerde sich auf den Zivilpunkt beziehe. Das Gesetz will den Parteien mit der Anschlussbeschwerde nicht eine weitere Möglichkeit geben, von dem mit dem Strafpunkt befassten Kassationshof zugleich den Zivilpunkt beurteilen zu lassen, sondern dem Kassationshof nur ermöglichen, das kantonale Urteil im Zivilpunkt, wenn er diesen ohnehin zu überprüfen hat, auch zugunsten des Beschwerdegegners und Anschlussbeschwerdeführers abändern zu lassen. Im vorliegenden Falle aber liegt über den Zivilpunkt keine Hauptbeschwerde vor. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Wwe. Marie Schraner wird nicht eingetreten.
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1. Art. 272 cp. 1 e 4 PPF. Quando le conclusioni civili possono formare l'oggetto d'un ricorso per cassazione indipendentemente da quelle penali, la dichiarazione di ricorso dev'essere depositata entro il termine di dieci giorni dalla comunicazione della decisione impugnata, e ciò anche se il ricorso è limitato alla questione civile. 2. Art. 271 cp. 4 PPF. Un ricorso adesivo sulle conclusioni civili è ammissibile soltanto se queste formano l'oggetto d'un ricorso principale.
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80 IV 209
Sachverhalt ab Seite 209 A.- Rechtsanwalt Dr. Felix Wiget vertrat die in London niedergelassene Firma "The Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd." in einem Prozesse, den Henry Leir und die "Continental Ore Corporation", beide in New York, durch Rechtsanwalt Dr. Oskar Hoffmann beim Bezirksgericht Zürich gegen sie angehoben hatten. Da er in seiner am 5. Februar 1953 verfassten Antwortschrift, die das Bezirksgericht dem Dr. Hoffmann am 20. Februar 1953 zustellte, ehrenrührige Vorwürfe erhoben haben soll, reichten Henry Leir und der in New York niedergelassene Rechtsanwalt Dr. Francis Schmolka am 18. Mai 1953 beim Bezirksgericht Zürich gegen ihn Privatstrafklage wegen übler Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung ein (Art. 173, 174, 177 StGB). Am 20. Mai 1953 führten sie beim gleichen Gerichte Klage auch gegen den Grafen Lazy Henckel von Donnersmarck und beantragten: "Es sei der Angeschuldigte wegen den in der Klageantwortschrift seines Anwaltes Dr. Wiget vom 5. Februar 1953 an das Bezirksgericht Zürich, 4. Abt., enthaltenen ehrverletzenden Äusserungen, die im folgenden im Wortlaut wiedergegeben werden, gestützt auf StGB Art. 173 und 174, eventuell wegen Anstiftung dazu, sowie wegen Anstiftung zu Beschimpfung (Art. 24 StGB) angemessen zu bestrafen." Am 26. Juni 1953 zogen sie die Klage gegen Henckel von Donnersmarck zurück mit dem Hinweis, dass schon Klage gegen Dr. Wiget erhoben sei und dass ferner eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd. vor den Gerichten in London liege. B.- Unter Berufung hierauf und Hinweis auf Art. 31 Abs. 3 StGB beantragte Dr. Wiget dem Bezirksgericht, der Prozess gegen ihn sei als durch Rückzug des Strafantrages erledigt abzuschreiben. Das Bezirksgericht entsprach diesem Begehren am 4. März 1954. Auf Rekurs der Kläger hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Beschluss am 28. Juni 1954 auf und wies das Bezirksgericht an, den Ehrverletzungsprozess gegen Dr. Wiget durchzuführen. Die Begründung lautet dahin, ein Strafantrag könne nur zurückgezogen werden, wenn er in gültiger Form vorliege. Daran gebreche es. Bei der Berechnung der Antragsfrist sei der Tag, an dem der Verletzte Kenntnis von Tat und Täter erhalte, mitzuzählen. Für die Klage gegen Henckel von Donnersmarck sei die Antragsfrist vom 20. Februar 1953 an gelaufen und am 19. Mai 1953 zu Ende gegangen. Da die Klage erst am 20. Mai 1953 eingereicht worden sei, sei der Strafantrag somit verspätet, also nichtig gewesen und habe nicht mehr zurückgezogen werden können. Eine Rückzugserklärung habe sich auch nicht auf den Beteiligten Wiget auswirken können. Ihm gegenüber sei der Strafantrag zu Recht bestehen geblieben. C.- Dr. Wiget führt gegen den Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Sache zur Abschreibung der Ehrverletzungsklage an das Obergericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Er macht geltend, der Entscheid verletze Art. 29, 30 und 31 StGB. D.- Leir und Dr. Schmolka beantragen, die Beschwerde sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB gilt der Rückzug des Strafantrages für alle Beschuldigten, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erfolgt. Diese Bestimmung zieht die Folge aus der in Art. 30 StGB festgelegten Unteilbarkeit des Strafantrages. Unter den "Beschuldigten" versteht sie daher wie Art. 30 alle Personen, die als "an der Tat Beteiligte" in Betracht kommen. Das sind, wie der Kassationshof schon in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 8. März 1950 i.S. Bühlmann und Schmid ausgeführt hat, die Mittäter, Anstifter (Art. 24 StGB) und Gehülfen (Art. 25 StGB). Nicht nötig ist, dass sie alle in das gleiche Verfahren einbezogen worden seien; das kantonale Prozessrecht kann nicht dadurch, dass es getrennte Verfolgung anordnet, z.B. weil die Privatstrafklage gegen den einen Beteiligten später eingereicht wird als gegen die anderen, die Anwendung des Art. 31 Abs. 3 StGB ausschalten. Nach den Vorwürfen, die dem Grafen Henckel von Donnersmarck in der Klage vom 20. Mai 1953 gemacht wurden, war er hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung als Mittäter, eventuell Anstifter, und hinsichtlich der Beschimpfung als Anstifter der angeblich von Dr. Wiget in der Rechtsschrift vom 5. Februar 1953 begangenen Ehrverletzungen zu verfolgen. Die ihm vorgeworfenen Ehrverletzungen wurden nicht in Worten gesehen, die er gegenüber irgendwem, insbesondere gegenüber Dr. Wiget, hätte fallen lassen, sondern in den in der Rechtsschrift des letztern enthaltenen Äusserungen. Für diese aber konnte er zum vornherein nur als Mittäter oder Anstifter verantwortlich gemacht werden. Seine Tat ist denn auch von den Klägern selber als Anstiftung bezeichnet worden, hinsichtlich der Beschimpfung überhaupt nur als das und hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung wenigstens subsidiär. Dr. Wiget und Henckel von Donnersmarck sind daher Mitbeschuldigte im Sinne des Art. 31 Abs. 3 StGB. 2. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass diese Bestimmung nicht wirksam wäre, wenn der gegen Henckel von Donnersmarck zurückgezogene "Strafantrag" nichtig gewesen wäre. Das trifft indessen schon deshalb nicht zu, weil Art. 30 StGB vorschreibt, dass alle Beteiligten zu verfolgen sind, wenn ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag stellt. Das heisst, dass es gegen die anderen nicht noch eines besonderen Antrages bedarf, dass vielmehr die bundesrechtliche Voraussetzung zur Verfolgung aller Beteiligten schon mit dem Antrag gegen den einen erfüllt ist. Da, wie das Obergericht voraussetzt und nicht bestritten ist, der Strafantrag vom 18. Mai 1953 gegen Dr. Wiget binnen der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB eingegangen war, bedurfte es daher zur Verfolgung des Grafen Henckel von Donnersmarck keines binnen dieser Frist zu stellenden Strafantrages im Sinne des Bundesrechts, sondern nur noch eines den Anforderungen des kantonalen Prozessrechts entsprechenden Anstosses zur Durchführung des Verfahrens gegen diesen Beteiligten. Dieser Anstoss, der nach zürcherischem Prozessrecht in Ehrverletzungssachen in der Form der Privatstrafklage erfolgt, konnte auch noch nach Ablauf der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB gegeben werden. Übrigens war diese Frist für einen Strafantrag gegen Henckel von Donnersmarck am 20. Mai 1953 noch nicht abgelaufen. Art. 29 Abs. 1 StGB lässt sie mit dem Tage beginnen, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und die objektive Tat (vgl.BGE 75 IV 20,BGE 79 IV 59) bekannt wird. Da das Antragsrecht, obwohl ein anderer mit der Ausübung betraut werden kann, höchstpersönlicher Natur ist (BGE 73 IV 71), ist unter dem "Antragsberechtigten" der Verletzte persönlich, nicht auch sein bevollmächtigter Vertreter zu verstehen, läuft also die Antragsfrist erst, wenn der Verletzte persönlich die Tat und den Täter kennt, nicht schon, wenn sein bevollmächtigter Vertreter diese Kenntnis hat. Diese Lösung ist auch billig; denn der Verletzte persönlich, nicht sein Vertreter, hat abzuwägen, ob die Verletzung schwer genug sei, um den Strafantrag zu rechtfertigen. Die Antragsfrist für Leir und Dr. Schmolka konnte daher nicht schon mit der am 20. Februar 1953 erfolgten Zustellung der die angebliche Ehrverletzung enthaltenden Rechtsschrift an Dr. Hoffmann zu laufen beginnen, sondern erst, als die Beschwerdegegner von deren Inhalt Kenntnis erhielten. Das kann nicht schon am 20. Februar 1953 geschehen sein, da die Beschwerdegegner in New York niedergelassen sind und nicht behaupten, damals in der Schweiz geweilt zu haben. Übrigens steht auch nicht fest, dass Dr. Hoffmann Bevollmächtigter des Dr. Schmolka gewesen sei. 3. Man kann sich fragen, ob in den auf Privatstrafklage verfolgten Fällen der Rückzug der Klage gegen den einen Beklagten dann die Weiterverfolgung der anderen nicht von Bundesrechts wegen (Art. 31 Abs. 3 StGB) ausschliesst, wenn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass der Beklagte, gegen den die Klage zurückgezogen wird, in Wirklichkeit am eingeklagten Vergehen nicht beteiligt war, und wenn der Kläger den Rückzug mit dieser Erkenntnis begründet. Denn es erscheint als stossend, dass der Kläger, nur um das Recht zur Weiterverfolgung der anderen nicht zu verlieren, sollte genötigt sein, das Privatstrafklageverfahren gegen jemanden fortzusetzen, den er selbst mit guten Gründen für unschuldig hält. Im vorliegenden Falle kommt indessen darauf nichts an. Die Beschwerdegegner haben den Rückzug der Klage gegen Henckel von Donnersmarck nicht damit begründet, dieser scheine ihnen nun an den von Dr. Wiget begangenen Ehrverletzungen doch nicht beteiligt gewesen zu sein. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz zogen sie diese Klage vielmehr mit dem Hinweis zurück, es sei bereits Klage gegen Dr. Wiget erhoben und ausserdem eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmark Beuthen Estates Ltd. bei den Gerichten in London hängig. Der Rückzug des Strafantrages kommt daher gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB auch dem Beschwerdeführer zugute. Das Obergericht hat in diesem Sinne zu entscheiden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 30, 31 Abs. 3 StGB. a) Gegen wen wirken der Strafantrag und sein Rückzug? (Erw. 1). b) Wirkung der Unteilbarkeit des Strafantrages bei Verfolgung im Privatstrafklageverfahren (Erw. 2 Abs. 1). c) Gibt es eine Ausnahme von der Unteilbarkeit des Rückzugs des Strafantrages? (Erw. 3). 2. Art. 29 StGB. Die Frist zur Stellung des Strafantrages beginnt erst zu laufen, wenn der Verletzte persönlich, nicht schon, wenn sein Bevollmächtigter die Tat und den Täter kennt (Erw. 2 Abs. 2).
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Sachverhalt ab Seite 209 A.- Rechtsanwalt Dr. Felix Wiget vertrat die in London niedergelassene Firma "The Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd." in einem Prozesse, den Henry Leir und die "Continental Ore Corporation", beide in New York, durch Rechtsanwalt Dr. Oskar Hoffmann beim Bezirksgericht Zürich gegen sie angehoben hatten. Da er in seiner am 5. Februar 1953 verfassten Antwortschrift, die das Bezirksgericht dem Dr. Hoffmann am 20. Februar 1953 zustellte, ehrenrührige Vorwürfe erhoben haben soll, reichten Henry Leir und der in New York niedergelassene Rechtsanwalt Dr. Francis Schmolka am 18. Mai 1953 beim Bezirksgericht Zürich gegen ihn Privatstrafklage wegen übler Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung ein (Art. 173, 174, 177 StGB). Am 20. Mai 1953 führten sie beim gleichen Gerichte Klage auch gegen den Grafen Lazy Henckel von Donnersmarck und beantragten: "Es sei der Angeschuldigte wegen den in der Klageantwortschrift seines Anwaltes Dr. Wiget vom 5. Februar 1953 an das Bezirksgericht Zürich, 4. Abt., enthaltenen ehrverletzenden Äusserungen, die im folgenden im Wortlaut wiedergegeben werden, gestützt auf StGB Art. 173 und 174, eventuell wegen Anstiftung dazu, sowie wegen Anstiftung zu Beschimpfung (Art. 24 StGB) angemessen zu bestrafen." Am 26. Juni 1953 zogen sie die Klage gegen Henckel von Donnersmarck zurück mit dem Hinweis, dass schon Klage gegen Dr. Wiget erhoben sei und dass ferner eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd. vor den Gerichten in London liege. B.- Unter Berufung hierauf und Hinweis auf Art. 31 Abs. 3 StGB beantragte Dr. Wiget dem Bezirksgericht, der Prozess gegen ihn sei als durch Rückzug des Strafantrages erledigt abzuschreiben. Das Bezirksgericht entsprach diesem Begehren am 4. März 1954. Auf Rekurs der Kläger hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Beschluss am 28. Juni 1954 auf und wies das Bezirksgericht an, den Ehrverletzungsprozess gegen Dr. Wiget durchzuführen. Die Begründung lautet dahin, ein Strafantrag könne nur zurückgezogen werden, wenn er in gültiger Form vorliege. Daran gebreche es. Bei der Berechnung der Antragsfrist sei der Tag, an dem der Verletzte Kenntnis von Tat und Täter erhalte, mitzuzählen. Für die Klage gegen Henckel von Donnersmarck sei die Antragsfrist vom 20. Februar 1953 an gelaufen und am 19. Mai 1953 zu Ende gegangen. Da die Klage erst am 20. Mai 1953 eingereicht worden sei, sei der Strafantrag somit verspätet, also nichtig gewesen und habe nicht mehr zurückgezogen werden können. Eine Rückzugserklärung habe sich auch nicht auf den Beteiligten Wiget auswirken können. Ihm gegenüber sei der Strafantrag zu Recht bestehen geblieben. C.- Dr. Wiget führt gegen den Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Sache zur Abschreibung der Ehrverletzungsklage an das Obergericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Er macht geltend, der Entscheid verletze Art. 29, 30 und 31 StGB. D.- Leir und Dr. Schmolka beantragen, die Beschwerde sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB gilt der Rückzug des Strafantrages für alle Beschuldigten, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erfolgt. Diese Bestimmung zieht die Folge aus der in Art. 30 StGB festgelegten Unteilbarkeit des Strafantrages. Unter den "Beschuldigten" versteht sie daher wie Art. 30 alle Personen, die als "an der Tat Beteiligte" in Betracht kommen. Das sind, wie der Kassationshof schon in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 8. März 1950 i.S. Bühlmann und Schmid ausgeführt hat, die Mittäter, Anstifter (Art. 24 StGB) und Gehülfen (Art. 25 StGB). Nicht nötig ist, dass sie alle in das gleiche Verfahren einbezogen worden seien; das kantonale Prozessrecht kann nicht dadurch, dass es getrennte Verfolgung anordnet, z.B. weil die Privatstrafklage gegen den einen Beteiligten später eingereicht wird als gegen die anderen, die Anwendung des Art. 31 Abs. 3 StGB ausschalten. Nach den Vorwürfen, die dem Grafen Henckel von Donnersmarck in der Klage vom 20. Mai 1953 gemacht wurden, war er hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung als Mittäter, eventuell Anstifter, und hinsichtlich der Beschimpfung als Anstifter der angeblich von Dr. Wiget in der Rechtsschrift vom 5. Februar 1953 begangenen Ehrverletzungen zu verfolgen. Die ihm vorgeworfenen Ehrverletzungen wurden nicht in Worten gesehen, die er gegenüber irgendwem, insbesondere gegenüber Dr. Wiget, hätte fallen lassen, sondern in den in der Rechtsschrift des letztern enthaltenen Äusserungen. Für diese aber konnte er zum vornherein nur als Mittäter oder Anstifter verantwortlich gemacht werden. Seine Tat ist denn auch von den Klägern selber als Anstiftung bezeichnet worden, hinsichtlich der Beschimpfung überhaupt nur als das und hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung wenigstens subsidiär. Dr. Wiget und Henckel von Donnersmarck sind daher Mitbeschuldigte im Sinne des Art. 31 Abs. 3 StGB. 2. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass diese Bestimmung nicht wirksam wäre, wenn der gegen Henckel von Donnersmarck zurückgezogene "Strafantrag" nichtig gewesen wäre. Das trifft indessen schon deshalb nicht zu, weil Art. 30 StGB vorschreibt, dass alle Beteiligten zu verfolgen sind, wenn ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag stellt. Das heisst, dass es gegen die anderen nicht noch eines besonderen Antrages bedarf, dass vielmehr die bundesrechtliche Voraussetzung zur Verfolgung aller Beteiligten schon mit dem Antrag gegen den einen erfüllt ist. Da, wie das Obergericht voraussetzt und nicht bestritten ist, der Strafantrag vom 18. Mai 1953 gegen Dr. Wiget binnen der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB eingegangen war, bedurfte es daher zur Verfolgung des Grafen Henckel von Donnersmarck keines binnen dieser Frist zu stellenden Strafantrages im Sinne des Bundesrechts, sondern nur noch eines den Anforderungen des kantonalen Prozessrechts entsprechenden Anstosses zur Durchführung des Verfahrens gegen diesen Beteiligten. Dieser Anstoss, der nach zürcherischem Prozessrecht in Ehrverletzungssachen in der Form der Privatstrafklage erfolgt, konnte auch noch nach Ablauf der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB gegeben werden. Übrigens war diese Frist für einen Strafantrag gegen Henckel von Donnersmarck am 20. Mai 1953 noch nicht abgelaufen. Art. 29 Abs. 1 StGB lässt sie mit dem Tage beginnen, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und die objektive Tat (vgl.BGE 75 IV 20,BGE 79 IV 59) bekannt wird. Da das Antragsrecht, obwohl ein anderer mit der Ausübung betraut werden kann, höchstpersönlicher Natur ist (BGE 73 IV 71), ist unter dem "Antragsberechtigten" der Verletzte persönlich, nicht auch sein bevollmächtigter Vertreter zu verstehen, läuft also die Antragsfrist erst, wenn der Verletzte persönlich die Tat und den Täter kennt, nicht schon, wenn sein bevollmächtigter Vertreter diese Kenntnis hat. Diese Lösung ist auch billig; denn der Verletzte persönlich, nicht sein Vertreter, hat abzuwägen, ob die Verletzung schwer genug sei, um den Strafantrag zu rechtfertigen. Die Antragsfrist für Leir und Dr. Schmolka konnte daher nicht schon mit der am 20. Februar 1953 erfolgten Zustellung der die angebliche Ehrverletzung enthaltenden Rechtsschrift an Dr. Hoffmann zu laufen beginnen, sondern erst, als die Beschwerdegegner von deren Inhalt Kenntnis erhielten. Das kann nicht schon am 20. Februar 1953 geschehen sein, da die Beschwerdegegner in New York niedergelassen sind und nicht behaupten, damals in der Schweiz geweilt zu haben. Übrigens steht auch nicht fest, dass Dr. Hoffmann Bevollmächtigter des Dr. Schmolka gewesen sei. 3. Man kann sich fragen, ob in den auf Privatstrafklage verfolgten Fällen der Rückzug der Klage gegen den einen Beklagten dann die Weiterverfolgung der anderen nicht von Bundesrechts wegen (Art. 31 Abs. 3 StGB) ausschliesst, wenn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass der Beklagte, gegen den die Klage zurückgezogen wird, in Wirklichkeit am eingeklagten Vergehen nicht beteiligt war, und wenn der Kläger den Rückzug mit dieser Erkenntnis begründet. Denn es erscheint als stossend, dass der Kläger, nur um das Recht zur Weiterverfolgung der anderen nicht zu verlieren, sollte genötigt sein, das Privatstrafklageverfahren gegen jemanden fortzusetzen, den er selbst mit guten Gründen für unschuldig hält. Im vorliegenden Falle kommt indessen darauf nichts an. Die Beschwerdegegner haben den Rückzug der Klage gegen Henckel von Donnersmarck nicht damit begründet, dieser scheine ihnen nun an den von Dr. Wiget begangenen Ehrverletzungen doch nicht beteiligt gewesen zu sein. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz zogen sie diese Klage vielmehr mit dem Hinweis zurück, es sei bereits Klage gegen Dr. Wiget erhoben und ausserdem eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmark Beuthen Estates Ltd. bei den Gerichten in London hängig. Der Rückzug des Strafantrages kommt daher gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB auch dem Beschwerdeführer zugute. Das Obergericht hat in diesem Sinne zu entscheiden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 30 et 31 al. 3 CP. a) Qui est visé par la plainte et son retrait? (consid. 1). b) Effets de l'indivisibilité de la plainte pénale lorsque la poursuite est exercée par l'accusateur privé (consid. 2 al. 1er). c) L'indivisibilité du retrait de la plainte pénale souffre-t-elle une exception? (consid. 3). 2. Art. 29 CP. Le délai pour porter plainte ne commence à courir que lorsque le lésé personnellement - et non seulement son mandataire - a connu l'infraction et son auteur (consid. 2 al. 2).
