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2,016
de
Sachverhalt ab Seite 300 BGE 142 V 299 S. 300 A. A.a Die 1914 geborene A. bezog seit 1. März 2009 Ergänzungsleistungen (EL) zu ihrer AHV-Rente. In der Anspruchsberechnung wurde im Rahmen der Ausgaben u.a. ein Mietzins in der Höhe von Fr. 11'280.- jährlich bzw. Fr. 940.- monatlich berücksichtigt. Mit Verfügungen vom 5. Juli 2010 und 10. Dezember 2012 (recte: 2010) sprach ihr die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) ferner Vergütungen für private Haushaltshilfe im Betrag von Fr. 4'800.- (2009), Fr. 3'500.- (Januar bis Mai 2010) und Fr. 1'300.- (Fr. 675.- und Fr. 625.- [Juni/Juli 2010]) zu. Für die Zeit von August bis Dezember 2010 wurden keine Kosten für private Haushaltshilfe erstattet, da das gesetzliche Maximum von Fr. 4'800.- jährlich bereits erreicht war. Mit Verfügungen vom 25. Mai, 13. September und 6. Dezember 2011 sowie 9. Februar, 21. Mai, 12. Juli und 19. Oktober 2012 vergütete die SVA sodann Fr. 4'800.- (12 x Fr. 400.-) und Fr. 3'600.- (9 x Fr. 400.-) zur Deckung der Kosten der privaten Haushaltshilfe für das Jahr 2011 und den Zeitraum von Januar bis September 2012. A.b Nachdem aus dem anlässlich der periodischen Überprüfung der Ergänzungsleistungen von A. bzw. deren Vertreter ausgefüllten Formular vom 8. Juli 2012 ersichtlich geworden war, dass die Enkelin der Leistungsansprecherin, E., welche deren Betreuung und Pflege übernommen hatte, seit Oktober 2010 im Haus ihrer Grossmutter BGE 142 V 299 S. 301 wohnte, forderte die SVA mit Verfügung vom 3. Dezember 2012 die Rückerstattung von in den Jahren 2011 und 2012 vergüteter Krankheits- und Behinderungskosten im Gesamtbetrag von Fr. 7'233.20; da eine Haushaltshilfe nur dann unterstützt werden könne, wenn sie nicht im selben Haushalt wohnhaft sei, müssten sämtliche für private Haushaltshilfe erbrachten Leistungen als zu Unrecht erfolgt zurückbezahlt werden. Gleichentags verneinte die SVA rückwirkend ab 1. Oktober 2010 infolge eines neu berechneten Einnahmenüberschusses verfügungsweise einen Anspruch von A. auf jährliche Ergänzungsleistungen. In den korrigierten Anspruchsberechnungen für die Zeit von Oktober bis Dezember 2010 und für das Jahr 2011 zog sie bei den Ausgaben nunmehr einen hälftigen Mietzinsanteil der Mitbewohnerin E. in der Höhe von Fr. 5'640.- jährlich bzw. Fr. 470.- monatlich ab. In der Anspruchsberechnung ab Januar 2012 wurden zudem neben dem Mietzinsanteil von nur noch Fr. 5'640.- im Jahr neu ein Brutto-Vermögen von Fr. 82'490.- (statt bisher Fr. 47'134.-) und Vermögenserträge in der Höhe von Fr. 758.- (statt bisher Fr. 495.-) berücksichtigt. Die Rückforderung der jährlichen EL für die Periode vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2012 wurde auf insgesamt Fr. 9'702.- veranschlagt. Gegen beide Verfügungen erhob A. bzw. ihr Vertreter Einsprache. A.c Am 11. Dezember 2012 teilte der Vertreter der SVA mit, dass A. am Vortag in ein Heim eingetreten sei. Mit Verfügung vom 29. Januar 2013 wurde ihr infolge Heimeintritts rückwirkend ab Dezember 2012 erneut eine EL zugesprochen. Am 25. März 2013 verfügte die Verwaltung die Vergütung der Kosten der privaten Haushaltshilfe Oktober/November 2012 im Betrag von Fr. 1'200.-. A.d Nach dem Tod von A. am 7. Mai 2013 reichten ihre Erben B., C. und D. der SVA in der Folge die Erbbescheinigung sowie eine Vollmacht zur Vertretung der Erbengemeinschaft im hängigen Einspracheverfahren ein. Mit Einspracheentscheid vom 4. März 2014 reduzierte die SVA die EL-Rückforderung von Fr. 9'702.- auf Fr. 9'333.-; im Übrigen wies sie die Einsprache ab, soweit darauf eingetreten wurde. Als Begründung führte sie insbesondere an, dass Kosten für die notwendige Hilfe und Begleitung im Haushalt lediglich vergütet würden, wenn die Hilfe von einer Person erbracht werde, die nicht im gleichen Haushalt lebe oder nicht über eine anerkannte Spitex-Organisation eingesetzt werde. Ferner sei der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Häuser auch von Personen bewohnt würden, die nicht in der BGE 142 V 299 S. 302 EL-Berechnung eingeschlossen seien. Daher sei korrekterweise nur die Hälfte des Mietzinses als Ausgabe berücksichtigt worden. Da die Verstorbene im Rückforderungszeitraum somit auf Grund eines Einnahmenüberschusses keinen EL-Anspruch habe, seien zu Recht auch die Krankheitskosten im Betrag von Fr. 7'233.20 zurückgefordert worden. B. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 25. August 2015 ab. C. Die Erben der verstorbenen A. führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragen (sinngemäss) die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, des Einspracheentscheids vom 4. März 2014 und der Verfügungen der SVA vom 3. Dezember 2012; "hilfsweise" sei die zurückgeforderte Summe von insgesamt Fr. 16'935.20 zu erlassen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
1,172
824
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Zu prüfen ist, ob Vorinstanz und Beschwerdegegnerin zu Recht einen EL-Anspruch der verstorbenen A. für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 30. November 2012 infolge Einnahmenüberschusses verneinen und die Rückforderung der entsprechenden Leistungen verlangen. Die Beschwerdeführer beanstanden dabei namentlich, dass der Mietzins ab 1. Oktober 2010 nicht hätte zwischen der Versicherten und ihrer Enkelin aufgeteilt und ausgabenseitig nur hälftig angerechnet werden dürfen, da die Enkelin einzig (unentgeltlich) bei ihrer Grossmutter gewohnt habe, um diese besser betreuen zu können. Ebenfalls bestritten wird die Rückerstattung von in den Jahren 2011 und 2012 vergüteter privater Haushaltshilfe. 3. 3.1 Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen ( Art. 9 Abs. 1 ELG [SR 831.30]). Die anerkannten Ausgaben und die anrechenbaren Einnahmen werden nach Massgabe der in Art. 10 f. ELG sowie Art. 11 bis 18 ELV (SR 831.301) festgelegten Bestimmungen ermittelt. Als Ausgaben anzurechnen sind nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG u.a. der Mietzins einer Wohnung und die damit zusammenhängenden Nebenkosten; der jährliche Höchstbetrag für alleinstehende Personen beträgt dabei Fr. 13'200.- (Ziff. 1). Werden BGE 142 V 299 S. 303 Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, ist der Mietzins auf die einzelnen Personen aufzuteilen. Die Mietzinsanteile der Personen, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, werden bei der Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung ausser Betracht gelassen ( Art. 16c Abs. 1 ELV ). Die Aufteilung hat grundsätzlich zu gleichen Teilen zu erfolgen ( Art. 16c Abs. 2 ELV ). 3.2 Gemäss dem mit Verordnungsänderung vom 26. November 1997 auf den 1. Januar 1998 eingefügten Art. 16c ELV ist der Mietzins, wie hiervor dargelegt, auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn Wohnungen oder Einfamilienhäuser auch von Personen bewohnt werden, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Dem Wortlaut der Bestimmung nach setzt die Aufteilung des Mietzinses nicht voraus, dass die Wohnung oder das Einfamilienhaus gemeinsam gemietet sind; es genügt das gemeinsame Wohnen. In BGE 127 V 10 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Regelung als gesetzmässig qualifiziert und festgestellt, die neu in die Verordnung aufgenommene Bestimmung von Art. 16c ELV erweise sich als sachgerecht, gehe es doch darum, die indirekte Mitfinanzierung von Personen, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen seien, zu verhindern. Daher sei als Grundregel immer dann eine Aufteilung des Gesamtmietzinses vorzunehmen, wenn sich mehrere Personen den gleichen Haushalt teilten ( BGE 127 V 10 E. 5d S. 16; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 56/00 vom 5. Juli 2001 E. 2a, in: AHI 2001 S. 237). Zur Auffassung der Vorinstanz, wonach eine Aufteilung des Mietzinses nur in Frage käme, wenn die Wohnung gemeinsam gemietet oder das Mietverhältnis entgeltlich sei, erwog das Gericht, wenn der Bundesrat die bisherige Praxis in die Verordnung hätte aufnehmen wollen, hätte er dies tun können. Nach dem Wortlaut von Art. 16c ELV gebe jedoch bereits das gemeinsame Bewohnen Anlass für eine Mietzinsaufteilung, wie der französische und italienische Text ("aussi occupés par", "sono occupati anche da") bestätige und wovon auch die Verwaltungsweisungen (Rz. 3023 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL] in der vom 1. Januar 1998 bis 31. März 2011 in Kraft gestandenen Fassung; seit 1. April 2011: Rz. 3231.03) ausgingen. Laut dieser Weisung sei für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung der Mietzins (inklusive Nebenkosten) zu gleichen Teilen auf die einzelnen Personen aufzuteilen, wenn mehrere Personen in einer Wohnung oder einem BGE 142 V 299 S. 304 Einfamilienhaus wohnten. Etwas Abweichendes lasse sich auch den Erläuterungen des BSV zur Änderung der ELV auf den 1. Januar 1998 (wiedergegeben in: AHI 1998 S. 27 ff., insb. S. 34 [nachfolgend: Erläuterungen des BSV]) nicht entnehmen. Beachtenswerte Gründe, welche für eine andere Verordnungsauslegung sprächen, seien weder dargetan noch ersichtlich. Anknüpfungspunkt bilde somit nicht mehr wie nach bisheriger Praxis ein üblicherweise entgeltliches Mietverhältnis ( BGE 105 V 271 E. 1 S. 272), sondern das gemeinsame Bewohnen ( BGE 127 V 10 E. 6b S. 17; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts P 53/01 vom 13. März 2002 E. 3a/aa und P 56/00 vom 5. Juli 2001 E. 2a, in: AHI 2001 S. 237). 3.2.1 Dennoch führt das gemeinsame Wohnen auch nach Inkrafttreten von Art. 16c ELV nicht in allen Fällen zu einer Aufteilung des Mietzinses. Zum einen ist eine Aufteilung nach dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung nur dann vorzunehmen, wenn die im gleichen Haushalt wohnenden Personen nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Damit entfällt eine Mietzinsaufteilung bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 ELG). Zum andern hat die bisherige Rechtsprechung zur Mietzinsaufteilung nicht jede Bedeutung verloren. Auch im Rahmen von Art. 16c Abs. 2 ELV , welcher "grundsätzlich" eine Aufteilung des Mietzinses zu gleichen Teilen vorsieht, kann der Umstand, dass eine Person den grössten Teil der Wohnung für sich in Anspruch nimmt oder das gemeinsame Wohnen auf einer rechtlichen oder sittlich bzw. moralisch begründeten (Unterstützungs-)Pflicht beruht, zu einer anderen Aufteilung des Mietzinsabzuges und - ausnahmsweise - auch zu einem Absehen von einer Mietzinsaufteilung Anlass geben ( BGE 105 V 271 E. 2 S. 273). Was das Eidgenössische Versicherungsgericht diesbezüglich zum alten Recht ausgeführt hat, gilt dem Grundsatz nach auch nach Inkrafttreten von Art. 16c ELV , wovon auch die Verwaltungsweisungen ausgehen (Rz. 3023 [in der vom 1. Januar 1998 bis 31. März 2011 gültig gewesenen Fassung] und Rz. 3231.03 [in der seither geltenden Fassung] WEL; vgl. auch BGE 130 V 263 E. 5.3 S. 268; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 56/00 vom 5. Juli 2001 E. 2b mit Hinweisen, in: AHI 2001 S. 237). 3.2.2 Ausnahmen sind jedenfalls dann zuzulassen, wenn das (unentgeltliche) Wohnen im gemeinsamen Haushalt auf einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht beruht. Andernfalls wäre eine BGE 142 V 299 S. 305 Mietzinsaufteilung selbst dann vorzunehmen, wenn der EL-Ansprecher mit eigenen (nicht in die EL-Berechnung eingeschlossenen) Kindern in der gemeinsamen Wohnung lebt, was indessen nicht Sinn von Art. 16c ELV sein kann. Mit dieser Bestimmung soll - wie bereits gesagt (vgl. E. 3.2 vorne) - verhindert werden, dass die Ergänzungsleistungen auch für Mietanteile von Personen aufzukommen haben, welche nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind (vgl. Erläuterungen des BSV, in: AHI 1998 S. 34). Abgesehen davon, dass von Mietanteilen in solchen Fällen kaum gesprochen werden kann, liesse sich eine Mietzinsaufteilung mit der Zielsetzung der Ergänzungsleistungen, nämlich einer angemessenen Deckung des Existenzbedarfs unter Berücksichtigung der konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht vereinbaren. Sie hätte zudem eine stossende Ungleichbehandlung zur Folge, indem Versicherte mit Kindern ohne Rentenanspruch schlechter gestellt würden nicht nur gegenüber kinderlosen Versicherten, sondern in der Regel auch gegenüber Versicherten mit Kindern, die einen Rentenanspruch auslösen (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts P 53/01 vom 13. März 2002 E. 3a/bb und P 56/00 vom 5. Juli 2001 E. 2b, in: AHI 2001 S. 237). Ferner wurde vom Grundsatz gleichmässiger Aufteilung des Mietzinses auf alle Mitbewohner abgewichen in einem Fall, in welchem ein pensionierter ausgebildeter Psychiatriepfleger in derselben Wohnung wie eine psychisch und körperlich beeinträchtigte betagte Bezügerin von Ergänzungsleistungen, die ständig betreuungsbedürftig war, wohnte. Der Pfleger erbrachte kostenlos zahlreiche Hilfeleistungen, ohne welche die Leistungsbezügerin in ein Pflegeheim hätte ziehen müssen. Dafür bezahlte er keinen Beitrag an die Miete. Unter solchen Umständen rechtfertigte es sich ausnahmsweise, im Sinne eines Ausgleichs den der Empfängerin der Ergänzungsleistungen anrechenbaren Mietzins nicht zu reduzieren ( BGE 105 V 271 ; Urteile 8C_939/2008 vom 25. August 2009 E. 2.2 und des Eidg. Versicherungsgerichts P 31/98 vom 25. Februar 1999 E. 2b). Anders war entschieden worden bei der Beurteilung eines Falles, in dem die EL-Bezüger ihre pflege- und betreuungsbedürftige Tochter samt Familie während der mit starken Komplikationen verbundenen Schwangerschaft und während der ersten Zeit nach der Fehlgeburt bei sich aufgenommen hatten (Urteil P 53/01 vom 13. März 2002). Das Eidgenössische Versicherungsgericht war dabei zum Ergebnis gelangt, dass weder eine rechtliche noch angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der EL-Bezüger unter den gegebenen Umständen eine moralische Pflicht anerkannt werden BGE 142 V 299 S. 306 konnte, die Familie der Tochter kostenfrei bei sich aufzunehmen. Insofern unterscheide sich - so das Gericht im Weiteren - die Situation von jener in BGE 105 V 271 , wo sich die moralische Pflicht aus einer unentgeltlich erbrachten Gegenleistung ergeben habe (E. 3a/cc). 4. 4.1 Das kantonale Gericht hat zusammenfassend erwogen, die indirekte Vergütung der Kosten für Betreuungsleistungen von Mitbewohnern über die Ausgabenposition Mietzins sei nicht mit Sinn und Zweck der Übernahme der Kosten für den Mietzins nach Art. 10 Abs. 1 lit. b und Art. 14 Abs. 1 ELG vereinbar, wonach die Krankheits- und Betreuungskosten von EL-Bezügerinnen und -Bezügern allein durch die Kantone zu vergüten sind, und damit gesetzwidrig. Dasselbe gelte für die Kosten der privaten Haushaltshilfe. Sie dürften nicht indirekt über den Mietzins vergütet werden, indem auf die Anrechnung eines Mietzinsanteils eines hilfeleistenden Mitbewohners verzichtet werde. Die Beschwerdegegnerin habe deshalb zu Recht ab 1. Oktober 2010 bei den Ausgaben nur die Hälfte des Mietzinses der Wohnung/des Hauses abgezogen. 4.2 Die Beschwerdeführenden bringen dagegen im Wesentlichen vor, in Nachachtung von BGE 105 V 271 (E. 2 S. 274) sei auch im vorliegenden Fall die volle Wohnungsmiete in der Höhe von Fr. 940.- monatlich ausgabenseitig in Abzug zu bringen. Rechtsprechungsgemäss könne bei mehreren Mitbewohnern in spezifischen Fällen vom Grundsatz der Aufteilung der Miete zu gleichen Teilen abgewichen und dennoch die volle Miete bei den Ausgaben berücksichtigt werden. Dies sei insbesondere in den Konstellationen angebracht, in welchen eine Person in die Wohnung einer hilfsbedürftigen, EL-beziehenden Person einziehe lediglich mit dem Ziel, die von ihr unentgeltlich geleisteten Betreuungsaufgaben besser vor Ort erfüllen zu können, ohne dass sich die Mietbedingungen der hilfsbedürftigen Person dadurch änderten. 5. Nachfolgend ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Normsinn von Art. 16c Abs. 1 und 2 ELV in casu - im Sinne der in BGE 105 V 271 festgehaltenen (und seither bestätigten) Rechtsprechung - den Verzicht auf eine hälftige Aufteilung des Mietzinses erlaubt. 5.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom BGE 142 V 299 S. 307 Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen ( BGE 141 V 642 E. 4.2 S. 647; BGE 140 V 538 E. 4.3 S. 540 f.; je mit Hinweisen). Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen ( BGE 139 V 358 E. 3.1 S. 361, BGE 139 V 537 E. 5.1 S. 545). Auch ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung (am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene Interpretation; BGE 141 V 642 E. 4.2 S. 647 mit Hinweisen). 5.2 5.2.1 Gemäss dem Wortlaut von Art. 16c Abs. 1 ELV , welche Bestimmung in BGE 127 V 10 als gesetzmässig beurteilt wurde (E. 5 S. 15 ff.), hat die Aufteilung des Mietzinses "grundsätzlich" zu gleichen Teilen zu erfolgen. Dem Rechtsanwender steht folglich die Möglichkeit offen, Ausnahmen von diesem Grundsatz zu machen. Derartige Ausnahmen müssen jedoch systemkonform sein, d.h. sie müssen mit dem inneren System des konkret betroffenen Rechtsgebiets wie auch mit dem der Gesamtrechtsordnung vereinbar sein (u.a. ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl. 2010, S. 100 f.). Zudem dürfen die Ausnahmen nicht dem Sinn und Zweck der Norm widersprechen. 5.2.2 In Bezug auf das teleologische Element des Auslegungsprozesses ist zu beachten, dass der Mietzins einer Wohnung zu den anerkannten Ausgaben gehört ( Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG ). Die Anrechnung des Mietzinses zielt darauf ab, den existenziellen Wohnbedarf einer EL-beziehenden Person zu decken. Nicht Ziel der Übernahme des Mietzinses kann demgegenüber sein, die Wohnkosten von nicht BGE 142 V 299 S. 308 anspruchsberechtigten Personen, die nicht in der EL-Berechnung eingeschlossen sind, zu decken. Teilen somit zwei oder mehr Personen eine Wohnung und sind nicht sämtliche dieser Personen in die EL-Anspruchsberechnung eingeschlossen, so muss sichergestellt werden, dass nur der Wohnkostenanteil der in die Anspruchsberechnung eingeschlossenen Personen Berücksichtigung findet ( BGE 127 V 10 E. 5d S. 16; vgl. auch RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1757 Rz. 68). Gemäss der hiervor dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann im Einzelfall von einer Mietzinsaufteilung u.a. dann abgesehen werden, wenn eine EL-beziehende Person vom Mitbewohner keinen Mietzinsanteil verlangt, weil dieser sie unentgeltlich betreut. Das Absehen von einer Mietzinsaufteilung wird in diesem Fall damit begründet, dass der Mitbewohner Betreuungsleistungen für die EL-beziehende Person erbringt. Mit dem Verzicht auf die Mietzinsaufteilung sollen dem Mitbewohner demnach - indirekt - die für die EL-beziehende Person erbrachten Betreuungsleistungen entschädigt werden. Die Übernahme der Mietkosten bezweckt jedoch die Deckung des existenziellen Wohnbedürfnisses und nicht die Vergütung von allenfalls durch Mitbewohner erbrachten Betreuungsleistungen. Die Frage, ob die jährliche Ergänzungsleistung auch die Kosten für die Betreuung des EL-Bezügers durch Mitbewohner decken soll, ist durch den Gesetzgeber und nicht durch den Rechtsanwender zu entscheiden. Es liegt deshalb in der alleinigen Kompetenz des (Bundes-)Gesetzgebers, eine Vergütung von Betreuungsleistungen durch Mitbewohner vorzusehen. Dasselbe gilt für die Kosten für eine private Haushaltshilfe. In Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG wird denn auch explizit statuiert, dass die Kantone die Kosten für Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause vergüten müssen. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Kanton St. Gallen die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten in seiner Verordnung vom 11. Dezember 2007 über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen (VKB; sGS 351.53) abschliessend geregelt. Danach werden Bezügerinnen und Bezügern einer jährlichen Ergänzungsleistung ausgewiesene Kosten für die notwendige Hilfe und Begleitung im Haushalt bis höchstens Fr. 4'800.- je Kalenderjahr vergütet, wenn die Hilfe von einer Person erbracht wird, die nicht im gleichen Haushalt lebt oder nicht über eine anerkannte Spitexorganisation eingesetzt wird. Je Stunde werden höchstens Fr. 25.- vergütet (Art. 9 Abs. 2 VKB). BGE 142 V 299 S. 309 5.2.3 Was das historische/geltungszeitliche Auslegungselement anbelangt, gilt es zu beachten, dass die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über die Schaffung und die Änderung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA; AS 2007 5779) eine umfassende Neuregelung erfahren haben. Gemäss den seither geltenden Bestimmungen werden die vergütbaren Krankheits- und Behinderungskosten im Rahmen bundesrechtlicher Vorgaben ( Art. 14 Abs. 1 und 3 ELG ) durch die Kantone bezeichnet ( Art. 14 Abs. 2 ELG ; vgl. etwa Urteile 8C_594/2007 vom 10. März 2008 E. 2 und 8C_147/2007 vom 27. Februar 2008 E. 2.1). Auch in Anbetracht dieser Neuerung, mit welcher insbesondere eine Entflechtung der Aufgaben von Bund und Kantonen und deren Finanzierung bewirkt werden sollte, muss die indirekte Abgeltung der Betreuungsleistungen über die Nichtanrechnung eines Mietzinsanteils und die damit verbundene Überwälzung eines Teils der Betreuungskosten auf den Bund als systemwidrig eingestuft werden. Das Bundesgerichtsurteil BGE 105 V 271 (und die darauf basierenden Nachfolgeurteile), in dem einer versicherten Person kein Mietzinsanteil des sie betreuenden Mitbewohners ausgabenseitig angerechnet wurde, stammt aus dem Jahr 1979 und ist folglich geraume Zeit vor Inkrafttreten der im Zuge der NFA erfolgten legislatorischen Neuregelungen ergangen. Da Art. 14 Abs. 1 ELG - in Kraft seit 1. Januar 2008 -, wie hiervor ausgeführt, explizit vorsieht, dass die Kantone allein die Krankheits- und Behinderungskosten zu tragen haben, widerspricht eine indirekte Vergütung der entsprechenden Kosten über die Ausgabenposition Mietzins sowohl dieser Bestimmung wie auch der in Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG geregelten Übernahme der Kosten für den Mietzins. Dies hat auch für die Kosten der privaten Haushaltshilfe zu gelten: Sie dürfen ebenfalls nicht indirekt über den Mietzins vergütet werden, indem auf die Anrechnung eines Mietzinsanteils eines hilfeleistenden Mitbewohners eines EL-Bezügers verzichtet wird. 5.3 Zusammenfassend ist ein Absehen von der in Art. 16c Abs. 1 und 2 ELV vorgesehenen Mietzinsaufteilung zu gleichen Teilen im Sinne eines Ausnahmefalles in der vorliegenden Konstellation, namentlich angesichts der seit 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage, mit der Vorinstanz als nicht sachgerecht zu qualifizieren. Die Beschwerdegegnerin hat demnach ab 1. Oktober 2010 zu Recht auf BGE 142 V 299 S. 310 Seiten der Ausgaben lediglich die Hälfte des Mietzinses der Wohnung/des Hauses der verstorbenen Versicherten berücksichtigt. Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob im BGE 105 V 271 zugrunde liegenden Sachverhalt tatsächlich von einem aus moralischen oder sittlichen Gründen erfolgten Verzicht auf eine Beteiligung des Mitbewohners am Mietzins auszugehen ist oder ob es sich dabei nicht vielmehr um eine Gegenleistung der EL-Bezügerin für die ihr erbrachten Betreuungsleistungen handelt. Eine korrekte EL-Anspruchsberechnung hätte diesfalls einerseits einen reduzierten Mietzins und anderseits entsprechende Ausgaben für Pflegeleistungen ausweisen müssen, denn die Pflegeleistungen wurden im Wert der von der betreuenden Person verursachten Wohnkosten in natura vergütet. Es erscheint daher zumindest zweifelhaft, ob BGE 105 V 271 überhaupt als Präjudiz für eine Praxis herangezogen werden kann, welche es zulässt, aus sittlichen oder moralischen Gründen auf eine Mietzinsaufteilung zu verzichten (zur diesbezüglichen Diskussion: vgl. JÖHL, a.a.O., S. 1759 Fn. 269). 6. 6.1 Auch letztinstanzlich bringen die Beschwerdeführenden sodann vor, dass, sollten die Auslagen für die Haushaltshilfe ab 1. Oktober 2010 nicht vergütet werden, die entsprechenden Kosten im Rahmen der EL-Berechnung vom Vermögen der verstorbenen Versicherten abzuziehen seien, da "ja ihr Vermögen bei verminderten Sozialbezügen geschrumpft wäre". Daraus resultiere in Anbetracht geringerer Einnahmen ein Ausgabenüberschuss und damit der Anspruch auf Ergänzungsleistungen. 6.2 Es kann diesbezüglich vollumfänglich auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Danach wird bei Altersrentnerinnen und -rentnern ein Zehntel des Reinvermögens als Einnahmen angerechnet, soweit es bei alleinstehenden Personen Fr. 37'500.- übersteigt ( Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG ). Da mit dem kantonalen Gericht davon auszugehen ist, dass die Enkelin der verstorbenen Versicherten für ihre Leistungen bereits entschädigt worden ist, insoweit also keine allenfalls abzugsfähigen Schulden der Verstorbenen mehr bestehen, können die - nachträglich zurückgeforderten - vergüteten Kosten für die private Haushaltshilfe nicht gleichsam rückwirkend vom Vermögen abgezogen werden. Der Umstand schliesslich, dass die verstorbene Versicherte, wie in der Beschwerde moniert, im betreffenden Zeitraum effektiv einen Mietzins von BGE 142 V 299 S. 311 Fr. 940.- (und nicht von Fr. 470.-) monatlich bezahlt hat, vermag an der vermögensrechtlichen EL-Berechnungsgrundlage ebenfalls nichts zu ändern. (...)
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CH_BGE_007_BGE-142-V-299_2016-06-17
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BGE_142_V_299
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Sachverhalt ab Seite 474 BGE 145 III 474 S. 474 A. Die Brautleute schlossen im Jahr 2008 einen Ehevertrag. In Ziffer 4 Bst. a sahen sie vor, dass der Ehemann der Ehefrau im Scheidungsfall nachehelichen Unterhalt von Fr. 20'000.- pro Monat bezahlt. Am Folgetag heiratete das Paar. Die Ehe blieb kinderlos. B. Im Juli 2010 reichten die Ehegatten ein gemeinsames Begehren auf Scheidung nach Art. 111 ZGB ein. Mit Urteil vom 23. November 2010 wurde die Ehe geschieden und die Vereinbarung der Parteien vom Juni 2010 über die Nebenfolgen der Scheidung genehmigt. Die von A.A. hiergegen erhobene Appellation hiess das Appellationsgericht mit Urteil vom 6. April 2011 gut und hob das BGE 145 III 474 S. 475 erstinstanzliche Scheidungsurteil auf, nachdem sich die Gegenpartei der Appellation angeschlossen hatte. C. Im September 2015 reichte der Ehemann beim Zivilgericht Basel-Stadt die Scheidungsklage ein. Mit Urteil vom 25. Oktober 2017 wurde die Ehe geschieden, das Unterhaltsbegehren der Ehefrau abgewiesen und festgestellt, dass sich die Parteien gegenseitig keinen nachehelichen Unterhalt schulden. Die Ehefrau erhob Berufung mit dem Begehren um nachehelichen Unterhalt von monatlich Fr. 20'000.-. Das Appellationsgericht Basel-Stadt wies die Berufung mit Entscheid vom 3. Juli 2018 ab. D. Mit Beschwerde vom 14. September 2018 verlangt die Ehefrau nachehelichen Unterhalt von monatlich Fr. 20'000.-, eventualiter die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführerin ihren Unterhaltsanspruch auf die Scheidungsklausel im Ehevertrag vom 7. Februar 2008 (s. Sachverhalt Bst. A) stützen kann. 5.1 Hinsichtlich der ehevertraglichen Anspruchsgrundlage verweist die Vorinstanz zunächst auf die bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (nachfolgend: aZGB). Demnach genehmigte das Gericht eine Scheidungsvereinbarung, wenn es sich davon überzeugt hatte, dass die Ehegatten aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung die Vereinbarung geschlossen haben und diese klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist (Art. 140 Abs. 2 aZGB). Wurden durch Vereinbarung Unterhaltsbeiträge festgelegt, so sei nach Art. 143 Ziff. 1 aZGB anzugeben gewesen, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten ausgegangen wird. Dem angefochtenen Entscheid zufolge dienten diese Angaben primär der Beweissicherung; sie sollten dem Gericht zudem ermöglichen, eher zu erkennen, ob vereinbarte Unterhaltsbeiträge offensichtlich unangemessen sind. Fehlten die gemäss Art. 143 Ziff. 1 aZGB notwendigen Angaben, sei die Konvention unvollständig gewesen und habe vom Gericht nicht genehmigt werden dürfen, so die Schlussfolgerung des Appellationsgerichts. In BGE 145 III 474 S. 476 der Folge erläutert der angefochtene Entscheid die in Art. 279 und Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO enthaltenen Vorschriften, die seit 1. Januar 2011 gelten und die erwähnten Normen des aZGB ersetzen. Mit der in Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO statuierten Dokumentationspflicht sollen klare Verhältnisse im Hinblick auf spätere Abänderungen geschafen werden. Die Angaben seien aber auch für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung relevant, indem sie die Prüfung der fehlenden offensichtlichen Unangemessenheit ermöglichen. Auch unter der Herrschaft der neuen Bestimmung sei eine Vereinbarung, welche die von Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO geforderten Angaben nicht enthält, unvollständig und gemäss Art. 279 Abs. 1 ZPO nicht genehmigungsfähig. Bezogen auf den konkreten Fall stellt das Appellationsgericht fest, dass im Ehevertrag jegliche Angaben zum Einkommen der Parteien fehlen. Im Zusammenhang mit der Wahl des Güterstands hätten die Parteien keine Inventare betreffend Vermögenswerte erstellt, die sich bei Vertragsabschluss im Alleineigentum des jeweiligen künftigen Ehegatten befanden, und auf die jeweiligen Steuererklärungen, Bankkontoauszüge, Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge etc. verwiesen. Diese seien dem Ehevertrag aber nicht beigelegt und auch im Scheidungsverfahren nicht eingereicht worden. Damit würden in der Vereinbarung jegliche Angaben dazu fehlen, von welchem Vermögen der Parteien ausgegangen wurde. Entsprechend sei die im Ehevertrag enthaltene Vereinbarung eines nachehelichen Unterhaltsbeitrags mangels jeglicher Angaben dazu, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten ausgegangen wurde, offensichtlich nicht genehmigungsfähig, unabhängig davon, ob übergangsrechtlich das alte oder das neue Recht massgebend ist. Gestützt auf den Ehevertrag sei die Zusprechung eines nachehelichen Unterhaltsbeitrags in jedem Fall ausgeschlossen, so das Fazit des Appellationsgerichts. 5.2 Die Beschwerdeführerin erinnert in tatsächlicher Hinsicht daran, dass die Parteien mit Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 15. März 2017 aufgefordert worden seien, ihre jeweiligen Steuererklärungen 2015 sowie die Steuerveranlagungen 2014 ins Recht zu legen, was beide Parteien getan hätten. Darüber hinaus sei kein Beweisverfahren durchgeführt worden; insbesondere habe anlässlich der Hauptverhandlung auch keine Parteibefragung stattgefunden. In rechtlicher Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 279 und 282 ZPO . Anders als das Appellationsgericht BGE 145 III 474 S. 477 behaupte, sei die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Scheidungsnebenfolgen vor der Eheschliessung oder einige Zeit vor den konkreten Scheidungsabsichten keineswegs umstritten. Vielmehr habe das Bundesgericht die Frage zu Gunsten der Zulässigkeit solcher Verträge entschieden. Indem sich das Appellationsgericht darüber hinwegsetze, ohne seine Ansicht über diese Rechtsfrage darzulegen, verletze es Art. 279 ZPO . Weiter erinnert die Beschwerdeführerin daran, dass bei einer Scheidung auf Klage diejenige Partei, welche die Vereinbarung nicht mehr gelten lassen möchte, lediglich einen Antrag auf Nichtgenehmigung stellen könne. Einen solchen Antrag habe der Beschwerdegegner aber nie gestellt. Darauf sei er zu behaften. Er habe bloss behauptet, dass der öffentlich beurkundete Ehevertrag wegen der Bindungswirkung von Art. 27 Abs. 2 ZGB unzulässig sei. Darüber hinaus habe er geltend gemacht, dass der beurkundende Notar seinen Aufklärungspflichten nicht nachgekommen sei. Letzteres bestreitet die Beschwerdeführerin. Sie beruft sich auf die aktenkundige Duplikbeilage 17 aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Darin hätten die Vertragsparteien bestätigt, dass der beurkundende Notar sie über die rechtlichen Folgen des Ehevertrags aufgeklärt habe. In der Folge beschäftigt sich die Beschwerdeführerin mit den "5 in Art. 279 ZPO genannten Genehmigungskriterien". Sie bemängelt zunächst, dass das Appellationsgericht nicht prüfe, ob die Ehegatten die Vereinbarung aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen haben ( Art. 279 Abs. 1 ZPO ). Damit begehe das Appellationsgericht eine "Rechtsverletzung von Art. 279 ZPO ". Der (anwaltlich vertretene) Beschwerdegegner habe nie einen Willensmangel geltend gemacht, der beurkundende Notar sei seinen Aufklärungspflichten vollumfänglich nachgekommen und der Beschwerdegegner habe die Scheidungsklausel im Ehevertrag mit Nachträgen vom 21. März 2011 und 13. April 2012 bestätigt. Als Nächstes kommt die Beschwerdeführerin darauf zu sprechen, dass die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen gemäss Art. 279 Abs. 1 ZPO klar sein müsse. Klarheit setze voraus, dass der objektive Wille der Parteien in eindeutiger Weise feststellbar ist. Im Hinblick auf künftige Abänderungen müsse insbesondere erkennbar sein, auf welchen Grundlagen die Abänderungen beruhen. Diesem Zweck diene die in Art. 282 ZPO enthaltene Dokumentationspflicht, die Platz greife, wenn in einer Scheidungsvereinbarung oder in einem Scheidungsurteil Unterhaltsbeiträge festgelegt werden. Die Beschwerdeführerin BGE 145 III 474 S. 478 erklärt, dass diese Unterlagen im konkreten Fall fehlen. Im Zusammenhang mit der Gütertrennung verweise Ziffer 2 Bst. b des Ehevertrags auf die jeweiligen Steuererklärungen, Bankkontoauszüge, Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge etc. per 31. Dezember 2007, ohne dass diese Belege als Beilage zum Ehevertrag erklärt worden wären. Die besagten Steuererklärungen hätten im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids bereits zehn Jahre zurückgelegen. Die übrigen in Ziffer 2 Bst. b erwähnten Dokumente seien als Dokumentation im Sinn von Art. 282 ZPO "bedeutungslos". Die Beschwerdeführerin betont, dass sich die gesetzliche Dokumentationspflicht an das Gericht, aber auch an die Parteien und deren Vertreter richte. Hinsichtlich der Angaben bestehe aufgrund von Art. 282 ZPO eine Fragepflicht, die den Verhandlungsgrundsatz mildere. Die Beschwerdeführerin erinnert daran, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren beantragt habe, den Beschwerdegegner zur umfassenden Auskunft über seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse und zur Einreichung entsprechender Unterlagen zu verpflichten. Weil das Zivilgericht die streitige Klausel im Ehevertrag als ungültig im Sinne von Art. 27 ZGB erachtet habe, sei das Auskunfts- und Editionsbegehren vor erster Instanz kein Thema gewesen. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass der Beschwerdegegner selbständig erwerbstätig sei, und unterstreicht, dass das für die Dokumentation erforderliche Zahlenmaterial in einer Scheidungsvereinbarung, die rund zehn Jahre zurückliegt, zwingend hätte aktualisiert werden müssen. Angesichts dessen hätte sich die Edierung der fraglichen Unterlagen "umso mehr aufgedrängt". Statt unter dem Kriterium der Klarheit beurteile das Appellationsgericht die (fehlenden) Grundlagen für den vereinbarten nachehelichen Unterhalt von monatlich Fr. 20'000.- unter dem Kriterium der Vollständigkeit. Indem sie von ihrer richterlichen Fragepflicht nicht Gebrauch mache, verletze die Vorinstanz Art. 282 ZPO . Mit Blick auf das Erfordernis der Vollständigkeit ( Art. 279 Abs. 1 ZPO ) ist nach Meinung der Beschwerdeführerin zu prüfen, ob die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen alles regelt, was im konkreten Fall der Regelung bedarf. Da der Ehe keine Kinder entstammen und die Parteien den Güterstand der Gütertrennung gewählt haben, verbleibe als einzige Nebenfolge der nacheheliche Unterhalt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei das Genehmigungskriterium der Vollständigkeit erfüllt. Insbesondere sehe die Vereinbarung auch die Indexierung des Unterhaltsbeitrags vor. BGE 145 III 474 S. 479 Schliesslich legt die Beschwerdeführerin ausführlich dar, weshalb die streitige Abrede auch nicht offensichtlich unangemessen sei. Der Beschwerdegegner, der immer noch arbeite, besitze unzählige Renditeobjekte, grossenteils über von ihm beherrschte Immobiliengesellschaften. Auch könne er sich ein Gut in Spanien mit vielen Rennpferden leisten. In diesem Zusammenhang bestehe offensichtlich keine erkennbare Abweichung der heutigen Einkommensverhältnisse von jenen im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags. Dem Appellationsgericht wirft die Beschwerdeführerin vor, auch das Kriterium der fehlenden offensichtlichen Unangemessenheit nicht geprüft zu haben, was einer Verletzung von Art. 279 ZPO gleichkomme. 5.3 Der Beschwerdegegner bestreitet, dass die Vorinstanz ihre Fragepflicht verletzt und das Auskunftsbegehren der Beschwerdeführerin nicht behandelt habe. Es sei die Beschwerdeführerin gewesen, die ihrer Beweis-, Substanziierungs- und Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO verlange, dass von beiden Ehegatten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses der Konvention festgehalten werden. Die Beschwerdeführerin räume selbst ein, dass diese Unterlagen fehlen. Nachdem beide Parteien entsprechend der richterlichen Anordnung die verlangten Steuerunterlagen eingereicht hätten, seien die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach die erste Instanz die finanziellen Verhältnisse nicht erfragt habe, widersprüchlich und falsch. Zudem übersehe die Beschwerdeführerin, dass ihre eigenen finanziellen Verhältnisse unerstellt geblieben seien, und nicht diejenigen von ihm, dem Beschwerdegegner. Hinsichtlich Ziffer 4 Bst. a des Ehevertrags vom 7. Februar 2008 verwahrt sich der Beschwerdegegner dagegen, gestützt darauf monatliche Alimente von Fr. 20'000.- bezahlen zu müssen. Die Klausel sei eine "reine Absichtserklärung, im Fall einer lebensprägenden Ehe der Ehefrau eine finanzielle Sicherheit zu bieten". Um seinen Standpunkt zu untermauern, verweist der Beschwerdegegner auf Ziffer 3 des Ehevertrages. Auch die darin enthaltenen Begünstigungen zugunsten der Ehefrau seien unter der Bedingung versprochen worden, dass ein gemeinsames langes Familienleben mit Einbezug der jeweiligen Kinder zustande käme. Nachdem es dazu nicht gekommen sei, könne es nicht dem Parteiwillen entsprochen haben, dass er sich auch für den Fall einer Scheidung nach kurzer Ehe zur Zahlung der fraglichen Alimente verpflichtet habe. Die Behauptung der BGE 145 III 474 S. 480 Beschwerdeführerin, der nacheheliche Unterhalt sei in Abgeltung der Wahl der Gütertrennung versprochen worden, bezeichnet der Beschwerdegegner als haltlos und absurd. Sie habe überdies auch nicht bewiesen werden können. 5.4 Laut Ziffer 4 Bst. a des Ehevertrags schuldet der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin für den Fall, dass die Ehe durch Scheidung aufgelöst werden sollte, einen indexierten nachehelichen Unterhalt von monatlich Fr. 20'000.- (s. Sachverhalt Bst. A). Die erste Instanz verneinte eine Unterhaltspflicht, weil sie in dieser Verpflichtung eine übermässige Bindung des Beschwerdegegners sah ( Art. 27 ZGB ). Die Vorinstanz gelangt zum selben Ergebnis, allerdings mit einer anderen Begründung. Sie erachtet die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen als unvollständig und damit als nicht genehmigungsfähig (E. 5.1). Ob vor der Eheschliessung oder jedenfalls einige Zeit vor den konkreten Scheidungsabsichten getroffene Vereinbarungen über die Scheidungsnebenfolgen zulässig sind, lässt der angefochtene Entscheid offen. Dasselbe gilt für die Frage nach dem Eintritt der Bindungswirkung der Unterhaltsvereinbarung. Was die Feststellung des Sachverhalts angeht, sind sich die Parteien darüber einig (und ergibt sich ohne Weiteres aus den Akten), dass das Zivilgericht die Parteien mit Verfügung vom 15. März 2017 aufforderte, ihre jeweiligen Steuererklärungen 2015 sowie die Steuerveranlagungen 2014 einzureichen, und dass beide Parteien dieser Aufforderung nachgekommen sind. Schliesslich wird von keiner Seite bestritten, dass übergangsrechtliche Überlegungen für die Beurteilung der Streitigkeit keine Rolle spielen. Tatsächlich hat sich die Rechtslage zwischen dem Eheschluss und der Scheidung in Bezug auf die hier interessierenden Fragen nicht inhaltlich, sondern nur hinsichtlich der Gesetzessystematik geändert, indem sich die Spezialvorschriften über das Scheidungsverfahren nicht mehr im Zivilgesetzbuch, sondern in der Zivilprozessordnung finden. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur noch Letztere zitiert. 5.5 Im kantonalen Verfahren kam die Frage auf, ob Ziffer 4 Bst. a des Ehevertrags vom 7. Februar 2008 als Abrede über die Scheidungsfolgen, die ohne konkreten Scheidungshorizont geschlossen wurde, überhaupt zulässig ist. Diesbezüglich ist klarzustellen, was folgt: Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen ( Art. 12 ZGB ). Die Handlungsfähigkeit besitzt, wer volljährig und urteilsfähig ist ( Art. 13 ZGB ). BGE 145 III 474 S. 481 Diese Grundsätze gelten unabhängig vom Zivilstand einer Person. So kann jeder Ehegatte mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt ( Art. 168 ZGB ). Das Gesetz enthält keine spezielle Regel, die es einem Ehegatten verbietet, sich vor oder nach dem Eingehen einer Ehe vertraglich zu verpflichten, dem andern im Fall einer Scheidung einen bestimmten Beitrag an dessen Unterhalt zu leisten ("Scheidungsvereinbarung auf Vorrat" oder "antizipierte Scheidungskonvention"). Grundsätzlich bindet eine solche Vertragsabrede daher die Vertragsparteien, freilich unter Vorbehalt der späteren Genehmigung durch das Scheidungsgericht (s. BGE 121 III 393 E. 5 betreffend einen vor Eheschliessung im Rahmen eines Ehevertrages erklärten Vorausverzicht auf Unterhaltsansprüche; vgl. etwa auch die Urteile 5A_980/2018 vom 5. Juni 2019 E. 3; 5A_501/2015 vom 12. Januar 2016 E. 3.1.1; 5A_40/2011 vom 21. Juni 2011 E. 3.3; 5A_599/2007 vom 2. Oktober 2008 E. 6.1; 5C.270/2004 vom 14. Juli 2005 E. 4.1, in: FamPra.ch 2006 S. 438; vgl. MAURICE COURVOISIER, Voreheliche und eheliche Scheidungsfolgenvereinbarungen - Zulässigkeit und Gültigkeitsvoraussetzungen, 2002, S. 212 ff.; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 18 f. zu Art. 140 ZGB ; ALEXANDRA JUNGO, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 7 zu Art. 182 ZGB ; PETER BREITSCHMID, "Scheidungsplanung"?, AJP 1999 S. 1606 ff.; PHILIPPE MEIER, Planification du divorce: une illusion?, in: L'arbre de la méthode et ses fruits civils, recueil de travaux en l'honneur du professeur Suzette Sandoz, 2006, S. 289 ff., insb. S. 303 ff.; INGEBORG SCHWENZER, Grenzen der Vertragsfreiheit in Scheidungskonventionen und Eheverträgen, FamPra.ch 2005 S. 1 ff.; HAUSHEER/STECK, Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, ZBJV 144/2008 S. 922 ff., 938 ff.; TRACHSEL/BORTOLANI-SLONGO, Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat, AJP 2009 S. 301 ff.; CARMEN LADINA WIDMER, Gestaltungsmöglichkeiten von Eheverträgen und Scheidungskonventionen, ZBJV 145/2009 S. 419 ff., 430 ff.; DANIEL STECK, Scheidungsplanung?, in: Private Law, national - global - comparative, Festschrift für Ingeborg Schwenzer zum 60. Geburtstag, 2011, Bd. II, S. 1623 ff.; vgl. demgegenüber THOMAS GEISER, Bedürfen Eheverträge der gerichtlichen Genehmigung?, in: Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, Beiträge zum Familienrecht, Erbrecht, Persönlichkeitsrecht, Haftpflichtrecht, Medizinalrecht und allgemeinen Privatrecht, BGE 145 III 474 S. 482 Festschrift für Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, 2002, S. 217 ff., insb. S. 229, nach dem eine Scheidungskonvention nur mit Blick auf eine konkrete Scheidung geschlossen werden kann; ARNAUD F. PHILIPPE, Planification du divorce et conventions, AJP 2007 S. 1241 ff., insb. S. 1245 i.f., für den antizipierte Scheidungskonventionen an der Schranke von Art. 27 ZGB scheitern; ähnlich REGINA AEBI-MÜLLER, Ehe- und Erbrecht, in: Stiftung Schweizerisches Notariat, Die Belehrungs- und Beratungspflicht des Notars, Schmid [Hrsg.], 2006, S. 76 f., nach deren Meinung antizipierte Abreden über den nachehelichen Unterhalt den im Sinne von Art. 27 ZGB absolut höchstpersönlichen Bereich der Lebensgestaltung betreffen und deshalb unverbindlich sind; ferner CURMALLY/WOLF, Ehevertragsgestaltung im Hinblick auf Scheidung, in: Siebte Schweizer Familienrecht§Tage 2014, S. 117 ff., 128, die im Hinblick auf die Notwendigkeit der gerichtlichen Genehmigung eine Bindungswirkung der Scheidungsvereinbarung verneinen). Es gelten die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (STECK, a.a.O., S. 1631). Eine "Scheidungsvereinbarung auf Vorrat" bedarf so weder eines bestimmten Mindestinhalts noch einer besonderen Form ( Art. 11 Abs. 1 OR ; SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 18 zu Art. 140 ZGB ; JUNGO, a.a.O., N. 7 zu Art. 182 ZGB ). Dies schliesst nicht aus, dass sie Teil eines Ehevertrags ist, welcher der öffentlichen Beurkundung bedarf ( Art. 184 ZGB ). Nach dem Gesagten verträgt es sich nicht mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, einer antizipierten Vertragsabrede über den nachehelichen Unterhalt allein unter Hinweis auf Art. 27 ZGB und ohne Prüfung der konkreten Umstände pauschal jegliche Bindungswirkung abzusprechen. Die entsprechende Vorgehensweise des Zivilgerichts (s. E. 5.4), das sich mit Hinweisen auf einzelne Literaturstellen zufrieden gibt, vermag nicht zu überzeugen. 5.6 Anlass zur Beschwerde gibt das vorinstanzliche Verdikt, die streitige Scheidungsklausel sei mangels jeglicher Angaben dazu, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten ausgegangen wurde, offensichtlich nicht genehmigungsfähig (E. 5.1-5.4). Sowohl Art. 279 ZPO als auch Art. 282 ZPO finden sich im Gesetz unter den allgemeinen Bestimmungen zum Scheidungsverfahren; die Bestimmungen gelten damit grundsätzlich auch dann, wenn die Scheidung nicht auf gemeinsames Begehren hin erfolgt. Nach Art. 279 Abs. 1 ZPO genehmigt das Gericht die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen, wenn es sich davon überzeugt hat, dass BGE 145 III 474 S. 483 die Ehegatten sie aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen haben und sie klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist. Die Vereinbarung über die Rechtsfolgen der Scheidung ist erst rechtsgültig, wenn das Gericht sie genehmigt hat ( Art. 279 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). In einem durch Klage eingeleiteten Scheidungsverfahren haben die Parteien damit die Möglichkeit, dem Gericht die Nichtgenehmigung der sie zwar bindenden, aber noch nicht rechtsgültigen Vereinbarung zu beantragen (Urteile 5A_772/2014 vom 17. März 2015 E. 3; 5A_688/2013 vom 14. April 2014 E. 7.2.1, in: SJ 2014 I S. 369; 5A_599/2007 vom 2. Oktober 2008 E. 6.3.1; kritisch zu dieser Unterscheidung: PICHONNAZ/VERDON, La force obligatoire d'une convention de divorce avant ratification, in: Le droit en question, mélanges en l'honneur de la Professeure Margareta Baddeley, Leuba/Papaux van Delden/Foëx [Hrsg.], 2017, S. 39 ff.). Der Ehegatte kann seinen Antrag auf Nichtgenehmigung beispielsweise damit begründen, dass die Vereinbarung an einem Willensmangel leidet oder für ihn eine zu grosse Bindung im Sinn von Art. 27 Abs. 2 ZGB bedeutet, namentlich weil sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit in nicht vorhersehbarer Weise geändert haben (vgl. BGE 122 III 97 E. 3a S. 98; Urteil 5A_121/2016 vom 8. Juli 2016 E. 4). Für die richterliche Prüfung, ob die Scheidungsvereinbarung nach Massgabe von Art. 279 Abs. 1 ZPO genehmigt werden kann, kommt es denn auch nicht auf den Moment an, in welchem die Parteien die Vereinbarung geschlossen haben. Namentlich für die inhaltliche Kontrolle ist vielmehr der Zeitpunkt des Scheidungsprozesses, genauer: der richterlichen Genehmigung massgebend. Entsprechend hat der Richter auch allfälligen Veränderungen der Verhältnisse Rechnung zu tragen, die seit dem Abschluss der Scheidungsvereinbarung eingetreten sind (PASCAL PICHONNAZ, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 71 zu Art. 140 ZGB ; DENIS TAPPY, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 22 zu Art. 279 ZPO ; FRANÇOIS BOHNET, in: Droit matrimonial, Fond et procédure, 2016, N. 12 zu Art. 279 ZPO ; SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 19 zu Art. 140 ZGB ; s. auch COURVOISIER, a.a.O., S. 232, und PHILIPPE, a.a.O., S. 1245, die für Vereinbarungen über die Scheidungsnebenfolgen überdies eine freiere Inhaltskontrolle fordern). Werden durch Vereinbarung oder Entscheid Unterhaltsbeiträge festgelegt, so ist anzugeben, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten ausgegangen wird ( Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO ). Die BGE 145 III 474 S. 484 Angaben zum Einkommen und Vermögen, wie sie Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO vorsieht, sind nicht Selbstzweck, sondern sollen namentlich mit Blick auf eine allfällige Abänderung von Unterhaltsbeiträgen Klarheit darüber schaffen, auf welcher tatsächlichen Grundlage das Scheidungsurteil fusst. Insofern richtet sich die gesetzliche Dokumentationspflicht in erster Linie an das Gericht (SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 7 zu Art. 143 ZGB ; ANNETTE SPYCHER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 6 und 8 zu Art. 282 ZPO ). Darüber hinaus ermöglichen es die zwingend geforderten Angaben dem Gericht, eher zu erkennen, ob vereinbarte Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 279 Abs. 1 ZPO nicht offensichtlich unangemessen ist (AESCHLIMANN/FANKHAUSER, in: FamKomm Scheidung, Bd. II, 3. Aufl. 2017, N. 10 zu Art. 282 ZPO ; PICHONNAZ, a.a.O., N. 4 zu Art. 143 ZGB ; BOHNET, a.a.O., N. 10 zu Art. 282 ZPO ). Wie oben ausgeführt, kommt es für diese inhaltliche Kontrolle auf den Zeitpunkt der Genehmigung an. Entsprechend müssen auch die Angaben über das Einkommen und Vermögen aktuell sein (AESCHLIMANN/FANKHAUSER, a.a.O., N. 19 zu Art. 282 ZPO ). Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO bezieht sich also nicht auf Zahlen zur Einkommens- und Vermögenssituation der Eheleute aus der Zeit, als die (gegebenenfalls antizipierte) Scheidungskonvention abgeschlossen wurde. Zu dokumentieren sind das gegenwärtige, im Scheidungszeitpunkt erzielte Einkommen und das in diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen (SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 9 und 11 zu Art. 143 ZGB ; DANIEL BÄHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 2 zu Art. 282 ZPO ). In diesem Sinne ist die gesetzliche Formulierung zu verstehen, wonach anzugeben ist, von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten "ausgegangen wird" ( Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO ). Hinsichtlich der in Art. 282 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben besteht eine gerichtliche Fragepflicht, die den Verhandlungsgrundsatz ( Art. 55 und Art. 277 Abs. 1 ZPO ) mildert (AESCHLIMANN/FANKHAUSER, a.a.O., N. 9 zu Art. 282 ZPO ): Zwar gilt gemäss Art. 277 Abs. 1 ZPO für die güterrechtliche Auseinandersetzung und für den nachehelichen Unterhalt der Verhandlungsgrundsatz. Stellt das Gericht aber fest, dass für die Beurteilung von vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen notwendige Urkunden fehlen, so fordert es die Parteien auf, diese nachzureichen ( Art. 277 Abs. 2 ZPO ). Diese Hinweispflicht gilt auch mit Bezug auf die Belege, anhand derer das Gericht prüft, ob eine Parteivereinbarung über vermögensrechtliche BGE 145 III 474 S. 485 Scheidungsfolgen genehmigt werden kann (SUTTER-SOMM/GUT, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 14a zu Art. 277 ZPO ; SPYCHER, a.a.O., N. 21 zu Art. 277 ZPO ). Insbesondere wenn Angaben zu den in Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO erwähnten Elementen fehlen, kann sich das Gericht nicht darauf beschränken, die Genehmigung der Scheidungsvereinbarung zu verweigern. Vielmehr hat es die Scheidungsvereinbarung zu vervollständigen, indem es die Parteien darauf hinweist und die fraglichen Punkte in seinem Urteil aufführt, genauso wie es dies auch in denjenigen Fällen tut, in denen keine Scheidungsvereinbarung vorliegt (TAPPY, a.a.O., N. 6 zu Art. 282 ZPO ; ähnlich PICHONNAZ, a.a.O., N. 32 zu Art. 143 ZGB ). 5.7 5.7.1 Nicht zu hören ist die Beschwerdeführerin mit ihrer Forderung, dass die Vereinbarung vom 7. Februar 2008 allein schon deshalb genehmigt werden müsse, weil es an einem Antrag des Beschwerdegegners auf Nichtgenehmigung mangle. Aufgrund der ganzen Prozessgeschichte steht nämlich fest, dass der Beschwerdegegner nie bereit war, einen nachehelichen Unterhalt von Fr. 20'000.- zu bezahlen. Vor diesem Hintergrund verträgt es sich nicht mit dem Gebot von Treu und Glauben ( Art. 52 ZPO ), wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, dass kein förmlicher Antrag auf Nichtgenehmigung der Vereinbarung vom 7. Februar 2008 vorgelegen habe. 5.7.2 Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin hingegen die Art und Weise, wie das Appellationsgericht die im Ehevertrag vom 7. Februar 2008 enthaltene antizipierte Vereinbarung betreffend den nachehelichen Unterhalt als unvollständig und deshalb als "offensichtlich nicht genehmigungsfähig" erachtet. In der Tat erweist sich der angefochtene Entscheid diesbezüglich als bundesrechtswidrig. Er verträgt sich gleich in zweifacher Hinsicht nicht mit den geschilderten Vorgaben von Art. 279 und 282 ZPO . Entgegen dem, was der angefochtene Entscheid unterstellt, ist für die inhaltliche Kontrolle der streitigen Scheidungsklausel nicht auf das Einkommen und das Vermögen abzustellen, über das die Parteien im Zeitpunkt verfügten, als sie den Ehevertrag im Jahr 2008 abschlossen. Nach dem Gesagten sind für die Prüfung, ob Ziffer 4 Bst. a des Ehevertrags als antizipierte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen nach Massgabe von Art. 279 Abs. 1 ZPO genehmigt werden kann, vielmehr die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Genehmigung zu berücksichtigen. Dies verkennt die Vorinstanz, wenn sie BGE 145 III 474 S. 486 unter dem Gesichtspunkt von Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO "im Ehevertrag" bzw. "in der Vereinbarung" Angaben zum Einkommen und zum Vermögen jedes Ehegatten vermisst. Zutreffend macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sich angesichts der Zeit, die zwischen dem Abschluss des Ehevertrages und dem Scheidungsprozess verstrichen ist, eine Aktualisierung des Zahlenmaterials aufgedrängt hätte. Was das Verfahren angeht, ist der Beschwerdeführerin sodann darin beizupflichten, dass sich das Appellationsgericht bundesrechtswidrig über die beschriebene Frage- und Hinweispflicht hinwegsetzt, wenn es sich einfach mit der Feststellung begnügt, dass die Parteien die in Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO vorgeschriebenen Angaben nicht geliefert hätten, und der Scheidungsklausel gestützt darauf wegen einer angeblichen Unvollständigkeit ( Art. 279 Abs. 1 ZPO ) die Genehmigung versagt. Beide Parteien hatten im erstinstanzlichen Verfahren auf Geheiss des Zivilgerichts ihre jeweiligen Steuererklärungen 2015 sowie die Steuerveranlagungen 2014 eingereicht (E. 5.4). Befand das Appellationsgericht, dass sich die Scheidungsklausel gestützt auf diese Belege nicht (inhaltlich) überprüfen lässt und hierzu weitere, gegebenenfalls aktuellere Zahlen erforderlich sind, war es jedenfalls gehalten, sich um die Vervollständigung der Dokumentation zu bemühen und die Parteien auf die fehlenden Belege hinzuweisen, wie wenn es sein Urteil losgelöst von einer Scheidungsvereinbarung gefällt hätte. Klarzustellen bleibt, dass die erwähnte richterliche Frage- und Hinweispflicht - verstanden als Milderung des Verhandlungsgrundsatzes - nichts an der formellen Beweislast ändert: Ist das Scheidungsgericht trotz seiner Bemühungen um die Beschaffung der tatsächlichen Entscheidgrundlagen nicht in der Lage, das Bestehen einer entscheiderheblichen Tatsache zu bejahen oder zu verneinen, entscheidet es gemäss Art. 8 ZGB nach Beweislastgesichtspunkten (vgl. Urteil 5A_59/2016 vom 1. Juni 2016 E. 4.4 mit Hinweis).
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 135 II 1 S. 2 Der aus der Türkei stammende, 1968 geborene A. reiste im September 1990 in die Schweiz ein und stellte hier ein Asylgesuch, das letztinstanzlich am 6. Juli 1994 abgewiesen wurde. Am 29. Juli 1994 heiratete A. die im Jahre 1955 geborene Schweizerin X., woraufhin er die Aufenthaltsbewilligung und im August 1999 die Niederlassungsbewilligung erhielt. Am 30. Mai 1997 ersuchte A. um erleichterte Einbürgerung. Dabei unterzeichnete er zusammen mit seiner Ehefrau am 31. März 2000 eine Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse leben würden und zur Kenntnis nähmen, dass die erleichterte Einbürgerung ausgeschlossen sei, wenn vor oder während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder Scheidung beantragt habe oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr bestehe. Am 11. April 2000 wurde A. das Schweizerbürgerrecht erteilt. Am 28. August 2000 reichten die Ehegatten A. und B. beim zuständigen Gericht eine Scheidungsklage mit einer gemeinsam unterzeichneten Scheidungskonvention ein. Die Ehe, die kinderlos geblieben war, wurde am 7. März 2001 geschieden. Mit Verfügung vom 21. Juni 2004 erklärte das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES; heute: Bundesamt für Migration) die erleichterte Einbürgerung für nichtig. Am 13. März 2006 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine dagegen erhobene Beschwerde ab. Mit Urteil vom BGE 135 II 1 S. 3 27. Juni 2006 bestätigte das Bundesgericht diesen Entscheid (Urteil 5A.11/2006). Im August 2001 gelangte die im Jahre 1980 geborene türkische Staatsangehörige B. in die Schweiz, wo sie am 3. September 2001 A. heiratete und in der Folge die Aufenthaltsbewilligung erhielt. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die Tochter C., geboren im August 2004, sowie der Sohn D., geboren im Juni 2006. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2007 lehnte das Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg ein Gesuch von A. und der beiden Kinder um Erteilung und ein solches von B. um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und setzte der Familie eine Frist zum Verlassen des Kantons. Am 3. April 2008 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, I. Verwaltungsgerichtshof, eine dagegen gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. April 2008 an das Bundesgericht stellen die Ehegatten A. und B. sowie ihre Kinder C. und D. insbesondere den Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2008 aufzuheben und die Beschwerdesache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell seien ihnen direkt die Niederlassungs- bzw. die Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen. Das Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonsgericht des Kantons Freiburg und das Bundesamt für Migration beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121), das hier unbestrittenermassen noch anwendbar ist (vgl. Art. 126 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; SR 142.20] ), entscheiden die zuständigen Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der BGE 135 II 1 S. 4 Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts (einschliesslich Bundesverfassungsrecht) oder eines Staatsvertrages berufen (vgl. BGE 133 I 185 E. 2.3 S. 189; BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; BGE 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen). 1.2 Zwar ist fraglich, ob es im vorliegenden Fall vorrangig um den Widerruf einer dem beschwerdeführenden Ehegatten und Vater (nachfolgend: Beschwerdeführer) zustehenden Niederlassungsbewilligung oder um die (Neu)Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung an ihn geht. So oder so erweist sich die Beschwerde insoweit aber als zulässig. 1.2.1 Gegen Entscheide über den Widerruf oder die Feststellung des Erlöschens einer Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, ähnlich wie dies bereits früher bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutraf (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 2A.595/2006 vom 6.2.2007 E. 2.1 mit Hinweisen), zulässig, weil grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist. 1.2.2 Wird davon ausgegangen, dass über die Erteilung einer Bewilligung zu entscheiden ist, so hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG (in der Fassung vom 23. März 1990; AS 1991 1034) grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Satz 1) sowie nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Satz 2). Da der Beschwerdeführer während mehr als fünf Jahren mit einer Schweizer Bürgerin verheiratet war und er während dieser Zeit ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz gelebt hat, besitzt er jedenfalls nach Massgabe von Art. 7 Abs. 1 ANAG einen potentiellen Anspruch auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, den er auch nach erfolgter Scheidung geltend machen kann (Urteil des Bundesgerichts 2C_343/2007 vom 7. Dezember 2007 E. 1.1; vgl. auch BGE 128 II 145 E. 1.1 S. 148 f.). Einen solchen Anspruch hat der Beschwerdeführer grundsätzlich auch insoweit, als er im Subeventualstandpunkt um Erteilung der ein weniger gefestigtes Anwesenheitsrecht gewährenden Aufenthaltsbewilligung ersucht (vgl. BGE 128 II 145 E. 1.1.4 S. 149). BGE 135 II 1 S. 5 1.2.3 Dass schliesslich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht im Eventualstandpunkt die Belassung der Niederlassungsbewilligung beantragt, währenddem er im kantonalen Verfahren noch deren Erteilung verlangt hatte, stellt nicht einen unzulässigen neuen Antrag bzw. eine Änderung des Streitgegenstandes dar. Streitobjekt bleibt der Status als Niedergelassener. 1.3 Nach Art. 17 Abs. 2 ANAG hat der Ehegatte eines Ausländers mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, solange die Ehegatten zusammenwohnen, und nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung; ledige Kinder unter 18 Jahren haben Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung, wenn sie mit ihren Eltern zusammenwohnen. Die Zulässigkeit der Beschwerde betreffend die Aufenthaltsbewilligung für die Frau und betreffend die Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsbewilligungen für die Kinder hängt somit davon ab, ob dem Ehemann und Vater eine Niederlassungsbewilligung zusteht. 1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG ). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt ( Art. 99 Abs. 1 BGG ). (...) 3. 3.1 Die Vorinstanz ging davon aus, dass die ursprüngliche Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers nach der Nichtigerklärung des Bürgerrechtserwerbs nicht wieder aufgelebt sei. Sie prüfte daher, ob sein während der fünfjährigen Ehedauer erworbener Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung umzusetzen sei. Sie verneinte dies unter Hinweis auf die gleichen Gründe, die zur Nichtigkeit der Einbürgerung führten, d.h. namentlich wegen rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine nur noch formell bestehende Ehe. Der Beschwerdeführer geht demgegenüber davon aus, die Niederlassungsbewilligung sei nicht untergegangen und es sei kein Tatbestand erfüllt, der ihren Wegfall begründe. 3.2 Die Nichtigerklärung des Schweizerbürgerrechts des Beschwerdeführers in Anwendung von Art. 41 des Bundesgesetzes vom BGE 135 II 1 S. 6 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) ist rechtskräftig und steht hier nicht mehr in Frage. In mehreren Urteilen hat das Bundesgericht festgehalten, dass sich nach einer Nichtigerklärung des Schweizerbürgerrechts allenfalls wieder die Frage der ausländerrechtlichen Anwesenheit stellen kann. Dabei ging das Bundesgericht davon aus, die Nichtigerklärung der Einbürgerung führe nicht automatisch zum Wiederaufleben einer früheren "fremdenpolizeilichen Bewilligung", sondern es sei aufgrund der aktuellen Sachlage neu über das allfällige Anwesenheitsrecht zu entscheiden (vgl. die Urteile 2C_343/2007 vom 7. Dezember 2007 E. 2, 2A.244/2006 vom 27. Juli 2006 E. 3.1.2, 2A.431/2005 vom 14. November 2005 E. 1.1.2 und 2A.221/2005 vom 6. September 2005). In allen bisher vom Bundesgericht entschiedenen Fällen verfügten die betroffenen Personen freilich vor Erteilung des Schweizerbürgerrechts lediglich über die Aufenthaltsbewilligung, die während des Verfahrens auf Nichtigerklärung schon aufgrund ihrer Befristung (vgl. Art. 5 Abs. 1 ANAG ) erloschen war ( Art. 9 Abs. 1 lit. a ANAG ). Eine präjudizierende Wirkung für die Niederlassungsbewilligung ergibt sich daraus hingegen nicht. 3.3 Im Unterschied zur Aufenthaltsbewilligung gilt die Niederlassungsbewilligung nach Art. 6 Abs. 1 ANAG unbefristet. Sie geht lediglich durch Erlöschen (gemäss Art. 9 Abs. 3 ANAG ) oder Widerruf (nach Art. 9 Abs. 4 ANAG ) unter, wobei der Zeitablauf, anders als bei der Aufenthaltsbewilligung, gerade keinen Erlöschensgrund bildet. Die Erteilung des Schweizerbürgerrechts verschafft dem Eingebürgerten die Stellung eines schweizerischen Staatsbürgers. Vom Gesetzeswortlaut her führt die Erteilung des Bürgerrechts nicht zum Erlöschen einer vorher geltenden Anwesenheitsbewilligung. Zwar verbietet es sich grundsätzlich, neue Erlöschensgründe zu definieren, die nicht im Gesetz angelegt sind. Die gesetzliche Aufzählung kann aber auch nicht als völlig abschliessend beurteilt werden, nennt sie doch etwa den offensichtlichen und der gesetzlichen Ordnung entsprechenden Erlöschensgrund des Todes des Bewilligungsträgers, insbesondere eines Niedergelassenen, nicht. 3.4 Ausländer ist, wer nicht über das Schweizerbürgerrecht verfügt. Mit der Erteilung des Schweizerbürgerrechts fällt die persönliche Eigenschaft als Ausländer dahin, selbst wenn damit eine doppelte Staatsangehörigkeit verbunden sein sollte. Die eingebürgerte Person untersteht nicht mehr dem Ausländerrecht. Wird die Einbürgerung nichtig erklärt, verliert sie die schweizerische BGE 135 II 1 S. 7 Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Rechte. Gleichzeitig wird sie wieder zu einem Ausländer, für den das Ausländerrecht erneut anwendbar ist. Die betroffene Person wird insofern in den Zustand vor der Einbürgerung zurückversetzt. Art. 41 Abs. 3 BüG regelt dazu einzig, dass sich die Nichtigerklärung auch auf alle Familienglieder erstreckt, deren Schweizerbürgerrecht auf der nichtigerklärten Einbürgerung beruht, sofern nicht ausdrücklich anders verfügt wird. Weder das Bürgerrechts- noch das Ausländergesetz bestimmen jedoch ausdrücklich, welche ausländerrechtlichen Folgen mit der Einbürgerung sowie mit der Nichtigerklärung einer Einbürgerung verbunden sind. Selbst die Rechtsnatur der Nichtigerklärung ist unklar, und der Sprachgebrauch in den verschiedenen Gesetzestexten erweist sich insofern als nicht eindeutig: Der deutsche Begriff der "Nichtigerklärung" weist auf eine ursprüngliche Ungültigkeit hin, das französische Wort "annulation" und der italienische Begriff "annullamento" sprechen demgegenüber eher für ein nachträgliches Dahinfallen des Bürgerrechts (vgl. dazu die bundesrätliche Botschaft vom 9. August 1951 zum Bürgerrechtsgesetz in ihrer deutschsprachigen Fassung in BBl 1951 II 703 sowie in der französischsprachigen Version in FF 1951 II 700 f.). 3.5 Die Einbürgerung entfaltet verschiedene Wirkungen, die mit der Nichtigerklärung nicht ohne weiteres behoben werden. Sind in der fraglichen Periode etwa einzig den Schweizern zustehende politische Rechte wahrgenommen worden, lässt sich das nachträglich nicht mehr ändern. Auch ausländerrechtlich besteht in der Zeit zwischen der Einbürgerung und deren Nichtigerklärung ein Vakuum. Weder die Theorie, die Niederlassungsbewilligung sei mit der Einbürgerung untergegangen und lebe mit der Nichtigerklärung derselben nicht mehr auf, noch die gegenteilige Auffassung führt zu einer in sich schlüssigen Lösung, die in jeder Beziehung befriedigende Antworten bereithält. Insoweit besteht eine echte Gesetzeslücke (vgl. dazu BGE 131 II 562 E. 3.5 S. 567 f.; BGE 128 I 34 E. 3b S. 42; je mit Hinweisen). Beim Ausfüllen einer solchen hat das Gericht diejenige Regel zu bilden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (vgl. Art. 1 Abs. 2 ZGB ). Die zu treffende Regelung muss sich widerspruchslos in das bestehende Gesetzesrecht und dessen Wertungen einfügen. 3.6 Die Niederlassungsbewilligung vermittelt dem Ausländer die nach schweizerischem Recht günstigste ausländerrechtliche Stellung, die bis zum Eintreten eines Erlöschens- oder Widerrufsgrunds BGE 135 II 1 S. 8 oder ohne einen solchen bis zum Tod Gültigkeit hat. Eine Einbürgerung führt im Hinblick auf die mit dem Ausländerrecht verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich zu einer noch besseren Rechtsstellung. Insbesondere kann sich der Eingebürgerte neu auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 24 BV berufen. Wohl geht diese Verbesserung mit der Nichtigerklärung der Einbürgerung wieder verloren, doch spricht nichts dafür, dass dadurch auch die ausländerrechtliche Stellung verschlechtert werden sollte, die vorher bestand. Würde davon ausgegangen, mit der Einbürgerung ginge die Rechtsstellung als Niedergelassener definitiv und unwiederbringlich verloren, könnte die Migrationsbehörde nach der Nichtigerklärung der Einbürgerung wieder frei über die Erteilung der Niederlassungsbewilligung befinden, obwohl diese im ursprünglichen Verfahren erst nach eingehender Prüfung gewährt werden durfte (vgl. Art. 11 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV; AS 1949 I 228). Selbst ein allfälliges früheres Rechtsmittelverfahren würde daran nichts ändern. Das würde in einem gewissen Spannungsverhältnis mit dem Gebot der Rechtssicherheit stehen. 3.7 Sodann sind die Gründe, die zur Nichtigerklärung einer Einbürgerung und allenfalls zum Widerruf einer Niederlassungsbewilligung führen, nicht zwingend gleichgeschaltet. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Ausländer durch die Nichtigerklärung der Einbürgerung in einen schlechteren ausländerrechtlichen Status gesetzt werden sollte, als er ihn vor der Einbürgerung besass und wie er weiterhin gelten würde, wäre er nicht eingebürgert worden. Sachlogischer erscheint, ihm ausländerrechtlich die gleiche Rechtsstellung wie vor der Einbürgerung zuzuweisen. Vorbehalten bleiben inzwischen eingetretene Erlöschens- oder Widerrufsgründe nach Art. 9 Abs. 3 und 4 ANAG . 3.8 Abgesehen davon ist es widersprüchlich, vom Weiterbestand eines früher erworbenen Anspruchs auf Bewilligungserteilung auszugehen, nicht aber von der Geltung der mit der Niederlassungsbewilligung verbundenen Rechtsstellung. Diese Rechtsfolge erweist sich überdies als zeitlich beschränkt, weil nämlich die Nichtigerklärung lediglich innerhalb einer Frist von fünf Jahren (vgl. Art. 41 Abs. 1 BüG ), künftig eventuell innert einer solchen von acht Jahren (vgl. für die entsprechenden gesetzgeberischen Bemühungen etwa BBl 2008 1277 und 1289), zulässig ist. Und schliesslich ist davon BGE 135 II 1 S. 9 auszugehen, dass die Würdigung des für die Nichtigerklärung massgeblichen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Widerruf der ausländerrechtlichen Stellung vorbehalten bleibt, soweit sie insofern von Belang ist. Sind jedoch die Voraussetzungen des Erlöschens oder des Widerrufs der Bewilligung nach Art. 9 Abs. 3 und 4 ANAG nicht erfüllt, steht der betroffenen Person die Niederlassungsbewilligung zu. 4. 4.1 Ausländerrechtlich ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über die gleiche Stellung wie ein Niedergelassener verfügt. Die Niederlassungsbewilligung nach Art. 7 Abs. 1 ANAG stellt ein eigenes und selbständiges Niederlassungsrecht des ausländischen Ehegatten dar. Sie erlischt nicht automatisch mit dem Wegfall der Ehe, sondern kann allenfalls widerrufen werden, und zwar nicht nach den allgemeinen Regeln über den Widerruf, sondern nur unter den spezifischen Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 4 ANAG , insbesondere gemäss lit. a dieser Bestimmung. Danach ist ein Widerruf nur zulässig, wenn der Ausländer wissentlich falsche Angaben machte oder wesentliche Tatsachen verschwieg, in der Absicht, gestützt darauf die Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Es muss nicht feststehen, dass die Bewilligung bei richtiger Angabe verweigert worden wäre. Wesentlich sind sodann nicht nur solche Tatsachen, nach denen die Migrationsbehörde bei der Erteilung der Bewilligung ausdrücklich gefragt hat, sondern - mit Blick auf die Tatbestandsalternative "wissentliches Verschweigen" - auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid bedeutsam sind. Schliesslich muss der Widerruf der Bewilligung gemessen an den gesamten Umständen des Einzelfalles verhältnismässig sein (vgl. zum Ganzen die Urteile des Bundesgerichts 2A.595/2006 vom 6. Februar 2007 E. 4 und 2A.57/2002 vom 20. Juni 2002 E. 2.1, in: Pra 91/2002 Nr. 165 S. 889; BGE 112 Ib 161 E. 3 S. 162 f., BGE 112 Ib 473 E. 2 S. 475). Vorbehalten bleiben andere Untergangsgründe. 4.2 Ein täuschendes Verhalten könnte hier allenfalls darin liegen, dass der Beschwerdeführer im Verfahren um Erteilung der Niederlassungsbewilligung, d.h. bereits vor Ende Juli 1999, wissentlich verschwiegen oder aktiv darüber hinweggetäuscht hätte, dass die Ehe bereits während der für den Erwerb der Niederlassungsbewilligung massgeblichen fünfjährigen Dauer definitiv gescheitert gewesen sei. Insofern kann für diese Vorfrage auf die Rechtsprechung BGE 135 II 1 S. 10 zur rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine Ehe zurückgegriffen werden, auch wenn sie für sich allein nicht ausschlaggebend, sondern lediglich indirekt von Bedeutung ist. Ein entsprechender Sachverhalt darf allerdings nicht leichthin angenommen werden, entzieht sich in der Regel einem direkten Beweis bzw. ist oft bloss durch Indizien zu erstellen ( BGE 128 II 145 E. 2.3 mit Hinweisen) und muss bereits vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz ANAG, d.h. vor Erlangung des grundsätzlichen Anspruches auf die Niederlassungsbewilligung, vorgelegen haben ( BGE 121 II 97 E. 4c S. 104 f.; Urteil 2C_241/2007 vom 12. Oktober 2007 E. 3.2). 4.3 Die vorliegenden Akten geben keine genügende Auskunft darüber, welche Angaben der Beschwerdeführer vor der Erteilung der Niederlassungsbewilligung gemacht hat bzw. welche Fragen ihm von der Migrationsbehörde dazu gestellt wurden und wie er darauf gegebenenfalls antwortete. Anhaltspunkte für falsche Angaben oder das wissentliche Verschweigen von Tatsachen bestehen nicht. Entsprechende Abklärungen wurden offenbar auch nicht getätigt. Das Verwaltungsgericht hat einzig aus den gleichen Gründen, die zur Nichtigerklärung des Bürgerrechts führten, auf einen Rechtsmissbrauch bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung geschlossen. Das Verhalten des Beschwerdeführers beim Erwerb des Bürgerrechts vermag hier jedoch für sich allein einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht zu rechtfertigen. Im Bürgerrechtsverfahren wurde nämlich aus dem Umstand, dass die Ehegatten am 28. August 2000 und damit nur wenige Monate nach der Einbürgerung ein gemeinsames Scheidungsbegehren stellten, geschlossen, die Ehe sei schon am 31. März 2000 gescheitert gewesen. Damals erklärten die Ehegatten im Hinblick auf die Einbürgerung des Beschwerdeführers übereinstimmend, sie lebten zusammen in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft und es gebe keine Scheidungsabsicht. Daraus lässt sich jedoch entgegen der Vorinstanz nicht der Schluss ziehen, dass die Ehe auch bereits Ende Juli 1999, im für den Erwerb der Niederlassungsbewilligung nach fünfjähriger Dauer massgeblichen Zeitpunkt, definitiv gescheitert gewesen war. Das Argument des Verwaltungsgerichts, es habe sich in der Zeit von Juli 1999 bis Ende März 2000 nichts Besonderes ereignet, was zum Scheitern der Ehe geführt hätte, genügt nicht, um ein früheres Scheitern zu belegen. Die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen sind daher offensichtlich unrichtig bzw. unvollständig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG . BGE 135 II 1 S. 11 4.4 Mit Blick auf die massgeblichen Rechtsfragen wäre es Sache der Behörden gewesen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Ehe schon Ende Juli 1999 nicht mehr gelebt wurde und der Beschwerdeführer dies wissentlich verschwiegen oder die Behörden darüber aktiv getäuscht hatte, falls dies so gewesen sein sollte. Der Beschwerdeführer hat dazu im Übrigen Beweise (wie Zeugen oder Fotos) angeboten oder sogar eingereicht, aus denen sich im Gegenteil ergeben soll, dass die Ehe zumindest bis Ende Juli 1999 normal verlaufen sei. Die Vorinstanz äussert sich dazu nicht. Das Bundesgericht verfügt damit nicht über die nötigen Grundlagen, um die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG von Amtes wegen zu berichtigen oder zu ergänzen und damit direkt über die ausländerrechtliche Stellung des Beschwerdeführers bzw. darüber zu entscheiden, ob die massgeblichen Voraussetzungen eines Widerrufs einer Niederlassungsbewilligung erfüllt sind. Erst recht nicht beurteilen lässt sich die Anwesenheitsberechtigung der ebenfalls beschwerdeführenden Ehefrau und der Kinder, die von der Gültigkeit der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers abhängt. Die Angelegenheit ist daher an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen zu ergänzender Abklärung der tatsächlichen Umstände und zu neuem Entscheid in der Sache.
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Sachverhalt ab Seite 60 BGE 128 V 59 S. 60 A.- Die 1948 geborene I. ist bei der Krankenkasse KPT (nachfolgend KPT) krankenversichert. Sie stellte der Krankenkasse verschiedene Zahnarztrechnungen für Behandlungen bei Dr. med. dent. M. im Zeitraum vom 12. Januar 1996 bis 7. April 1997 zu. Nach Konsultation ihres Vertrauenszahnarztes Dr. med. dent. W. hielt die KPT in ihrer Verfügung vom 22. August 1997 fest, dass an die zahnärztlichen Behandlungskosten seit 1. Januar 1996 aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur die Kosten der Kariesprophylaxe, der Fluorschiene und der Ernährungsberatung vergütet werden. An ihrem Standpunkt hielt sie mit Einspracheentscheid vom 27. Januar 1998 fest. B.- Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher I. sinngemäss die Aufhebung des Einspracheentscheids, die Einholung eines medizinischen Gutachtens und die Vergütung der Zahnarztrechnungen beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 22. April 1999 ab. BGE 128 V 59 S. 61 C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt I. sinngemäss wiederum die Einholung einer medizinischen Expertise und die Übernahme der Kosten für die Zahnpflege ab Januar 1996 beantragen. Die KPT schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. D.- Am 28. März 2000 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Expertengruppe mit der Erstellung eines zahnmedizinischen Grundsatzgutachtens im Zusammenhang mit der Leistungspflicht der Krankenkassen bei zahnärztlichen Behandlungen beauftragt. Um sicherzustellen, dass keine Widersprüche in der Rechtsprechung zu den Leistungsbestimmungen der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ergehen, wurde neben anderen Beschwerdeverfahren auch das vorliegende Verfahren mit Verfügung vom 3. April 2000 sistiert. Das Grundsatzgutachten ging am 31. Oktober 2000 beim Gericht ein und wurde am 16. Februar 2001 mit den Experten erörtert. Am 21. April 2001 erstellten die Experten einen Ergänzungsbericht.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nachdem das Grundsatzgutachten erstellt ist, kann die Sistierung des vorliegenden Verfahrens aufgehoben werden. 2. a) Die Leistungen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei Krankheit zu übernehmen sind, werden in Art. 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) in allgemeiner Weise umschrieben. Im Vordergrund stehen die Leistungen der Ärzte und Ärztinnen, dann aber auch der Chiropraktoren und Chiropraktorinnen sowie der Personen, die im Auftrag von Ärzten und Ärztinnen Leistungen erbringen. Die Leistungen der Zahnärzte und Zahnärztinnen sind in der genannten Bestimmung nicht aufgeführt. Die Kosten dieser Leistungen sollen im Krankheitsfalle der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur in eingeschränktem Masse überbunden werden, nämlich wenn die zahnärztliche Behandlung durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems ( Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG ) oder durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ( Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG ) oder zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist ( Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG ). BGE 128 V 59 S. 62 b) Gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung mit Art. 33 lit. d der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) hat das Departement in der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV]) zu jedem der erwähnten Unterabsätze von Art. 31 Abs. 1 KVG einen eigenen Artikel erlassen, nämlich zu lit. a den Art. 17 KLV , zu lit. b den Art. 18 KLV und zu lit. c den Art. 19 KLV . In Art. 17 KLV werden die schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems aufgezählt, bei denen daraus resultierende zahnärztliche Behandlungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. In Art. 18 KLV werden die schweren Allgemeinerkrankungen und ihre Folgen aufgelistet, die zu zahnärztlicher Behandlung führen können und deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu tragen sind. In Art. 19 KLV schliesslich hat das Departement die schweren Allgemeinerkrankungen aufgezählt, bei denen die zahnärztliche Massnahme notwendigen Bestandteil der Behandlung darstellt. c) In BGE 124 V 185 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die in Art. 17-19 KLV erwähnten Erkrankungen, deren zahnärztliche Behandlung von der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen ist, abschliessend aufgezählt sind. Daran hat es in ständiger Rechtsprechung festgehalten ( BGE 127 V 328 und 339). 3. Unbestritten und aus den Akten ersichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin an den Folgen von Speicheldrüsenresektionen, insbesondere an Xerostomie, leidet und dass daraus eine erhöhte Kariesanfälligkeit resultiert. Einig sind sich alle Beteiligten in der Qualifikation dieses Leidens als Speicheldrüsenerkrankung im Sinne von Art. 18 lit. d KLV . Streitig und zu prüfen ist, ob die Kosten für die zahnärztlichen Behandlungen in der Zeit ab 12. Januar 1996 bis 7. April 1997 von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind. 4. Gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG in Verbindung mit Art. 18 lit. d KLV übernimmt die Versicherung die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, die durch eine Speicheldrüsenerkrankung oder ihre Folgen bedingt und zur Behandlung des Leidens notwendig sind. a) Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, löst Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG in Verbindung mit Art. 18 KLV , obschon in diesen Bestimmungen nicht ausdrücklich erwähnt, analog zu Art. 31 Abs. 1 BGE 128 V 59 S. 63 lit. a KVG in Verbindung mit Art. 17 KLV nur bei nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems Pflichtleistungen aus. Nochmals zu betonen ist, dass vorliegend nicht die schwere Allgemeinerkrankung, sondern die Kausystemerkrankung unvermeidbar gewesen sein muss. Dies geht einerseits aus der parlamentarischen Debatte über Art. 31 KVG hervor, bei der die Mehrheit in den Räten die Auffassung vertrat, dass vermeidbare Erkrankungen des Kausystems, wie Karies, generell nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen gehören (vgl. Amtl.Bull. 1992 S 1301 f.; Amtl.Bull. 1993 N 1843 f.). Andrerseits ergeben auch Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung, dass der Grund für die Zuordnung zu den Pflichtleistungen darin zu sehen ist, dass die versicherte Person für die Kosten der zahnärztlichen Behandlung dann nicht soll aufkommen müssen, wenn sie an einer nicht vermeidbaren Erkrankung des Kausystems leidet, die durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherungsrechtliche Aspekte der zahnärztlichen Behandlung nach Art. 31 Abs. 1 KVG , in: LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la Société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 239 f.). Dieser Auslegung liegt somit der Gedanke zu Grunde, dass von einer versicherten Person eine genügende Mundhygiene erwartet wird. Diese verlangt Anstrengungen in Form täglicher Verrichtungen, namentlich die Reinigung der Zähne, die Selbstkontrolle der Zähne, soweit dem Laien möglich, des Ganges zum Zahnarzt, wenn sich Auffälligkeiten am Kausystem zeigen, sowie periodischer Kontrollen und Behandlungen durch den Zahnarzt (einschliesslich einer periodischen professionellen Dentalhygiene). Sie richtet sich nach dem jeweiligen Wissensstand der Zahnheilkunde. b) Was die Vermeidbarkeit im Sinne der obigen Ausführungen anbelangt, fällt darunter - wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend erwogen hat - alles, was durch eine genügende Mund- und Zahnhygiene vermieden werden könnte. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf eine objektive Vermeidbarkeit der Kausystemerkrankung. Massgebend ist demzufolge, ob beispielsweise Karies oder Parodontitis hätte vermieden werden können, wenn die Mund- und Zahnhygiene genügend gewesen wäre, dies ohne Rücksicht darauf, ob die versäumte Prophylaxe im Einzelfall als subjektiv entschuldbar zu betrachten ist (vgl. EUGSTER, a.a.O., S. 251). 5. a) Die Krankenkasse hat weder in der Verfügung und im Einspracheentscheid, noch in der Beschwerdeantwort und in der Duplik im Vorverfahren, noch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 128 V 59 S. 64 bestritten, dass die Beschwerdeführerin an Mundtrockenheit (Xerostomie) als Folge der Speicheldrüsenerkrankung leidet und dass damit eine erhöhte Kariesanfälligkeit besteht. Sie hat hingegen die Zahnschäden, für welche die Versicherte Kassenleistungen verlangt, als bei guter Mundhygiene vermeidbar bezeichnet. Ihrer Ansicht nach war die Mundhygiene der Beschwerdeführerin ungenügend, wären doch vier jährliche Kontrollen und Fluoridierungen angemessen und zumutbar gewesen. Aus den eingereichten Rechnungen für die Behandlungen ab 1. Januar 1996 (recte: 12. Januar 1996) sei jedoch ersichtlich, dass einzig am 28. März 1996 eine Fluoridierung und am 16. April 1996 eine Schmelzätzung und Dentinvorbehandlung mit Haftvermittler als Kariesprophylaxe durchgeführt worden seien. b) Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, bei den Fällen von Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG in Verbindung mit Art. 18 KLV könne Karies unvermeidbar sein. Zur sachkundigen Beantwortung der Frage der Vermeidbarkeit sei - wie bereits im kantonalen Verfahren beantragt - eine medizinische Expertise notwendig. Sie habe eine ordentliche Zahnpflege betrieben und sei stets darauf bedacht gewesen, die Mundschleimhäute nicht austrocknen zu lassen. c) Die Vorinstanz hat sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach die in Rechnung gestellten Zahnbehandlungen bei geeigneter Prophylaxe trotz der bestehenden Xerostomie mit Sicherheit vermeidbar gewesen wären, angeschlossen. Massgebendes Kriterium sei die objektive Unvermeidbarkeit. Die Vermeidbarkeit von Parodontitis und Karies werde damit in gewissem Sinne zu einer Vermutung. Zu einer geeigneten Prophylaxe gehöre in concreto nun aber, dass sie häufiger als nur zweimal innerhalb von 16 Monaten durchgeführt werde. 6. Den Darlegungen und insbesondere der Schlussfolgerung von Krankenkasse und Vorinstanz kann nicht beigepflichtet werden. a) Von einer "Vermutung" der Vermeidbarkeit von Karies kann nicht ausgegangen werden, auch nicht in "gewissem Sinne", wie das kantonale Gericht annimmt. Vielmehr gibt es Formen vermeidbarer und nicht vermeidbarer Karies. So hat der Verordnungsgeber mit der Aufnahme von Art. 18 lit. d KLV offensichtlich auch die Behandlung von Karies und andern Zahnschäden zur Pflichtleistung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gemacht, gerade eben in der Erkenntnis, dass Speicheldrüsenerkrankungen und die daraus folgende Mundtrockenheit zu nicht vermeidbaren Zahnschäden führen können. BGE 128 V 59 S. 65 b) Die der Krankenkasse unterbreiteten Rechnungen weisen Zahnbehandlungen ab 12. Januar 1996 aus. Die erste der in den Rechnungen ausgewiesenen zahnärztlichen Verrichtungen ist das provisorische Zementieren einer Krone. Die von der Beschwerdegegnerin behauptete unzureichende Mundhygiene der Versicherten müsste vor diesem Zeitraum ausgewiesen sein. c) Entscheidend kann sodann nicht sein, ob die Beschwerdeführerin eine weniger gute Mundhygiene gehabt hat, als von der Beschwerdegegnerin als nötig und zumutbar erachtet wird, sondern vielmehr, ob die Zahnbehandlungen bei der Speicheldrüsenerkrankung und der dadurch verursachten Mundtrockenheit mit erhöhter Kariesanfälligkeit durch eine genügende und zumutbare Mundhygiene hätten vermieden werden können. Ersteres würde nämlich auf eine Sanktionierung der Beschwerdeführerin hinauslaufen, indem sie wegen ungenügender Mundhygiene der Pflichtleistung selbst dann verlustig ginge, wenn die Zahnschäden trotz optimaler, d.h. genügender und zumutbarer Mundhygiene nicht vermeidbar wären. d) Der behandelnde Zahnarzt attestiert der Versicherten eine gute Mundhygiene. Wird - wie oben dargelegt - auf eine objektive Vermeidbarkeit der Zahnschäden abgestellt, gehört dazu eine allgemein übliche genügende Mund- und Zahnhygiene (Erw. 4a). Dies will indessen nicht heissen, dass eine versicherte Person, die auf Grund ihrer Konstitution, durchgemachten Krankheiten oder durchgeführten Zahnbehandlungen eine erhöhte Anfälligkeit für Zahnerkrankungen hat, es mit der allgemein üblichen Mundhygiene bewenden lassen kann. Die Mundhygiene muss aber in jedem Fall sowohl in der täglichen Durchführung wie auch hinsichtlich des periodischen Ganges zum Zahnarzt und der Dentalhygiene in vernünftigem und zumutbarem Rahmen bleiben. e) Ob die Schäden, für welche die Versicherte Leistungen der Krankenkasse begehrt, bei einer solchen Mundhygiene im Sinne von Erw. 6d vermeidbar gewesen wären, kann den Akten nicht entnommen werden. Da die Beantwortung der Frage Fachwissen erfordert, hat die Beschwerdegegnerin darüber unter Wahrung der Parteirechte ein Gutachten einzuholen. Dabei geht es um die Abklärung, welche direkten Zahnschäden, vor allem Karies, und welche Folgeschäden bei einer genügenden Mundhygiene im oben dargestellten Sinne vermeidbar gewesen wären.
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Sachverhalt ab Seite 144 BGE 91 II 143 S. 144 Résumé des faits: La Société d'agriculture du Val-de-Ruz a entrepris la construction d'un centre collecteur de céréales. Treize voisins ont fait au projet une opposition rejetée par le Conseil d'Etat neuchâtelois; douze d'entre eux ont formé un recours de droit public au Tribunal fédéral, mais trois se sont retirés en cours de procédure. Le 26 juillet 1963, se fondant sur l'art. 94 OJ, les recourants ont requis la suspension de l'arrêté attaqué jusqu'à droit connu sur le recours. Le 30, rappelant cette requête, leur mandataire informait le président du tribunal du début des travaux et suggérait que le délai imparti pour répondre à la demande de mesures provisionnelles fût abrégé. Le 2 août, ce magistrat ordonna d'urgence le maintien de l'état de fait jusqu'à la décision sur les mesures provisionnelles; il se référait à la requête du 26 juillet et à la lettre du 30. Le 22 août, la Chambre de droit public déclara le recours irrecevable, par un arrêt dont le dispositif fut notifié aussitôt. Les travaux avaient été suspendus du lundi 5 au vendredi 23 août compris. L'intimée a assigné les recourants, devant le Tribunal fédéral, en réparation du dommage causé par la suspension des travaux. Le tribunal a admis sa compétence et condamné les défendeurs à réparer la totalité du dommage.
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Erwägungen Extrait des motifs: 1. A la demande d'une partie, le président du tribunal peut, après avoir reçu l'acte du recours de droit public, ordonner les mesures provisionnelles nécessaires au maintien de l'état de fait ou à la sauvegarde des intérêts compromis (art. 94 OJ). Le texte BGE 91 II 143 S. 145 même de cette disposition et sa note marginale ("mesures provisionnelles") appellent d'emblée l'application, à titre supplétif (art. 40 OJ), des règles de la loi de procédure civile fédérale sur les mesures provisionnelles (art. 79 sv. PCF; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 401). Si le renvoi vise les dispositions "de procédure", il s'entend néanmoins dans un sens large, qui comprend la réparation du dommage causé par les mesures prises (art. 84 PCF). Cette solution est conforme à la nature du recours de droit public. Voie de droit extraordinaire n'ayant en règle générale qu'une fonction de cassation, celui-ci n'a pas d'effet suspensif. Certes, l'on évitera souvent que l'arrêt du Tribunal fédéral se heurte au fait accompli par la suspension, totale ou partielle, de l'exécution de la décision attaquée; mais il n'en reste pas moins que les mesures conservatoires sont analogues à celles que le juge civil ordonne en cours d'instance. En effet, encore que la doctrine réserve parfois certaines hypothèses (BONNARD, Problèmes relatifs au recours de droit public, RDS 1962, p. 387/388, no 10), la jurisprudence constante admet très généralement que le recours de droit public, dépourvu d'effet dévolutif, ne continue pas la procédure, judiciaire ou administrative, qui s'est déroulée devant les autorités cantonales, mais introduit une instance indépendante destinée à examiner la constitutionnalité de l'acte de souveraineté du pouvoir cantonal (RO 86 I 102 consid. 3, 83 I 272 consid. 2). On ne statue pas à nouveau sur l'objet de la décision attaquée, que l'on ne revoit pas comme telle, fût-ce sous un angle restreint (BIRCHMEIER, op.cit., p. 401 et 358 ch. 2 lettre b; RO 70 I 155, 65 I 131, 59 I 80). Naturelle, l'application de l'art. 84 PCF est aussi équitable. Les mesures provisionnelles prises à la requête d'une partie peuvent causer un préjudice considérable. En l'espèce, seule la rapidité avec laquelle la cour de droit public a statué a limité le dommage. Pour les motifs qui imposent la règle du procès civil, la partie qui le cause doit en répondre lorsque le recours est rejeté ou irrecevable ("nicht zu Recht bestand", dit l'art. 84 OJ), d'autant que le juge statue prima facie sans examiner le fond. L'obligation de réparer (et de fournir des sûretés: art. 82 al. 2 et 84 al. 3 PCF) est le corollaire nécessaire de la décision provoquée par le recourant pour la sauvegarde de ses droits, faute de quoi le juge hésiterait souvent à appliquer l'art. 94 OJ, par crainte de causer un préjudice irréparable; cette réserve BGE 91 II 143 S. 146 serait même plus grande que dans un procès civil, car le recours de droit public attaque une décision cantonale en force, qui est présumée conforme à la constitution: c'est une raison de plus d'appliquer l'art. 84 PCF. 2. Il suit de là que le Tribunal fédéral est compétent (art. 84 al. 2 PCF). La Ie Cour civile a été chargée de traiter l'affaire. 3. La décision du 2 août 1963 est une mesure provisionnelle urgente, que le président de la cour de droit public se réservait de revoir après avoir reçu les déterminations des intimés. Elle a été prise en vertu de l'art. 94 OJ, à la demande des recourants. La requête est du 26 juillet. La lettre du 30 la rappelait, avisait l'autorité du début des travaux et attirait son attention sur l'urgence de la mesure; ce n'est point un retrait de la requête, mais une invitation à y faire droit dans le plus bref délai. Les défendeurs soutiennent en vain qu'ils n'auraient commis aucune faute: leur responsabilité, fondée sur l'art. 84 PCF, n'en dépend pas (RO 88 II 279). 4. La responsabilité des défendeurs est solidaire, en raison de leur consorité dans la procédure du recours de droit public, analogue à la société simple (cf. art. 156 al. 7 et 159 al. 5 OJ).
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Sachverhalt ab Seite 572 BGE 130 III 571 S. 572 A. Die Y. AG ist Betreiberin der Sommerrodelbahn "Y.". Am 29. September 1996 kollidierte auf dieser Bahn im Bereich der Auslaufstrecke der Rodel der beiden Kinder S.A. und T.A. (damals zwölf und neun Jahre alt) von hinten mit demjenigen von X., die mit ihrem Sohn unterwegs war. Durch die Wucht des Aufpralls wurde X. und ihr Sohn aus dem Rodel heraus auf die Wiese geworfen. X. erlitt dabei eine Prellung des Schädels im Hinterkopfbereich sowie ein Schleudertrauma. B. Am 25. Juni 1999 reichte X. beim Bezirksgericht Schwyz Klage gegen die Y. AG ein und verlangte, diese sei zu verpflichten, ihr für den im Zeitraum vom 29. September 1996 bis 1. Juli 1999 angefallenen Haushaltsschaden und Erwerbsausfall Schadenersatz nach richterlichem Ermessen zu bezahlen. Die Y. AG beantragte die Abweisung der Klage und verkündete den Kindern S.A. und T.A. sowie der Z. GmbH & Co. KG (Herstellerin der Rodelanlage) den Streit. Die Z. GmbH & Co. KG trat daraufhin dem Prozess als Nebenintervenientin bei. Das Bezirksgericht beschränkte in der Folge das Verfahren auf die Grundsatzfrage der Haftung und wies die Klage mit Urteil vom 13. Dezember 2000 ab. Dagegen erhob X. Berufung beim Kantonsgericht des Kantons Schwyz. Dieses bestätigte am 2. Dezember 2003 das erstinstanzliche Urteil - mit Ausnahme der Kostenverteilung - vollumfänglich. C. X. führt eidgenössische Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt im Wesentlichen, die Y. AG sei zu verpflichten, ihr Schadenersatz nach richterlichem Ermessen zu bezahlen; eventuell sei festzustellen, dass die Y. AG für den Unfall vom 29. September 1996 hafte und die Sache zur Schätzung des Haushaltsschadens und Erwerbsausfalls an das Kantonsgericht zurückzuweisen. BGE 130 III 571 S. 573 Die Y. AG und die Z. GmbH & Co. KG schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. Eine gegen das nämliche Urteil des Kantonsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 7. Juni 2004 abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist (Verfahren 5P.67/2004). Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Klägerin macht geltend, auf den vorliegenden Fall finde das Bundesgesetz vom 28. März 1905 über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschifffahrtsunternehmungen und der Schweizerischen Post (EHG; SR 221.112.742; im Folgenden: Eisenbahnhaftpflichtgesetz) Anwendung. Ob diese Behauptung zutrifft, insbesondere ob die Beklagte Inhaberin einer Eisenbahnunternehmung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EHG ist, muss vorab geprüft werden. 2.1 Nach Art. 1 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) - welches als Auslegungshilfe hinzugezogen werden kann - sind Eisenbahnen Unternehmungen, die nach ihrer Zweckbestimmung von jedermann zur Beförderung von Personen und Gütern benützt werden können und deren Fahrzeuge auf oder an Schienen laufen. Nur erfasst von der Eisenbahngesetzgebung sind die dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen (Botschaft des Bundesrates zum Eisenbahngesetz, BBl 1956 I 235; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/3, 1991, § 27 N. 13). 2.2 Bei der hier zu beurteilenden Rodelbahn laufen die Rodel unstrittig nicht auf oder an Schienen, sondern bewegen sich auf Rollen in einem halbkreisförmigen Blechkanal. Die Klägerin bringt jedoch vor, auch innerhalb dieser Blechwanne sei eine Richtungsänderung nicht möglich, was einen Teil der spezifischen Betriebsgefahr der Eisenbahn ausmache. Ob aus dieser Unmöglichkeit der Richtungsänderung auf das Vorliegen einer Eisenbahn geschlossen werden kann, ist zweifelhaft; diese Frage kann indes offen bleiben. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, dass die Rodelbahn nicht dem öffentlichen Verkehr dient. Eine Rodelbahn ist am ehesten vergleichbar mit einer BGE 130 III 571 S. 574 Sportanlage wie eine (Winter-)Bobbahn oder einer Anlage in einem Vergnügungspark, welche nicht unter das Eisenbahnhaftpflichtgesetz fallen (OFTINGER/STARK, a.a.O., § 27 N. 17 u. 18; DESCHENAUX/ TERCIER, La responsabilité civile, 1982, § 16 N. 16). Hinzu kommt, dass auf der vorliegenden Bahn keine Personen befördert werden (CHRISTIAN KÜNG, Die Konzessionierung von Luftseilbahnen nach Bundesrecht, Diss. Bern 1988, S. 53; HANS-KASPAR STIFFLER, Die Haftung der Seilbahnunternehmungen für ausservertragliche Schädigung, Diss. Zürich 1959, S. 44), da die Benutzer den Rodel selber steuern bzw. zumindest selber abbremsen und beschleunigen. Es kann folglich festgehalten werden, dass die Beklagte nicht Inhaberin einer Eisenbahnunternehmung ist. 3. Gemäss den Ausführungen der Klägerin ist mit der Rodelbahn über ein Förderband eine Aufzugsanlage verbunden, durch welche die Rodel mit den darauf sitzenden Benutzern wieder den Hang hinauf transportiert werden. Die Klägerin führt aus, diese Aufzugsanlage hätte in Anwendung der Verordnung vom 8. November 1978 über die Konzessionierung von Luftseilbahnen (LKV; SR 743.11) einer eidgenössischen Konzession bedurft. Eidgenössisch konzessionierte Unternehmungen seien nach Art. 5 des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung und die Zulassung als Strassentransportunternehmung (PBG; SR 744.10) bezüglich der Haftung wiederum dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz unterstellt. 3.1 Die Vorinstanz hat sich mit der Frage der Konzessionspflicht nicht befasst und insbesondere die Aufzugsanlage der Beklagten nicht näher spezifiziert. Die Akten reichen in diesem Punkt nicht aus, damit das Bundesgericht den Sachverhalt gestützt auf Art. 64 Abs. 2 OG selber vervollständigen könnte. Da jedoch eine allfällige Konzessionspflicht für den vorliegenden Fall keine Rolle spielt (vgl. E. 3.2 nachfolgend), erübrigt sich eine Rückweisung an das Kantonsgericht. Es ist im Übrigen anzumerken, dass die Aufzugsanlage, basierend auf der Beschreibung der Klägerin, wohl ohnehin am ehesten als Schlepplift ("Skilift") zu qualifizieren wäre. In der Literatur (vgl. insbesondere HANS-KASPAR STIFFLER, Schweizerisches Schneesportrecht, 2002, S. 59) werden Schlepplifte definiert als Anlagen, bei welchen die Fahrgäste auf geeigneten Sportgeräten auf einer speziellen Schleppspur befördert werden. Ein solcher Schlepplift bedarf keiner eidgenössischen Konzession und ist dementsprechend auch BGE 130 III 571 S. 575 nicht dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz unterstellt (OFTINGER/STARK, a.a.O., § 27 N. 25; PATRIK BERGAMIN, Haftung des Bergbahnunternehmens bei Sommersport-Unfällen im Einzugsgebiet der Bahn, Diss. St. Gallen 2000, S. 80 f.). 3.2 Die Klägerin geht sinngemäss davon aus, dass, wenn für die Aufzugsanlage das Eisenbahnhaftpflichtgesetz anwendbar wäre, sich auch die Haftung für die Rodelbahn ("Abfahrt") nach diesem Spezialgesetz beurteilen würde. Diese Auffassung geht fehl: Nach Art. 1 Abs. 1 EHG haftet der Inhaber nur für Personenschäden, welche durch den Bau oder Betrieb der Unternehmung verursacht werden. Darunter versteht man nur den technischen Betrieb, nämlich die Einzeltätigkeiten, die der Beförderung oder der unmittelbaren Vorbereitung hiezu dienen ( BGE 63 II 267 S. 269; 113 II 246 E. 8; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 27 N. 90 f.; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 2002, S. 249 f.; PATRIK BERGAMIN, a.a.O., S. 81 f.). Im vorliegenden Fall ist der Unfall aber nicht während der Fahrt mit der Aufzugsanlage oder beim An- bzw. Abhängen des Rodels geschehen, sondern bei der Abfahrt auf der Rodelbahn. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Beförderung ist damit nicht ersichtlich, so dass eine Haftung nach dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz von vornherein entfällt. 4. Die Klägerin beruft sich weiter auf vertragliche und ausservertragliche Haftungsbestimmungen, insbesondere auf die Art. 41 ff., Art. 58 sowie Art. 97 ff. OR . Dabei stellt sich - unabhängig von der konkret anwendbaren Haftungsgrundlage - in erster Linie die Frage, ob die Rodelbahn der Beklagten den massgebenden Sicherheitsanforderungen genügt hat ( BGE 126 III 113 E. 2b S. 116). Das Vorliegen eines Bremsdefekts am Rodel der Kinder A. hat das Kantonsgericht in für das Bundesgericht verbindlicher Weise ( Art. 63 Abs. 2 OG ) als nicht bewiesen erachtet. 4.1 Die Klägerin wirft dem Kantonsgericht vor, Bundesrecht dadurch verletzt zu haben, als es einen zu wenig weitgehenden Massstab an die Sorgfaltspflicht der Beklagten und die Mängelfreiheit der Rodelbahn angelegt habe: Dieses gehe von einem Sicherheitsdispositiv aus, das von allen Bahnbenutzern eine vernünftige Fahrweise und korrekte Betätigung des Bremshebels voraussetze; jedoch müsse bei einer Freizeitanlage mit einer gewissen Unvernunft einiger Benutzer, insbesondere von Kindern, gerechnet werden. Im Einzelnen rügt die Klägerin vor allem ein mangelhaftes BGE 130 III 571 S. 576 Sicherheitsdispositiv am Bahnende (ungenügende Überwachung, fehlende automatische Bremsvorrichtung etc.) sowie die ungenügende passive Sicherheit der Rodel (keine Knautschzone, keine Rückenlehnen etc.). 4.2 Das Kantonsgericht hat vorab festgehalten, die Sommerrodelbahn der Beklagten sei übersichtlich, wenig steil und nicht sehr lang. Sie sei eine typische Familien- und Kinderrodelbahn. Weiter hat es ausgeführt, die generelle Hinweistafel über die Fahrweise am Start sowie die zahlreichen Warntafeln und Schilder zur Bremsaufforderung würden den Sicherheitsanforderungen genügen: Vor Kurven und vor dem Bahnende seien gut sichtbare Gefahren- und Bremshinweistafeln aufgestellt, welche in Wort und Bild zur Vorsicht und zum Bremsen auffordern würden. Die Anlageführung der Bahn und der gleichzeitige Hinweis auf das Bahnende würden dem Benutzer deutlich machen, dass das Bahnende nahe und damit der Rodel gebremst und auf das Ende hin gestoppt werden müsse. 4.3 Welche Sicherheitsvorkehren in einem bestimmten Zeitpunkt die zu beurteilende örtliche Situation erfordert hat, ist im Wesentlichen eine Frage des Ermessens des Sachrichters ( BGE 130 III 193 E. 2.3 S. 197). Ermessensentscheide kantonaler Instanzen überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn Umstände nicht in Betracht gezogen worden sind, die hätten beachtet werden müssen. Das Bundesgericht greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen ( BGE 126 III 223 E. 4a S. 227 f.; BGE 127 III 351 E. 4a S. 354). 4.4 Die Klägerin macht nicht geltend, die Beschilderung der Anlage sei für Kinder im Alter von S.A. und T.A. nicht verständlich gewesen. Es ist zudem auch zu berücksichtigen, dass die Rodelbahn gemäss Beschreibung des Kantonsgerichts (vgl. E. 4.2) übersichtlich ist und die Anlageführung es erlaubt, einen vorangehenden Rodel rechtzeitig und in genügender Distanz zu erkennen. Daraus lässt sich ableiten, dass es bei minimaler Aufmerksamkeit, welche grundsätzlich von jedem Benutzer einer Anlage erwartet werden darf ( BGE 126 III 113 E. 2a/cc S. 116; Urteil des Bundesgerichts BGE 130 III 571 S. 577 4C.119/2000 vom 2. Oktober 2000, E. 1b, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 46 S. 268 f.), möglich ist, die Rodelbahn zu befahren, ohne den Voranfahrenden zu gefährden. In diesem Zusammenhang ist - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - zudem durchaus von Bedeutung, dass die Bremse des Rodels gemäss Feststellung des Kantonsgerichts "ohne weiteres auch für Kinder leicht zu handhaben" ist. Es ist folglich nicht zu beanstanden, wenn das Kantonsgericht zusätzliche Sicherheitsmassnahmen, wie beispielsweise das Positionieren einer Überwachungsperson am Bahnende oder die Installation von Flattervorhängen, nicht als notwendig angesehen hat. 4.5 Unbehelflich ist zudem der Verweis der Klägerin auf die Inspektionsberichte der Kontrollstelle des interkantonalen Konkordats für Seilbahnen und Skilifte (IKSS). Bereits das Bezirksgericht hatte festgehalten, es sei nicht erstellt, welche Sicherheitskriterien bei den Inspektionen geprüft worden seien, und hat daher die Berichte vollständig ausser Acht gelassen; es hat diese also weder zu Gunsten noch zu Ungunsten der Beklagten gewertet. Im Übrigen ergibt sich aus den Berichten, dass sich die Beanstandungen der Kontrollstelle in erster Linie auf die Talstation der Aufzugsanlage und nicht auf die Auslaufstrecke der Rodelbahn, wo sich der Unfall ereignet hat, bezogen haben, und zudem in den letzten beiden überhaupt keine Beanstandungen mehr verzeichnet sind. Von einer Missachtung amtlich verordneter Sicherheitsmassnahmen kann damit nicht die Rede sein. 4.6 Bezüglich der von der Klägerin kritisierten passiven Sicherheit der Rodel hat das Kantonsgericht einerseits festgehalten, die Klägerin habe nicht geltend gemacht, dass im Zeitpunkt des Unfalls für Familienrodelanlagen vom passiven Sicherheitsstandard her sicherere Rodel auf dem Markt zur Verfügung gestanden hätten. Andererseits hat es den Vergleich zum Strassenverkehr gezogen und erwogen, die dort akzeptierten Risiken erschienen um ein Vielfaches höher, die Schutzvorrichtungen für Fahrzeuge (namentlich Motorräder und Fahrräder) im Vergleich zum Gefahrenpotential (Geschwindigkeit, hohe Massen, Gegenverkehr) ungleich kleiner als bei Rodeln auf einer Rodelbahn. Dass das Kantonsgericht durch den Vergleich mit der Sicherheit im Strassenverkehr gegen Bundesrecht verstossen hat, rügt die Klägerin im Berufungsverfahren nicht ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Unbehelflich ist zudem der Verweis auf einen Rodel, welcher die von BGE 130 III 571 S. 578 ihr geforderten Sicherheitsmerkmale (Schalensitz, Stossabsorber, Rückenlehne etc.) aufweist. Dieser Rodel ist offenbar für einen anderen Typ Rodelbahn (geführt auf Rohren) konstruiert, so dass sich daraus für den Sicherheitsstandard der Bahn der Beklagten nichts ableiten lässt. (...) 6. Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kostenpflichtig ( Art. 156 Abs. 1 OG ) und hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen ( Art. 159 Abs. 2 OG ). Die Nebenintervenientin, die ebenfalls die Abweisung der Berufung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen beantragt hat, obsiegt mit der Beklagten. Über die Berücksichtigung der Nebenpartei im Kosten- und Entschädigungspunkt befindet das Bundesgericht nach seinem Ermessen ( Art. 40 OG i.V.m. Art. 69 Abs. 2 BZP ; BGE 105 II 289 E. 9 S. 296 f.; BGE 109 II 144 E. 4 S. 152). Der Nebenintervention wie auch der Streitverkündung liegt ein Rechtsverhältnis zwischen der unterstützten Hauptpartei und der Nebenpartei zu Grunde, an welchem der Prozessgegner nicht beteiligt ist. Mit ihrer Teilnahme am Prozess nimmt die Nebenpartei Interessen wahr, die in diesem Rechtsverhältnis und nicht in einem Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Prozessgegner begründet sind. Es rechtfertigt sich daher grundsätzlich nicht, der Nebenpartei einen Anspruch gegenüber dem Prozessgegner auf Ersatz ihrer Parteikosten einzuräumen (MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 1979, S. 408). Das Bundesgericht spricht deshalb der Nebenpartei im Allgemeinen keine Parteientschädigung zu, es sei denn, es bestünden Gründe der Billigkeit. Solche Gründe sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und werden von der Nebenintervenientin auch nicht geltend gemacht. Ihr ist folglich keine Parteientschädigung zuzusprechen.
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Sachverhalt ab Seite 213 BGE 89 IV 213 S. 213 A.- Willimann fuhr am 16. Januar 1963 nach 19 Uhr mit einem Personenwagen durch die Haldenstrasse in Luzern stadtauswärts bis zur Stelle, wo diese Strasse BGE 89 IV 213 S. 214 auf die Linie der Gotthardbahn stösst. Dort befindet sich ein Bahnübergang, auf dessen Nordseite trichterförmig drei Strassen zusammentreffen, nämlich von Nordwesten die Felsentalstrasse, von Nordosten die Bellerivestrasse und von Südosten die Kreuzbuchstrasse. Willimann bog nach Überquerung der Bahn in die Kreuzbuchstrasse, hielt in dieser 9,2 m vom Bahnübergang und 1 m vom südlichen Strassenrand entfernt an und begab sich zu Fuss zum Kiosk, der im Winkel zwischen der Felsentalstrasse und der Bahnlinie steht, um Zigaretten zu kaufen. Unterdessen fuhr Imhof mit einem anderen Personenwagen über den Bahnübergang in die Kreuzbuchstrasse, deren Fahrbahn wegen des an den Rändern aufgehäuften Schnees nur in einer Breite von 5,2 m benützt werden konnte. Als Imhof links am Wagen Willimanns vorbeifahren wollte, kam ihm ein von Wiederkehr geführter Lieferungswagen entgegen, der mit 35-40 km/Std durch die Kreuzbuchstrasse gegen den Bahnübergang fuhr. Beim Versuch, einen Zusammenstoss zu vermeiden, begann der Lieferungswagen auf dem Schneebelag zu gleiten. Er stiess von vorn auf die Vorderseite des Personenwagens des Imhof, der ungefähr neben dem Wagen Willimanns angehalten hatte. B.- Das Amtsgericht Luzern-Stadt sprach am 14. Juni 1963 Wiederkehr von der Anklage der Verletzung von Verkehrsregeln frei, verurteilte dagegen Willimann wegen Übertretung von Art. 18 Abs. 2 lit. a bis d und 19 Abs. 2 lit. e VRV zu Fr. 60.- und Imhof wegen Widerhandlung gegen Art. 35 Abs. 2 SVG zu Fr. 40.- Busse. C.- Willimann führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. b VRV ist das freiwillige Halten in Engpässen und neben Hindernissen in der Fahrbahn untersagt. BGE 89 IV 213 S. 215 Das Amtsgericht wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe seinen Personenwagen "im Bereiche einer durch Schneehaufen verengten Strasse" angehalten. Damit hat er die erwähnte Bestimmung nicht übertreten. Von einem Engpass könnte nur die Rede sein, wenn die Kreuzbuchstrasse an der Stelle, an welcher der Beschwerdeführer anhielt, im Verhältnis zu ihrer normalen Breite wesentlich enger gewesen wäre. Art. 18 Abs. 2 lit. b will nur verhüten, dass dort angehalten werde, wo die Strasse aus irgendeinem Grunde enger ist, damit die ohnehin verkehrshemmende Stelle nicht noch enger und der Verkehr nicht noch mehr behindert oder gar verunmöglicht werde. Der an den Rändern der Kreuzbuchstrasse angehäufte Schnee hatte nur zur Folge, dass die Fahrbahnbreite von rund 6 m, wie sie in schneefreiem Zustande bestand, sich auf 5,2 m verringerte. Diese Verengung war nicht so bedeutend, dass der Verkehr in dieser Strasse bereits stark gehemmt gewesen wäre und ein Engpass bestanden hätte, bevor der Beschwerdeführer dort anhielt. Art. 18 Abs. 2 lit. b verbietet nicht das Schaffen von Engpässen, sondern das Halten in Engpässen. 6. Nach Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV darf bei Strassenverzweigungen nicht näher als 5 m vor und nach der Querfahrbahn freiwillig angehalten werden. Der Beschwerdeführer verkennt den Sinn dieser Bestimmung, wenn er behauptet, er habe 10 m nach der Strassenverzweigung angehalten, weil er dies 10 m vom Bahnübergang entfernt getan habe. Verzweigungen, worunter Art. 1 Abs. 8 VRV Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen von Fahrbahnen versteht, umfassen nicht nur das Gebiet, das den aufeinandertreffenden Fahrbahnen bei gedachter Fortführung ihrer Randlinien gemeinsam ist, sondern auch die Fläche anstossender trichterförmiger Ausweitungen, die dann entstehen, wenn die Fahrbahnränder in einem Bogen oder in einer gebrochenen Linie ineinander übergeführt werden ( BGE 85 IV 87 ; Urteil des Kassationshofes vom 14. Juni 1963 i.S. Jecker). Eine solche trichterförmige Ausweitung besteht beim Zusammentreffen der BGE 89 IV 213 S. 216 Kreuzbuchstrasse mit der Bellerivestrasse. Der Punkt, an dem sich die Kreuzbuchstrasse auf ihrer Nordseite gegen die Bellerivestrasse hin auszuweiten beginnt, lag östlich vom angehaltenen Fahrzeug des Beschwerdeführers. Er befand sich somit immer noch innerhalb der Strassenverzweigung und hatte diese keinesfalls 5 m hinter sich. Der Tatbestand der Übertretung von Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV ist demnach erfüllt. 7. Art. 19 Abs. 1 VRV versteht unter Parkieren "das Abstellen des Fahrzeuges, das nicht bloss dem Ein- und Aussteigenlassen von Personen oder dem Güterumschlag dient". Diese Umschreibung deckt sich nicht mit dem durch die Rechtsprechung entwickelten Begriff des Aufstellens im Sinne des Art. 49 Abs. 2 MFV . Der Beschwerdeführer, der geltend macht, er habe nicht parkiert, vermag daher aus BGE 81 IV 300 nichts abzuleiten. Namentlich wird das Parkieren nicht dadurch widerlegt, dass er sofort nach dem geplanten Einkauf am nahe gelegenen Kiosk weiterfahren wollte. Ob er diese Absicht durch das Laufenlassen des Motors - das übrigens verboten war ( Art. 22 Abs. 1 VRV ) - und durch das Einschalten der Standlichter und des rechten Blinklichtes bekundet hat, ist daher unerheblich. Massgebend ist einzig, ob er angehalten hat, um jemanden aus- oder einsteigen zu lassen oder Güter umzuschlagen. Weder das eine noch das andere trifft zu. Der Beschwerdeführer hielt nicht an, um einem Insassen das Aussteigen oder jemandem, der mitfahren wollte, das Einsteigen zu ermöglichen. Er hat vielmehr das Fahrzeug zur Besorgung eines Einkaufes verlassen und sich von ihm entfernt. Der Beschwerdeführer hat auch nicht Güter umgeschlagen. Darunter ist das Verladen oder Ausladen von Sachen zu verstehen, die nach Grösse oder Gewicht die Beförderung durch ein Fahrzeug nötig machen. Ein Päcklein Zigaretten ist kein solches Gut. Der Beschwerdeführer hat daher sein Fahrzeug parkiert, wenn auch nur für kurze Zeit. BGE 89 IV 213 S. 217 8. Der Beschwerdeführer glaubt, Art. 19 Abs. 2 lit. e VRV verbiete das Parkieren näher als 20 m vom Bahnübergang nur dem, der diesen noch nicht erreicht, nicht auch dem, der ihn schon hinter sich hat. Ein vernünftiger Grund für diese Unterscheidung fehlt. Die Bestimmung will die Sicht auf die Bahnlinie freihalten und die Behinderung oder Gefährdung des Verkehrs am Bahnübergang verhüten ( Art. 37 Abs. 2 SVG ). Unter diesen Gesichtspunkten ist es unerheblich, ob der Bahnübergang vor oder hinter dem parkierenden Fahrzeug liegt und auf welcher Seite der Strasse dieses steht. Die Bahn kann sich von der einen wie von der anderen Richtung nähern, weshalb auf beiden Seiten des Bahnübergangs die Sicht von der Strasse aus nach beiden Richtungen frei bleiben muss. Desgleichen ist ein am Bahnübergang parkiertes Fahrzeug ohne Rücksicht darauf, ob es ihn schon überquert hat oder nicht, ein verkehrshemmendes Hindernis, namentlich dann, wenn hinter geschlossenen Schranken mehrere Fahrzeuge anhalten, die bei der Weiterfahrt kreuzen müssen. Der in Art. 19 Abs. 2 lit. e verwendete Ausdruck "bei Bahnübergängen" kann daher nur den Sinn haben, dass beidseits des Bahnüberganges nicht näher als 50 bzw. 20 m parkiert werden darf. Wäre vor Bahnübergängen gemeint, so würde "vor" oder "davor" gesagt, wie z.B. in Art. 18 Abs. 2 lit. e VRV (Fussgängerstreifen), Art. 18 Abs. 2 lit. g VRV (Signale), Art. 24 Abs. 1 VRV (Anhalten schwerer Motorwagen vor Bahnübergängen) oder Art. 31 Abs. 4 VRV (Standlicht beim Warten vor Bahnübergängen). Es kann denn auch aus den zwei letztgenannten Bestimmungen, die einen anderen Zweck als Art. 19 Abs. 2 lit. e verfolgen, nichts zugunsten der Auffassung des Beschwerdeführers abgeleitet werden.
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Sachverhalt ab Seite 254 BGE 129 IV 253 S. 254 X. s'est livré au trafic de stupéfiants durant une année environ. Il a ainsi réalisé un chiffre d'affaires de l'ordre de 40'000 fr., alors que son bénéfice s'élevait à 12'000 fr. environ. Ce trafic a par ailleurs constitué sa seule source de revenu durant 8 mois. Reconnu coupable d'infraction à l' art. 19 ch. 2 let . c LStup, X. se pourvoit en nullité contre l'arrêt de la cour cantonale. Il fait notamment valoir que le gain obtenu au moyen de son trafic n'est pas suffisant pour que l'on puisse considérer qu'il a agi par métier au sens de cette disposition. Son pourvoi est rejeté sur ce point.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant soutient que l'arrêt attaqué viole les art. 19 ch. 1 in fine et 19 ch. 2 LStup dans la mesure où l'autorité cantonale admet qu'il a agi par métier. La réalisation du cas grave prévu à l' art. 19 ch. 2 let . c LStup suppose notamment que l'auteur ait réalisé par son trafic un chiffre d'affaires ou un gain important. L'autorité cantonale a considéré que le chiffre d'affaires ne saurait être qualifié d'important; elle a en revanche estimé que tel était le cas du gain réalisé, qui a été de l'ordre de 1'000 fr. par mois sur une année, soit un montant de 12'000 fr. environ. Le recourant ne conteste pas cette appréciation en elle-même mais fait valoir qu'un tel gain ne constitue pas une source de revenus suffisante pour que l'on puisse parler de métier au sens de la jurisprudence. 2.1 Conformément à la jurisprudence, l'auteur agit par métier lorsqu'il résulte du temps et des moyens qu'il consacre à ses agissements délictueux, de la fréquence des actes pendant une période déterminée, ainsi que des revenus envisagés ou obtenus, qu'il exerce son activité coupable à la manière d'une profession, même accessoire; il faut que l'auteur aspire à obtenir des revenus relativement réguliers représentant un apport notable au financement de son genre de vie et qu'il se soit ainsi, d'une certaine façon, installé dans la délinquance ( ATF 123 IV 113 consid. 2c p. 116 et les arrêts cités). En l'espèce, il ressort des constatations de l'autorité cantonale que le recourant a durant une année vendu régulièrement des quantités importantes d'ecstasy, qu'il s'était créé de nombreux contacts et constitué un réseau de vente; il avait même interrompu ses études pour se consacrer exclusivement à son trafic, qui a constitué son unique source de revenus durant plusieurs mois. Dans ces circonstances, il y a bien lieu de constater que le recourant s'est adonné à son trafic comme à une activité professionnelle, BGE 129 IV 253 S. 255 dont il escomptait des revenus réguliers, qui lui ont permis de subvenir à ses besoins dans une mesure non négligeable, de sorte que l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant qu'il avait agi par métier au sens de l' art. 19 ch. 2 let . c LStup. 2.2 La réalisation de la circonstance aggravante du métier suppose, d'une manière générale, que l'auteur recherche et obtienne effectivement au moyen de son activité délictueuse des revenus relativement réguliers qui contribuent d'une manière non négligeable à la satisfaction de ses besoins, car c'est précisément lorsque l'auteur compte sur les revenus de son activité délictueuse pour financer une partie de son train de vie qu'il devient particulièrement dangereux pour la société ( ATF 116 IV 319 consid. 4c p. 332). S'agissant de la circonstance aggravante prévue à l' art. 19 ch. 2 let . c LStup, cette disposition prévoit expressément qu'elle n'est donnée que si celui qui s'est livré au trafic par métier a ainsi réalisé un chiffre d'affaires ou un gain important. Conformément à la jurisprudence, sont déterminants d'une part le revenu brut et d'autre part le bénéfice net obtenus ( ATF 122 IV 211 consid. 2d p. 216). Relevant que rien dans le texte légal ni dans les travaux préparatoires de celui-ci ne donne à penser que le chiffre d'affaires ou le gain en question aurait dû être acquis dans un certain laps de temps et considérant qu'il est indifférent qu'un certain chiffre d'affaires ait été atteint sur une courte période d'une activité intense ou sur une plus longue période d'activité moindre, le Tribunal fédéral a admis que la durée de l'activité délictuelle ayant permis de réaliser le chiffre d'affaires n'est pas décisive pour déterminer si celui-ci est important au sens de l' art. 19 ch. 2 let . c LStup ( ATF 129 IV 188 consid. 3.2). Il a précisé qu'il en va de même s'agissant de l'importance du gain obtenu ( ATF 129 IV 188 consid. 3.2), de sorte qu'il y a lieu d'examiner en l'espèce si le montant global acquis, savoir 12'000 fr. environ, doit être considéré comme important sans égard à la période sur laquelle il a été réalisé. S'agissant de la notion de chiffre d'affaires important, la jurisprudence a dans un premier temps admis qu'un montant de 110'000 fr. était manifestement important dès lors qu'il dépassait le seuil à partir duquel l' art. 54 ORC (RS 221.411) prévoit l'inscription obligatoire d'une entreprise commerciale au Registre du commerce ( ATF 117 IV 63 consid. 2b p. 66; ATF 122 IV 211 consid. 2d p. 216 s.). Plus récemment, la jurisprudence a précisé qu'un chiffre d'affaires de 100'000 fr. ou davantage doit être considéré comme important ( ATF 129 IV 188 consid. 3.1). Elle a ainsi adopté une valeur limite qui BGE 129 IV 253 S. 256 correspond à celle évoquée par la doctrine en matière de blanchiment d'argent, domaine dans lequel une circonstance aggravante est définie selon les mêmes critères ( art. 305bis ch. 1 let . c CP), qui doivent être interprétés et appliqués de la même manière ( ATF 122 IV 211 consid. 2d p. 216; voir CHRISTOPHE K. GRABER, Geldwäscherei, Berne 1990; TRECHSEL, Kurzkommentar, 2e éd., n. 25 ad art. 305bis CP ). Dans le même contexte, la doctrine (voir CHRISTOPHE K. GRABER, op. cit., loc. cit. et TRECHSEL, op. cit., loc. cit.) estime que le gain est important dès qu'il atteint 10'000 fr. Cette limite est tout à fait raisonnable, tant en ce qui concerne le montant lui-même que eu égard au rapport entre celui-ci et le seuil fixé pour le chiffre d'affaires. Il y a donc lieu d'admettre que le recourant, qui a obtenu un bénéfice supérieur à 10'000 fr., a réalisé un gain important, de sorte que c'est à juste titre que l'autorité cantonale a retenu à son encontre la circonstance aggravante prévue par l' art. 19 ch. 2 let . c LStup. 2.3 Le recourant affirme attaquer l'arrêt cantonal à propos de la quotité de la peine qui lui a été imposée. Il ressort toutefois de son mémoire qu'il ne juge celle-ci excessive que dans la mesure où elle sanctionne un cas grave au sens de l' art. 19 ch. 2 let . c LStup. Dès lors, étant admis que cette qualification est justifiée, il n'y a pas lieu d'examiner plus précisément la manière dont l'autorité cantonale a déterminé la durée de la peine infligée au recourant, qui n'apparaît d'ailleurs nullement excessive eu égard à la gravité des actes dont celui-ci a à répondre. Le pourvoi est donc rejeté sur ce point.