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80 IV 209
Sachverhalt ab Seite 209 A.- Rechtsanwalt Dr. Felix Wiget vertrat die in London niedergelassene Firma "The Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd." in einem Prozesse, den Henry Leir und die "Continental Ore Corporation", beide in New York, durch Rechtsanwalt Dr. Oskar Hoffmann beim Bezirksgericht Zürich gegen sie angehoben hatten. Da er in seiner am 5. Februar 1953 verfassten Antwortschrift, die das Bezirksgericht dem Dr. Hoffmann am 20. Februar 1953 zustellte, ehrenrührige Vorwürfe erhoben haben soll, reichten Henry Leir und der in New York niedergelassene Rechtsanwalt Dr. Francis Schmolka am 18. Mai 1953 beim Bezirksgericht Zürich gegen ihn Privatstrafklage wegen übler Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung ein (Art. 173, 174, 177 StGB). Am 20. Mai 1953 führten sie beim gleichen Gerichte Klage auch gegen den Grafen Lazy Henckel von Donnersmarck und beantragten: "Es sei der Angeschuldigte wegen den in der Klageantwortschrift seines Anwaltes Dr. Wiget vom 5. Februar 1953 an das Bezirksgericht Zürich, 4. Abt., enthaltenen ehrverletzenden Äusserungen, die im folgenden im Wortlaut wiedergegeben werden, gestützt auf StGB Art. 173 und 174, eventuell wegen Anstiftung dazu, sowie wegen Anstiftung zu Beschimpfung (Art. 24 StGB) angemessen zu bestrafen." Am 26. Juni 1953 zogen sie die Klage gegen Henckel von Donnersmarck zurück mit dem Hinweis, dass schon Klage gegen Dr. Wiget erhoben sei und dass ferner eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmarck Beuthen Estates Ltd. vor den Gerichten in London liege. B.- Unter Berufung hierauf und Hinweis auf Art. 31 Abs. 3 StGB beantragte Dr. Wiget dem Bezirksgericht, der Prozess gegen ihn sei als durch Rückzug des Strafantrages erledigt abzuschreiben. Das Bezirksgericht entsprach diesem Begehren am 4. März 1954. Auf Rekurs der Kläger hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Beschluss am 28. Juni 1954 auf und wies das Bezirksgericht an, den Ehrverletzungsprozess gegen Dr. Wiget durchzuführen. Die Begründung lautet dahin, ein Strafantrag könne nur zurückgezogen werden, wenn er in gültiger Form vorliege. Daran gebreche es. Bei der Berechnung der Antragsfrist sei der Tag, an dem der Verletzte Kenntnis von Tat und Täter erhalte, mitzuzählen. Für die Klage gegen Henckel von Donnersmarck sei die Antragsfrist vom 20. Februar 1953 an gelaufen und am 19. Mai 1953 zu Ende gegangen. Da die Klage erst am 20. Mai 1953 eingereicht worden sei, sei der Strafantrag somit verspätet, also nichtig gewesen und habe nicht mehr zurückgezogen werden können. Eine Rückzugserklärung habe sich auch nicht auf den Beteiligten Wiget auswirken können. Ihm gegenüber sei der Strafantrag zu Recht bestehen geblieben. C.- Dr. Wiget führt gegen den Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Sache zur Abschreibung der Ehrverletzungsklage an das Obergericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Er macht geltend, der Entscheid verletze Art. 29, 30 und 31 StGB. D.- Leir und Dr. Schmolka beantragen, die Beschwerde sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB gilt der Rückzug des Strafantrages für alle Beschuldigten, auch wenn er nur gegenüber einem von ihnen erfolgt. Diese Bestimmung zieht die Folge aus der in Art. 30 StGB festgelegten Unteilbarkeit des Strafantrages. Unter den "Beschuldigten" versteht sie daher wie Art. 30 alle Personen, die als "an der Tat Beteiligte" in Betracht kommen. Das sind, wie der Kassationshof schon in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 8. März 1950 i.S. Bühlmann und Schmid ausgeführt hat, die Mittäter, Anstifter (Art. 24 StGB) und Gehülfen (Art. 25 StGB). Nicht nötig ist, dass sie alle in das gleiche Verfahren einbezogen worden seien; das kantonale Prozessrecht kann nicht dadurch, dass es getrennte Verfolgung anordnet, z.B. weil die Privatstrafklage gegen den einen Beteiligten später eingereicht wird als gegen die anderen, die Anwendung des Art. 31 Abs. 3 StGB ausschalten. Nach den Vorwürfen, die dem Grafen Henckel von Donnersmarck in der Klage vom 20. Mai 1953 gemacht wurden, war er hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung als Mittäter, eventuell Anstifter, und hinsichtlich der Beschimpfung als Anstifter der angeblich von Dr. Wiget in der Rechtsschrift vom 5. Februar 1953 begangenen Ehrverletzungen zu verfolgen. Die ihm vorgeworfenen Ehrverletzungen wurden nicht in Worten gesehen, die er gegenüber irgendwem, insbesondere gegenüber Dr. Wiget, hätte fallen lassen, sondern in den in der Rechtsschrift des letztern enthaltenen Äusserungen. Für diese aber konnte er zum vornherein nur als Mittäter oder Anstifter verantwortlich gemacht werden. Seine Tat ist denn auch von den Klägern selber als Anstiftung bezeichnet worden, hinsichtlich der Beschimpfung überhaupt nur als das und hinsichtlich der üblen Nachrede und der Verleumdung wenigstens subsidiär. Dr. Wiget und Henckel von Donnersmarck sind daher Mitbeschuldigte im Sinne des Art. 31 Abs. 3 StGB. 2. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass diese Bestimmung nicht wirksam wäre, wenn der gegen Henckel von Donnersmarck zurückgezogene "Strafantrag" nichtig gewesen wäre. Das trifft indessen schon deshalb nicht zu, weil Art. 30 StGB vorschreibt, dass alle Beteiligten zu verfolgen sind, wenn ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag stellt. Das heisst, dass es gegen die anderen nicht noch eines besonderen Antrages bedarf, dass vielmehr die bundesrechtliche Voraussetzung zur Verfolgung aller Beteiligten schon mit dem Antrag gegen den einen erfüllt ist. Da, wie das Obergericht voraussetzt und nicht bestritten ist, der Strafantrag vom 18. Mai 1953 gegen Dr. Wiget binnen der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB eingegangen war, bedurfte es daher zur Verfolgung des Grafen Henckel von Donnersmarck keines binnen dieser Frist zu stellenden Strafantrages im Sinne des Bundesrechts, sondern nur noch eines den Anforderungen des kantonalen Prozessrechts entsprechenden Anstosses zur Durchführung des Verfahrens gegen diesen Beteiligten. Dieser Anstoss, der nach zürcherischem Prozessrecht in Ehrverletzungssachen in der Form der Privatstrafklage erfolgt, konnte auch noch nach Ablauf der Frist des Art. 29 Abs. 1 StGB gegeben werden. Übrigens war diese Frist für einen Strafantrag gegen Henckel von Donnersmarck am 20. Mai 1953 noch nicht abgelaufen. Art. 29 Abs. 1 StGB lässt sie mit dem Tage beginnen, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter und die objektive Tat (vgl.BGE 75 IV 20,BGE 79 IV 59) bekannt wird. Da das Antragsrecht, obwohl ein anderer mit der Ausübung betraut werden kann, höchstpersönlicher Natur ist (BGE 73 IV 71), ist unter dem "Antragsberechtigten" der Verletzte persönlich, nicht auch sein bevollmächtigter Vertreter zu verstehen, läuft also die Antragsfrist erst, wenn der Verletzte persönlich die Tat und den Täter kennt, nicht schon, wenn sein bevollmächtigter Vertreter diese Kenntnis hat. Diese Lösung ist auch billig; denn der Verletzte persönlich, nicht sein Vertreter, hat abzuwägen, ob die Verletzung schwer genug sei, um den Strafantrag zu rechtfertigen. Die Antragsfrist für Leir und Dr. Schmolka konnte daher nicht schon mit der am 20. Februar 1953 erfolgten Zustellung der die angebliche Ehrverletzung enthaltenden Rechtsschrift an Dr. Hoffmann zu laufen beginnen, sondern erst, als die Beschwerdegegner von deren Inhalt Kenntnis erhielten. Das kann nicht schon am 20. Februar 1953 geschehen sein, da die Beschwerdegegner in New York niedergelassen sind und nicht behaupten, damals in der Schweiz geweilt zu haben. Übrigens steht auch nicht fest, dass Dr. Hoffmann Bevollmächtigter des Dr. Schmolka gewesen sei. 3. Man kann sich fragen, ob in den auf Privatstrafklage verfolgten Fällen der Rückzug der Klage gegen den einen Beklagten dann die Weiterverfolgung der anderen nicht von Bundesrechts wegen (Art. 31 Abs. 3 StGB) ausschliesst, wenn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass der Beklagte, gegen den die Klage zurückgezogen wird, in Wirklichkeit am eingeklagten Vergehen nicht beteiligt war, und wenn der Kläger den Rückzug mit dieser Erkenntnis begründet. Denn es erscheint als stossend, dass der Kläger, nur um das Recht zur Weiterverfolgung der anderen nicht zu verlieren, sollte genötigt sein, das Privatstrafklageverfahren gegen jemanden fortzusetzen, den er selbst mit guten Gründen für unschuldig hält. Im vorliegenden Falle kommt indessen darauf nichts an. Die Beschwerdegegner haben den Rückzug der Klage gegen Henckel von Donnersmarck nicht damit begründet, dieser scheine ihnen nun an den von Dr. Wiget begangenen Ehrverletzungen doch nicht beteiligt gewesen zu sein. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz zogen sie diese Klage vielmehr mit dem Hinweis zurück, es sei bereits Klage gegen Dr. Wiget erhoben und ausserdem eine Zivilklage gegen die Henckel von Donnersmark Beuthen Estates Ltd. bei den Gerichten in London hängig. Der Rückzug des Strafantrages kommt daher gemäss Art. 31 Abs. 3 StGB auch dem Beschwerdeführer zugute. Das Obergericht hat in diesem Sinne zu entscheiden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Juni 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Art. 30 e 31 cp. 3 CP. a) Contro chi la querela e la desistenza dalla querela esplicano i loro effetti? (consid. 1). b) Conseguenze dell'indivisibilità della querela penale quando il reato è perseguito dall'accusatore privato (consid. 2 cp. 1). c) L'indivisibilità della desistenza dalla querela penale comporta delle eccezioni? (consid. 3). 2. Art. 29 CP. Il termine per sporgere querela comincia a correre dal momento in cui la persona lesa - e non soltanto il suo mandatario - ha avuto contezza del reato e dell'autore (consid. 2 cp. 2).
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80 IV 214
Sachverhalt ab Seite 215 A.- René Schneeberger wurde am 29. Juni 1953 vom Statthalteramt Luzern-Land wegen Betruges (Art. 148 StGB), Zechprellerei (Art. 150 StGB), Fälschung von Ausweisen (Art. 252 StGB) und Falscheintragung in die Gästekontrolle (§ 16 luzern. EG zum StGB) zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 50.- Busse verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre bestimmt. B.- Am 19. Februar 1954 bestrafte das Amtsgericht Rotenburg (Deutschland) Schneeberger wegen Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass, begangen anfangs Februar 1954, mit zehn Tagen Gefängnis. Mit Verfügung vom 25. August 1954 ordnete deshalb das Statthalteramt Luzern-Land den Vollzug der am 29. Juni 1953 verhängten Gefängnisstrafe an. Zur Begründung wird ausgeführt, Schneeberger sei für die während der Probezeit begangene Tat mit Gefängnis bestraft worden. Damit seien die Voraussetzungen des Art. 41 Ziff. 3 StGB für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges erfüllt. Von einem besonders leichten Fall im Sinne des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB könne nach der Rechtsprechung des Kassationshofes bei der neuen Tat schon wegen der dafür verhängten Gefängnisstrafe nicht die Rede sein. C.- Gegen diese Verfügung hat Schneeberger die Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen, mit dem Antrage, es sei vom Widerruf des bedingten Strafvollzuges abzusehen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Ob Schneeberger am 19. Februar 1954 mit Recht des Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass schuldig erklärt worden ist, ist im Verfahren nach Art. 41 Ziff. 3 StGB auf Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zu prüfen. Der Widerrufsrichter muss sich an das darüber ergangene rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Rotenburg (Deutschland) vom 19. Februar 1954 halten (BGE 74 IV 17Erw. 3). 2. Schneeberger hat die neue Straftat, wie die Vorinstanz für den Kassationshof des Bundesgerichts verbindlich (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) feststellt, im Februar 1954, also während der ihm durch die Strafverfügung des Statthalteramtes Luzern-Land am 29. Juni 1953 bestimmten Probezeit und zwar vorsätzlich begangen. Nach Art. 41 Ziff. 3 StGB musste daher der Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe angeordnet werden, sofern die neue Tat ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne der angeführten Vorschrift ist und der Vorbehalt des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht zutrifft. Für die neue Tat, die er in Deutschland begangen hat, ist Schneeberger vom Amtsgericht Rotenburg in Anwendung deutschen Rechts zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. Nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ist der ihm zur Last gelegte Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass also ein Vergehen (§ 1 Abs. 2 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871). Nach schweizerischem Recht ist diese Tat bloss eine Übertretung (Art. 1 und 13 des BRB vom 10. April 1946 über Einreise und Anmeldung der Ausländer; Art. 23 letzter Absatz des BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; Art. 101 und 333 StGB). 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, in diesem Falle sei unter dem Gesichtspunkte des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 i. i. StGB massgebend, dass die neue Straftat nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ein Verbrechen oder Vergehen bzw. dort mit Zuchthaus oder Gefängnis bedroht ist. Diese Auslegung geht fehl. Sie würde in vielen Fällen überhaupt zu keiner Lösung führen, nämlich dann, wenn das Recht des ausländischen Begehungsortes die strafbaren Handlungen nicht in Verbrechen oder Vergehen einerseits und Übertretungen andererseits einteilt und auch nicht eine dem Strafensystem des StGB entsprechende dreifache Abstufung der Freiheitsstrafen, sondern beispielsweise die Einheitsstrafe kennt. In anderen Fällen hätte sie zur Folge, dass eine bestimmte Tat eines unter Bewährungsprobe stehenden Verurteilten nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen müsste, wenn sie nicht in der Schweiz, sondern in einem bestimmten ausländischen Staate begangen worden ist, weil sie nur in diesem ein Verbrechen oder Vergehen ist, in anderen Staaten, vor allem in der Schweiz dagegen überhaupt nicht oder nur als Übertretung bestraft wird. Sinngemäss können unter den "Verbrechen oder Vergehen" des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB nur solche strafbare Handlungen verstanden werden, die nach schweizerischem Strafrecht Verbrechen oder Vergehen sind (THORMANN-OVERBECK, Kommentar, Art. 41 N. 16). Nur bei dieser Auslegung hängt, wie es der kriminalpolitischen Bedeutung dieser Vorschrift entspricht, der Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen vorsätzlicher Begehung eines Verbrechens oder Vergehens nicht davon ab, ob die neue Tat im In- oder Auslande begangen wurde. 4. Wie dargelegt, ist die Tat, die Schneeberger vorsätzlich begangen hat, als er unter Bewährungsprobe stand, nach schweizerischem Recht kein Verbrechen oder Vergehen, sondern eine Übertretung. Sie zieht daher den Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zwingend, sondern nur dann nach sich, wenn Schneeberger durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht hat (vgl.BGE 72 IV 147ff.). Ob das der Fall ist, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht geprüft. Sie hat es deshalb nachzuholen. 5. Man kann sich fragen, ob nicht schon Art. 6 StGB verbieten würde, wegen der neuen Verurteilung den bedingten Strafvollzug ohne weiteres zu widerrufen. Widerhandlungen gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften gehören nicht zu den Auslieferungsdelikten. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB ist Schneeberger daher wegen der in Deutschland begangenen Tat (Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass) dem schweizerischen Strafgesetzbuch nicht unterworfen. Ist aber die Tat in der Schweiz überhaupt nicht als strafbare Handlung verfolgbar, so scheint sie auch nicht als Verbrechen oder Vergehen im Sinn des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB in Betracht zu kommen und nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen zu können, wenn der Täter durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen getäuscht hat. Diese Frage braucht hier nicht entschieden zu werden, da die angefochtene Entscheidung aus den in Erw. 2-4 angeführten Gründen ohnehin aufgehoben werden muss. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Statthalteramtes Luzern-Land vom 25. August 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
de
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. Welche im Auslande begangenen Handlungen sind Verbrechen oder Vergehen im Sinne dieser Bestimmung? (Erw. 1-3). Art. 6 Ziff. 1 StGB. Schliesst diese Vorschrift die Anwendung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 i. i. StGB aus, wenn das im Auslande begangene Verbrechen oder Vergehen nach schweizerischem Recht kein Auslieferungsdelikt ist? (Erw. 5).