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Sachverhalt ab Seite 117 BGE 80 I 116 S. 117 A.- Aux termes de l'art. 7 de la loi genevoise du 20 mai 1950 sur les agents intermédiaires, "l'agent intermédiaire en fonds de commerce est celui qui fait profession de s'entremettre dans la vente, l'achat, la cession, la remise ou la reprise d'un fonds de commerce, quel que soit le genre de commerce exploité". Celui qui veut exercer cette profession doit être au bénéfice d'une autorisation préalable délivrée par le Conseil d'Etat. A cet effet, il faut qu'il prouve son honorabilité et fournisse une garantie de 10 000 fr. destinée à couvrir sa responsabilité professionnelle et constituée soit en espèces, soit sous forme d'un cautionnement solidaire souscrit par une banque agréée par le Conseil d'Etat, soit enfin sous forme d'une assurance-cautionnement contractée auprès d'une compagnie d'assurance ou d'une société professionnelle ou mutuelle agréée par le Conseil d'Etat (art. 2 et 8). Celui qui pratiquait la profession avant l'entrée en vigueur de la loi du 20 mai 1950 doit être également au bénéfice de l'autorisation. Cependant si, depuis qu'il se livre à cette activité, il n'a fait l'objet d'aucune plainte d'une certaine gravité, il peut être dispensé, en tout ou en partie, de produire les pièces justificatives nécessaires (art. 19 de la loi et 26 du règlement d'application du 31 octobre 1950). Enfin, les agents d'affaires qui désirent exercer également la profession d'agent intermédiaire en fonds de commerce ne sont pas obligés de solliciter une autorisation ni, partant, de fournir une garantie spéciale pour cette activité (art. 9 de la loi et 7 du règlement d'application). B.- Félix Charrot, ressortissant genevois, est agent BGE 80 I 116 S. 118 intermédiaire en fonds de commerce depuis 1948. Le 28 octobre 1950, il a sollicité du Conseil d'Etat du canton de Genève l'autorisation prévue par la loi. Il a fourni une garantie de 10 000 fr. sous la forme d'un cautionnement solidaire souscrit par l'Union de Banques suisses. L'autorisation lui a été délivrée par arrêté du Conseil d'Etat du 30 octobre 1951. Par lettres des 30 novembre et 2 décembre 1953, l'Union de Banques suisses a fait savoir au Conseil d'Etat qu'elle annulait son cautionnement pour la fin de l'année 1953. Charrot n'a pu fournir de nouvelle caution ni d'autre sûreté. C'est pourquoi, par arrêté du 8 janvier 1954, le Conseil d'Etat a décidé que les effets de son arrêté du 30 octobre 1951 seraient suspendus et qu'il serait interdit à Charrot d'exercer la profession d'agent en fonds de commerce aussi longtemps qu'un cautionnement valable ne serait pas fourni. C.- Contre cet arrêté, Charrot interjette un recours de droit public pour violation des art. 4, 31 et 33 Cst. Selon lui, la loi genevoise du 20 mai 1950 est incompatible avec l'art. 31 Cst. en ce qu'elle exige une garantie financière des agents intermédiaires en fonds de commerce. Elle est arbitraire et consacre une inégalité de traitement en assujettissant aux règles qu'elle contient les agents exerçant leur activité à titre professionnel et en en libérant les non-professionnels, en n'exigeant pas une double garantie de la part des agents d'affaires travaillant aussi comme agents intermédiaires, et en n'imposant aucune sûreté aux courtiers en immeubles. Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 2. L'art. 31 Cst., qui garantit la liberté du commerce et de l'industrie, réserve le droit. de l'Etat de soumettre l'exercice des professions industrielles et commerciales à des prescriptions de police destinées à empêcher que la sécurité, BGE 80 I 116 S. 119 la tranquillité, la moralité et la santé publiques ne soient compromises par la façon dont une profession est exercée, ou à assurer la loyauté des transactions et protéger le public contre des procédés fallacieux et dommageables. Ces mesures ne doivent pas avoir pour but d'entraver le libre jeu de la concurrence et de corriger ses effets (RO 70 I 147, 66 I 23, 65 I 72). Il ne faut pas qu'elles soient plus rigoureuses que ne l'exige la sauvegarde des intérêts que l'Etat a le devoir de défendre. Elles sont toujours inadmissibles lorsque des mesures plus libérales auraient permis d'arriver au même résultat (RO 78 I 305). Dans ces limites, l'Etat peut soumettre l'exercice de certaines professions à la fourniture de sûretés destinées à garantir les engagements d'affaires qu'une personne contracte à l'égard des particuliers, quand la nature de son commerce ou de son industrie justifie une protection spéciale des tiers. Tel est le cas lorsque, dans l'exercice de sa profession ou de son industrie, une personne est appelée à recevoir ou à payer pour le compte de ses clients des sommes importantes et qu'elle peut ainsi facilement tromper la confiance que le public met en elle (RO 65 I 77/78 ; 48 I 275 ; 42 I 279 ; 32 I 640 ; Jurisprudence du Conseil fédéral: SALIS, Le droit fédéral suisse, 2e édition, 1905, vol. II, No 787, p. 611; No 807; 867; 868 a; 869, p. 707). Au regard des principes qui viennent d'être rappelés, le législateur genevois était fondé à exiger des agents intermédiaires en fonds de commerce des garanties destinées, comme la loi le dit expressément, à couvrir leur responsabilité professionnelle. Car l'exercice de cette profession expose le public à des risques particuliers. Ainsi que le recourant le déclare du reste lui-même, l'agent intermédiaire en fonds de commerce est appelé pour le compte de ses clients à recevoir les productions de créanciers, à encaisser des valeurs souvent considérables et à régler des dettes. L'existence de cet important mouvement de fonds entre ses mains constitue pour le public un risque accru qui, du point de vue de l'art. 31 Cst., justifie pleinement BGE 80 I 116 S. 120 l'exigence d'une garantie de celui qui veut exercer la profession. 4. Le recourant se prévaut de l'art. 4 Cst. et soutient que la loi genevoise du 20 mai 1950 consacre une inégalité de traitement parce qu'elle ne s'applique qu'aux agents professionnels, les agents non-professionnels étant libérés des obligations qu'elle prévoit, notamment de celle de fournir des sûretés. Ce moyen ne saurait cependant être retenu. En effet, il est évident que, si l'Etat doit protéger le public à l'égard des agents professionnels, il n'a en revanche pas de raison d'intervenir lorsqu'une personne s'entremet occasionnellement dans une transaction relative à un fonds de commerce. En pareil cas, le public ne court pas de danger particulier. D'ailleurs, comme l'intimé le fait remarquer à juste titre, la plupart des personnes que cite le recourant et qui s'occupent parfois de transactions de cette nature appartiennent à des professions réglementées (avocat, notaire par exemple). Il n'y a pas d'inégalité de traitement non plus dans le fait que les agents d'affaires, déjà astreints comme tels à fournir des sûretés, ne sont pas tenus de remettre de nouvelles garanties lorsqu'ils agissent aussi en qualité d'agents intermédiaires en fonds de commerce. Le recourant ne montre nullement qu'en pareille hypothèse, la protection du public exige un double cautionnement. En ce qui concerne les agents d'affaires, cette protection est assurée du reste d'une manière plus efficace encore que pour les agents intermédiaires: ils sont tenus non seulement de fournir un cautionnement de 10 000 fr. mais encore de justifier par un examen professionnel de connaissances théoriques et pratiques suffisantes. Enfin, le législateur genevois n'a pas violé non plus l'art. 4 Cst. en ne soumettant pas les courtiers en immeubles à la loi du 20 mai 1950 et en n'exigeant pas d'eux une caution. En effet, ils ne se trouvent pas dans la même situation de fait que les agents intermédiaires. Ils ne sont pas souvent chargés d'encaisser des fonds ou de faire BGE 80 I 116 S. 121 des paiements pour leurs clients (RO 65 I 78). C'est en général l'officier public instrumentant l'acte authentique qui effectue ces opérations. En revanche l'agent intermédiaire est appelé à recevoir les productions des créanciers, à encaisser des sommes importantes et à régler des dettes.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: rejette le recours.
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Sachverhalt ab Seite 67 BGE 114 Ib 67 S. 67 Am 9. Juli 1987 erhob J. gegen einen Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 29. April 1987 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses forderte den Vertreter des Beschwerdeführers auf, bis spätestens am 17. August 1987 zur Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten einen Vorschuss von Fr. 8'000.-- zu bezahlen; bei Säumnis werde auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten. Der Vertreter des Beschwerdeführers erteilte den Zahlungsauftrag am 12. August 1987 einer Bank in Zürich mit dem Vermerk "Valuta 16.8.1987 dringend". Die Bank belastete den Betrag von Fr. 8'000.-- dem Auftraggeber am Freitag, 14. August 1987. Zur Vergütung benutzte sie den Sammelauftragsdienst der PTT und BGE 114 Ib 67 S. 68 leitete den Datenträger gleichentags an die Postcheckdienste der Generaldirektion PTT in Bern weiter. Dort ist der Datenträger am Montag, 17. August 1987 um 08.00 Uhr eingetroffen. Da als Fälligkeitsdatum seitens der Bank der 18. August 1987 angegeben worden war, wurde der Betrag dem Postcheck-Konto des Bundesgerichts am 18. August 1987 gutgeschrieben. Der Beschwerdeführer stellte - vom Bundesgericht auf die erst am 18. August 1987 erfolgte Gutschrift aufmerksam gemacht - am 16. September 1987 ein Fristwiederherstellungsgesuch. Das Bundesgericht weist dieses ab und tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Gemäss Art. 32 Abs. 3 OG gilt eine Frist nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist an die Stelle, bei der sie einzureichen sind, gelangen oder zu deren Handen der Schweizerischen Post übergeben sein, Analog gilt diese Regelung auch für die fristgemässe Einzahlung eines Kostenvorschusses. Auch hier wird die Frist nur gewahrt durch Einzahlung beim Bundesgericht oder bei der Schweizerischen Post, wobei im letzten Fall die Postaufgabe des - herkömmlichen - Giromandates genügt ( BGE 110 V 220 E. 2; BGE 96 I 472 E. 1). Hingegen wird die Frist nicht schon gewahrt durch den Zahlungsauftrag an eine Bank oder irgendwelche Buchungsmassnahmen derselben, sondern nur, wenn diese ihrerseits die Zahlung nach den obgenannten Regeln rechtzeitig an das Bundesgericht oder die Post weiterleitet ( BGE 96 I 472 E. 1). Bedient sie sich dabei des Sammelauftragsdienstes gemäss Art. 133d der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (PVV, SR 783.01) , muss jeder einzelne Zahlungsauftrag ein Fälligkeitsdatum aufweisen, worunter bei Überweisung (Giro) der Tag der Gutschrift auf dem Empfängerkonto zu verstehen ist. Der Teilnehmer am Sammelauftragsdienst kann also den Tag der Gutschrift selber festlegen, womit er die Möglichkeit hat, zu bestimmen, auf welchen Zeitpunkt er die Leistung an die Post bzw. das dort verwaltete Empfängerkonto erbringen will. Dieser wesentliche Unterschied bei der Benutzung des Sammelauftragsdienstes hat zur Folge, dass die Fristwahrung an andere Voraussetzungen zu knüpfen ist, als beim herkömmlichen Giromandat. Erforderlich ist dabei, dass als Fälligkeitsdatum BGE 114 Ib 67 S. 69 spätestens der letzte Tag der Frist eingesetzt und der Datenträger so rechtzeitig der Post übergeben wird, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nach dem ordentlichen postalischen Gang spätestens am bezeichneten Tag noch erfolgen kann ( BGE 110 V 219 /20 E. 1 und 2). Nach diesen Kriterien erfolgte die für die Fristwahrung erforderliche Gutschrift auf das Konto der Bundesgerichtskasse erst am 18. August 1987, also verspätet. Die Bank bestreitet das auch nicht, sondern macht lediglich geltend, im Gegensatz zu den Ausführungen der Post könne sie bei Benutzung des Sammelauftragsdienstes das Fälligkeitsdatum, an welchem der Betrag dem Postcheck-Konto des Begünstigten gutgeschrieben wird, nicht frei bestimmen. Das trifft insofern zu, als die Bank nicht ein Fälligkeitsdatum einsetzen kann, auf das die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nach dem ordentlichen postalischen Gang gar nicht mehr erfolgen kann. Die Bank bestreitet jedoch die Darstellung der PTT nicht, dass sie als Fälligkeitsdatum den 18. August 1987 angegeben hatte, was zur - verspäteten - Gutschrift auf dem Postcheck-Konto des Bundesgerichts an diesem Tag führte. Die Verantwortung dafür schiebt die Bank dem Auftraggeber zu, da sie weder gewusst habe noch vom Auftraggeber ins Bild gesetzt und ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass die Zahlung dem Postcheck-Konto der Bundesgerichtskasse spätestens am 17. August 1987 hätte gutgeschrieben werden müssen. 2. Die Frage, wen die Verantwortung trifft, kann offenbleiben, wenn der Beschwerdeführer bzw. der von ihm beauftragte Prozessvertreter auch für einen Fehler der Bank einzutreten haben, die sie mit der Erfüllung einer ihnen obliegenden Prozesshandlung beauftragten. a) Gemäss Art. 35 Abs. 1 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln. Der französische Text übersetzt den Begriff "Vertreter" mit "mandataire", der italienische Text mit "difensore". Ob die Bank als Vertreter im Sinne dieser Bestimmung gilt, oder ob sie als blosse Hilfsperson zu betrachten ist, für deren Handlungen sich der Beschwerdeführer oder dessen Vertreter allenfalls exkulpieren kann, ist in der Praxis kontrovers. b) In BGE 96 I 471 ff. wurde erwogen, eine Bank, deren sich der Prozessvertreter des Beschwerdeführers für die Bezahlung des BGE 114 Ib 67 S. 70 Kostenvorschusses bediente, sei nicht Vertreter des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 35 OG . Das ergebe sich aus dem italienischen Text, der präziser und logischer sei (als der deutsche und französische) und darum den Vorzug verdiene. Demnach habe der Begriff des Vertreters (mandataire) in Art. 35 OG den gleichen Sinn wie in Art. 29 OG , wo von "Parteivertretern" die Rede ist (auf französisch "mandataires", auf italienisch "difensori"). Wenn ein Parteivertreter sich eines Dritten bediene sei er verantwortlich für die Sorgfalt, mit der er diesen auswählt, instruiert und überwacht. Wenn es um eine Fristwahrung gehe, begehe er keinen Fehler, sofern er unter Bekanntgabe der Frist dem Dritten den Auftrag früh genug erteile, so dass dieser ihn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge fristgemäss ausführen könne. Die Einschränkung des Begriffs "Vertreter" in Art. 35 OG auf den Begriff "Parteivertreter" gemäss Art. 29 OG ist indessen fragwürdig. Art. 29 und Art. 35 OG regeln grundverschiedene Fragen. Art. 29 Abs. 2 OG legt fest, dass in Zivil- und Strafsachen vor Bundesgericht lediglich patentierte Anwälte sowie Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen als Parteivertreter auftreten können. Art. 35 OG handelt dagegen von der Wiederherstellung gegen Versäumnis, die durch die Partei selber oder durch deren Vertreter verursacht sein kann. Der deutsche Text unterscheidet klar zwischen dem engen Begriff "Parteivertreter" in Art. 29 OG und dem weiten Begriff "Vertreter" in Art. 35 OG , während der italienische und der französische Text keinen Unterschied machen. Der französische Text verwendet beide Male den weiten Begriff "mandataire", der italienische den engen Begriff "difensore". In Art. 24 Abs. 1 VwVG , der wörtlich die gleiche Bestimmung wie Art. 35 Abs. 1 OG enthält, wurde der Begriff "difensore" aber nicht beibehalten, sondern durch "rappresentante" ersetzt. Damit vermag die sich auf den engen Begriff "difensore" stützende Schlussfolgerung in BGE 96 I 472 kaum mehr zu überzeugen, wonach die Bank nicht als Vertreter im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG anzusehen ist. c) Der genannte Entscheid setzt sodann voraus, dass Partei und Parteivertreter für das Verschulden ihrer Hilfspersonen nicht in gleicher Weise einzustehen haben wie für ihr eigenes Verschulden. Diese Auffassung wird aber von der Praxis im allgemeinen nicht geteilt und in einem neueren Entscheid ( BGE 107 Ia 168 f.) auch klar verworfen (im nämlichen Sinne hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den früheren Stand gemäss Art. 47 Abs. 1 Patentgesetz BGE 114 Ib 67 S. 71 BGE 111 II 506 f. und BGE 108 II 158 f.). Danach ist das Verhalten einer Hilfsperson, deren sich die Partei oder ihr Vertreter zur Erfüllung der Kostenvorschusspflicht bedient, ihr bzw. dem Anwalt wie ein eigenes zuzurechnen ( Art. 101 OR ); denn wer den Vorteil habe, Pflichten durch eine Hilfsperson erfüllen zu lassen, der solle auch die Nachteile daraus tragen. Das Bundesgericht stellte zwar im konkreten Fall fest, der Anwalt habe seiner Sorgfaltspflicht bei der Instruktion des Erfüllungsgehilfen (nicht einer Bank, sondern einer Versicherung) nicht genügt, fügte aber ausdrücklich bei, dass das Ergebnis auch bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt kein anderes gewesen wäre, weil sich diesfalls der Anwalt das in Missachtung einer klaren Anordnung bestehende Verhalten der Hilfsperson wie sein eigenes hätte anrechnen lassen müssen. d) Die Rechtsprechung, auf die in BGE 107 Ia 169 hingewiesen wird, enthält folgende Äusserungen zur Problematik: BGE 94 I 248 ff. bestätigt bezüglich der Wiedereinsetzung des Patentinhabers in den früheren Stand (Art. 47 Patentgesetz) die Praxis des Bundesgerichts, wonach dem Verschulden des Patentinhabers ein solches seiner Hilfsperson, namentlich eines bevollmächtigten Stellvertreters, gleichzusetzen ist. Diese Praxis stütze sich nicht nur auf Art. 101 OR , sondern auch auf die sinngemässe Anwendung von Art. 35 OG und Art. 13 BZP . Damit sei der Einwand widerlegt, die Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR sei ein Fall der Kausalhaftung, die im Obligationenrecht die Ausnahme bilde und daher nicht durch sinngemässe Anwendung auf Verhältnissse des öffentlichen Rechts ausgedehnt werden dürfe. Art. 101 OR wolle im übrigen nicht die Verschuldenshaftung durch eine Kausalhaftung ersetzen. sein Grundgedanke gehe vielmehr dahin, wer sich zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten einer Hilfsperson bediene, statt selber zu handeln, müsse sich deren Tun und Unterlassen anrechnen lassen, wie wenn er selber gehandelt hätte. Es werde stets geprüft, ob dem Geschäftsherrn eine Verletzung seiner Pflichten vorgeworfen werden könnte, wenn er sich selber so verhalten hätte wie die Hilfsperson. Wer den Vorteil habe, seine Pflichten und Rechte durch Hilfspersonen erfüllen bzw. ausüben zu dürfen, solle auch die Nachteile daraus tragen. In BGE 90 II 21 wurde zur Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR ausgeführt, der Schuldner habe für das Verhalten seiner Hilfsperson einzustehen, als ob es sein eigenes wäre, selbst BGE 114 Ib 67 S. 72 wenn er es bei der Auswahl und Überwachung der Hilfsperson nicht an Sorgfalt habe fehlen lassen. Nach BGE 87 IV 150 E. 2 ergibt sich aus Art. 35 OG , dass die Partei die Konsequenzen nicht nur ihrer eigenen Fehler, sondern auch jener ihres Vertreters oder eines Angestellten desselben zu tragen habe. Praktisch wurde aber dann in jenem Fall ein eigener Fehler des Anwalts selbst darin erblickt, dass dieser sich damit begnügte, am Tage vor dem Fristablauf die Beschwerdeschrift in das Diktiergerät zu sprechen und die Sekretärin schriftlich anzuweisen die Rechtsschrift am Tag des Fristablaufs zu schreiben und durch einen Büroteilhaber unterschreiben zu lassen. In BGE 85 II 48 stellte das Bundesgericht fest, Wiederherstellung gemäss Art. 35 Abs. 1 OG sei nicht zu bewilligen, wenn die Versäumnis der Frist durch den Fehler eines Angestellten der Partei oder ihres Vertreters verursacht sei. Es obliege dem Anwalt, sein Büro so zu organisieren, dass die Frist gewahrt werde, selbst in seiner Abwesenheit. Dass diese Obliegenheit im konkreten Fall nicht erfüllt worden sei, wurde dann - in einer Art petitio principii - daraus geschlossen, dass das Büropersonal einfach vergesslich oder irrtümlich handelte, ohne in seiner Arbeit gehindert gewesen zu sein. In BGE 78 IV 133 führte das Bundesgericht aus, die Versendung der Beschwerdebegründung in einem für eine andere Eingabe bestimmten Umschlag an die unrichtige Amtsstelle könne nicht entschuldigt werden; sie beruhe auf reiner Nachlässigkeit. Freilich sei diese nicht durch den Verteidiger selbst, sondern durch dessen Angestellte begangen worden. Da jedoch gemäss Art. 35 Abs. 1 OG der Partei das Verschulden ihres Vertreters anzurechnen sei, müsse sie auch für das Verschulden ihrer eigenen Angestellten und für jenes der Angestellten ihres Vertreters einstehen (vgl. BGE 20, 400). Das Gesetz widerspräche sich selbst, wenn es die Wiederherstellung bei Verschulden eines Angestellten gestattete, während es sie bei Verschulden des Vertreters verbiete. Entgegen BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, Anm. 3 zu Art. 35 OG ) könne sich der Vertreter auch nicht in Analogie zu Art. 55 OR durch den Nachweis entlasten, dass er in der Auswahl und Belehrung seines Angestellten alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, sonst müsste folgerichtig auch der Entlastungsbeweis zugelassen werden, dass die Partei in der Auswahl des Vertreters sorgfältig gewesen sei, was indessen dem Wortlaut des Art. 35 OG widerspräche. Wäre das Obligationenrecht im Verhältnis zwischen Partei BGE 114 Ib 67 S. 73 und Gericht analog anzuwenden, so könnte übrigens wie im Verhältnis zwischen der Partei und ihrem Anwalt nur auf Art. 101 Abs. 1 abgestellt werden. Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechts aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson vornehmen lasse, habe nach dieser Bestimmung dem andern gegenüber für den Schaden einzustehen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursache. Einen Entlastungsbeweis sehe Art. 101 OR nicht vor. In BGE 96 I 164 schliesslich wurde gegen den - nicht näher bewiesenen - Einwand der Prozessvertreterin, die von ihr beschäftigte Lehrtochter sei dringend angewiesen worden, die Eingabe noch am gleichen Tag der Post zu übergeben, festgehalten, die Einsprachefrist sei erst drei Tage später abgelaufen, und an diesem Tag hätte die Treuhandgesellschaft noch überprüfen können, ob die Sendung tatsächlich abgegangen sei. Da die Vertreterin der Beschwerdeführerin ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt habe, könne von einer unverschuldeten Hinderung, innert der Frist zu handeln, keine Rede sein. e) Soweit in der bundesgerichtlichen Praxis zur Fristwiederherstellung untersucht wird, ob die Partei oder der Vertreter bei der Hilfsperson, welche die Fristversäumnis verursachte, die nötige Sorgfalt hinsichtlich Auswahl, Instruktion und Überwachung angewandt hat, handelt es sich um eine analoge Anwendung von Art. 55 Abs. 1 OR . Nach dieser Bestimmung haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Art. 55 OR bezieht sich allerdings auf die Haftung für unerlaubte Handlungen, während Art. 35 OG die unmittelbaren prozessualen Folgen der Fristversäumnis und nicht Haftungsfragen regelt. Zwar kann die Fristversäumnis durch den Vertreter zu einem Schadenersatzanspruch der Partei für den Verlust des Rechtsmittels führen, weshalb naheliegend erscheint, die dafür massgebliche Haftungsbestimmung analog für die Beurteilung der Fristversäumnis bei der Fristwiederherstellung beizuziehen, um zu verhindern, dass eine "Haftungslücke" entsteht. Der Vertreter haftet indessen gegenüber der Partei nicht aus unerlaubter Handlung, sondern aus Vertragsverletzung. In diesem Bereich besteht, anders BGE 114 Ib 67 S. 74 als bei der Haftung aus unerlaubter Handlung, keine Exkulpationsmöglichkeit. Art. 101 Abs. 1 OR statuiert vielmehr eine umfassende Haftung für das Verhalten von Hilfspersonen. Hat aber der Vertreter der Partei den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht hat ( Art. 101 Abs. 1 OR ), ohne dass es darauf ankäme, ob er selber die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat ( Art. 55 Abs. 1 OR ), ist nicht ersichtlich, warum für die Frage der Fristwiederherstellung nach Art. 35 OG das Verhalten von Hilfspersonen nicht dem Vertreter bzw. der Partei zugerechnet werden sollte. Entsprechend wird aber die in BGE 96 I 472 vorgenommene Einschränkung des Begriffs "Vertreter" in Art. 35 OG auf den Begriff "Parteivertreter" irrelevant. 3. Damit ergibt sich, dass die Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist gemäss Art. 35 OG auch dann nicht in Frage kommt, wenn die verspätete Zahlung des Kostenvorschusses weder durch die Partei noch deren Parteivertreter, sondern ausschliesslich durch die von diesem beauftragte Bank auf eine Weise verursacht wurde, die nicht als unverschuldetes Hindernis bezeichnet werden kann. Im vorliegenden Fall braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Frist infolge mangelhafter Instruktion durch den Parteivertreter oder mangelhafter Ausführung des Auftrags durch die Bank versäumt wurde.
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Sachverhalt ab Seite 391 BGE 120 Ib 390 S. 391 Willy Cretegny-Dupraz exerce la profession de viticulteur-encaveur et exploite le Domaine de la Devinière à Satigny. Il écoule sa production soit par la vente directe dans sa cave, soit par l'intermédiaire de revendeurs. Le 6 août 1991, Willy Cretegny-Dupraz a sollicité auprès du Département de justice et police du canton de Genève (ci-après: le département) une patente pour étalage en vue de vendre sur les marchés le vin issu de sa production. Par décision du 30 août 1991, le département a refusé l'octroi de cette patente en se fondant sur l'art. 19 de la loi genevoise du 27 octobre 1923 sur l'exercice des professions ou industries permanentes, ambulantes et temporaires (en abrégé: LPAT) qui selon lui exclut expressément les vins, spiritueux et alcools des denrées pouvant faire l'objet d'un commerce ambulant (art. 5 LPAT) ou temporaire (art. 6 LPAT), étant précisé que parmi les professions temporaires se trouve l'étalage, c'est-à-dire l'ouverture temporaire d'un débit de marchandises installé sur la voie publique (art. 6 al. 1 lettre b LPAT). Par arrêté du 23 décembre 1992, le Conseil d'Etat a rejeté un recours formé par Willy Cretegny-Dupraz contre la décision précitée au motif que l'interdiction de vendre du vin sur les marchés découlait directement de l' art. 32quater al. 6 Cst. Le gouvernement cantonal a expressément substitué cette motivation à celle du Département de justice et police qui s'était fondé sur la législation cantonale pour refuser l'autorisation sollicitée. Agissant par la voie du recours de droit administratif, Willy Cretegny-Dupraz conclut à l'annulation de l'arrêté pris le 23 décembre 1992 par le Conseil d'Etat et à ce qu'il soit autorisé à vendre sur les marchés du canton de Genève le vin issu de sa production. Il allègue notamment une violation de l' art. 32quater al. 6 Cst. Parallèlement, Willy Cretegny-Dupraz a déposé un recours de droit public contre le même acte. Le Juge délégué a interpellé le Conseil d'Etat sur le point de savoir s'il y avait cas échéant matière à appliquer en l'espèce la loi genevoise du 12 BGE 120 Ib 390 S. 392 mars 1892 sur la vente à l'emporter des boissons alcooliques, bien que ce texte n'ait pas été invoqué jusqu'ici. Dans sa réponse, le Conseil d'Etat a déclaré que la loi en question ne permettait pas d'interdire la vente à l'emporter de boissons alcooliques en dehors de tout établissement et notamment sur les marchés. A cette occasion, il a produit une documentation de l'Institut du fédéralisme de l'Université de Fribourg sur les prescriptions cantonales en matière de vente de vin sur les marchés. Le recourant a pu s'exprimer sur les déterminations complémentaires du Conseil d'Etat. Le Tribunal fédéral a admis le recours de droit administratif et a déclaré irrecevable le recours de droit public.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. a) Bien que la patente ait été demandée selon la procédure prévue par le droit cantonal, le Conseil d'Etat s'est fondé exclusivement sur le droit fédéral pour la refuser, soit sur l' art. 32quater al. 6 Cst. Il a même exclu expressément l'application en l'espèce de la loi cantonale sur la vente à l'emporter des boissons alcooliques et, comme motif de refus, a substitué l' art. 32quater al. 6 Cst. au fondement que le département voulait trouver à l'art. 19 LPAT. Dans ces conditions, il s'agit bien d'une décision fondée sur le droit fédéral (WALTER KÄLIN/MARKUS MÜLLER, Vom ungeklärten Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde, ZBl 1993/94, p. 439 et 448; ALOIS PFISTER, Staatsrechtliche und Verwaltungsgerichts-Beschwerde: Abgrenzungsschwierigkeiten, RJB 1985/121, p. 549/550). Mais la voie du recours de droit administratif n'est ouverte, selon l' art. 97 OJ , que contre les décisions au sens de l' art. 5 PA (RS 172.021) fondées sur le droit public fédéral, par quoi on entend en principe le droit administratif fédéral ( ATF 118 Ia 118 consid. 1b p. 121; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zurich 1993, n. 224 et 225, p. 136/137; KÄLIN/MÜLLER, op.cit., p. 439). Il est vrai qu'en principe le droit constitutionnel ne ressortit pas au droit administratif fédéral. Cependant, une disposition de la Constitution fédérale - pour autant qu'il ne s'agisse pas d'un droit constitutionnel des citoyens-- entre dans la catégorie du droit public fédéral au sens de l' art. 5 PA lorsqu'elle relève, par son objet, du droit administratif et régit une matière de façon suffisamment précise pour être immédiatement appliquée (PIERRE MOOR, Droit administratif, vol. II, Berne 1991, p. 142). Tel est bien le le cas en l'espèce. BGE 120 Ib 390 S. 393 L' art. 32quater al. 6 Cst. est une disposition impérative et suffisamment précise pour que son application ne nécessite pas l'adoption préalable d'une loi d'exécution. Il s'agit d'une règle d'application immédiate (JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Commentaire de la Constitution fédérale, n. 47 ad art. 32quater; sur l'application immédiate de l' art. 24sexies Cst. , cf. ATF 118 Ib 11 consid. 1e p. 15). De plus, force est de constater que, matériellement, il s'agit plutôt d'une disposition légale relevant du droit administratif que d'un principe de rang constitutionnel. En fait, l' art. 32quater al. 6 Cst. est largement inspiré, si ce n'est repris des art. 265, 276 et 308 de l'ancienne ordonnance du 23 février 1926 réglant le commerce des denrées alimentaires et de divers objets usuels (RO 1926, p. 41; ci-après: aODA). Il a été introduit lors des débats aux Chambres sur proposition de la Commission du Conseil national (Bull.Sten. 1929 CN 680/681). A ce propos, le rapporteur du Conseil des Etats relevait que cette disposition n'avait au fond pas sa place dans la Constitution fédérale mais plutôt dans une loi cantonale ou dans l'ordonnance du Conseil fédéral sur les denrées alimentaires (Bull.Sten. 1929 CE 263). b) Formé en temps utile contre une décision prise en dernière instance cantonale ( art. 98 let . g OJ) et fondée sur du droit public fédéral, le présent recours de droit administratif est donc recevable au regard des art. 97 ss OJ . Il s'ensuit que le recours de droit public doit être déclaré irrecevable. 4. Parmi les boissons spiritueuses (geistige Getränke) visées à l' art. 32quater Cst. figure le vin (AUBERT, op.cit., n. 13 ad art. 32quater). Les boissons spiritueuses au sens de l' art. 32quater Cst. ne se recoupent donc pas exactement avec les spiritueux au sens de l' art. 390 de l'ordonnance du 26 mai 1936 sur les denrées alimentaires et les objets usuels (ODA; RS 817.02) , qui sont des produits alcooliques obtenus par distillation (alcool de bouche, eau de vie, liqueur ...). Du reste, dans le texte allemand de l' art. 390 ODA , il n'est pas question de "geistige Getränke" mais de "Spirituosen". 5. Le recourant soutient que l'interdiction incriminée serait contraire à l' art. 32quater al. 4 2 ème phrase Cst., d'après lequel "les producteurs de vin et de cidre peuvent sans autorisation et sans payer de droit, vendre le produit de leur propre récolte par quantités de 2 l ou plus". Toutefois, il faut considérer que l'al. 6 de l' art. 32quater Cst. , qui prohibe le colportage et les autres modes de vente ambulante des boissons spiritueuses, vin compris, est une disposition spéciale par rapport à l'alinéa 4. Autrement dit, la liberté garantie aux producteurs de vin selon l' art. 32quater al. 4 2 ème phrase Cst. ne s'étend pas au colportage et BGE 120 Ib 390 S. 394 autres modes de vente ambulante, qui leur est interdit comme à tout un chacun. Du reste, l' art. 32quater al. 4 2 ème phrase Cst. a été introduit en fonction de la coutume existant dans les pays de vignobles de vente directe aux consommateurs (Message du Conseil fédéral à l'appui de la révision du régime des alcools, FF 1926 I p. 328); or, cette coutume est avant tout celle de la vente à la cave (ou de la livraison au domicile du client). Au surplus, on peut noter que l' art. 32quater al. 4 2 ème phrase Cst. vise la vente par quantités de 2 l ou plus, soit s'il s'agit de bouteilles de 7 dl ou 7,5 dl, 3 bouteilles au moins; or, le recourant n'a pas indiqué qu'il voulait s'en tenir à cette limitation. 6. L' art. 32quater al. 6 Cst. a la teneur suivante dans les trois langues officielles: "Le colportage et les autres modes de vente ambulante des boissons spiritueuses sont interdits." "Das Hausieren mit geistigen Getränken sowie ihr Verkauf im Umherziehen sind untersagt." "Per le bevande spiritose sono vietati il commercio ambulante e ogni forma di vendita girovaga." La vente sur les marchés n'est pas du colportage au sens étroit, par quoi l'on entend la vente au détail de produits que le marchand porte avec lui et offre de maison en maison (ULRICH LUDER, Der Hausierhandel im schweizerischen Recht, thèse Zurich 1945, p. 38 ss). Dans une acception un peu plus large (LUDER, op.cit., p. 48), le colportage comprend également la vente sur les routes et places, le cas échéant avec un stand facilement amovible (sur la question de l'assimilation de la vente par camion au colportage au sens large, cf. LUDER, op.cit., p. 48 ss). Mais il s'agit toujours d'un marchand qui se rend de façon continue de place en place. Si ces formes de distribution tombent sous le coup de la notion de colportage ou de vente ambulante au sens de l' art. 32quater al. 6 Cst. , la question de la vente sur les marchés est beaucoup plus délicate. En effet, il s'agit d'une réunion de vendeurs dans un lieu déterminé, organisée le plus souvent à des dates fixes et contrôlée en général par une collectivité publique (LUDER, op.cit., p. 52). Par rapport à la vente ambulante telle que décrite ci-dessus, le marché se différencie par cette organisation; de plus, si les commerçants viennent au marché, ils ne s'y déplacent pas à l'intérieur pour solliciter la clientèle mais attendent celle-ci à l'emplacement qui leur est attribué. Il faut dès lors par voie d'interprétation examiner si les marchés doivent malgré tout être assimilés à une vente ambulante. BGE 120 Ib 390 S. 395 a) Une interprétation littérale ne permet pas d'arriver à une conclusion définitive. Certes, comme indiqué ci-dessus, même s'il n'est pas ouvert en permanence, le marché présente un élément de stabilité qui le distingue de la vente ambulante. De plus, le terme de "vente ambulante" contient une idée de déplacement, qui ne se retrouve pas à l'intérieur du marché tout au moins (on retrouve la même idée de déplacement dans les termes de "Verkauf im Umherziehen" et de "commercio ambulante" ou "vendita girovaga"). Mais, il existe aussi des marchands qui vont de foire en foire et qui sont qualifiés d'ambulants. Cependant, les termes utilisés dans la disposition constitutionnelle en cause conduisent plutôt à ne pas y inclure les marchés, d'autant que la vente ambulante est mise en relation avec le colportage qui, dans son sens traditionnel, se distingue assez nettement de la vente sur les marchés. b) Si l'on replace l' art. 32quater al. 6 Cst. , adopté en votation populaire le 6 avril 1930, dans le contexte de l'époque et des travaux préparatoires, il faut constater qu'au début du siècle le colportage au sens étroit était considéré comme une source de danger pour le public, y compris dans le commerce des vins (LUDER, op.cit., p. 18 ss; CARL SCHAUWECKER, Der schweizerische Weinhandel unter dem Einflusse der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik, thèse Zurich 1913, p. 145 ss). Des voix s'étaient élevées en faveur d'une réglementation plus sévère (HAUSIERHANDEL UND UNLAUTERER WETTBEWERB, Gutachten erstattet vom Zentralvorstand des Schweizerischen Gewerbevereins an das Eidgenössische Handelsdepartement, Berne 1901, p. 52; ALPHONS HÄTTENSCHWILLER, Wanderhandel und Wandergewerbe in der westlichen Schweiz, thèse Fribourg 1899, p. 8/9). Mais on ne voit pas que la vente sur les marchés ait suscité les mêmes critiques. L' art. 32quater al. 6 Cst. s'inspire de l'interdiction du colportage ou de la vente de diverses boissons alcooliques, qui se trouvait déjà dans l'ancienne ordonnance sur les denrées alimentaires de 1926: à l'art. 265 pour le vin, interdiction du colportage (Hausieren und Verkauf im Umherziehen dans le texte allemand, commercio ambulante dans le texte italien); à l'art. 276 pour le cidre et à l'art. 308 pour les spiritueux, interdiction du colportage (Hausieren, commercio ambulante). Il est frappant de constater que, dans le texte français de tous les articles, seul le colportage est interdit, de même que dans le texte allemand aux art. 276 et 308. Il n'y a aucune raison de penser qu'on ait voulu donner une portée plus grande à l'interdiction en mentionnant dans le seul texte allemand de l'art. 265 outre l'interdiction du "Hausieren" celle du BGE 120 Ib 390 S. 396 "Verkauf im Umherziehen". On doit plutôt penser que l'expression "Verkauf im Umherziehen" se rattache au colportage proprement dit, soit à la vente de maison en maison, voire à celle où le marchand se rend de place en place, ce qui ne vise pas les marchés. De plus, à l'époque déjà, les lois cantonales sur la police du commerce distinguaient et soumettaient à des réglementations en bonne partie différente le commerce ambulant, colportage compris (Wandergewerbe/Hausieren ou Verkauf im Umherziehen) de la vente sur les marchés (la loi cantonale lucernoise du 30 janvier 1912 sur la police du commerce interdit même à son art. 17 le colportage sur les marchés, ce qui montre bien que la vente sur les marchés, soit sur la place publique n'est en elle-même pas du colportage au regard de cette législation). Lors des débats aux Chambres, il a été question de lutte contre l'alcoolisme et d'une protection des auberges fixes contre la concurrence (le nombre des auberges fixes devant être réduit, il fallait également diminuer les auberges "ambulantes"; cf. Bull.Sten. 1929 CN 680/681 et CE 263/264). Si l'on ne peut tirer des conclusions définitives de ces considérations, qui pourraient s'appliquer à la vente sur les marchés, il faut bien voir que la disposition en cause visait, selon les déclarations faites aux Chambres, à part le colportage traditionnel, plus particulièrement la vente de boissons alcooliques distribuées dans les villes et les grands villages par camions et automobiles. Comme la définition entre commerce ambulant et marché était bien ancrée dans les lois cantonales, il eût été normal de préciser que les marchés étaient également visés, si tel avait été le but de la disposition; par ailleurs, rien dans les travaux préparatoires ne permet de penser que l'intention du législateur était d'interdire la vente de boissons alcooliques sur les marchés également. c) La quasi totalité des législations cantonales édictées après 1930 a continué à distinguer colportage et vente ambulante d'une part de la vente sur les marchés d'autre part et à les soumettre à des réglementations en partie différentes. La distinction est un peu moins affirmée dans certaines lois romandes. En droit vaudois, on distingue notamment le commerce temporaire ou ambulant, y compris l'étalage soit l'ouverture temporaire d'un débit de marchandises sur la voie publique et le colportage des foires et marchés; cependant, les dispositions sur l'étalage sont applicables aux marchés, avec toutefois quelques spécificités (loi vaudoise du 18 novembre 1935 sur la police du commerce: art. 1, 7 et 122). A Genève, la loi règle BGE 120 Ib 390 S. 397 dans le même chapitre les professions ambulantes et temporaires. Elle traite dans une première section des professions ambulantes, y compris le colportage consistant à circuler de maison en maison ou de rue en rue pour y vendre des marchandises; dans une deuxième section, il est question des professions temporaires, qui comprennent l'étalage comme ouverture temporaire d'un débit de marchandises sur la voie publique (cf. art. 5 et 6 LPAT). D'une manière générale, on constate donc que la vente sur les marchés n'est pas assimilée au colportage ou à la vente ambulante (LUDER, op.cit., p. 52; cf. aussi ATF 55 I 74 consid. 3 p. 78, où le colporteur est décrit comme un vendeur partant à la recherche du client). Il est du reste concevable que des colporteurs essaient de vendre sur un marché, sans y avoir de stand et en se déplaçant (bien entendu sous réserve de dispositions cantonales l'interdisant). d) Quant à la vente des vins sur les marchés, elle est interdite expressément par un certain nombre de lois cantonales sur la police du commerce, comme cela ressort de la documentation de l'Institut du fédéralisme (à l'art. 5 de sa loi du 7 mai 1922 sur la police du commerce, Glaris n'interdit que la vente des boissons distillées, tant pour le colportage que sur les marchés du reste). Dans les autres cantons, les lois réglementant la vente des boissons alcooliques n'interdisent en général pas expressément la vente de boissons alcooliques sur les marchés (pareille interdiction se trouve cependant à l'art. 5 de la loi vaudoise du 11 décembre 1984 sur les auberges et les débits de boissons). La plupart des lois cantonales prévoient toutefois que la patente est accordée pour un local déterminé. A défaut de précision sur l'interprétation de telles dispositions par les autorités de chaque canton, il est difficile de dire si celles-ci en déduisent une interdiction de vente sur les marchés (en l'espèce, le Conseil d'Etat genevois a répondu plutôt par la négative à cette question). Dans le canton de Neuchâtel, la vente de boissons alcooliques sur les marchés par un commerçant ou un producteur est autorisée, moyennant le respect des conditions légales en matière de commerce de détail de ces produits (pareille pratique est cependant rare). Sans qu'on puisse déterminer sur quelle base constitutionnelle se fondent les cantons qui, en dérogation à l' art. 31 Cst. , interdisent la vente de boissons alcooliques sur les marchés, on peut constater qu'une telle interdiction est certes répandue mais qu'il n'y a pas d'unanimité pour prohiber clairement cette pratique en application de l' art. 32quater al. 6 Cst. e) Dès lors, il faut considérer qu'en interdisant le colportage et la vente ambulante des boissons alcooliques, l' art. 32quater al. 6 Cst. vise BGE 120 Ib 390 S. 398 uniquement l'activité du commerçant qui se déplace individuellement de maison en maison ou de rue en rue en transportant avec lui les produits à vendre, mais pas celle du vendeur qui a obtenu une autorisation pour installer un stand fixe sur un marché stricto sensu (soit un lieu de réunion périodique de marchands) réglementé comme tel par une collectivité publique (cf. AUBERT, op.cit., n. 47 ad art. 32quater Cst. , qui ne parle que du colportage et même pas de vente ambulante, laisse ainsi entendre que la disposition constitutionnelle ne vise que le colportage proprement dit; cet auteur n'indique en aucune façon qu'il y aurait lieu d'interpréter plus largement cette notion). 7. Reste à déterminer si d'autres dispositions du droit fédéral s'opposent à la délivrance de l'autorisation sollicitée. a) L' art. 31 al. 1 ODA interdit le colportage proprement dit de denrées alimentaires, soit l'offre de maison en maison de marchandises que le vendeur porte avec lui. L' art. 31 al. 3 ODA traite des autres modes de vente ambulante, notamment la vente sur la voie publique, pour réserver les mesures de police sanitaire des cantons. Même si la notion de vente ambulante est ici large et peut viser la vente sur les marchés, il ne s'agit pas d'une interdiction. De plus, le fait que le terme de vente ambulante soit ici pris dans un sens large n'est pas déterminant pour le problème des boissons alcooliques, qui fait l'objet de la réglementation spéciale de l' art. 367 ODA . Dans les mêmes termes que ceux de l' art. 32quater al. 6 Cst. , l' art. 367 al. 2 ODA interdit "le colportage, ainsi que la vente ambulante des boissons visées dans le présent chapitre", soit en particulier le vin. Toutefois, selon l' art. 367 al. 1 ODA , "aucune vente sur la voie publique (dans les gares, etc.) ou aux enchères ni aucune vente forcée d'une des boissons visées dans le présent chapitre ne peuvent avoir lieu sans l'autorisation du laboratoire officiel compétent". Cette dernière disposition - qui cite à titre exemplatif la vente "dans les gares" - n'exclut donc pas la vente sur les marchés. Autrement dit, la vente sur la voie publique peut être autorisée, à l'exception du colportage et de la vente ambulante. Le terme de vente ambulante a donc ici un sens plus étroit, puisqu'il ne comprend pas toute vente sur la place publique. On ne peut donc déduire des termes de l' art. 367 al. 2 ODA une interdiction de la vente du vin sur les marchés. Il faut plutôt interpréter cette disposition de la même manière que l' art. 32quater al. 6 Cst. , soit ne pas y voir une interdiction de vente des boissons alcooliques concernées sur les marchés (sous réserve des dispositions cantonales en la matière). BGE 120 Ib 390 S. 399 b) L'ordonnance du 12 mai 1959 sur le commerce des vins (RS 817.421) ne prévoit pas un régime d'interdiction mais de permis pour les opérations qu'elle vise. La décision entreprise ne saurait donc se fonder sur cette ordonnance pour prohiber la vente du vin sur les marchés (indépendamment même du fait que le recourant pourrait ne pas y être assujetti selon l'art. 2 al. 1 lettre a; cf. également art. 1 al. 4 de l'ordonnance du 1er juillet 1961 du DFI sur le commerce des vins, RS 817.421.1). 8. En résumé, la décision attaquée, soit le refus de l'autorisation sollicitée ne peut se fonder sur le droit fédéral. Le Conseil d'Etat a exclu que le refus puisse se fonder sur la loi cantonale de 1892 sur la vente à l'emporter des boissons alcooliques. La situation est moins claire pour ce qui touche la loi genevoise de 1923 sur l'exercice des professions ou industries permanentes, ambulantes et temporaires (en particulier l'art. 19 LPAT). En effet, le Conseil d'Etat a certes substitué à la motivation du département statuant en première instance sur la base de l'art. 19 LPAT une autre motivation fondée sur l'application directe de l' art. 32quater al. 6 Cst. Il n'est toutefois pas certain, bien que cela soit possible, qu'il ait voulu par là écarter l'art. 19 LPAT même pour le cas où l' art. 32quater al. 6 Cst. ne serait pas applicable. Dès lors, point n'est besoin de se demander si et à quelles conditions le Tribunal fédéral pourrait cas échéant confirmer dans le cadre d'un recours de droit administratif une décision cantonale en substituant à une règle de droit fédéral une prescription du droit cantonal (sur le contrôle de l'application du droit cantonal dans le cadre d'un recours de droit administratif, cf. KÄLIN/MÜLLER, op.cit., p. 444 ss). En effet, la situation n'étant pas claire, une substitution de motifs n'entre de toute façon pas en ligne de compte ( ATF 112 Ia 129 consid. 3c p. 135). L'arrêté du Conseil d'Etat du 23 décembre 1992 doit en conséquence être annulé. Il n'est en revanche pas possible d'autoriser directement le recourant à vendre son vin sur les marchés du canton de Genève, car il n'est pas établi que toutes les conditions que pourrait poser le droit cantonal sont remplies, par exemple celles découlant de la police sanitaire. Dans ces conditions, il n'est pas non plus nécessaire d'examiner dans quelle mesure ces conditions seraient ou non compatibles avec le droit fédéral.
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Erwägungen ab Seite 357 BGE 104 II 357 S. 357 Extrait des considérants: 4. a)... L' art. 210 al. 1 CO , qui dispose que toute action en garantie pour les défauts de la chose se prescrit par un an dès la livraison à l'acheteur, même si celui-ci n'a découvert les défauts que plus tard, mais qui réserve une prolongation conventionnelle, institue un délai de prescription et non de péremption ( ATF 94 II 36 consid. 4c et les références à OSER/SCHÖNENBERGER n. 2 et BECKER n. 1 ad art. 210 CO ; ATF 96 II 183 , ATF 78 II 367 , ATF 72 II 414 ss.). L' art. 210 al. 2 CO , selon lequel les exceptions dérivant des défauts subsistent lorsque l'avis prévu par la loi a été donné au vendeur dans l'année à compter de la livraison, crée en revanche un délai de péremption (GIGER n. 67 ad art. 210 CO ; BGE 104 II 357 S. 358 GUHL/MERZ/KUMMER p. 336; cf. ATF 91 II 216 . Les exceptions qui subsistent en vertu de l' art. 210 al. 2 CO après l'expiration de la prescription présupposent que les défauts ont été signalés à temps par l'acheteur au vendeur conformément à l' art. 201 CO , mais au plus tard dans l'année dès la livraison comme l'exige l' art. 210 al. 2 CO . Cette interprétation s'impose dès lors que les défauts cachés, découverts après l'expiration de la prescription d'un an de l' art. 210 al. 1 CO , ne peuvent plus être invoqués en vertu de cette disposition (GIGER n. 65, 66 ad art. 210 CO ). La seule réserve est celle de l' art. 210 al. 3 CO , aux termes duquel le vendeur qui a induit l'acheteur en erreur intentionnellement ne peut pas se prévaloir de la prescription. Le fait que la demanderesse est intervenue à plusieurs reprises, après l'écoulement de l'année à compter de la livraison, pour réparer la fraiseuse litigieuse à la suite de pannes, est sans incidence sur le délai de péremption d'un an de l' art. 210 al. 2 CO , car de par sa nature un tel délai n'est pas susceptible d'être interrompu, à la différence de la prescription (cf. ATF 74 II 100 consid. 4). Alors même qu'il ne pouvait pas ouvrir une action en garantie pour les défauts de la chose devant un tribunal suisse et que la prescription d'une telle action ne courait pas ou était suspendue, le défendeur était parfaitement en mesure de donner les avis des défauts à la demanderesse conformément à la loi ( art. 201, 210 al. 2 CO ). Il n'y avait pas de suspension du délai de péremption d'un an dès la livraison pour signaler les défauts.
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Sachverhalt ab Seite 285 BGE 144 IV 285 S. 285 A. Das Bezirksgericht Meilen sprach X. mit Urteil vom 4. Juli 2016 des Mordes ( Art. 112 StGB ) an seinen Eltern schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB an, wobei es BGE 144 IV 285 S. 286 den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten der stationären Massnahme aufschob. Es verfügte zudem die Einziehung der mit Zirkulationsbeschluss vom 31. Mai 2016 beschlagnahmten Ansprüche von X. gegen die Privatkläger 1-3 auf Bezahlung von Fr. 100'000.- und auf Übereignung einer Stockwerkeigentumswohnung an der A.-Strasse in Zürich. B.
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Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 15. Mai 2017 auf Berufung von X. den Schuldspruch wegen mehrfachen Mordes sowie die Freiheitsstrafe von 20 Jahren (Dispositiv-Ziff. 1 und 2). Die erstinstanzlich angeordnete stationäre therapeutische Massnahme erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Das Obergericht entschied, die Forderung von X. gegen die Privatkläger 1-3 auf Bezahlung von Fr. 100'000.- sowie dessen obligatorischer Anspruch gegen die Privatkläger 1-3 auf Übereignung der Stockwerkeigentumswohnung an der A.-Strasse in Zürich seien zur Kostendeckung zu verwenden; ein allfälliger Überschuss sei X. herauszugeben (Dispositiv-Ziff. 3). C. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, Dispositiv-Ziff. 3 des Urteils vom 15. Mai 2017 sei aufzuheben und die Forderung von X. gegen die Privatkläger 1-3 auf Bezahlung von Fr. 100'000.- sowie dessen obligatorischer Anspruch gegen die Privatkläger 1-3 auf Übereignung der Stockwerkeigentumswohnung an der A.-Strasse in Zürich seien zugunsten des Kantons Zürich einzuziehen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 70 StGB . Sie macht geltend, der Beschwerdegegner habe die Forderung von Fr. 100'000.- und den Anspruch auf Übertragung der Stockwerkeigentumswohnung durch eine Straftat erlangt, weshalb diese gestützt auf Art. 70 Abs. 1 StGB einzuziehen seien. 2.2 Das Gericht verfügt gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Die sogenannte BGE 144 IV 285 S. 287 Ausgleichseinziehung beruht auf dem Gedanken, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf ( BGE 144 IV 1 E. 4.2.1 S. 7; BGE 141 IV 155 E. 4.1 S. 162; BGE 140 IV 57 E. 4.1.1 S. 62; je mit Hinweisen). Sie setzt ein Verhalten voraus, das den objektiven und den subjektiven Tatbestand einer Strafnorm erfüllt und rechtswidrig ist ( BGE 141 IV 155 E. 4.1 S. 162; BGE 129 IV 305 E. 4.2.1 S. 310 mit Hinweisen). Erforderlich ist zudem, dass zwischen der Straftat und dem erlangten Vermögenswert ein Zusammenhang besteht. Das Bundesgericht verlangte in seiner amtlich publizierten Rechtsprechung verschiedentlich, es müsse ein Kausalzusammenhang in dem Sinne bestehen, dass die Erlangung des Vermögenswerts als direkte und unmittelbare Folge der Straftat erscheint ( BGE 144 IV 1 E. 4.2.1 S. 7; BGE 141 IV 155 E. 4.1 S. 162; BGE 140 IV 57 E. 4.1.1 S. 62; BGE 138 IV 1 E. 4.2.3.2 S. 7; BGE 136 IV 4 E. 6.6 S. 13; BGE 129 II 453 E. 4.1 S. 461). Es betonte dabei auch, dass die Straftat die wesentliche respektive adäquate Ursache für die Erlangung des Vermögenswerts sein muss und der Vermögenswert typischerweise aus der Straftat herrühren muss ( BGE 141 IV 155 E. 4.1 S. 162; BGE 138 IV 1 E. 4.2.3.2 S. 7; BGE 136 IV 4 E. 6.6 S. 13; Urteile 6B_366/2015 vom 9. Februar 2016 E. 2.3.1; 6S.667/2000 vom 19. Februar 2001 E. 3a). Gleichzeitig ging es aber davon aus, dass auch bloss indirekt durch eine strafbare Handlung erlangte Vermögenswerte der Einziehung unterliegen können (vgl. etwa BGE 144 IV 1 E. 4.2.2 S. 7 f.; BGE 137 IV 79 E. 3.2 S. 81 f.; BGE 125 IV 4 E. 2a/bb S. 7; BGE 120 IV 365 E. 1d S. 367; Urteile 6B_1099/2014 vom 19. August 2015 E. 2.2; 1B_713/2012 vom 21. Mai 2013 E. 4.2). Der Vorteil muss nach der Rechtsprechung "in sich" unrechtmässig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn die fragliche Handlung objektiv nicht verboten ist. Vermögenswerte, die aus einem objektiv legalen Geschäft stammen, sind nicht einziehbar ( BGE 141 IV 155 E. 4.1 S. 162; BGE 137 IV 305 E. 3.1 S. 307 f.; BGE 125 IV 4 E. 2a/bb S. 7). Ein Vermögenswert gilt nicht durch die Straftat erlangt, wenn diese lediglich die spätere Erlangung des Vermögenswerts durch eine nachfolgende Handlung erleichtert hat, welche nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Straftat steht (Urteile 6B_425/2011 vom 10. April 2012 E. 5.3; 6S.667/2000 vom 19. Februar 2001 E. 3a). 2.3 Der Beschwerdegegner tötete am 11. Oktober 2014 seine Eltern. Er wurde deswegen von der Vorinstanz des mehrfachen Mordes schuldig gesprochen (Urteil vom 15. Mai 2017). Der Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Als einziger Sohn seiner Eltern wäre er grundsätzlich deren Alleinerbe gewesen ( Art. 457 Abs. 1 ZGB ). BGE 144 IV 285 S. 288 Angesichts des rechtskräftigen Schuldspruchs wegen Mordes ist jedoch von der Erbunwürdigkeit des Beschwerdegegners auszugehen ( Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ). Da dieser selber keine Nachkommen hatte ( Art. 457 Abs. 3 und Art. 541 Abs. 2 ZGB ), gelangte die Erbschaft an die Privatkläger 1-3 als Geschwister der Getöteten ( Art. 458 Abs. 3 ZGB ). Die Privatkläger 1-3 und der Beschwerdegegner unterzeichneten am 4. März 2016 eine öffentlich beurkundete Vereinbarung, wonach der Beschwerdegegner auf eine Erbenstellung verzichtete. Im Gegenzug verpflichteten sich die Privatkläger 1-3 als Erben der Eltern des Beschwerdegegners, diesem aus dem Nachlass die Stockwerkeigentumswohnung an der A.-Strasse in Zürich sowie Fr. 100'000.- in bar zu übertragen. Gemäss Inventar belief sich der Nettonachlass des Vaters des Beschwerdegegners auf rund 2,2 Mio. Fr. und derjenige seiner Mutter auf rund 1,5 Mio. Fr. 2.4 Die Vorinstanz erwägt, beim zwischen dem Beschwerdegegner und den Privatklägern 1-3 abgeschlossenen Vergleich handle es sich um ein zulässiges Rechtsgeschäft und somit um eine objektiv nicht verbotene Handlung. Es könne deshalb nicht auf die Unrechtmässigkeit des erlangten Vorteils geschlossen werden. Zudem sei nicht von einem monetären Motiv des Beschwerdegegners auszugehen. Von einer Belohnung - welche durch eine Einziehung verhindert werden solle - könne auch nicht die Rede sein. Durch die Tat habe der Beschwerdegegner zwar (früher) Vermögenswerte erlangt, jedoch wohl nicht in dem Umfang, wie wenn seine Eltern in ungewisser Zukunft eines natürlichen Todes gestorben wären und er normaler Erbe gewesen wäre. Es sei daher keine Ausgleichseinziehung nach Art. 70 Abs. 1 StGB , sondern eine Beschlagnahme zur Kostendeckung vorzunehmen, wobei ein allfälliger Mehrbetrag an den Beschwerdegegner herauszugeben sei. 2.5 2.5.1 Wer vorsätzlich und rechtswidrig den Tod des Erblassers herbeigeführt oder herbeizuführen versucht hat, ist unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben ( Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ). Durch Verzeihung des Erblassers wird die Erbunwürdigkeit aufgehoben ( Art. 540 Abs. 2 ZGB ). Mit der Erbunwürdigkeit soll verhindert werden, dass eine Person Güter aus dem Nachlass des Verstorbenen erwirbt, wenn dieser keine Möglichkeit hatte, die betroffene Person durch Verfügung von BGE 144 IV 285 S. 289 Todes wegen (vgl. Art. 477 ZGB ) von der Erbschaft auszuschliessen. Die Regel geht vom hypothetischen Willen des Erblassers aus (PAUL-HENRI STEINAUER, Le droit des successions, 2. Aufl. 2015, N. 944a Fn. 39 S. 502; COUCHEPIN/MAIRE, Commentaire du droit des successions, 2012, N. 2 zu Art. 540 ZGB ). Die Erbunwürdigkeit tritt von Gesetzes wegen ein und sie ist durch Behörden und Gerichte von Amtes wegen zu berücksichtigen. An der Erbunwürdigkeit bestehe insoweit ein allgemeines Interesse ( BGE 132 III 315 E. 2.2 S. 319 f., BGE 132 III 305 E. 3.3 S. 310). Die Bestimmungen über die Erbunwürdigkeit sind zwingender Natur (IVO SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 24 zu Art. 540 ZGB ; FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. II, 2. Aufl. 2017, N. 14 zu Art. 540/541 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 943 S. 501; COUCHEPIN/MAIRE, a.a.O., N. 3 und 28 zu Art. 540 ZGB ). Die Erbunwürdigkeit tritt ein, ohne dass die Erben sie geltend machen. Diese können nicht auf die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit verzichten (SCHWANDER, a.a.O., N. 24 zu Art. 540 ZGB ). Die Regelung über die Erbunwürdigkeit dient dem Schutz des Erblassers, indem sie dem Verantwortlichen den Nutzen seines vorwerfbaren bzw. strafbaren Verhaltens gegenüber dem Erblasser entzieht (STEINAUER, a.a.O., N. 929 S. 496). Sie wurde im öffentlichen Interesse erlassen und gelangt zur Anwendung, wenn die Beteiligung eines Erben an der Erbschaft gegen die Rechtsordnung und die Moral verstossen würde (ANTOINE EIGENMANN, Action en nullité et indignité, in: Journée de droit successoral 2017, 2017, N. 12 S. 44). Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB entspricht der Rechtsparömie "Blutige Hand nimmt kein Erbe" (ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, Bd. III.2: Der Erbgang, 3. Aufl. 1960, N. 8 zu Art. 540 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 936 S. 497). Im Rahmen von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB nicht erforderlich ist, dass die erbunwürdige Person sich oder einem Dritten einen erbrechtlichen Vorteil verschaffen will. Erstere nimmt durch ihre Tat willentlich Einfluss auf den Erbgang: dies reicht für die Annahme der Erbunwürdigkeit aus (PAUL PIOTET, Droit successoral, TDPS, Bd. IV, 2. Aufl. 1988, S. 501; COUCHEPIN/MAIRE, a.a.O., N. 15 zu Art. 540 ZGB ). Für PIOTET (a.a.O., S. 499 und 505) bildet die in Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB verankerte Erbunwürdigkeit Bestandteil des "Ordre public" und ist von allen zu beachten, d.h. auch von den Personen, welche aufgrund der Erbunwürdigkeit als Erben zum Zuge kommen und welche unter BGE 144 IV 285 S. 290 gewissen Umständen ein Interesse an einer Einigung mit der erbunwürdigen Person haben können. 2.5.2 Gemäss lit. D der Präambel der Vereinbarung vom 4. März 2016 wollten die Parteien mit der Vereinbarung eine möglicherweise langwierige und kostspielige prozessuale Auseinandersetzung über die Erbenstellung des Beschwerdegegners und damit auch über die Berechtigung der Parteien an den Nachlässen der Opfer vermeiden. Dem Beschwerdegegner wurde in der Vereinbarung keine Erbenstellung eingeräumt. Dieser verzichtete vielmehr ausdrücklich auf eine allfällige Erbenstellung. Im Gegenzug dafür verpflichteten sich die Privatkläger 1-3 als Erben, ihm eine Stockwerkeigentumswohnung sowie Fr. 100'000.- in bar aus dem Nachlass zu übertragen. Bei den zugesprochenen Vermögenswerten handelt es sich daher um eine Gegenleistung für die explizite Anerkennung der Erbunwürdigkeit. Der Beschwerdegegner erhielt damit nicht die rechtliche Stellung, die er mangels Erbunwürdigkeit gehabt hätte, da er nicht in die Erbengemeinschaft aufgenommen wurde. Die Parteien bezweckten mit der Vereinbarung vom 4. März 2016 nicht, die Erbunwürdigkeit des Beschwerdegegners nach Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB zu umgehen. Sie wollten damit, gegen Bezahlung einer Geldsumme und Übereignung einer Immobilie, vielmehr erreichen, dass der Beschwerdegegner seine Erbunwürdigkeit nicht infrage stellt. Es ist daher von der Gültigkeit der Vereinbarung vom 4. März 2016 auszugehen. 2.6 Die Vorinstanz legt zutreffend dar, dass der Beschwerdegegner den Anspruch auf Übertragung der Stockwerkeigentumswohnung und auf Bezahlung der Fr. 100'000.- nicht direkt durch die Tötungsdelikte, welche nach Art. 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB seine Erbunwürdigkeit zur Folge hatten, sondern erst aufgrund des zwischen ihm und den Privatklägern 1-3 abgeschlossenen Rechtsgeschäfts erlangte. Das Rechtsgeschäft zwischen den Privatklägern 1-3 und dem Beschwerdegegner als solches ist wie dargelegt nicht illegal. Die Vorinstanz entschied daher zu Recht, die Voraussetzungen für eine Einziehung nach Art. 70 Abs. 1 StGB seien nicht erfüllt. Die Argumentation der Beschwerdeführerin zielt darauf ab, die zwischen den Erben und dem Beschwerdegegner abgeschlossene Vereinbarung zu verunmöglichen bzw. für unzulässig zu erklären. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Beschwerdeführerin die Befürchtung äussert, die Privatkläger 1-3 könnten, falls ihnen die BGE 144 IV 285 S. 291 Vermögenswerte nach einer Einziehung zugewiesen würden, diese dem Beschwerdegegner im Nachgang schenken, womit gemäss der Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Grundsatzes "Straftaten dürfen sich nicht lohnen" ausgehebelt würde. Eine solche generelle Unzulässigerklärung von Schenkungen der Privatkläger 1-3 an den Beschwerdegegner erscheint mit dem Recht, über sein Eigentum grundsätzlich frei zu verfügen, jedoch unvereinbar. Die Vereinbarung vom 4. März 2016 war zulässig. Unerheblich ist, dass - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung noch nicht sicher feststand, ob der Beschwerdegegner auch wirklich erbunwürdig war. Wäre es nicht der Wille der Privatkläger 1-3 gewesen, diesem trotz seiner Erbunwürdigkeit einen Teil des Nachlasses seiner Eltern zukommen zu lassen, hätten die Privatkläger 1-3 mit der erbrechtlichen Auseinandersetzung bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuwarten können. 2.7 Die Situation ist auch nicht vergleichbar mit einem Verzicht des Geschädigten gegenüber dem Beschuldigten auf einen Teil seiner Schadenersatz- bzw. Restitutionsansprüche, was gemäss der Rechtsprechung einer Einziehung nicht entgegensteht ( BGE 139 IV 209 E. 5 S. 210 ff.). Die Privatkläger 1-3 haben nicht auf einen ihnen zustehenden deliktischen Erlös verzichtet, sondern sie liessen dem Beschwerdegegner durch ein legales Rechtsgeschäft Vermögenswerte zukommen, die sie durch Erbschaft erlangt haben. 2.8 2.8.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob auch indirekt durch eine Straftat erlangte Vermögenswerte eingezogen werden können, sei uneinheitlich. Sie argumentiert zudem, die Einziehung dürfe nicht vom Vorliegen eines adäquaten Kausalzusammenhangs abhängig gemacht werden. Das Zuordnungskriterium des "adäquaten Kausalzusammenhangs" sei für die allgemeine Verbrechenslehre entwickelt worden. Mit der Adäquanz werde sichergestellt, dass die strafrechtliche Haftung nicht über die Fähigkeit des Menschen, Kausalabläufe zu steuern und zu beherrschen, hinausgehe. Bezüglich der Vermögenseinziehung sei eine derartige Beschränkung der einziehbaren Vermögenswerte weder sinnvoll noch nötig. Der Beschwerdegegner habe erst aufgrund der Tötungsdelikte überhaupt die Stellung eines potentiellen Erben erlangt, in welcher er mit den Privatklägern 1-3 BGE 144 IV 285 S. 292 über seine Erbenstellung habe verhandeln können. Die potentielle Erbenstellung habe er direkt und unmittelbar durch die Tötungsdelikte erlangt, weshalb der Kausalzusammenhang zwischen Anlasstat und erlangtem Vermögenswert als gegeben zu betrachten sei. Die Beschwerdeführerin kritisiert zudem die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach Vermögenswerte aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft nicht der Einziehung unterliegen. Sie beanstandet, das Bundesgericht habe diesen Ausschlussgrund in zahlreichen Entscheiden, insbesondere etwa im Zusammenhang mit Bestechungshandlungen, nicht geprüft, obschon die Vermögenswerte durch zivilrechtliche Rechtsgeschäfte erlangt worden seien. 2.8.2 Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn ein Umstand nicht nur "conditio sine qua non", sondern nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung auch geeignet ist, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass der Eintritt dieses Erfolgs als durch die fragliche Bedingung wesentlich begünstigt erscheint (vgl. BGE 143 II 661 E. 5.1.2 S. 667 f.; BGE 143 III 242 E. 3.7 S. 250; BGE 142 IV 237 E. 1.5.2 S. 244; je mit Hinweisen). Damit wird die Vorwerfbarkeit einer Schädigung Dritter eingeschränkt, indem geprüft wird, ob die Schädigung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung voraussehbar war. Darauf stellt die zur Einziehung ergangene Rechtsprechung indes nicht ab. Die Voraussehbarkeit ist kein Kriterium für die Einziehung, da - wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht - grundsätzlich alle durch eine Straftat erlangten finanziellen Profite abzuschöpfen sind, dies auch dann, wenn der Täter durch seine Tat unerwartet zu einem solchen Vermögensvorteil gelangte. Im Zusammenhang mit der Einziehung zu prüfen ist hingegen, ob der Täter den Vermögensvorteil auch ohne die Straftat bzw. auch bei rechtmässigem Alternativverhalten erlangt hätte. Entscheidend hierfür ist der hypothetische Kausalverlauf ohne die Straftat (vgl. etwa BGE 137 IV 79 E. 3.3 S. 82 f.; Urteil 6B_425 2011 vom 10. April 2012 E. 5.4-5.6). Darauf nimmt die Rechtsprechung zur Einziehung Bezug, wenn verlangt wird, dass die Straftat die wesentliche bzw. adäquate Ursache für die Erlangung des Vermögenswerts ist (vgl. dazu die oben unter E. 2.2 zitierten Entscheide). 2.8.3 Zutreffend ist, dass die bundesgerichtlichen Erwägungen zur Frage, ob der Vermögenswert direkte und unmittelbare Folge der BGE 144 IV 285 S. 293 Straftat sein muss oder ob auch bloss indirekt durch eine Straftat erlangte Vermögenswerte eingezogen werden können, nicht immer einheitlich ausfielen (vgl. oben E. 2.2 erster Abs.). Die Rechtsprechung betonte jedoch stets, dass der Vermögensvorteil auf die Straftat zurückzuführen sein muss, was nicht der Fall ist, wenn dieser auch ohne die strafbare Handlung angefallen wäre. Nicht einziehbar sind nach der Rechtsprechung Vermögenswerte, die aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft stammen, welches nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Straftat steht, auch wenn eine Straftat dieses erleichtert haben mag (vgl. oben E. 2.2 zweiter Abs.). An dieser Rechtsprechung ist entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin festzuhalten. Vermögenswerte, die aus einem mittels Korruption abgeschlossenen Rechtsgeschäft herrühren, können Einziehungsobjekt sein ( BGE 137 IV 79 E. 3.2 S. 81 f.; Urteil 6B_1099/2014 vom 19. August 2015 E. 2.2). Wäre das Rechtsgeschäft ohne die strafbare Bestechungshandlung nicht zustandegekommen, kann klarerweise nicht von einem objektiv legalen Rechtsgeschäft im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden. In BGE 137 IV 79 verneinte das Bundesgericht einen einziehbaren Vermögenswert deliktischer Herkunft, weil in tatsächlicher Hinsicht nicht erstellt war, dass das Rechtsgeschäft ohne die Bestechungshandlung nicht abgeschlossen worden wäre, und es daher am erforderlichen Kausalzusammenhang mangelte (vgl. BGE, a.a.O., E. 3.3 S. 82 f.). Weitere Ausführungen dazu, ob ein objektiv legales Rechtsgeschäft vorlag, erübrigten sich daher. Nicht ersichtlich ist, was die Beschwerdeführerin daraus für den vorliegenden Fall ableiten will. Gleiches gilt für den von dieser ebenfalls angerufenen Entscheid 6B_437/2016 vom 22. September 2016 (teilweise publ. in: BGE 142 IV 383 ). Da die Tätigkeit als Zahntechniker und Zahnprothetiker ohne die erforderliche Bewilligung ausgeübt wurde, kann offensichtlich nicht gesagt werden, die mit den Patienten abgeschlossenen Verträge seien mit keinem Mangel behaftet gewesen. Die Behandlung der Patienten und damit der Abschluss der Rechtsgeschäfte betraf vielmehr die dem Beschuldigten vorgeworfene deliktische Tätigkeit als solche. Im Übrigen liess das Bundesgericht in diesem Entscheid ausdrücklich offen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Vermögenswerte einzuziehen sind (vgl. Urteil 6B_437/2016 vom 22. September 2016 E. 2.5). 2.8.4 Vorliegend besteht zwischen den Tötungsdelikten und dem Vermögensvorteil des Beschwerdegegners lediglich insoweit ein BGE 144 IV 285 S. 294 Kausalzusammenhang, als es ohne die Straftaten nicht zur Vereinbarung vom 4. März 2016 gekommen wäre. Allerdings wäre der Erbgang früher oder später auch ohne die Tötungsdelikte eingetreten. Schlussendlich erlangte der Beschwerdegegner die Vermögenswerte nicht durch die Tötungsdelikte, da diese seine Erbunwürdigkeit zur Folge hatten, sondern aufgrund eines von der Straftat unabhängigen, gültigen Rechtsgeschäfts mit den Privatklägern 1-3, was für die vorliegende Beurteilung entscheidend ist.
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Sachverhalt ab Seite 29 BGE 113 IV 29 S. 29 A.- Frau A. besuchte am 23. März 1985 mit Bewilligung des Untersuchungsrichters ihren im Polizeigefängnis Bern in Haft BGE 113 IV 29 S. 30 befindlichen Neffen. B., Polizeikorporal und Gefangenenwärter, hatte zusammen mit einem weiteren Polizisten den Besuch zu überwachen. Erbost über gewisse ihrer Äusserungen, forderte B. Frau A. nach 3-4 Min. auf, den Besuch zu beenden. Als sie der Weisung nicht nachkam, beförderte er sie aus der Zelle. Frau A. erlitt Hautunterblutungen an der Schulter und am linken Oberarm. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte B. am 4. November 1986 wegen Tätlichkeiten und Amtsmissbrauchs zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 14 Tagen. B.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Amtsmissbrauchs aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 312 StGB machen sich Mitglieder einer Behörde oder Beamte strafbar, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen. Der hinsichtlich der Tathandlung sehr allgemein umschriebene Straftatbestand ist einschränkend dahin auszulegen, dass nur derjenige die Amtsgewalt missbraucht, welcher die Machtbefugnisse, die ihm sein Amt verleiht, unrechtmässig anwendet, d.h. kraft seines Amtes verfügt oder Zwang ausübt, wo es nicht geschehen dürfte ( BGE 108 IV 49 E. 1 mit Hinweisen). Er umfasst demnach nicht sämtliche pflichtwidrigen Handlungen, die ein mit Zwangsgewalt ausgestatteter Beamter bei Gelegenheit der Erfüllung seiner Pflichten ausführt; ihm sind vielmehr nur solche unzulässigen Verfügungen und Massnahmen unterstellt, die er kraft seines Amtes, in Ausübung seiner hoheitlichen Gewalt trifft ( BGE 108 IV 50 E. 2a). Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn der Beamte zwar legitime Ziele verfolgt, aber zur Erreichung derselben in unverhältnismässiger Weise Gewalt anwendet ( BGE 104 IV 23 E. 2). Dieser der herrschenden Lehre entsprechenden Auffassung hat sich STRATENWERTH, der anfänglich die gegenteilige Meinung vertrat, angeschlossen (STRATENWERTH, Besonderer Teil II, 3. Aufl., S. 334 N. 10). 2. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe in Ausübung des Hausrechts, nicht in Anwendung der ihm als Amtsträger zustehenden hoheitlichen Gewalt gehandelt, ist unbegründet. Nach BGE 113 IV 29 S. 31 seiner eigenen Darstellung hatte er als Polizeiorgan und Gefangenenwärter den Besuch der Frau A. zu überwachen, beträgt die normale Besuchsdauer 20 Min., liegt es in seiner Kompetenz zu entscheiden, aus welchen Gründen der Besuch vorzeitig beendet wird, und brach er diesen bereits nach 3 bis 4 Min. ab; er war darüber erbost, dass Frau A. den Boden der Zelle als dreckig bezeichnet hatte. Diese unwidersprochenen Aussagen zeigen eindeutig, dass der Beschwerdeführer den Besuch kraft der ihm als Überwacher zustehenden Hoheitsgewalt beendete; als Inhaber des Hausrechts hätte er eine dahingehende Anordnung überhaupt nicht treffen können. Die gewaltsame Entfernung von Frau A. aus der Besucherzelle diente sodann ausschliesslich der Durchsetzung des verfügten Besuchsabbruchs, dem sich jene unter Hinweis auf die erteilte Besuchsbewilligung nicht freiwillig unterziehen wollte. In Ausübung des Hausrechts konnte der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen zudem rechtmässig gar nicht tätig werden. Er hatte das vorzeitige Besuchsende aus unsachlichen, eine solche Massnahme nicht rechtfertigenden Gründen angeordnet, also bereits insoweit seine Amtsgewalt objektiv missbraucht. Frau A. verharrte daraufhin zwar wider seinen Willen, nicht aber unrechtmässig in der Besucherzelle; denn die erteilte Bewilligung, die ihr Anspruch auf einen Besuch von 20 Min. Dauer gab, war angesichts des missbräuchlich verfügten Besuchsabbruchs nach wie vor rechtswirksam ( BGE 90 IV 78 E. c und BGE 83 IV 157 E. 1; vgl. PETRZILKA, Zürcher Erläuterungen zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, S. 248; NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 87; für das Deutsche Recht: SCHÖNKE/SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, N. 32 ff. zu § 123). Hausfriedensbruch gemäss Art. 186 StGB und damit zulässige Abwehr eines solchen setzt aber voraus, dass jemand nicht nur gegen den Willen des Berechtigten, sondern zudem auch unrechtmässig in einem abgeschlossenen Raum verweilt ( BGE 90 IV 78 E. c und BGE 83 IV 157 E. 1; THORMANN/OVERBECK, N. 14 zu Art. 186 StGB ; HAFTER, Besonderer Teil I, S. 113; LOGOZ, Besonderer Teil I, N. 4a und N. 5 zu Art. 186 StGB ; STRATENWERTH, Besonderer Teil I, S. 114, N. 82). Der Beschwerdeführer hat entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift anlässlich seiner Einvernahmen zur Sache nie behauptet, in der Meinung oder mit dem Willen tätig geworden zu sein, das Hausrecht durchzusetzen. Dass er mit dem körperlichen Angriff auf Frau A. und dessen Folgen das Gebot der Verhältnismässigkeit verletzte, das er als Amtsträger unter allen Umständen BGE 113 IV 29 S. 32 zu wahren verpflichtet blieb, und jedenfalls darin ein Amtsmissbrauch liegt, kann nach dem vorstehend Ausgeführten nicht zweifelhaft sein. Der Beschwerdeführer wendete nicht bloss überschiessende Mittel an, wie er vorgibt, sondern verfolgte zudem illegitime Ziele.
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Sachverhalt ab Seite 393 BGE 134 V 392 S. 393 A. Die am 18. November 1941 geborene P., seit 1. September 2000 bei der Firma X. GmbH angestellt und dadurch bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachstehend: Winterthur) u.a. gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert, erlitt am 18. Juli 2003 bei einem Auffahrunfall eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS). Nachdem sie ihre Erwerbstätigkeit in der Folge nicht mehr aufgenommen hatte, wurde das Arbeitsverhältnis per Ende Dezember 2003 gekündigt. Die Winterthur erbrachte, namentlich gestützt auf (Verlaufs-)Berichte des behandelnden Arztes Dr. med. R., Orthopädische Chirurgie FMH, vom 17. November 2004 sowie des Dr. med. H., Facharzt FMH für Neurologie, vom 28. Januar und 26. September 2005, Taggeldleistungen und kam für die Heilbehandlung auf. Im November 2004 erreichte die Versicherte das ordentliche AHV-Rentenalter, woraufhin der Unfallversicherer ihren Anspruch auf Taggelder oder Rentenleistungen mit der Begründung verneinte, es fehle zufolge der ordentlichen Pensionierung für die Zeit ab 1. Dezember 2004 an einer Erwerbseinbusse, welche zwingende Voraussetzung für die entsprechende Leistungsausrichtung bilde; die Heilungskosten sowie eine allfällige Integritätsentschädigung seien davon nicht berührt (Verfügung vom 17. Oktober 2005). Daran wurde auf Einsprache hin mit Entscheid vom 11. Januar 2006 festgehalten. B.
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Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es den angefochtenen Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Winterthur zurückwies, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und hernach über den Leistungsanspruch der Versicherten ab 1. Dezember 2004 neu verfüge (Entscheid vom 27. August 2007). C. Die Winterthur lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides beantragen. P., anwaltlich vertreten, und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 134 V 392 S. 394 Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin über den 30. November 2004 hinaus hätte Taggeldleistungen erbringen müssen. 5.1 Gemäss Art. 16 Abs. 1 UVG (SR 832.20) hat die versicherte Person, die infolge des Unfalls voll oder teilweise arbeitsunfähig ist, Anspruch auf ein Taggeld. Der Anspruch auf Taggeld entsteht am dritten Tag nach dem Unfalltag. Er erlischt mit der Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit, mit dem Beginn einer Rente oder mit dem Tod des Versicherten ( Art. 16 Abs. 2 UVG ). Als arbeitsunfähig im Sinne von Art. 16 Abs. 1 UVG gilt eine Person, die infolge des Gesundheitsschadens ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter der Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben kann. Diese Definition gilt in allen Zweigen der Sozialversicherung ( BGE 130 V 35 E. 3.1 S. 36 f. mit Hinweisen). 5.2 Im von der Vorinstanz ausführlich zitierten BGE 130 V 35 hat das Eidg. Versicherungsgericht - in Anlehnung an BGE 114 V 281 E. 3b S. 285 - festgestellt, dass ein vorzeitig pensionierter Versicherter, der während der Nachdeckungsfrist des Art. 3 Abs. 2 UVG einen Unfall erleidet, mangels eines Erwerbsausfalls keinen Anspruch auf Taggelder der Unfallversicherung hat. Vorliegend verneint die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das genannte Urteil einen Taggeldanspruch der Versicherten über Ende November 2004 hinaus mit der Begründung, ab Eintritt des AHV-Rentenalters sei keine Verdiensteinbusse mehr gegeben, wenn, wie im hier zu beurteilenden Fall, eine bei intakter gesundheitlicher Situation nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters weiterhin aufrechterhaltene Erwerbstätigkeit nicht erstellt sei. 5.3 Der Taggeldanspruch knüpft, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 UVG ergibt, an das während der Versicherungsunterstellung eingetretene Risiko (Unfall, unfallähnliche Körperschädigung, Berufskrankheit; Art. 6 Abs. 1 und 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 UVV [SR 832.202]) sowie die daraus entstehende Arbeitsunfähigkeit an und ist, auch was die Bemessung der Höhe des Taggeldes betrifft (vgl. E. 5.3.1 hiernach), abstrakt und vergangenheitsorientiert (ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 321; GABRIELA RIEMER-KAFKA, Urteil U 51/03 BGE 134 V 392 S. 395 vom 29. Oktober 2003, in: SZS 2004 S. 78 ff., insb. S. 80 in fine f.; UELI KIESER, Lohneinbusse als Voraussetzung von Taggeldern der Unfallversicherung? Art. 16 Abs. 1 UVG , in: AJP 2004 S. 190 mit Hinweisen; vgl. auch Vernehmlassungsvorlage des Eidg. Departements des Innern [EDI] vom November 2006 zur Revision des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung [nachfolgend: Vernehmlassungsvorlage], S. 15 f.). Ein weiteres Leistungserfordernis besteht, wenn in der Bestimmung auch nicht ausdrücklich erwähnt, im Vorliegen eines wirtschaftlichen Schadens. Mit dem Taggeld wird die aus der Arbeitsunfähigkeit resultierende Erwerbseinbusse kompensiert, weshalb eine versicherte Person, die auf Grund der Unfallfolgen zwar (medizinisch-theoretisch) in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist, jedoch keine Verdiensteinbusse erleidet, grundsätzlich nicht anspruchsberechtigt ist ( BGE 130 V 35 E. 3.3-3.5 S. 37 ff. mit Hinweisen; Urteil 4A_348/2007 vom 19. Dezember 2007, E. 3.3.1). 5.3.1 Der Auffahrunfall vom 18. Juli 2003 hat sich unbestrittenermassen zu einem Zeitpunkt ereignet, in welchem die Versicherte noch erwerbstätig war. Die unfallbedingten Beschwerden führten zu einer anhaltenden Arbeitsunfähigkeit, die - im Unterschied zum Sachverhalt, der BGE 130 V 35 zugrunde lag - einen Verdienstausfall bewirkte und Versicherungsleistungen des Unfallversicherers in Form von Taggeldern auslöste. Da, wie hievor dargelegt, das System der obligatorischen Unfallversicherung hinsichtlich der Taggeldzahlungen auf einer grundsätzlich abstrakten Berechnungsmethodik beruht (vgl. RKUV 1999 Nr. U 340 S. 404, E. 3b, U 303/97; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 139/04 vom 1. September 2004, E. 3.2), d.h. das Taggeld, mit Ausnahme gewisser Sonderfälle ( Art. 15 Abs. 3 Satz 3 UVG in Verbindung mit Art. 23 UVV ), nach Massgabe des vor dem Unfall erzielten und nicht auf der Grundlage des entgangenen Verdienstes bemessen wird ( Art. 17 Abs. 1 UVG und Art. 22 Abs. 3 UVV ), vermag entgegen der Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin der Umstand, dass die Versicherte während des Taggeldbezugs anfangs Dezember 2004 ins AHV-Rentenalter eingetreten ist und damit, vorbehältlich einer darüber hinaus ausgeübten erwerblichen Tätigkeit, ab diesem Moment keine durch das versicherte Ereignis (Unfall) bzw. die dadurch verursachte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit hervorgerufene Verdiensteinbusse mehr vorlag, an der Anspruchsberechtigung nichts zu ändern. Dass ein einmal entstandener Anspruch auf Taggeldleistungen mit Dahinfallen des nachgewiesenen konkreten BGE 134 V 392 S. 396 Verdienstausfalles (hier zufolge Pensionierung) enden soll, ist in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 UVG nicht vorgesehen und käme deshalb einer gesetzgeberisch weder auf Grund der aktuellen Rechtslage (in diesem Sinne auch: JEAN-MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, Rz. 159 und Fn. 306) noch de lege ferenda beabsichtigten faktischen Befristung dieser Leistungsart gleich. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, schlägt der Bundesrat im Rahmen der Revision der UVG-Gesetzgebung vielmehr vor, das Prinzip der abstrakten Berechnung des Taggeldes im Gesetz zu verankern, um der Gefahr von Versicherungslücken sowie erheblichen administrativen Problemen vorzubeugen. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung (gemäss BGE 130 V 35 ) soll lediglich insofern Rechnung getragen werden, als eine Sonderregelung für Personen vorgesehen ist, welche vor dem Unfall in den Ruhestand getreten sind (Vernehmlassungsvorlage, S. 15 f. und 25 f.). Der Taggeldanspruch besteht nach dem Gesagten im vorliegenden Fall so lange, als die Beschwerdegegnerin die volle Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt hat oder die Heilbehandlung nicht abgeschlossen ist ( Art. 16 Abs. 2 Satz 2 UVG ). Eine Änderung der langjährigen diesbezüglichen Praxis der Unfallversicherer bedingte im Übrigen, worauf das BAG in seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung vom 18. Januar 2008 zu Recht hinweist, vorab einer entsprechenden Prämienanpassung, da die versicherten Personen für das Unfalltaggeld bereits vollumfänglich im Voraus Prämien bezahlen (vgl. dazu auch RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 81 in fine). Eine Abkehr im von der Beschwerdeführerin befürworteten Sinne wäre - jedenfalls vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetzeslage - als systemfremde Massnahme zu werten. 5.3.2 Aus den von der Beschwerdeführerin erwähnten Urteilen des Eidg. Versicherungsgerichts U 97/06 vom 24. November 2006, E. 2.2, und U 318/05 vom 20. Januar 2006, E. 2.2.1, kann sodann nichts zu ihren Gunsten abgeleitet werden. Während im erstgenannten Urteil lediglich bekräftigt wurde, dass in Fällen, in welchen eine versicherte Person bereits aus unfallfremden Gründen vollständig invalid ist, kein Raum mehr für eine (zusätzliche) unfallbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit besteht, hielt das Eidg. Versicherungsgericht in U 318/05 fest, einzig wenn - wie in dem in BGE 130 V 35 veröffentlichten Fall - eine dauernde unfallfremde Ursache (für den Erwerbsausfall) vorliege, entfalle ein Taggeldanspruch gegenüber BGE 134 V 392 S. 397 der Unfallversicherung gänzlich. In BGE 130 V 35 wurde ein Taggeldanspruch indessen, wie bereits ausgeführt, entgegen der hier zu beurteilenden Fallkonstellation verneint, weil im Zeitpunkt des Eintritts des versicherten Ereignisses infolge Pensionierung keine Erwerbstätigkeit mehr bestand und die durch den Unfall bewirkte Arbeitsunfähigkeit keine Verdiensteinbusse auslöste. Ferner bedurfte die Frage, wie in Anbetracht von BGE 130 V 35 mit dem Taggeldanspruch während einer beruflichen Eingliederung zu verfahren sei, im Urteil U 58/07 vom 22. Oktober 2007 keiner näheren Prüfung, da es im Lichte der Akten feststand, dass die Versicherte in der Ausbildung nicht wesentlich beeinträchtigt war (E. 2.3.1 des erwähnten Urteils; wohl eher verneinend: FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., Rz. 151 in fine und 159). Auch aus dem Urteil 4A_348/2007 vom 19. Dezember 2007, namentlich dessen E. 3.3.1-3.3.3, lassen sich schliesslich keine Rückschlüsse im von der Beschwerdeführerin vertretenen Sinne ziehen, hätte die versicherte Person in jenem Fall doch ohne Krankheit nach der Pensionierung weitergearbeitet und daher einen Erwerbsausfall erlitten. Im Übrigen wäre dem besagten Urteil die unmittelbare Anwendbarkeit bereits infolge des Umstands abzusprechen, dass privatversicherungsrechtliche Krankentaggelder und nicht Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung im Streite standen. 6. Ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Heilbehandlung der Beschwerdegegnerin noch nicht abgeschlossen war, als sie das AHV-Rentenalter erreichte "vgl. nicht publizierte E. 4.2.2", hat nachstehend eine Beurteilung darüber zu erfolgen, ob zu einem späteren Zeitpunkt - die richterliche Überprüfungsbefugnis endet in zeitlicher Hinsicht mit dem Erlass des Einspracheentscheides der Beschwerdeführerin vom 11. Januar 2006 ( BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446 mit Hinweisen) - ein Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung überhaupt noch entstehen kann. Diese Frage wird von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf BGE 130 V 35 mangels Erwerbseinbusse ebenfalls verneint. 6.1 Die Invalidenrente nach UVG, welche die versicherte Person für den invaliditätsbedingten Erwerbsausfall entschädigen soll ( Art. 18 Abs. 1 UVG [in Verbindung mit Art. 8 ATSG ; SR 830.1]), wird grundsätzlich lebenslänglich ausbezahlt ( Art. 19 Abs. 2 UVG ). Sie kann nach dem Erreichen des AHV-Alters nicht mehr revidiert werden ( Art. 22 Abs. 1 UVG ). In der neueren Literatur wird einhellig die Meinung vertreten, dass die nach diesem Zeitpunkt BGE 134 V 392 S. 398 ausbezahlte Invalidenrente u.a. die - gegenüber der ursprünglichen - geänderte Funktion hat, einen allfälligen Rentenschaden abzudecken ( BGE 126 III 41 E. 4a S. 46 mit diversen Hinweisen [u.a. auf PETER OMLIN, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung: mit besonderer Berücksichtigung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Diss. Freiburg 1995, 2. unveränderte Aufl. 1999, S. 241 f., 266 und 282 f.]). Bei Zusprechung an eine versicherte Person im vorgerückten Alter hat damit die Invalidenrente der Unfallversicherung in wesentlichen Teilen die Funktion einer Altersversorgung ( BGE 122 V 418 E. 3a S. 421 f.; BGE 113 V 132 E. 4b S. 136 mit Hinweis). Der Schaden besteht hier - vorbehältlich des Falles, dass die versicherte Person über das AHV-Rentenalter hinaus erwerbstätig bleibt - nicht (mehr) in einer Erwerbseinbusse, sondern in der Reduktion der Altersvorsorgeleistungen (vgl. dazu im Detail OMLIN, a.a.O., S. 241 f.). Zwar wäre es angesichts des erwerblichen Gehalts des Invaliditätsbegriffs möglich gewesen, die Invalidenrente der Unfallversicherung - wie diejenige der Invalidenversicherung - mit Erreichen des AHV-Rentenalters wegfallen und durch die Altersrente der AHV ersetzen zu lassen. Eine solche Lösung wäre jedoch sozialpolitisch kaum vertretbar gewesen (Botschaft des Bundesrates vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung [BBl 1 BGE 976 III 192 ]). Der Gesetzgeber traf darum mit Bezug auf die Dauer des Rentenanspruchs eine Regelung, welche an den Rechtszustand unter der Herrschaft der Unfallversicherung nach KUVG anknüpfte ( BGE 113 V 132 E. 4b S. 136; vgl. auch EVGE 1967 S. 146 f.). 6.2 Angesichts dieser rechtlichen Situation, welche den gesetzgeberischen Willen wiedergibt, die Rente der Unfallversicherung auch nach Erreichen des AHV-Rentenalters auszurichten, stösst die Beschwerdeführerin mit ihrer Argumentation ins Leere, zumal mit Art. 28 Abs. 4 UVV (in Verbindung mit Art. 18 Abs. 2 UVG ) eine Bestimmung aufgenommen wurde, die den Verhältnissen des vorgerückten Alters im Rahmen der Invaliditätsbemessung explizit Rechnung trägt. Danach sind, sofern die versicherte Person nach dem Unfall die Erwerbstätigkeit altershalber nicht mehr aufnimmt oder sich das vorgerückte Alter erheblich als Ursache der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auswirkt, für die Bestimmung des Invaliditätsgrades die Erwerbseinkommen massgebend, die eine versicherte Person im mittleren Alter bei einer entsprechenden Gesundheitsschädigung erzielen könnte (zur Gesetzmässigkeit dieser BGE 134 V 392 S. 399 Norm: BGE 122 V 426 ; vgl. auch BGE 122 V 418 und BGE 113 V 132 sowie Urteil U 313/06 vom 14. August 2007). Mit Art. 28 Abs. 4 UVV soll demnach verhindert werden, dass bei älteren Versicherten zu hohe Invaliditätsgrade resultieren und Dauerrenten zugesprochen werden, wo sie mit Blick auf die unfallbedingte Invalidität eher die Funktion von Altersrenten aufweisen ( BGE 122 V 418 E. 3a S. 421 f. mit Hinweisen; Urteil U 313/06 vom 14. August 2007, E. 3.3 in fine). Im Übrigen entspricht diese Lösung auch der aktuell herrschenden Rechtsauffassung, wie insbesondere der Umstand aufzeigt, dass die Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungsrecht zur Verbesserung der Koordination in der Sozialversicherung in ihrem Vorschlag zum ATSG eine Begründung von Rentenansprüchen gegenüber der Unfallversicherung nach Eintritt des AHV-Rentenalters zwar abgelehnt hatte, diese Einschränkung des Kumulationsprinzips für Betagte aber von der ständerätlichen Kommission in ihrem Entwurf ATSG fallengelassen wurde, da sie im Vernehmlassungsverfahren als zu weit gehender Eingriff in die geltende Rechtsordnung kritisiert worden war (zum Ganzen: OMLIN, a.a.O., S. 242 unten f. sowie Fn. 83 und 84; vgl. auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 32/03 vom 3. September 2003, E. 4.1.1). Ferner beabsichtigt der Bundesrat, worauf das BAG letztinstanzlich hinweist, gemäss Vernehmlassungsvorlage (S. 16 und 26) die Invalidenrenten der Unfallversicherung im Alter zur Verhinderung ungerechtfertigter Überentschädigungen künftig nur noch gekürzt ausrichten zu lassen. Eine derartige Massnahme erübrigte sich, wenn Invalidenrenten nicht grundsätzlich weiterhin lebenslänglich und unabhängig von einer nachgewiesenen konkreten Erwerbseinbusse zugesprochen würden. Es hat demnach beim vorinstanzlichen (Rückweisungs-)Entscheid sein Bewenden, mit welchem die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, abzuklären, wann die Heilbehandlung der Beschwerdegegnerin abgeschlossen und ob die Beschwerdegegnerin hernach in einem rentenbegründenden Masse invalid war, sowie gegebenenfalls die Höhe der geschuldeten Rente festzulegen. Die Frage, ob die Versicherte ohne Unfallfolgen über das AHV-Rentenalter hinaus erwerbstätig gewesen wäre, wie von ihrer Seite geltend gemacht, bedarf angesichts des Ergebnisses im vorliegenden Verfahren - der Rentenanspruch kann auch ohne weitergeführte erwerbliche Beschäftigung nach Erreichen des AHV-Rentenalters entstehen - keiner abschliessenden Beurteilung.
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Erwägungen ab Seite 147 BGE 89 IV 146 S. 147 Aus den Erwägungen: 3. Das Obergericht führt aus, der Beschwerdeführer hätte auf dem Strassenstück, auf dem er überholen wollte, nicht überholen dürfen, denn er sei durch Signale auf weitere Biegungen aufmerksam gemacht worden, so dass er gar nicht habe feststellen können, ob die Strecke im Sinne von Art. 46 Abs. 1 MFV frei und übersichtlich sei. a) Dieser Auffassung kann insoweit nicht zugestimmt werden, als die Vorinstanz sagen wollte, das Überholen sei auf einer als kurvenreich gekennzeichneten Strecke überhaupt nicht erlaubt. Die Kurvensignale im Sinne des Art. 2 des BRB über die Einführung neuer Strassensignale vom 3. März 1953 sind bloss Gefahrensignale, die den Motorfahrzeugführer vor unübersichtlichen Stellen warnen; sie bedeuten nicht, dass das Überholen auf der gekennzeichneten Strecke, insbesondere zwischen zwei Biegungen, verboten sei. b) Die zwischen einer Rechts- und einer Linkskurve liegende Strecke von höchstens 100-110 m Länge, auf der der Beschwerdeführer zu überholen beabsichtigte, war jedoch unter den gegebenen Umständen nicht frei, wie Art. 46 Abs. 1 MFV verlangt. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung nur erfüllt, wenn der Überholende zu BGE 89 IV 146 S. 148 Beginn des Überholens überzeugt sein darf, dass er es auch gefahrlos beenden kann. Dazu gehört nicht nur, dass sich der Überholungsvorgang nicht in einen Strassenabschnitt hineinzieht, der vom Überholenden nicht von Anfang an vollständig überblickbar ist, sondern auch, dass das Unternehmen in angemessener Entfernung vor dem Beginn einer unübersichtlichen Strassenstrecke abgeschlossen werden kann (Urteil des Kassationshofes vom 23. August 1958 i.S. Frey). Das wäre wahrscheinlich möglich gewesen, wenn der Beschwerdeführer den vorausfahrenden Stationswagen unmittelbar ausgangs der Rechtskurve, in der er sehr langsam fuhr, rasch überholt hätte. Häring, der Führer des Stationswagens, beschleunigte jedoch kurz nach der Rechtskurve, was zulässig war und womit der Beschwerdeführer, zumal nach den Erfahrungen auf der vorausgegangenen Strecke, zu rechnen hatte. Er musste infolgedessen darauf gefasst sein, dass bis zum Zeitpunkt, in dem er das Überholen verwirklichen konnte, die dazu verfügbare Strecke sich verkürzt habe und der Überholungsweg mit zunehmender Geschwindigkeit des zu Überholenden sich verlängern werde. Der Beschwerdeführer hat denn auch, als er bald darauf die Scheinwerfer einschaltete, bemerkt, dass ihm nur noch rund 60 m bis zur Linkskurve offen standen, und erkannt, dass er seine Absicht aufgeben müsse. War ein Überholen an der Stelle, wo es der Beschwerdeführer durchführen wollte, schon deswegen nicht zulässig, weil die Strecke nicht frei war, so kann dahingestellt bleiben, ob sie wegen der Dunkelheit und der sichtbehindernden Bauart des vorausfahrenden Fahrzeuges nicht zum vorneherein auch als unübersichtlich hätte angesehen werden müssen. 4. Ein Überholen liegt aber nur vor, wenn damit tatsächlich begonnen wurde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Motorfahrzeugführer in der Absicht, einem andern vorzufahren, auf die neben diesem verlaufende Fahrbahn ausbiegt und ihn einzuholen beginnt, d.h. sich dem zu Überholenden soweit nähert, dass er, BGE 89 IV 146 S. 149 wenn er mit genügendem Abstand hinter diesem wieder nach rechts einschwenken wollte, seine Fahrt verzögern müsste. Dagegen hat noch nicht zu überholen begonnen, wer auf einer Strecke, auf der das Überholen nicht zum vornherein verboten ist, bloss ausschert, um zu prüfen, ob er überholen könne. Eine Wegstrecke kann ihrer natürlichen Beschaffenheit nach übersichtlich sein, der Überblick über die Fahrbahn aber durch die augenblickliche Verkehrslage, namentlich einen vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer, erschwert oder behindert werden. In solchen Fällen muss dem Fahrzeugführer, der überholen will, unter Beobachtung der erforderlichen Vorsicht gestattet sein, durch Ausbiegen gegen die Strassenmitte zu sich die erforderliche Übersicht zu verschaffen, um festzustellen, ob die Absicht, zu überholen, sich verwirklichen lasse. Das Obergericht sieht darin zu Unrecht nicht bloss eine Vorbereitung, sondern schon den Beginn des Überholens. Es stützt sich auf BGE 81 IV 50 , verkennt jedoch, dass in dem dort beurteilten Falle, wo ein Motorradfahrer in einer Strassenkreuzung einen Personenwagen überholen wollte, der Überholversuch an einer gemäss Art. 26 Abs. 3 MFG schlechthin verbotenen Stelle unternommen wurde und deshalb schon die Beanspruchung der zum Vorfahren benötigten Fahrbahn unerlaubt war. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenem dadurch, dass hier das Überholen und damit auch die Benützung der linken Strassenhälfte nicht schon an sich verboten war. Der Beschwerdeführer durfte daher, jedenfalls auf der geraden Strecke und zu einem Zeitpunkt, da kein anderes Fahrzeug entgegenkam oder unmittelbar nachfolgte, nach links ausbiegen, um auf der linken Fahrbahn, wo ihm die Sicht nach vorn durch den vorausfahrenden Stationswagen weniger verdeckt war, sich über die Zulässigkeit des beabsichtigten Überholungsmanövers zu vergewissern. Ob indessen der Beschwerdeführer sich daraufbeschränkt habe, durch Ausschwenken gegen die Strassenmitte und BGE 89 IV 146 S. 150 Einschalten der Scheinwerfer die Strassen- und Verkehrsverhältnisse abzuklären, oder ob er darüber hinaus das beabsichtigte Überholen bereits eingeleitet habe, steht nicht fest. Aus den Aussagen Härings könnte geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe, nachdem er auf der linken Strassenseite die Scheinwerfer eingeschaltet hatte, Vollgas gegeben und mit dem Vorfahren begonnen, um es dann plötzlich abzubrechen und wieder nach rechts einzuschwenken. Der Beschwerdeführer erklärt, er sei, als Häring nach der Rechtskurve wieder beschleunigte, ebenfalls losgefahren und habe nach links haltend die Scheinwerfer aufgeblendet, um sicher zu sein, ob die Strecke zum Überholen frei sei; da dies nicht der Fall gewesen sei, habe er wieder abgeblendet und, ohne den Wagen abzubremsen, nach rechts eingeschwenkt. Welche dieser Sachdarstellungen zutrifft oder ob der Sachverhalt mit keiner der beiden übereinstimmt, ist nicht festgestellt. Entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer, als er losfuhr, lediglich den bisherigen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, der mindestens 12 m betrug, wahrte, um für den Fall, dass die Strecke frei sein sollte, überholen zu können, oder ob er diesen Abstand vielmehr durch schnelleres Fahren so verkürzte, dass er den Wagen Härings ganz oder nahezu eingeholt hat. Ist letzteres zu bejahen, so hat der Beschwerdeführer mit dem Überholen begonnen. Er ist diesfalls wegen Widerhandlung gegen Art. 26 Abs. 3 MFG in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 MFV zu bestrafen, denn entweder konnte er, als er aufzuholen begann, noch keine Gewissheit gehabt haben, ob die Strecke zum Überholen frei sei, oder er hätte schon früher im Scheinwerferlicht erkennen können, dass sie zu kurz war. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache in diesem Punkt zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
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Erwägungen ab Seite 611 BGE 138 III 610 S. 611 Aus den Erwägungen: 2. Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem Nichteintretensentscheid bei der zuständigen Schlichtungsbehörde oder beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung. Gleiches gilt, wenn eine Klage nicht im richtigen Verfahren eingereicht wurde ( Art. 63 Abs. 1 und 2 ZPO ). 2.1 Die Vorinstanz ging davon aus, wenn, wie im zu beurteilenden Fall, gegen einen Nichteintretensentscheid kein Rechtsmittel ergriffen werde, beginne die Monatsfrist zur Einreichung der Eingabe beim zuständigen Gericht nach Art. 63 Abs. 1 ZPO bereits mit Zustellung des Nichteintretensentscheides. Diese sei am 5. August 2011 erfolgt, so dass die Frist unter Berücksichtigung der Gerichtsferien am 16. August 2011 zu laufen begonnen und am 16. September 2011 geendet habe. Durch die Eingabe vom 17. Oktober 2011 sei sie nicht gewahrt worden. 2.2 Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, Art. 63 Abs. 1 ZPO spreche nicht von der Eröffnung des Nichteintretensentscheides, weshalb nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden dürfe. Fristauslösend sei erst die Rechtskraft des Nichteintretensentscheides, da BGE 138 III 610 S. 612 dem Rechtsuchenden die Rechtsmittelfrist zur Überlegung, ob er das Rechtsmittel ergreifen wolle, gewahrt bleiben müsse. 2.3 Der Gesetzestext ist bezüglich der streitigen Frage nicht eindeutig. Zwar spricht er, wie der Beschwerdeführer hervorhebt, nicht von der Zustellung des Nichteintretensentscheides. Darin unterscheidet er sich von Art. 311 und Art. 321 ZPO , welche für die Einreichung der Berufung und der Beschwerde nach der ZPO ausdrücklich auf die Zustellung des begründeten Entscheides abstellen. Er erwähnt aber auch die Rechtskraft des Nichteintretensentscheides nicht, was naheläge, wenn dem Gesetzgeber die vom Beschwerdeführer bevorzugte Lösung vorgeschwebt hätte. Denkbar ist, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung eine unterschiedliche Behandlung ermöglichen wollte, je nachdem, ob gegen den Nichteintretensentscheid ein Rechtsmittel ergriffen wurde (vgl. hierzu BGE 138 III 471 E. 6 S. 481) oder nicht. 2.4 In der Literatur wird einerseits die Auffassung vertreten, die Monatsfrist nach Art. 63 Abs. 1 ZPO beginne, wenn kein Rechtsmittel ergriffen wird, mit Rechtskraft des Nichteintretensentscheides (INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 15 zu Art. 63 ZPO ; MÜLLER-CHEN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 18 f. zu Art. 63 ZPO ; SCHLEIFFER MARAIS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 10 zu Art. 63 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2010, N. 5 zu Art. 63 ZPO ). Es findet sich aber ebenso die Meinung, wenn kein Rechtsmittel ergriffen werde, beginne die Monatsfrist bereits mit der Zustellung beziehungsweise der Eröffnung des Nichteintretensentscheides, nicht erst mit dessen Rechtskraft (SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 63 ZPO ; PICHONNAZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 10 zu aArt. 139 OR [ Art. 63 ZPO ]; BERTI, in: ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 12 zu Art. 63 ZPO ; BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 20 zu Art. 63 ZPO ). 2.5 Der Beschwerdeführer verweist auf eine Lehrmeinung, die davon ausgeht, der Nichteintretensentscheid könnte gar nicht angefochten werden, wenn die Neueinreichung binnen einer Monatsfrist seit dessen Mitteilung erfolgen müsste. Es mangle an der erforderlichen Beschwer, da das Verfahren bei der neu angerufenen Instanz BGE 138 III 610 S. 613 verbindlich seinen Fortgang gefunden habe (INFANGER, a.a.O., N. 15 zu Art. 63 ZPO ). Diese Auffassung überzeugt nicht: 2.5.1 Zum einen bleibt der Betroffene durch den Nichteintretensentscheid beschwert. Dieser zieht in der Regel (wie im zu beurteilenden Fall) Kosten und Entschädigungsfolgen nach sich. Aber auch davon unabhängig ist eine Partei beschwert, wenn die Klage nicht von dem von ihr angerufenen Gericht behandelt wird. Entsprechend ist die nach Art. 127 ZPO mögliche Überweisung einer Streitsache an ein anderes Gericht mit Beschwerde anfechtbar ( Art. 127 Abs. 2 ZPO ). 2.5.2 Zum andern fehlt es an der Voraussetzung für die Anwendung von Art. 63 Abs. 1 ZPO , wenn der Nichteintretensentscheid im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird und das zuerst angerufene Gericht auf die Klage eintritt. Unter diesen Umständen findet das Verfahren bei der neu angerufenen Instanz nicht seinen Fortgang, sondern diese tritt nach Art. 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d ZPO wegen der prioritären anderweitigen Rechtshängigkeit auf die Klage nicht ein. Dem Beginn der Monatsfrist nach Art. 63 Abs. 1 ZPO kommt für die Anfechtbarkeit des Nichteintretensentscheides insoweit keine Bedeutung zu. 2.6 Art. 63 ZPO verallgemeinert den Grundsatz von aArt. 139 OR, der mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben wurde (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7277 Ziff. 5.4 zu Art. 61 Abs. 1 und 2 E-ZPO). Auch die analogen Regelungen in Art. 34 des Bundesgesetzes vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; AS 2000 2355) sowie aArt. 32 Abs. 3 SchKG, welche gleichzeitig aufgehoben wurden, gehen auf das "Urbild" des aArt. 139 OR zurück (Botschaft vom 18. November 1998 zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [Gerichtsstandsgesetz, GestG], BBl 1999 III 2870 Ziff. 26 zu Art. 35 E-GestG). Daher liegt nahe, Lehre und Rechtsprechung zu aArt. 139 OR heranzuziehen. 2.7 In BGE 109 III 49 erkannte das Bundesgericht in einem Fall, der die analoge Anwendung von aArt. 139 OR auf die Aberkennungsklage mit entsprechend verkürzter Frist (vgl. heute Art. 63 Abs. 3 ZPO ; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7278 Ziff. 5.4 zu Art. 61 Abs. 3 E-ZPO) betraf, aus Gründen der Rechtssicherheit und der Klarheit der Verhältnisse beginne die Nachfrist erst mit der Zustellung des formellen Nichteintretensentscheides zu laufen (und nicht schon mit der BGE 138 III 610 S. 614 mündlichen Mitteilung). Das Bundesgericht stellte mithin nicht auf die Rechtskraft des Nichteintretensentscheides ab, sondern auf dessen Zustellung ( BGE 109 III 49 E. 4d S. 52) beziehungsweise Eröffnung ( BGE 101 II 77 E. 3 S. 82). Diese Auffassung stiess in der Lehre nicht auf Kritik, sondern wurde übernommen (PICHONNAZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 1. Aufl. 2003 [Vorauflage], N. 12 zu aArt. 139 OR; DÄPPEN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007 [Vorauflage], N. 9 zu aArt. 139 OR; BERTI, Zürcher Kommentar, 2002, N. 61 zu aArt. 139 OR; so schon VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 1974, S. 230; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl. 1988, S. 467), obwohl auch abweichende Auffassungen vertreten worden waren (OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1929, N. 3 zu aArt. 139 OR; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, 1975, S. 334). Hätte der Gesetzgeber mit der ZPO eine Abkehr von der zu aArt. 139 OR ergangenen Rechtsprechung bewirken wollen, hätte er dies im Gesetzestext und den Materialien zum Ausdruck gebracht. Daher besteht für das Bundesgericht kein Anlass, Art. 63 ZPO anders auszulegen als aArt. 139 OR, dessen Inhalt durch Art. 63 ZPO verallgemeinert wird. 2.8 Die Zustellung erfolgte am 5. August 2011, so dass sowohl die Frist von 30 Tagen zur Berufung nach Art. 311 ZPO als auch die Frist von einem Monat nach Art. 63 Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung der Gerichtsferien vom 15. Juli bis und mit dem 15. August ( Art. 145 Abs. 1 lit. b ZPO ) am 16. August 2011, dem ersten Tag nach Ende des Stillstandes ( Art. 146 Abs. 1 ZPO ), zu laufen begannen. Die Frist von 30 Tagen zur Einreichung der Berufung endete am 14. September 2011, die Monatsfrist nach Art. 63 Abs. 1 ZPO dagegen am 16. September 2011, dem Tag, der dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem die Frist zu laufen begann ( Art. 142 Abs. 2 ZPO ). Dem Beschwerdeführer verblieb demnach die gesamte Frist von 30 Tagen, um über die Ergreifung des Rechtsmittels zu entscheiden, bevor die Frist nach Art. 63 Abs. 1 ZPO ablief. Damit kann offenbleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn es sich anders verhielte, beispielsweise bei einer Zustellung eines Nichteintretensentscheides zwischen dem 30. Januar und dem 27. Februar (in diesem Zeitraum verstreicht die Monatsfrist vor Ablauf der Frist von 30 Tagen nach Art. 311 und Art. 321 ZPO ) oder wenn für den Erhalt der BGE 138 III 610 S. 615 Rechtshängigkeit nach Art. 63 Abs. 3 ZPO eine kürzere Frist als die Rechtsmittelfrist vorgesehen ist. Aus BGE 109 III 49 kann diesbezüglich wohl nichts abgeleitet werden, da die mit Blick auf die Regelung der Aberkennungsklage massgebende Frist von damals 10 Tagen der Frist entsprach, in der nach § 261 der zürcherischen Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 [kantonale] Berufung zu erklären gewesen wäre. Nachdem der Beschwerdeführer kein Rechtsmittel ergriffen hat, muss auch auf die Frage, wie es sich verhält, wenn gegen den Rückweisungsentscheid ein Rechtsmittel ergriffen wird (vgl. hierzu BGE 138 III 471 E. 6 S. 482), nicht näher eingegangen zu werden. Die Vorinstanz ging jedenfalls zu Recht davon aus, mit der Eingabe vom 17. Oktober 2011 habe der Beschwerdeführer die Frist von Art. 63 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt.
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Sachverhalt ab Seite 342 BGE 136 III 341 S. 342 Die M. AG (Rechtsvorgängerin der N. AG) verkaufte mit zwei Verträgen vom 7. bzw. 17. Oktober 2002 ein in C. gelegenes Grundstück und zwei in D. gelegene Grundstücke an die Y. GmbH. Durch Verfügung des Gerichtspräsidenten E. vom 7. November 2005 wurde über die N. AG der Konkurs eröffnet. Im Konkursverfahren wurden am 16. Juni 2006 der X. AG im Sinne von Art. 260 SchKG Anfechtungsansprüche gegen die Y. GmbH bezüglich der erwähnten Grundstückveräusserungen abgetreten. Mit Eingabe vom 17. Januar 2007 erhob die X. AG beim Amtsgericht Luzern-Land Anfechtungsklage nach Art. 288 SchKG und verlangte, die Y. GmbH zu verpflichten, ihr Fr. 420'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. November 2002 zu zahlen. In der Folge änderte die X. AG mit Eingabe vom 19. Dezember 2007 das Klagebegehren dahin ab, es sei festzustellen, dass die drei Grundstücke zur Verwertung herangezogen werden könnten und der Konkursmasse der N. AG zurückzugeben seien; allenfalls sei die Y. GmbH zu verpflichten, ihr Fr. 420'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. November 2002 zu zahlen. In ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 2008 machte die Y. GmbH geltend, die Klageänderung bzw. -ergänzung möge prozessual grundsätzlich zulässig sein, doch sei bezüglich des Antrags auf Rückübertragung der Grundstücke die Frist von Art. 292 Ziff. 2 SchKG nicht eingehalten worden und der Anspruch deshalb verwirkt. Mit Teilurteil vom 16. Mai 2008 wies das Amtsgericht Luzern-Land die Einrede der Verwirkung ab und ordnete an, dass die weiteren Begehren im Endentscheid beurteilt würden. Die Y. GmbH appellierte und verlangte, die Einrede der Verwirkung sei zu schützen. Am 4. März 2009 erkannte das Obergericht des Kantons Luzern, dass die Klage abgewiesen werde. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 27. April 2009 beantragt die X. AG, die Sache sei in Aufhebung des obergerichtlichen Urteils zur Weiterführung des Anfechtungsprozesses an das Amtsgericht Luzern-Land zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Zusammenfassung) BGE 136 III 341 S. 343
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373
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Mit der (paulianischen) Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die dieser durch eine der in den Art. 286 bis 288 SchKG umschriebenen Rechtshandlungen entzogen worden sind ( Art. 285 Abs. 1 SchKG ). Die Anfechtungsklage berührt keineswegs die materielle Gültigkeit der Übertragung des in Frage stehenden Vermögenswertes und zielt im Falle eines Grundstücks nicht etwa darauf ab, den entsprechenden Eintrag als unrichtig, d.h. als im Sinne von Art. 974 f. ZGB ungerechtfertigt erklären zu lassen. Es geht einzig darum, das Vollstreckungssubstrat - hier die Konkursmasse - so herzustellen, wie es sich ohne die angefochtene Rechtshandlung dargeboten hätte. Bei einer Gutheissung der Klage hat der ins Recht gefasste Dritte zu dulden, dass der fragliche Vermögenswert gegebenenfalls verwertet wird (dazu BGE 135 III 265 E. 3 S. 268; BGE 131 III 227 E. 3.3 S. 232; BGE 130 III 235 E. 6.2 S. 239; BGE 98 III 44 E. 3 S. 46 f.; BGE 81 III 98 E. 1 S. 102). Wird die Klage wie hier von einem Abtretungsgläubiger erhoben, dient das Verwertungsergebnis der Deckung dessen Forderungen und ist ein Überschuss an die Konkursmasse abzuliefern ( Art. 260 Abs. 2 SchKG ). Gemäss Art. 292 Ziff. 2 SchKG ist das Anfechtungsrecht nach Ablauf von zwei Jahren seit der Konkurseröffnung verwirkt. 4. Gegenstand der Beschwerde ist die Frage, welche Bedeutung der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 2007 zukam, insbesondere auch, ob mit ihr ein Anspruch (neu) geltend gemacht wurde, der zum Zeitpunkt des Einreichens der Eingabe bereits im Sinne von Art. 292 Ziff. 2 SchKG verwirkt gewesen sei. 4.1 Auszugehen ist von der vom 17. Januar 2007 datierten Klage, die unbestrittenermassen vor Ablauf der in Art. 292 Ziff. 2 SchKG festgelegten Verwirkungsfrist eingereicht wurde. Sie war ausdrücklich als "Actio pauliana nach Art. 288 SchKG " (Absichtsanfechtung) bezeichnet worden. Zur Begründung des Antrags auf Bezahlung von Fr. 420'000.- hatte die Beschwerdeführerin geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin habe für die von der M. AG (der Rechtsvorgängerin der Konkursitin) käuflich erworbenen drei Grundstücke mit der blossen Übernahme der Grundpfandschulden - angesichts dessen, dass Banken Liegenschaften nur zu 80 % belehnten - je 20 % zu wenig bezahlt. Der Klageschrift war nach dem Gesagten mit aller Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin den geltend gemachten BGE 136 III 341 S. 344 Forderungsanspruch (von Anfang an) aus einer paulianischen Anfechtung der den Grundstückübertragungen zugrunde liegenden Kaufverträge vom 7. und 17. Oktober 2002 abgeleitet hatte. Aus Art. 291 Abs. 1 SchKG ergibt sich, dass der Anfechtungsbeklagte die Einbeziehung des durch eine verpönte Rechtshandlung erworbenen Vermögenswertes als solchen zu dulden hat, soweit er noch darüber verfügt. Ist Letzteres nicht mehr der Fall, besteht die (subsidiäre) Pflicht zur Erstattung eines entsprechenden Geldbetrags (dazu BGE 132 III 489 E. 3.3 S. 494). Da die hier strittigen Grundstücke sich offenbar nach wie vor im Eigentum der Beschwerdegegnerin befinden, wäre eine Zusprechung des von der Beschwerdeführerin geforderten Betrags von vornherein ausser Betracht gefallen. 4.2 In der Eingabe vom 19. Dezember 2007 wurde insofern ein neuer (Haupt-)Antrag gestellt, als die Beschwerdeführerin verlangte, die drei Grundstücke seien in die Konkursmasse einzubeziehen. Wie zuvor schon das Amtsgericht qualifiziert das Obergericht die Eingabe als Klageänderung. Es verweist auf den Entscheid der ersten Instanz, wonach die Klageänderung aus der Sicht des kantonalen Prozessrechts zulässig sei, und hält fest, diese Auffassung sei unbestritten geblieben. Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin, die die Zulassung der Klageänderung als solche nicht in Frage stellt, geben keinen Anlass, diesen Punkt weiter zu erörtern. Zu prüfen ist einzig die Frage einer allfälligen Verwirkung im Sinne von Art. 292 Ziff. 2 SchKG . Die Eingabe vom 19. Dezember 2007 enthielt insofern nichts Neues, als der dem Rechtsbegehren, die Verwertung der drei Grundstücke zu Gunsten der Konkursmasse zuzulassen, zugrunde liegende Sachverhalt schon aus der Klageschrift vom 17. Januar 2007 klar hervorgegangen war. Bereits aufgrund der Klageschrift wusste die Beschwerdegegnerin mit anderen Worten um die paulianische Anfechtung der Grundstückkäufe, so dass sie den Klagegrund vor Ablauf der Verwirkungsfrist von Art. 292 Ziff. 2 SchKG kannte. In BGE 39 II 368 (E. 1 S. 372) hielt das Bundesgericht - zumindest für den Fall des Konkurses, wo der durch ein anfechtbares Rechtsgeschäft veräusserte Vermögenswert in vollem Umfange zur Masse zu schlagen ist - das Klagebegehren, festzustellen, dass der Anfechtungstatbestand erfüllt sei, für ausreichend; ob das Begehren sich direkt auf die entzogenen Vermögenswerte oder auf die Feststellung der Anfechtbarkeit ihrer Veräusserung beziehe, sei letztlich das Gleiche. Das nach diesem Urteil entscheidende Rechtsbegehren war hier schon in der Eingabe BGE 136 III 341 S. 345 vom 17. Januar 2007 gestellt worden, so dass die Abweisung der Klage wegen Verwirkung des Anfechtungsanspruchs gegen Bundesrecht verstösst.
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Sachverhalt ab Seite 107 BGE 86 IV 107 S. 107 A.- Zahnd führte in Zürich am 1. Oktober 1958 um 18.50 Uhr auf der 10,8 m breiten Schaffhauserstrasse einen schweren Lastenzug, bestehend aus einem Lastwagen und einem Zweiachser-Anhänger, stadteinwärts. Es regnete stark und die Sicht war schlecht. Auf der Höhe des Hauses Nr. 527 war am rechten Strassenrand ein Personenwagen aufgestellt. Zahnd überholte dort mit dem langen Lastenzug, dessen Eigengewicht über 10 t betrug und der eine Ladung von 12,6 t mit sich führte, in einem seitlichen Abstand von ungefähr 60-70 cm einen Radfahrer, den siebzehneinhalbjährigen Peyer, der sich bereits auf der Höhe des parkierten Personenwagens befand. Dabei geriet der Radfahrer ins Schwanken und stürzte zu Boden, sei es weil er vom Anhängerzug gestreift oder zufolge des geringen seitlichen Abstandes zwischen dem Lastenzug und dem Fahrrad unsicher wurde. B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte Zahnd mit Urteil vom 16. Juni 1959 der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 80.-. Das Gericht nahm an, der Verurteilte habe die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, indem er den Radfahrer, als sich BGE 86 IV 107 S. 108 dieser auf der Höhe des parkierten Personenwagens befand, mit einem seitlichen Abstand von bloss 60-70 cm habe überholen wollen. C.- Zahnd führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe es beim Überholen entgegen der Vorschrift des Art. 46 Abs. 3 MFV an der nach den Umständen gebotenen besonderen Vorsicht fehlen lassen. Zu den Vorsichtsmassnahmen, die der Überholende zu treffen hat, gehört nach Art. 25 Abs. 1 MFG vor allem das Einhalten eines angemessenen seitlichen Abstandes. Ob ein Abstand angemessen ist, hängt neben der Geschwindigkeit, mit der überholt wird, und anderen Umständen (z.B. Strassen- und Sichtverhältnisse) wesentlich von der Art des zu überholenden Strassenbenützers und seinem erkennbaren oder voraussehbaren Verhalten ab. Je geringer der seitliche Abstand bemessen wird, desto näher liegt die Gefahr eines Zusammenstosses oder Unfalles und desto schwieriger ist es, einer Fehlreaktion des zu überholenden Verkehrsteilnehmers durch Verzögerung der Fahrt, Anhalten, Ausweichen oder Warnen wirksam zu begegnen ( BGE 83 IV 36 ). Das gilt für das Überholen eines Radfahrers ebensogut wie für dasjenige eines Motorfahrzeuges. Beim Radfahrer ist ohnehin wegen des labilen Gleichgewichtes des Fahrrades mit gewissen seitlichen Abweichungen zu rechnen ( BGE 63 II 223 ). Er vermag in der Regel sein Rad nicht über eine längere Strecke genau in derselben Richtung zu halten, muss vielmehr, um im Gleichgewicht zu bleiben, mit Lenkstange und Vorderrad manöverieren können und ist deshalb, wenn er mit zu knapp bemessenem seitlichem Abstand überholt wird, der Gefahr besonders ausgesetzt, in der Fahrsicherheit beeinträchtigt zu werden, ins Schwanken zu geraten und zu BGE 86 IV 107 S. 109 stürzen. Pflichtgemässe Vorsicht gebietet daher dem Überholenden, den Sicherheitsabstand so weit zu bemessen, dass er dem Radfahrer ausreichenden Raum belässt, die Fahrt fortzusetzen, ohne sich oder andere zu gefährden, dass er ihn also nicht nur nicht streift, sondern auch sonstwie nicht aus dessen Fahrbahn verdrängt oder ihn unsicher macht. Wie gross dementsprechend der Mindestabstand gegenüber einem zu überholenden Radfahrer sein muss, lässt sich nicht ein für allemal ziffernmässig festlegen. Massgebend ist die konkrete Verkehrssituation, wie sie sich dem Überholenden bietet und wie er sie im ganzen, einschliesslich aller Umstände, die auf das Verhalten des zu Überholenden von Einfluss sein können, zu überblicken hat ( BGE 67 I 63 ). Die Grösse des Abstandes hat sich demgemäss nach den gegebenen Verhältnissen zu richten. Dabei fällt erheblich ins Gewicht, ob mit einem leichten Fahrzeug oder einem Lastwagen oder gar mit einem schweren Lastenzug überholt werden will, wie das hier zutraf (vgl. FLOEGEL-HARTUNG, Strassenverkehrsrecht, 11. Aufl. S. 297 und dort angeführte Entscheidungen; fernerBGE 68 II 121, BGE 84 II 308 ). Je grösser und schwerer das überholende Fahrzeug ist, desto näher liegt die Möglichkeit, dass der zu überholende Strassenbenützer durch dessen Masse beeindruckt und angezogen werde (vgl. nicht veröffentlichte Entscheidung des Kassationshofes vom 21. Mai 1955 i.S. Uebersax). Aus diesem Grunde ist daher, selbst wenn die Strassen- und Sichtverhältnisse gut sind und der Überholende mit mässiger Geschwindigkeit fährt, beim Überholen eines Radfahrers durch einen schweren Lastwagen oder einen Lastenzug die Gefahr eines Zusammenstosses verhältnismässig gross, somit nach Art. 46 Abs. 3 MFV der Sicherheitsabstand besonders weit zu bemessen. 4. Nach diesen Grundsätzen beurteilt wirft die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit Recht vor, er habe seine Vorsichtspflicht verletzt, indem er mit seinem schweren, langen Lastenzug den Radfahrer mit einem seitlichen BGE 86 IV 107 S. 110 Abstand von bloss 60-70 cm in dem Augenblicke überholen wollte, als dieser am parkierten Personenwagen vorbeifuhr. Ein solcher Abstand war unter den gegebenen Umständen unangemessen gering, und zwar selbst dann, wenn entsprechend der Behauptung des Beschwerdeführers davon auszugehen wäre, dass er mit mässiger, jedenfalls mit einer unter 40 km/Std liegenden Geschwindigkeit gefahren sei. Auch dann hatte er zu bedenken, dass er einen schweren Lastenzug führte, der seiner Grösse und Länge wegen ohnehin zum Überholen eine verhältnismässig lange Strecke benötigte und den Radfahrer in stärkerem Masse als ein Personenwagen oder ein Motorrad beeindrucken und anziehen konnte. Er durfte den Sicherheitsabstand daher auf keinen Fall gering bemessen, zumal nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz damals ausgesprochen schlechte Witterungs- und Sichtverhältnisse herrschten, bei denen erst recht zu bedenken war, dass ein knappes Überholen zu einer Gefährdung des Radfahrers oder gar zu einem Zusammenstoss führen könnte. Durch diese Umstände unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem in BGE 81 IV 88 beurteilten, wo erklärt wurde, dass ein seitlicher Abstand von 60 cm als ausreichend erachtet werden könnte, um (bei klarem, trockenem Wetter) mit einem Personenwagen und einer Geschwindigkeit von 30-40 km/Std auf gerader Strecke einen Radfahrer zu überholen, wenn nichts voraussehen lasse, dass dieser nach links abweichen werde. Im Vergleich zu diesem Tatbestand lagen in dem hier zu beurteilenden Falle die Verhältnisse, nach denen der Sicherheitsabstand bemessen werden musste, derart ungünstig, dass sogar als fraglich erscheinen müsste, ob selbst bei mässiger Geschwindigkeit ein Abstand von 1 m angemessen gewesen wäre.
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Sachverhalt ab Seite 154 BGE 135 III 153 S. 154 A. X., né en 1932, et dame X., née en 1946, ont contracté mariage le 11 juillet 1984. Aucun enfant n'est issu de leur union. Par contrat du 18 juin 1984, ils ont adopté le régime de la séparation de biens. B. Statuant le 16 août 2006, la juge des districts d'Hérens et Conthey a prononcé leur divorce, a constaté que le régime matrimonial était liquidé, a refusé le partage de la prévoyance professionnelle accumulée par l'épouse durant le mariage et a condamné X. à verser à celle-ci une contribution d'entretien, indexée, de 2'600 fr. par mois jusqu'à ce que la crédirentière soit mise au bénéfice d'une rente AVS. Sur appel du mari, la Cour civile II du Tribunal cantonal valaisan a réformé le jugement attaqué en ce sens qu'elle a renvoyé ad separatum la liquidation des rapports patrimoniaux noués pendant le mariage, qu'elle a ordonné le partage par moitié des avoirs de prévoyance professionnelle accumulés par dame X. durant le mariage et réduit la contribution d'entretien à 2'019 fr. par mois jusqu'à ce que l'épouse ait atteint l'âge légal de l'AVS. C. Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours interjeté par l'épouse.