de
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1,954
IV
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592
80 IV 214
Sachverhalt ab Seite 215 A.- René Schneeberger wurde am 29. Juni 1953 vom Statthalteramt Luzern-Land wegen Betruges (Art. 148 StGB), Zechprellerei (Art. 150 StGB), Fälschung von Ausweisen (Art. 252 StGB) und Falscheintragung in die Gästekontrolle (§ 16 luzern. EG zum StGB) zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 50.- Busse verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre bestimmt. B.- Am 19. Februar 1954 bestrafte das Amtsgericht Rotenburg (Deutschland) Schneeberger wegen Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass, begangen anfangs Februar 1954, mit zehn Tagen Gefängnis. Mit Verfügung vom 25. August 1954 ordnete deshalb das Statthalteramt Luzern-Land den Vollzug der am 29. Juni 1953 verhängten Gefängnisstrafe an. Zur Begründung wird ausgeführt, Schneeberger sei für die während der Probezeit begangene Tat mit Gefängnis bestraft worden. Damit seien die Voraussetzungen des Art. 41 Ziff. 3 StGB für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges erfüllt. Von einem besonders leichten Fall im Sinne des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB könne nach der Rechtsprechung des Kassationshofes bei der neuen Tat schon wegen der dafür verhängten Gefängnisstrafe nicht die Rede sein. C.- Gegen diese Verfügung hat Schneeberger die Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen, mit dem Antrage, es sei vom Widerruf des bedingten Strafvollzuges abzusehen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Ob Schneeberger am 19. Februar 1954 mit Recht des Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass schuldig erklärt worden ist, ist im Verfahren nach Art. 41 Ziff. 3 StGB auf Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zu prüfen. Der Widerrufsrichter muss sich an das darüber ergangene rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Rotenburg (Deutschland) vom 19. Februar 1954 halten (BGE 74 IV 17Erw. 3). 2. Schneeberger hat die neue Straftat, wie die Vorinstanz für den Kassationshof des Bundesgerichts verbindlich (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) feststellt, im Februar 1954, also während der ihm durch die Strafverfügung des Statthalteramtes Luzern-Land am 29. Juni 1953 bestimmten Probezeit und zwar vorsätzlich begangen. Nach Art. 41 Ziff. 3 StGB musste daher der Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe angeordnet werden, sofern die neue Tat ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne der angeführten Vorschrift ist und der Vorbehalt des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht zutrifft. Für die neue Tat, die er in Deutschland begangen hat, ist Schneeberger vom Amtsgericht Rotenburg in Anwendung deutschen Rechts zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. Nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ist der ihm zur Last gelegte Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass also ein Vergehen (§ 1 Abs. 2 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871). Nach schweizerischem Recht ist diese Tat bloss eine Übertretung (Art. 1 und 13 des BRB vom 10. April 1946 über Einreise und Anmeldung der Ausländer; Art. 23 letzter Absatz des BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; Art. 101 und 333 StGB). 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, in diesem Falle sei unter dem Gesichtspunkte des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 i. i. StGB massgebend, dass die neue Straftat nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ein Verbrechen oder Vergehen bzw. dort mit Zuchthaus oder Gefängnis bedroht ist. Diese Auslegung geht fehl. Sie würde in vielen Fällen überhaupt zu keiner Lösung führen, nämlich dann, wenn das Recht des ausländischen Begehungsortes die strafbaren Handlungen nicht in Verbrechen oder Vergehen einerseits und Übertretungen andererseits einteilt und auch nicht eine dem Strafensystem des StGB entsprechende dreifache Abstufung der Freiheitsstrafen, sondern beispielsweise die Einheitsstrafe kennt. In anderen Fällen hätte sie zur Folge, dass eine bestimmte Tat eines unter Bewährungsprobe stehenden Verurteilten nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen müsste, wenn sie nicht in der Schweiz, sondern in einem bestimmten ausländischen Staate begangen worden ist, weil sie nur in diesem ein Verbrechen oder Vergehen ist, in anderen Staaten, vor allem in der Schweiz dagegen überhaupt nicht oder nur als Übertretung bestraft wird. Sinngemäss können unter den "Verbrechen oder Vergehen" des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB nur solche strafbare Handlungen verstanden werden, die nach schweizerischem Strafrecht Verbrechen oder Vergehen sind (THORMANN-OVERBECK, Kommentar, Art. 41 N. 16). Nur bei dieser Auslegung hängt, wie es der kriminalpolitischen Bedeutung dieser Vorschrift entspricht, der Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen vorsätzlicher Begehung eines Verbrechens oder Vergehens nicht davon ab, ob die neue Tat im In- oder Auslande begangen wurde. 4. Wie dargelegt, ist die Tat, die Schneeberger vorsätzlich begangen hat, als er unter Bewährungsprobe stand, nach schweizerischem Recht kein Verbrechen oder Vergehen, sondern eine Übertretung. Sie zieht daher den Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zwingend, sondern nur dann nach sich, wenn Schneeberger durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht hat (vgl.BGE 72 IV 147ff.). Ob das der Fall ist, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht geprüft. Sie hat es deshalb nachzuholen. 5. Man kann sich fragen, ob nicht schon Art. 6 StGB verbieten würde, wegen der neuen Verurteilung den bedingten Strafvollzug ohne weiteres zu widerrufen. Widerhandlungen gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften gehören nicht zu den Auslieferungsdelikten. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB ist Schneeberger daher wegen der in Deutschland begangenen Tat (Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass) dem schweizerischen Strafgesetzbuch nicht unterworfen. Ist aber die Tat in der Schweiz überhaupt nicht als strafbare Handlung verfolgbar, so scheint sie auch nicht als Verbrechen oder Vergehen im Sinn des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB in Betracht zu kommen und nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen zu können, wenn der Täter durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen getäuscht hat. Diese Frage braucht hier nicht entschieden zu werden, da die angefochtene Entscheidung aus den in Erw. 2-4 angeführten Gründen ohnehin aufgehoben werden muss. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Statthalteramtes Luzern-Land vom 25. August 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
de
Art. 41 ch. 3 al. 1 CP. Quels actes commis à l'étranger sont des crimes ou des délits au sens de cette disposition? (consid. 1 à 3). Art. 6 ch. 1 CP. Cette prescription exclut-elle l'application de l'art. 41 ch. 3 al. 1 i. i. CP lorsque le crime ou le délit commis à l'étranger ne donne pas lieu à extradition selon le droit suisse? (consid. 5).
fr
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80 IV 214
Sachverhalt ab Seite 215 A.- René Schneeberger wurde am 29. Juni 1953 vom Statthalteramt Luzern-Land wegen Betruges (Art. 148 StGB), Zechprellerei (Art. 150 StGB), Fälschung von Ausweisen (Art. 252 StGB) und Falscheintragung in die Gästekontrolle (§ 16 luzern. EG zum StGB) zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 50.- Busse verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre bestimmt. B.- Am 19. Februar 1954 bestrafte das Amtsgericht Rotenburg (Deutschland) Schneeberger wegen Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass, begangen anfangs Februar 1954, mit zehn Tagen Gefängnis. Mit Verfügung vom 25. August 1954 ordnete deshalb das Statthalteramt Luzern-Land den Vollzug der am 29. Juni 1953 verhängten Gefängnisstrafe an. Zur Begründung wird ausgeführt, Schneeberger sei für die während der Probezeit begangene Tat mit Gefängnis bestraft worden. Damit seien die Voraussetzungen des Art. 41 Ziff. 3 StGB für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges erfüllt. Von einem besonders leichten Fall im Sinne des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB könne nach der Rechtsprechung des Kassationshofes bei der neuen Tat schon wegen der dafür verhängten Gefängnisstrafe nicht die Rede sein. C.- Gegen diese Verfügung hat Schneeberger die Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen, mit dem Antrage, es sei vom Widerruf des bedingten Strafvollzuges abzusehen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Ob Schneeberger am 19. Februar 1954 mit Recht des Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass schuldig erklärt worden ist, ist im Verfahren nach Art. 41 Ziff. 3 StGB auf Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zu prüfen. Der Widerrufsrichter muss sich an das darüber ergangene rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Rotenburg (Deutschland) vom 19. Februar 1954 halten (BGE 74 IV 17Erw. 3). 2. Schneeberger hat die neue Straftat, wie die Vorinstanz für den Kassationshof des Bundesgerichts verbindlich (Art. 277 bis Abs. 1 BStP) feststellt, im Februar 1954, also während der ihm durch die Strafverfügung des Statthalteramtes Luzern-Land am 29. Juni 1953 bestimmten Probezeit und zwar vorsätzlich begangen. Nach Art. 41 Ziff. 3 StGB musste daher der Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe angeordnet werden, sofern die neue Tat ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne der angeführten Vorschrift ist und der Vorbehalt des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht zutrifft. Für die neue Tat, die er in Deutschland begangen hat, ist Schneeberger vom Amtsgericht Rotenburg in Anwendung deutschen Rechts zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. Nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ist der ihm zur Last gelegte Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass also ein Vergehen (§ 1 Abs. 2 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871). Nach schweizerischem Recht ist diese Tat bloss eine Übertretung (Art. 1 und 13 des BRB vom 10. April 1946 über Einreise und Anmeldung der Ausländer; Art. 23 letzter Absatz des BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; Art. 101 und 333 StGB). 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, in diesem Falle sei unter dem Gesichtspunkte des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 i. i. StGB massgebend, dass die neue Straftat nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ein Verbrechen oder Vergehen bzw. dort mit Zuchthaus oder Gefängnis bedroht ist. Diese Auslegung geht fehl. Sie würde in vielen Fällen überhaupt zu keiner Lösung führen, nämlich dann, wenn das Recht des ausländischen Begehungsortes die strafbaren Handlungen nicht in Verbrechen oder Vergehen einerseits und Übertretungen andererseits einteilt und auch nicht eine dem Strafensystem des StGB entsprechende dreifache Abstufung der Freiheitsstrafen, sondern beispielsweise die Einheitsstrafe kennt. In anderen Fällen hätte sie zur Folge, dass eine bestimmte Tat eines unter Bewährungsprobe stehenden Verurteilten nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen müsste, wenn sie nicht in der Schweiz, sondern in einem bestimmten ausländischen Staate begangen worden ist, weil sie nur in diesem ein Verbrechen oder Vergehen ist, in anderen Staaten, vor allem in der Schweiz dagegen überhaupt nicht oder nur als Übertretung bestraft wird. Sinngemäss können unter den "Verbrechen oder Vergehen" des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB nur solche strafbare Handlungen verstanden werden, die nach schweizerischem Strafrecht Verbrechen oder Vergehen sind (THORMANN-OVERBECK, Kommentar, Art. 41 N. 16). Nur bei dieser Auslegung hängt, wie es der kriminalpolitischen Bedeutung dieser Vorschrift entspricht, der Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen vorsätzlicher Begehung eines Verbrechens oder Vergehens nicht davon ab, ob die neue Tat im In- oder Auslande begangen wurde. 4. Wie dargelegt, ist die Tat, die Schneeberger vorsätzlich begangen hat, als er unter Bewährungsprobe stand, nach schweizerischem Recht kein Verbrechen oder Vergehen, sondern eine Übertretung. Sie zieht daher den Widerruf des bedingten Strafvollzuges nicht zwingend, sondern nur dann nach sich, wenn Schneeberger durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht hat (vgl.BGE 72 IV 147ff.). Ob das der Fall ist, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht geprüft. Sie hat es deshalb nachzuholen. 5. Man kann sich fragen, ob nicht schon Art. 6 StGB verbieten würde, wegen der neuen Verurteilung den bedingten Strafvollzug ohne weiteres zu widerrufen. Widerhandlungen gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften gehören nicht zu den Auslieferungsdelikten. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB ist Schneeberger daher wegen der in Deutschland begangenen Tat (Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass) dem schweizerischen Strafgesetzbuch nicht unterworfen. Ist aber die Tat in der Schweiz überhaupt nicht als strafbare Handlung verfolgbar, so scheint sie auch nicht als Verbrechen oder Vergehen im Sinn des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB in Betracht zu kommen und nur dann zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges führen zu können, wenn der Täter durch sie das auf ihn gesetzte Vertrauen getäuscht hat. Diese Frage braucht hier nicht entschieden zu werden, da die angefochtene Entscheidung aus den in Erw. 2-4 angeführten Gründen ohnehin aufgehoben werden muss. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Statthalteramtes Luzern-Land vom 25. August 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
de
Art. 41 cifra 3 cp. 1 CP. Quali reati commessi all'estero sono crimini o delitti a'sensi di questo disposto? (consid. 1a 3). Art. 6 cifra 1 CP. Esclude questo disposto l'applicazione dell'art. 41 cifra 3 cp. 1 CP quando il crimine o delitto commesso all'estero non dà luogo all'estradizione secondo il diritto svizzero? (consid. 5).
it
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594
80 IV 218
Sachverhalt ab Seite 218 A.- Walter Billeter wurde am 4. September 1946 vom Bezirksgericht Zürich wegen leichtsinnigen Konkurses zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gesetzt. Im Jahre 1947 leistete Billeter Gehilfenschaft zu Abtreibungen. Das korrektionelle Gericht des Bezirkes Lausanne verurteilte ihn daher am 1. September 1950 zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. B.- Unter Hinweis auf diese während der Probezeit begangenen vorsätzlichen Verbrechen erklärte das Bezirksgericht Zürich am 7. April 1954 die am 4. September 1946 ausgefällte Gefängnisstrafe als vollziehbar. Billeter beschwerte sich beim Obergericht des Kantons Zürich, indem er entgegen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 die Auffassung vertrat, die Anordnung des Vollzugs einer bedingt aufgeschobenen Strafe sei zeitlich nicht unbeschränkt zulässig; als Mindestschranke habe die Probezeit zuzüglich der absoluten Verfolgungsverjährung für die in der Probezeit begangene neue Tat zu gelten. Die Staatsanwaltschaft stellte sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass die Vollstreckungsverjährung in den Fällen, in denen die bedingt aufgeschobene Strafe vollstreckt werden solle, nach richtiger Auslegung des Art. 74 StGB mit dem Tage zu laufen beginne, an dem die Vollstreckung angeordnet werde oder hätte angeordnet werden können und sollen. Das Obergericht, mit Entscheid vom 14. Juni 1954, schloss sich der Auffassung an, dass die Anordnung des Vollzuges der bedingt aufgeschobenen Strafe zeitlich nicht unbegrenzt möglich sei, lehnte jedoch sowohl die von Billeter als auch die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Befristung ab und entschied sich für eine dritte Lösung, nämlich die, dass mangels eines andern Stichtages die Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit zu laufen beginne. Es führte weiter aus, im vorliegenden Falle habe die ordentliche Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren (Art. 73 Ziff. 1 StGB) spätestens am 4. September 1949 zu laufen begonnen und endige erst am 4. September 1954. Da die Verjährung zudem durch den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 7. April 1954 unterbrochen worden sei (Art. 75 StGB), trete sie erst am 4. März 1957 ein. Daher wies es den Rekurs ab. C.- Billeter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anordnung des Strafvollzuges sei aufzuheben. Er hält an der vor Obergericht vertretenen Auffassung fest und schlägt subsidiär vor, dem Gedanken des Obergerichtes in der Weise Rechnung zu tragen, dass vom Strafvollzug abgesehen werde, wenn seit Ablauf der Probezeit entweder die absolute Verfolgungsverjährung für die neue Straftat oder die Vollstreckungsverjährung für die bedingt aufgeschobene Strafe eingetreten sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Kassationshof hat in BGE 78 IV 8 ausgeführt, dass Recht und Pflicht des Richters, gemäss Art. 41 Ziff. 3 StGB bei Täuschung des Vertrauens den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe anzuordnen, nicht befristet seien; die Bundesversammlung habe bei der Beratung des Gesetzes entgegen dem bundesrätlichen Entwurfe die genannte Befugnis des Richters zeitlich nicht begrenzt, weshalb dieser nicht unter Berufung auf eine angebliche Lücke des Gesetzes eine Befristung doch einführen dürfe. Diese Rechtsprechung wurde, nachdem der Kassationshof in BGE 78 IV 223 in gleichem Sinne für Art. 96 Abs. 3 StGB entschieden hatte, in BGE 79 IV 110 bestätigt. Demgegenüber verweist das Obergericht darauf, dass in der nationalrätlichen Kommission Huber beantragt hatte, für die Fälle, in denen der Vollstreckungsbeschluss nicht während der Probezeit ergehe, ihn einer Verjährungsfrist auszusetzen, worauf die Bestimmung an die Subkommission gewiesen worden sei und Logoz dann als Ergebnis ihrer Beratung die heutige Fassung des Art. 74 vorgeschlagen habe. Angesichts dieses Beratungsverlaufes hält das Obergericht nicht für ausgeschlossen, dass man im Bestreben, den Beginn der Vollstreckungsverjährung bei bedingter Verurteilung genau festzulegen, übersehen habe, dass mit der Anknüpfung der Vollstreckungsverjährung an den veränderlichen Zeitpunkt der Vollzugsanordnung diese unbegrenzt möglich wäre. Dieser Schluss ist erstaunlich. Die Kommissionsmitglieder und die Bundesversammlung können die erwähnte Folge unmöglich übersehen haben. Wenn eine Befristung des Vollstreckungsbeschlusses nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, obwohl in der Kommission des Nationalrates ausdrücklich eine solche vorgeschlagen wurde, ist das eine weitere klare Bestätigung dafür, dass man sie nicht wollte. Insbesondere muss der Antragsteller wahrgenommen haben, dass sein Vorschlag in der Fassung, wie sie von Logoz als Ergebnis der Beratung der Subkommission beantragt wurde, nicht berücksichtigt war. Umso berechtigter ist daher die Annahme des Kassationshofes in BGE 78 IV 9, es könne der Bundesversammlung nicht entgangen sein, dass durch die am Entwurf des Bundesrates vorgenommene Änderung die zeitliche Grenze aufgehoben worden sei, die der Entwurf dem richterlichen Entscheid auf Anordnung des Strafvollzuges gesetzt habe. 2. Bei dieser Rechtslage kann von einer Gesetzeslücke, die, wie das Obergericht es tut, unter Berufung auf die ratio legis auszufüllen wäre, nicht die Rede sein. Obwohl der Verjährung der Gedanke zu Grunde liegt, dass der sogenannte Strafanspruch des Staates nach einer gewissen Zeit untergehen soll, so heisst das doch nicht notwendig, dass auch der Schwebezustand, der zwischen der Verurteilung zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe und der Anordnung ihres Vollzuges besteht, zeitlich begrenzt sein müsse. Unbestreitbar hätte es nahe gelegen, im Gesetz eine solche Befristung einzuführen oder sonstwie dafür zu sorgen, dass die Anordnung des Vollzuges nicht allzulange auf sich warten lasse. Allein eine Lücke ist dadurch, dass eine solche Vorschrift nicht aufgestellt wurde, im System des Gesetzes nicht entstanden. Normalerweise verstreicht nicht "ungebührlich lange Zeit", bis der Strafvollzug angeordnet wird. Wegen blosser allfälliger Ausnahmen aber konnte eine Befristung als entbehrlich erachtet werden, ohne dass das Gesetz damit sich selber widerspräche. Wie wenig eine Gesetzeslücke vorliegt, zeigt auch der Umstand, dass keineswegs klar zutage liegt, wie sie auszufüllen wäre, sind doch dem Kassationshof bis heute fünf verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden: je eine in den Fällen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 und nunmehr drei weitere im vorliegenden Verfahren. Wenn schon eine Auswahl aus solcher Vielfalt möglicher Regelungen getroffen werden müsste, so deutet das eher auf eine gesetzgeberische als auf eine richterliche Entscheidung hin. 3. Die Lösung, die der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vertreten hat, wäre auf jeden Fall völlig unbrauchbar gewesen; denn was die Verfolgungsverjährung für das während der Probezeit begangene Delikt mit der zeitlichen Zulässigkeit der Anordnung des Vollzuges der früher ausgefällten Strafe zu tun haben sollte, ist nicht einzusehen. Ebenso bezeichnet die Vorinstanz den Vorschlag der Staatsanwaltschaft (Beginn der Vollstreckungsfrist mit dem Tage, an dem der Vollzug hätte angeordnet werden können und sollen) mit Recht als unbefriedigend, da er der genauen Fixierung entbehre und zu Zweifeln Anlass geben könnte. Bei der Lösung der Vorinstanz (Beginn der Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit), die der Beschwerdeführer eventuell mit der seinigen verbinden möchte, würde die Frist unter Umständen zu laufen beginnen, bevor die Vollstreckung überhaupt möglich wäre. Abgesehen hievon wäre hier, wie das Obergericht ausführt, die Verjährung auch bei dieser Lösung noch gar nicht eingetreten. Daher war die Beschwerde selbst auf dieser Grundlage aussichtslos. Dem ist bei Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. Recht und Pflicht des Richters, den Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe anzuordnen, sind nicht befristet.