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Erwägungen Extrait des considérants: 6. L'épouse prétend qu'il y avait lieu, en application de l' art. 123 al. 2 CC , de déroger au partage par moitié des avoirs de prévoyance professionnelle qu'elle a accumulés durant le mariage. 6.1 Les prestations de sortie de la prévoyance professionnelle des époux doivent en principe être partagées entre eux par moitié ( art. 122 CC ). Exceptionnellement, le juge peut refuser le partage, en tout ou en partie, lorsque celui-ci s'avère manifestement inéquitable pour des motifs tenant à la liquidation du régime matrimonial ou à la situation économique des époux après le divorce ( art. 123 al. 2 CC ). Selon l'intention du législateur, la prévoyance professionnelle constituée pendant la durée du mariage doit profiter aux deux conjoints de manière égale. Ainsi, lorsque l'un des deux se consacre au ménage et à l'éducation des enfants et renonce, totalement ou partiellement, à exercer une activité lucrative, il a droit, en cas de divorce, à la moitié de la prévoyance que son conjoint s'est constituée durant le mariage. Le partage des prestations de sortie a pour but de compenser sa perte de prévoyance et doit lui permettre d'effectuer un rachat BGE 135 III 153 S. 155 auprès de sa propre institution de prévoyance. Il tend également à promouvoir son indépendance économique après le divorce. Il s'ensuit que chaque époux a normalement un droit inconditionnel à la moitié des expectatives de prévoyance constituées pendant le mariage ( ATF 129 III 577 consid. 4.2.1). L' art. 123 al. 2 CC doit être appliqué de manière restrictive, afin d'éviter que le principe du partage par moitié des avoirs de prévoyance ne soit vidé de son contenu (BAUMANN/LAUTERBURG, in Scheidung, FamKomm, 2005, n° 59 ad art. 123 CC ). Outre les circonstances économiques postérieures au divorce ou des motifs tenant à la liquidation du régime matrimonial, le juge peut également refuser le partage si celui-ci contrevient à l'interdiction de l'abus de droit ( art. 2 al. 2 CC ; ATF 133 III 497 consid. 4). Cette dernière circonstance ne doit être appliquée qu'avec une grande réserve ( ATF 133 III 497 consid. 4.4 et les auteurs cités; THOMAS GEISER, Übersicht über die Rechtsprechung zum Vorsorgeausgleich, FamPra.ch 2008 p. 309 ss, 314). 6.2 6.2.1 Selon les constatations cantonales, les parties étaient séparées de biens. La prestation de sortie acquise par l'épouse durant le mariage s'élève à 172'862 fr. 10. Durant la plus grande partie de la vie commune, elle a exercé une activité lucrative, qu'elle a cessée le 31 mars 1999 à la demande insistante de son mari. Les juges cantonaux ont retenu que, depuis la séparation survenue en 2000, la recourante avait présenté jusqu'en 2004 des troubles relationnels et émotionnels liés au conflit conjugal qui l'avaient empêchée de se mettre à la recherche d'un emploi. Constatant que son état psychique s'était rétabli, ils ont considéré que l'on pouvait exiger d'elle, pour la période postérieure au divorce, qu'elle reprenne une activité à temps partiel jusqu'à la retraite et lui ont imputé un revenu hypothétique de 1'500 fr. par mois; il faut tenir compte de ce revenu qui n'est contesté ni dans son principe ni dans son montant. Jusqu'à l'âge légal de la retraite, la recourante bénéficie d'une contribution d'entretien mensuelle de 2'019 fr. (cf. consid. 8 non publié). En sus, elle dispose d'une fortune immobilière composée d'un appartement à Sion qu'elle occupe, d'un appartement à Savièse qu'elle a remis à bail pour un loyer mensuel de 750 fr. et d'une quote-part d'une demie d'un pavillon sis en Haute-Corse dont aucun revenu locatif ne peut être retiré (cf. consid. 8.3 non publié). Enfin, elle est titulaire d'avoirs mobiliers à hauteur de 87'268 fr. BGE 135 III 153 S. 156 6.2.2 De son côté, le mari, qui a travaillé durant le mariage comme agriculteur indépendant, n'a pas accumulé de prestations de sortie; il ne s'est pas non plus constitué de prévoyance individuelle. Ses revenus ont servi à l'entretien de la famille dont le niveau de vie était très élevé. Il a cessé pour l'essentiel son activité professionnelle en 1998. La cour cantonale lui a imputé un revenu hypothétique mensuel de 5'950 fr. pour tenir compte du fait qu'il avait renoncé à l'usufruit d'immeubles et, partant, à la perception des loyers (cf. consid. 7 non publié). S'y ajoutent sa rente AVS de 2'150 fr. et un loyer de 500 fr. S'agissant de sa fortune, la cour cantonale a constaté les faits suivants: l'époux a toujours affirmé à son entourage être fortuné; il a notamment dit à plusieurs reprises, avant la séparation, que lui et son épouse pouvaient vivre dans les plus grands palaces du monde jusqu'à la fin de leurs jours sans crainte financière. En 2002, soit à l'époque de la séparation, le service des contributions a arrêté à 827'117 fr. sa fortune imposable. A la même période, la caisse de compensation a déterminé les cotisations personnelles de l'épouse en se fondant sur une fortune, au 1 er janvier 2000, de 947'220 fr. Cette situation s'est modifiée après la séparation puisque, selon la décision de taxation fiscale 2005, les passifs du recourant excèdent les actifs de 292'965 fr. Depuis lors, l'intéressé a réglé une partie de ses dettes: ainsi, le Crédit Suisse a annulé, le 30 mai 2006, un crédit hypothécaire de 480'000 fr. et un crédit en compte courant de 50'000 fr. L'époux a, par ailleurs remboursé un crédit supplémentaire de 400'000 fr. au moyen d'un montant versé en décembre 2005 par son fils Y. La cour cantonale a relevé diverses manoeuvres du recourant qui dénotaient une volonté manifeste de dissimuler sa fortune. En particulier, en 2005, il a versé le produit de ventes de machines agricoles, à hauteur de 55'000 fr. et 149'854 fr. sur un compte bancaire ouvert au nom de son fils Y. auprès de la banque Coop, sans qu'aucun des deux ne puisse indiquer la cause des versements. De juin à novembre 2005, le recourant a procédé à des retraits pour un montant total de 65'580 fr. sur un compte bancaire auprès de la BCV dont son fils est titulaire; alors que Y. n'a plus de souvenir de ces transactions, le recourant affirme que ce montant lui a été donné "à bien plaire". Il a, entre les 30 août et 4 novembre 2005, prélevé sur un compte dont il était titulaire auprès de la banque Lombard Odier Darier Hentsch & Cie des montants de 20'000 fr. et 124'233 fr. 70. BGE 135 III 153 S. 157 Il a d'abord prétendu les avoir utilisés pour régler des dettes et jouer, avant d'affirmer qu'il s'était contenté de les affecter au jeu sans pouvoir indiquer dans quel casino. Selon les constatations cantonales, les montants en question ont en réalité été transférés sur un compte bancaire dont Y. est titulaire, le recourant ayant déclaré qu'il ne se souvenait pas de ce transfert. La cour a encore retenu qu'en 2002, il avait vendu à son fils un immeuble dont il a conservé l'usufruit et dont le prix de vente de 180'000 fr. n'a pas été acquitté. 6.2.3 Si l'on compare la prévoyance globale des parties, on constate que de son côté, la recourante sera mise dès sa retraite au bénéfice d'une rente AVS et d'une rente LPP dont les montants ne ressortent pas du jugement cantonal. En tous les cas, au vu du court laps de temps qui la sépare de l'âge légal de la retraite (qu'elle atteindra en 2010), elle n'aura guère le temps d'accroître son avoir de prévoyance professionnelle qui était, au 18 septembre 2006, de 172'862 fr. 10. Pour faire face à ses charges mensuelles de 2'581 fr. 45 qui ne devraient guère évoluer d'ici à la retraite, la recourante pourra encore compter sur le revenu locatif de l'appartement de Savièse (750 fr.). En revanche, son droit à la contribution d'entretien prendra fin. Quant au mari, qui a cessé son activité professionnelle depuis plusieurs années et bénéficie, outre sa fortune dont on ne peut cerner les contours exacts ni par conséquent le rendement qu'elle lui procure, d'un revenu mensuel de 8'600 fr.; en tous les cas, ses ressources lui permettent de continuer à jouir d'un niveau de vie élevé. Tel n'est pas le cas de la recourante qui voit son train de vie réduit drastiquement même en conservant l'entier de sa prévoyance professionnelle. La rente LPP constitue en l'occurrence l'essentiel du revenu de l'épouse - hormis la rente AVS - au moment de sa retraite alors que le recourant peut compter sur une situation économique très confortable. Dans ces conditions, le partage par moitié de l'avoir de libre passage accumulé par l'épouse accroîtrait la disproportion déjà considérable entre les situations des parties, ce qui conduirait à un résultat manifestement inéquitable. Il convient par conséquent d'admettre le recours sur ce point et, en application de l' art. 123 al. 2 CC , de refuser le partage.
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Sachverhalt ab Seite 240 BGE 133 V 239 S. 240 A. Le 18 août 2004, l'Office fédéral de la santé publique (ci -après: OFSP) a pris une série de décisions par lesquelles il a modifié le prix de 73 préparations figurant sur la liste des spécialités (ci-après: LS). La modification devait entrer en vigueur le 1 er septembre 2004. B. La Société M. de pharmacie, l'Association des pharmacies du canton Y. et C., pharmacienne, ont recouru contre ces décisions devant la Commission fédérale de recours en matière de liste des spécialités, en requérant leur annulation ainsi que le renvoi de la cause à l'OFSP afin que celui-ci fixe à nouveau le prix des préparations concernées en tenant mieux compte des frais de distribution incombant aux pharmaciens. Statuant le 28 février 2005, la commission a déclaré le recours irrecevable, faute d'intérêt digne de protection des recourantes. BGE 133 V 239 S. 241 Par un mémoire commun, la Société M. de pharmacie, l'Association des pharmacies du canton Y. et C. ont formé un recours de droit administratif contre ce jugement dont elles requièrent l'annulation, en concluant, sous suite de frais et dépens, au renvoi de la cause aux premiers juges afin qu'ils entrent en matière et se prononcent sur le fond du litige. L'OFSP conclut au rejet du recours. Le recours a été rejeté.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. La loi sur le Tribunal fédéral du 17 juin 2005 (LTF; RS 173.110) est entrée en vigueur le 1 er janvier 2007 (RO 2006 p. 1205, 1242). L'acte attaqué ayant été rendu avant cette date, la procédure reste régie par l'OJ ( art. 132 al. 1 LTF ; ATF 132 V 393 consid. 1.2 p. 395). 2. Les décisions concernant l'admission sur la LS ( art. 52 al. 1 let. b LAMal ) peuvent faire l'objet d'un recours devant la Commission fédérale de recours en matière de liste des spécialités ( art. 90 LAMal dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2006). Selon l' art. 91 LAMal , les jugements rendus par la Commission fédérale de recours en matière de liste des spécialités peuvent être attaquées devant le Tribunal fédéral des assurances. 3. Le litige ne concerne pas des prestations d'assurances ( art. 132 OJ dans sa version en vigueur jusqu'au 30 juin 2006). Lorsque le recours est dirigé, comme en l'occurrence, contre la décision d'une autorité judiciaire, le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés dans la décision, sauf s'ils sont manifestement inexacts ou incomplets ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure ( art. 104 let. b et 105 al. 2 OJ ; ATF 128 II 145 consid. 1.2.1 p. 150; ATF 126 II 196 consid. 1 p. 198). En outre, le Tribunal fédéral ne peut pas revoir l'opportunité de la décision entreprise, le droit fédéral ne prévoyant pas un tel examen en la matière ( art. 104 let . c ch. 3 OJ). Par contre, il n'est pas lié par les motifs que les parties invoquent et peut admettre le recours pour d'autres raisons que celles avancées par le recourant ou, au contraire, confirmer la décision attaquée pour d'autres motifs que ceux retenus par l'autorité intimée (art. 114 al. 1 in fine OJ; ATF 127 II 264 consid. 1b p. 268; ATF 125 II 497 consid. 1b/aa p. 500). 4. Par ailleurs, les recourantes ont un intérêt digne de protection, au sens de l' art. 103 let. a OJ , à demander l'annulation de la décision attaquée afin d'obtenir qu'il soit statué sur le fond de la cause BGE 133 V 239 S. 242 (cf. ATF 124 II 499 consid. 1b et les arrêts cités p. 502), et cela indépendamment et sans préjudice du motif d'irrecevabilité retenu en procédure de première instance qui constitue l'objet de la contestation devant le Tribunal fédéral, à l'exclusion du fond de l'affaire. 5. La question est de savoir si la commission a ou non correctement appliqué le droit en refusant d'entrer en matière sur le recours. 6. 6.1 La question de la qualité pour recourir auprès de la Commission fédérale de recours en matière de liste des spécialités doit être tranchée en regard des dispositions prévues en la matière par la loi fédérale sur la procédure administrative (PA; 172.021), en particulier l' art. 48 PA (dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2006). Selon cette disposition, a qualité pour recourir quiconque est touché par la décision et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée (let. a); toute autre personne, organisation ou autorité que le droit fédéral autorise à recourir (let. b). En l'espèce, aucune norme spéciale du droit fédéral ne contient une autorisation de ce genre pour ce qui est de la Commission fédérale de recours en matière de liste des spécialités, de sorte que la qualité pour recourir doit être examinée au regard de l' art. 48 let. a PA . 6.2 La teneur de cette disposition étant à peu près identique à celle de l' art. 103 let. a OJ , qui détermine la qualité pour recourir devant le Tribunal fédéral par la voie du recours de droit administratif, ces deux dispositions légales s'interprètent de la même manière ( ATF 127 II 32 consid. 2d p. 38; ATF 124 II 499 consid. 3b p. 504; ATF 123 II 376 consid. 2 et les arrêts cités p. 378). La jurisprudence considère comme intérêt digne de protection, au sens de cette disposition, tout intérêt pratique ou juridique à demander la modification ou l'annulation de la décision attaquée que peut faire valoir une personne atteinte par cette dernière. L'intérêt digne de protection consiste ainsi en l'utilité pratique que l'admission du recours apporterait au recourant en lui évitant de subir un préjudice de nature économique, idéale, matérielle ou autre que la décision attaquée lui occasionnerait. L'intérêt doit être direct et concret; en particulier, la personne doit se trouver dans un rapport suffisamment étroit avec la décision; tel n'est pas le cas de celui qui n'est atteint que de manière indirecte ou médiate ( ATF 131 II 361 consid. 1.2 p. 365, ATF 127 V 587 consid. 2.1 p. 588, 649 consid. 3.1 p. 651; ATF 131 V 298 consid. 3 p. 300; ATF 130 V 196 consid. 3 p. 202, ATF 127 V 514 consid. 3.1 p. 515, 560 consid. 3.3 p. 563; ATF 127 V 1 consid. 1b p. 3, ATF 127 V 80 consid. 3a/aa p. 82). BGE 133 V 239 S. 243 6.3 Le recours d'un particulier formé dans l'intérêt général ou dans l'intérêt d'un tiers est exclu. Cette exigence a été posée de manière à empêcher l'action populaire au niveau de la juridiction administrative fédérale, notamment quand un particulier conteste une autorisation donnée à un autre particulier (cf. ATF 131 II 649 consid. 3.1 et les références p. 651). D'une manière générale, la jurisprudence et la doctrine n'admettent que de manière relativement stricte la présence d'un intérêt propre et direct lorsqu'un tiers désire recourir contre une décision dont il n'est pas le destinataire ( ATF 131 II 649 consid. 3.1 p. 652; ATF 124 II 499 consid. 3b et les références citées p. 504; ATF 131 V 298 consid. 3 p. 300). 6.4 Une association n'a qualité pour recourir à titre personnel que lorsqu'elle remplit les conditions posées par les art. 48 let. a PA ou 103 let. a OJ. Toutefois, conformément à la jurisprudence, sans être elle-même touchée par la décision entreprise, une association peut être admise à agir par la voie du recours de droit administratif (nommé alors recours corporatif ou égoïste) pour autant, a) qu'elle ait pour but statutaire la défense des intérêts dignes de protection de ses membres, b) que ces intérêts soient communs à la majorité ou au moins à un grand nombre d'entre eux et, enfin, c) que chacun de ceux-ci ait qualité pour s'en prévaloir à titre individuel ( ATF 121 II 39 consid. 2d/aa p. 46; ATF 120 Ib 59 consid. 1a et les arrêts cités p. 61). En revanche, elle ne peut prendre fait et cause pour un de ses membres ou pour une minorité d'entre eux (PIERRE MOOR, Droit administratif, 2 e éd., Berne 2002, vol. II, p. 643 s.). 7. 7.1 Les premiers juges dénient aux recourantes la qualité pour recourir, au motif que les décisions litigieuses ne les touchent pas plus que les autres intermédiaires pratiquant l'assurance-maladie sociale. Ils exposent qu'il existe un intérêt public à restreindre les droits des administrés dans les procédures d'admission des médicaments à la LS - y compris lors de l'adaptation de leur prix -, sous peine d'ouvrir accès à l'action populaire. Ils considèrent que les différents groupes d'intérêts opérant dans le domaine de la santé publique - au nombre desquels figurent précisément les pharmaciens - sont représentés au sein de la Commission fédérale des médicaments et que leur avis est pris en considération lors de l'élaboration des décisions de l'OFSP, de sorte qu'il serait superflu d'accorder en sus à leurs membres la qualité pour recourir contre ces dernières. BGE 133 V 239 S. 244 7.2 Contestant ce point de vue, les recourantes sont d'avis que les pharmaciens, s'agissant des frais de distribution, sont concernés par la détermination du prix des médicaments de la même manière que les fabricants en regard du prix de fabrique. Aussi et dès lors que la qualité pour recourir auprès de la commission est reconnue à ces derniers s'agissant du prix " ex factori ", elle doit l'être également aux pharmaciens en regard de la part du prix afférente aux " frais de distribution". Dans cette stricte mesure, les pharmaciens sont touchés plus que quiconque par les décisions litigieuses, de sorte qu'il convient de leur reconnaître la qualité pour recourir contre celles-ci. En juger autrement priverait les pharmaciens de l'accès à un tribunal impartial et indépendant en violation de l' art. 6 CEDH . 8. 8.1 Selon l' art. 25 al. 1 LAMal , l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations qui servent à diagnostiquer ou à traiter une maladie et ses séquelles. Celles-là doivent être efficaces, appropriées et économiques; l'efficacité doit être démontrée selon des méthodes scientifiques ( art. 32 al. 1 LAMal ). Les fournisseurs de prestations établissent leurs factures sur la base de tarifs ou de prix ( art. 43 al. 1 LAMal ). Les tarifs et les prix sont fixés par convention entre les assureurs et les fournisseurs de prestations (convention tarifaire) ou, dans les cas prévus par la loi, par l'autorité compétente ( art. 43 al. 4 LAMal ). Les parties à la convention et les autorités compétentes veillent à ce que les soins soient appropriés et leur qualité de haut niveau, tout en étant le plus avantageux possible ( art. 43 al. 6 LAMal ). Une liste avec prix des préparations pharmaceutiques et des médicaments confectionnés (liste des spécialités) est établie par l'OFSP après consultation de la Commission fédérale des médicaments et conformément aux principes des art. 32 al. 1 et 43 al. 6 LAMal ( art. 52 al. 1 let. b 1 re phrase LAMal en corrélation avec les art. 34 et 37e OAMal ). Les fournisseurs de prestations doivent respecter les tarifs et les prix fixés par l'autorité compétente; ils ne peuvent exiger de rémunération plus élevée pour des prestations fournies en application de la présente loi (protection tarifaire; art. 44 al. 1 1 re phrase LAMal). 8.2 La liste des spécialités contient les prix maximums déterminants pour la remise des médicaments par les pharmaciens, les médecins, les hôpitaux et les établissements médico-sociaux ( art. 67 al. 1 OAMal ). Le prix maximum se compose du prix de fabrique et BGE 133 V 239 S. 245 de la part relative à la distribution ( art. 67 al. 1 bis OAMal ). Le prix de fabrique rémunère les prestations, redevances comprises, du fabricant et du distributeur jusqu'à la sortie de l'entrepôt, en Suisse (art. 67 al. 1 ter OAMal). La part relative à la distribution rémunère les prestations logistiques, en particulier les coûts d'exploitation et d'investissement liés au transport, au stockage, à la remise et à l'encaissement (art. 67 al. 1 quater OAMal). La part relative à la distribution pour les médicaments qui ne sont remis que sur prescription, selon la classification de Swissmedic, se compose d'une prime fixée en fonction du prix de fabrique (prime relative au prix) et d'une prime par emballage ( art. 35a al. 1 OPAS ). La prime relative au prix selon l'al. 1 prend notamment en compte les coûts en capitaux résultant de la gestion des stocks et des avoirs non recouvrés ( art. 35a al. 2 OPAS ). La prime par emballage prend notamment en compte les frais de transport, d'infrastructure et de personnel. Elle peut être échelonnée selon le prix de fabrique ( art. 35a al. 3 OPAS ). La part relative à la distribution pour les médicaments qui sont remis sans prescription, selon la classification de Swissmedic, se compose d'une prime fixée en fonction du prix de fabrique (prime relative au prix); celle-ci prend en compte tous les coûts rémunérés par la part relative à la distribution ( art. 35a al. 4 OPAS ). L'OFSP peut fixer la part relative à la distribution selon les fournisseurs de prestations et les catégories de remise; il peut en outre tenir compte de situations de distribution particulières; il entend les associations concernées avant de fixer la part relative à la distribution ( art. 35a al. 5 OPAS ). 8.3 Il ressort de ces dispositions que le prix des médicaments est fonction de deux éléments principaux qui forment au final un ensemble composite. Comme le relève la commission de recours, le prix des médicaments touche nombre d'acteurs du droit de l'assurance-maladie, qui peuvent avoir un intérêt économique à sa fixation. Il en va ainsi des assureurs, des hôpitaux, des établissements médico-sociaux. De même, les assurés peuvent avoir un intérêt de cette nature. Pour autant, à la différence de ces acteurs ou des patients, le pharmacien est touché de manière directe et concrète, en tant que distributeur, dans son activité économique propre, s'agissant de la part relative à la distribution. Cette part fait partie intégrante de la marge du pharmacien (différence entre le prix du médicament selon la liste des spécialités et le prix d'achat facturé par le grossiste ou le fabricant). La part relative à la distribution a une incidence directe sur la rémunération du pharmacien, selon la BGE 133 V 239 S. 246 manière dont elle est fixée. On ne saurait donc nier d'emblée la qualité pour recourir à un pharmacien ou à une association de pharmaciens au seul motif qu'ils ne sont pas plus touchés que d'autres personnes ou d'intervenants et que la reconnaissance de cette qualité ouvrirait la voie à une action populaire. Quoi qu'il en soit, la question soulevée ici peut demeurer ouverte, car la qualité pour recourir devait de toute façon être niée pour les motifs ci-après exposés. 9. 9.1 Les statuts de la Société M. de pharmacie et de l'Association des pharmacies du canton Y. ont notamment pour but la défense des intérêts de la pharmacie. En tant qu'associations, elles ne sont elles-mêmes pas directement intéressées à l'issue du litige. Il s'agit donc de savoir si les conditions énumérées sous let. b et c (supra consid. 6.4) ci-dessus sont remplies. 9.2 Dans un recours de droit administratif où seule est en jeu la qualité pour agir, une association recourante doit présenter une argumentation topique ( art. 108 al. 2 OJ ). Il lui appartient de donner des indications précises sur le nombre de ses membres et expliquer en quoi la majorité ou un grand nombre d'entre eux seraient touchés par la décision litigieuse. Il incombe en effet à l'association d'alléguer les faits qu'elle considère comme propres à fonder sa qualité pour recourir lorsqu'ils ne ressortent pas à l'évidence de la décision attaquée ou du dossier (arrêt 1A.47/2002 du 16 avril 2002, consid. 3.4, Comité de citoyennes et citoyens pour un choix démocratique et raisonnable de stade). 9.3 Les associations recourantes contestent de manière générale les prix fixés dans la liste des spécialités. S'agissant de la part de distribution, elles allèguent que si les prix sont mal fixés, ils sont de nature à favoriser indûment certains pharmaciens, car cette part vient s'ajouter à leur rémunération proprement dite selon l' art. 25 al. 2 let . h LAMal ou, à l'inverse à obliger d'autres pharmaciens à prélever sur cette rémunération pour couvrir leurs frais de distribution. Cela dépend de la composition de la clientèle du pharmacien et de ses incidences sur les ventes. Les recourantes invoquent une étude de février 2003 de l'institut CREA de l'Ecole des hautes études commerciales de l'Université de Lausanne qui établit que le système adopté par l'OFSP ne permet pas de couvrir dans certains cas les frais de distribution dès la sortie de fabrique, ou les couvre à l'excès. La part du grossiste est pratiquement toujours couverte, BGE 133 V 239 S. 247 alors que la part du pharmacien nécessaire pour payer les frais de distribution peut être largement couverte ou au contraire ne pas l'être, selon que l'on a affaire à un distributeur de proximité ou à un distributeur servant une clientèle de passage, le prix des médicaments vendus jouant un rôle primordial sur la part de distribution revenant effectivement aux fournisseurs. Il serait contraire à l'intention du législateur de couvrir plus largement les frais de distribution dans certains cas et de ne pas le faire dans d'autres cas. Il existe ainsi d'importantes disparités entre les pharmaciens selon leurs structures de vente. En outre, ces derniers sont tributaires de la part que se réservent les grossistes. 9.4 Il ressort de ces allégués que les pharmaciens ne sont pas touchés de la même manière dans leur activité commerciale, certains étant plutôt favorisés tandis que d'autres ne seraient pas en mesure de couvrir leurs frais de distribution, cela en fonction de la structure de leur clientèle habituelle. Il n'est pas allégué et il ne ressort pas non plus du dossier qu'une majorité ou même qu'un nombre important des membres de l'association et de la société recourantes font partie de cette seconde catégorie. Ce que contestent en réalité les recourantes, c'est le système général de fixation des prix qui génère selon eux des disparités, voire des inégalités entre pharmaciens. On cherche d'ailleurs vainement dans les écritures des recourantes une argumentation topique en ce qui concerne plus précisément les médicaments visés par les décisions litigieuses. On ne saurait donc admettre, sur la base de considérations générales et abstraites, que les membres aient des intérêts majoritairement - ou du moins en grande partie - communs à défendre, que ce soit dans la fixation des prix en général ou relativement au prix des médicaments faisant l'objet des décisions en cause. Un intérêt qui serait purement virtuel n'est pas suffisant au regard de l' art. 103 let. a OJ et de l' art. 48 let. a PA . 9.5 Certes, il résulte de l'étude précitée que le système de fixation des prix conduit à des marges qui ne sont pas suffisantes dans une majorité des cas examinés. Toutefois, cette étude se base sur un échantillon de 28 pharmacies des cantons M. et Y., membres de la Société M. de pharmacie et de l'Association des pharmacies du canton Y., qui ont accepté de répondre aux questions des auteurs. Ceux-ci reconnaissent que l'échantillon "est un peu faible du point de vue statistique, bien (qu'il) semble tenir compte de divers types de pharmacies". Ils admettent que les résultats chiffrés "sont sujets à caution". Ils notent aussi que les calculs montrent une forte BGE 133 V 239 S. 248 inégalité entre les pharmacies, puisque le taux de couverture des charges totales (pondérées) par la marge se situe dans une fourchette allant de 58 % à 132 %, ce qui conduit à une différence de 74 points en pour cent. 9.6 Dans ces conditions - et dans la mesure où l'association et la société recourantes n'ont pas non plus démontré ni même rendu plausible, en première instance, qu'une partie importante au moins de leurs membres était objectivement lésée par les décisions litigieuses - le jugement d'irrecevabilité à leur encontre n'est pas critiquable. 9.7 Pour les mêmes motifs, le refus d'entrer en matière sur le recours de C. n'est pas non plus contestable. Celle-ci exploite une pharmacie à A. et est par ailleurs présidente de la Société M. de pharmacie. Elle n'a pas déposé de mémoire séparé et le mémoire commun des recourantes ne contient aucune motivation spécifique à sa situation. Ses motifs se confondent donc avec ceux de l'association et la société recourantes. A l'instar de ces dernières, elle s'en prend de manière générale et abstraite au système de fixation des prix des médicaments, sans indiquer concrètement en quoi elle est personnellement lésée en tant que distributrice. Elle ne l'a pas davantage fait en première instance. Les premiers juges n'ont ainsi pas violé le droit fédéral en lui déniant, à elle aussi, un intérêt digne de protection à recourir. 10. Les recourantes se prévalent par ailleurs en vain de l' art. 6 par. 1 CEDH . En faisant dépendre la recevabilité du recours d'une association de ce qu'elle ait pour but statutaire la défense des intérêts dignes de protection de ses membres, de ce que ces intérêts soient communs à la majorité ou au moins à un grand nombre d'entre eux et, enfin, de ce que chacun de ceux-ci ait qualité pour s'en prévaloir à titre individuel, le droit suisse ne limite pas l'accès à un tribunal à un point tel que le droit s'en trouve atteint dans sa substance même. Cette limitation est d'autant moins restrictive qu'elle n'exige pas la démonstration d'un intérêt juridiquement protégé, mais uniquement d'un intérêt digne de protection. Il en va de même en ce qui concerne l'exigence d'un intérêt digne de protection du recours d'un particulier (cf. arrêt 2A.359/2005 du 14 novembre 2005, Association de la Transformation Laitière Française, avec les références à la jurisprudence de la Cour européenne des droits de l'homme; cf. également ATF 132 V 299 ).
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Sachverhalt ab Seite 322 BGE 126 III 322 S. 322 Die WIR Bank (Klägerin), eine Genossenschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Basel, ist Inhaberin der Wortbildmarke WIR. Sie bezweckt die wirtschaftliche Förderung der ihr angeschlossenen klein- und mittelständischen Handels-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe durch Schaffung gegenseitiger Aufträge. Sie führt unter ihren Mitgliedern einen Verrechnungsverkehr mittels Guthaben von sogenannten WIR-Franken. Diesem System können sich Unternehmen als Genossenschafter oder als offizielle oder stille Teilnehmer anschliessen. Gemäss den für alle Mitglieder geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin ist ihnen der Handel mit WIR-Guthaben untereinander verboten und wird mit BGE 126 III 322 S. 323 einer Konventionalstrafe sanktioniert. Peter Grill und Gabriele, Stefan und Herbert Gasser (Beklagte) inserierten seit geraumer Zeit unter dem Titel "WIR-Börse" regelmässig in der Schweizer Tages- und Wochenpresse. Sie boten an, WIR-Guthaben zu kaufen oder zu verkaufen. Nachdem die Klägerin die Beklagten erfolglos zur Unterlassung der Insertionstätigkeit und des Handels mit WIR-Guthaben aufgefordert hatte, beantragte sie dem Zivilgericht Basel-Stadt mit Klage vom 6. Oktober 1997, den Beklagten die Verwendung des Zeichens "WIR" im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen zu verbieten. Das Zivilgericht verbot den Beklagten, für ihre Leistungen den Begriff "WIR-Börse" zu verwenden; im Übrigen wies es die Klage ab. Die Klägerin führt dagegen Berufung mit dem Antrag, die Klage vollumfänglich gutzuheissen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Klägerin macht geltend, vorliegend gehe es um eine reine Dienstleistungsmarke. Beziehe sich eine Marke auf eine bestimmte Dienstleistung, so könne sie nicht darauf angebracht werden, wie dies bei einer Warenmarke geschehen könne. Dienstleistungsmarken träten deshalb in der Regel im Vorfeld der Dienstleistung in Erscheinung, z.B. in der Werbung, auf dem Geschäftspapier oder als Anschrift auf einem Gebäude. Eine derartige Verwendung der Marke sei nur zulässig, wenn sie zur Kennzeichnung einer Dienstleistung des Markeninhabers oder eines seiner Lizenznehmer benutzt werde. Es treffe nicht zu, dass der Markeninhaber kein Recht habe, Vorschriften über die Verwendung seiner unter der Marke erbrachten Dienstleistungen zu erlassen; eine solche Auffassung basiere auf der unzutreffenden Annahme, die erbrachten Dienstleistungen könnten sich verselbständigen und Dritte, die mit "Dienstleistungsprodukten" Handel trieben oder diese vermittelten, dürften bei ihrer Tätigkeit auf die Marke Bezug nehmen. Dienstleistungen könnten aber nicht mit Waren gleichgestellt werden; dasselbe gelte für unkörperliche Erscheinungen wie Guthaben. Unter Abstützung auf die Lehre zum deutschen Recht sei anzunehmen, dass der Grundsatz der Erschöpfung bei Dienstleistungsmarken nicht gelte. Auch in Art. 7 der Richtlinie des EG-Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, wo die Erschöpfung des Rechts aus der Marke behandelt werde, sei ausschliesslich von Waren, aber nicht von Dienstleistungen die Rede. Mit Dienstleistungen sei damit mangels Erschöpfung BGE 126 III 322 S. 324 weder ein Handel noch ein Parallelhandel möglich. Die Vorinstanz verkenne zudem die Rechtslage, wenn sie auf die gegebene Situation die Regeln über die Verwendung einer Drittmarke bloss als Blickfang oder Lockvogel anwenden wolle. Richtigerweise sei ein Anwendungsfall von Art. 13 Abs. 2 lit. c und e des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG; SR 232.11) anzunehmen. a) Art. 13 Abs. 1 MSchG räumt dem Inhaber einer Marke das ausschliessliche Recht ein, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu verwenden. Er kann anderen verbieten lassen, dasselbe Zeichen zu gebrauchen, namentlich unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen oder dieses auf Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonstwie im geschäftlichen Verkehr zu verwenden ( Art. 13 Abs. 2 lit. c und e MSchG ). Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Kennzeichnung von Waren mit einem bestimmten Zeichen körperlich erfolgen kann, dass aber die Frage, ob unter dem streitigen Zeichen eine Dienstleistung erbracht werde, nach anderen Kriterien beantwortet werden muss. Üblicherweise erfolgt die Kennzeichnung einer Dienstleistung etwa durch Verwendung der Marke in der Werbung und im Geschäftsverkehr, durch Anschrift auf Gebäuden und Fahrzeugen etc. (vgl. KASPAR LANDOLT, Die Dienstleistungsmarke, Diss. Zürich 1993, S. 106 und 109 f.). Nicht jegliche Verwendung einer fremden Marke in irgend einem Zusammenhang mit einer Dienstleistung kann im Sinne von Art. 13 Abs. 2 lit. c MSchG als Anbieten der Dienstleistung unter dieser Marke gelten. Vorausgesetzt ist, dass die interessierten Verkehrskreise die Marke als Hinweis auf die von einem bestimmten Unternehmen erbrachte Leistung auffassen (KASPAR LANDOLT, a.a.O., S. 105). Allerdings ist das Verbot der Verwendung einer fremden Marke in der Werbung und im Geschäftsverkehr ( Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG ) weit zu verstehen: Zum verletzenden Gebrauch im geschäftlichen Verkehr kann auch eine Verwendung gehören, die nicht im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen erfolgt, die Verwendung im mündlichen Verkehr, als Vorspann, in der Erinnerungswerbung, im Export etc. (LUCAS DAVID, Basler Kommentar, N. 23 zu Art. 13 MSchG ). b) Die Vorinstanz nahm zu Recht an, das Angebot der beklagtischen Dienstleistungen unter dem Titel "WIR-Börse" falle unter den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 2 lit. c MSchG ; dies ist vorliegend nicht mehr umstritten. Das von der Vorinstanz ausgesprochene Verbot, den Begriff "WIR-Börse" zu gebrauchen, betrifft BGE 126 III 322 S. 325 selbstverständlich auch die Verwendung auf Geschäftspapieren der Beklagten; dies braucht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht separat statuiert zu werden. Anderes gilt aber in Bezug auf die Verwendung der Bezeichnung "WIR-Guthaben", "WIR-Kauf" etc. in den Inseraten und in der Geschäftskorrespondenz der Beklagten. Mit der Marke "WIR" kennzeichnen die Beklagten nicht ihre eigene Dienstleistung - eine An- und Verkaufstätigkeit -, sondern sie umschreiben deren Gegenstand. Angaben zur Beschreibung seiner Waren oder Dienstleistungen darf jedermann verwenden, auch wenn dadurch Marken Dritter tangiert werden (LUCAS DAVID, a.a.O., N. 35 der Vorbemerkungen zum 3. Titel des MSchG). Vorliegend ist die Verwendung des Begriffs "WIR" unerlässlich, um die von den Beklagten angebotene Tätigkeit zu umschreiben. Zumal den Beklagten mangels Bindung an die AGB der Klägerin die umschriebene Tätigkeit nicht untersagt ist, muss ihr die Möglichkeit der Benutzung des Begriffs "WIR-Guthaben" sowie der Abkürzungen "WIR-Kauf" (für den Kauf von WIR-Guthaben) etc. zugestanden werden. Es handelt sich zwar dabei nicht um gemeinfreie Bezeichnungen (vgl. LUCAS DAVID, a.a.O.), sondern um Begriffe, die überhaupt nur aufgrund der klägerischen Dienstleistungen entstehen konnten und daher mit der entsprechenden Marke umschrieben werden. Der Klägerin ist daher die Duldung der Begriffsbezeichnung nicht deshalb zuzumuten, weil sie ihre Marke in Anlehnung oder Annäherung an einen gemeinfreien Begriff gebildet hat, sondern weil eine Umschreibung der beklagtischen Dienstleistungen anders kaum möglich ist. Zudem wird die Assoziation des Begriffs "WIR" nicht mit den beklagtischen, sondern mit den klägerischen Dienstleistungen gemacht (vgl. LUCAS DAVID, a.a.O., N. 35a der Vorbemerkungen zum 3. Titel des MSchG). Beim Publikum entsteht nämlich beim Lesen der streitigen Texte weder der Eindruck, die Beklagten hätten selbst ein Verrechnungssystem nach der Art des Klägerischen errichtet, noch, die Beklagten wollten ihre eigene Tätigkeit mit "WIR" kennzeichnen. Der Adressatenkreis wird also die Bezeichnung "WIR" nicht als Kennzeichnung der beklagtischen, sondern der ihm bekannten klägerischen Dienstleistungen auffassen; dies gilt umso mehr, wo direkt auf diese hingewiesen wird ("WIR-Konto", "WIR-Buchungsaufträge", "WIR-Teilnehmer" etc.). Entgegen den Befürchtungen der Klägerin besteht angesichts der weiten Verbreitung von WIR-Guthaben und dem Verrechnungshandel mit diesen unter den WIR-Teilnehmern aufgrund der blossen Erwähnung von WIR-Guthaben etc. im Zusammenhang BGE 126 III 322 S. 326 mit der Geschäftstätigkeit der Beklagten auch keine Gefahr, beim Publikum könnte der Eindruck entstehen, die Beklagten betrieben eine von der Klägerin autorisierte Verkaufsstelle. Dem stünde auch entgegen, dass die Klägerin - was dem am WIR-Handel interessierten Publikum bekannt ist - diesen zu unterdrücken sucht. Mithin stellt die Verwendung der Begriffe "WIR-Guthaben", "WIR-Kauf" etc. keine Verletzung des markenrechtlichen Schutzanspruchs der Klägerin dar.
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Sachverhalt ab Seite 263 BGE 137 IV 263 S. 263 A. X. war Leiter eines Brockenhauses, in welchem der Geschädigte, geb. 1991, Ende des Jahres 2007 ein Praktikum absolvierte. X. wird vorgeworfen, er habe in der Zeit vom 24. Oktober bis 12. Dezember 2007 den damals minderjährigen Geschädigten als dessen Vorgesetzter bei drei Gelegenheiten in sexueller Absicht angefasst. Bei den beiden ersten Vorfällen habe er ihm seine Hand auf den Oberschenkel gelegt bzw. ihm mit beiden Händen links und rechts aussen an die Oberschenkel gegriffen; beim dritten Vorfall habe er dem Geschädigten in einem Raum im Keller des Brockenhauses gegen dessen klaren Willen das T-Shirt hinten hochgezogen und ihm mit der Hand über den nackten Rücken gestrichen. B. Das Polizeirichteramt Winterthur verurteilte X. mit Strafverfügung vom 29. September 2008 wegen sexueller Belästigungen zu einer Busse von Fr. 400.-. Auf Einsprache des Beurteilten hin erklärte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Winterthur X. mit Urteil vom 15. Dezember 2009 der mehrfachen sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 400.-, im Falle des schuldhaften Nichtbezahlens umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von BGE 137 IV 263 S. 264 4 Tagen. Eine von X. gegen diesen Entscheid geführte Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 16. November 2010 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB freizusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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317
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung von Bundesrecht. Die ihm vorgeworfenen Tathandlungen hätten keinen sexuellen Bezug und stellten keine sexuellen Belästigungen dar. Das gelte namentlich für die ersten beiden Vorfälle, nämlich das blosse Anfassen des Geschädigten am Oberschenkel auf der Höhe des Knies. Diese Berührungen könnten nicht verglichen werden mit dem Streicheln eines Beines im geschlechtsnahen Bereich. Auch das Streichen mit der Hand über den Rücken einer gleichgeschlechtlichen Person sei, wie auch etwa eine einmalige Umarmung, keine sexuelle Belästigung. Es sei mithin schon der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Darüber hinaus fehle es am Vorsatz. Der Geschädigte habe selber ausgesagt, er (der Beschwerdeführer) habe beim letzten Vorfall lediglich nach Verletzungen gesucht und sei deshalb mit der Hand über seinen Rücken gestrichen. Die Handlung wäre somit auch nach der Darstellung des Geschädigten nicht sexuell motiviert gewesen. Er sei sich sicher nicht bewusst gewesen, dass die Berührungen sexuellen Charakter hätten haben können, und er habe auch nicht in sexueller Absicht gehandelt. 2.2 Die Vorinstanz nimmt an, es komme für den Tatbestand der sexuellen Belästigung weniger auf die Einzelheiten der jeweiligen Tätlichkeit als vielmehr auf die Gesamtheit des Verhaltens des Täters gegenüber dem Opfer an. Entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer als Vorgesetzter und insbesondere im Rahmen der Betreuung von Praktikanten mit seinem Verhalten gegenüber dem minderjährigen Geschädigten sowohl das rechtliche als auch das gesellschaftlich noch tolerierbare Mass überschritten habe. Selbst wenn der Beschwerdeführer bei seinen Berührungen am Rücken des Geschädigten BGE 137 IV 263 S. 265 nach Verletzungen gesucht haben sollte, hätte er dies bereits durch das Hochziehen des T-Shirts genügend klären können. Ein Streichen über den nackten Rücken wäre hiefür nicht erforderlich gewesen. Es sei augenscheinlich, dass der Beschwerdeführer immer weiter gegangen sei. Zuerst habe er die Hand nur auf den Oberschenkel des Geschädigten gelegt; danach habe er dessen Oberschenkel von aussen bereits mit beiden Händen umfasst und zuletzt habe er ihm mit der Hand über den nackten Rücken gestrichen. Auch wenn der erste Vorfall für sich allein allenfalls objektiv den Tatbestand der sexuellen Belästigung noch nicht erfüllen würde, sei in Anbetracht der gesamten Umstände aus Sicht eines objektiven Betrachters bei sämtlichen drei Vorfällen keine andere als eine sexuelle Bedeutung ersichtlich. In Bezug auf den subjektiven Tatbestand geht die Vorinstanz davon aus, dass der Geschädigte sich ausdrücklich geweigert habe, sein T-Shirt selber hochzuziehen. Indem der Beschwerdeführer daraufhin das T-Shirt hochgestreift habe, habe er bewusst gegen den Willen des Geschädigten gehandelt. In Bezug auf die ersten beiden Vorfälle hält die Vorinstanz fest, der Geschädigte habe jeweils nicht reagiert. Der Beschwerdeführer habe aus diesem Schweigen jedoch nicht auf dessen Einverständnis schliessen dürfen. Dies gelte umso mehr, als dieser damals noch ein minderjähriger Praktikant gewesen sei, welcher sich kaum direkt zu wehren getraut habe, was dem Beschwerdeführer ebenfalls habe bewusst sein müssen. Er habe die Belästigung des Geschädigten somit jeweils zumindest in Kauf genommen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellung als Vorgesetzter, welcher regelmässig Praktikanten bei sich beschäftigt habe, genau wissen müssen, dass er einen Jugendlichen nicht in dieser Weise anfassen dürfe. 3. 3.1 Gemäss Art. 198 Abs. 2 StGB macht sich der sexuellen Belästigung schuldig, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt. Die Bestimmung erfasst geringfügigere Beeinträchtigungen der sexuellen Integrität, bei denen im Einzelnen zweifelhaft sein kann, ob sie noch eine eigentliche Verletzung der Selbstbestimmung darstellen, die aber solchen Eingriffen immerhin vergleichbar sind, indem sie die betroffene Person jedenfalls ohne ihren Willen mit Sexualität konfrontieren (GUIDO JENNY, in: Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 1997, N. 1 zu Art. 198 StGB ). Es handelt sich um qualifiziert unerwünschte sexuelle BGE 137 IV 263 S. 266 Annäherungen bzw. um physische, optische und verbale Zumutungen sexueller Art (MENG/SCHWAIBOLD, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 15 zu Art. 198 StGB ; TRECHSEL/BERTOSSA, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 1 zu Art. 198 StGB ). Aus dem Merkmal der Belästigung ergibt sich, dass das Opfer in diese weder eingewilligt noch sie - etwa spasseshalber - provoziert haben darf. Die sexuelle Bedeutung des Verhaltens ist anhand der konkreten Umstände und des Gesamtumfelds zu würdigen. Sie muss vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus klar erkennbar sein (MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 15 zu Art. 198 StGB ; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 10 N. 37; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, S. 901 N. 10; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 521). Dies gilt wie bei Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB für Tathandlungen, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen sind, mithin objektiv eine Beziehung zum Geschlechtlichen aufweisen (vgl. BGE 125 IV 58 E. 3b). Das kann - je nach Alter des Opfers oder Altersunterschied zum Täter - auch bei geringfügigen Vorfällen zutreffen. Dabei ist zu beachten, dass Verhaltensweisen, welche unter dem Aspekt des Tatbestandes der sexuellen Handlungen mit einem Kind gemäss Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur als geringfügige Entgleisung erscheinen, als sexuelle Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB relevant sein können, zumal der Schutz dieser Bestimmung weiter reicht und auch aufgedrängte Annäherungen erfasst ( BGE 125 IV 58 E. 3b, S. 63; JENNY, a.a.O., N. 16 zu Art. 187 StGB ; PHILIPP MAIER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 23 vor Art. 187 StGB ). Die Intensität des sexuellen Bezuges des Vorgangs kann im Rahmen von Art. 198 StGB somit gering sein. Es genügt, dass ein Durchschnittsbetrachter die Handlung mit Sexualität im weitesten Sinn in Verbindung bringt (KATHRIN KUMMER, Sexuelle Belästigung nach Art. 198 StGB , 2001, S. 72 f.). Die tätliche Belästigung gemäss Art. 198 Abs. 2 StGB setzt eine körperliche Kontaktnahme voraus. Hiefür genügen bereits wenig intensive Annäherungsversuche oder Zudringlichkeiten, solange sie nur nach ihrem äusseren Erscheinungsbild sexuelle Bedeutung haben. Hierunter fallen neben dem überraschenden Anfassen einer Person an den Geschlechtsteilen auch weniger aufdringliche BGE 137 IV 263 S. 267 Berührungen wie das Antasten an der Brust oder am Gesäss, das Betasten von Bauch und Beinen auch über den Kleidern, das Anpressen oder Umarmungen (JENNY, a.a.O., N. 10 zu Art. 198 StGB ; MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 17 zu Art. 198 StGB ; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_702/2009 vom 8. Januar 2010 E. 5.5). Zu berücksichtigen ist, ob dem Opfer zugemutet werden kann, sich der Belästigung zu entziehen, was am Arbeitsplatz oder ähnlichen Örtlichkeiten in der Regel weniger einfach ist als etwa in öffentlichen Lokalitäten. In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 198 Abs. 2 StGB , dass der Täter zumindest in Kauf genommen hat, dass sich das Opfer belästigt fühlt (Urteil 6P.123/2003 vom 21. November 2003 E. 6.1). 3.2 Die Vorinstanz geht zunächst vom dritten Vorfall aus und erachtet den Tatbestand der sexuellen Belästigung als erfüllt. In diesem Punkt verletzt das angefochtene Urteil kein Bundesrecht. Die Vorinstanz nimmt zutreffend an, das Streichen über den nackten Rücken des Geschädigten erreiche die für die Annahme einer sexuellen Belästigung notwendige Intensität. Wesentlich sind hiefür die konkreten Umstände, unter welchen sich der Vorfall abgespielt hat. Denn die Frage, wann eine Handlung einen klaren, erkennbaren Bezug zur Sexualität aufweist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und des Kontexts, in welchem sie vorgenommen wird, entscheiden (KUMMER, a.a.O., S. 75). Im zu beurteilenden Fall ist in dieser Hinsicht von Bedeutung, dass der Geschädigte zur Tatzeit minderjährig war und zum Beschwerdeführer, der als Leiter des Brockenhauses für die Betreuung der Praktikanten zuständig war, in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stand. Bei dieser Sachlage erreichen das gegen den expliziten Willen des Geschädigten erfolgte Hochziehen des T-Shirts und das Streichen mit der Hand über seinen nackten Rücken einen Grad der Intensität, der die Grenze zwischen einer bloss unangenehmen harmlosen Berührung zur sexuellen Belästigung überschreitet. Die Handlung erscheint im gegebenen Kontext als aufgedrängte körperliche Zudringlichkeit. Dabei ist aus der konkreten Handlung auch die sexuelle Konnotation der Berührung ohne weiteres erkennbar. Das Streichen mit der Hand unter dem T-Shirt über den nackten Rücken geht in klarer Weise über ein bloss flüchtiges Betasten hinaus. Dass der Geschädigte, wie der Beschwerdeführer einwendet, in der polizeirichterlichen Einvernahme vom 27. Januar 2009 als Zeuge ausgesagt hat, dieser habe wohl nach Verletzungen am Rücken gesucht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, BGE 137 IV 263 S. 268 wäre ein Streichen über den nackten Rücken für die Klärung der Frage, ob der Geschädigte am Rücken Verletzungen aufweise, nicht notwendig gewesen. Im Übrigen erklärte der Geschädigte in dieser Einvernahme auch, der Beschwerdeführer habe ihn, nachdem er ihm mit der Hand über den Rücken gestrichen hatte, umarmt und ihn gefragt, ob ihm das unangenehm sei. Daraus ergibt sich auch, dass dem Beschwerdeführer der sexuelle Gehalt seiner Berührungen bewusst war. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist indes in Bezug auf die beiden ersten Vorfälle, den Berührungen am Oberschenkel, der Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt. Wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, ist bei den Berührungen am Oberschenkel über den Kleidern vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus keine sexuelle Bedeutung erkennbar. Dies gilt jedenfalls, soweit der Beschwerdeführer den Geschädigten im Bereich des Knies betastet und ihm nicht in den Schritt bzw. zwischen die Beine gefasst hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_702/2009 vom 8. Januar 2010 E. 5.5) und er den Griff an den Oberschenkel nicht mit anzüglichen Bemerkungen über dessen Festigkeit verbunden hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.123/2003 vom 21. November 2003 E. 6.2). Daran ändert nichts, dass die Betastungen angesichts der später erfolgten weitergehenden Berührungen in einem anderen Licht erscheinen. Es mag zutreffen, dass sich die einzelnen Vorfälle in einer Atmosphäre permanenter Annäherungsversuche seitens des Beschwerdeführers ereigneten. Doch auch wenn in einem solchen Fall die einzelnen Handlungen nicht isoliert für sich allein betrachtet werden, erreicht das Verhalten des Beschwerdeführers in Bezug auf die erste Phase des Geschehens nicht die Intensität, welche für einen Schuldspruch wegen sexueller Belästigung vorausgesetzt ist. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt somit als teilweise begründet.
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Sachverhalt ab Seite 62 BGE 92 IV 61 S. 62 Aus dem Tatbestand: Studer war bis 1959 Vertreter einer Traktorenfabrik. Seither handelt er auf eigene Rechnung, wobei er alte Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen unter Anrechnung auf neue entgegennimmt. Anlässlich einer im Jahre 1964 durchgeführten Kontrolle der Eidg. Steuerverwaltung ergab sich, dass Studer in der Steuerperiode 1959-63 Fr. 16'291.--zu wenig an Umsatzsteuern bezahlt hatte. Fr. 12'206.30 davon entgingen der Verwaltung, weil er beim Eintausch alter Maschinen nur den Barpreis für die neuen Maschinen angab. Das Amtsgericht Luzern-Land verurteilte Studer am 7. Juli 1965 wegen Hinterziehung von Warenumsatzsteuern im Sinne von Art. 36 WUStB zu Fr. 300.-- Busse. Die Bundesanwaltschaft, die das Urteil am 5. August 1965 zugestellt erhielt, appellierte und verlangte, dass die Busse auf Fr. 3'000.-- erhöht werde. Studer erklärte daraufhin die Anschlussappellation und beantragte, auf die Appellation sei wegen Verspätung nicht einzutreten, eventuell sei er freizusprechen. Das Obergericht des Kantons Luzern änderte das Urteil des Amtsgerichtes am 26. Oktober 1965 dahin ab, dass es die Busse auf Fr. 2'500.-- festsetzte. Die Nichtigkeitsbeschwerde, die Studer gegen diesen Entscheid einreichte, wurde vom Bundesgericht abgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Bundesanwalt kann in Fiskalstrafsachen des Bundes auch vor den kantonalen Gerichten auftreten ( Art. 15 und 282 BStP ). Sieht das kantonale Verfahrensrecht Rechtsmittel vor, so stehen ihm diese ebenfalls zu ( Art. 309 BStP ). Das setzt voraus, dass die Strafentscheide der Bundesanwaltschaft mitgeteilt werden. Art. 306 Abs. 2 BStP bestimmt denn auch, dass das Urteil mit den wesentlichen Entscheidungsgründen den Beteiligten, also auch dem Bundesanwalt, schriftlich zu eröffnen ist. Freilich ist die Eröffnung an die Verwaltung ebenfalls vorgesehen. Das heisst jedoch nicht, dass diese Eröffnung genüge und dass es Sache der Verwaltung sei, das Urteil an den Bundesanwalt weiterzuleiten. Die Mitteilung an die Verwaltung ist bloss deshalb besonders hervorgehoben, weil sie an der Sache interessiert BGE 92 IV 61 S. 63 und Vollzugsbehörde ist. Anfechten kann sie das Urteil aber nicht; diese Befugnis ist ausdrücklich dem Bundesanwalt vorbehalten ( Art. 309 Abs. 2 und 311 BStP ). Demgemäss können ihm auch die Rechtsmittelfristen erst vom Tage an laufen, an dem das Urteil der Bundesanwaltschaft zugekommen ist. Im gleichen Sinne hat der Kassationshof bereits in BGE 74 IV 217 entschieden, dass die Fristen für die Parteien nicht schon mit der mündlichen Eröffnung des Urteils, sondern erst mit der in Art. 306 Abs. 2 vorgeschriebenen Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung. zu laufen beginnen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es deshalb für den Beginn der Appellationsfrist nicht darauf an, wann die Steuerverwaltung, sondern wann die Bundesanwaltschaft das Urteil zugestellt erhalten hat. Eine andere Frage ist, ob der Bundesanwalt sich in Fiskalstrafsachen an die zehntägige Rechtsmittelfrist des Art. 267 BStP oder an die jeweilige Frist des kantonalen Prozessrechtes zu halten hat. Der vierte Teil des BStP (Art. 279-320), der das Verfahren für Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze regelt, enthält keine Verweisung auf Art. 267. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung läge indes nahe, da nicht recht zu ersehen ist, warum für den Bundesanwalt in Fiskalstrafsachen eine andere Frist gelten soll als in den übrigen Bundesstrafsachen, in denen er kantonale Rechtsmittel ergreifen kann. Dies leuchtet um so weniger ein, als für ihn die Frist des Art. 267 kraft der Verweisung von Art. 326 BStP in andern Verwaltungsstrafsachen ebenfalls gilt. Die Frage braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht entschieden zu werden. Mit der am 16. August 1965 zur Post gegebenen Appellation (der 15. August war ein Sonntag) wurde die Frist auf jeden Fall gewahrt, gleichgültig, ob Art. 267 BStP oder gemäss Art. 308 BStP das kantonale Prozessrecht gelte. Denn sowohl nach Art. 267 BStP wie nach § 232 Abs. 1 der StPO des Kantons Luzern beträgt die Frist zehn Tage... 4. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a WUStB wird die Steuer bei Lieferungen von der Summe der vereinnahmten Entgelte berechnet. Zum Entgelt gehört alles, was der Lieferer oder an seiner Stelle ein Dritter als Gegenleistung für die Ware erhält ( Art. 22 Abs. 1 WUStB ). Beim Tausch von Waren gilt der Wert jeder Ware als Entgelt für die andere Ware, bei der Hingabe an Zahlungsstatt der Betrag, der durch die Warenhingabe ausgeglichen BGE 92 IV 61 S. 64 wird ( Art. 22 Abs. 3 WUStB ). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig, dass bei der Entgegennahme von Waren an Zahlungsstatt die Steuer nicht nur auf dem Barpreis der verkauften Ware zu entrichten ist, sondern auch auf dem Betrag, der für den Eintausch auf den Verkaufspreis angerechnet wird.
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Sachverhalt ab Seite 187 BGE 115 Ib 186 S. 187 Am 7. Mai 1987 ersuchte das Justizdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) gestützt auf den zwischen den USA und der Schweiz am 25. Mai 1973 abgeschlossenen Staatsvertrag über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS, SR 0.351.933.6) um Rechtshilfe in der Strafuntersuchung gegen B. und C., gegen welche das bundesstaatliche Geschworenengericht des Zentralbezirks von Kalifornien am 21. Januar 1987 Anklage wegen Verstosses gegen Ausfuhrbestimmungen und wegen weiterer, damit zusammenhängender Delikte erhoben hatte. Die beiden wurden beschuldigt, der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) zwischen November 1983 und November 1984 unerlaubterweise 85 Helikopter "Hughes 500" geliefert zu haben. Dies soll aufgrund eines zwischen der deutschen - von B. und C. sowie H. gegründeten - F. GmbH und der koreanischen Firma G. am 13. August 1983 abgeschlossenen Liefervertrages über 100 Stück erfolgt sein, nachdem zuvor - ebenfalls unerlaubterweise - zwei Vorführungs-Hubschrauber geliefert worden seien. Als die amerikanischen Behörden die Verkaufstätigkeit im Februar 1985 entdeckt hätten, hätten die restlichen 15 Apparate noch vor deren Ausfuhr beschlagnahmt werden können. Es sei zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden, dass der geschuldete Kaufpreis auf ein von B. und H. bei der Bank X. in Zürich eröffnetes Konto bezahlt würde. Ein Teil der in der Folge auf dieses Konto einbezahlten Summe sei im Dezember 1984 auf ein anderes von B. kontrolliertes, ebenfalls bei der Bank X. in Zürich befindliches Konto übertragen worden. Die ersuchende Behörde hält dafür, das den Beschuldigten angelastete Verhalten erfülle die Tatbestände gemäss §§ 371 und 1001 des Titels 18 und gemäss § 7206 Abs. 1 und 2 des Titels 26 des Gesetzbuches der USA, ferner diejenigen gemäss §§ 5 (b) und 16 des Titels 50 des Anhanges des Gesetzbuches der USA, und nebstdem verstosse es auch gegen verschiedene unter diesem Anhang BGE 115 Ib 186 S. 188 veröffentlichte Vorschriften. Mit diesen Bestimmungen werden namentlich die Verschwörung zwecks Begehung einer strafbaren Handlung oder zwecks Betruges der Vereinigten Staaten oder ihrer Ämter, die Abgabe falscher Erklärungen mit demselben Zwecke, die Unterbreitung von falschen Angaben in Einkommenssteuererklärungen und die nicht bewilligte Ausfuhr bzw. Wiederausfuhr von Gütern und Waren nach Nordkorea bestraft. Die amerikanische Zentralstelle ersuchte das BAP, es seien ihr sämtliche seit Januar 1982 vorhandenen Unterlagen bezüglich der genannten Konten bei der Bank X. in Zürich herauszugeben. Nachdem sich das Bundesamt für Aussenwirtschaft zur Frage der beidseitigen Strafbarkeit der Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten geäussert hatte, gelangte das BAP zum Schluss, dass Strafbarkeit sowohl nach amerikanischem als auch nach schweizerischem Recht vorliege und Zwangsmassnahmen wegen der Bedeutung dieser Straftaten gerechtfertigt seien ( Art. 4 Ziff. 3 RVUS ). Es sandte daher das Rechtshilfebegehren zum Vollzug an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Hiergegen erhoben B. und C. Einsprache (Art. 16 des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 3. Oktober 1975, BG-RVUS, SR 351.93), welche vom BAP mit Verfügung vom 4. August 1987 abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war und der Entscheid nicht einer andern Behörde - gemäss Art. 4 lit. a BG-RVUS dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) - zustand. Die gegen diese Verfügung eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Bundesgericht am 18. November 1987 abgewiesen. Das Bundesgericht erwog, dass es sich bei der den Beschuldigten angelasteten unerlaubten Ausfuhr von Helikoptern nach Nordkorea weder um politische noch um fiskalische Delikte im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 lit. c Abs. 1 und 5 RVUS handle; die Rügen der fehlenden beidseitigen Strafbarkeit und der Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebotes erachtete es als unbegründet. Mit Entscheid vom 19. November 1987 wies das EJPD seinerseits auch den Einwand ab, durch die Rechtshilfeleistung würden wesentliche schweizerische Interessen verletzt. Dieser Entscheid wurde nicht an den Bundesrat weitergezogen. Am 8. Januar 1988 verfügte die Bezirksanwaltschaft Zürich den Beizug aller bei der Bank X. in Zürich befindlichen Kontenunterlagen bezüglich der im Ersuchen genannten Personen. A., B., C., D. und E. erhoben gegen diese Verfügung Rekurs an die Staatsanwaltschaft BGE 115 Ib 186 S. 189 des Kantons Zürich, mit dem sie beantragten, das Bundesgerichtsurteil vom 18. November 1987 sei "in Wiedererwägung zu ziehen und das amerikanische Rechtshilfegesuch abzulehnen", und ferner sei der Bezirksanwaltschaft zu verbieten, die beschlagnahmten Bankakten ohne weiteres dem BAP zuzustellen oder die Sichtung dieser Akten in Anwesenheit von Beamten des Bundesamtes vorzunehmen. Zur Begründung dieser Anträge machten die Rekurrenten im wesentlichen geltend, das die Rechtshilfe bewilligende Urteil des Bundesgerichts sei überholt, weil ein inzwischen (am 11. Februar 1988) vom amerikanischen Richter genehmigtes "plea agreement" eine Vereinbarung über den Verzicht auf eine weitere Verfolgung enthalte. Mit Entscheid vom 17. Mai 1988 wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich den von A., B., C., D. und E. gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 8. Januar 1988 erhobenen Rekurs ab und erklärte diese Behörde "für berechtigt und verpflichtet, die beschlagnahmten Kontenunterlagen dem Bundesamt für Polizeiwesen zu übergeben". Hiergegen erhoben die Rekurrenten Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie ersuchten das Bundesgericht, das BAP unverzüglich über die Beschwerdeführung zu orientieren, damit die Wirkung der Beschwerde, der gemäss Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS aufschiebende Wirkung zukomme, nicht durch eine unverzügliche Übermittlung der Vollzugsakten an die amerikanischen Behörden ( Art. 13 Abs. 3 BG-RVUS ) vereitelt werden könne. Nach erfolgter Orientierung über die Beschwerdeführung teilte das BAP dem Bundesgericht mit, die Vollzugsakten seien bereits am 13. Juni 1988 an die amerikanische Zentralstelle gesandt worden. Mit Eingaben vom 28. Juli und 22. August 1988 kritisierten die Beschwerdeführer das Vorgehen des BAP.