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80 IV 218
Sachverhalt ab Seite 218 A.- Walter Billeter wurde am 4. September 1946 vom Bezirksgericht Zürich wegen leichtsinnigen Konkurses zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gesetzt. Im Jahre 1947 leistete Billeter Gehilfenschaft zu Abtreibungen. Das korrektionelle Gericht des Bezirkes Lausanne verurteilte ihn daher am 1. September 1950 zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. B.- Unter Hinweis auf diese während der Probezeit begangenen vorsätzlichen Verbrechen erklärte das Bezirksgericht Zürich am 7. April 1954 die am 4. September 1946 ausgefällte Gefängnisstrafe als vollziehbar. Billeter beschwerte sich beim Obergericht des Kantons Zürich, indem er entgegen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 die Auffassung vertrat, die Anordnung des Vollzugs einer bedingt aufgeschobenen Strafe sei zeitlich nicht unbeschränkt zulässig; als Mindestschranke habe die Probezeit zuzüglich der absoluten Verfolgungsverjährung für die in der Probezeit begangene neue Tat zu gelten. Die Staatsanwaltschaft stellte sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass die Vollstreckungsverjährung in den Fällen, in denen die bedingt aufgeschobene Strafe vollstreckt werden solle, nach richtiger Auslegung des Art. 74 StGB mit dem Tage zu laufen beginne, an dem die Vollstreckung angeordnet werde oder hätte angeordnet werden können und sollen. Das Obergericht, mit Entscheid vom 14. Juni 1954, schloss sich der Auffassung an, dass die Anordnung des Vollzuges der bedingt aufgeschobenen Strafe zeitlich nicht unbegrenzt möglich sei, lehnte jedoch sowohl die von Billeter als auch die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Befristung ab und entschied sich für eine dritte Lösung, nämlich die, dass mangels eines andern Stichtages die Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit zu laufen beginne. Es führte weiter aus, im vorliegenden Falle habe die ordentliche Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren (Art. 73 Ziff. 1 StGB) spätestens am 4. September 1949 zu laufen begonnen und endige erst am 4. September 1954. Da die Verjährung zudem durch den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 7. April 1954 unterbrochen worden sei (Art. 75 StGB), trete sie erst am 4. März 1957 ein. Daher wies es den Rekurs ab. C.- Billeter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anordnung des Strafvollzuges sei aufzuheben. Er hält an der vor Obergericht vertretenen Auffassung fest und schlägt subsidiär vor, dem Gedanken des Obergerichtes in der Weise Rechnung zu tragen, dass vom Strafvollzug abgesehen werde, wenn seit Ablauf der Probezeit entweder die absolute Verfolgungsverjährung für die neue Straftat oder die Vollstreckungsverjährung für die bedingt aufgeschobene Strafe eingetreten sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Kassationshof hat in BGE 78 IV 8 ausgeführt, dass Recht und Pflicht des Richters, gemäss Art. 41 Ziff. 3 StGB bei Täuschung des Vertrauens den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe anzuordnen, nicht befristet seien; die Bundesversammlung habe bei der Beratung des Gesetzes entgegen dem bundesrätlichen Entwurfe die genannte Befugnis des Richters zeitlich nicht begrenzt, weshalb dieser nicht unter Berufung auf eine angebliche Lücke des Gesetzes eine Befristung doch einführen dürfe. Diese Rechtsprechung wurde, nachdem der Kassationshof in BGE 78 IV 223 in gleichem Sinne für Art. 96 Abs. 3 StGB entschieden hatte, in BGE 79 IV 110 bestätigt. Demgegenüber verweist das Obergericht darauf, dass in der nationalrätlichen Kommission Huber beantragt hatte, für die Fälle, in denen der Vollstreckungsbeschluss nicht während der Probezeit ergehe, ihn einer Verjährungsfrist auszusetzen, worauf die Bestimmung an die Subkommission gewiesen worden sei und Logoz dann als Ergebnis ihrer Beratung die heutige Fassung des Art. 74 vorgeschlagen habe. Angesichts dieses Beratungsverlaufes hält das Obergericht nicht für ausgeschlossen, dass man im Bestreben, den Beginn der Vollstreckungsverjährung bei bedingter Verurteilung genau festzulegen, übersehen habe, dass mit der Anknüpfung der Vollstreckungsverjährung an den veränderlichen Zeitpunkt der Vollzugsanordnung diese unbegrenzt möglich wäre. Dieser Schluss ist erstaunlich. Die Kommissionsmitglieder und die Bundesversammlung können die erwähnte Folge unmöglich übersehen haben. Wenn eine Befristung des Vollstreckungsbeschlusses nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, obwohl in der Kommission des Nationalrates ausdrücklich eine solche vorgeschlagen wurde, ist das eine weitere klare Bestätigung dafür, dass man sie nicht wollte. Insbesondere muss der Antragsteller wahrgenommen haben, dass sein Vorschlag in der Fassung, wie sie von Logoz als Ergebnis der Beratung der Subkommission beantragt wurde, nicht berücksichtigt war. Umso berechtigter ist daher die Annahme des Kassationshofes in BGE 78 IV 9, es könne der Bundesversammlung nicht entgangen sein, dass durch die am Entwurf des Bundesrates vorgenommene Änderung die zeitliche Grenze aufgehoben worden sei, die der Entwurf dem richterlichen Entscheid auf Anordnung des Strafvollzuges gesetzt habe. 2. Bei dieser Rechtslage kann von einer Gesetzeslücke, die, wie das Obergericht es tut, unter Berufung auf die ratio legis auszufüllen wäre, nicht die Rede sein. Obwohl der Verjährung der Gedanke zu Grunde liegt, dass der sogenannte Strafanspruch des Staates nach einer gewissen Zeit untergehen soll, so heisst das doch nicht notwendig, dass auch der Schwebezustand, der zwischen der Verurteilung zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe und der Anordnung ihres Vollzuges besteht, zeitlich begrenzt sein müsse. Unbestreitbar hätte es nahe gelegen, im Gesetz eine solche Befristung einzuführen oder sonstwie dafür zu sorgen, dass die Anordnung des Vollzuges nicht allzulange auf sich warten lasse. Allein eine Lücke ist dadurch, dass eine solche Vorschrift nicht aufgestellt wurde, im System des Gesetzes nicht entstanden. Normalerweise verstreicht nicht "ungebührlich lange Zeit", bis der Strafvollzug angeordnet wird. Wegen blosser allfälliger Ausnahmen aber konnte eine Befristung als entbehrlich erachtet werden, ohne dass das Gesetz damit sich selber widerspräche. Wie wenig eine Gesetzeslücke vorliegt, zeigt auch der Umstand, dass keineswegs klar zutage liegt, wie sie auszufüllen wäre, sind doch dem Kassationshof bis heute fünf verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden: je eine in den Fällen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 und nunmehr drei weitere im vorliegenden Verfahren. Wenn schon eine Auswahl aus solcher Vielfalt möglicher Regelungen getroffen werden müsste, so deutet das eher auf eine gesetzgeberische als auf eine richterliche Entscheidung hin. 3. Die Lösung, die der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vertreten hat, wäre auf jeden Fall völlig unbrauchbar gewesen; denn was die Verfolgungsverjährung für das während der Probezeit begangene Delikt mit der zeitlichen Zulässigkeit der Anordnung des Vollzuges der früher ausgefällten Strafe zu tun haben sollte, ist nicht einzusehen. Ebenso bezeichnet die Vorinstanz den Vorschlag der Staatsanwaltschaft (Beginn der Vollstreckungsfrist mit dem Tage, an dem der Vollzug hätte angeordnet werden können und sollen) mit Recht als unbefriedigend, da er der genauen Fixierung entbehre und zu Zweifeln Anlass geben könnte. Bei der Lösung der Vorinstanz (Beginn der Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit), die der Beschwerdeführer eventuell mit der seinigen verbinden möchte, würde die Frist unter Umständen zu laufen beginnen, bevor die Vollstreckung überhaupt möglich wäre. Abgesehen hievon wäre hier, wie das Obergericht ausführt, die Verjährung auch bei dieser Lösung noch gar nicht eingetreten. Daher war die Beschwerde selbst auf dieser Grundlage aussichtslos. Dem ist bei Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 41 ch. 3 al. 1 CP. Le droit et le devoir du juge de révoquer le sursis ne sont soumis à aucun délai.
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80 IV 218
Sachverhalt ab Seite 218 A.- Walter Billeter wurde am 4. September 1946 vom Bezirksgericht Zürich wegen leichtsinnigen Konkurses zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gesetzt. Im Jahre 1947 leistete Billeter Gehilfenschaft zu Abtreibungen. Das korrektionelle Gericht des Bezirkes Lausanne verurteilte ihn daher am 1. September 1950 zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat. B.- Unter Hinweis auf diese während der Probezeit begangenen vorsätzlichen Verbrechen erklärte das Bezirksgericht Zürich am 7. April 1954 die am 4. September 1946 ausgefällte Gefängnisstrafe als vollziehbar. Billeter beschwerte sich beim Obergericht des Kantons Zürich, indem er entgegen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 die Auffassung vertrat, die Anordnung des Vollzugs einer bedingt aufgeschobenen Strafe sei zeitlich nicht unbeschränkt zulässig; als Mindestschranke habe die Probezeit zuzüglich der absoluten Verfolgungsverjährung für die in der Probezeit begangene neue Tat zu gelten. Die Staatsanwaltschaft stellte sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass die Vollstreckungsverjährung in den Fällen, in denen die bedingt aufgeschobene Strafe vollstreckt werden solle, nach richtiger Auslegung des Art. 74 StGB mit dem Tage zu laufen beginne, an dem die Vollstreckung angeordnet werde oder hätte angeordnet werden können und sollen. Das Obergericht, mit Entscheid vom 14. Juni 1954, schloss sich der Auffassung an, dass die Anordnung des Vollzuges der bedingt aufgeschobenen Strafe zeitlich nicht unbegrenzt möglich sei, lehnte jedoch sowohl die von Billeter als auch die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Befristung ab und entschied sich für eine dritte Lösung, nämlich die, dass mangels eines andern Stichtages die Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit zu laufen beginne. Es führte weiter aus, im vorliegenden Falle habe die ordentliche Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren (Art. 73 Ziff. 1 StGB) spätestens am 4. September 1949 zu laufen begonnen und endige erst am 4. September 1954. Da die Verjährung zudem durch den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 7. April 1954 unterbrochen worden sei (Art. 75 StGB), trete sie erst am 4. März 1957 ein. Daher wies es den Rekurs ab. C.- Billeter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anordnung des Strafvollzuges sei aufzuheben. Er hält an der vor Obergericht vertretenen Auffassung fest und schlägt subsidiär vor, dem Gedanken des Obergerichtes in der Weise Rechnung zu tragen, dass vom Strafvollzug abgesehen werde, wenn seit Ablauf der Probezeit entweder die absolute Verfolgungsverjährung für die neue Straftat oder die Vollstreckungsverjährung für die bedingt aufgeschobene Strafe eingetreten sei. D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Kassationshof hat in BGE 78 IV 8 ausgeführt, dass Recht und Pflicht des Richters, gemäss Art. 41 Ziff. 3 StGB bei Täuschung des Vertrauens den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe anzuordnen, nicht befristet seien; die Bundesversammlung habe bei der Beratung des Gesetzes entgegen dem bundesrätlichen Entwurfe die genannte Befugnis des Richters zeitlich nicht begrenzt, weshalb dieser nicht unter Berufung auf eine angebliche Lücke des Gesetzes eine Befristung doch einführen dürfe. Diese Rechtsprechung wurde, nachdem der Kassationshof in BGE 78 IV 223 in gleichem Sinne für Art. 96 Abs. 3 StGB entschieden hatte, in BGE 79 IV 110 bestätigt. Demgegenüber verweist das Obergericht darauf, dass in der nationalrätlichen Kommission Huber beantragt hatte, für die Fälle, in denen der Vollstreckungsbeschluss nicht während der Probezeit ergehe, ihn einer Verjährungsfrist auszusetzen, worauf die Bestimmung an die Subkommission gewiesen worden sei und Logoz dann als Ergebnis ihrer Beratung die heutige Fassung des Art. 74 vorgeschlagen habe. Angesichts dieses Beratungsverlaufes hält das Obergericht nicht für ausgeschlossen, dass man im Bestreben, den Beginn der Vollstreckungsverjährung bei bedingter Verurteilung genau festzulegen, übersehen habe, dass mit der Anknüpfung der Vollstreckungsverjährung an den veränderlichen Zeitpunkt der Vollzugsanordnung diese unbegrenzt möglich wäre. Dieser Schluss ist erstaunlich. Die Kommissionsmitglieder und die Bundesversammlung können die erwähnte Folge unmöglich übersehen haben. Wenn eine Befristung des Vollstreckungsbeschlusses nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, obwohl in der Kommission des Nationalrates ausdrücklich eine solche vorgeschlagen wurde, ist das eine weitere klare Bestätigung dafür, dass man sie nicht wollte. Insbesondere muss der Antragsteller wahrgenommen haben, dass sein Vorschlag in der Fassung, wie sie von Logoz als Ergebnis der Beratung der Subkommission beantragt wurde, nicht berücksichtigt war. Umso berechtigter ist daher die Annahme des Kassationshofes in BGE 78 IV 9, es könne der Bundesversammlung nicht entgangen sein, dass durch die am Entwurf des Bundesrates vorgenommene Änderung die zeitliche Grenze aufgehoben worden sei, die der Entwurf dem richterlichen Entscheid auf Anordnung des Strafvollzuges gesetzt habe. 2. Bei dieser Rechtslage kann von einer Gesetzeslücke, die, wie das Obergericht es tut, unter Berufung auf die ratio legis auszufüllen wäre, nicht die Rede sein. Obwohl der Verjährung der Gedanke zu Grunde liegt, dass der sogenannte Strafanspruch des Staates nach einer gewissen Zeit untergehen soll, so heisst das doch nicht notwendig, dass auch der Schwebezustand, der zwischen der Verurteilung zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe und der Anordnung ihres Vollzuges besteht, zeitlich begrenzt sein müsse. Unbestreitbar hätte es nahe gelegen, im Gesetz eine solche Befristung einzuführen oder sonstwie dafür zu sorgen, dass die Anordnung des Vollzuges nicht allzulange auf sich warten lasse. Allein eine Lücke ist dadurch, dass eine solche Vorschrift nicht aufgestellt wurde, im System des Gesetzes nicht entstanden. Normalerweise verstreicht nicht "ungebührlich lange Zeit", bis der Strafvollzug angeordnet wird. Wegen blosser allfälliger Ausnahmen aber konnte eine Befristung als entbehrlich erachtet werden, ohne dass das Gesetz damit sich selber widerspräche. Wie wenig eine Gesetzeslücke vorliegt, zeigt auch der Umstand, dass keineswegs klar zutage liegt, wie sie auszufüllen wäre, sind doch dem Kassationshof bis heute fünf verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden: je eine in den Fällen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 und nunmehr drei weitere im vorliegenden Verfahren. Wenn schon eine Auswahl aus solcher Vielfalt möglicher Regelungen getroffen werden müsste, so deutet das eher auf eine gesetzgeberische als auf eine richterliche Entscheidung hin. 3. Die Lösung, die der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vertreten hat, wäre auf jeden Fall völlig unbrauchbar gewesen; denn was die Verfolgungsverjährung für das während der Probezeit begangene Delikt mit der zeitlichen Zulässigkeit der Anordnung des Vollzuges der früher ausgefällten Strafe zu tun haben sollte, ist nicht einzusehen. Ebenso bezeichnet die Vorinstanz den Vorschlag der Staatsanwaltschaft (Beginn der Vollstreckungsfrist mit dem Tage, an dem der Vollzug hätte angeordnet werden können und sollen) mit Recht als unbefriedigend, da er der genauen Fixierung entbehre und zu Zweifeln Anlass geben könnte. Bei der Lösung der Vorinstanz (Beginn der Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit), die der Beschwerdeführer eventuell mit der seinigen verbinden möchte, würde die Frist unter Umständen zu laufen beginnen, bevor die Vollstreckung überhaupt möglich wäre. Abgesehen hievon wäre hier, wie das Obergericht ausführt, die Verjährung auch bei dieser Lösung noch gar nicht eingetreten. Daher war die Beschwerde selbst auf dieser Grundlage aussichtslos. Dem ist bei Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Art. 41 cifra 3 cp. 1 CP. Il diritto e il dovere del giudice di revocare il beneficio della sospensione condizionale della pena non sono limitati nel tempo.