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1,013
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und im übrigen abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Es ist unbestritten, dass gemäss dem zwischen B. und C. einerseits und der amerikanischen Staatsanwaltschaft des Zentralbezirks Kalifornien anderseits am 10. Februar 1988 abgeschlossenen "plea agreement" sämtliche Anklagepunkte zurückgezogen wurden, die Gegenstand des Rechtshilfeersuchens vom 7. Mai BGE 115 Ib 186 S. 190 1987 bildeten. Dieses "plea agreement" wurde vollzogen, indem das zuständige Bezirksgericht von Kalifornien B. und C. zu den darin vorgesehenen Strafen verurteilte. Nebstdem verpflichteten sich die USA in diesem "plea agreement", auf sämtliche Verfahren, welche gestützt auf die Gegenstand des Ersuchens bildenden Tatsachen gegen A. sowie dessen Unternehmung J. und deren Organe durchzuführen wären, zu verzichten. In bezug auf H. und der von diesem sowie von B. und C. gegründeten F. GmbH hatten sich die USA bzw. die amerikanische Staatsanwaltschaft für den Zentralbezirk Kalifornien im Rahmen eines bereits am 24., 27. und 29. Oktober 1986 abgeschlossenen "cooperation agreement" als Gegenleistung für von H. gemachte Zeugenaussagen verpflichtet, kein Strafverfahren gegen diesen und/oder die F. GmbH im Zusammenhang mit der zur Diskussion stehenden illegalen Helikopterausfuhr einzuleiten. Auf den ersten Blick scheinen die genannten Vereinbarungen, namentlich das - gestützt auf das amerikanische Gesetzbuch und strafprozessuale Bestimmungen abgeschlossene - "plea agreement" vom 10. Februar 1988, das Ersuchen vom 7. Mai 1987 gegenstandslos gemacht zu haben. Demgegenüber ist aber wenigstens erstaunlich, dass B. und C. nicht bereits mit ihrer Mitte 1987 erhobenen Einsprache gemäss Art. 16 BG-RVUS und mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des BAP vom 4. August 1987 auf das oben genannte, schon im Oktober 1986 abgeschlossene "cooperation agreement" hingewiesen hatten. Ebenso erstaunlich ist, dass dieselben Personen als Hauptangeklagte in der Gegenstand des Ersuchens bildenden Strafuntersuchung nicht eine Bestimmung in das am 10. Februar 1988 abgeschlossene "plea agreement" aufnehmen liessen, wonach das Rechtshilfebegehren zurückgezogen würde. Dies lässt bei objektiver Betrachtungsweise den Schluss zu, dass die amerikanischen Behörden eben nicht auf den Vollzug ihres Ersuchens verzichtet haben, was durch das nur 12 Tage nach Unterzeichnung des "plea agreement" zuhanden des BAP verfasste Memorandum der amerikanischen Staatsanwaltschaft bestätigt wird, in dem diese darlegte, weshalb die ersuchenden Behörden nach wie vor auf die Rechtshilfe angewiesen seien. Die in diesem Memorandum aufgeführten Gründe dafür, am Ersuchen festzuhalten, leuchten im übrigen auch ohne weiteres ein; es ist ohne weiteres verständlich, dass der ersuchende Staat überprüfen will, ob das "plea agreement" nicht allenfalls betrügerisch erwirkt wurde. Um dies beurteilen zu BGE 115 Ib 186 S. 191 können, ist er u.a. auch auf die von der Schweiz verlangten Unterlagen angewiesen. Somit verbleibt die Frage zu prüfen, ob das Ersuchen immer noch ein Verfahren gemäss Art. 1 Ziff. 1 RVUS betrifft. Die Rechtsprechung hat dem Begriff des "Verfahrens" im Sinne dieser Bestimmung seit jeher eine ziemlich weite Bedeutung beigemessen (s. BGE 109 Ib 50 E. 3, nicht publ. Urteil vom 12. Mai 1982 i.S. J. S.). So sind etwa bereits die Untersuchungen der amerikanischen "Securities and Exchange Commission" (SEC) den Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren nach Art. 1 Ziff. 1 RVUS gleichzustellen, wie ganz allgemein Abklärungen durch eine staatliche Behörde, die geeignet sind, ein förmliches Strafverfahren herbeizuführen, von der genannten Bestimmung erfasst werden (BGE BGE 109 Ib 51 E. 3a, s. auch BGE 113 Ib 270 E. 5a und nicht publ. Urteil vom 2. November 1988 i.S. B. M.; vgl. CURT MARKEES, Aktuelle Fragen der Internationalen Rechtshilfe, ZStrR 89/1973, S. 254). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der ersuchende Staat sein Rechtshilfebegehren auch nach dem Abschluss der erwähnten Vereinbarungen, welche das dem Ersuchen zugrundeliegende Strafverfahren betreffen, nicht zurückgezogen hat. Vielmehr haben die zuständigen amerikanischen Behörden nur wenige Tage nach Abschluss dieser Vereinbarungen unmissverständlich bekundet, ihre Abklärungen im Sinne des Ersuchens weiterführen zu wollen, um - wie erwähnt - beurteilen zu können, ob die Beschwerdeführer das "plea agreement" in betrügerischer Absicht erwirkten oder nicht. Wäre es tatsächlich betrügerisch erschlichen worden, so könnte dies zur Folge haben, dass darauf zurückzukommen und allenfalls die Strafuntersuchung wiederaufzunehmen wäre. Berücksichtigt man die aufgezeigten Besonderheiten des dem schweizerischen Verfahrensrecht unbekannten Instituts des "plea agreement", so drängt es sich auf, mit dem ersuchenden Staat davon auszugehen, dass es sich bei den noch vorzunehmenden Abklärungen ebenfalls um ein Verfahren im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 RVUS handelt. Diese Lösung erscheint um so gerechtfertigter, als die zuständigen amerikanischen Behörden ihre Absicht auch mit Schreiben vom 18. Februar 1988 bekräftigt und zugesichert haben, sich an den Spezialitätsgrundsatz gemäss Art. 5 RVUS zu halten. Demnach ist das Rechtshilfeersuchen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht gegenstandslos geworden. Ihre BGE 115 Ib 186 S. 192 Hauptrüge, die sich mit derjenigen der unzulässigen oder unrichtigen Anwendung amerikanischen Rechts ( Art. 17 BG-RVUS ) deckt, ist daher unbegründet. 4. Die Beschwerdeführer beklagen sich ferner auch über eine Verletzung der die Aktenherausgabe betreffenden Vorschriften. Sie machen geltend, die beschlagnahmten Bankkontenunterlagen seien dem ersuchenden Staat herausgegeben worden, ohne dass sie zuvor gesichtet worden seien. Dies verstosse gegen das Verhältnismässigkeitsgebot, wonach die Mitwirkung des ersuchten Staates beim Vollzug der Rechtshilfe nicht über die Begehren des ersuchenden Staates hinausgehen dürfe. Diese Rüge ist zulässig, soweit sie von D. und E. erhoben worden ist, auch wenn die beiden im amerikanischen Ersuchen nicht aufgeführt sind. Die beiden behaupten der Sache nach, Beziehungen zu den Gegenstand des Begehrens bildenden Konten unterhalten zu haben, so dass sie bei Bewilligung der verlangten Rechtshilfe in ihren persönlichen Interessen betroffen würden. Art. 13 Abs. 2 BG-RVUS bestimmt für einen solchen Fall, in dem die erhobenen Beweise Geheimnisse Dritter ( Art. 10 Ziff. 2 RVUS ) berühren, dass die Zentralstelle den Berechtigten mitteilt, innerhalb von zehn Tagen gegen die Übermittlung der Vollzugsakten Einsprache erheben zu können, sofern sie dazu noch nicht Gelegenheit hatten. Nach Art. 13 Abs. 3 lit. a BG-RVUS kann die Zentralstelle die Vollzugsakten ohne weiteres den amerikanischen Behörden übermitteln, wenn keine Geheimnisse Dritter berührt sind (oder die Frist zur Einsprache abgelaufen ist). Enthält ein Schriftstück neben Angaben, zu deren Übermittlung die Schweiz nach Vertrag verpflichtet ist, noch solche, die nach Art. 3 Abs. 1 oder Art. 10 Ziff. 2 RVUS unzulässig sind, so ist eine Abschrift oder Fotokopie zu übergeben, in der die geheimzuhaltenden Worte oder Sätze weggelassen oder auf andere Weise ausgemerzt sind; der das Ersuchen ausführende Beamte hat auf dem Schriftstück die Tatsache, die Stelle und den Grund der Weglassung zu vermerken und zu bescheinigen, dass es sonst in allen Teilen mit dem Original übereinstimmt ( Art. 28 Abs. 1 BG-RVUS ). Das Bundesgericht hat schon wiederholt auf die generelle Pflicht der ersuchten Behörden hingewiesen, die herauszugebenden Akten im Sinne der genannten Bestimmung zu sichten und beim Vollzug des Ersuchens nicht über das Begehren des ersuchenden Staates hinauszugehen (s. BGE 113 Ib 168 E. 6, BGE 112 Ib 590 , ferner nicht publ. Urteile vom 27. Februar 1987 i.S. T. und vom 8. Februar 1984 i.S. Bank S.). BGE 115 Ib 186 S. 193 In seiner Stellungnahme vom 31. August 1988 bestreitet das BAP nicht, dem ersuchenden Staat die hier zur Diskussion stehenden Bankunterlagen ohne vorherige Durchsicht und entsprechend ohne Prüfung der Geheimnisinteressen Dritter "en bloc" herausgegeben zu haben. Die vom BAP angeführten Gründe, solches Vorgehen sei im Hinblick auf einen raschen Vollzug des Ersuchens notwendig gewesen, vermögen nicht zu überzeugen. Es wäre dem BAP - auch bei raschem Vollzug des Begehrens - ohne weiteres möglich gewesen, die Namen der beiden unbeteiligten Drittpersonen D. und E. auszumerzen bzw. sonstwie unkenntlich zu machen oder andere geeignete Massnahmen zu treffen, um das Geheimnisrecht der beiden zu schützen. Dadurch, dass es dies unterliess, verletzte es die genannten Verfahrensbestimmungen und das Verhältnismässigkeitsgebot. Die Beschwerde ist daher insoweit gutzuheissen. Im Sinne dieser Ausführungen hat das BAP die amerikanischen Behörden einzuladen, die bereits erhaltenen Dokumente zurückzusenden. Hernach hat es den Inhalt dieser Dokumente nach Art. 28 BG-RVUS und der in diesem Zusammenhang massgebenden, oben dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu sichten, um so die Geheimnisinteressen der unbeteiligten Dritten D. und E. zu schützen, dies selbstverständlich unter dem Vorbehalt, dass das Rechtshilfeersuchen nicht noch auf diese beiden ausgedehnt wird.
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Ein innerer Widerspruch im Dispositiv des Schiedsspruchs kann nicht als Verletzung des materiellen Ordre public gerügt werden. Es liegt kein Widerspruch darin, einer Prozessbeteiligten, die sich fälschlich als existierende juristische Person ausgegeben hat, die Verfahrenskosten aufzuerlegen (E. 6). Sachverhalt ab Seite 192 BGE 128 III 191 S. 192 A.- Le 10 juin 1993, la société de droit nigérian Z. Corporation (ci-après: Z.) et une entité désignée par la raison sociale X. Inc. (ci-après: X.), se disant domiciliée à Dallas et soumise aux lois du Texas, ont conclu un accord de joint-venture (ci-après: le JVA) ayant pour objet la récupération et le recyclage des résidus de pétrole abandonnés par Z. dans le cadre de ses activités journalières au Nigeria. A cette fin, elles sont convenues de créer, dans ce pays, la société A. Limited (ci-après: A. Ltd) et d'en souscrire le capital à hauteur de 25% pour la première et de 75% pour la seconde. L'accord en question était régi par le droit du Nigeria. Les litiges susceptibles d'en découler devaient être résolus par voie d'arbitrage, conformément au règlement de la Chambre de Commerce et d'Industrie de Genève (CCIG). A. Ltd a été constituée le 22 juin 1993. X. a acheté du matériel et des produits chimiques en vue de l'exécution du projet prévu par le JVA. De son côté, Z. n'a pas respecté son engagement de verser la somme de 650'000 US$ afin de permettre à la société nouvellement créée au Nigeria de fonctionner. En définitive, l'activité envisagée sous le JVA ne s'est pas développée selon les prévisions des parties, celles-ci s'en rejetant mutuellement la responsabilité. B.- Le 23 novembre 1998, X. a introduit une procédure arbitrale devant la CCIG. Le siège de l'arbitrage a été fixé à Genève. Le Tribunal arbitral, composé de trois membres, a décidé de statuer, dans un premier temps, sur le principe de la responsabilité de Z. et de se prononcer ultérieurement, au besoin, sur le montant du dommage allégué par X., soit quelque 1,18 milliard de dollars. BGE 128 III 191 S. 193 Le 3 juillet 2000, il a rendu une sentence partielle dans laquelle il a notamment constaté que X. avait le "locus standi" pour lui soumettre les prétentions découlant du JVA et que Z. n'avait pas exécuté ses obligations contractuelles. Par la suite, le Tribunal arbitral a invité les parties à faire valoir par écrit leurs arguments concernant le montant du dommage, puis il les a convoquées à Londres pour débattre de cette question. L'avant-dernier jour de cette audience, qui s'est déroulée du 23 au 29 janvier 2001, Z. a produit une pièce, intitulée "Certificate of Incorporation", dans laquelle le secrétaire d'Etat du Texas attestait l'inscription d'une société X. Inc. - portant donc le même nom que la demanderesse - opérée le 28 février 2000, c'est-à-dire postérieurement à la conclusion du JVA ainsi qu'au dépôt de la requête d'arbitrage. Sur la base de cette pièce, Z. a contesté tant la compétence du Tribunal arbitral que la capacité d'être partie de la demanderesse. Après avoir donné aux parties l'occasion de s'exprimer par écrit sur ces questions, le Tribunal arbitral, statuant le 9 octobre 2001, a rendu sa sentence finale. Il y a tout d'abord admis sa compétence (ch. 1 du dispositif), avant de constater que X. n'est pas une entité juridique et qu'elle ne peut pas non plus faire valoir ses prétentions en tant que "alter ego" ou en tant que division de Y. Inc., ce qui l'a conduit à mettre fin à la procédure en raison de l'absence de personne juridique existante, du côté de la demanderesse. C.- La sentence finale du 9 octobre 2001 a fait l'objet d'un recours de droit public au Tribunal fédéral formé par l'entité se désignant elle-même comme "X., a division of Y. Inc., un pseudonyme de Y. Inc.". La recourante a conclu à l'annulation de la sentence attaquée, à l'exception du chiffre 1 de son dispositif. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 4. En premier lieu, la recourante soutient, en substance, que, dans sa sentence partielle du 3 juillet 2000, le Tribunal arbitral, en constatant qu'elle avait le "locus standi", lui a reconnu tant la qualité pour agir (ou légitimation active; Aktivlegitimation), que la capacité d'être partie (Parteifähigkeit) et la capacité d'ester en justice (Prozessfähigkeit), mais qu'il est revenu sur cette décision, dans sa sentence finale du 9 octobre 2001, en lui déniant à la fois cette qualité et ces capacités. Elle y voit une violation du principe de l'autorité de la chose jugée ainsi que du principe du dessaisissement BGE 128 III 191 S. 194 (Bindung), qui rendrait la sentence finale incompatible avec l'ordre public procédural. a) Une sentence peut être attaquée lorsqu'elle est contraire à l'ordre public ( art. 190 al. 2 let . e LDIP [RS 291]). On distingue un ordre public matériel et un ordre public procédural ( ATF 126 III 249 consid. 3a). L'ordre public procédural garantit aux parties le droit à un jugement indépendant sur les conclusions et l'état de fait soumis au Tribunal arbitral d'une manière conforme au droit de procédure applicable; il y a violation de l'ordre public procédural lorsque des principes fondamentaux et généralement reconnus ont été violés, ce qui conduit à une contradiction insupportable avec le sentiment de la justice, de telle sorte que la décision apparaît incompatible avec les valeurs reconnues dans un Etat de droit (cf. ATF 126 III 249 consid. 3b et les références). Le tribunal arbitral viole l'ordre public procédural s'il statue sans tenir compte de l'autorité de la chose jugée d'une décision antérieure (BERNARD CORBOZ, Le recours au Tribunal fédéral en matière d'arbitrage international, in SJ 2002 II p. 1 ss, 19 et 29; TSCHANZ/VULLIEMIN, in Revue de l'arbitrage 2001 p. 885 ss, 891) ou s'il s'écarte, dans sa sentence finale, de l'opinion qu'il a émise dans une sentence préjudicielle (Vorentscheid) tranchant une question préalable de fond (HANS PETER WALTER, Praktische Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide, in Bulletin de l'Association suisse de l'arbitrage [ASA] 2001 p. 2 ss, 18 n. 5.1). Les sentences finales (Endentscheide) sont revêtues de l'autorité matérielle de la chose jugée (MARKUS WIRTH, Commentaire bâlois, n. 22 ad art. 188 LDIP ). S'agissant des sentences partielles (Teilentscheide) lato sensu (sur cette terminologie, cf. ATF 116 II 80 consid. 2b et 3b; WIRTH, op. cit., n. 2 ss ad art. 188 LDIP ), il convient de distinguer: les sentences partielles proprement dites (echte Teilentscheide ou Teilentscheide im engeren Sinne), par lesquelles le tribunal arbitral statue sur une partie quantitativement limitée des prétentions qui lui sont soumises ou sur l'une des diverses prétentions litigieuses, bénéficient certes de l'autorité de la chose jugée (WIRTH, op. cit., n. 22 ad art. 188 LDIP ), mais celle-ci ne s'attache qu'aux prétentions sur lesquelles le tribunal arbitral a statué, à l'exclusion d'autres ou de plus amples conclusions (cf., mutatis mutandis, l'arrêt 4C.233/-2000 du 15 novembre 2000, consid. 3a et les références). Quant aux sentences préjudicielles ou incidentes (Vor- oder Zwischenentscheide), qui règlent des questions préalables de BGE 128 III 191 S. 195 fond ou de procédure, elles ne jouissent pas de l'autorité de la chose jugée; il n'en demeure pas moins que, contrairement aux simples ordonnances ou directives de procédure qui peuvent être modifiées ou rapportées en cours d'instance, de telles sentences lient le tribunal arbitral dont elles émanent ( ATF 122 III 492 consid. 1b/bb et les références; WIRTH, op. cit., n. 23 ad art. 188 LDIP ). Ainsi, pour ne citer qu'un seul exemple, le tribunal arbitral qui s'est prononcé, par voie de sentence préjudicielle, sur le principe de la responsabilité de la partie défenderesse est lié par sa décision sur ce point lorsqu'il statue, dans sa sentence finale, sur les prétentions pécuniaires de la partie demanderesse (cf. WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, p. 199 let. b). L'autorité de la chose jugée ne s'attache qu'au seul dispositif du jugement ou de la sentence. Elle ne s'étend pas aux motifs. Cependant, il faudra parfois recourir aux motifs de la décision pour connaître le sens exact, la nature et la portée précise du dispositif ( ATF 125 III 8 consid. 3b p. 13; ATF 123 III 16 consid. 2a p. 18; ATF 116 II 738 consid. 2a in fine; FABIENNE HOHL, Procédure civile, I, n. 1309 et 1311). b) La sentence partielle ("partial award") du 3 juillet 2000 est une sentence préjudicielle, au sens de la terminologie utilisée ici. Les arbitres y ont, en effet, tranché des questions préalables relevant du fond (locus standi de la demanderesse, étendue des obligations imposées à la défenderesse par le JVA et responsabilité de celle-ci à l'égard de sa cocontractante). Comme telle, ladite sentence n'était pas revêtue de l'autorité de la chose jugée. Elle n'en liait pas moins le Tribunal arbitral, qui ne pouvait pas s'en écarter lorsqu'il a rendu sa sentence finale, le 9 octobre 2001. Il convient donc d'examiner si, comme le soutient la recourante, les arbitres ont méconnu le caractère contraignant de la sentence partielle. aa) Seul est en cause, dans ce contexte, le chiffre 1 du dispositif de ladite sentence, ainsi formulé: "X. has locus standi to submit claims to the Arbitral Tribunal arising out of the Joint Venture Agreement of June 10, 1993 and concluded between X. and Z.". Au sujet de l'expression "locus standi", la recourante indique que, selon le Black's Law Dictionary, cette expression désigne le droit d'agir en justice (standing in court), c'est-à-dire la qualité de partie et la capacité d'ester en justice. En réalité, comme l'intimée le souligne avec raison, la définition donnée par ce dictionnaire (6e éd.) n'impose nullement la conclusion qu'en tire la recourante. Cette définition est la suivante: BGE 128 III 191 S. 196 "Locus standi. A place of standing; standing in court. A right of appearance in a court of justice, or before a legislative body, on a given question." A propos du terme "standing", qui apparaît dans cette définition, le même dictionnaire contient les précisions suivantes, sous la rubrique "Standing to sue doctrine": "... The requirement of "standing" is satisfied if it can be said that the plaintiff has a legally protectible and tangible interest at stake in litigation..." La définition de l'expression "locus standi" que donne le dictionnaire cité par la recourante (pour d'autres définitions, cf. THOMAS BAUMGARTEN, Der richtige Kläger im deutschen, französischen und englischen Zivilprozess, thèse Potsdam 2001, in Publications Universitaires Européennes, Série II, vol. 3255, p. 175 s.) n'évoque en rien les notions de capacité d'être partie et de capacité d'ester en justice. Elle se rapproche bien plutôt de celle de légitimation active (ou qualité pour agir) - soit la titularité du droit litigieux ( ATF 125 III 82 consid. 1a) - dans la mesure où elle présuppose l'existence d'une certaine relation de proximité entre la partie qui agit en justice et la question soumise au juge ("on a given question"), exigeant, autrement dit, un intérêt suffisant de celle-là à faire trancher celle-ci (cf. BAUMGARTEN, op. cit., p. 176 ch. 3). Au demeurant, les termes "locus standi" (ou "standing") ne sont guère parlants, au point que la plupart des traités de procédure civile ne les mentionnent pas (BAUMGARTEN, op. cit., p. 176 n. 684). Il faut donc examiner les considérants de la sentence partielle pour déterminer le sens que les arbitres ont voulu attribuer à ces termes. Le Tribunal arbitral s'est penché sur la question du locus standi de X. au considérant VII de sa sentence partielle. Pour contester le locus standi de X., Z. soutenait, en substance, que la demanderesse n'avait pas souscrit le 75% du capital de A. Ltd et qu'elle ne s'était pas fait valablement transférer les actions de cette société par la personne physique qui les avait souscrites, si bien qu'elle ne pouvait pas faire valoir de prétentions dérivant du JVA, en exécution duquel A. Ltd avait été constituée. Les arbitres ont rejeté cette thèse au motif que X. était partie au JVA et qu'elle pouvait ainsi justifier d'un intérêt suffisant à ouvrir une action fondée sur cet accord, indépendamment du point de savoir quels étaient les actionnaires de A. Ltd et si cette société était devenue opérationnelle. Il ressort à l'évidence du résumé des motifs énoncés à l'appui du chiffre 1 du dispositif de la sentence partielle que les arbitres y ont réglé la question préjudicielle de la légitimation active de la demanderesse. Quant à la capacité BGE 128 III 191 S. 197 d'être partie et à celle d'ester en justice de cette dernière, ce sont des problèmes qui n'ont pas été abordés à ce stade de la procédure, n'ayant du reste même pas été soulevés. Preuve en est l'absence de toute référence, dans la sentence partielle, au droit texan, qui régit le statut de cette entité (cf. art. 154 et 155 LDIP ). Selon la recourante, le Tribunal arbitral ne pouvait pas reconnaître sa légitimation active sans admettre également son existence juridique et sa qualité de partie. L'arrêt et l'auteur cités dans le recours à l'appui de cette affirmation ne disent rien de tel ( ATF 117 II 494 consid. 2; POUDRET, Commentaire de l'OJ, n. 2.1 ad art. 53 OJ p. 377). Sans doute est-il vrai que le tribunal arbitral qui reconnaît à une partie la légitimation active suppose que cette partie existe et qu'elle a la capacité d'ester devant lui. On ne saurait en déduire pour autant qu'il tranche de la sorte ces questions non litigieuses et que ses suppositions le lient jusqu'à la fin de la procédure pendante. bb) Les questions que le Tribunal arbitral a tranchées dans sa sentence finale n'avaient plus rien à voir avec le problème de la légitimation active, traité dans la sentence partielle. Le Tribunal arbitral s'est d'abord prononcé sur sa propre compétence, point qui n'est plus litigieux à ce stade de la procédure. Il s'est ensuite agi, pour lui, de déterminer l'identité de la partie demanderesse à l'arbitrage. Pour des motifs qu'il n'est pas nécessaire d'exposer ici, il est arrivé à la conclusion que X. n'est pas une entité juridique et qu'elle ne peut pas non plus faire valoir ses prétentions en tant que "alter ego" ou en tant que division de Y. Inc., ce qui l'a conduit à mettre fin à la procédure en raison de l'absence de personne juridique existante, du côté de la demanderesse. cc) Il ressort de la comparaison effectuée ici entre les deux sentences que les arbitres ne se sont pas écartés de la sentence partielle lorsqu'ils ont rendu leur sentence finale. Par conséquent, le grief de violation de l'ordre public procédural, tiré de la prétendue méconnaissance de l'effet contraignant de la sentence préjudicielle, est dénué de fondement. 6. a) Selon la recourante, le dispositif de la sentence attaquée présenterait une incohérence intrinsèque, constitutive d'une violation de l'ordre public matériel ( art. 190 al. 2 let . e LDIP). L'incohérence résiderait dans le fait, pour le Tribunal arbitral, d'avoir admis (avec raison) sa compétence, tout en refusant (sans raison) de statuer sur les prétentions de la demanderesse, au motif que celle-ci n'aurait pas la qualité de partie, et en mettant néanmoins à sa charge la moitié des frais. BGE 128 III 191 S. 198 b) Une sentence est contraire à l'ordre public matériel lorsqu'elle viole des principes juridiques fondamentaux du droit de fond au point de ne plus être conciliable avec l'ordre juridique et le système de valeurs déterminants; au nombre de ces principes figurent, notamment, la fidélité contractuelle, le respect des règles de la bonne foi, l'interdiction de l'abus de droit, la prohibition des mesures discriminatoires ou spoliatrices, ainsi que la protection des personnes civilement incapables ( ATF 120 II 155 consid. 6a p. 166 et les références). Le moyen pris de l'incohérence intrinsèque du dispositif d'une sentence n'entre pas dans cette définition de l'ordre public matériel. Il est, en conséquence, irrecevable. De toute façon, on ne perçoit aucune incohérence dans le dispositif incriminé: le Tribunal arbitral était compétent pour examiner l'argument de la défenderesse selon lequel la demanderesse n'avait pas la capacité d'être partie ni celle d'ester en justice (cf., mutatis mutandis, ATF 121 III 495 consid. 6c et les références). S'il admettait cet argument, il ne pouvait pas statuer sur les conclusions au fond prises par la partie inexistante. En revanche, rien ne lui interdisait de mettre une partie des frais à la charge de l'entité qui l'avait mis en oeuvre en se présentant faussement comme une personne morale existante et qui en avait fait l'avance (cf. consid. 5, non publié aux ATF 108 II 398 , reproduit in SJ 1983 p. 344).
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Sachverhalt ab Seite 58 BGE 137 V 57 S. 58 A.
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Mit Verfügung vom 13. Dezember 2007 setzte die IV-Stelle des Kantons Glarus (nachfolgend: IV-Stelle) die M. seit 1. Mai 2001 ausgerichtete ganze Rente der Invalidenversicherung ab 1. Februar 2008 auf eine Dreiviertelsrente herab. Die dagegen von M. erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 25. März 2009 in dem Sinne gut, als es den genannten Verwaltungsentscheid aufhob und die Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung im Sinne der Erwägungen und zur anschliessenden Neubeurteilung des Rentenanspruchs an die IV-Stelle zurückwies (...). Dem "teilweise unterliegenden" M. auferlegte es "eine reduzierte Gerichtsgebühr von pauschal Fr. 400.-" und sprach ihm als "teilweise obsiegenden" und anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zulasten der IV-Stelle "eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer)" zu (...). Auf die hiegegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf vollumfängliche Auferlegung der Gerichtsgebühr an die IV-Stelle sowie Zusprache einer ungekürzten Parteientschädigung im kantonalen Verfahren trat das Bundesgericht mit Urteil vom 30. April 2009 nicht ein, da es sich beim Rückweisungsentscheid um einen Zwischenentscheid handle. (...) B. Nach ergänzten Abklärungen (...) sprach die IV-Stelle M. mit Verfügung vom 3. Juni 2010 rückwirkend ab 1. Februar 2008 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu, womit er seit 1. Mai 2001 durchgehend und weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente hat. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt M. beantragen, in Aufhebung von Ziff. 2 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 25. März 2009 sei die Gerichtsgebühr für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. In Aufhebung von Ziff. 3 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus sei ihm für das vorinstanzliche Verfahren eine ungekürzte Parteientschädigung von Fr. 3'000.- zuzusprechen. BGE 137 V 57 S. 59 Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und die IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die auf die Verfügung vom 3. Juni 2010 hin erhobene Beschwerde richtet sich gegen die Entschädigungsfolgen gemäss Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 25. März 2009. Eine direkte Anfechtung dieses strittigen Punkts innert damaliger Rechtsmittelfrist war dem Beschwerdeführer prozessual verwehrt, da die in einem Rückweisungsentscheid getroffene (Kosten- und) Entschädigungsregelung nach ständiger Praxis - wie die Rückweisung im Hauptpunkt selbst - einen Zwischenentscheid ( Art. 93 Abs. 1 BGG ) darstellt, der in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirkt und damit nicht selbstständig beim Bundesgericht angefochten werden kann, wie im Urteil des Bundesgerichts vom 30. April 2009 entschieden worden war. Ihre Anfechtung ist erst mit Beschwerde gegen den Endentscheid möglich. Entscheidet die Instanz, an welche die Sache zurückgewiesen wurde, in der Hauptsache voll zu Gunsten der beschwerdeführenden Person, so kann diese die Kosten- oder Entschädigungsregelung im Rückweisungsentscheid direkt innerhalb der Frist des Art. 100 BGG ab Rechtskraft des Endentscheids mit ordentlicher Beschwerde beim Bundesgericht anfechten ( BGE 133 V 645 E. 2.2 S. 648, bestätigt im Urteil 9C_567/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 2-4; siehe auch Urteile 2C_759/2008 vom 6. März 2009 E. 2 und 9C_688/2009 vom 19. November 2009). 1.2 Mit der Verfügung vom 3. Juni 2010 wurde den materiellrechtlichen Begehren des Beschwerdeführers vollumfänglich entsprochen. Nach dem Gesagten (E. 1.1 hievor) ist daher die fristgerecht ( Art. 100 Abs. 1 BGG ) direkt beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Entschädigungsregelung gemäss Rückweisungsentscheid vom 25. März 2009 zulässig. 1.3 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ( Art. 82 ff. BGG ) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGE 137 V 57 S. 60 BGG erhoben werden. Dabei legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat ( Art. 105 Abs. 1 BGG ). Es kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG ) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Soweit sich der vorinstanzliche Entscheid auf kantonales Recht stützt, kommt als Beschwerdegrund im Wesentlichen die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere von verfassungsmässigen Rechten der Bundesverfassung in Frage ( Art. 95 BGG ). Die Anwendung des kantonalen Rechts als solchen bildet nicht Beschwerdegrund. Überprüft werden kann insoweit nur, ob der angefochtene Entscheid auf willkürlicher Gesetzesanwendung beruht oder ob das Gesetz oder seine Anwendung sonst wie gegen übergeordnetes Recht verstösst (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.1 S. 251 f.; Urteil 8C_123/2009 vom 18. Januar 2010 E. 2 mit Hinweisen). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG ). Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53). Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein ( BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; BGE 129 I 113 E. 2.1 S. 120; je mit Hinweisen). 2. Die Vorinstanz hat die teilweise Kostenauflage an den Beschwerdeführer damit begründet, dass gemäss Art. 134 Abs. 1 lit. c des Gesetzes vom 4. Mai 1986 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Glarus (VRPG/GL; GS III G/1) die unterliegende Partei grundsätzlich die amtlichen Kosten zu tragen hat und bei teilweisem Unterliegen die amtlichen Kosten angemessen herabgesetzt werden (Art. 136 Abs. 2 VRPG/GL). Es sprach nur eine reduzierte Parteientschädigung zu, da gemäss Art. 61 lit. g ATSG (SR 830.1) und Art. 138 Abs. 1 und 3 VRPG/GL der teilweise obsiegende und berufsmässig vertretene Beschwerdeführer Anspruch auf eine angemessene und reduzierte Parteientschädigung habe, wobei eine Rückweisung der Streitsache rechtsprechungsgemäss als teilweises Obsiegen gelte. BGE 137 V 57 S. 61 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht. Nach konstanter Praxis des Bundesgerichts gelte die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu erneuter Abklärung (mit noch offenem Ausgang) für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG , unabhängig davon, ob sie überhaupt beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt werde. Die Rechtslage sei nicht anders in vorliegender Sache, wo sich zwar die Kosten- und Entschädigungsverteilung nicht nach Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG , sondern nach Art. 61 lit. g ATSG richte. 2.1 Nach Art. 61 ATSG (in Verbindung mit Art. 1 IVG und Art. 2 ATSG ) bestimmt sich das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in IV-Streitigkeiten vor dem kantonalen Versicherungsgericht unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG (SR 172.021) nach kantonalem Recht, hat aber den in Art. 61 lit. a-i ATSG aufgezählten Anforderungen zu genügen. Gemäss Art. 138 Abs. 2 VRPG/GL kann der obsiegenden Partei zulasten jener, die unterliegt oder ihr Begehren zurückzieht, eine angemessene Parteientschädigung zugesprochen werden. Von Bundesrechts wegen gibt Art. 61 lit. g ATSG der obsiegenden beschwerdeführenden Partei einen Anspruch auf Parteientschädigung; diese wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Nach der zu aArt. 69 IVG in Verbindung mit dem früheren Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ergangenen Rechtsprechung gilt es auch im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren unter dem Gesichtspunkt des (bundesrechtlichen) Anspruchs auf eine Parteientschädigung im Streit um eine Sozialversicherungsleistung bereits als Obsiegen, wenn die versicherte Person ihre Rechtsstellung im Vergleich zu derjenigen nach Abschluss des Administrativverfahrens insoweit verbessert, als sie die Aufhebung einer ablehnenden Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender Abklärung und neuer Beurteilung erreicht ( BGE 110 V 54 E. 3a S. 57; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 27, I 54/98 E. 3; ZAK 1987 S. 266, I 217/86 E. 5; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 199/02 vom 10. Februar 2004). An dieser Gerichtspraxis ist auch im Hinblick auf den seit 1. Januar 2003 in Kraft stehenden Art. 61 lit. g ATSG (hier anwendbar gemäss Art. 1 Abs. 1 IVG ) festzuhalten ( BGE 132 V 215 E. 6.2 S. 235; so auch BGE 137 V 57 S. 62 UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 117 zu Art. 61 ATSG ). Die durch das kantonale Gericht zugesprochene reduzierte Parteientschädigung verletzt damit Bundesrecht und es ist dem Beschwerdeführer eine ungekürzte Parteientschädigung zuzusprechen. Von welcher ungekürzten Parteientschädigung das kantonale Gericht ausging, ist dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen; es ist lediglich der bereits reduzierte Betrag von Fr. 1'000.- ersichtlich. Nachdem aber die Vorinstanz bei den Gerichtskosten von einem Unterliegen im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel ausgegangen ist (siehe E. 2.2 hernach), ist mit dem Beschwerdeführer anzunehmen, dass das kantonale Gericht das gleiche Verhältnis bei der Festsetzung der Parteientschädigung anwenden wollte, sodass dem Beschwerdeführer eine solche von Fr. 3'000.- zuzusprechen ist. 2.2 Hinsichtlich der Verfahrenskosten sieht Art. 69 Abs. 1 bis IVG vor, dass diese nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200-1'000 Franken festgelegt werden. Mit dieser Art. 61 lit. a ATSG teilweise derogierenden Bestimmung wurde die Kostenpflicht im Rahmen der Verfahrensstraffung der Invalidenversicherung (sog. "kleine" IV-Revision vom 16. Dezember 2005) eingeführt und zielte darauf ab, Versicherte von aussichtslosen Beschwerden abzuhalten (vgl. Botschaft vom 4. Mai 2005 betreffend die Änderung der Invalidenversicherung [Massnahmen zur Verfahrensstraffung], BBl 2005 3079 ff., insbesondere 3081). Art. 69 Abs. 1 bis IVG enthält (anders als Art. 61 lit. g ATSG , vgl. E. 2.1 hievor) keine Kostenverteilungsregeln, also keine Anweisungen an die kantonalen Versicherungsgerichte, nach welchen Grundsätzen sie die Verfahrenskosten auf die Parteien aufzuteilen haben (SZS 2009 S. 133, 9C_672/2008 E. 5.2.1; vgl. auch Urteile 8C_568/2010 vom 3. Dezember 2010 E. 4.2 und 9C_94/2010 vom 26. Mai 2010 E. 4.3). Die Bestimmung schränkt die Kompetenz der Kantone zur Regelung des Verfahrens vor den kantonalen Versicherungsgerichten lediglich, aber immerhin, in Bezug auf den Grundsatz der Kostenpflicht an sich (und den zu beachtenden Kostenrahmen) ein. Dass bei einem vollständigen Obsiegen - und als solches gilt (und galt bereits unter der Herrschaft der bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Mindestvorschriften von Art. 85 Abs. 2 AHVG ) die Rückweisung zu ergänzenden Abklärungen von Bundesrechts wegen (vgl. E. 2.1 hievor) - der erfolgreichen Partei keine Kosten auferlegt werden können, ist nicht eine Frage des Ausmasses der Kostenpflicht, sondern der grundsätzlichen Kostenpflicht an sich. Damit BGE 137 V 57 S. 63 bleibt auch unter der Herrschaft von Art. 69 Abs. 1 bis IVG für eine kantonale Regelung, mit welcher dem obsiegenden Beschwerdeführer ein Teil der Gerichtskosten überbunden wird, kein Raum. Die Vorinstanz hätte deshalb dem Beschwerdeführer keine Gerichtskosten auferlegen dürfen. Ob demgegenüber die IV-Stelle nunmehr die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat (wozu sie der Entscheid vom 25. März 2009 nicht verpflichtet, auch nicht teilweise), kann nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein, da der Beschwerdeführer hievon nicht berührt ist ( Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG ; Urteil 9C_22/2008 vom 20. August 2008 E. 6), weshalb der entsprechende Antrag unzulässig ist.
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Sachverhalt ab Seite 202 BGE 144 IV 202 S. 202 A. Le 8 juin 2016, le Ministère public de la République et canton de Genève a ouvert une instruction pénale contre X., pour abus de confiance, escroquerie et appropriation illégitime. En substance, il était reproché à X. d'avoir, dans le cadre de son activité au sein de son entreprise A. SA ou du Groupe B. SA, acquis BGE 144 IV 202 S. 203 à Genève, le 30 mars 2015, auprès de C. et de D., les actifs de l'entreprise E. SA, en remettant aux prénommés en propriété, à titre de garantie du prix de vente, plusieurs bateaux, qui s'étaient ensuite révélés ne pas lui appartenir non plus qu'à ses sociétés et qu'il aurait ultérieurement revendus, sans égard à l'aliénation précitée. Il lui était également reproché de s'être, à F., à partir de septembre 2013, approprié plusieurs bateaux, remorques et véhicules appartenant à G. Enfin, il était reproché à X. d'avoir reçu en paiement, de la part de H., un bateau et une somme de 300'000 fr., qui devaient être affectés à l'acquisition d'un bateau de marque I., mais d'avoir disposé de ces actifs à d'autres fins, sans avoir été en mesure de fournir une contre-prestation à l'acheteur. A la suite d'un arrangement passé avec X., C. et D. ont, le 5 septembre 2016, retiré leur plainte pénale. H. en a fait de même le 14 novembre 2016. B. Par ordonnance du 22 mai 2017, le Ministère public a classé la procédure pénale dirigée contre X. et a mis à la charge du prénommé les frais de la procédure causés par les plaintes de C. et D., d'une part et, d'autre part, de H., soit au total 1'305 francs. Il a par ailleurs laissé les frais liés à la plainte de G. - soit 10 % des frais totaux - à la charge de l'Etat. En bref, le Ministère public a considéré que la procédure pouvait être classée, en application de l' art. 53 CP , s'agissant des faits dont s'étaient plaints C., D. et H., lesquels avaient été désintéressés par X. Il a par ailleurs estimé qu'aucun soupçon suffisant n'était apparu concernant les faits dont s'était plaint G. Comme X. avait, selon le Ministère public, provoqué l'ouverture de la procédure s'agissant des faits dénoncés par C., D. et H., il convenait de mettre les frais y relatifs, représentant 90 % du coût total des investigations, à sa charge. C. Par arrêt du 14 juillet 2017, la Chambre pénale de recours de la Cour de justice genevoise a admis le recours formé par X. contre l'ordonnance de classement du 22 mai 2017, a annulé celle-ci dans la mesure où elle mettait des frais de procédure à la charge de l'intéressé et a renvoyé la cause au Ministère public afin qu'il alloue à celui-ci une indemnité pour ses frais de défense dans le cadre de la procédure préliminaire. D. Le Ministère public forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre l'arrêt du 14 juillet 2017, en concluant, avec suite BGE 144 IV 202 S. 204 de frais, principalement à sa réforme en ce sens que X. est condamné au paiement des frais de la procédure préliminaire en lien avec les plaintes pénales déposées par C., D. et H., soit 1'305 fr., que 10 % des frais de procédure - correspondant aux investigations consécutives à la plainte déposée par G. -, soit 145 fr., sont laissés à la charge de l'Etat et qu'aucune indemnité n'est octroyée à X. pour ses frais de défense en procédure préliminaire. Subsidiairement, il conclut à sa réforme en ce sens que X. est condamné au paiement des frais de la procédure préliminaire en lien avec les plaintes pénales déposées par C., D. et H., soit 1'305 fr., que 10 % des frais de procédure - correspondant aux investigations consécutives à la plainte déposée par G. -, soit 145 fr., sont laissés à la charge de l'Etat et qu'une indemnité partielle est octroyée à X., en proportion des frais laissés à la charge de l'Etat. Plus subsidiairement, il conclut à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. E. Invités à se déterminer, la cour cantonale a indiqué persister dans les termes de sa décision, tandis que X. a conclu au rejet du recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant soutient qu'en cas de classement de la procédure par le ministère public fondé sur l' art. 53 CP , il ne serait "pas admissible" que "la collectivité publique encour[e] un dommage en devant supporter les frais directs et indirects d'une procédure pénale". Selon lui, si l'intimé avait été renvoyé en jugement, le tribunal saisi aurait pu l'exempter de toute peine sur la base de l' art. 53 CP , mais n'aurait pas prononcé un acquittement et aurait condamné l'intéressé à supporter les frais de la cause, conformément à l' art. 426 al. 1 CPP . 2.1 La cour cantonale a considéré que la tromperie à laquelle avait pu recourir l'intimé vis-à-vis de ses cocontractants ne pouvait lui être imputée pour justifier une mise à sa charge des frais de la procédure pénale, dans la mesure où la prévention d'escroquerie, impliquant une telle tromperie, avait été abandonnée et que la jurisprudence prohibait - en vertu de la présomption d'innocence - de retenir ou de suggérer que l'intéressé s'était néanmoins rendu coupable d'une infraction. 2.2 Le raisonnement de la cour cantonale tombe à faux. Certes, selon une jurisprudence bien établie, la condamnation d'un prévenu acquitté à supporter tout ou partie des frais doit respecter la présomption d'innocence, consacrée par les art. 32 al. 1 Cst. et BGE 144 IV 202 S. 205 6 par. 2 CEDH. Celle-ci interdit de rendre une décision défavorable au prévenu libéré en laissant entendre que ce dernier serait néanmoins coupable des infractions qui lui étaient reprochées. Une condamnation aux frais n'est ainsi admissible que si le prévenu a provoqué l'ouverture de la procédure pénale dirigée contre lui ou s'il en a entravé le cours. A cet égard, seul un comportement fautif et contraire à une règle juridique, qui soit en relation de causalité avec les frais imputés, entre en ligne de compte ( ATF 119 Ia 332 consid. 1b p. 334; ATF 116 Ia 162 consid. 2c p. 168; arrêts 6B_556/2017 du 15 mars 2018 consid. 2.1; 6B_301/2017 du 20 février 2018 consid. 1.1). Pour déterminer si le comportement en cause est propre à justifier l'imputation des frais, le juge peut prendre en considération toute norme de comportement écrite ou non écrite résultant de l'ordre juridique suisse pris dans son ensemble, dans le sens d'une application par analogie des principes découlant de l' art. 41 CO . Le fait reproché doit constituer une violation claire de la norme de comportement (ATF 119 la 332 consid. 1b p. 334; arrêt 6B_301/2017 précité consid. 1.1). Une condamnation aux frais ne peut se justifier que si, en raison du comportement illicite du prévenu, l'autorité était légitimement en droit d'ouvrir une enquête. Elle est en tout cas exclue lorsque l'autorité est intervenue par excès de zèle, ensuite d'une mauvaise analyse de la situation ou par précipitation ( ATF 116 Ia 162 consid. 2c p. 170 s.; arrêt 6B_301/2017 précité consid. 1.1; cf. art. 426 al. 3 let. a CPP ). La mise des frais à la charge du prévenu en cas d'acquittement ou de classement de la procédure doit en effet rester l'exception ( ATF 116 Ia 162 consid. 2c p. 171; arrêt 6B_301/2017 précité consid. 1.1). Ces principes ne trouvent toutefois pas application en l'espèce. 2.3 Dans un arrêt non publié du 22 décembre 2017 (6B_156/2017), le Tribunal fédéral a indiqué, sans plus de développements, que le sort des frais de procédure était régi, en cas de renonciation à poursuivre le prévenu fondée sur l' art. 53 CP , par l' art. 426 al. 2 CPP . Il s'est référé à cet égard à l'avis de DOMEISEN (THOMAS DOMEISEN, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, vol. II, 2 e éd. 2014, n° 8 ad art. 426 CPP ), selon lequel il conviendrait, en cas de classement fondé sur les art. 52 à 55 CP, d'appliquer l' art. 426 al. 2 CPP en matière de frais, eu égard à l'impossibilité de retenir ou de laisser entendre que le prévenu serait, d'une quelconque manière, coupable de l'infraction en question. Cette opinion est partagée par quelques autres auteurs (cf. TRECHSEL/KELLER, in Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Trechsel/Pieth [éd.], 3 e éd. 2018, BGE 144 IV 202 S. 206 n° 6 ad vor art. 52 CP ; FRANZ RIKLIN, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. I, 3 e éd. 2013, n° 37 ad vor art. 52-55 CP ). Or, l' art. 53 CP s'intègre dans une section du Code pénal intitulée "Exemption de peines et suspension de la procédure", qui regroupe les art. 52 à 55a CP. L' art. 52 CP subordonne notamment la renonciation à poursuivre l'auteur, à renvoyer celui-ci devant le juge ou à lui infliger une peine, au peu d'importance de sa "culpabilité". L' art. 54 CP évoque quant à lui l'"atteinte" subie par l'auteur consécutivement à son acte. Enfin, l' art. 53 CP règle le sort de la procédure pour le cas où l'auteur aura réparé le "dommage" ou compensé le "tort" causé. Chacune de ces dispositions repose donc sur la prémisse selon laquelle l'auteur a commis un acte illicite, pour lequel il porte une part de culpabilité (cf. art. 52 CP ), ou par lequel il a causé une "atteinte" (cf. art. 54 CP ), un "dommage" ou un "tort" (cf. art. 53 CP ). A cet égard, la loi prévoit certes que le ministère public et les tribunaux rendent, le cas échéant, une ordonnance de non-entrée en matière ou de classement (cf. art. 8 al. 4 CPP ). Cette décision, en ce qu'elle n'emporte pas condamnation et ne se prononce pas sur la culpabilité, ne porte pas atteinte à la présomption d'innocence dont bénéficie le prévenu. Néanmoins, compte tenu de l'acte illicite nécessairement commis et en dépit duquel une non-entrée en matière ou un classement est prononcé, une mise à sa charge des frais s'avère en tous les cas justifiée. En l'espèce, si l'intimé a pu réparer le dommage qu'il avait causé, par une tromperie, à ses cocontractants, et ainsi bénéficier d'un classement fondé sur l' art. 53 CP , rien ne s'oppose à ce que cette même tromperie, qui a entraîné l'intervention de l'autorité pénale, soit par ailleurs retenue pour justifier la mise à sa charge des frais de procédure. Compte tenu de ce qui précède, la cour cantonale a violé le droit fédéral en considérant que les frais découlant des volets de la procédure pour lesquels l'intimé a bénéficié d'un classement fondé sur les art. 53 CP et 8 CPP ne devaient pas être mis à sa charge. Le recours doit être admis sur ce point, l'arrêt attaqué annulé et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
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Sachverhalt ab Seite 266 BGE 128 IV 265 S. 266 A.- A.a Im Oktober 1989 eröffnete die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen Y. eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts des Menschenhandels, der Förderung der Prostitution, der Ausnützung der Notlage und der kriminellen Organisation. Die Strafuntersuchung wurde am 14. Mai 1992 auf X. und in einem späteren Zeitpunkt auf zwei weitere Personen ausgedehnt. In der Zeit vom 23. Mai 1995 bis zum 5. Juli 1995 befand sich X. in Untersuchungshaft. Die Bezirksanwaltschaft Hinwil stellte mit Verfügung vom 12. Januar 2000 die Strafuntersuchung wegen Menschenhandels, Förderung der Prostitution, Ausnützung der Notlage, krimineller Organisation, (altrechtlichen) gewerbsmässigen Frauenhandels und (altrechtlicher) gewerbsmässiger Kuppelei gegen die vier Beschuldigten ein. A.b Mit Strafbefehl vom 12. Januar 2000 verurteilte die Bezirksanwaltschaft Hinwil X. wegen mehrfacher Urkundenfälschung im BGE 128 IV 265 S. 267 Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 42 Tagen. Dagegen erhob X. Einsprache. A.c Am 25. Mai 2000 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich X. vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung frei. Das Gericht vertrat die Auffassung, zwar sei der objektive Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne, d.h. der Herstellung einer unechten Urkunde, erfüllt, doch habe die Beschuldigte nicht in der Absicht gehandelt, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Dagegen erklärte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Berufung. A.d Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 8. November 2001 der mehrfachen Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von 1'500 Franken, wobei es die festgestellte Verletzung des Beschleunigungsgebotes erheblich strafmildernd berücksichtigte. A.e X. wird zur Last gelegt, sie habe als Geschäftspartnerin in der Z., Agentur für Show, Artistik und Musik, Y. & Partner, welche unter anderem ausländische Striptease-Tänzerinnen an Nachtclubs vermittelte, ab einem unbestimmten Zeitpunkt zirka im Jahr 1990 bis spätestens Mai 1995 am Geschäftssitz der Agentur in Zürich immer wieder eine gesamthaft nicht genau bekannte Anzahl von Engagementverträgen zwischen den Nachtclubs und den Tänzerinnen anstelle der - mit diesem Vorgehen allerdings einverstandenen - Tänzerinnen selber mit deren Namen oder Künstlernamen unterzeichnet, ohne aber deren Unterschriften etwa nachzuahmen. Sie habe dies in Fällen, in denen die zu engagierenden Tänzerinnen wegen anderweitiger Engagements nicht ohne weiteres erreichbar gewesen seien, getan, um die Verträge möglichst frühzeitig bei der kantonalen Fremdenpolizei, welche Unterschriften der Tänzerinnen selbst verlangt habe, einreichen zu können, damit die erforderlichen Arbeits-/Aufenthaltsbewilligungen noch rechtzeitig für die vermittelten Engagements erteilt wurden; dadurch habe ein allfälliger Ausfall von Tänzerinnen-Engagements bei den Nachtclubs sowie der damit verbundene Provisionsverlust der Agentur vermieden werden können. B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. BGE 128 IV 265 S. 268 Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Urkundenfälschung macht sich unter anderem schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht. 1.1 1.1.1 Fälschen ist Herstellen einer unechten Urkunde, deren wirklicher Aussteller nicht mit dem aus ihr ersichtlichen Aussteller identisch ist ( BGE 123 IV 17 E. 2 mit Hinweisen). Wirklicher Aussteller einer Urkunde ist derjenige, welchem sie im Rechtsverkehr als von ihm autorisierte Erklärung zugerechnet wird. Dies ist gemäss der heute insoweit vorherrschenden so genannten "Geistigkeitstheorie" derjenige, auf dessen Willen die Urkunde nach Existenz und Inhalt zurückgeht (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000, § 36 N. 5, mit Hinweisen). 1.1.2 Bei Vertretungsverhältnissen ist somit wirklicher Aussteller der Urkunde der Vertretene, welcher den Vertreter zu der in der Urkunde enthaltenen Erklärung ermächtigt. Dies gilt zum einen bei der offenen Stellvertretung, bei welcher der Beauftragte mit seinem eigenen Namen, allenfalls mit einem das Auftragsverhältnis hervorhebenden Zusatz ("i.A.", "i.V." etc.), die vom Auftraggeber nach Existenz und Inhalt gewollte Urkunde unterzeichnet. Es gilt grundsätzlich aber auch bei der so genannten verdeckten Stellvertretung, bei welcher der Vertreter die vom Vertretenen nach Existenz und Inhalt gewollte Urkunde mit dessen Einverständnis mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet und ein Hinweis auf das tatsächlich bestehende Vertretungsverhältnis fehlt (HANS WALDER, Falsche schriftliche Erklärungen im Strafrecht, insbesondere die so genannte "Falschbeurkundung" nach Art. 251 StGB , in: ZStrR 99/1982 S. 70 ff., 81; STRATENWERTH, a.a.O., § 36 N. 8, mit Hinweisen; KLAUS SCHWAIGHOFER, Die Strafbarkeit des "Unterschreibens für andere", in: Juristische Blätter 116/1994 S. 223 ff., 228, 230). Die vom Vertreter im Einverständnis des Vertretenen mit dem Namen des Letzteren unterzeichnete Erklärung, die der Vertretene nach Existenz und Inhalt gewollt hat, ist somit, auch wenn das Vertretungsverhältnis nicht erkennbar und damit verdeckt ist, grundsätzlich echt, da der aus der Urkunde ersichtliche Aussteller, d.h. der Vertretene, mit dem gemäss der "Geistigkeitstheorie" wirklichen BGE 128 IV 265 S. 269 Aussteller, auf dessen Willen die Urkunde nach Existenz und Inhalt zurückgeht, identisch ist. 1.1.3 Vorbehalten bleiben indessen die Fälle der eigenhändigen Urkunden. Bei der eigenhändig zu errichtenden Urkunde ist derjenige als wirklicher Aussteller anzusehen, von dessen Hand sie herrührt, der sie mithin tatsächlich niedergeschrieben bzw. zumindest tatsächlich unterzeichnet hat (STRATENWERTH, a.a.O., § 36 N. 9, mit Hinweisen). Dies gilt nicht nur, wenn die eigenhändige Errichtung der Urkunde, wie etwa bei der eigenhändigen letztwilligen Verfügung, gesetzlich vorgeschrieben ist (siehe STRATENWERTH, a.a.O., § 36 N. 9), sondern grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die eigenhändige Errichtung nach Herkommen oder sonst nach den Umständen vorausgesetzt oder im Rechtsverkehr erwartet wird (GÜNTER GRIBBOHM, Leipziger Kommentar, 11. Aufl. 2001, § 267 [dt.]StGB N. 40; DIETHART ZIELINSKI, Urkundenfälschung durch Computer, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, 1989, S. 605 ff., 610 Fn. 25), mithin insbesondere auch, wenn eine Behörde die eigenhändige Unterzeichnung einer ihr vorzulegenden Erklärung verlangt. 1.2 Mit Rücksicht auf diese Erwägungen hat die Vorinstanz den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne durch Herstellung von unechten Urkunden im vorliegenden Fall im Ergebnis zu Recht als erfüllt erachtet. Die Beschwerdeführerin hat die von ihr vermittelten Engagementverträge zwischen den Nachtclubs und den Tänzerinnen mit den Namen bzw. Künstlernamen der Tänzerinnen unterzeichnet. In tatsächlicher Hinsicht ist dabei aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Tänzerinnen mit diesem Vorgehen einverstanden waren. Aus dem angefochtenen Urteil geht allerdings nicht eindeutig hervor, ob die Tänzerinnen ihr Einverständnis jeweils in Kenntnis des Vertragsinhalts gaben. Auch wenn man dies bejaht und daher davon ausgeht, dass die aus den Verträgen als Ausstellerinnen der Urkunden ersichtlichen Tänzerinnen auch die "geistigen" Urheberinnen und damit gemäss der "Geistigkeitstheorie" die wirklichen Ausstellerinnen seien, da die Existenz und der Inhalt der unstreitig als Urkunden zu qualifizierenden Verträge auf ihren Willen zurückgingen, sind die Urkunden unecht. Denn die Fremdenpolizei verlangte, wie die Beschwerdeführerin wusste, dass die zwecks Erteilung der Aufenthalts-/Arbeitsbewilligungen vorgelegten Engagementverträge von den Tänzerinnen selbst unterzeichnet wurden. Die Fremdenpolizei forderte mithin - übrigens aus guten Gründen - die eigenhändige Errichtung der Urkunden durch die BGE 128 IV 265 S. 270 Tänzerinnen. Bei eigenhändig zu errichtenden Urkunden wird aber, wie dargelegt, im Rechtsverkehr als wirklicher Aussteller betrachtet, wer die Urkunde tatsächlich unterzeichnet hat. Die der Fremdenpolizei vorgelegten Engagementverträge wurden von der Beschwerdeführerin selbst mit den Namen bzw. den Künstlernamen der Tänzerinnen unterzeichnet; die Beschwerdeführerin ist somit die wirkliche Ausstellerin. Sie ist mit den Tänzerinnen, die aus den Verträgen als Ausstellerinnen ersichtlich sind, nicht identisch. Die Beschwerdeführerin hat die der Fremdenpolizei vorgelegten Engagementverträge mit den Namen bzw. Künstlernamen der Tänzerinnen unterschrieben, um vorzutäuschen, dass - wie es die Fremdenpolizei verlangte - die Tänzerinnen die Verträge eigenhändig unterzeichnet hätten. Damit hat die Beschwerdeführerin unechte Urkunden hergestellt (siehe BGE 102 IV 191 E. 1; BGE 75 IV 166 E. 1). Dass die Tänzerinnen mit diesem Vorgehen einverstanden waren, bedeutet nur, dass sie der Herstellung von unechten Urkunden durch die Beschwerdeführerin zustimmten. Die Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, diese Zustimmung sei als eine die Straftat der Urkundenfälschung rechtfertigende Einwilligung zu qualifizieren. Art. 251 StGB schützt das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr sowohl der Echtheit als auch der Wahrheit von Urkunden entgegengebracht wird. Daher kann in die Herstellung einer unechten Urkunde nicht rechtswirksam eingewilligt werden, auch nicht durch diejenige, deren Namen zur Herstellung der unechten Urkunde verwendet wird. 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin hat die Verträge gemäss den Feststellungen im angefochtenen Urteil aus zeitlichen Gründen und aus Bequemlichkeit selber mit den Namen bzw. den Künstlernamen der Tänzerinnen unterzeichnet. Es ging darum, Zeit zu sparen bzw. keine Zeit zu verlieren. Die Tänzerinnen waren nicht ohne weiteres erreichbar. Daher bestand stets das Risiko, dass ein von einer Tänzerin selbst unterzeichneter Vertrag nicht mehr so rechtzeitig der Fremdenpolizei vorgelegt werden konnte, dass die erforderlichen Bewilligungen noch vor dem Antritt des vermittelten Engagements in einem bestimmten Nachtclub vorlagen. Solches wäre für die Agentur, für welche die Beschwerdeführerin tätig war, mit Nachteilen (Umtrieben, Verlust oder Kürzung der Provision, Schmälerung des Goodwill) verbunden gewesen. 2.2 Die Vermeidung solcher Risiken stellt einen Vorteil im Sinne von Art. 251 StGB dar. Dieser Vorteil ist unrechtmässig, da er durch BGE 128 IV 265 S. 271 die Vorlage von gefälschten Urkunden erlangt wurde. Der angestrebte Vorteil im Sinne von Art. 251 StGB muss entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht schon als solcher unrechtmässig sein. Strafbar ist auch, wer mit der gefälschten Urkunde einen rechtmässigen Anspruch durchsetzen oder einen ungerechtfertigten Nachteil abwenden will ( BGE 119 IV 234 E. 2c; BGE 121 IV 90 E. 2). Es ist daher unerheblich, dass die Beschwerdeführerin durch die Einreichung der gefälschten Urkunden die Fremdenpolizei nicht über die Identität der Tänzerinnen täuschen und somit auch nicht den behördlichen Entscheid als solchen, sondern einzig den Zeitpunkt der Erteilung der erforderlichen Bewilligungen beeinflussen wollte. 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es liege ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB vor. Die Urkunden seien objektiv wahr gewesen. Die Fremdenpolizei wäre bei Vorlage der von den Tänzerinnen selbst unterzeichneten Urkunden zu keinen andern Entscheiden betreffend die Bewilligungen gelangt. Der von der Beschwerdeführerin angestrebte und erreichte Vorteil sei gering gewesen. Es sei lediglich um eine schnellere, unkompliziertere Abwicklung des Bewilligungsverfahrens gegangen. Ein Vermögensvorteil sei nicht erlangt worden. 3.2 Ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB ist gegeben, wenn das inkriminierte Verhalten in objektiver und in subjektiver Hinsicht Bagatellcharakter aufweist. Da lediglich besonders leichte Fälle (cas de très peu de gravité) privilegiert sind, ist ein strenger Masstab anzulegen. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs steht dem kantonalen Richter ein dem Ermessen ähnlicher Beurteilungsspielraum zu, in den der Kassationshof nicht eingreift ( BGE 114 IV 126 betreffend Art. 251 Ziff. 3 aStGB, dem Art. 251 Ziff. 2 StGB entspricht). Die Beschwerdeführerin fälschte in der Zeit von 1990 bis 1995 im Rahmen der Ausübung ihres Berufes eine unbestimmte Vielzahl von Formularverträgen in der Weise, dass sie die von ihr vermittelten Engagementverträge zwischen den Nachtclubs und den Tänzerinnen selber mit den Namen bzw. den Künstlernamen der Letzteren unterschrieb, womit diese einverstanden waren. Sie tat dies, um sicherzustellen, dass die Fremdenpolizei, welche eine Unterzeichnung der Verträge durch die Tänzerinnen selbst verlangte, die erforderlichen Aufenthalts-/Arbeitsbewilligungen an die Tänzerinnen, die nicht ohne weiteres erreichbar waren, rechtzeitig vor Antritt der BGE 128 IV 265 S. 272 vermittelten Engagements erteilte; dadurch konnte das Risiko von wirtschaftlichen Nachteilen für die Agentur, welche sich aus einer verspäteten Erteilung der Bewilligungen ergeben konnten, vermindert werden. In Anbetracht des langen Zeitraums der deliktischen Tätigkeit, der - allerdings unbestimmten - Vielzahl von Fälschungen, der Begehung dieser Taten im Rahmen der Berufsausübung und der letztlich auch finanziellen Beweggründe durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht einen besonders leichten Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB verneinen.
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Sachverhalt ab Seite 423 BGE 89 II 422 S. 423 Riassunto dei fatti: La Campari SA, Viganello, ha convenuto davanti alla Camera civile del Tribunale di appello di Lugano la Cinzano & Cia. S.p.A., Torino, asserendo che la messa in commercio in Svizzera del bitter Cinzano e del Cinzano soda, nel modo usato dalla Cinzano & Cia., costituisce atto di concorrenza sleale e di violazione dei suoi marchi. Essa ha domandato di essere legittimata ad esigere la cancellazione di alcuni marchi della Cinzano & Cia. e di far divieto alla medesima di smerciare ulteriormente detti prodotti con i colori e la presentazione propri ai prodotti Campari. La Corte cantonale ha respinto l'eccezione di incompetenza territoriale interposta dalla convenuta. Essa ha fatto rilevare che l'azione contro il convenuto all'estero, al foro del luogo ove è stato commesso il presunto atto illecito - in concreto il Ticino - è consentita dall'art. 5 LCS. Vero è che l'attrice ha invocato anche la LM, il cui art. 30 ammette l'azione a Berna contro deponenti domiciliati all'estero di marchi iscritti in Svizzera, ma trattandosi dell'applicazione cumulativa delle due leggi, deve valere il foro stabilito dalla legge più generale che, nel caso particolare, è la LCS. La Cinzano Torino ha tempestivamente interposto al Tribunale federale un ricorso per riforma, mediante il quale domanda che la sentenza cantonale sia annullata ed accolta l'eccezione di incompetenza. Essa richiama le norme procedurali di cui agli art. 49 e 64 OG ed afferma che la Corte cantonale ha violato gli art. BGE 89 II 422 S. 424 6 del trattato di domicilio e consolare concluso tra la Svizzera e l'Italia il 22 luglio 1868, 5 LCS e 30 LM. Le sue argomentazioni possono essere riassunte come segue. I controversi prodotti bitter Cinzano e Cinzano soda sono venduti in Svizzera dalla Cinzano di Losanna che li produce nello stabilimento della ditta Paulin Pouillot SA di Losanna. La Campari è edotta di questa circostanza già dal 1957, alla qual epoca aveva anzi trattato con la Cinzano Torino per un componimento bonale della vertenza. La Cinzano Torino ha diritto di essere giudicata dal suo giudice naturale, vale a dire dalla giurisdizione torinese, in virtù dell'art. 6 del trattato italo svizzero del 1868 che garantisce ai cittadini italiani la reciprocità in fatto di protezione giudiziaria. Del resto, le norme della convenzione tra la Svizzera e l'Italia del 3 gennaio 1933 stabiliscono l'ineseguibilità delle sentenze emanate da tribunali incompetenti. La Corte cantonale ha comunque erroneamente applicato le norme speciali del diritto federale. L'art. 5 LCS, il quale dispone che l'azione può essere proposta davanti al giudice del luogo ove è stato commesso l'atto, non è applicabile in concreto, perchè non è stato accertato che gli atti illeciti addotti dalla controparte siano stati compiuti nel Ticino. D'altronde, l'art. 30 LM consente in Svizzera contro persone all'estero solo l'azione davanti al foro di Berna. La parte attrice ha presentato le sue osservazioni di risposta, proponendo che, in quanto ricevibile, il ricorso sia respinto.
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Erwägungen Considerando in diritto: 4. Le disposizioni sul foro appartengono alla procedura giudiziaria e all'amministrazione della giustizia, per cui sono, di massima, riservate ai cantoni (art. 64 cpv. 3 CF; cfr. GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht p. 742 e seg.). In questo campo le competenze cantonali sono limitate dall'art. 59 CF che, per obbligazioni personali di persone BGE 89 II 422 S. 425 domiciliate in Svizzera, prescrive il foro del domicilio, nonchè da eventuali norme di trattati internazionali e dalle disposizioni stabilenti un foro di diritto federale. Inoltre, in determinati casi, le parti hanno la possibilità di stabilire un foro convenzionale. La ricorrente ha accennato a corrispondenze intercorse direttamente fra l'attrice e la Cinzano Losanna, ma non ha addotto alcun preciso dato di fatto che possa comunque far concludere ad una rinuncia della Campari a convenire la Cinzano Torino. Peraltro, al riguardo, la convenuta non ha formulato una precisa contestazione. Essa ha anche accennato alla "garanzia del giudice naturale al luogo del proprio domicilio", ma non ha espressamente invocato l'art. 59 CF, ed a giusta ragione, perchè detta garanzia costituzionale si estende solo agli stranieri che - contrariamente a quanto risulta nel caso particolare - sono domiciliati in Svizzera. Ne consegue che le contestazioni ammissibili, regolarmente proposte in questa sede, sono soltanto quelle fondate sulla violazione del trattato italo svizzero di domicilio e consolare e sulle speciali norme della LCS e della LM. Il ricorso può pertanto essere accolto soltanto se è dimostrata una violazione di una imperativa disposizione delle leggi e del trattato anzidetti. L'eventuale violazione di una norma di diritto cantonale non è proponibile in sede di ricorso per riforma (art. 43 cpv. 1 OG). a) L'art. 6 del trattato concluso il 22 luglio 1868 tra la Svizzera e l'Italia dispone in sostanza che i cittadini di ognuno dei due paesi contraenti godono nell'altro della stessa protezione giudiziaria concessa ai cittadini nazionali. La Corte cantonale, giudicando che la convenuta, essendo domiciliata all'estero, poteva, in virtù dell'art. 5 LCS, essere chiamata in causa nel Ticino, non ha certamente violato detta norma. Come ha giustamente rilevato l'attrice, non v'è ragione per far concludere che, se si fosse trattato di una ditta svizzera domiciliata in Italia, la Corte cantonale avrebbe agito diversamente. BGE 89 II 422 S. 426 D'altronde, trattandosi di una sentenza da eseguire in Svizzera, la convenzione tra la Svizzera e l'Italia circa il riconoscimento e l'esecuzione delle decisioni giudiziarie, che la ricorrente riferisce all'art. 6 dell'anzidetto trattato, non può evidentemente avere alcuna pertinenza con il caso in esame. b) L'art. 5 cpv. 1 LCS dispone che, se il convenuto non ha domicilio nella Svizzera, l'azione può essere proposta al giudice del luogo dove l'atto è stato commesso. L'attrice afferma che gli asseriti atti illeciti sono stati compiuti in Italia e più precisamente presso la ditta Cinzano Torino. È tuttavia indiscusso che, in applicazione analogica dell'art. 346 CP, se il luogo ove l'atto illecito è stato compiuto si trova all'estero, si considera come foro del luogo ove tale atto è stato commesso quello del posto in Svizzera in cui l'evento si è verificato (Vedi messaggio del CF nel FF 1942, pag. 454; RU 68 IV 54; VON BÜREN, Kommentar zum UWG n. 6 all'art. 5). In concreto è pacifico che i controversi prodotti sono stati messi in vendita anche nel Ticino. Non vi può quindi essere dubbio che, se fosse stata fondata esclusivamente sulla LCS, l'azione contro la Cinzano Torino avrebbe po-tuto essere promossa a Lugano anche in virtù del diritto federale. Sennonchè, l'art. 5 cpv. 2 LCS stabilisce espressamente che l'azione fondata su concorrenza sleale ma connessa, come nel caso particolare, con un'altra causa civile, fra altro anche con una causa in materia di marchi, "può parimente" essere proposta al tribunale cantonale cui spetta di decidere come istanza unica l'altra causa. L'espressione "può parimente" toglie a questa disposizione ogni carattere imperativo e le dà, rispetto al precedente capoverso, soltanto il valore di una facoltà di deroga. L'azione fondata sulla LCS, ma connessa con altra causa civile, può pertanto essere proposta sia al foro dell'altra causa (poco importa se il medesimo è di diritto federale o di diritto cantonale), sia a quello altrimenti stabilito in BGE 89 II 422 S. 427 applicazione della LCS stessa. L'unica conclusione di diritto federale che può essere dedotta dall'art. 5 cpv. 2 è quindi quella del riconoscimento all'attore della facoltà di proporre l'azione congiuntamente ad altra causa civile connessa; e ciò anche in deroga al foro stabilito nella LCS. D'altronde, e contrariamente a quanto sostenuto nella dottrina (VON BÜREN o.c. n. 8 all'art. 5), non vi è motivo di ammettere che l'art. 5 cpv. 2 concerna unicamente la competenza ratione materiae. Il termine della relativa marginale, "foro", "for", "Gerichtsstand", è infatti generalmente inteso a comprendere anche la competenza territoriale (cfr. GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht p. 75 e seg.). In quanto ha ammesso la sua competenza, la Corte ticinese non può pertanto aver violato la LCS. c) Resta così solo da esaminare se, in concreto, al riconoscimento del foro di Lugano si oppongano le norme della LM. Questa legge non istituisce un foro particolare per le azioni fondate sulla violazione dei marchi; al riguardo si applicano in genere le norme stabilite dal diritto processuale dei cantoni con la limitazione, nell'ambito intercantonale, della garanzia del giudice naturale stabilita all'art. 59 CF (cfr. DAVID: Markenschutzgesetz n. 4 a all'art. 29; RO 71 II 346). La LM, come la LCS, fa eccezione a questa regola (art. 30) per il caso che il deponente di un marchio sia domiciliato all'estero e non abbia espressamente eletto uno speciale domicilio in Svizzera; nel qual caso l'azione "può" essere proposta davanti al tribunale del circondario in cui ha sede l'ufficio incaricato del registro, vale a dire a Berna, sede dell'Ufficio federale della proprietà intellettuale a cui incombe la tenuta a giorno dei registri nazionale e internazionale. In una perizia prodotta dalla convenuta si considera questo foro come esclusivo per ogni azione diretta contro un deponente non domiciliato in Svizzera. Ma la relativa tesi urta contro il testo della legge, la quale, stabilendo che BGE 89 II 422 S. 428 l'attore "può" proporre l'azione a Berna, non gli impone un foro unico, ma gli conferisce una facoltà in deroga alla regola generale. Non v'è ragione di interpretare una siffatta facoltà come un obbligo. Peraltro, le considerazioni di ordine materiale esposte nella perizia di parte non possono essere condivise. L'eventualità di contraddizioni fra i giudicati di diversi tribunali cantonali, non giustifica le apprensioni ivi esposte, perchè è insita nel nostro ordinamento federativo. Anche in questa, come nelle altre materie di diritto civile, l'unità nell'applicazione della legge federale può essere garantita, non da una prima istanza unica, ma dalla possibilità di interporre ricorso per riforma. La relativa garanzia è anzi resa più intensa nel campo della LM dalla norma speciale che dà alle parti la possibilità di valersi di tale ricorso qualunque sia il valore litigioso (art. 29 cpv. 2). Le sentenze cantonali citate nella perizia (SJZ 4, 438; ZBJV 70, 45) non sanciscono l'esclusività del foro di Berna, ma soltanto la possibilità di proporre a quel foro, congiuntamente all'azione di cancellazione, quelle di divieto d'uso del marchio e di risarcimento dei danni. Vi sono poi altre ragioni, condivise anche nella dottrina (DAVID o.c. n. 5 all'art. 30) e di ben altra rilevanza pratica, che inducono a interpretare il foro dell'art. 30 LM come facoltativo. Infatti, non si comprenderebbe perchè, essendo costrette ad adire il foro di Berna, le parti dovrebbero essere private della possibilità, data dal nostro ordinamento trilingue, di eventualmente valersi della propria lingua presso il giudice competente per disposizione cantonale. Infine, non si vede perchè l'attore, al quale è riconosciuto il diritto di proporre cumulativamente le azioni fondate sulla LCS e sulla LM (art. 5 cpv. 2 LCS; RU 73 II 118), dovrebbe adire il foro di Berna anche quando la asserita violazione della LM dovesse essere di portata minore a quelle della LCS. In realtà, la ratio dell'art. 30 LM può essere solo quella di istituire un foro meramente sussidiario, dal quale il leso abbia comunque la possibilità di ottenere una sentenza BGE 89 II 422 S. 429 valida per l'autorità amministrativa federale incaricata della tenuta a giorno dei registri. Non vi è tuttavia alcun motivo di riconoscere al foro di Berna una esclusività rispetto agli altri fori cantonali (cfr. DAVID o.c. n. 2 all'art. 30; W. STAUFFER, SJZ vol. 28, 299; RU 55 II 275). 5. Nel caso particolare, la Corte cantonale non ha precisato di essersi fondata sulle norme del diritto processuale cantonale. È nondimeno sufficiente costatare che la stessa, riconoscendo la sua competenza come foro del luogo in cui gli asseriti atti illeciti sono stati commessi (foro previsto anche all'art. 5 cpv. 1 LCS), non può aver violato il diritto federale.