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80 IV 22
Sachverhalt ab Seite 23 A.- Die Kollektivgesellschaft Nova-Werke Junker & Ferber in Zürich stellt Kolbenringe mit grossem geschäftlichem Erfolge in einem von ihrem Gesellschafter Emil Junker erdachten Verfahren, das am 4. April 1938 in der Schweiz zur Patentierung angemeldet und am 31. Juli 1942 patentiert worden ist, in der Weise her, dass sie sie, um ihnen überall gleiche Spannung zu verleihen, in entspanntem Zustande auf Unrundform dreht und erst nachher ausschneidet. Die zur Anwendung dieses Verfahrens (Formdrehverfahren) benötigten (nicht patentierten) Maschinen liess sie durch Dr. ing. Heinrich Brandenberger, geb. 1896, konstruieren, den sie zu diesem Zwecke anstellte. In ihrem die Anstellungsbedingungen enthaltenden Brief an Brandenberger vom 20. Juni 1932 führte sie aus: "Ihr Monatsgehalt beträgt 800 Frcs. (achthundert). Der Eintritt erfolgt am 1. September dieses Jahres. Die ersten drei Monate sind von beiden Seiten unkündbar, nachher kommt als Kündigungsbedingung die Bestimmung des schweizerischen Obligationenrechts in Betracht. - Sie verpflichten sich, unsere Konstruktionen streng geheim zu halten und auch im Falle eines eventuellen Austritts bei uns mindestens während zwei Jahren nach Ihrem Austritt bei keiner Konkurrenz, sei es im Inland oder Ausland, in ähnlicher Art tätig zu sein." Brandenberger nahm diese Vorschläge mit Schreiben vom 21. Juni 1932 an. Am 27. Mai 1937 erhielt er von der Firma die Mitteilung: "Nachdem die Entwicklung der Neueinrichtung unserer Kolbenring-Abteilung beendet ist und wir keine weiteren Maschinen mehr auszuführen gedenken, lösen wir das Konstruktionsbureau auf und sehen uns genötigt, Ihnen unter Verdankung der geleisteten Dienste per 31. Juli 1937 zu kündigen." Brandenberger arbeitete von da an nur noch teilweise in der Firma. Auf 31. März 1939 wurde er vollständig entlassen. Bei seinem Austritt bestätigte er die Verpflichtung, die Konstruktionen streng geheim zu halten und während mindestens zwei Jahren bei keiner Konkurrenz in ähnlicher Art tätig zu sein. Im Sommer 1948 schlug Ingenieur Ernst Fischer, der vom November 1925 bis Ende August 1942 als Betriebsassistent im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gestanden und namentlich in der Kolbenring-Abteilung gearbeitet hatte, dem Brandenberger mit Erfolg vor, die erwähnten Konstruktionen in- und ausländischen Konkurrenzfirmen anzubieten. Zur Rekonstruktion der Pläne der Maschinen verwendete Brandenberger Notizen und Entwicklungszeichnungen, die er im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gemacht und nach Auflösung des Dienstvertrages behalten hatte. Die Verhandlungen mit den Interessenten führte Fischer. Um sie zu erleichtern, trat er formell neben Brandenberger als Vertragspartei auf. Über den Inhalt der Verträge entschied dieser allein. Brandenberger verpflichtete sich, Fischer 25% des Erlöses aus den von diesem zustande gebrachten Geschäften zukommen zu lassen. Durch Vertrag vom 1. Juni 1948 zwischen der Sim SA in Morges einerseits, für die deren Generaldirektor Rogier handelte, sowie Brandenberger und Fischer anderseits, erlaubte Brandenberger der Sim SA, die Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen. Er verpflichtete sich, die notwendigen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen herzustellen und der Sim SA zu übergeben. Diese versprach ihm eine nach der Zahl der hergestellten Formdrehbänke (nebst zugehöriger Apparate) abgestufte Vergütung, nämlich Fr. 70'000.-- für die ersten sechs Drehbänke und Fr. 5000.-- für jede weitere solche Maschine. Durch gleichzeitigen Vertrag versprach Fischer der Sim SA, mit seinem Fachwissen und seiner praktischen Erfahrung bei der Umstellung auf das Formdrehverfahren mitzuarbeiten, die Ausführung zu überwachen und für die lückenlose Abwicklung des Programms besorgt zu sein. Die Sim SA verpflichtete sich, ihm für diese Tätigkeit bis zur Durchführung des Programms monatlich Fr. 850.-- zu bezahlen und überdies seine Reise- und Hotelspesen zu tragen. Auf Grund des ersten Vertrages zahlte die Sim SA in der Folge die versprochenen Fr. 70'000.--. Brandenberger kamen davon Fr. 60'000.-- zu, während Fr. 10'000.-- an Fischer gingen. Dieser erhielt ausserdem die im zweiten Vertrag vorgesehenen Leistungen der Sim SA Am 12. März 1949 erlaubte Fischer der Firma Goetze Werke, Friedrich Goetze AG in Burscheid (Deutsche Bundesrepublik), die von Brandenberger konstruierten Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen, und versprach ihr, sämtliche Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen, alle Betriebsmittel für die rationelle Erzeugung von Kolbenringen nach dem Formdrehverfahren und einen vollständigen Satz Pausen zu liefern. Die Firma verpflichtete sich, ihm für das Recht zur Herstellung von acht Maschinen 100'000 Mark und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine 15'000 Mark zu zahlen. Von einer ersten Zahlung von 60'000 Mark kamen 25% an Fischer und 75% an Brandenberger. Einen ähnlichen Vertrag schloss Fischer am 14. März 1949 mit der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik in Goeteborg (Schweden). Sie versprach ihm für die Ermächtigung zur Herstellung von sechs Formdrehbänken nebst zugehörigen Apparaten und Betriebsmitteln Fr. 120'000.-- und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine Fr. 15'000.--. Fischer verpflichtete sich, ihr gegen Vergütung seiner Spesen mit seinem Fachwissen und seinen praktischen Erfahrungen für die Erfüllung des Abkommens zur Verfügung zu stehen. Die Firma zahlte in der Folge Fr. 90'000.-- an. Davon gingen 75% an Brandenberger und 25% an Fischer. Brandenberger erstellte sämtliche in den Verträgen mit den drei Firmen vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen und lieferte sie ihnen unmittelbar oder durch Fischer aus. Er erteilte den Firmen auch weitere technische Ratschläge. B.- Auf Strafanzeige und Strafantrag der Nova-Werke Junker & Ferber klagte die Bezirksanwaltschaft Zürich Brandenberger und Fischer des vollendeten und versuchten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB), der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses (Art. 162 StGB) und des unlauteren Wettbewerbs (Art. 13 lit. g UWG) und Rogier der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses und der Gehülfenschaft zu unlauterem Wettbewerb an. Das Bezirksgericht Zürich sprach die Angeklagten am 14. Dezember 1951 frei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Nova-Werke Junker & Ferber erklärten die Berufung. Die Staatsanwaltschaft zog die ihrige später zurück. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach die Angeklagten am 3. Oktober 1952 frei. Den Tatbestand der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses verneinte es mit der Begründung, Brandenberger habe nicht durch unerlaubte Mittel ein solches Geheimnis ausgekundschaftet. Es habe ihn auch keine Norm verpflichtet, das Formdrehverfahren und dessen maschinelle Durchführung geheimzuhalten; dem Art. 356 OR könne im Gegenteil entnommen werden, dass der Dienstpflichtige nach Beendigung des Dienstvertrages Geschäftsgeheimnisse des Dienstherrn verwerten dürfe, wenn er nicht auf unredliche oder unerlaubte Art in ihren Besitz gekommen sei. Auch der Dienstvertrag vom Juni 1932 habe Brandenberger nicht zur Geheimhaltung verpflichtet. Er habe ihm erlaubt, zwei Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei Konkurrenten der Firma in ähnlicher Weise wie früher bei dieser tätig zu sein. Er habe somit auch seine Kenntnisse und Erfahrungen betreffend das Formdrehverfahren zum Vorteil eines neuen Arbeitgebers verwerten dürfen. Dass ihm frühere Notizen und Entwicklungsskizzen seine Konkurrenztätigkeit erleichtert hätten, ändere nichts. Er wäre vom Ablauf des Konkurrenzverbotes an bis zum Vertrag mit Fischer auch ohne diese Hilfsmittel in der Lage gewesen, die für das Formdrehverfahren benötigten Maschinen erneut zu konstruieren, zumal die Konstruktion nach Aussagen von Professor Leyer auch jedem anderen fähigen Ingenieur möglich gewesen wäre. Da Brandenberger zu seinem Vorgehen berechtigt gewesen sei, seien auch Fischer und Rogier freizusprechen. Von der Anklage des unlauteren Wettbewerbs sprach das Obergericht die Angeklagten frei, weil Brandenberger das Geheimnis der Nova-Werke Junker & Ferber nicht ausgekundschaftet und weil er von ihm auch nicht sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt habe. C.- Die Nova-Werke Junker & Ferber führen Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, die Angeklagten im Sinne der Anklage schuldig zu erklären und zu bestrafen, eventuell die Sache neu zu beurteilen. D.- Brandenberger, Fischer und Rogier beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. ..... Soweit Bestrafung der Beschwerdegegner wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) beantragt wird, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2. Nach Art. 162 StGB ist strafbar, wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät (Abs. 1 ) oder den Verrat sich zunutze macht (Abs. 2). a) Gegenstand eines Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung bilden alle einen Fabrikationsvorgang betreffenden und weder offenkundigen noch allgemein zugänglichen Tatsachen, an deren Geheimhaltung der den Vorgang Beherrschende ein berechtigtes Interesse hat und die er tatsächlich geheimhalten will (vgl. BGE 64 II 170). Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall auf die Maschinen zu, mit denen die Beschwerdeführerin das von Emil Junker erdachte Formdrehverfahren zur Herstellung von Kolbenringen anwendet. Die Konstruktion dieser Maschinen war weder offenkundig noch allgemein zugänglich, als Brandenberger die ihm zur Last gelegten Handlungen beging, ansonst nicht zu verstehen wäre, weshalb die Sim SA und die beiden ausländischen Firmen für die Kenntnisse, die er ihnen vermittelte, Vergütungen versprachen, die weit über das Honorar hinausgingen, das er für die Herstellung der Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen billigerweise hätte verlangen können. Dass nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz jeder andere fähige Ingenieur solche Maschinen auch hätte konstruieren können, ändert nichts daran, dass die konkrete Lösung des Problems, die die Beschwerdeführerin seinerzeit mit Hilfe Brandenbergers gefunden hatte, ein Geheimnis war, dessen Aufdeckung dem Aussenstehenden eigene Forschungsarbeit erübrigte. Trägerin dieses Geheimnisses war die Beschwerdeführerin, die die Maschinen durch einen eigens zu diesem Zwecke angestellten Ingenieur, den Beschwerdegegner Brandenberger, hatte konstruieren lassen. Ob Junker eine eigene schöpferische Idee zur Entwicklung der Konstruktionen beigetragen hat oder diese das ausschliessliche Ergebnis der Forschung des Dienstpflichtigen bilden, ist unerheblich, wie auch nichts darauf ankommt, dass Brandenberger einen Teil der Konstruktionen in seiner Privatwohnung und ohne Inanspruchnahme betrieblicher Einrichtungen seiner Arbeitgeberin entworfen und in Entwicklungszeichnungen, die bei der Auflösung des Dienstverhältnisses in seinem Besitze blieben, festgehalten hat. Entscheidend ist, dass er für seine Tätigkeit als Dienstpflichtiger entlöhnt worden ist. Die Dienstherrin hat damit Anspruch auf das Ergebnis der Tätigkeit erlangt. Da das Gesetz sogar Erfindungen, die der Dienstpflichtige in Ausübung einer zu seinen dienstlichen Obliegenheiten gehörenden Erfindertätigkeit macht, dem Dienstherrn zuweist (Art. 343 OR), kann es nicht zulassen wollen, dass das immaterielle Rechtsgut des Fabrikationsgeheimnisses nicht ebenfalls dem Dienstherrn, sondern dem Dienstpflichtigen zustehe. Die Beschwerdeführerin hatte ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung. Ihr musste daran liegen, den Konkurrenten die Herstellung solcher Maschinen nicht durch Bekanntgabe ihrer eigenen Konstruktionen zu erleichtern. Die Preisgabe des Geheimnisses konnte das Auftauchen von Konkurrenzprodukten (im Formdrehverfahren hergestellten Kolbenringen) beschleunigen oder die Unkosten des Konkurrenten und damit den Preis dieser Erzeugnisse verbilligen. Auch der Wille der Beschwerdeführerin, ihre Maschinen geheimzuhalten, steht fest. Er ergibt sich daraus, dass sie Brandenberger mit Schreiben vom 20. Juni 1932 die Verpflichtung zur Geheimhaltung auferlegte. Diese Verpflichtung bezog sich nicht etwa bloss auf Konstruktionen, die im Betriebe der Beschwerdeführerin schon bestanden, sondern vor allem auch auf jene, die Brandenberger schaffen half und von denen er daher dank seiner dienstlichen Tätigkeit in erster Linie Kenntnis hatte. b) Brandenberger verpflichtete sich am 21. Juni 1932 durch Annahme des Antrages der Beschwerdeführerin, deren Konstruktionen "streng geheim zu halten". Die Auffassung der Vorinstanz, dass diese Pflicht zwei Jahre nach Auflösung des Dienstverhältnisses erloschen sei, hält nicht stand. Der Dienstentlassene kann wie jeder Dritte auf eigene oder fremde Rechnung in wirtschaftlichen Wettbewerb zum früheren Arbeitgeber treten, ohne ein Fabrikationsgeheimnis, von dem er im früheren Dienstverhältnis Kenntnis erlangt hat, notwendigerweise zu verletzen, wie umgekehrt auch denkbar ist, dass er ein solches Geheimnis preisgebe, ohne dem früheren Dienstherrn Konkurrenz zu machen. Auch Brandenberger wäre es an sich möglich gewesen, das Konkurrenzverbot zu übertreten, ohne die Geheimhaltungspflicht zu verletzen; denn die im Dienstvertrag eingegangene Verpflichtung, nicht "in ähnlicher Art tätig zu sein", hatte nicht bloss den Sinn, dass er nach Auflösung des Dienstverhältnisses für sich oder Dritte keine Maschinen für das Formdrehverfahren konstruieren, sondern dass er der Beschwerdeführerin überhaupt nicht als Maschinenkonstrukteur Konkurrenz machen dürfe. Dass das Konkurrenzverbot zwei Jahre nach Auflösung des Vertrages dahinfiel, enthob ihn deshalb nicht ohne weiteres auch der Pflicht, die für das Formdrehverfahren konstruierten Maschinen weiterhin geheimzuhalten. Dass diese Pflicht in gleicher Weise befristet sein sollte wie das Konkurrenzverbot, lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Schreibens vom 20. Juni 1932 ableiten. Beide Verpflichtungen sind zwar in ein und demselben Satze behandelt. Daraus kann aber umsoweniger auf eine Befristung der Geheimhaltungspflicht geschlossen werden, als ein Dienstnehmer auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die in seinem Dienste wahrgenommenen Dinge, falls deren Geheimcharakter ihm bewusst ist, während und nach Auflösung des Dienstvertrages geheimzuhalten hat, wenn die Umstände darauf schliessen lassen, er sei nur unter der Voraussetzung der Verschwiegenheit in die Geheimnisse eingeweiht worden, und wenn überdies die vertraglichen Grundlagen, seine Person und Ausbildung, seine Stellung im Geschäft, sein Arbeitsgebiet und seine Entlöhnung dazu in einer gewissen Beziehung stehen (BGE 64 II 172). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die dienstlichen Obliegenheiten Brandenbergers bestanden gerade darin, die für die Verwirklichung des Formdrehverfahrens benötigten Maschinen zu konstruieren. Er bezog einen Lohn, der in Anbetracht der damals herrschenden Wirtschaftskrise, der damaligen ordentlichen Gehaltsverhältnisse, des Geldwertes und des Alters des Dienstnehmers ziemlich hoch war. Auch konnte Brandenberger nicht nur angesichts der ausdrücklich anerkannten Geheimhaltungspflicht, sondern auch angesichts der von der Beschwerdeführerin von Anfang an erstrebten besonderen technischen und wirtschaftlichen Vorteile des neuen Verfahrens nicht entgehen, dass seine Dienstherrin wesentlich daran interessiert war, die entwickelten Konstruktionen geheimzuhalten, und zwar besonders auch nach Ablauf des Patentschutzes für das Formdrehverfahren. Dass er solange zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, als nicht die Beschwerdeführerin selber das Geheimnis lüften werde oder die fraglichen Konstruktionen sonstwie allgemein bekannt würden, verstand sich unter diesen Umständen geradezu von selbst. c) Indem Brandenberger die in den Verträgen mit der Sim SA, der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen an diese Firmen auslieferte und ihnen technische Ratschläge für die Konstruktion der Maschinen erteilte, verriet er das Fabrikationsgeheimnis der Beschwerdeführerin. Dieses Tatbestandsmerkmal wäre selbst dann erfüllt, wenn es Brandenberger im Jahre 1948 noch möglich gewesen sein sollte, die Maschinen ohne Verwendung der Entwicklungszeichnungen, die er nach Auflösung des Dienstverhältnisses zurückbehalten hatte, zu rekonstruieren; denn auch das war ihm auf Grund des Vertrages verboten. Fischer machte sich den Verrat zunutze, indem er aus dem Vertragsverhältnis zwischen Brandenberger und der Sim SA eigene Vorteile zog. Dass er sich nach Art. 162 Abs. 2 StGB auch dadurch vergangen habe, dass er aus den Verträgen mit den ausländischen Firmen Nutzen zog, wirft ihm die Anklage nicht vor. Rogier zog aus dem Verrat persönlich keine Vorteile, da nicht er, sondern die Sim SA Vertragspartei war. Wäre sie eine natürliche Person, so müsste sie als Täter des in Art. 162 Abs. 2 StGB umschriebenen Vergehens zur Rechenschaft gezogen werden. Als juristische Person kann sie es nicht. Rogier aber, der für sie handelte, hätte für sie nur einzustehen, wenn das Gesetz eine entsprechende Bestimmung enthielte (Art. 1 StGB). Das trifft nicht zu. Art. 172 Abs. 1 StGB, der für eine Reihe anderer Vermögensdelikte des zweiten Titels (Entzug und Veruntreuung von Pfandsachen und Retentionsgegenständen, Konkurs- und Betreibungsverbrechen und -vergehen) die im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person handelnden Direktoren usw. als Täter strafbar erklärt, führt Art. 162 StGB nicht an. Rogier kann auch nicht als Gehülfe bestraft werden. Gehülfe der Sim SA war er nicht, weil diese nicht strafbar ist, Gehülfenschaft aber voraussetzt, dass ein Haupttäter sich strafbar gemacht habe (BGE 74 IV 123). Die Stellung eines Gehülfen Brandenbergers und Fischers sodann hatte er nicht, weil seine Mitwirkung nicht über das hinausging, was begrifflich notwendig war, damit diese beiden das Fabrikationsgeheimnis an die Sim SA überhaupt verraten konnten; er befand sich, was die Verletzung des Fabrikationsgeheimnisses betrifft, bloss in der Stellung eines sogenannten notwendigen Teilnehmers (vgl. HAFTER, Allgem. Teil § 43 Ziff. 2; LOGOZ, Vorbem. zu Art. 24 ff. Ziff. 3). Wirkt ein solcher nicht weitergehend mit, als begriffsnotwendig ist, damit der andere das Verbrechen überhaupt begehen kann, so ist er nur strafbar, wenn das Gesetz auch ihn zum Täter stempelt. Von dieser Auffassung geht denn auch Art. 162 StGB aus, indem er die Personen, die den Verrat sich zunutze machen, gleich dem, der ihn begeht, mit Strafe bedroht. Rogier ist daher von der Anklage der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses freizusprechen. ... 