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Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è respinto.
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Sachverhalt ab Seite 137 BGE 133 II 136 S. 137 Der Privatsender Star TV strahlte täglich nach Mitternacht (werktags ab 24 Uhr, am Wochenende ab 00.30 Uhr) das crossmediale Erotikformat "Lovers TV" im Stil eines Musiksenders aus. Der redaktionelle Programmteil bestand - nach einem Hinweis darauf, dass die Sendung für Jugendliche unter 16 Jahren ungeeignet sei - hauptsächlich aus Clips mit erotischen Inhalten ("Erotic Magazine", "Erotic Movies", "Erotic Highlights", "Erotic Amateurs"). Dialoge gab es keine; die Sequenzen wurden jeweils mit elektronischer Musik bzw. Popmusik untermalt. Im unteren Teil des Bildschirms erfolgten mittels "Splitscreen"-Technik (geteilter Bildschirm) Hinweise auf Chats und Teletextseiten bzw. Werbungen zum Herunterladen von Pornovideos auf das Handy und den Zugang zu Porno-Portalen. Die Sendung wurde daneben - jeweils nach einem erneuten Hinweis, dass der Inhalt der folgenden Werbungen für Jugendliche unter 16 Jahren ungeeignet sei - mit Spots unterbrochen, die für erotische Zeitschriften und Clubs, Telefonsex, Kontakt- und Flirtadressen, Sex-Chats und vor allem für Angebote zum Bezug von Porno-Videos und -Fotos auf das Handy warben ("Porno-Heidi", "Best of US Porno", "Harder than Hardcore" usw.). Gegen die Sendungen "Lovers TV" vom 18., 21., 24. und 27. Februar 2006 bzw. 1., 3. und 4. März 2006 gelangten X. und 25 Mitunterzeichner an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Diese hiess ihre Beschwerde am 30. Juni 2006 gut, soweit darauf einzutreten war, und stellte fest, "dass Star TV mit der Werbung für das Herunterladen von Pornovideos auf das Handy im Rahmen der Sendungen 'Lovers TV' [...] die Programmbestimmungen verletzt" habe. Sie forderte den Sender auf, innert 60 Tagen ab Eröffnung des Entscheids bzw. innert 30 Tagen nach Eintritt der BGE 133 II 136 S. 138 Rechtskraft Bericht darüber zu erstatten, was er vorgekehrt habe, um die Verletzung zu beheben bzw. weitere Verletzungen zu verhindern. Die UBI kam zum Schluss, dass die beanstandeten Spots insgesamt die öffentliche Sittlichkeit gefährdeten, indem sie "unsittliche, entwürdigende und jugendgefährdende Inhalte" verbreiteten. Das Bundesgericht weist die von der Star TV AG hiergegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 2.1.1 Nach Art. 58 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG 1991; AS 1992 S. 601) beurteilt die UBI "Beschwerden gegen ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter"; dabei stellt sie fest, ob "Programmbestimmungen" einschlägiger internationaler Übereinkommen, des Radio- und Fernsehgesetzes, seiner Ausführungsvorschriften oder der Konzession verletzt worden sind (Art. 65 Abs. 1 RTVG 1991). Dem Bundesamt für Kommunikation obliegt seinerseits die allgemeine konzessionsrechtliche Aufsicht über die Veranstalter (vgl. Art. 56 Abs. 1 RTVG 1991 in Verbindung mit Art. 51 der Radio- und Fernsehverordnung vom 6. Oktober 1997 [RTVV 1997; AS 1997 II 2903]); in diesem Rahmen hat es insbesondere darüber zu wachen, dass die Konzessionäre die finanz- und betriebsrechtlichen Vorschriften des Radio- und Fernsehrechts einhalten (Art. 56 RTVG 1991). 2.1.2 Die Problematik, ob im Werbefernsehen ausgestrahlte Sendungen die einschlägigen Vorschriften respektieren (Dauer der Werbung, Bestimmungen über die Unterbrecherwerbung, Werbeverbote für alkoholische Getränke oder Tabakwaren usw.), ist als technische bzw. finanzrechtliche Frage eine solche der konzessionsrechtlichen Aufsicht (vgl. BGE 114 Ib 152 ff.; BGE 118 Ib 356 E. 3c S. 361 ["Camel- Trophy"]). Hingegen ist die Unabhängige Beschwerdeinstanz aus staats- und medienpolitischen Gründen (vgl. BBl 2003 S. 1654) berufen, Ausstrahlungen nachträglich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Programmrecht zu prüfen. Hierunter fallen grundsätzlich auch Werbesendungen (DENIS BARRELET, Droit de la communication, Bern 1998, Rz. 718; BBl 2003 S. 1664), selbst wenn naturgemäss auf sie nicht alle Programmbestimmungen unbesehen Anwendung finden BGE 133 II 136 S. 139 können (etwa das "Sachgerechtigkeitsgebot"; vgl. BGE 126 II 7 E. 3c/ bb [ACS/TCS]; BGE 123 II 402 E. 3b S. 410 [VgT]). Die Beurteilung des politischen Charakters eines Werbespots fällt dementsprechend praxisgemäss in die Zuständigkeit der Unabhängigen Beschwerdeinstanz ( BGE 126 II 7 E. 3c/bb [ACS/TCS]; BGE 118 Ib 356 E. 3c S. 361 ["Camel-Trophy"]; vgl. auch die Urteile 2A.303/2004 vom 26. Januar 2005, E. 3 und 4 ["Stopp-Werbeverbote"], publ. in: EuGRZ 2005 S. 719 ff., und 2A.377/2000 vom 13. Februar 2001, E. 1 nicht publ. in BGE 127 II 79 ff. ["Unterbrecherwerbung"]). Beschlägt die Meinungsbildung bzw. Täuschung des Zuschauers hingegen ein konkretes Werbeverbot, das aus gesundheitspolitischen Gründen der Werbung als Finanzierungsmittel Grenzen setzt, bestehen weder staats- noch medienpolitische Gründe dafür, die entsprechende Kontrolle den konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden zu entziehen; in diesem Fall überwiegen die betriebsrechtlichen Aspekte, weshalb ausschliesslich das Bundesamt zu deren Beurteilung zuständig ist ( BGE 126 II 21 E. 2d/cc S. 25 ["Schlossgold"-Werbung]). 2.1.3 Die entsprechenden Abgrenzungen fielen in der Praxis nicht immer leicht und erwiesen sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Befugnisse der programm- und konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden nur beschränkt als sachgerecht (vgl. BBl 2003 S. 1649 f.; ferner "Zuständigkeit des BAKOM zur Prüfung von politischer Werbung in einem Werbespot" bzw. "Abgrenzung der Zuständigkeit von UVEK und BAKOM", in: Medialex 2003 S. 112 ff. bzw. 2004 S. 59 f., je mit Anmerkungen von CHRISTOPH BEAT GRABER zum Werbespot "Jetzt ein Stromausfall"). Dies hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Kompetenzen künftig klarer zu regeln: Während der Bundesrat in seiner Botschaft zum neuen Radio- und Fernsehgesetz vorschlug, hierzu eine Kommission für Fernmeldewesen und elektronische Medien zu schaffen, welche sowohl die finanziell/administrativen wie die programmrechtlichen Aufsichtsaufgaben hätte wahrnehmen sollen (BBl 2003 S. 1650), entschied sich das Parlament dafür, die bisherige Organisation beizubehalten, die Zuständigkeit der Unabhängigen Beschwerdeinstanz jedoch auf die Behandlung von Beschwerden zum Inhalt redaktioneller Sendungen, d.h. von Sendungen, die keine Werbung bilden ( Art. 2 lit. c des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen [RTVG 2006; SR 784.40] ), zu beschränken (Art. 83 Abs. 1 lit. a RTVG 2006). Die Beurteilung der rundfunkrechtlichen Konformität von Werbesendungen erfolgt neu somit ausschliesslich durch das Bundesamt (Art. 86 Abs. 1 RTVG 2006). BGE 133 II 136 S. 140 2.2 2.2.1 Die Unabhängige Beschwerdeinstanz nahm vorliegend an, gewisse im Rahmen der Sendungen "Lovers TV" ausgestrahlte Werbespots seien geeignet gewesen, die öffentliche Sittlichkeit zu gefährden, und hätten dem Jugendschutz widersprochen. Sie stützte sich dabei auf Art. 6 RTVG 1991, welcher im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes die "Grundsätze für Radio und Fernsehen" regelt. Sie hat ihre Zuständigkeit gestützt hierauf zu Recht bejaht: Entscheidend hierfür war nach dem Gesagten nicht in erster Linie, ob die beanstandete Sendung im Werbe- oder im eigentlichen Programmteil ausgestrahlt wurde, sondern, ob die zu beurteilende Frage programmrechtlichen Charakter hatte und aus staats- bzw. medienpolitischen Gründen durch ein möglichst verwaltungsunabhängiges Organ überprüft werden sollte (vgl. BGE 126 II 21 E. 2d/bb S. 24 ["Schlossgold"-Werbung]; VPB 68/2004 Nr. 28 S. 314, E. 2.3-2.5 ["Spot Flüchtlingshilfe"]). Dies ist im Zusammenhang mit dem Verbot von Sendungen, welche die öffentliche Sittlichkeit gefährden oder Gewalt verherrlichen oder verharmlosen, regelmässig anzunehmen (Art. 6 Abs. 1 RTVG 1991). Bereits die Weisungen des Bundesrates über die Fernsehwerbung (BBl 1984 I 364 ff.) verboten - noch vor Inkrafttreten des Radio- und Fernsehgesetzes von 1991 - Spots, die gegen die guten Sitten verstiessen (Art. 9 lit. a), wobei die Frage im Einzelfall durch die Unabhängige Beschwerdeinstanz beurteilt wurde (vgl. VPB 56/1992 Nr. 25 S. 194, E. 2 ["Anleihe SRG"]). 2.2.2 Die UBI war somit kompetent, zu prüfen, ob die beanstandeten Werbespots gegen Art. 6 Abs. 1 RTVG 1991 verstiessen. Das Bundesamt seinerseits wäre befugt gewesen, der Frage nachzugehen, ob die Star TV AG das Radio- und Fernsehrecht gegebenenfalls insofern verletzt hat, als sie Werbung mittels "Splitscreen"- Technik ausserhalb der eigentlichen Werbeblöcke ausstrahlte (vgl. hierzu die Verfügung des Bundesamts für Kommunikation vom 13. Dezember 2001 betreffend die Sendung "Aphrodisia" von TV3; BBl 2003 S. 1628; Art. 13 der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 [RTVV 2007; SR 784.401]). Diese Problematik bildet im vorliegenden Verfahren indessen nicht Streitgegenstand und ist deshalb nicht weiter zu prüfen, auch wenn die UBI in ihrem Entscheid darauf hingewiesen hat, dass ihr das entsprechende Vorgehen "problematisch" erscheine. 3. (...) BGE 133 II 136 S. 141 4. 4.1 Die Unabhängige Beschwerdeinstanz knüpfte im angefochtenen Entscheid an ihre Rechtsprechung zum kulturellen Mandat bei redaktionellen Sendungen an (vgl. FRANZ ZELLER, Öffentliches Medienrecht, Bern 2004, S. 263 ff.; MARTIN DUMERMUTH, Rundfunkrecht, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Rz. 97 ff., insbesondere Rz. 102): Bei deren Beurteilung stellt sie jeweils darauf ab, ob die Darstellung mit sexuellem Inhalt als Selbstzweck dient oder Menschen zu reinen Unterhaltungszwecken zum blossen Objekt voyeuristischer Neigungen entwürdigt. Dem Aspekt des Jugendschutzes trägt sie insofern Rechnung, als sie eine geeignete Ausstrahlungszeit, eine angemessene Einbettung in das Programm und gegebenenfalls eine Warnung bzw. eine entsprechende Anmoderation voraussetzt (vgl. die Entscheide b.448 vom 15. März 2002 ["Sex: The Annabel Chong Story"], zusammengefasst in: Medialex 2002 S. 102 f.; b.380 vom 23. April 1999 ["24 Minuten mit Cleo"]; VPB 66/2002 Nr. 17 S. 178 ["OOPS"]; FRANZ ZELLER, a.a.O., S. 267). Die Darstellungen sollen das für eine sachgerechte Berichterstattung notwendige Mass nicht überschreiten; Sendungen mit primär erotischen Inhalten sind in der Regel erst nach 23 Uhr zulässig (Guidelines zur Rechtsprechung der UBI, Ziff. 2.2). 4.2 Zu den vorliegend umstrittenen Werbespots führte die UBI aus, dass diese nicht in erster Linie erotischer, sondern pornographischer Natur seien, weshalb sie sich trotz der Ausstrahlungszeit nach 23 Uhr und der jeweils eingeblendeten warnenden Hinweise als sittengefährdend und somit programmrechtswidrig erwiesen. Schon die kurzen Ausschnitte der beworbenen Videos in den beanstandeten Werbungen "degradier[t]en die Darstellerinnen und vereinzelten Darsteller" zu reinen Lustobjekten. Die Vermittlung des damit verbundenen eindimensionalen, entwürdigenden Bilds der Sexualität als Norm und Alltäglichkeit sowie die damit einhergehende Abstumpfung und Anspruchshaltung stelle eine Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RTVG 1991 dar. Durch das vermittelte Menschen- und Sexualitätsbild würden jugendliche Zuschauer in ihrer noch unfertigen Entwicklung gefährdet, da sie gestützt darauf sich und anderen gegenüber eine "problematische Anspruchshaltung in sexuellen Dingen" entwickeln könnten. Die "von finanziellen Interessen geprägten Anbieter" nützten diesbezüglich den Mangel an Erfahrung der Jugendlichen aus (Art. 15 Abs. 1 lit. e RTVV 1997). BGE 133 II 136 S. 142 5. 5.1 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RTVG 1991 sind Sendungen unzulässig, welche die öffentliche Sittlichkeit gefährden oder in denen Gewalt verharmlost oder verherrlicht wird. Verboten sind Werbespots, "die sich die natürliche Leichtgläubigkeit der Kinder oder den Mangel an Erfahrung bei Jugendlichen zunutze" machen oder ihr "Abhängigkeitsgefühl" missbrauchen (Art. 15 Abs. 1 lit. e RTVV 1997). Bei diesen Vorgaben handelt es sich um vom Gesetzgeber verselbständigte Elemente des kulturellen Mandats ( Art. 93 Abs. 2 BV ; DUMERMUTH, a.a.O., Rz. 102; BARRELET, a.a.O. Rz. 731), das die Veranstalter in ihren Programmen insgesamt realisieren und in wesentlichen Punkten im Rahmen einzelner Sendungen nicht krass missachten sollen (DUMERMUTH, a.a.O., Rz. 97 ff.; BARRELET, a.a.O., Rz. 795 ff.). Beurteilungsmassstab bilden die wesentlichen juristisch fassbaren Werte, die der Bundesverfassung (BV; SR 101), der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; SR 0.101) und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) bzw. weiteren Abkommen zugrunde liegen. Dabei kommt dem Grundsatz der Menschenwürde ( Art. 7 BV ) sowie dem Jugendschutz ( Art. 11 BV ) besondere Bedeutung zu. Die entsprechenden Aspekte müssen bei der Beurteilung der rundfunkrechtlichen Konformität einer Sendung jeweils in eine Interessenabwägung zur verfassungs- und konventionsrechtlich garantierten Medien-, Programm- und Informationsfreiheit gesetzt werden. Diese gilt nicht absolut, sondern kann unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV bzw. Art. 10 Ziff. 2 EMRK beschränkt werden (vgl. BGE 128 IV 201 E. 1.4.2). 5.2 Ähnliche Regeln wie Art. 6 RTVG 1991 (sowie neu Art. 4 RTVG 2006) und Art. 15 Abs. 1 lit. e RTVV 1997 (bzw. neu Art. 5 RTVG 2006) sieht das einschlägige europäische Recht vor: 5.2.1 Nach dem Europäischen Übereinkommen vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) haben alle Sendungen eines Programms im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer zu achten; insbesondere dürfen sie (a) nicht unsittlich sein und namentlich keine Pornographie enthalten sowie (b) Gewalt nicht unangemessen herausstellen und nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln (Art. 7 Ziff. 1). Alle Sendungen eines Programms, welche die körperliche, geistig-seelische oder sittliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen können, dürfen nicht BGE 133 II 136 S. 143 verbreitet werden, wenn anzunehmen ist, dass sie aufgrund der Sende- und Empfangszeit von Kindern oder Jugendlichen gesehen werden (Art. 7 Ziff. 2). Zur Auslegung der im Übereinkommen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe soll dabei auf die Rechtsprechung der EMRK-Organe zurückgegriffen werden (Conseil de l'Europe, Rapport explicatif relatif à la Convention européenne sur la télévision transfrontière, Strasbourg 1990, Rz. 117 und 120). Ziel von Art. 7 EÜGF ist es, die Grundwerte und individualrechtlichen Grundfreiheiten zu sichern, die sich als gemeinsame Basis und Schranken staatlichen Handelns der Europarats-Staaten herausgebildet und in der EMRK bzw. der Rechtsprechung zu dieser ihren Niederschlag gefunden haben (HÖFLING/MÖWES/PECHSTEIN, Europäisches Medienrecht, Textausgabe mit Erläuterungen, München 1991, S. 10). 5.2.2 Die EG-Fernsehrichtlinie, welche für die Schweiz nicht anwendbar ist, jedoch als Auslegungshilfe zur Bestimmung der Tragweite des Begriffs der "öffentlichen Sittlichkeit" im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 RTVG 1991 (bzw. Art. 4 und 5 RTVG 2006) beigezogen werden kann, sieht unter dem Titel "Schutz Minderjähriger und öffentliche Ordnung" vor, dass die Mitgliedstaaten angemessene Massnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass Sendungen von Fernsehveranstaltern, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, keinerlei Programme enthalten, welche geeignet sind, die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft zu beeinträchtigen, insbesondere solche, die "Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten" zeigen. Diese Massnahmen gelten auch für andere Programme, welche die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, es sei denn, es werde durch die Wahl der Sendezeit oder durch sonstige technische Massnahmen dafür gesorgt, dass diese Ausstrahlungen von Minderjährigen im Sendebereich üblicherweise nicht zu sehen oder zu hören sind. Werden derartige Programme in unverschlüsselter Form gesendet, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass ihre Ausstrahlung durch akustische Zeichen angekündigt oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich gemacht wird (Art. 22 Ziff. 1-3 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19. Juni 1997). BGE 133 II 136 S. 144 5.3 5.3.1 Der Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass es bisher nicht gelungen ist, einen einheitlichen Begriff der Pornographie bzw. einen Konsens darüber zu schaffen, was geeignet erscheint, im sexuellen Bereich die Sittlichkeit oder die öffentliche Moral zu gefährden (vgl. HERIBERT OSTENDORF, Zur Forderung nach einem neuen Pornographiebegriff oder zum verantwortlichen Umgang mit Pornographie im Fernsehen, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 84/2001 S. 372 ff., dort S. 376 ff.; ILONA ULICH, Der Pornographiebegriff und die EG-Fernsehrichtlinie, Baden-Baden 2000, S. 137; SCHWAIBOLD/MENG, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, N. 12 ff. zu Art. 197 StGB ; STEFAN HEIMGARTNER, Weiche Pornographie im Internet, in: AJP 2005 S. 1482 ff., dort S. 1484 ff.; PIERRE-ANDRÉ WAGNER, Von der Vaporisierung der Frau in der schweizerischen Pornographierechtsprechung - einige ideologiekritische Bemerkungen, in: AJP 1999 S. 257 ff.; BGE 128 IV 201 E. 1.4.3; Urteile des EGMR i.S. Josef Felix Müller gegen Schweiz vom 24. Mai 1988, Serie A, Bd. 133, Ziff. 35, sowie Scherer gegen Schweiz vom 14. Januar 1993, Serie A, Bd. 287). Das Polizeigut der öffentlichen Sittlichkeit ist mit den strafrechtlich geschützten Rechtsgütern nicht notwendigerweise identisch und darf auch ein Verhalten erfassen, das zwar nicht mit Strafe bedroht ist, jedoch den üblichen Massstäben zulässigen Verhaltens in eindeutiger Weise widerspricht (OSTENDORF, a.a.O., S. 380 ff.; ZELLER, a.a.O., S. 206). Aufsichtsrechtlich kann unzulässig sein, was strafrechtlich allenfalls noch irrelevant erscheint, weshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung ist, ob gegen die Verantwortlichen ein Strafverfahren eingeleitet wurde oder nicht. Der Begriff der Sittlichkeit umfasst auch ausserrechtliche Normen aufgrund sozialethischer Vorstellungen, welche in der Gesellschaft allgemeine Anerkennung geniessen, für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gemeinschaft wesentlich sind und vor öffentlichen Widerhandlungen geschützt werden sollen (vgl. PIERRE TSCHANNEN, "Öffentliche Sittlichkeit": Sozialnormen als polizeiliches Schutzgut, in: Mélanges en l'honneur de Pierre Moor, Bern 2005, S. 553 ff.). Der Begriff hängt in starkem Mass von den herrschenden sozialen und den wesentlichen, verfassungsimmanenten gesellschaftlichen Werten ab (vgl. HERIBERT SCHUMANN, Zum strafrechtlichen und rundfunkrechtlichen Begriff der Pornographie, in: Festschrift für Theodor Lenckner, München 1998, S. 565 ff., dort S. 577) und ist BGE 133 II 136 S. 145 deshalb örtlich wie zeitlich wandelbar (vgl. so schon BGE 106 Ia 267 E. 3a ["Peep-Show"]). 5.3.2 Nicht nur als sittlich verpönt, sondern als strafbar gelten nach wie vor gewisse Formen der Pornographie ( Art. 197 StGB ): Das Pornographieverbot hat im Rahmen der Revision des Sexualstrafrechts 1991 das frühere Verbot unzüchtiger Veröffentlichungen abgelöst. Es schützt Personen unter 16 Jahren vor jeglicher Pornographie (Ziff. 1) und Erwachsene vor ungewollter Konfrontation mit solcher (Ziff. 2); absolut verboten ist die "harte" Pornographie, d.h. Pornographie mit Kindern, Tieren, menschlichen Ausscheidungen und Gewalt (Ziff. 3 und 3 bis , hierzu: BGE 128 IV 201 ff.; ZELLER, a.a.O., S. 188 f.; ZÖLCH/ ZULAUF, Kommunikationsrecht für die Praxis, Bern 2001, S. 79). Als nicht mehr erotisch, sondern weichpornographisch und damit im Zusammenhang mit dem Jugendschutz und der ungewollten Konfrontation relevant ist nach der Rechtsprechung eine Darstellung, die (1) objektiv betrachtet darauf ausgelegt ist, den Betrachter sexuell aufzureizen, und (2) die Sexualität dabei so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen heraustrennt, dass die jeweilige Person als ein blosses Sexualobjekt erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann; das sexuelle Verhalten wird dadurch vergröbert und aufdringlich in den Vordergrund gerückt (so BGE 131 IV 64 E. 10.1.1 S. 66 ff. mit zahlreichen Hinweisen; unter Ablehnung einer Praxisänderung bestätigt im Urteil 6S.26/2005 vom 3. Juni 2005, E. 2; MARC LIESCHING, Jugendmedienschutz in Deutschland und Europa, Regensburg 2002, S. 197 ff.). Pornographisch sind somit Medien, die physische Sexualität isoliert von personalen Beziehungen darstellen, sexuellen Lustgewinn verabsolutieren und Menschen zu beliebig auswechselbaren Objekten sexueller Triebbefriedigung degradieren; sie als blosse physiologische Reiz-Reaktionswesen erscheinen lassen und damit die Würde des Menschen negieren (vgl. SCHUMANN, a.a.O., S. 572: "In der Pornographie begegnen sich nicht Personen, sondern Organe"). 5.3.3 Art. 6 Abs. 1 RTVG 1991 wurde nach den Ausführungen des Bundesrats, welche im Parlament unbestritten geblieben sind, aus der Besorgnis darüber in das Gesetz aufgenommen, dass ein zunehmendes Angebot an brutalen, das sittliche Empfinden verletzenden Filmen und Sendungen bestehe (BBl 1987 III 689 ff., dort S. 730; AB 1989 N 1601 ff., AB 1990 S 578). Die Regelung wurde mit der Begründung in Art. 4 Abs. 1 RTVG 2006 überführt, es rechtfertige sich, "die Anliegen der Menschenwürde und des BGE 133 II 136 S. 146 Grundrechtsschutzes, die in einer demokratischen Gesellschaft fundamentale Bedeutung haben und im Bereich der audiovisuellen Medien zunehmend an Beachtung verlieren [...], ausdrücklich im neuen Gesetz zu erwähnen und an die Spitze der von allen Programmveranstaltern zu beachtenden Minimalbestimmungen zu stellen" (BBl 2003 S. 1668). 6. Die UBI hat zu Recht an diese Grundsätze angeknüpft und die umstrittenen Werbespots auf deren Hintergrund zutreffend gewürdigt: 6.1 Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin hat sie nicht auf den Schutz der Sexualmoral der Allgemeinheit abgestellt, sondern - dem europäischen Standard entsprechend (vgl. E. 5.2; Pressemitteilung 7/2003 der deutschen Arbeitsgemeinschaft Landesmedienanstalten vom 21. Mai 2003: "Landesmedienanstalten gehen gegen Sex-Werbung im Fernsehen vor"; zu den Verhältnissen in Frankreich und Italien: Goldmedia GmbH, Beitrag für die Medienforschung, Telefonmehrwertdienste in Schweizer Rundfunkprogrammen, Berlin 2006, S. 95 und 110) - die Menschenwürde sowie den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung der Jugend in den Vordergrund gerückt (vgl. BGE 131 IV 64 E. 10.1.2 und 10.1.3). Die beanstandeten Spots zeigen zwar unmittelbar keine primären Geschlechtsorgane (diese sind unkenntlich gemacht); gesamthaft liegen sie aber jenseits dessen, was rundfunkrechtlich in erotischer Hinsicht zulässig erscheint: Im Bild werden unzweideutig verschiedene sexuelle Praktiken dargestellt; die Geschlechtsteile sind dabei nur pro forma abgedeckt; zudem sind in einigen Spots Dildos zu sehen, weshalb sich die Beschwerdeführerin zu Unrecht auf HEIMGARTNER beruft, der davon ausgeht, dass als pornographisch bloss die Darstellung sexueller Handlungen gelten könne, bei denen primäre Geschlechtsmerkmale oder aber "Surrogate" derselben eindeutig zu erkennen seien, oder wenn primäre oder sekundäre Geschlechtsmerkmale in extremis gezeigt würden (HEIMGARTNER, a.a.O., S. 1487). 6.2 Die pornographische Wirkung wird durch die krude Sprache zu den gezeigten, nur teilweise abgedeckten sexuellen Handlungen bzw. entsprechenden Positionen insofern verschärft, als jeweils Frauenstimmen aufreizend den Inhalt des bildlich teilabgedeckten Videos etwa mit den Worten kommentieren: "Privati Girls spräitze ihres Ärschli", "Fick mich tief und hart", "Geile Schülerinnen befriedigen sich mit ihrem Dildo", "Dr geilschti Sex vo hinä: Anal-Fuck-Party", "Harder than Hardcore: Lueg zue wi mi drü Mannä so richtig dra BGE 133 II 136 S. 147 nämet", "Naturgeiili Schülerinnen ab 18 Jahre befriedigen sich mit ihrem Dildo", "Geili jungi Meitli schläcket sich gägesiitig ihri Futzi" usw. Die Spots gehen damit über erotische Darstellungen hinaus; sie stellen vulgär und primitiv Menschen in Bild und Ton als reine, auswechselbare, jegliche menschliche Dimension verlierende Sexualobjekte dar. Dieser Eindruck wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass das erotische Rahmenprogramm ohne weiteren Inhalt bloss dazu dient, crossmedial ein möglichst geeignetes Umfeld zu schaffen, um einen starken, zahlungspflichtigen Rücklauf aus dem Publikum bzw. ein entsprechendes Herunterladen von Pornovideos bzw. -bildern auf das Handy zu provozieren. 6.3 Wenn die Beschwerdeführerin kritisiert, die UBI schliesse zu Unrecht vom pornographischen Inhalt der für Erwachsene erlaubten Videos auf den pornographischen Inhalt der entsprechenden Werbespots, verkennt sie, dass Werbung für pornographische Videos, Sites oder SMS-Bilder weder straf- noch konzessionsrechtlich verboten ist, wenn dabei der Jugendschutz und die Würde des Menschen gewahrt bleiben. Nicht die Werbung für weichpornographische Inhalte von Videos ist zu kritisieren, sondern die konkrete Gestaltung der Werbung im Programm der Beschwerdeführerin; für diese hat sie unabhängig davon die Verantwortung zu tragen, dass Mehrwertdienstnummern mit pornographischen Angeboten (0906) als solche grundsätzlich nicht unzulässig sind. Die Beschwerdeführerin verweist vergeblich auf die Verantwortlichkeit der Betreiber der jeweiligen Mehrwertdienste; sie hat dafür zu sorgen, dass keine rundfunkrechtswidrigen Ausstrahlungen erfolgen; "pornographische" Werbespots der vorliegenden Art haben als solche zu gelten. 6.4 Die Kritik der Beschwerdeführerin, sie werde durch das rundfunkrechtliche Aufsichtssystem gegenüber anderen Medien, insbesondere gegenüber der geschriebenen Presse, benachteiligt, verkennt die besondere Wirkung, welche von den Bild- bzw. den audiovisuellen Medien ausgeht: Das Bild ist konkret, wirkt emotional unmittelbarer, ganzheitlicher und unentrinnbarer als das Wort. Nach den Empfehlungen des Presserats gelten für Bilder deshalb zumindest die gleichen berufsethischen Regeln wie für Texte; auch sie haben die Menschenwürde und den Persönlichkeitsschutz "in jedem Fall" zu achten (Stellungnahme Nr. 1/98 vom 20. Februar 1998 betreffend Bilder zu sexueller Gewalt ["Facts"]; vgl. auch STUDER/MAYR VON BALDEGG, Medienrecht für die Praxis, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 158 ff.). Das Fernsehen wirkt insofern noch direkter, als es Bild und Ton BGE 133 II 136 S. 148 verknüpft und in eine zusammenhängende Abfolge setzt; zudem kommt ihm eine grössere Reichweite zu, weshalb es nicht nur im redaktionellen Teil, sondern auch bei der Werbung besonderen programmrechtlichen Vorgaben unterworfen werden darf ( BGE 123 II 402 E. 5a S. 415 [VgT] mit Hinweisen; Urteil des EGMR i.S. Murphy gegen Irland vom 10. Juli 2003, Recueil CourEDH 2003-IX S. 33 , Ziff. 69). Im Übrigen tragen auch die Printmedien regelmässig den ethischen Minimalregeln Rechnung, welche die Beschwerdeführerin bei der Gestaltung der umstrittenen Werbevideos verletzt hat: So lehnt etwa der Ringier-Verlag Erotik-Anzeigen in seiner Boulevardpresse mit "ein- oder zweideutige[n] Abbildungen von Modellen mit anzüglichem Ausdruck (Blick, Körperhaltung etc.) sowie Accessoires, die den erotischen Eindruck stark unterstreichen" ab; "Abdeckungen bzw. Zensurbalken" werden nicht geduldet. Zudem besteht eine Liste mit gesperrten Textinhalten, worunter ein Grossteil der in den ausgestrahlten Spots verwendeten Begriffe fällt (Insertionsbedingungen Rubrikanzeigen Erotik, gültig ab 1. Januar 2006). 6.5 6.5.1 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der Jugendschutz sei vorliegend - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeinstanz - gar nicht berührt, da sie die entsprechenden Spots nach Mitternacht ausstrahle, wo angenommen werden dürfe, dass keine Jugendlichen mehr vor dem Fernseher sässen, verkennt sie die heutigen Realitäten: Wenn die UBI in ihren Guidelines davon ausgeht, eine Ausstrahlung nach 23 Uhr sei im Rahmen des Jugendschutzes in sensiblen Bereichen zulässig, bezieht sich dies auf Unterhaltungssendungen mit erotischen und in diesem umgangssprachlichen Sinn softpornographischen Inhalten (vgl. zur Begriffsabgrenzung: HEIMGARTNER, a.a.O., S. 1483). Damit sind nicht - losgelöst vom Inhalt des beworbenen Produkts - Werbespots der vorliegenden Art gemeint; zudem verliert der Zeitpunkt der Ausstrahlung einer Sendung im Hinblick auf den zeitverschobenen Fernsehkonsum als Instrument des Jugendschutzes zusehends an Bedeutung: Die in den Empfangsgeräten integrierten Set-Top-Boxen erleichtern mit ihren hohen Speicherkapazitäten den zeitverzögerten Konsum von Sendungen und ermöglichen dadurch den Zugang zu jugendgefährdenden Beiträgen immer regelmässiger auch ausserhalb der traditionell anerkannten späten Ausstrahlungszeiten (BBl 2003 S. 1670); schliesslich finden sich - wie bereits die UBI festgestellt hat - immer mehr BGE 133 II 136 S. 149 Fernsehapparate nicht nur in Stuben, sondern direkt auch in Schlafzimmern von Jugendlichen (vgl. OSTENDORF, a.a.O., S. 380). 6.5.2 Zwar haben in erster Linie die Eltern dem Konsum von Medieninhalten entgegenzuwirken, welche Kinder oder Jugendlichen gefährden können; dies befreit die Beschwerdeführerin als konzessionierte Veranstalterin von Fernsehprogrammen jedoch nicht von ihren rundfunkrechtlichen Pflichten in diesem Bereich, selbst wenn mit Blick auf die Fülle des aus dem In- und Ausland über Internet zugänglichen einschlägigen Materials der Jugendschutz nicht vollumfänglich sichergestellt werden kann (vgl. BGE 131 IV 64 E. 10.1.2 S. 68) und keine klar gesicherten, definitiven Erkenntnisse über die Wirkung von Erotik oder Pornographie auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bestehen (SCHUMANN, a.a.O., S. 572 f. mit Hinweisen; vgl. immerhin OSTENDORF, a.a.O., S. 374). Eine damit verbundene abstrakte Gefahr genügt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 RTVG 1991 (zu Deutschland: SCHUMANN, a.a.O., S. 573 Fn. 41 mit Hinweis auf Gesetzesmaterialen und Expertenhearings; vgl. auch BVerfGE 83, 130 ["Josephine Mutzenbacher"], B.I.2b). Auch Art. 197 Ziff. 1 StGB ist als abstraktes Gefährdungsdelikt formuliert (vgl. BGE 131 IV 64 E. 10.1.2). 6.6 Die UBI ist davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe mit den Werbespots zudem Art. 15 Abs. 1 lit. e RTVV 1997 verletzt. Nachdem bereits eine Rundfunkrechtsverletzung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RTVG 1991 vorliegt, muss dieser Frage hier an sich nicht (mehr) weiter nachgegangen werden. Es rechtfertigen sich dennoch die folgenden Hinweise: Unzulässig im Sinne dieser Bestimmung ist eine Werbung, die sich die natürliche Leichtgläubigkeit der Kinder oder den Mangel an Erfahrung bei Jugendlichen zunutze macht oder ihr Anhänglichkeitsgefühl missbraucht. Es erscheint fraglich, ob mit den umstrittenen Werbespots tatsächlich die mangelnde Erfahrung von Jugendlichen im sexuellen Bereich ausgenutzt wird, da für das Herunterladen der beworbenen Sequenzen auf das Handy nicht der Programmveranstalter, sondern der Anbieter die Verantwortung trägt; die UBI hat die bei ihr beanstandeten (Werbe-)Sendungen zu prüfen und nicht den Wert oder Unwert des angebotenen Produkts zu beurteilen. Der Programmveranstalter hat seinerseits sicherzustellen, dass die ausgestrahlte Werbung in ihrer Form nicht die öffentliche Sittlichkeit beeinträchtigt und dem Jugendschutz zuwiderläuft. Die Tatsache allein, dass die portable Kommunikation mit SMS und MMS in erster Linie ein BGE 133 II 136 S. 150 jugendliches oder junggebliebenes Publikum anspricht und dieses allenfalls über seine wirtschaftlichen Mittel hinaus von solchen Angeboten Gebrauch macht, genügte für sich allein deshalb nicht, um sämtliche im Radio oder Fernsehen ausgestrahlten crossmedialen Formen von Mehrwertdienstleistungen (Gewinnspiele, Ratespiele, Tele-Voting usw.) unter diese Bestimmung fallen zu lassen. 7. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der angefochtene Entscheid der UBI nicht bundesrechtswidrig ist und weder Bundesverfassungs- noch Konventionsrecht verletzt: Der damit verbundene Eingriff in die Wirtschafts- bzw. Meinungsäusserungsfreiheit beruht auf einer durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisierten gesetzlichen Grundlage (Art. 6 RTVG 1991), liegt zur Wahrung der Jugendlichen vor (Werbe-)Sendungen, die geeignet sind, ihre ethische Entwicklung zu beeinträchtigen, indem menschenverachtendes Verhalten im sexuellen Bereich als üblich, positiv und nachahmenswert dargestellt wird, im öffentlichen Interesse und ist verhältnismässig, da dadurch nicht jegliche Werbung für zulässige weiche Pornographie verboten wird. Zwar erstreckt sich die Meinungsäusserungsfreiheit von Art. 10 EMRK auch auf pornographische Darstellungen, die keinerlei informativen Gehalt aufweisen und rein kommerziellen Zwecken dienen, doch räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den nationalen Behörden in diesem Zusammenhang einen relativ grossen Beurteilungsspielraum ein ( BGE 128 IV 201 E. 1.4.3), der hier nicht überschritten wurde. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 246 BGE 113 II 246 S. 246 A.- Am 18. Mai 1977 verunfallte der deutsche Skitourist X. schwer, indem er bei einem Ausweichmanöver über eine Schneewächte gegen einen Anbau der Talstation der Luftseilbahn Furgg-Trockener Steg stürzte. Er zog sich schwere Schädelverletzungen zu, musste sein Medizinstudium aufgeben und einen medizinischen Hilfsberuf erlernen. Ein Strafverfahren gegen Unbekannt wurde am 31. Dezember 1979 mangels Nachweises einer strafbaren Handlung eingestellt. B.- Am 25. April 1984 klagte X. gegen die Luftseilbahn Zermatt-Schwarzsee-Klein Matterhorn AG auf Bezahlung von BGE 113 II 246 S. 247 Fr. 123'041.30 Schadenersatz nebst Zins sowie Fr. 50'000.-- bis Fr. 60'000.-- Genugtuung. Auf Antrag beider Parteien beschränkte das Kantonsgericht Wallis das Verfahren auf die Frage der Verjährung. In einem sogenannten Teilurteil vom 11. April 1986 stellte es fest, dass die Beklagte für den Unfall des Klägers ausservertraglich hafte; sodann schützte es die Verjährungseinrede und wies die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen des Klägers ab. C.- Der Kläger hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts Berufung erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben, die Einrede der Verjährung zu verwerfen und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte ersucht, die Berufung abzuweisen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Bergbahnunternehmungen, die wie die Beklagte Skipisten anlegen und unterhalten, haften unbestritten ausservertraglich für Pistensicherheit. Es trifft sie eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht, die ausser den eigentlichen Pisten auch Randzonen und namentlich die unmittelbare Umgebung der Talstation umfasst ( BGE 109 IV 100 ; BGE 101 IV 398 E. 1 und 400 E. 2b). Diese ausservertragliche Haftung schliesst eine zusätzliche vertragliche Haftung der Bahnunternehmung für den gleichen Schaden nicht aus. Wenn der Schädiger durch sein Verhalten gleichzeitig eine vertragliche Pflicht verletzt und eine unerlaubte Handlung begeht, kann sich der Geschädigte nebeneinander auf beide Haftungsgründe berufen ( BGE 112 II 142 E. 3b; BGE 99 II 321 E. 5 mit Hinweisen). Ob die Haftungsgrundlage vertraglicher oder ausservertraglicher Natur sei, ändert zwar nichts am Inhalt der Verkehrssicherungspflicht, aber die Rechtsstellung des Geschädigten ist im ersten Fall bezüglich der Beweislast für das Verschulden ( Art. 97 Abs. 1 OR im Vergleich zu Art. 41 OR ) und bezüglich der Verjährungsfrist ( Art. 127 OR im Vergleich zu Art. 60 OR ) besser. 4. Der Kläger erwarb von der Beklagten ein Wochenabonnement, das ihn zu unbeschränkten Bahnfahrten berechtigte. Ein vertraglicher Anspruch auf Pistensicherung müsste sich aus einer Nebenpflicht zu diesem Transportvertrag ergeben. Es folgt aus Treu und Glauben, dass der Schuldner alles tun muss, um die richtige Erfüllung der Hauptleistung und die Verwirklichung des Leistungserfolgs zu sichern (GUHL/MERZ/KUMMER, BGE 113 II 246 S. 248 OR, 7. Aufl., S. 13; MERZ N. 260 zu Art. 2 ZGB ). Im Vordergrund stehen dabei die nicht auf den Hauptleistungsinhalt bezogenen Schutzpflichten, die namentlich Leben und Gesundheit des Partners zu wahren bestimmt sind; die allgemeine Schutzpflicht dessen, der einen Gefahrenzustand schafft, wird zur vertraglichen Nebenpflicht, wenn die Gefährdung mit der Abwicklung des Vertrages im Zusammenhang steht (MERZ, a.a.O. N. 269). In diesem Sinn wurde etwa eine vertragliche Haftung des Veranstalters bei Verletzung eines Zuschauers bejaht, soweit ein Eintrittsgeld zu bezahlen war ( BGE 70 II 216 E. 2 u. 3, vgl. BGE 79 II 69 E. 1; entsprechend für Hospitalisierungsvertrag BGE 92 II 19 , für Gastaufnahmevertrag BGE 71 II 114 E. 4). Auf dieser Grundlage ist zu untersuchen, ob die Pistensicherung als vertragliche Nebenpflicht des mit einer Bergbahn abgeschlossenen Transportvertrags zu betrachten ist. 5. In der Lehre sind die Auffassungen geteilt. KLEPPE (Die Haftung bei Skiunfällen in den Alpenländern, München/Berlin 1967, Nr. 169), PICHLER (Pisten, Paragraphen, Skiunfälle, Wien 1970, S. 77), WANNER (La responsabilité civile à raison des pistes de ski, Diss. Lausanne 1970, S. 32 ff.), STIFFLER (Verkehrssicherungspflicht für Skipisten, in: SJZ 67/1971 S. 103) und WELSER (Haftprobleme der Wintersportausübung, in: Sprung/König, Das österreichische Schirecht, Innsbruck 1977, S. 405 ff.) lehnen eine vertragliche Nebenpflicht ab, wobei sie teils freilich Vorbehalte je nach der Werbung der Bahnunternehmung anbringen. Auch DANNEGGER (Haftungsfragen im Recht des Skifahrers, in: Festgabe Wilhelm Schönenberger, 1968, insb. S. 241 f.) bejaht einen solchen Vertragsinhalt nur für den Fall, dass die Bahnunternehmung besonders mit den von ihr unterhaltenen Pisten werbe. Darüber hinaus und ganz allgemein bejahen schliesslich sowohl DALLÈVES (La responsabilité pour les pistes de ski, ZWR 1975 S. 474 und SJK 582, 1981) als auch entgegen seiner früheren Meinung STIFFLER (Schweizerisches Skirecht 1978, S. 130 ff.) eine vertragliche Nebenpflicht zum Pistenunterhalt. In der nämlichen Richtung scheint sich auch die deutsche Lehre zu entwickeln (BÖRNER, Sportstätten-Haftungsrecht, Berlin 1985, S. 118 ff.). Aus der Rechtsprechung kantonaler Gerichte sind insbesondere die ablehnenden Entscheide des Walliser Kantonsgerichts bekannt (Urteil vom 30. Januar 1975, ZWR 1975, S. 260 ff.; Urteil vom 28. März 1979, ZWR 1979, S. 314 ff.; Urteil vom 9. Februar 1983, ZWR 1983, S. 113 ff.), welche das Kantonsgericht im angefochtenen BGE 113 II 246 S. 249 Urteil bestätigt und präzisiert, sowie ein Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 11. August 1967, in welchem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für einen Pistenunfall unter anderem mit einer Pistensicherungspflicht als vertragliche Nebenwirkung des Transportvertrags begründet wurde (SJZ 64/1968, S. 118 ff.; vgl. auch Urteil vom 5. März 1985, PKG 1985, Nr. 7, in welchem das Kantonsgericht offen lassen konnte, ob Art. 41 oder 97 OR anwendbar war). Eine Arbeitsgruppe des Schweizerischen Verbandes der Seilbahnunternehmungen bejahte 1976 ebenfalls eine vertragliche Nebenpflicht, wobei zwischen den Parteien streitig ist, wieweit diese Ansicht heute noch Geltung hat. 6. Im vorliegenden Fall geht es ausschliesslich um die Pistensicherungspflicht von Luftseilbahnen, die ein eigentliches Skigebiet erschliessen. Wieweit auch Bergbahnen, bei denen dies nicht zutrifft, entsprechende Schutzpflichten andern Inhalts (für Schlittenabfahrten, Wanderwege und ähnliches) zu erfüllen haben, bleibt offen. a) In solchen Skigebieten besteht offensichtlich ein enger Zusammenhang zwischen dem Bergtransport mit der Bahn und der Abfahrt auf Skiern. Selbst wenn eine Bahn auch im Sommer eine gute Frequenz aufweist, liegt das Hauptgewicht auf dem Winterbetrieb. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass neue Konzessionen nur nach Prüfung des Skiabfahrtenprogramms erteilt werden (Art. 8, Art. 10 Abs. 2 lit. d der Luftseilbahnkonzessionsverordnung; SR 743.11). Die Bedeutung der Skipisten für den wirtschaftlichen Erfolg der Bahn ergibt sich aus dem Umstand, dass der Skifahrer die Bahn gewöhnlich mehrmals täglich benützt. Die Tages- und Wochenkarten bekommen denn auch nur in Verbindung mit Pisten ihren Sinn. b) Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass in der Regel die Bahnunternehmung auch den Pistenunterhalt und Rettungsdienst besorgt. Das Kantonsgericht erklärt dies ausdrücklich mit der Absicht, möglichst viele Skifahrer zum Abschluss von Transportverträgen zu veranlassen; besser kann der innere Zusammenhang zwischen Bergfahrt und Piste kaum umschrieben werden. Es ist auch unbestritten, dass die Bahnunternehmungen insgesamt einen erheblichen Teil ihrer Wintereinnahmen für den Pistenbetrieb aufwenden; damit sind aber auch diese Kosten im Preis der Fahrausweise eingerechnet. Wie es sich verhält, wenn ausnahmsweise andere Organisationen für den Pistendienst verantwortlich sind, braucht BGE 113 II 246 S. 250 nicht geprüft zu werden. Jedenfalls besteht kein Grund, entsprechend einzelnen Autoren die Haftung danach zu differenzieren, ob die Bahnunternehmung selbst mit dem Hinweis auf gute Skipisten wirbt. Das dürfte zwar heute die allgemeine Regel sein, namentlich in Form von Prospekten, Hinweistafeln und dergleichen; am Eindruck für die Bahnbenützer ändert sich indes nichts, wenn dieses Werbematerial von einem örtlichen Verkehrsverein herausgegeben wird, der damit für die Bahnen wirbt. c) Nach dem Vertrauensgrundsatz darf der Benützer einer derartigen Luftseilbahn sich darauf verlassen, dass diese nicht nur die Hauptleistung des Transportes erfüllt, sondern auch als Nebenleistung für Pistensicherheit und Rettungsdienst sorgt. Es verhält sich damit nicht anders als mit der Informations- und Warnungspflicht (Pistenzustand, Lawinengefahr etc.), in der auch Autoren eine vertragliche Nebenpflicht sehen, die dies für die Pistensicherung ablehnen (WELSER, a.a.O. S. 408). 7. Unerheblich ist demgegenüber, dass nicht alle Bahnbenützer mit Skiern und auf den Pisten zu Tal fahren, da ein Bahnbenützer nicht alle Nebenleistungen der Bahn in Anspruch nehmen muss. Ebensowenig kommt es darauf an, dass die Pisten auch von Skifahrern benützt werden dürfen, die nicht mit der Bahn angefahren sind. In dieser Hinsicht machen Kantonsgericht und Beklagte zu Unrecht einen Anspruch aller Pistenbenützer auf rechtsgleiche Behandlung geltend; es entspricht der Konkurrenz von vertraglicher und ausservertraglicher Haftung, dass nur letztere geltend machen kann, wer sich nicht auf einen Vertrag zu stützen vermag. Das dürfte auch dort eine angemessene Lösung ergeben, wo mehrere Bahnunternehmungen das gleiche grosse Skigebiet erschliessen; wer dabei den Pistenbereich der Bahn, mit der er einen Transportvertrag geschlossen hat, verlässt, kann allenfalls auf die ausservertragliche Haftung einer andern Unternehmung beschränkt sein; vorliegend steht das unstreitig nicht zur Diskussion. Ergibt sich nach Treu und Glauben eine vertragliche Pistensicherungspflicht, so kommt nichts darauf an, ob dies einer Übung entspricht und namentlich von den Seilbahnunternehmungen so verstanden wird. Wenn bisher derartige Unfälle ausschliesslich nach Art. 41 OR beurteilt worden sind, wie die Beklagte annimmt, so erklärt sich das unschwer daraus, dass gewöhnlich diese Bestimmung eine ausreichende Haftungsgrundlage abgibt. Da die Vertragshaftung nicht zu höheren Anforderungen an die Pistensicherung führt als die ausservertragliche Haftung, könnte BGE 113 II 246 S. 251 auch eine Wegbedingung der vertraglichen Haftung, soweit eine solche bei einer konzessionierten Luftseilbahn überhaupt möglich ist ( Art. 100 Abs. 2, Art. 101 Abs. 3 OR ), der Bahnunternehmung keinen Vorteil bringen. Umgekehrt behauptet die Beklagte zu Unrecht, Art. 97 OR führe praktisch zu ihrer Haftung für alle Pistenunfälle, weil sie ein Selbstverschulden des Verunfallten nur sehr schwer oder gar nie nachweisen könnte, wie sie auch nach Tagen oder gar nach zehn Jahren nicht mehr beweisen könnte, dass die Piste am Unfallort im Umfallzeitpunkt in einwandfreiem Zustand gewesen sei. Nach der genannten Bestimmung hat stets der Geschädigte die Vertragsverletzung (die ungenügende Pistensicherung) und den Kausalzusammenhang mit dem Schaden zu beweisen; erspart bleibt ihm lediglich der Nachweis eines Verschuldens, wie ihn Art. 41 OR erfordert, weil ein solches vorbehältlich Exkulpationsbeweis vermutet wird. Diese Ordnung ist einer Bahnunternehmung umso sehr zuzumuten, als sie in der Regel auch den Rettungsdienst leitet und daher am ehesten beweissichernde Massnahmen treffen kann. 8. Das Kantonsgericht stellt sich auf den Standpunkt, für eidgenössisch konzessionierte Luftseilbahnen seien die Grundsätze der Eisenbahnhaftpflicht anwendbar, deren Kausalhaftung eine andere vertragliche oder ausservertragliche Haftung ausschliesse und zudem binnen zwei Jahren nach dem Unfall verjähre ( Art. 14 EHG ; SR 221.112.742). Zwar sind die eidgenössisch konzessionierten Luftseilbahnen dem EHG unterstellt ( Art. 3 Abs. 2 PVG ; SR 783.0). Dieses erfasst jedoch nur die Haftung für Unfälle beim Bau oder Betrieb der Bahn ( Art. 1 EHG ), wobei die Konzession eine weitergehende Haftung begründen kann ( Art. 21 EHG ). Es regelt nur die Haftung für den Betrieb im technischen Sinn und schliesst eine solche für den gewerblichen Betrieb nicht aus. Andere vertragliche oder ausservertragliche Haftungsgründe entfallen nur soweit, als das EHG wirklich anwendbar ist (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1 S. 305 und 325; BGE 84 II 207 ; als Beispiel derartiger vertraglicher und ausservertraglicher Haftung der SBB wegen Nichtanwendung des EHG vgl. BGE 91 I 234 E. IV/2 und 239 E. VI/2). Schliesslich schreibt die Luftseilbahnkonzessionsverordnung eine Haftpflichtversicherung vor (Art. 21), die nach der Praxis auch die Pistenhaftpflicht umfasst, wie das für die kantonal konzessionierten Skilifte ausdrücklich festgelegt ist (Skiliftverordnung Art. 11 Abs. 2 lit. b; SR 743.21). Das bestätigt eindeutig, dass BGE 113 II 246 S. 252 das EHG einer derartigen Haftungsausdehnung nicht im Wege steht. 9. Nach Auffassung der Beklagten steht der Annahme einer vertraglichen Haftung das seit 1. Januar 1987 geltende Transportgesetz vom 4. Oktober 1985 (SR 742.40) entgegen. Sie widerspricht der an einer Konferenz geäusserten Auffassung eines Vertreters des Bundesamtes für Verkehr, wonach mit der Streichung der Beförderungspflicht im neuen Gesetz die Möglichkeit, die Haftung der Luftseilbahnunternehmen aus Transportvertrag zu begründen, verbessert worden sei. Auf diese Äusserung, die das Dargelegte höchstens bestätigen könnte, braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Dass sodann Art. 15 des Gesetzes als Inhalt des Personentransportvertrags nur die Hauptleistung des Transportes festhält, besagt nichts gegen eine besondere Nebenpflicht. Erfolglos beruft sich die Beklagte schliesslich darauf, dass Art. 17 nur eine Haftung für Verspätungsschaden begründe und dass niemand bei der Gesetzesberatung den Einbezug der Skipistenhaftung postuliert habe, weshalb nunmehr nicht durch Interpretation eine Ausdehnung der Haftung herbeigeführt werden dürfe, die der Gesetzgeber nicht gewollt habe. Dieses Argument scheitert schon daran, dass das Transportgesetz bewusst auf eine eigene Regelung der Haftung für Personenschäden verzichtet hat (Botschaft BBl 1983 II S. 186). 10. Die Beklagte haftet demnach dem Kläger auch aus Vertrag. Damit sind die eingeklagten Forderungen nach der nunmehr massgebenden zehnjährigen Frist nicht verjährt und die Berufung entsprechend gutzuheissen.