3. Nach Art. 13 lit. g UWG ist strafbar, wer sich unlauteren Wettbewerbs schuldig macht, indem er vorsätzlich Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse verwertet oder andern mitteilt, die er ausgekundschaftet oder von denen er sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt hat. a) Der Begriff des Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung deckt sich mit dem Begriff des Fabrikationsgeheimnisses nach Art. 162 StGB. Art. 13 lit. g UWG ist denn auch, mit gewissen Änderungen, aus Art. 162 StGB übernommen worden, in dem die Bestimmung bis zum Erlass des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb als Absatz 3 enthalten war. b) Die Anklage geht davon aus, Brandenberger und Fischer hätten durch den Abschluss und die Ausführung der Verträge mit der Sim SA das der Beschwerdeführerin zustehende Fabrikationsgeheimnis im Sinne des Art. 13 lit. g UWG verwertet und mitgeteilt und Rogier habe ihnen dadurch, dass er im Namen der Sim SA mit ihnen verhandelte und Verträge abschloss, bei der Verwertung und Mitteilung des Geheimnisses im Sinne des Art. 25 StGB geholfen. Damit verkennt der Ankläger, dass als Täter des unlauteren Wettbewerbes nicht Brandenberger und Fischer, sondern nur die Organe der Sim SA in Betracht kommen können; denn nicht Brandenberger und Fischer traten in wirtschaftlichen Wettbewerb zu der Beschwerdeführerin, sondern das Wettbewerbsverhältnis, das durch die Verwertung des Fabrikationsgeheimnisses zu einem unlauteren gestaltet worden sein soll, bestand zwischen der Sim SA und der Beschwerdeführerin. Dass zur Zeit der Tat ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Täter und dem Geschädigten bestehen muss, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit den einleitenden Worten des Art. 13 UWG. Wenn unlauterer Wettbewerb überhaupt vorliegt, ist daher Rogier in seiner Eigenschaft als handelndes Organ der Sim SA (Art. 15 UWG) als Täter zu bestrafen, wogegen Brandenberger und Fischer, die durch ihre Tat den Wettbewerb der Sim SA förderten, nur als Gehülfen sich allenfalls gegen Art. 13 lit. g UWG vergangen haben. Auch wegen der Förderung des unlauteren Wettbewerbs der beiden ausländischen Firmen können Brandenberger und Fischer nicht als Täter, sondern nur allenfalls als Gehülfen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass gegen die beiden Firmen keine Anklage erhoben worden ist, steht der Bestrafung Brandenbergers und Fischers nicht im Wege; Gehülfenschaft setzt bloss voraus, dass der Haupttäter sich strafbar gemacht habe, nicht auch, dass er für seine Tat bestraft werde (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 15. November 1945 i.S. Duchêne). Dass sich die Organe der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik im Sinne des Art. 13 lit. g UWG des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht haben, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie möglicherweise bloss im Ausland gehandelt haben. Da sich ihre Tat gegen Schweizer richtete, ist sie gemäss Art. 5 StGB nach schweizerischem Recht zu beurteilen, wenn sie auch nach dem Rechte des Begehungsortes strafbar ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Vorinstanz allenfalls auf Grund des deutschen bzw. schwedischen Rechts zu beurteilen haben. Ob Rogier als Täter, Brandenberger und Fischer dagegen als Gehülfen im vorliegenden Verfahren bestraft werden können, obschon die Anklage ersterem Gehülfenschaft, letzteren beiden dagegen Täterschaft vorwirft, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts, die dem Entscheid der Vorinstanz vorbehalten bleibt. ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, dahin teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 3. Oktober 1952 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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1. Art. 162 StGB, Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses. a) Was ist ein Fabrikationsgeheimnis? Wem steht es zu, wenn ein Dienstpfiichtiger es schaffen hilft? (Erw. 2 a). b) Bestand und Dauer der vertraglichen Pflicht, ein Fabrikationsgeheimnis zu wahren (Erw. 2 b). c) Das handelnde Organ einer juristischen Person, die sich den Verrat eines Fabrikationsgeheimnisses zunutze macht, ist weder nach Abs. 2, noch als Gehülfe des sich nach Abs. 1 vergehenden Täters strafbar (Erw. 2 c). 2. Art. 13 lit. g UWG, unlauterer Wettbewerb durch Verwertung eines Fabrikationsgeheimnisses. a) Fabrikationsgeheimnis (Erw. 3 a). b) Täterschaft setzt wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen dem Täter und dem Geschädigten voraus (Erw. 3 b). c) Gehülfenschaft setzt nicht voraus, dass der Täter bestraft werde (Erw. 3 b).
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Sachverhalt ab Seite 23 A.- Die Kollektivgesellschaft Nova-Werke Junker & Ferber in Zürich stellt Kolbenringe mit grossem geschäftlichem Erfolge in einem von ihrem Gesellschafter Emil Junker erdachten Verfahren, das am 4. April 1938 in der Schweiz zur Patentierung angemeldet und am 31. Juli 1942 patentiert worden ist, in der Weise her, dass sie sie, um ihnen überall gleiche Spannung zu verleihen, in entspanntem Zustande auf Unrundform dreht und erst nachher ausschneidet. Die zur Anwendung dieses Verfahrens (Formdrehverfahren) benötigten (nicht patentierten) Maschinen liess sie durch Dr. ing. Heinrich Brandenberger, geb. 1896, konstruieren, den sie zu diesem Zwecke anstellte. In ihrem die Anstellungsbedingungen enthaltenden Brief an Brandenberger vom 20. Juni 1932 führte sie aus: "Ihr Monatsgehalt beträgt 800 Frcs. (achthundert). Der Eintritt erfolgt am 1. September dieses Jahres. Die ersten drei Monate sind von beiden Seiten unkündbar, nachher kommt als Kündigungsbedingung die Bestimmung des schweizerischen Obligationenrechts in Betracht. - Sie verpflichten sich, unsere Konstruktionen streng geheim zu halten und auch im Falle eines eventuellen Austritts bei uns mindestens während zwei Jahren nach Ihrem Austritt bei keiner Konkurrenz, sei es im Inland oder Ausland, in ähnlicher Art tätig zu sein." Brandenberger nahm diese Vorschläge mit Schreiben vom 21. Juni 1932 an. Am 27. Mai 1937 erhielt er von der Firma die Mitteilung: "Nachdem die Entwicklung der Neueinrichtung unserer Kolbenring-Abteilung beendet ist und wir keine weiteren Maschinen mehr auszuführen gedenken, lösen wir das Konstruktionsbureau auf und sehen uns genötigt, Ihnen unter Verdankung der geleisteten Dienste per 31. Juli 1937 zu kündigen." Brandenberger arbeitete von da an nur noch teilweise in der Firma. Auf 31. März 1939 wurde er vollständig entlassen. Bei seinem Austritt bestätigte er die Verpflichtung, die Konstruktionen streng geheim zu halten und während mindestens zwei Jahren bei keiner Konkurrenz in ähnlicher Art tätig zu sein. Im Sommer 1948 schlug Ingenieur Ernst Fischer, der vom November 1925 bis Ende August 1942 als Betriebsassistent im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gestanden und namentlich in der Kolbenring-Abteilung gearbeitet hatte, dem Brandenberger mit Erfolg vor, die erwähnten Konstruktionen in- und ausländischen Konkurrenzfirmen anzubieten. Zur Rekonstruktion der Pläne der Maschinen verwendete Brandenberger Notizen und Entwicklungszeichnungen, die er im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gemacht und nach Auflösung des Dienstvertrages behalten hatte. Die Verhandlungen mit den Interessenten führte Fischer. Um sie zu erleichtern, trat er formell neben Brandenberger als Vertragspartei auf. Über den Inhalt der Verträge entschied dieser allein. Brandenberger verpflichtete sich, Fischer 25% des Erlöses aus den von diesem zustande gebrachten Geschäften zukommen zu lassen. Durch Vertrag vom 1. Juni 1948 zwischen der Sim SA in Morges einerseits, für die deren Generaldirektor Rogier handelte, sowie Brandenberger und Fischer anderseits, erlaubte Brandenberger der Sim SA, die Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen. Er verpflichtete sich, die notwendigen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen herzustellen und der Sim SA zu übergeben. Diese versprach ihm eine nach der Zahl der hergestellten Formdrehbänke (nebst zugehöriger Apparate) abgestufte Vergütung, nämlich Fr. 70'000.-- für die ersten sechs Drehbänke und Fr. 5000.-- für jede weitere solche Maschine. Durch gleichzeitigen Vertrag versprach Fischer der Sim SA, mit seinem Fachwissen und seiner praktischen Erfahrung bei der Umstellung auf das Formdrehverfahren mitzuarbeiten, die Ausführung zu überwachen und für die lückenlose Abwicklung des Programms besorgt zu sein. Die Sim SA verpflichtete sich, ihm für diese Tätigkeit bis zur Durchführung des Programms monatlich Fr. 850.-- zu bezahlen und überdies seine Reise- und Hotelspesen zu tragen. Auf Grund des ersten Vertrages zahlte die Sim SA in der Folge die versprochenen Fr. 70'000.--. Brandenberger kamen davon Fr. 60'000.-- zu, während Fr. 10'000.-- an Fischer gingen. Dieser erhielt ausserdem die im zweiten Vertrag vorgesehenen Leistungen der Sim SA Am 12. März 1949 erlaubte Fischer der Firma Goetze Werke, Friedrich Goetze AG in Burscheid (Deutsche Bundesrepublik), die von Brandenberger konstruierten Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen, und versprach ihr, sämtliche Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen, alle Betriebsmittel für die rationelle Erzeugung von Kolbenringen nach dem Formdrehverfahren und einen vollständigen Satz Pausen zu liefern. Die Firma verpflichtete sich, ihm für das Recht zur Herstellung von acht Maschinen 100'000 Mark und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine 15'000 Mark zu zahlen. Von einer ersten Zahlung von 60'000 Mark kamen 25% an Fischer und 75% an Brandenberger. Einen ähnlichen Vertrag schloss Fischer am 14. März 1949 mit der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik in Goeteborg (Schweden). Sie versprach ihm für die Ermächtigung zur Herstellung von sechs Formdrehbänken nebst zugehörigen Apparaten und Betriebsmitteln Fr. 120'000.-- und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine Fr. 15'000.--. Fischer verpflichtete sich, ihr gegen Vergütung seiner Spesen mit seinem Fachwissen und seinen praktischen Erfahrungen für die Erfüllung des Abkommens zur Verfügung zu stehen. Die Firma zahlte in der Folge Fr. 90'000.-- an. Davon gingen 75% an Brandenberger und 25% an Fischer. Brandenberger erstellte sämtliche in den Verträgen mit den drei Firmen vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen und lieferte sie ihnen unmittelbar oder durch Fischer aus. Er erteilte den Firmen auch weitere technische Ratschläge. B.- Auf Strafanzeige und Strafantrag der Nova-Werke Junker & Ferber klagte die Bezirksanwaltschaft Zürich Brandenberger und Fischer des vollendeten und versuchten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB), der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses (Art. 162 StGB) und des unlauteren Wettbewerbs (Art. 13 lit. g UWG) und Rogier der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses und der Gehülfenschaft zu unlauterem Wettbewerb an. Das Bezirksgericht Zürich sprach die Angeklagten am 14. Dezember 1951 frei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Nova-Werke Junker & Ferber erklärten die Berufung. Die Staatsanwaltschaft zog die ihrige später zurück. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach die Angeklagten am 3. Oktober 1952 frei. Den Tatbestand der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses verneinte es mit der Begründung, Brandenberger habe nicht durch unerlaubte Mittel ein solches Geheimnis ausgekundschaftet. Es habe ihn auch keine Norm verpflichtet, das Formdrehverfahren und dessen maschinelle Durchführung geheimzuhalten; dem Art. 356 OR könne im Gegenteil entnommen werden, dass der Dienstpflichtige nach Beendigung des Dienstvertrages Geschäftsgeheimnisse des Dienstherrn verwerten dürfe, wenn er nicht auf unredliche oder unerlaubte Art in ihren Besitz gekommen sei. Auch der Dienstvertrag vom Juni 1932 habe Brandenberger nicht zur Geheimhaltung verpflichtet. Er habe ihm erlaubt, zwei Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei Konkurrenten der Firma in ähnlicher Weise wie früher bei dieser tätig zu sein. Er habe somit auch seine Kenntnisse und Erfahrungen betreffend das Formdrehverfahren zum Vorteil eines neuen Arbeitgebers verwerten dürfen. Dass ihm frühere Notizen und Entwicklungsskizzen seine Konkurrenztätigkeit erleichtert hätten, ändere nichts. Er wäre vom Ablauf des Konkurrenzverbotes an bis zum Vertrag mit Fischer auch ohne diese Hilfsmittel in der Lage gewesen, die für das Formdrehverfahren benötigten Maschinen erneut zu konstruieren, zumal die Konstruktion nach Aussagen von Professor Leyer auch jedem anderen fähigen Ingenieur möglich gewesen wäre. Da Brandenberger zu seinem Vorgehen berechtigt gewesen sei, seien auch Fischer und Rogier freizusprechen. Von der Anklage des unlauteren Wettbewerbs sprach das Obergericht die Angeklagten frei, weil Brandenberger das Geheimnis der Nova-Werke Junker & Ferber nicht ausgekundschaftet und weil er von ihm auch nicht sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt habe. C.- Die Nova-Werke Junker & Ferber führen Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, die Angeklagten im Sinne der Anklage schuldig zu erklären und zu bestrafen, eventuell die Sache neu zu beurteilen. D.- Brandenberger, Fischer und Rogier beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. ..... Soweit Bestrafung der Beschwerdegegner wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) beantragt wird, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2. Nach Art. 162 StGB ist strafbar, wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät (Abs. 1 ) oder den Verrat sich zunutze macht (Abs. 2). a) Gegenstand eines Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung bilden alle einen Fabrikationsvorgang betreffenden und weder offenkundigen noch allgemein zugänglichen Tatsachen, an deren Geheimhaltung der den Vorgang Beherrschende ein berechtigtes Interesse hat und die er tatsächlich geheimhalten will (vgl. BGE 64 II 170). Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall auf die Maschinen zu, mit denen die Beschwerdeführerin das von Emil Junker erdachte Formdrehverfahren zur Herstellung von Kolbenringen anwendet. Die Konstruktion dieser Maschinen war weder offenkundig noch allgemein zugänglich, als Brandenberger die ihm zur Last gelegten Handlungen beging, ansonst nicht zu verstehen wäre, weshalb die Sim SA und die beiden ausländischen Firmen für die Kenntnisse, die er ihnen vermittelte, Vergütungen versprachen, die weit über das Honorar hinausgingen, das er für die Herstellung der Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen billigerweise hätte verlangen können. Dass nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz jeder andere fähige Ingenieur solche Maschinen auch hätte konstruieren können, ändert nichts daran, dass die konkrete Lösung des Problems, die die Beschwerdeführerin seinerzeit mit Hilfe Brandenbergers gefunden hatte, ein Geheimnis war, dessen Aufdeckung dem Aussenstehenden eigene Forschungsarbeit erübrigte. Trägerin dieses Geheimnisses war die Beschwerdeführerin, die die Maschinen durch einen eigens zu diesem Zwecke angestellten Ingenieur, den Beschwerdegegner Brandenberger, hatte konstruieren lassen. Ob Junker eine eigene schöpferische Idee zur Entwicklung der Konstruktionen beigetragen hat oder diese das ausschliessliche Ergebnis der Forschung des Dienstpflichtigen bilden, ist unerheblich, wie auch nichts darauf ankommt, dass Brandenberger einen Teil der Konstruktionen in seiner Privatwohnung und ohne Inanspruchnahme betrieblicher Einrichtungen seiner Arbeitgeberin entworfen und in Entwicklungszeichnungen, die bei der Auflösung des Dienstverhältnisses in seinem Besitze blieben, festgehalten hat. Entscheidend ist, dass er für seine Tätigkeit als Dienstpflichtiger entlöhnt worden ist. Die Dienstherrin hat damit Anspruch auf das Ergebnis der Tätigkeit erlangt. Da das Gesetz sogar Erfindungen, die der Dienstpflichtige in Ausübung einer zu seinen dienstlichen Obliegenheiten gehörenden Erfindertätigkeit macht, dem Dienstherrn zuweist (Art. 343 OR), kann es nicht zulassen wollen, dass das immaterielle Rechtsgut des Fabrikationsgeheimnisses nicht ebenfalls dem Dienstherrn, sondern dem Dienstpflichtigen zustehe. Die Beschwerdeführerin hatte ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung. Ihr musste daran liegen, den Konkurrenten die Herstellung solcher Maschinen nicht durch Bekanntgabe ihrer eigenen Konstruktionen zu erleichtern. Die Preisgabe des Geheimnisses konnte das Auftauchen von Konkurrenzprodukten (im Formdrehverfahren hergestellten Kolbenringen) beschleunigen oder die Unkosten des Konkurrenten und damit den Preis dieser Erzeugnisse verbilligen. Auch der Wille der Beschwerdeführerin, ihre Maschinen geheimzuhalten, steht fest. Er ergibt sich daraus, dass sie Brandenberger mit Schreiben vom 20. Juni 1932 die Verpflichtung zur Geheimhaltung auferlegte. Diese Verpflichtung bezog sich nicht etwa bloss auf Konstruktionen, die im Betriebe der Beschwerdeführerin schon bestanden, sondern vor allem auch auf jene, die Brandenberger schaffen half und von denen er daher dank seiner dienstlichen Tätigkeit in erster Linie Kenntnis hatte. b) Brandenberger verpflichtete sich am 21. Juni 1932 durch Annahme des Antrages der Beschwerdeführerin, deren Konstruktionen "streng geheim zu halten". Die Auffassung der Vorinstanz, dass diese Pflicht zwei Jahre nach Auflösung des Dienstverhältnisses erloschen sei, hält nicht stand. Der Dienstentlassene kann wie jeder Dritte auf eigene oder fremde Rechnung in wirtschaftlichen Wettbewerb zum früheren Arbeitgeber treten, ohne ein Fabrikationsgeheimnis, von dem er im früheren Dienstverhältnis Kenntnis erlangt hat, notwendigerweise zu verletzen, wie umgekehrt auch denkbar ist, dass er ein solches Geheimnis preisgebe, ohne dem früheren Dienstherrn Konkurrenz zu machen. Auch Brandenberger wäre es an sich möglich gewesen, das Konkurrenzverbot zu übertreten, ohne die Geheimhaltungspflicht zu verletzen; denn die im Dienstvertrag eingegangene Verpflichtung, nicht "in ähnlicher Art tätig zu sein", hatte nicht bloss den Sinn, dass er nach Auflösung des Dienstverhältnisses für sich oder Dritte keine Maschinen für das Formdrehverfahren konstruieren, sondern dass er der Beschwerdeführerin überhaupt nicht als Maschinenkonstrukteur Konkurrenz machen dürfe. Dass das Konkurrenzverbot zwei Jahre nach Auflösung des Vertrages dahinfiel, enthob ihn deshalb nicht ohne weiteres auch der Pflicht, die für das Formdrehverfahren konstruierten Maschinen weiterhin geheimzuhalten. Dass diese Pflicht in gleicher Weise befristet sein sollte wie das Konkurrenzverbot, lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Schreibens vom 20. Juni 1932 ableiten. Beide Verpflichtungen sind zwar in ein und demselben Satze behandelt. Daraus kann aber umsoweniger auf eine Befristung der Geheimhaltungspflicht geschlossen werden, als ein Dienstnehmer auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die in seinem Dienste wahrgenommenen Dinge, falls deren Geheimcharakter ihm bewusst ist, während und nach Auflösung des Dienstvertrages geheimzuhalten hat, wenn die Umstände darauf schliessen lassen, er sei nur unter der Voraussetzung der Verschwiegenheit in die Geheimnisse eingeweiht worden, und wenn überdies die vertraglichen Grundlagen, seine Person und Ausbildung, seine Stellung im Geschäft, sein Arbeitsgebiet und seine Entlöhnung dazu in einer gewissen Beziehung stehen (BGE 64 II 172). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die dienstlichen Obliegenheiten Brandenbergers bestanden gerade darin, die für die Verwirklichung des Formdrehverfahrens benötigten Maschinen zu konstruieren. Er bezog einen Lohn, der in Anbetracht der damals herrschenden Wirtschaftskrise, der damaligen ordentlichen Gehaltsverhältnisse, des Geldwertes und des Alters des Dienstnehmers ziemlich hoch war. Auch konnte Brandenberger nicht nur angesichts der ausdrücklich anerkannten Geheimhaltungspflicht, sondern auch angesichts der von der Beschwerdeführerin von Anfang an erstrebten besonderen technischen und wirtschaftlichen Vorteile des neuen Verfahrens nicht entgehen, dass seine Dienstherrin wesentlich daran interessiert war, die entwickelten Konstruktionen geheimzuhalten, und zwar besonders auch nach Ablauf des Patentschutzes für das Formdrehverfahren. Dass er solange zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, als nicht die Beschwerdeführerin selber das Geheimnis lüften werde oder die fraglichen Konstruktionen sonstwie allgemein bekannt würden, verstand sich unter diesen Umständen geradezu von selbst. c) Indem Brandenberger die in den Verträgen mit der Sim SA, der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen an diese Firmen auslieferte und ihnen technische Ratschläge für die Konstruktion der Maschinen erteilte, verriet er das Fabrikationsgeheimnis der Beschwerdeführerin. Dieses Tatbestandsmerkmal wäre selbst dann erfüllt, wenn es Brandenberger im Jahre 1948 noch möglich gewesen sein sollte, die Maschinen ohne Verwendung der Entwicklungszeichnungen, die er nach Auflösung des Dienstverhältnisses zurückbehalten hatte, zu rekonstruieren; denn auch das war ihm auf Grund des Vertrages verboten. Fischer machte sich den Verrat zunutze, indem er aus dem Vertragsverhältnis zwischen Brandenberger und der Sim SA eigene Vorteile zog. Dass er sich nach Art. 162 Abs. 2 StGB auch dadurch vergangen habe, dass er aus den Verträgen mit den ausländischen Firmen Nutzen zog, wirft ihm die Anklage nicht vor. Rogier zog aus dem Verrat persönlich keine Vorteile, da nicht er, sondern die Sim SA Vertragspartei war. Wäre sie eine natürliche Person, so müsste sie als Täter des in Art. 162 Abs. 2 StGB umschriebenen Vergehens zur Rechenschaft gezogen werden. Als juristische Person kann sie es nicht. Rogier aber, der für sie handelte, hätte für sie nur einzustehen, wenn das Gesetz eine entsprechende Bestimmung enthielte (Art. 1 StGB). Das trifft nicht zu. Art. 172 Abs. 1 StGB, der für eine Reihe anderer Vermögensdelikte des zweiten Titels (Entzug und Veruntreuung von Pfandsachen und Retentionsgegenständen, Konkurs- und Betreibungsverbrechen und -vergehen) die im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person handelnden Direktoren usw. als Täter strafbar erklärt, führt Art. 162 StGB nicht an. Rogier kann auch nicht als Gehülfe bestraft werden. Gehülfe der Sim SA war er nicht, weil diese nicht strafbar ist, Gehülfenschaft aber voraussetzt, dass ein Haupttäter sich strafbar gemacht habe (BGE 74 IV 123). Die Stellung eines Gehülfen Brandenbergers und Fischers sodann hatte er nicht, weil seine Mitwirkung nicht über das hinausging, was begrifflich notwendig war, damit diese beiden das Fabrikationsgeheimnis an die Sim SA überhaupt verraten konnten; er befand sich, was die Verletzung des Fabrikationsgeheimnisses betrifft, bloss in der Stellung eines sogenannten notwendigen Teilnehmers (vgl. HAFTER, Allgem. Teil § 43 Ziff. 2; LOGOZ, Vorbem. zu Art. 24 ff. Ziff. 3). Wirkt ein solcher nicht weitergehend mit, als begriffsnotwendig ist, damit der andere das Verbrechen überhaupt begehen kann, so ist er nur strafbar, wenn das Gesetz auch ihn zum Täter stempelt. Von dieser Auffassung geht denn auch Art. 162 StGB aus, indem er die Personen, die den Verrat sich zunutze machen, gleich dem, der ihn begeht, mit Strafe bedroht. Rogier ist daher von der Anklage der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses freizusprechen. ... 3. Nach Art. 13 lit. g UWG ist strafbar, wer sich unlauteren Wettbewerbs schuldig macht, indem er vorsätzlich Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse verwertet oder andern mitteilt, die er ausgekundschaftet oder von denen er sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt hat. a) Der Begriff des Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung deckt sich mit dem Begriff des Fabrikationsgeheimnisses nach Art. 162 StGB. Art. 13 lit. g UWG ist denn auch, mit gewissen Änderungen, aus Art. 162 StGB übernommen worden, in dem die Bestimmung bis zum Erlass des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb als Absatz 3 enthalten war. b) Die Anklage geht davon aus, Brandenberger und Fischer hätten durch den Abschluss und die Ausführung der Verträge mit der Sim SA das der Beschwerdeführerin zustehende Fabrikationsgeheimnis im Sinne des Art. 13 lit. g UWG verwertet und mitgeteilt und Rogier habe ihnen dadurch, dass er im Namen der Sim SA mit ihnen verhandelte und Verträge abschloss, bei der Verwertung und Mitteilung des Geheimnisses im Sinne des Art. 25 StGB geholfen. Damit verkennt der Ankläger, dass als Täter des unlauteren Wettbewerbes nicht Brandenberger und Fischer, sondern nur die Organe der Sim SA in Betracht kommen können; denn nicht Brandenberger und Fischer traten in wirtschaftlichen Wettbewerb zu der Beschwerdeführerin, sondern das Wettbewerbsverhältnis, das durch die Verwertung des Fabrikationsgeheimnisses zu einem unlauteren gestaltet worden sein soll, bestand zwischen der Sim SA und der Beschwerdeführerin. Dass zur Zeit der Tat ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Täter und dem Geschädigten bestehen muss, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit den einleitenden Worten des Art. 13 UWG. Wenn unlauterer Wettbewerb überhaupt vorliegt, ist daher Rogier in seiner Eigenschaft als handelndes Organ der Sim SA (Art. 15 UWG) als Täter zu bestrafen, wogegen Brandenberger und Fischer, die durch ihre Tat den Wettbewerb der Sim SA förderten, nur als Gehülfen sich allenfalls gegen Art. 13 lit. g UWG vergangen haben. Auch wegen der Förderung des unlauteren Wettbewerbs der beiden ausländischen Firmen können Brandenberger und Fischer nicht als Täter, sondern nur allenfalls als Gehülfen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass gegen die beiden Firmen keine Anklage erhoben worden ist, steht der Bestrafung Brandenbergers und Fischers nicht im Wege; Gehülfenschaft setzt bloss voraus, dass der Haupttäter sich strafbar gemacht habe, nicht auch, dass er für seine Tat bestraft werde (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 15. November 1945 i.S. Duchêne). Dass sich die Organe der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik im Sinne des Art. 13 lit. g UWG des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht haben, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie möglicherweise bloss im Ausland gehandelt haben. Da sich ihre Tat gegen Schweizer richtete, ist sie gemäss Art. 5 StGB nach schweizerischem Recht zu beurteilen, wenn sie auch nach dem Rechte des Begehungsortes strafbar ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Vorinstanz allenfalls auf Grund des deutschen bzw. schwedischen Rechts zu beurteilen haben. Ob Rogier als Täter, Brandenberger und Fischer dagegen als Gehülfen im vorliegenden Verfahren bestraft werden können, obschon die Anklage ersterem Gehülfenschaft, letzteren beiden dagegen Täterschaft vorwirft, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts, die dem Entscheid der Vorinstanz vorbehalten bleibt. ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, dahin teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 3. Oktober 1952 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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1. Art. 162 CP, violation du secret de fabrication. a) Qu'est-ce qu'un secret de fabrication? Lorsqu'un employé contribue à créer l'objet d'un secret de fabrication, à qui celui-ci appartient-il? (consid. 2 a). b) Existence et durée de l'obligation contractuelle de garder un secret de fabrication (consid. 2 b). c) Lorsqu'une personne morale met à profit la révélation d'un secret de fabrication, l'organe par lequel elle a agi n'est punissable ni en vertu de l'al. 2 ni comme complice de l'auteur qui a contrevenu à l'al. 1 (consid. 2 c). 2. Art. 13 litt. g LCD, concurrence déloyale par l'exploitation d'un secret de fabrication. a) Secret de fabrication (consid. 3 a). b) L'infraction n'est commise que si l'auteur et le lésé sont en concurrence économique (consid. 3 b). c) Le complice peut être puni même si l'auteur principal ne l'est pas (consid. 3 b).
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Sachverhalt ab Seite 23 A.- Die Kollektivgesellschaft Nova-Werke Junker & Ferber in Zürich stellt Kolbenringe mit grossem geschäftlichem Erfolge in einem von ihrem Gesellschafter Emil Junker erdachten Verfahren, das am 4. April 1938 in der Schweiz zur Patentierung angemeldet und am 31. Juli 1942 patentiert worden ist, in der Weise her, dass sie sie, um ihnen überall gleiche Spannung zu verleihen, in entspanntem Zustande auf Unrundform dreht und erst nachher ausschneidet. Die zur Anwendung dieses Verfahrens (Formdrehverfahren) benötigten (nicht patentierten) Maschinen liess sie durch Dr. ing. Heinrich Brandenberger, geb. 1896, konstruieren, den sie zu diesem Zwecke anstellte. In ihrem die Anstellungsbedingungen enthaltenden Brief an Brandenberger vom 20. Juni 1932 führte sie aus: "Ihr Monatsgehalt beträgt 800 Frcs. (achthundert). Der Eintritt erfolgt am 1. September dieses Jahres. Die ersten drei Monate sind von beiden Seiten unkündbar, nachher kommt als Kündigungsbedingung die Bestimmung des schweizerischen Obligationenrechts in Betracht. - Sie verpflichten sich, unsere Konstruktionen streng geheim zu halten und auch im Falle eines eventuellen Austritts bei uns mindestens während zwei Jahren nach Ihrem Austritt bei keiner Konkurrenz, sei es im Inland oder Ausland, in ähnlicher Art tätig zu sein." Brandenberger nahm diese Vorschläge mit Schreiben vom 21. Juni 1932 an. Am 27. Mai 1937 erhielt er von der Firma die Mitteilung: "Nachdem die Entwicklung der Neueinrichtung unserer Kolbenring-Abteilung beendet ist und wir keine weiteren Maschinen mehr auszuführen gedenken, lösen wir das Konstruktionsbureau auf und sehen uns genötigt, Ihnen unter Verdankung der geleisteten Dienste per 31. Juli 1937 zu kündigen." Brandenberger arbeitete von da an nur noch teilweise in der Firma. Auf 31. März 1939 wurde er vollständig entlassen. Bei seinem Austritt bestätigte er die Verpflichtung, die Konstruktionen streng geheim zu halten und während mindestens zwei Jahren bei keiner Konkurrenz in ähnlicher Art tätig zu sein. Im Sommer 1948 schlug Ingenieur Ernst Fischer, der vom November 1925 bis Ende August 1942 als Betriebsassistent im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gestanden und namentlich in der Kolbenring-Abteilung gearbeitet hatte, dem Brandenberger mit Erfolg vor, die erwähnten Konstruktionen in- und ausländischen Konkurrenzfirmen anzubieten. Zur Rekonstruktion der Pläne der Maschinen verwendete Brandenberger Notizen und Entwicklungszeichnungen, die er im Dienste der Nova-Werke Junker & Ferber gemacht und nach Auflösung des Dienstvertrages behalten hatte. Die Verhandlungen mit den Interessenten führte Fischer. Um sie zu erleichtern, trat er formell neben Brandenberger als Vertragspartei auf. Über den Inhalt der Verträge entschied dieser allein. Brandenberger verpflichtete sich, Fischer 25% des Erlöses aus den von diesem zustande gebrachten Geschäften zukommen zu lassen. Durch Vertrag vom 1. Juni 1948 zwischen der Sim SA in Morges einerseits, für die deren Generaldirektor Rogier handelte, sowie Brandenberger und Fischer anderseits, erlaubte Brandenberger der Sim SA, die Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen. Er verpflichtete sich, die notwendigen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen herzustellen und der Sim SA zu übergeben. Diese versprach ihm eine nach der Zahl der hergestellten Formdrehbänke (nebst zugehöriger Apparate) abgestufte Vergütung, nämlich Fr. 70'000.-- für die ersten sechs Drehbänke und Fr. 5000.-- für jede weitere solche Maschine. Durch gleichzeitigen Vertrag versprach Fischer der Sim SA, mit seinem Fachwissen und seiner praktischen Erfahrung bei der Umstellung auf das Formdrehverfahren mitzuarbeiten, die Ausführung zu überwachen und für die lückenlose Abwicklung des Programms besorgt zu sein. Die Sim SA verpflichtete sich, ihm für diese Tätigkeit bis zur Durchführung des Programms monatlich Fr. 850.-- zu bezahlen und überdies seine Reise- und Hotelspesen zu tragen. Auf Grund des ersten Vertrages zahlte die Sim SA in der Folge die versprochenen Fr. 70'000.--. Brandenberger kamen davon Fr. 60'000.-- zu, während Fr. 10'000.-- an Fischer gingen. Dieser erhielt ausserdem die im zweiten Vertrag vorgesehenen Leistungen der Sim SA Am 12. März 1949 erlaubte Fischer der Firma Goetze Werke, Friedrich Goetze AG in Burscheid (Deutsche Bundesrepublik), die von Brandenberger konstruierten Maschinen für das Formdrehverfahren herzustellen, und versprach ihr, sämtliche Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen, alle Betriebsmittel für die rationelle Erzeugung von Kolbenringen nach dem Formdrehverfahren und einen vollständigen Satz Pausen zu liefern. Die Firma verpflichtete sich, ihm für das Recht zur Herstellung von acht Maschinen 100'000 Mark und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine 15'000 Mark zu zahlen. Von einer ersten Zahlung von 60'000 Mark kamen 25% an Fischer und 75% an Brandenberger. Einen ähnlichen Vertrag schloss Fischer am 14. März 1949 mit der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik in Goeteborg (Schweden). Sie versprach ihm für die Ermächtigung zur Herstellung von sechs Formdrehbänken nebst zugehörigen Apparaten und Betriebsmitteln Fr. 120'000.-- und für das Recht zur Herstellung jeder weiteren Maschine Fr. 15'000.--. Fischer verpflichtete sich, ihr gegen Vergütung seiner Spesen mit seinem Fachwissen und seinen praktischen Erfahrungen für die Erfüllung des Abkommens zur Verfügung zu stehen. Die Firma zahlte in der Folge Fr. 90'000.-- an. Davon gingen 75% an Brandenberger und 25% an Fischer. Brandenberger erstellte sämtliche in den Verträgen mit den drei Firmen vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen und lieferte sie ihnen unmittelbar oder durch Fischer aus. Er erteilte den Firmen auch weitere technische Ratschläge. B.- Auf Strafanzeige und Strafantrag der Nova-Werke Junker & Ferber klagte die Bezirksanwaltschaft Zürich Brandenberger und Fischer des vollendeten und versuchten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB), der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses (Art. 162 StGB) und des unlauteren Wettbewerbs (Art. 13 lit. g UWG) und Rogier der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses und der Gehülfenschaft zu unlauterem Wettbewerb an. Das Bezirksgericht Zürich sprach die Angeklagten am 14. Dezember 1951 frei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Nova-Werke Junker & Ferber erklärten die Berufung. Die Staatsanwaltschaft zog die ihrige später zurück. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach die Angeklagten am 3. Oktober 1952 frei. Den Tatbestand der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses verneinte es mit der Begründung, Brandenberger habe nicht durch unerlaubte Mittel ein solches Geheimnis ausgekundschaftet. Es habe ihn auch keine Norm verpflichtet, das Formdrehverfahren und dessen maschinelle Durchführung geheimzuhalten; dem Art. 356 OR könne im Gegenteil entnommen werden, dass der Dienstpflichtige nach Beendigung des Dienstvertrages Geschäftsgeheimnisse des Dienstherrn verwerten dürfe, wenn er nicht auf unredliche oder unerlaubte Art in ihren Besitz gekommen sei. Auch der Dienstvertrag vom Juni 1932 habe Brandenberger nicht zur Geheimhaltung verpflichtet. Er habe ihm erlaubt, zwei Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei Konkurrenten der Firma in ähnlicher Weise wie früher bei dieser tätig zu sein. Er habe somit auch seine Kenntnisse und Erfahrungen betreffend das Formdrehverfahren zum Vorteil eines neuen Arbeitgebers verwerten dürfen. Dass ihm frühere Notizen und Entwicklungsskizzen seine Konkurrenztätigkeit erleichtert hätten, ändere nichts. Er wäre vom Ablauf des Konkurrenzverbotes an bis zum Vertrag mit Fischer auch ohne diese Hilfsmittel in der Lage gewesen, die für das Formdrehverfahren benötigten Maschinen erneut zu konstruieren, zumal die Konstruktion nach Aussagen von Professor Leyer auch jedem anderen fähigen Ingenieur möglich gewesen wäre. Da Brandenberger zu seinem Vorgehen berechtigt gewesen sei, seien auch Fischer und Rogier freizusprechen. Von der Anklage des unlauteren Wettbewerbs sprach das Obergericht die Angeklagten frei, weil Brandenberger das Geheimnis der Nova-Werke Junker & Ferber nicht ausgekundschaftet und weil er von ihm auch nicht sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt habe. C.- Die Nova-Werke Junker & Ferber führen Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, die Angeklagten im Sinne der Anklage schuldig zu erklären und zu bestrafen, eventuell die Sache neu zu beurteilen. D.- Brandenberger, Fischer und Rogier beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. ..... Soweit Bestrafung der Beschwerdegegner wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) beantragt wird, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2. Nach Art. 162 StGB ist strafbar, wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät (Abs. 1 ) oder den Verrat sich zunutze macht (Abs. 2). a) Gegenstand eines Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung bilden alle einen Fabrikationsvorgang betreffenden und weder offenkundigen noch allgemein zugänglichen Tatsachen, an deren Geheimhaltung der den Vorgang Beherrschende ein berechtigtes Interesse hat und die er tatsächlich geheimhalten will (vgl. BGE 64 II 170). Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall auf die Maschinen zu, mit denen die Beschwerdeführerin das von Emil Junker erdachte Formdrehverfahren zur Herstellung von Kolbenringen anwendet. Die Konstruktion dieser Maschinen war weder offenkundig noch allgemein zugänglich, als Brandenberger die ihm zur Last gelegten Handlungen beging, ansonst nicht zu verstehen wäre, weshalb die Sim SA und die beiden ausländischen Firmen für die Kenntnisse, die er ihnen vermittelte, Vergütungen versprachen, die weit über das Honorar hinausgingen, das er für die Herstellung der Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen billigerweise hätte verlangen können. Dass nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz jeder andere fähige Ingenieur solche Maschinen auch hätte konstruieren können, ändert nichts daran, dass die konkrete Lösung des Problems, die die Beschwerdeführerin seinerzeit mit Hilfe Brandenbergers gefunden hatte, ein Geheimnis war, dessen Aufdeckung dem Aussenstehenden eigene Forschungsarbeit erübrigte. Trägerin dieses Geheimnisses war die Beschwerdeführerin, die die Maschinen durch einen eigens zu diesem Zwecke angestellten Ingenieur, den Beschwerdegegner Brandenberger, hatte konstruieren lassen. Ob Junker eine eigene schöpferische Idee zur Entwicklung der Konstruktionen beigetragen hat oder diese das ausschliessliche Ergebnis der Forschung des Dienstpflichtigen bilden, ist unerheblich, wie auch nichts darauf ankommt, dass Brandenberger einen Teil der Konstruktionen in seiner Privatwohnung und ohne Inanspruchnahme betrieblicher Einrichtungen seiner Arbeitgeberin entworfen und in Entwicklungszeichnungen, die bei der Auflösung des Dienstverhältnisses in seinem Besitze blieben, festgehalten hat. Entscheidend ist, dass er für seine Tätigkeit als Dienstpflichtiger entlöhnt worden ist. Die Dienstherrin hat damit Anspruch auf das Ergebnis der Tätigkeit erlangt. Da das Gesetz sogar Erfindungen, die der Dienstpflichtige in Ausübung einer zu seinen dienstlichen Obliegenheiten gehörenden Erfindertätigkeit macht, dem Dienstherrn zuweist (Art. 343 OR), kann es nicht zulassen wollen, dass das immaterielle Rechtsgut des Fabrikationsgeheimnisses nicht ebenfalls dem Dienstherrn, sondern dem Dienstpflichtigen zustehe. Die Beschwerdeführerin hatte ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung. Ihr musste daran liegen, den Konkurrenten die Herstellung solcher Maschinen nicht durch Bekanntgabe ihrer eigenen Konstruktionen zu erleichtern. Die Preisgabe des Geheimnisses konnte das Auftauchen von Konkurrenzprodukten (im Formdrehverfahren hergestellten Kolbenringen) beschleunigen oder die Unkosten des Konkurrenten und damit den Preis dieser Erzeugnisse verbilligen. Auch der Wille der Beschwerdeführerin, ihre Maschinen geheimzuhalten, steht fest. Er ergibt sich daraus, dass sie Brandenberger mit Schreiben vom 20. Juni 1932 die Verpflichtung zur Geheimhaltung auferlegte. Diese Verpflichtung bezog sich nicht etwa bloss auf Konstruktionen, die im Betriebe der Beschwerdeführerin schon bestanden, sondern vor allem auch auf jene, die Brandenberger schaffen half und von denen er daher dank seiner dienstlichen Tätigkeit in erster Linie Kenntnis hatte. b) Brandenberger verpflichtete sich am 21. Juni 1932 durch Annahme des Antrages der Beschwerdeführerin, deren Konstruktionen "streng geheim zu halten". Die Auffassung der Vorinstanz, dass diese Pflicht zwei Jahre nach Auflösung des Dienstverhältnisses erloschen sei, hält nicht stand. Der Dienstentlassene kann wie jeder Dritte auf eigene oder fremde Rechnung in wirtschaftlichen Wettbewerb zum früheren Arbeitgeber treten, ohne ein Fabrikationsgeheimnis, von dem er im früheren Dienstverhältnis Kenntnis erlangt hat, notwendigerweise zu verletzen, wie umgekehrt auch denkbar ist, dass er ein solches Geheimnis preisgebe, ohne dem früheren Dienstherrn Konkurrenz zu machen. Auch Brandenberger wäre es an sich möglich gewesen, das Konkurrenzverbot zu übertreten, ohne die Geheimhaltungspflicht zu verletzen; denn die im Dienstvertrag eingegangene Verpflichtung, nicht "in ähnlicher Art tätig zu sein", hatte nicht bloss den Sinn, dass er nach Auflösung des Dienstverhältnisses für sich oder Dritte keine Maschinen für das Formdrehverfahren konstruieren, sondern dass er der Beschwerdeführerin überhaupt nicht als Maschinenkonstrukteur Konkurrenz machen dürfe. Dass das Konkurrenzverbot zwei Jahre nach Auflösung des Vertrages dahinfiel, enthob ihn deshalb nicht ohne weiteres auch der Pflicht, die für das Formdrehverfahren konstruierten Maschinen weiterhin geheimzuhalten. Dass diese Pflicht in gleicher Weise befristet sein sollte wie das Konkurrenzverbot, lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Schreibens vom 20. Juni 1932 ableiten. Beide Verpflichtungen sind zwar in ein und demselben Satze behandelt. Daraus kann aber umsoweniger auf eine Befristung der Geheimhaltungspflicht geschlossen werden, als ein Dienstnehmer auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die in seinem Dienste wahrgenommenen Dinge, falls deren Geheimcharakter ihm bewusst ist, während und nach Auflösung des Dienstvertrages geheimzuhalten hat, wenn die Umstände darauf schliessen lassen, er sei nur unter der Voraussetzung der Verschwiegenheit in die Geheimnisse eingeweiht worden, und wenn überdies die vertraglichen Grundlagen, seine Person und Ausbildung, seine Stellung im Geschäft, sein Arbeitsgebiet und seine Entlöhnung dazu in einer gewissen Beziehung stehen (BGE 64 II 172). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die dienstlichen Obliegenheiten Brandenbergers bestanden gerade darin, die für die Verwirklichung des Formdrehverfahrens benötigten Maschinen zu konstruieren. Er bezog einen Lohn, der in Anbetracht der damals herrschenden Wirtschaftskrise, der damaligen ordentlichen Gehaltsverhältnisse, des Geldwertes und des Alters des Dienstnehmers ziemlich hoch war. Auch konnte Brandenberger nicht nur angesichts der ausdrücklich anerkannten Geheimhaltungspflicht, sondern auch angesichts der von der Beschwerdeführerin von Anfang an erstrebten besonderen technischen und wirtschaftlichen Vorteile des neuen Verfahrens nicht entgehen, dass seine Dienstherrin wesentlich daran interessiert war, die entwickelten Konstruktionen geheimzuhalten, und zwar besonders auch nach Ablauf des Patentschutzes für das Formdrehverfahren. Dass er solange zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, als nicht die Beschwerdeführerin selber das Geheimnis lüften werde oder die fraglichen Konstruktionen sonstwie allgemein bekannt würden, verstand sich unter diesen Umständen geradezu von selbst. c) Indem Brandenberger die in den Verträgen mit der Sim SA, der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik vorgesehenen Zeichnungen, Stücklisten und Tabellen an diese Firmen auslieferte und ihnen technische Ratschläge für die Konstruktion der Maschinen erteilte, verriet er das Fabrikationsgeheimnis der Beschwerdeführerin. Dieses Tatbestandsmerkmal wäre selbst dann erfüllt, wenn es Brandenberger im Jahre 1948 noch möglich gewesen sein sollte, die Maschinen ohne Verwendung der Entwicklungszeichnungen, die er nach Auflösung des Dienstverhältnisses zurückbehalten hatte, zu rekonstruieren; denn auch das war ihm auf Grund des Vertrages verboten. Fischer machte sich den Verrat zunutze, indem er aus dem Vertragsverhältnis zwischen Brandenberger und der Sim SA eigene Vorteile zog. Dass er sich nach Art. 162 Abs. 2 StGB auch dadurch vergangen habe, dass er aus den Verträgen mit den ausländischen Firmen Nutzen zog, wirft ihm die Anklage nicht vor. Rogier zog aus dem Verrat persönlich keine Vorteile, da nicht er, sondern die Sim SA Vertragspartei war. Wäre sie eine natürliche Person, so müsste sie als Täter des in Art. 162 Abs. 2 StGB umschriebenen Vergehens zur Rechenschaft gezogen werden. Als juristische Person kann sie es nicht. Rogier aber, der für sie handelte, hätte für sie nur einzustehen, wenn das Gesetz eine entsprechende Bestimmung enthielte (Art. 1 StGB). Das trifft nicht zu. Art. 172 Abs. 1 StGB, der für eine Reihe anderer Vermögensdelikte des zweiten Titels (Entzug und Veruntreuung von Pfandsachen und Retentionsgegenständen, Konkurs- und Betreibungsverbrechen und -vergehen) die im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person handelnden Direktoren usw. als Täter strafbar erklärt, führt Art. 162 StGB nicht an. Rogier kann auch nicht als Gehülfe bestraft werden. Gehülfe der Sim SA war er nicht, weil diese nicht strafbar ist, Gehülfenschaft aber voraussetzt, dass ein Haupttäter sich strafbar gemacht habe (BGE 74 IV 123). Die Stellung eines Gehülfen Brandenbergers und Fischers sodann hatte er nicht, weil seine Mitwirkung nicht über das hinausging, was begrifflich notwendig war, damit diese beiden das Fabrikationsgeheimnis an die Sim SA überhaupt verraten konnten; er befand sich, was die Verletzung des Fabrikationsgeheimnisses betrifft, bloss in der Stellung eines sogenannten notwendigen Teilnehmers (vgl. HAFTER, Allgem. Teil § 43 Ziff. 2; LOGOZ, Vorbem. zu Art. 24 ff. Ziff. 3). Wirkt ein solcher nicht weitergehend mit, als begriffsnotwendig ist, damit der andere das Verbrechen überhaupt begehen kann, so ist er nur strafbar, wenn das Gesetz auch ihn zum Täter stempelt. Von dieser Auffassung geht denn auch Art. 162 StGB aus, indem er die Personen, die den Verrat sich zunutze machen, gleich dem, der ihn begeht, mit Strafe bedroht. Rogier ist daher von der Anklage der Verletzung eines Fabrikationsgeheimnisses freizusprechen. ... 3. Nach Art. 13 lit. g UWG ist strafbar, wer sich unlauteren Wettbewerbs schuldig macht, indem er vorsätzlich Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse verwertet oder andern mitteilt, die er ausgekundschaftet oder von denen er sonstwie gegen Treu und Glauben Kenntnis erlangt hat. a) Der Begriff des Fabrikationsgeheimnisses im Sinne dieser Bestimmung deckt sich mit dem Begriff des Fabrikationsgeheimnisses nach Art. 162 StGB. Art. 13 lit. g UWG ist denn auch, mit gewissen Änderungen, aus Art. 162 StGB übernommen worden, in dem die Bestimmung bis zum Erlass des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb als Absatz 3 enthalten war. b) Die Anklage geht davon aus, Brandenberger und Fischer hätten durch den Abschluss und die Ausführung der Verträge mit der Sim SA das der Beschwerdeführerin zustehende Fabrikationsgeheimnis im Sinne des Art. 13 lit. g UWG verwertet und mitgeteilt und Rogier habe ihnen dadurch, dass er im Namen der Sim SA mit ihnen verhandelte und Verträge abschloss, bei der Verwertung und Mitteilung des Geheimnisses im Sinne des Art. 25 StGB geholfen. Damit verkennt der Ankläger, dass als Täter des unlauteren Wettbewerbes nicht Brandenberger und Fischer, sondern nur die Organe der Sim SA in Betracht kommen können; denn nicht Brandenberger und Fischer traten in wirtschaftlichen Wettbewerb zu der Beschwerdeführerin, sondern das Wettbewerbsverhältnis, das durch die Verwertung des Fabrikationsgeheimnisses zu einem unlauteren gestaltet worden sein soll, bestand zwischen der Sim SA und der Beschwerdeführerin. Dass zur Zeit der Tat ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Täter und dem Geschädigten bestehen muss, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit den einleitenden Worten des Art. 13 UWG. Wenn unlauterer Wettbewerb überhaupt vorliegt, ist daher Rogier in seiner Eigenschaft als handelndes Organ der Sim SA (Art. 15 UWG) als Täter zu bestrafen, wogegen Brandenberger und Fischer, die durch ihre Tat den Wettbewerb der Sim SA förderten, nur als Gehülfen sich allenfalls gegen Art. 13 lit. g UWG vergangen haben. Auch wegen der Förderung des unlauteren Wettbewerbs der beiden ausländischen Firmen können Brandenberger und Fischer nicht als Täter, sondern nur allenfalls als Gehülfen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass gegen die beiden Firmen keine Anklage erhoben worden ist, steht der Bestrafung Brandenbergers und Fischers nicht im Wege; Gehülfenschaft setzt bloss voraus, dass der Haupttäter sich strafbar gemacht habe, nicht auch, dass er für seine Tat bestraft werde (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 15. November 1945 i.S. Duchêne). Dass sich die Organe der Goetze Werke, Friedrich Goetze AG und der Aktiebolaget Davy Robertsons Maskinfabrik im Sinne des Art. 13 lit. g UWG des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht haben, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie möglicherweise bloss im Ausland gehandelt haben. Da sich ihre Tat gegen Schweizer richtete, ist sie gemäss Art. 5 StGB nach schweizerischem Recht zu beurteilen, wenn sie auch nach dem Rechte des Begehungsortes strafbar ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Vorinstanz allenfalls auf Grund des deutschen bzw. schwedischen Rechts zu beurteilen haben. Ob Rogier als Täter, Brandenberger und Fischer dagegen als Gehülfen im vorliegenden Verfahren bestraft werden können, obschon die Anklage ersterem Gehülfenschaft, letzteren beiden dagegen Täterschaft vorwirft, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts, die dem Entscheid der Vorinstanz vorbehalten bleibt. ... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, dahin teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 3. Oktober 1952 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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1. Art. 162 CP, violazione d'un segreto di fabbrica. a) Che cosa è un segreto di fabbrica? A chi appartiene quando un impiegato contribuisce a crearlo? (consid. 2 a). b) Esistenza e durata dell'obbligo contrattuale di custodire un segreto di fabbrica (consid. 2 b). c) Quando una persona giuridica trae profitto dalla rivelazione d'un segreto di fabbrica, l'organo che ha agito non è punibile nè in virtù del cp. 2, nè quale complice dell'autore che ha contravvenuto al cp. 1 (consid. 2 c). 2. Art. 13 lit. g LCS, concorrenza sleale mediante sfruttamento d'un segreto di fabbrica. a) Segreto di fabbrica (consid. 3 a). b) L'infrazione è commessa soltanto se l'autore e il leso sono in concorrenza economica (consid. 3 b). c) Il complice è punibile anche se non lo è l'autore principale (consid. 3 b).
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criminal law and criminal procedure
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