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Sachverhalt ab Seite 242 BGE 119 IV 242 S. 242 A.- Der Versicherungstreuhänder S. nahm am 15. Februar 1991 von G. gegen Quittung Fr. 205'000.-- in bar entgegen und übergab das Geld K. Dieser überwies mit der Post auftragsgemäss Fr. 105'000.-- an eine Bank in Zürich zur Eröffnung eines Gemeinschaftskontos zugunsten von Herrn und Frau G. sowie zweimal Fr. 50'000.-- für den Abschluss von zwei Lebensversicherungen mit BGE 119 IV 242 S. 243 Einmaleinlage bei einer Versicherung in Genf. Beim Gemeinschaftskonto handelte es sich um ein verwaltetes Bankkonto. Der Verwaltungsauftrag ermächtigte die Bank, nach ihrem freien Ermessen - insbesondere hinsichtlich Währung, Höhe, Schuldner und Bedingungen - neue Anlagen zu tätigen sowie bestehende Anlagen aufzulösen. Bei Fr. 100'000.-- übersteigenden Einlagen bestanden bei dieser Bank wie bei der Versicherung besondere Meldepflichten. Das Geld stammte aus Drogenhandel, den G. im Zeitraum 1986 bis Februar 1991 betrieben hatte. Die Kriminalkammer des Kantons Bern verurteilte G. deshalb am 20. Dezember 1991 gemäss Art. 19 Ziff. 2 BetmG zu drei Jahren Gefängnis. B.- Das Strafamtsgericht Bern sprach S. am 3. Oktober 1991 von der Anschuldigung der Geldwäscherei, eventuell der mangelnden Sorgfalt beim Geldhandel frei. Auf Appellation des stellvertretenden Prokurators verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 11. August 1992 wegen Geldwäscherei zu Fr. 7'000.-- Busse. C.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz verzichtete auf Gegenbemerkungen. Der stellvertretende Prokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren ( Art. 305bis Ziff. 1 StGB ). a) Den Grundtatbestand der Geldwäscherei erfüllt jede Tathandlung, die geeignet ist, die Einziehung der Verbrechensbeute zu vereiteln. Das Verstecken von Drogengeld ist eine Vereitelungshandlung ( BGE 119 IV 59 ). b) Die Vortat muss ein Verbrechen im Sinne des Art. 9 StGB sein. Diese Voraussetzung ist mit der Verurteilung des Vortäters nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG erfüllt. Der Beschwerdeführer wendet ein, Art. 305bis StGB erfasse nur Vermögenswerte, die weiteren Verbrechen dienten. Das Gesetz stellt BGE 119 IV 242 S. 244 jedoch einzig darauf ab, ob die Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren, nicht aber darauf, ob mit ihnen weitere Straftaten begangen werden sollen. Dadurch unterscheidet sich Art. 305bis StGB von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG (vgl. BGE 111 IV 28 E. 4a, BGE 112 IV 47 , BGE 115 IV 256 , BGE 118 IV 412 ). Der Gedanke der Zweckbestimmung findet sich zwar in den Materialien (vgl. BERNASCONI, Die Geldwäscherei im Schweizerischen Strafrecht, Bericht mit Vorschlägen zu einer Gesetzesrevision (neuer Artikel 305bis StGB), Lugano 1986, S. 31, 37; Bonny, Amtl.Bull. 1989 N 1845). Die Räte stellten jedoch auf das Kriterium der Herkunft ab (Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1989 N 1854, Bonny, a.a.O. 1857, Salvioni, a.a.O. 1858; Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1990 S 195, Rhinow, a.a.O. 197, Béguin, a.a.O. 198). Die aus Art. 58 StGB stammende Wendung des Vorentwurfs ("zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt") wurde nicht Gesetz (vgl. Botschaft über die Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches (Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften) vom 12. Juni 1989, BBl 1989 II 1061ff., 1082). c) Eine Verletzung von Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK ist nicht ersichtlich. Das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) ist Bestandteil des Legalitätsprinzips. Der Grundsatz der Legalität folgt aus Art. 4 BV und bildet durch die Übernahme in Art. 1 StGB eidgenössisches Recht im Sinne des Art. 269 Abs. 1 BStP . Art. 7 EMRK schützt diesen Grundsatz ebenfalls. Die Rüge der konventionswidrigen Auslegung einer bundesrechtlichen Bestimmung, also der mittelbaren Verletzung der Konvention, kann mit Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht werden ( BGE 119 IV 107 E. 1a und BGE 116 IV 388 E. 1, je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Strassburger Organe muss das Gesetz lediglich so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann ( BGE 117 Ia 472 E. 3e, S. 480, vgl. BGE 112 Ia 107 E. 3b; HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 47 f., 76, 198). Diesen Anforderungen genügt Art. 305bis Ziff. 1 StGB . d) Vorliegend beriet der Beschwerdeführer den Kunden in seiner Eigenschaft als Treuhänder (vgl. BERNASCONI, a.a.O., S. 32 ff.; BBl 1989 II 1065), wie er den für seine Verhältnisse sehr hohen Geldbetrag unauffällig anlegen konnte. Er zahlte das Geld nicht bloss auf die (mindestens zwei) bestehenden Bankkonten ein, sondern teilte BGE 119 IV 242 S. 245 es auf und liess es über Mittelsleute auf eigens errichtete Konten einer Bank und einer Versicherung überweisen. Die Aufteilung erfolgte auch deshalb, weil jeweils bei einem Fr. 100'000.-- übersteigenden Betrag die wirtschaftliche Berechtigung nachzuweisen war, oder - im Verständnis von G. - der Nachweis, "woher das Geld komme". Um diesen Nachweis zu vermeiden, verteilte der Beschwerdeführer die Summe auf zwei Institute, schloss zwei Einmaleinlage-Versicherungen ab und errichtete ein Gemeinschaftskonto (die Fr. 100'000.-- übersteigenden Fr. 5'000.-- waren zur Tilgung der Kontoeröffnungskosten bestimmt). Jeder Mitinhaber, also Herr und Frau G., war berechtigt, selbständig und uneingeschränkt über das Konto zu verfügen. Die Korrespondenz hatte über den Beschwerdeführer zu erfolgen. Über diese Vorkehren wurde die bis anhin unbeteiligte und mit der Sache nicht vertraute Frau G. Mitinhaberin des Gemeinschaftskontos und erhielt einen eigenen Versicherungsanspruch; gegenüber der Versicherung trat sie sogar selbständig als Einlegerin auf. Der Beschwerdeführer spies so das Drogengeld durch spezifische Transaktionen in den Finanz- und Versicherungsbereich ein (Stückelung, Zwischenschaltung von Dienstleistungsbetrieben, Vorschieben der Frau G., Überweisung an gewerbsmässige Anleger). Mit diesem Vorgehen konnten der Nachweis der wirtschaftlichen Berechtigung unterlaufen bzw. mögliche Abklärungen seitens der Bank und der Versicherung über die Herkunft der Gelder vermieden werden. Das Drogengeld lag jetzt auf Konten juristischer Personen, die diese Werte ohne Rücksprache anzulegen hatten. Das Geld wäre nunmehr unter dem Namen dieser juristischen Personen auf dem Finanzmarkt verschoben worden. Damit war der Drogengewinn aus dem persönlichen Bereich des Vortäters entfernt und im Finanzmarkt plaziert. Für G. war das Problem, wie das aus dem Drogenhandel stammende Geld zu investieren sei, gelöst. Bei Auflösung des Bankkontos oder bei Eintritt des Versicherungsfalles bzw. Rückkauf wären der Erlös als Ertrag aus dem Anlagemarkt erschienen und die Spur der verbrecherischen Herkunft getilgt gewesen. Hätte die Polizei bei G. nicht die Quittung gefunden, wären eine Identifizierung der Vermögenswerte und der Zugriff auf ihn kaum mehr möglich gewesen. Denn die Behörden hätten den Weg vom Anlagekapital über die Investitionskanäle, die Bank- und Versicherungsinstitute, die Mittelsleute und den Beschwerdeführer zu G. aufdecken müssen. Der Beschwerdeführer hat dieses Vorgehen organisiert und damit die erste Phase der Geldwäscherei, die Plazierung, beendet. In diesem Zeitpunkt erfolgte der BGE 119 IV 242 S. 246 Zugriff der Polizei. Doch war der objektive Tatbestand bereits vollendet. Eine solche Beratung und Anlage ist eine Vereitelungshandlung im Sinne des Art. 305bis Ziff. 1 StGB . e) Der Einwand des Beschwerdeführers, nicht jede Umwandlung von Bargeld in Buchgeld bzw. nicht jede wie immer geartete Einlage solcher Gelder erfülle den Tatbestand, erledigt sich damit. Die vom Beschwerdeführer gewählte Form der Einlage geht über eine einfache Umwandlung von Bargeld in Buchgeld oder eine "blosse" Einzahlung hinaus. Ergänzend sei dazu folgendes bemerkt: Die Botschaft bezeichnet das Umwandeln von Bargeld in Buchgeld als typische Form der Geldwäscherei. Für den Drogenhandel sei die Umwandlung von Bargeld aus der Kleinverteilung in Buchgeld eine kritische Phase, die Geldwäscherei ersten Grades, und die Einzahlung sei bereits von entscheidender Bedeutung (BBl 1989 II 1066, 1084 oben, 1074). Die Räte nahmen keine Differenzierung vor. Es war die Rede vom Geldkurier als archaischer Form der Geldwäscherei (Amtl.Bull. 1989 N 1849, Amtl.Bull. 1990 S 190 f.), der einfache Transfer von Bargeld und Noten sei nur der Grundtypus (Amtl.Bull. 1990 S 194); unter Geldwäscherei seien alle Handlungen zu verstehen, die dazu dienten, verbrecherisch erlangte Vermögenswerte nachher als scheinbar legal erworben wieder in den Markt einzuführen (vgl. Amtl.Bull. 1989 N 1852, 1859; Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1990 S 194, 195). Der Gesetzgeber hat damit die Anwendung der Norm auf den Einzelfall nicht abschliessend geregelt, sondern der Rechtsprechung aufgetragen, Fallgruppen typischer Vereitelungshandlungen zu entwickeln (BBl 1989 II 1083). Erscheinungsform und Ablauf der Geldwäscherei sind in der Literatur unterschiedlich, jedoch im wesentlichen übereinstimmend beschrieben. MARK PIETH (Mark Pieth [Hrsg.], Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 12 ff.) unterscheidet drei Phasen. Ziel der Plazierung sei das Einspeisen von Bargeld in den Finanzbereich. In der zweiten Phase, dem Verwirrspiel, würden die Vermögenswerte so lange verschoben, bis deren Herkunft im komplexen Netzwerk des Finanzmarktes gleichsam wie hinter einer Nebelwand verschwunden sei. Mit der Integration, d.h. sobald den Vermögenswerten ein legitimer Hintergrund beigegeben ist, sei der Waschvorgang vollendet (vgl. JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäscherei - Money Laundering, Zürich 1992, S. 13 ff.; CHRISTOPH K. GRABER, Geldwäscherei, Bern 1990, S. 56 ff.). Der Finanzbereich, besonders der Bankensektor, wird so das Verbindungsstück zwischen legaler und illegaler Ökonomie. Der Gesetzgeber mass dieser Tatsache BGE 119 IV 242 S. 247 Gewicht bei und bezeichnete den Finanzkreislauf als eigentliche "Achillesferse" (BBl 1989 II 1064; Cotti, Amtl.Bull. 1989 N 1844, Thür, a.a.O. 1859; Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1990 S 194, Onken, a.a.O. 197, Béguin, a.a.O. 198). Weil die Einspeisung in den legalen Finanz- und Kapitalmarkt eine kritische Phase bildet, muss die Norm an dieser Schnittstelle ebenfalls ansetzen und den ersten Schritt, die Plazierung, erfassen. Auch dies spricht dafür, dass die vom Beschwerdeführer vorgenommene Anlage des Drogengeldes den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt. 2. a) Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 18 StGB geltend. Die Vorinstanz stelle nämlich fest, er habe nichts von G.'s Drogenhandel gewusst und nicht von einer Erbschaft ausgehen können. Ihr Schluss, er habe annehmen müssen, das Geld stamme aus einem Verbrechen, verletze Bundesrecht. Er habe vorgebracht, es sei Schwarzgeld. Die Vorinstanz habe auch nicht beachtet, dass G. als vertrauenswürdig geschildert worden sei. b) Der Geldwäscher muss die verbrecherische Herkunft der Vermögenswerte und die Verwirklichung des Vereitelungszusammenhangs, der ihm objektiv zur Last gelegt wird, zumindest in Kauf nehmen, d.h. mit einer möglichen Tatbestandsverwirklichung einverstanden sein. Er muss also zunächst wissen oder annehmen, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren. Die Formulierung "weiss oder annehmen muss" stammt aus Art. 144 StGB und meint Vorsatz und Eventualvorsatz. Nach der Rechtsprechung zu Art. 144 StGB genügt, wenn Verdachtsgründe die Möglichkeit einer strafbaren Vortat nahelegen. Nicht nötig ist, dass der Hehler deren konkrete Eigenart kennt ( BGE 101 IV 402 E. 2; SJ 110/1988 S. 405). Das Gesetz beruht auf dieser Rechtsprechung (BBl 1989 II 1084; Amtl.Bull. 1989 N 1846, 1853 f., 1856 f.; Amtl.Bull. 1990 S 195; ebenso die Literatur: STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teilrevisionen 1987 bis 1990, S. 76 N 16; SCHMID, Anwendungsfragen der Straftatbestände gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB Art. 305bis, Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991, S. 119; GRABER, a.a.O., S. 142; ACKERMANN, a.a.O., S. 267, 272). Daher genügt, ist aber auch erforderlich, dass der Geldwäscher die Umstände kennt, die den Verdacht nahelegen, das Geld stamme aus einer verbrecherischen Vortat. Dabei muss er nicht wissen, dass das Gesetz die entsprechende Qualifikation vornimmt (z.B. Diebstahl, qualifizierte Veruntreuung, BGE 119 IV 242 S. 248 Betrug, qualifizierte Betäubungsmitteldelikte), aber er muss die für die Subsumtion erforderlichen Umstände kennen. Ist beweismässig davon auszugehen, dass der Geldwäscher nicht eine bestimmte Vorstellung über die Art des Vordeliktes hatte, ist demnach entscheidend, ob er zumindest die Möglichkeit in Kauf genommen hat, das Geld könne aus einer Verbrechensvortat stammen. Es genügt also, dass er mit der Möglichkeit gerechnet hat, das Geld könne aus qualifizierten Betäubungsmitteldelikten oder gegebenenfalls anderen Verbrechen wie Diebstahl oder Betrug stammen und dies in Kauf genommen hat, mit anderen Worten, dass er mit einem Sachverhalt gerechnet hat, der als qualifiziertes Betäubungsmitteldelikt oder ein anderes Verbrechen zu qualifizieren ist. c) Was der Täter weiss, will oder in Kauf nimmt, billigt, womit er sich abfindet (vgl. BGE 96 IV 99 ), ist Tatfrage und als tatsächliche Feststellung für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP ; vgl. BGE 119 IV 1 E. 5a, BGE 118 IV 122 E. 1, BGE 116 IV 143 E. 2c). Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen richtet oder die Beweiswürdigung kritisiert, ist somit darauf nicht einzutreten. Allerdings ist die Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit schwierig. Vorsatz ist innere Tatsache und nur anhand äusserer Kennzeichen feststellbar. Deshalb ist die Rechtsfrage ohne Bewertung der Tatfrage kaum zu beantworten ( BGE 119 IV 1 E. 5a). Der Beschwerdeführer weist auf diesen Zusammenhang hin, indem er sich auf einen Aufsatz stützt, worin SCHUBARTH diese Problematik kurz dargestellt hat (Nichtigkeitsbeschwerde - Staatsrechtliche Beschwerde - Einheitsbeschwerde?, AJP 7/1992 S. 851 f.). Dieser führt aus, der Sinngehalt der zum Eventualdolus entwickelten Formeln liesse sich nur im Lichte der tatsächlichen Umstände des Falles prüfen. Das Bundesgericht könne jedenfalls in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualdolus überprüfen. d) Die Vorinstanz hat sich mit den Einwänden, es handle sich um Schwarzgeld und G. habe als vertrauenswürdig gegolten, auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass die Gelder weder erarbeitetes Vermögen noch Ersparnisse waren. Er habe auch nicht von einer Erbschaft ausgehen können; denn er habe die Steuererklärung ausgefüllt (wonach die Ehegatten G. rund Fr. 42'000.-- Bruttolohn sowie rund Fr. 47'000.-- Bruttovermögen versteuerten), sei über die Höhe der väterlichen Erbschaft (Quittung über rund BGE 119 IV 242 S. 249 Fr. 2'900.--) informiert gewesen, habe das Versicherungsportefeuille betreut und zu diesem Zwecke die finanzielle Situation analysiert. Er habe ausserdem eine Vertrauensstellung eingenommen. Irgendwelche Indizien, die auch nur geeignet gewesen wären, ihn zur Annahme von anderen, legalen Geldquellen zu veranlassen, lägen nicht vor. Weitere mögliche Quellen habe er denn auch nicht geltend gemacht. Die Bemerkung, es sei "Schwarzgeld" bzw. nicht kriminelles Geld, habe deshalb Zweifel an einer deliktischen Herkunft nicht zerstreuen können. Wie er gewusst habe, sei es nicht G.'s Art gewesen, Geld zu Hause brachliegen zu lassen. Der Beschwerdeführer und K. hätten das Geschäft als unüblich bezeichnet; letzterer habe deshalb nach der Herkunft gefragt. Die Vorinstanz betont die Umstände, die Hast, die Ungewöhnlichkeit der Geschäftsabwicklung und dass G. trotz bescheidener finanzieller Verhältnisse in der Lage gewesen sei, innert weniger Stunden Fr. 205'000.-- in bar und gemischter Stückelung beizubringen. Aufgrund der dem Beschwerdeführer bekannten objektiven beruflichen und finanziellen Situation sowie der Höhe des Betrages schliesst sie aus, dass er habe annehmen können, es handle sich um Schwarzgeld aus einem (nicht geldwäschereitauglichen) Vergehen. Er habe deshalb davon ausgehen müssen, es seien deliktische Gelder, im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre solche verbrecherischer Herkunft. Zuzugeben ist, dass aus der Höhe des Deliktsbetrags allein nicht auf ein Verbrechen im Sinne von Art. 9 StGB geschlossen werden kann. Beispielsweise stellt die einfache Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB auch dann ein Vergehen dar, wenn Hunderttausende von Franken veruntreut wurden; Entsprechendes gilt für den Insidermissbrauch gemäss Art. 161 StGB . Der Beschwerdeführer wendet jedoch selbst nicht ein, er habe geglaubt, das Geld stamme beispielsweise aus Veruntreuung oder Insidermissbrauch. Es fehlen auch Indizien dafür, dass G. etwa in seiner beruflichen Tätigkeit die Möglichkeit zu solchen Straftaten gehabt hätte. Aufgrund der konkreten Verhältnisse lässt sich deshalb ausschliessen, dass der Beschwerdeführer davon ausgegangen ist, G. hätte die Gelder aus Straftaten erlangt, die vom Gesetz nur als Vergehen eingestuft sind. Aufgrund der geschilderten Umstände hat er jedenfalls die Möglichkeit gesehen, dass die Vermögenswerte aus Straftaten stammen könnten, die, wie etwa qualifizierter Betäubungsmittelhandel, das Gesetz als Verbrechen qualifiziert. Die Vorinstanz hat deshalb im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Eventualvorsatz BGE 119 IV 242 S. 250 des Beschwerdeführers in bezug auf die Verbrechensnatur der Vortat bejahte. Im weitern stellt der Beschwerdeführer die Ausführungen zum Vorsatz nicht in Frage.
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Sachverhalt ab Seite 646 BGE 143 III 646 S. 646 Bei einer Auffahrkollision wurden die im Pferdeanhänger mitfahrende A.E. (Beschwerdeführerin) sowie die Stute X. verletzt. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, die über keinen eigenen Stall verfügten, hatten die Stute in einem sechs Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernten Reitstall untergebracht, der mit dem Auto in wenigen Fahrminuten erreichbar war. Die tägliche Pflege wurde nicht von den Stallbetreibern (wie bei Pensionsställen teilweise üblich), sondern von der Beschwerdeführerin selber übernommen, welche das Tier bis zum Unfall auch selbst geritten hatte. BGE 143 III 646 S. 647 Mit ihrer Teilklage machte die Beschwerdeführerin Heilungskosten, eine Affektionsentschädigung sowie den Minderwert der Stute geltend. Sie berief sich darauf, bei der Stute handle es sich um ein Tier, das "im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten" werde im Sinn von Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR . (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Bei Tieren, die "im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten" werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen ( Art. 42 Abs. 3 OR ). Im Falle der Verletzung oder Tötung eines solchen Tieres kann das Gericht sodann bei der Bestimmung des Schadenersatzes dem Affektionswert angemessen Rechnung tragen, den dieses Tier für seinen Halter und dessen Angehörige hatte ( Art. 43 Abs. 1 bis OR ). Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR wurden 2003 zusammen mit dem neuen Art. 641a ZGB erlassen, wonach Tiere keine Sachen sind. Der gleiche Begriff der Tiere "im häuslichen Bereich" wurde auch in andern im Rahmen dieser Revision angepassten Bestimmungen verwendet, nämlich in Art. 651a Abs. 1 ZGB (richterliche Zusprechung von Tieren), Art. 722 Abs. 1 bis ZGB (Eigentumserwerb bei Fund), Art. 728 Abs. 1 bis ZGB (Ersitzung) und Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG (unpfändbare Vermögenswerte). Es ist unbestritten, dass die Stute X. von der Beschwerdeführerin nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wurde. Zu prüfen ist, ob sie ein "im häuslichen Bereich" gehaltenes Tier ist. Das Bundesgericht musste bislang noch nie zu diesem Begriff Stellung nehmen. 2. Während das Bezirksgericht unabhängig davon, dass die Stute in einiger räumlicher Distanz zum Wohnort der Kläger untergebracht worden war, den Begriff "im häuslichen Bereich" als erfüllt betrachtete, da es aufgrund der mit der Revision verfolgten Zwecke massgeblich darauf ankomme, dass die Eigentümer das Pferd selber pflegten und eine entsprechende Bindung zu ihm unterhielten, stellte die Vorinstanz massgeblich auf den Wortlaut ab. Dieser lasse zwar eine Tierhaltung in der unmittelbaren Umgebung noch zu, jedoch könne bei einer Entfernung von sechs Kilometern nicht mehr vom häuslichen Bereich die Rede sein. BGE 143 III 646 S. 648 Die kantonalen Gerichte konnten sich auf je unterschiedliche Auffassungen in der Lehre stützen. Zwar wird allgemein angenommen, ein Tier müsse nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht im Haus selber gehalten werden; zum häuslichen Bereich könne auch ein separater Stall gezählt werden (ohne nähere Eingrenzung: INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016, S. 122 Rz. 18.04). Jedoch unterscheiden sich die Lehrmeinungen hinsichtlich der Frage, bis zu welcher Distanz dies möglich ist. Ein Teil will den "häuslichen Bereich" auf die unmittelbare Wohnumgebung beschränkt wissen (ROLAND BREHM, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2013, N. 70 zu Art. 42 OR , "einige Schritte vom Haus entfernten Stall"; CHRISTOPH MÜLLER, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 18 zu Art. 42 OR ; GEORGES VONDER MÜHLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2016, N. 11a zu Art. 92 SchKG , "heimhaltungstaugliche Haustiere [...], welche nach ihrer Wesensart und Beschaffenheit zu einem häuslichen oder sonst engen räumlichen Zusammenleben mit dem Menschen geeignet sind". Wohl auch FRANZ WERRO, La responsabilité civile, 2. Aufl. 2011, § 1 Rz. 186 und derselbe , in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 33 zu Art. 42 OR , "l'écurie voisine"). Nach anderer Auffassung ist der entscheidende Gesichtspunkt die besonders enge Beziehung; dies bedinge eine gewisse Häufigkeit der Kontakte, so dass es mehr auf die zeitliche Intensität als die örtliche Nähe ankomme (PETER KREPPER, Affektionswert-Ersatz bei Haustieren, AJP 2008 S. 710; BERNHARD ISENRING, Das Haustier in der Zwangsvollstreckung, BlSchKG 2004 S. 44; OMBLINE DE PORET, Le statut de l'animal en droit civil, 2006, S. 291 Rz. 943; EVELINE SCHNEIDER KAYASSEH, Haftung bei Verletzung oder Tötung eines Tieres - unter besonderer Berücksichtigung des Schweizerischen und U.S.-Amerikanischen Rechts, 2009, S. 58, "in einer nahegelegenen Ortschaft in einem Stall"; BRUNNER/WICHTERMANN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 3 zu Art. 651a ZGB . Wohl auch: MICHEL OCHSNER, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 80 zu Art. 92 SchKG , "tous les animaux de compagnie"). Zwei Autoren nennen Pferde ausdrücklich und verstehen sie ohne Differenzierung (falls nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten) als Tiere im "häuslichen Bereich" (CHRISTINE CHAPPUIS, Les nouvelles dispositions de responsabilité civile sur les animaux, in: Le préjudice, Journée de la BGE 143 III 646 S. 649 responsabilité civile 2004, Chappuis/Winiger [Hrsg.], 2005, S. 19 f.; ISENRING, a.a.O., S. 45). 3. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis . Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 616 E. 3.3 S. 620 f., BGE 140 IV 206 E. 3.5.4 S. 214; BGE 140 IV 1 E. 3.1 S. 5, BGE 140 IV 28 E. 4.3.1 S. 34; BGE 140 V 8 E. 2.2.1 S. 11; je mit Hinweisen). Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben ( BGE 140 II 129 E. 3.2 S. 131; BGE 140 IV 108 E. 6.4 S. 111; BGE 140 V 213 E. 4.1 S. 216 f.; je mit Hinweisen). Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend; anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt ( BGE 140 III 616 E. 3.3 S. 621; BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361; BGE 137 V 13 E. 5.1 S. 17; vgl. auch BGE 140 III 206 E. 3.5.3 S. 213 f.). 3.1 Der deutsche ("im häuslichen Bereich") und der französische Text ("milieu domestique") stimmen überein und gehen von einer räumlichen Einschränkung aus. Der - für das schweizerische Recht ungewohnte - Begriff "im häuslichen Bereich" wurde aus § 811c Abs. 1 der deutschen ZPO übernommen und erfasst dort Tiere im räumlichen Machtbereich des Tierhalters (GOETSCHEL/BOLLIGER, Das BGE 143 III 646 S. 650 Tier im Recht, 2003, S. 147; DE PORET, a.a.O., S. 289 f. Rz. 937 ff.). Wegen dieser vorausgesetzten räumlichen Nähe schliesst die deutsche Lehre überwiegend ein Reitpferd, das ausserhalb des Wohngrundstücks des Halters zum Beispiel in einem gemieteten Reitstall gehalten wird, aus (URS PETER GRUBER, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 2, 4. Aufl. 2012, N. 3 zu § 811c ZPO mit Hinweisen). Demgegenüber ist der italienische Ausdruck "animali domestici" weiter. Ein Haustier ist ein Tier, das vom Menschen versorgt wird und in seiner Umgebung lebt; es ist der Gegenbegriff zum Wildtier (so auch die Gegenüberstellung in Art. 12 i.V.m. Art. 35 Abs. 1 der bei Erlass dieser Bestimmungen in Kraft gewesenen Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981 [aTSchV; AS 1981 575 und 580]; ähnlich nunmehr Art. 2 Abs. 1 der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 [TSchV; SR 455.1]; vgl. auch Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 1983, S. 551 "nicht frei lebendes, an den Menschen gewöhntes Tier"). Innerhalb des so abgegrenzten Begriffs der Haustiere wird unterschieden zwischen den Nutztieren und den Tieren, die der Mensch aus emotionalen Gründen hält (GOETSCHEL/BOLLIGER, a.a.O., S. 83; DE PORET, a.a.O., S. 288 Rz. 932). Ausgehend von dieser Abgrenzung würde das (domestizierte) Freizeitpferd tel quel unter den italienischen Text "animali domestici" fallen. Stellt man aber auf den deutschen und französischen Wortlaut ab, kommt es darauf an, wie gross die räumliche Distanz zur Wohnung des Tierhalters ist. Eine Distanz von sechs Kilometern wie vorliegend wäre nicht mehr der häusliche Bereich. 3.2 Sinn und Zweck der Gesetzesrevision sprechen für eine Auslegung, die überhaupt nicht auf ein räumliches Kriterium abstellt. Es ging darum, der affektiven Beziehung eines Menschen zu einem Tier Rechnung zu tragen und es insofern nicht mehr wie eine Sache zu betrachten ( Art. 641a Abs. 1 ZGB ). Dass gerade zu einem Pferd diese Beziehung eine sehr enge sein kann, ist notorisch. Damit eine enge Beziehung entstehen kann, muss ein genügender Umgang in zeitlicher Hinsicht bestehen. Die örtliche Nähe spielt dann nur insofern eine (indirekte) Rolle, als bei zu grosser Distanz häufige Kontakte nicht oder weniger möglich sind (i.d.S. zutreffend KREPPER, a.a.O., S. 710). 3.3 Aus der Entstehungsgeschichte der verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich keine eindeutigen Hinweise. BGE 143 III 646 S. 651 Einerseits war im Rahmen der allgemeinen Ausführungen immer wieder statt von Tieren "im häuslichen Bereich" bzw. im "milieu domestique" vom Haustier (animal domestique) die Rede, welches dem von diesen Bestimmungen nicht erfassten Nutztier gegenübergestellt wurde (Kommissionssprecher Epiney, AB 2002 S 65; Kommissionssprecher Siegrist, AB 2002 N 1252 und 1257). Da das Freizeitpferd zweifellos kein Nutztier ist, spricht die hier verwendete Abgrenzung für ein weites Verständnis des strittigen Begriffs. Im Hinblick auf nach Art. 42 Abs. 3 OR zu deckende Heilungskosten wurde mit dem nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehaltenen Pferd als Beispiel begründet, dass solche Kosten verhältnismässig zu sein hätten (Kommissionssprecher Epiney, a.a.O., 65). Auch damit wurde das Pferd undifferenziert als Tier "im häuslichen Bereich" verstanden. Andererseits wurden im Rahmen der Kommissionsberichte Bemerkungen zu einzelnen Bestimmungen gemacht, die Pferde ausschliessen. So heisst es im Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats zur parlamentarischen Initiative "Tier ist keine Sache" und zur parlamentarischen Initiative "Wirbeltiere. Gesetzliche Bestimmungen" vom 18. Mai 1999 zum neuen Art. 722 Abs. 1 bis ZGB (Eigentumserwerb bei Fund), mit den Tieren im häuslichen Bereich seien "Tiere gemeint, zu denen der Besitzer eine besonders enge Beziehung hat, unabhängig davon, ob sie im Haus, im Garten oder im Stall gehalten werden. Eingeschränkt wird der Geltungsbereich durch die Bedingung, dass diese Tiere nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden. In die Interessenabwägung einzubeziehen ist aber auch der wirtschaftliche Wert eines Tieres. Wer beispielsweise ein Pferd findet, kann sich nicht oder nur ausnahmsweise auf diese Bestimmung berufen, selbst dann nicht, wenn er eine enge Beziehung zum Tier entwickelt hat" (BBl 1999 8942 f. Ziff. 332.1. Wörtlich gleich: Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats zur parlamentarischen Initiative "Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung" vom 25. Januar 2002, BBl 2002 4170 Ziff. 3.3.2.1). Schliesslich bemerkte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2002 zu diesem Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (BBl 2002 5808 Ziff. 2.2), der neu vorgeschlagene Art. 92 [Abs. 1] Ziff. 1a SchKG werde wohlkeine praktischen Wirkungen zeitigen, denn es könne davon ausgegangen werden, dass bei Tieren, die im häuslichen Bereich und BGE 143 III 646 S. 652 nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, kaum Aussichten auf einen Verwertungserlös bestünde. Gerade bei einem Freizeitpferd dürfte diese Aussage aber in aller Regel nicht zutreffen. Auch vorliegend hatte das Pferd X. nach den Feststellungen der Vorinstanz einen Vorunfallwert von Fr. 17'500.-. Den Ausführungen in den Räten selber ist höheres Gewicht beizumessen als solchen in vorbereitenden Berichten. Daher sprechen die Materialien insgesamt eher für ein weites Verständnis des strittigen Begriffs, das nicht entscheidend auf die räumliche Distanz abstellt. 3.4 Das Ergebnis einer Auslegung muss in sich stimmig sein und darf nicht an einem unhaltbaren Wertungswiderspruch leiden. Eine Auslegung, nach welcher ein Pferd, das in einem Stall in näherer Umgebung der Wohnung gehalten wird, als Tier "im häuslichen Bereich" qualifiziert würde, ein Pferd in einem einige Kilometer entfernten Stall aber nicht, obwohl ihm die Pferdehalter den gleichen Aufwand an Pflege und Kontakt zukommen lassen und sich so ihre (zumindest) vergleichbare Affektion manifestiert, lässt sich im Hinblick auf den Gesetzeszweck nicht rechtfertigen. Wenn überhaupt, müsste die räumliche Abgrenzung dann eine engere sein in dem Sinn, dass nur Tiere, die mit ihren Haltern in deren Heim gleichsam als Hausgenossen zusammenleben, den geschützten Begriff erfüllen. Pferde würden die Qualifizierung dann nie erfüllen, egal ob sie in der näheren Umgebung oder weiter weg gehalten werden. Da im Gesetzgebungsprozess aber ausdrücklich auch auf die Haltung in einem separaten Stall hingewiesen wurde, verbietet sich eine derart enge Auslegung. Angesichts der erwähnten Hinweise im Gesetzgebungsprozess namentlich zu Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG lässt sich fragen, ob Pferde - sie bereiten ja vor allem Mühe bei der Abgrenzung - wegen ihres Wertes nicht erfasst sein sollten. Mit andern Worten, ob der Gesetzgeber davon ausging, Pferde würden nicht in die geschützte Kategorie fallen, andernfalls er nicht hätte ausführen können, die Verwertung der von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG erfassten unpfändbaren Tiere würde ohnehin kaum zu einem Erlös führen. Ob und inwiefern ein hoher Verkehrswert eines Tieres bei der Auslegung zu berücksichtigen ist, betrifft allerdings primär, wenn nicht gar ausschliesslich, diese betreibungsrechtliche Norm, denn dort stehen den Interessen des Tierhalters die Gläubigerinteressen entgegen, die wiederum in Relation zum Wert des Tieres stehen. Ob dieser BGE 143 III 646 S. 653 Interessenkonflikt allenfalls ein restriktiveres Verständnis von "im häuslichen Bereich" bei Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG oder womöglich eine spezifisch auf die Bedürfnisse des Betreibungsrechts zugeschnittene, weitere Interpretation des Haltens zu "Vermögenszwecken" rechtfertigen könnte, braucht hier nicht behandelt zu werden - für die zivilrechtlichen Bestimmungen und insbesondere für Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR ist solches jedenfalls nicht angezeigt. 3.5 Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass jedenfalls auch ein Pferd, das zwar in einiger Distanz zum Wohnort seines Halters gehalten wird, von seinem Halter oder dessen Familie aber selber gepflegt wird, so wie diese ein im Haus (oder unmittelbar daneben) lebendes Haustier täglich selber versorgen würden, als "im häuslichen Bereich" gehaltenes Tier im Sinne von Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 1 bis OR zu qualifizieren ist. Nachdem diese Voraussetzung gemäss den unbestrittenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hier erfüllt ist, ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache im Sinn des sinngemäss eventualiter gestellten Rechtsbegehrens Ziffer 3 zur Beurteilung des Quantitativen an das Bezirksgericht zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 291 BGE 130 I 290 S. 291 Im Zusammenhang mit der kantonalen Volksabstimmung vom 30. November 2003 über die Teilrevision der zürcherischen Strafprozessordnung wurde der Beleuchtende Bericht des Zürcher Regierungsrates (über die vom Zürcher Kantonsrat beschlossene Teilrevision) am 24. Oktober 2003 im Amtsblatt des Kantons Zürich publiziert. Gegenstand der Referendumsvorlage bildete unter anderem die Abschaffung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile und Erledigungsentscheide der Einzelrichter, Bezirksgerichte und Jugendgerichte (gemäss § 428 Ziff. 1 StPO /ZH) sowie gegen Berufungsentscheide des Obergerichtes (gemäss § 428 Ziff. 2 StPO /ZH). Am 5. November 2003 wurde den Stimmberechtigten des Kantons Zürich der Beleuchtende Bericht des Zürcher Regierungsrates (zusammen mit den übrigen amtlichen Unterlagen zur Volksabstimmung vom 30. November 2003) zugestellt. Mit Stimmrechtsbeschwerden vom 12. bzw. 18. November 2003 fochten verschiedene Privatpersonen sowie Verbände den Beleuchtenden Bericht beim Zürcher Kantonsrat an. Die Beschwerdeführenden rügten, der Regierungsrat habe in dem Bericht seine Verpflichtung zur objektiven, sachlichen und ausgewogenen Information der Stimmberechtigten in schwerer Weise verletzt. In einer ergänzenden kantonalen Stimmrechtsbeschwerde vom 20. November 2003 wurde zusätzlich beanstandet, dass Mitglieder des Regierungsrates durch öffentliche BGE 130 I 290 S. 292 Meinungsäusserungen zum Abstimmungsgegenstand das Gebot einer sachlichen und objektiven Information krass verletzt hätten. Anlässlich der kantonalen Volksabstimmung vom 30. November 2003 wurde die Teilrevision der zürcherischen Strafprozessordnung mit einem Anteil von über 76 % befürwortenden Stimmen angenommen. Mit Beschluss vom 19. Januar 2004 wies der Kantonsrat des Standes Zürich die im Zusammenhang mit dieser Abstimmung erhobenen kantonalen Stimmrechtsbeschwerden ab. Gegen den Beschluss des Kantonsrates vom 19. Januar 2004 gelangten der Zürcher Anwaltsverband, der Verein Demokratische Juristinnen und Juristen Zürich sowie fünf beschwerdeführende Privatpersonen mit Stimmrechtsbeschwerde vom 27. Februar 2004 an das Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Die Beschwerdeführenden 3-7 sind im Kanton Zürich wohnhafte Anwältinnen und Anwälte. Sie sind im Kanton unbestrittenermassen stimm- und wahlberechtigt. Damit sind sie auch beschwerdelegitimiert (Art. 88 i.V.m. Art. 85 lit. a OG ; vgl. BGE 129 I 185 E. 1.3 S. 188, BGE 129 I 217 E. 1 S. 219). 1.3 Bei den Beschwerdeführenden 1 und 2 handelt es sich um juristische Personen (Vereine). Der Zürcher Anwaltsverband (ZAV) ist die kantonale Berufsorganisation der selbstständig praktizierenden Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich. Beim Verein Demokratische Juristinnen und Juristen Zürich (DJZ) handelt es sich um einen Zusammenschluss von Studierenden und praktisch tätigen Juristen mit Vereinssitz in Zürich. Privaten Verbänden und Interessengemeinschaften steht die Beschwerdebefugnis zur Wahrung der verfassungsmässig geschützten Interessen ihrer Mitglieder grundsätzlich zu, wenn sie als juristische Person konstituiert sind, nach den Statuten die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren haben und die Mehrheit oder zumindest eine Grosszahl der Mitglieder von der Streitsache direkt oder virtuell betroffen ist ( BGE 130 I 82 E. 1.3 S. 85; BGE 123 I 221 E. 2 S. 225, je mit Hinweisen; vgl. MARC FORSTER, Die staatsrechtliche Beschwerde, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel 1998, Rz. 2.34; CHRISTOPH HILLER, Die Stimmrechtsbeschwerde, Zürich 1990, S. 297). Nach der Praxis des Bundesgerichtes setzt BGE 130 I 290 S. 293 die Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde (im Gegensatz zur ordentlichen Verfassungsbeschwerde) nicht voraus, dass die Beschwerdeführenden bzw. die von ihnen vertretenen Verbandsmitglieder in besonderen persönlichen Interessen tangiert werden. Die Rechtsstellung des (aktiv oder passiv) wahl- und stimmberechtigten Bürgers wird schon dadurch als betroffen angesehen, dass einschlägige Vorschriften über die politischen Rechte als verletzt gerügt werden ( BGE 119 Ia 167 E. 1d S. 171 f. mit Hinweisen; vgl. FORSTER, a.a.O., Rz. 2.36). Die Statuten der Beschwerdeführenden 1 und 2 sehen die Wahrung der beruflichen und staatspolitischen Interessen ihrer Vereinsmitglieder vor (vgl. auch BGE 123 I 221 E. 2a S. 225). Nach glaubhafter Darlegung in der Beschwerde ist zudem ein Grossteil der Vereinsmitglieder im Kanton Zürich stimm- und wahlberechtigt. Damit sind auch die Beschwerdeführenden 1 und 2 zur vorliegenden Stimmrechtsbeschwerde legitimiert. (...) 2. Die Beschwerdeführenden rügen eine Verletzung der politischen Rechte bzw. von Art. 34 BV . Der Beleuchtende Bericht des Regierungsrates sei "in der vorliegenden Form in wesentlichen Punkten irreführend". Er verletze die Pflicht der Regierung zu objektiver Information und orientiere über den Zweck und die Tragweite der streitigen Gesetzesvorlage "in mehrfacher Hinsicht unrichtig". Ausserdem hätten sich vor der Abstimmung "verschiedene Mitglieder des Zürcher Regierungsrates in unzulässiger Weise öffentlich zur Abstimmungsvorlage geäussert und dadurch gegen die Wahl- und Abstimmungsfreiheit verstossen". Nach Ansicht der Beschwerdeführenden dürften Mitglieder des Regierungsrates (über den Beleuchtenden Bericht hinaus) "nur noch in einen Abstimmungskampf eingreifen, wenn sich eine Richtigstellung irreführender Propaganda aufdrängt, neue Tatsachen zum Abstimmungsgegenstand bekannt werden oder die Ungewöhnlichkeit des Abstimmungsgegenstandes Zusatzinformationen der Behörden notwendig macht". 3. Die in der Bundesverfassung verankerte Garantie der politischen Rechte ( Art. 34 Abs. 1 BV ) schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe ( Art. 34 Abs. 2 BV ). Gemäss § 131 Abs. 2 des zürcherischen Gesetzes vom 4. September 1983 über die Wahlen und Abstimmungen (WaG/ZH) ist eine Abstimmung im Kanton Zürich aufzuheben, wenn glaubhaft ist, dass eine BGE 130 I 290 S. 294 festgestellte Unregelmässigkeit das Ergebnis der Abstimmung wesentlich beeinflussen konnte (vgl. BGE 119 Ia 271 E. 7a S. 281). 3.1 Nach der Praxis des Bundesgerichtes müssen Abstimmungs- und Wahlverfahren so ausgestaltet sein, dass die freie und unbeeinflusste Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist. Geschützt wird namentlich das Recht der aktiv Stimmberechtigten, weder bei der Bildung noch bei der Äusserung des politischen Willens unter Druck gesetzt oder in unzulässiger Weise beeinflusst zu werden ( BGE 129 I 185 E. 5 S. 192). Die Stimmberechtigten haben Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht ihren freien Willen zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Sie sollen ihre politische Entscheidung gestützt auf einen gesetzeskonformen sowie möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen können ( BGE 121 I 138 E. 3 S. 141 mit Hinweisen). 3.2 Aus Art. 34 Abs. 2 BV folgt namentlich eine Verpflichtung der Behörden auf korrekte und zurückhaltende Information im Vorfeld von Abstimmungen (vgl. BGE 121 I 138 E. 3 S. 141 f. mit Hinweisen). Bei Wahlen ist die Praxis strenger als bei Abstimmungen, da den Behörden bei Sachentscheiden auch eine (beschränkte) Beratungsfunktion zukommt (vgl. BGE 118 Ia 259 E. 3 S. 262 f. mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind zwar gewisse behördliche Interventionen in den Meinungsbildungsprozess vor Sachabstimmungen zulässig. Dazu gehören namentlich die Abstimmungserläuterungen der Exekutive, in denen eine Vorlage zur Annahme oder Ablehnung empfohlen wird. Hingegen stellt es eine unerlaubte Beeinflussung dar, wenn die Behörde ihre Pflicht zu objektiver Information verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch orientiert oder wenn sie in unzulässiger Weise in den Abstimmungskampf eingreift und dabei (stimm- und wahlrechtliche) gesetzliche Vorschriften verletzt oder sich in anderer Weise verwerflicher Mittel bedient. Dem Erfordernis der Sachlichkeit genügen Informationen, wenn die Aussagen wohl abgewogen sind und beachtliche Gründe dafür sprechen, wenn sie ein umfassendes Bild der Vorlage mit Vor- und Nachteilen abgeben und den Stimmberechtigten eine Beurteilung ermöglichen oder wenn sie trotz einer gewissen Überspitzung nicht unwahr und unsachlich bzw. lediglich ungenau und unvollständig sind. Aus der Pflicht zur objektiven Information folgt nicht, dass sich die Behörde in der Abstimmungserläuterung mit jeder Einzelheit der Vorlage zu befassen BGE 130 I 290 S. 295 hätte oder dass sie sämtliche Einwendungen erwähnen müsste, die gegen die Vorlage erhoben werden könnten. Das ist schon deshalb entbehrlich, weil der behördliche Bericht keineswegs das einzige Informationsmittel im demokratischen Meinungsbildungsprozess darstellt und die Stimmberechtigten von den für oder gegen die Vorlage sprechenden Argumenten auch noch über andere Quellen Kenntnis erhalten können und sollen. Unzulässig wäre es, in den Abstimmungserläuterungen für den Entscheid der Stimmberechtigten wichtige Elemente zu unterdrücken (vgl. zum Ganzen: BGE 119 Ia 271 E. 3-4 S. 273 ff.; BGE 114 Ia 427 E. 4a S. 432; BGE 105 Ia 151 E. 3a S. 153, je mit Hinweisen; Pra 89/2000 Nr. 23 S. 123, E. 2a; ZBl 99/1998 S. 85 ff. und S. 89/91, E. 4; Urteil 1P.720/1999 vom 16. Februar 2000; MICHEL BESSON, Behördliche Informationen vor Volksabstimmungen, Diss. Bern 2003, S. 182 ff., 250 ff.; GION-ANDRI DECURTINS, Die rechtliche Stellung der Behörde im Abstimmungskampf, Diss. Freiburg 1992, S. 272 ff.; JEANNE RAMSEYER, Zur Problematik der behördlichen Information im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen, Diss. Basel 1992, S. 68 ff.; GEROLD STEINMANN, Interventionen des Gemeinwesens im Wahl- und Abstimmungskampf, AJP 1996 S. 255 ff., 260 f.). 3.3 Einzelnen Mitgliedern einer Behörde kann weder die Teilnahme am Abstimmungskampf noch die freie Meinungsäusserung zu einer Gesetzes- oder Sachvorlage untersagt werden ( BGE 119 Ia 271 E. 3d S. 275 mit Hinweisen). So ist es üblich, dass Behördemitglieder etwa bei der Unterzeichnung von Aufrufen als Mitglieder von Abstimmungskomitees oder bei persönlichen Interventionen (namentlich in den Medien) ihren Namen auch mit ihrer amtlichen Funktion in Verbindung bringen, um ihre besondere Sachkunde und das politische Engagement für öffentliche Interessen hervorzuheben. Hingegen ist es nicht zulässig, wenn einzelne Behördemitglieder ihren individuellen (privaten) Interventionen und Meinungsäusserungen einen unzutreffenden amtlichen Anstrich geben und den Anschein erwecken, es handle sich dabei um eine offizielle Verlautbarung namentlich einer Kollegialbehörde. Ob Inhalt und Form (etwa die Verwendung amtlichen Briefpapiers oder amtlicher Insignien) ihrer Stellungnahme geeignet sind, einen solchen falschen Anschein zu erwecken, entscheidet sich nach Massgabe der Wirkung, die sie auf den Adressaten, nämlich den durchschnittlich aufmerksamen und politisch interessierten Stimmbürger, ausübt. Eine unzulässige Beeinflussung der Meinungsbildung könnte ferner in BGE 130 I 290 S. 296 Verlautbarungen, deren "privater" Charakter unklar bleibt, in Betracht gezogen werden; etwa wenn das Behördemitglied eine bewusst falsche oder täuschende Sachdarstellung geben würde, die wegen der Autorität seiner amtlichen Funktion nicht ohne weiteres als solche zu erkennen wäre, besonders wenn sie von der politischen Gegnerschaft nicht mehr rechtzeitig richtig gestellt werden könnte ( BGE 119 Ia 271 E. 3d S. 275 mit Hinweisen; vgl. BESSON, a.a.O., S. 266 ff.). 3.4 Stellt das Bundesgericht bei der Durchführung von Wahlen oder Abstimmungen Verfahrensmängel fest, so hebt es die betroffenen Wahlen oder Abstimmungen nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Die Beschwerdeführenden müssen in einem solchen Falle allerdings nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Ergebnis der Abstimmung entscheidend ausgewirkt hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereich des Möglichen liegt. Mangels einer ziffernmässigen Feststellbarkeit der Auswirkung eines Verfahrensmangels ist nach den gesamten Umständen und grundsätzlich mit freier Kognition zu beurteilen, ob der gerügte Mangel das Wahl- oder Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnte. Dabei ist auch die Grösse des Stimmenunterschiedes, die Schwere des festgestellten Mangels und dessen Bedeutung im Rahmen der Abstimmung mit zu berücksichtigen ( BGE 129 I 185 E. 8.1 S. 204 mit Hinweisen). 4. Vorlagen des Zürcher Kantonsrates, die zur Volksabstimmung gelangen, sind durch einen Beleuchtenden Bericht zu erläutern (§ 39 Abs. 2 Satz 1 des zürcherischen Gesetzes vom 5. April 1981 über die Organisation und Geschäftsordnung des Kantonsrates [KRG/ZH]). Nach Verabschiedung der Vorlage beschliesst der Kantonsrat, ob die Abfassung des Beleuchtenden Berichts dem Regierungsrat oder der Geschäftsleitung zu übertragen sei ( § 39 Abs. 3 KRG /ZH). Der Bericht wird den Stimmberechtigten zusammen mit den Abstimmungsunterlagen zugestellt ( § 38 Abs. 1 WaG /ZH). Der Bericht hat kurz, sachlich und leicht verständlich zu sein sowie neben dem Ergebnis der Schlussabstimmung im Kantonsrat auch den Auffassungen wesentlicher Minderheiten im Kantonsrat Rechnung zu tragen ( § 39 Abs. 2 Satz 2 KRG /ZH). 4.1 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei behördlichen Informationen zum Gegenstand einer Volksabstimmung nicht um juristische Fachexpertisen für ein juristisch geschultes Publikum BGE 130 I 290 S. 297 handelt. Abstimmungsunterlagen müssen auch für juristische Laien verständlich sein. Dies gilt besonders im vorliegenden Fall, bei dem eine Teilrevision der kantonalen Strafprozessordnung Gegenstand der Volksabstimmung war. Zum einen hat eine gewisse Vereinfachung, Verwesentlichung und Verknappung juristisch oder technisch komplexer Zusammenhänge zu erfolgen (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 KRG /ZH). Zum andern müssen die behördlichen Informationen (qualitativ und quantitativ) ausreichend sowie in ihren wesentlichen Kernaussagen sachbezogen, ausgewogen und seriös sein, um die Willensbildung der Stimmberechtigten nicht zu beeinträchtigen und das Abstimmungsergebnis nicht zu verfälschen (vgl. BESSON, a.a.O., S. 183). Dabei dürfen behördliche Verlautbarungen in Abstimmungsunterlagen aber durchaus auch wertende Stellungnahmen zu rechtspolitischen Ermessensfragen enthalten, solange diese sachlich vertretbar erscheinen (vgl. BGE 106 Ia 197 E. 4a S. 199 f.; BGE 105 Ia 151 E. 3a S. 153, je mit Hinweisen; BESSON, a.a.O., S. 189 f.). Der stimmberechtigten Person kann zugemutet werden, sich nötigenfalls aus anderen geeigneten Quellen näher zu informieren, falls aus ihrer persönlichen Sicht spezifische Fragen (etwa fachjuristischer oder technischer Natur) auftauchen (vgl. BGE 105 Ia 151 E. 3a S. 153; s. auch BESSON, a.a.O., S. 93 f.). Nur schwerwiegende behördliche Fehlinformationen, welche nach den konkreten Umständen das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnten, vermögen nach der dargelegten Rechtsprechung die Aufhebung einer ansonsten rechtsgültig zustande gekommenen Volksabstimmung zu rechtfertigen (vgl. BGE 129 I 185 E. 8.1 S. 204 mit Hinweisen). 4.2 Im hier streitigen Beleuchtenden Bericht zur Teilrevision der zürcherischen Strafprozessordnung (kantonales Amtsblatt vom 24. Oktober 2003) wird unter dem Titel "Das Wichtigste in Kürze" zusammenfassend erläutert, dass die Vorlage zwei Schwerpunkte aufweise. Zum einen gehe es um die Reorganisation der Untersuchungs- und Anklagebehörden der Erwachsenenstrafverfolgung, zum andern um die Reform der kantonalen Rechtsmittel in Strafsachen. Letztere umfasse die Neuregelung des Berufungsverfahrens und verwirkliche durch eine "Kürzung des Rechtsmittelzuges" den Grundsatz der zwei Instanzen. Danach könnten Urteile der Bezirksgerichte, ihrer Einzelrichter und der Jugendgerichte mit Berufung beim Obergericht und Endentscheide des Geschworenengerichts und des Obergerichts als erste Instanz mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht angefochten werden. Im Beleuchtenden BGE 130 I 290 S. 298 Bericht wird sodann ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Berufungsurteile (und Rekursentscheide) des Obergerichtes gemäss der Revisionsvorlage "nicht mehr mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht angefochten werden können". Damit sei jedoch "nicht ein eigentlicher Abbau des Rechtsschutzes verbunden, ist doch die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde sozusagen deckungsgleich mit der staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht, wie sie in anderen Kantonen ohne Nichtigkeitsbeschwerde direkt gegen ein Urteil des Obergerichtes erhoben werden kann". 4.3 Die Beschwerdeführenden stossen sich an der Formulierung des Regierungsrates, wonach die Reform nicht zu einem "eigentlichen" Abbau des Rechtsschutzes führe bzw. wonach die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit der staatsrechtlichen Beschwerde "sozusagen deckungsgleich" sei. Sie machen geltend, das Zürcher Kassationsgericht sei befugt, Rügen der Verletzung gesetzlicher Prozessformen frei zu überprüfen, während das Bundesgericht im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde "entsprechende Rügen nur unter dem beschränkten Blickwinkel der Willkür" beurteile. Auch in anderen Bereichen (Verletzung des kantonalen Strafrechts und des ausländischen Rechts) sei die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit der staatsrechtlichen Beschwerde nicht deckungsgleich. Die Einschränkung des kantonalen Rechtsmittels stelle daher "einen eklatanten Abbau des Rechtsschutzes dar". 4.4 Zwar ist den Beschwerdeführenden darin teilweise zuzustimmen, dass die Aussage, wonach die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit der staatsrechtlichen Beschwerde "sozusagen deckungsgleich" sei, streng juristisch nicht zutrifft. Diese Aussage sowie die Formulierung, wonach die Teilrevision nicht zu einem "eigentlichen" Abbau des Rechtsschutzes führe, müssen jedoch im Zusammenhang des Beleuchtenden Berichtes gewürdigt werden. Unmittelbar anschliessend an die beanstandete Passage (unter dem Titel "Das Wichtigste in Kürze") führt der Regierungsrat als Quintessenz seiner Überlegungen zur Frage des genügenden Rechtsschutzes Folgendes aus: "Auch mit einer zweistufigen kantonalen Gerichtsbarkeit in Strafsachen ist mithin die Qualität der Rechtsprechung im Kanton ausreichend sichergestellt". Im Beleuchtenden Bericht wird sodann mehrmals deutlich vermerkt, dass die Reform eine "Kürzung des Rechtsmittelzuges" nach sich ziehe. Der Regierungsrat behauptet mit Recht nicht, dass die staatsrechtliche Beschwerde die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde "nahtlos" ersetzen BGE 130 I 290 S. 299 würde. Er weist vielmehr darauf hin, dass auch andere Kantone auf eine kantonale Kassationsinstanz gegen Urteile ihrer Obergerichte verzichtet hätten, zumal ja noch die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht gegeben sei, die ähnliche Funktionen aufweise bzw. "sozusagen deckungsgleich" sei. Der Regierungsrat vertritt zusammenfassend die Ansicht, der Verzicht auf die bisherige kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen Berufungsurteile und Rekursentscheide des Obergerichtes führe zu keinen untragbaren Verlusten für den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger. Auch mit einer zweistufigen kantonalen Gerichtsbarkeit in Strafsachen sei die Qualität der Rechtsprechung im Kanton Zürich "ausreichend sichergestellt". Zwar wird diese wertende politische Einschätzung von den Beschwerdeführenden nicht geteilt. Sie liegt jedoch im Ermessensbereich des Regierungsrates und kann jedenfalls nicht als sachlich unhaltbar oder offensichtlich irreführend bezeichnet werden. 4.5 Weiter unten (unter dem Titel "Ausgangslage") weist der Regierungsrat ergänzend darauf hin, dass das bisherige Rechtsmittelsystem (mit zwei kantonalen Rechtsmitteln für die kleinere und mittlere Kriminalität) oft dazu geführt habe, dass Strafverfahren "nicht innert angemessener Frist" hätten beendet werden können. Paradoxerweise habe es bei schweren Delikten, die erstinstanzlich durch das Obergericht oder das Geschworenengericht beurteilt wurden, nur ein kantonales Rechtsmittel gegeben, gegen Verurteilungen wegen weniger schwer wiegenden Straftaten hingegen zwei Rechtsmittel, nämlich die Berufung und (bisher) die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Anschliessend werden (unter dem Titel "Bestehende Rechtsmittelordnung") das bisherige sowie (unter dem Titel "Grundsatz des doppelten Instanzenzuges") das neu vorgeschlagene Rechtsmittelsystem näher dargelegt. Dabei wird erneut erwähnt, dass Berufungsurteile des Obergerichts "nicht mehr mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht weitergezogen werden" können. Damit würden "Doppelspurigkeiten und Verzögerungen beseitigt und die Verfahrensdauer verkürzt". 4.6 Der Regierungsrat verschweigt aber auch Argumente nicht, die für die bisherige Regelung der Nichtigkeitsbeschwerde sprechen könnten. Besteht die Möglichkeit, ein Erkenntnis durch eine Kassationsinstanz überprüfen zu lassen, so fördere dies "die Sorgfalt der Rechtsprechung auf den vorangehenden Stufen". Der Regierungsrat gelangt dennoch zur Ansicht, dass die vorgeschlagene Straffung und Verkürzung der kantonalen Rechtsmittel gerechtfertigt sei. BGE 130 I 290 S. 300 Angesichts der weiter bestehenden Rechtsmittelmöglichkeiten auf kantonaler und eidgenössischer Ebene könne von einem "eigentlichen Abbau an Rechtsschutz" nicht gesprochen werden. Auch der Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung aus dem Jahre 2001 schlage grundsätzlich zweistufige kantonale Rechtsmittelverfahren vor. Weiter führt der Regierungsrat (unter dem Titel "Kosten der Reformen") kurz an, dass die Entlastung des kantonalen Kassationsgerichtes (um schätzungsweise mehr als 30 % der bisherigen Geschäftslast durch Nichtigkeitsbeschwerden) gewisse positive finanzielle Auswirkungen für den Fiskus haben könnte. 4.7 Schliesslich wird im Beleuchtenden Bericht auch noch die in der Minderheit gebliebene Meinung eines Teils der Kantonsrätinnen und Kantonsräte ausführlich dargelegt (unter dem Titel "Meinung der Minderheit des Kantonsrates"). Der Zürcher Kantonsrat hatte der Vorlage am 27. Januar 2003 mit 114 zu 16 Stimmen zugestimmt. Die Volksabstimmung wurde nötig, da das Referendum ergriffen worden war. Laut Bericht vertrat die Minderheit (zusammengefasst) die Ansicht, dass die Vorlage einer "Aushöhlung" des Kassationsgerichtes gleich komme und eine deutliche Verschlechterung des Rechtsschutzes in Strafsachen nach sich ziehe. Das bisherige Rechtsmittelsystem habe sich bewährt und sichere ein rechtsstaatlich faires Verfahren. Das Kassationsgericht sei (immer gemäss der Meinung der Minderheit) notwendig zur Qualitätssicherung der Rechtsprechung. Das Kassationsgericht heisse zahlreiche Beschwerden gut. Die Strafverfahren würden "heute nicht von den Gerichten, sondern - wenn schon - im Untersuchungsstadium verschleppt". Effizienz könne im Strafverfahren "kein vorrangiges Kriterium" sein. Bei Wegfall der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde sei - laut Minderheit - zu befürchten, dass vermehrt der Rechtsweg an das Bundesgericht beschritten würde. 4.8 Die Beschwerdeführenden sind der Ansicht, "das Argument", wonach der Regierungsrat "aufgrund der Darstellung der Minderheitenmeinung des Kantonsrates auf die Auswirkungen der Gesetzesrevision korrekt hingewiesen habe", sei "in diesem Zusammenhang unbehelflich". Dem ist nicht zu folgen. Soweit die Beschwerdeführenden die oben genannten Argumente einer Minderheit des Kantonsrates (ausdrücklich oder sinngemäss) wiederholen, kann damit die Rüge der Verletzung von politischen Rechten nicht substanziiert werden (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ; BGE 129 I 185 E. 1.6 S. 189). Das gilt namentlich für die Vorbringen, dem BGE 130 I 290 S. 301 Kassationsgericht komme eine wichtige Kontrollfunktion zu, es habe relativ viele Beschwerden gutgeheissen und sei für die Dauer des Rechtsmittelweges nicht verantwortlich, und das Bundesgericht werde durch die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde entlastet. Die Rüge, der Regierungsrat habe die betreffenden Gegenargumente den Stimmberechtigten vorenthalten, wäre jedenfalls offensichtlich unbegründet. Mit der Stimmrechtsbeschwerde sind nicht angebliche Mängel einer politisch unerwünschten Gesetzesvorlage zu kritisieren; vielmehr ist darzulegen, inwieweit im Abstimmungsverfahren die politischen Rechte verletzt wurden. 4.9 Soweit die Beschwerdeführenden weitere Passagen des Beleuchtenden Berichtes herausgreifen, diese interpretieren und daraus angebliche Fehler und Widersprüche ableiten, begründen sie ebenfalls keine zulässigen substanziierten Verfassungsrügen. So machen sie namentlich geltend, im Bericht werde erwähnt, dass Zürcher Beschwerdefälle vom Bundesgericht "häufig erst ein bis zwei Jahre später behandelt" würden als Beschwerdefälle aus Kantonen ohne kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Daraus leiten die Beschwerdeführenden einen (ihrer Ansicht nach unbegründeten) angeblichen Vorwurf des Regierungsrates ab, wonach "Beschwerdeverfahren vor Kassationsgericht 'häufig' ein bis zwei Jahre dauern" würden. "Eine andere Interpretation dieser Textstelle" bezeichnen die Beschwerdeführenden als "nicht plausibel". Diese Argumentationsweise mutet im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde etwas spitzfindig an. Im Beleuchtenden Bericht wird (unter dem Titel "Grundsatz des doppelten Instanzenzuges") zutreffend ausgeführt, dass das Bundesgericht eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerden in Strafsachen "in der Regel erst nach der Beendigung des kantonalen Nichtigkeitsbeschwerdeverfahrens an die Hand nimmt und im Übrigen gegen den Entscheid des Kassationsgerichtes immer noch die staatsrechtliche Beschwerde möglich ist". Da bei Straffällen aus dem Kanton Zürich "zunächst der Ausgang des Nichtigkeitsbeschwerdeverfahrens abgewartet werden muss", würden Zürcher Fälle "häufig erst ein bis zwei Jahre später behandelt" als Fälle aus Kantonen ohne entsprechende Kassationsinstanz. Der Regierungsrat macht allerdings nicht geltend, der fragliche Zeitbedarf sei allein auf die Dauer des Nichtigkeitsbeschwerdeverfahrens vor dem Zürcher Kassationsgericht zurückzuführen. Zu denken wäre namentlich daran, dass der doppelte kantonale Rechtsweg (Berufung und anschliessende Nichtigkeitsbeschwerde) auch zu einem BGE 130 I 290 S. 302 gewissen Zusatzaufwand bei der Koordination und Instruktion der eidgenössischen Rechtsmittel führt, der sich ebenfalls in zeitlicher Hinsicht auswirken kann. Nach geltender Bundesrechtspflege (vgl. Art. 268 ff. BStP , Art. 84 ff. OG ) wird zunächst die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichtes beim Bundesgericht registriert; anschliessend muss das bundesgerichtliche Verfahren (monate- bzw. jahrelang) sistiert und nach Vorliegen des Entscheides des Zürcher Kassationsgerichtes bzw. nach Eingang der staatsrechtlichen Beschwerde wieder aufgenommen werden. Sodann sind beide Verfahren (mit jeweils unterschiedlichen kantonalen Vorinstanzen) zu koordinieren und - allenfalls mit Schriftenwechseln und weiteren prozessleitenden Anordnungen - zu instruieren. Der Bericht des Regierungsrates enthält keine sachlich unhaltbaren Angaben zur Verfahrensdauer vor dem Zürcher Kassationsgericht oder zur Bundesrechtspflege. 4.10 Ähnliche unbehelfliche bzw. appellatorische Kritik an einzelnen Passagen des Berichtes (oder der betreffenden Stellungnahmen der kantonalen Behörden) enthält die Beschwerde auch zu weiteren Fragen, etwa zur strafprozessualen Abgrenzung zwischen schwerer und minder schwerer Kriminalität. Nicht ausreichend substanziiert ist sodann das Vorbringen, die Vorlage führe zu einer "besonderen Benachteiligung von unbemittelten Verurteilten und Geschädigten", worauf der Beleuchtende Bericht "unbedingt hätte hinweisen müssen". Die Beschwerdeführenden legen nicht dar, inwiefern und in welchen Bestimmungen der Vorlage eine solche besondere Benachteiligung von finanziell Bedürftigen vorgesehen wäre. Die Begründung muss in der Beschwerdeeingabe selbst enthalten sein; der blosse Verweis auf die Akten oder auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften genügt nicht (vgl. BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30). 4.11 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden enthält der Beleuchtende Bericht keine gravierenden Fehlinformationen und keine unhaltbaren politischen Wertungen, die das Abstimmungsergebnis wesentlich beeinflusst bzw. verfälscht haben könnten. Entscheidend ist der Eindruck, der bei einem "normal" bzw. durchschnittlich informierten, aufmerksamen und politisch interessierten Stimmberechtigten entstand. Für diesen konnte beim Lesen des Beleuchtenden Berichtes kein Zweifel daran bestehen, dass mit der fraglichen Teilrevision die kantonalen Rechtsmittelmöglichkeiten eingeschränkt werden sollten und dass diese Frage politisch umstritten war. Für Stimmberechtigte, die in diesem Zusammenhang BGE 130 I 290 S. 303 allenfalls noch Fragen und fachjuristischen Erklärungsbedarf hatten, bestand ausreichend Gelegenheit, sich darüber nötigenfalls näher zu informieren. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass im Kanton Zürich eine sehr intensive und freie öffentliche Auseinandersetzung über die fragliche Teilrevision stattfand. Die Medien berichteten ausführlich darüber, und insbesondere die juristischen Interessengruppen und Berufsverbände (darunter die Beschwerdeführenden 1 und 2) befassten sich im Vorfeld der Abstimmung auch kritisch und kontradiktorisch damit. Dabei wurde - gerade von Seiten der praktizierenden Anwältinnen und Anwälte - nicht zuletzt der Einwand des "Rechtsschutzabbaus" laut. 5. In der Beschwerde wird schliesslich beanstandet, dass "verschiedene Mitglieder des Zürcher Regierungsrates" sich vor der Abstimmung "in unzulässiger Weise persönlich und öffentlich zur Abstimmungsvorlage geäussert und dadurch gegen die Wahl- und Abstimmungsfreiheit verstossen" hätten. 5.1 Nachdem die oben erwähnten Einwände gegen den Beleuchtenden Bericht (unter anderem von zwei Zürcher Universitätsdozenten) öffentlich erhoben worden waren, habe Regierungsrat Markus Notter im Tages-Anzeiger vom 12. November 2003 wie folgt repliziert: "Ich finde diese Einwände absolut lächerlich. Die Abstimmungszeitung kann kein juristischer Aufsatz sein". "Unser Beleuchtender Bericht gibt die Reform der Strafprozessgesetzgebung korrekt wieder". Die staatsrechtliche Beschwerde und die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hätten (so Regierungsrat Notter laut Zeitungsbericht) "eine ähnliche Wirkung". Diese Auffassung werde namentlich vom Bundesgericht und einem Teil der Lehre geteilt. In BGE 101 Ia 67 werde festgehalten, dass die beiden Rechtsmittel in ihrer Funktion "gleich oder zumindest ähnlich" seien. In einer Festschrift vertrete ein bekannter juristischer Autor ebenfalls die Ansicht, die Rechtsmittel seien "praktisch deckungsgleich". Weiter machen die Beschwerdeführenden geltend, am 14. November 2003 sei ein ähnlicher Artikel zum gleichen Thema in der Zürichsee-Zeitung erschienen. Darin habe der Generalsekretär der kantonalen Direktion der Justiz und des Innern die Aussage gemacht, es gehe in diesem Zusammenhang "lediglich um Wertungsfragen und nicht um richtig oder falsch". Ausserdem habe sich Regierungspräsident Christian Huber im Vorfeld der Abstimmung (an einer SVP-Delegiertenversammlung) laut Presseberichten polemisch bzw. abschätzig über die Gegner der Abstimmungsvorlage geäussert. BGE 130 I 290 S. 304 5.2 Die Beschwerdeführenden vertreten die Ansicht, Repräsentanten des Regierungsrates dürften (über den Beleuchtenden Bericht hinaus) "nur noch in einen Abstimmungskampf eingreifen, wenn sich eine Richtigstellung irreführender Propaganda aufdrängt, neue Tatsachen zum Abstimmungsgegenstand bekannt werden oder die Ungewöhnlichkeit des Abstimmungsgegenstandes Zusatzinformationen der Behörden notwendig macht". Diese Auffassung erscheint sehr restriktiv und widerspricht insoweit der neueren Praxis des Bundesgerichtes (vgl. oben, E. 3.3). Auch der von den Beschwerdeführenden zitierte (ältere) Entscheid BGE 108 Ia 155 ändert daran nichts. In jenem Entscheid hatte das Bundesgericht den allgemeinen Grundsatz formuliert, dass "behördliche Interventionen, soweit sie nicht in der Abgabe eines beleuchtenden Berichts an die Stimmbürger bestehen, nicht zur Regel werden sollen, sondern sich auf jene Fälle zu beschränken haben, in denen triftige Gründe für ein Tätigwerden der Behörde sprechen" ( BGE 108 Ia 155 E. 3b S. 157 f.). Im dort entschiedenen Fall war einer Gemeindeexekutive vorgeworfen worden, sie habe sich in einen kantonalen Abstimmungskampf betreffend eine Umfahrungsstrasse auf unzulässige Weise eingemischt, indem sie einen Kredit von Fr. 60'000.- sprach, um die Stimmberechtigten des Kantons Zürich aus Sicht der Gemeinde "zweckmässig zu informieren". Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Stimmrechtsbeschwerde ab. Zum einen sei die betroffene Gemeinde durch den Abstimmungsgegenstand ähnlich wie eine Partei "unmittelbar und im Vergleich zu anderen Gemeinden besonders stark berührt" worden. Zum anderen sei der Informationskredit von Fr. 60'000.- nicht unverhältnismässig hoch ausgefallen (vgl. BGE 108 Ia 155 E. 5c S. 162). Mit jenem Sachverhalt lässt sich der hier zu beurteilende Fall nicht vergleichen. 5.3 Was die Beschwerdeführenden vorbringen, begründet keine Verletzung der politischen Rechte. Zwar ist ihnen zuzugestehen, dass in dem (laut Zeitungsbericht) von Regierungsrat Notter zitierten Bundesgerichtsentscheid ( BGE 101 Ia 67 E. 1 S. 68) lediglich erwogen wurde, die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erfülle "auf kantonaler Ebene eine Funktion, die jener der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 aBV gleich oder zumindest ähnlich ist". Im Lichte der obigen Erwägungen zum Inhalt des Beleuchtenden Berichts (E. 4) ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern die beanstandeten öffentlichen Stellungnahmen der BGE 130 I 290 S. 305 Regierungsver treter - als Reaktion auf die ebenfalls öffentlich geäusserte heftige Kritik am Beleuchtenden Bericht - als irreführend oder als unzulässig anzusehen wären. Auch im Sinne der älteren Praxis ( BGE 108 Ia 155 ) lagen hier durchaus triftige Gründe vor, die eine (ebenfalls öffentliche) Replik des zuständigen Departementsvorstehers bzw. des Departementssekretärs als zulässig erscheinen lassen. Der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, die "Intensität der Debatte über die Abstimmungsvorlage" sei "in der Presse gering" gewesen, kann aufgrund der vorliegenden Akten nicht gefolgt werden. Wie die Beschwerdeführenden an anderer Stelle selbst darlegen, wurde in den Medien ausführlich von einem eigentlichen "Schlagabtausch" zwischen den Interessenverbänden der Anwälte und Regierungsvertretern berichtet. Den zentralen Streitpunkt bildete dabei der geltend gemachte "Rechtsschutz-Abbau". Wie in der Beschwerde dargelegt wird, haben sich die Beschwerdeführenden 1 und 2 auch noch mit eigenen Zeitungsinseraten in die Auseinandersetzung eingeschaltet, die am 28. Oktober 2003 in mehreren Tageszeitungen platziert worden seien. Die ganzseitigen Inserate enthielten (unter dem Titel: "Um den Rechtsschutz besorgte Juristen sagen NEIN zur Revision der Strafprozessordnung") ein ausführliches Argumentarium gegen die Gesetzesvorlage. Was vereinzelte polemische Äusserungen betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass offenbar beide Seiten (teils über die Medien, teils an parteipolitischen Veranstaltungen) in ihrer Wortwahl nicht gerade zurückhaltend waren. Wie dem von den Beschwerdeführenden ebenfalls eingereichten Artikel im Tages-Anzeiger vom 12. November 2003 zu entnehmen ist, hätten die Beschwerdeführenden 1 und 2 die Darstellung der Regierung als "grob falsch" bezeichnet, worauf Regierungsrat Notter die erhobenen Einwände als "absolut lächerlich" abgetan habe. Im Übrigen besteht kein Grund zur Annahme, dass eine komplexe formaljuristische Differenzierung zwischen den einzelnen zulässigen Beschwerdegründen nach kantonalem (Nichtigkeitsbeschwerde) und eidgenössischem Verfahrensrecht (staatsrechtliche Beschwerde) für den politischen Willen der Stimmberechtigten ein ausschlaggebendes Gewicht gehabt hätte. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Stimmberechtigten über die wesentlichen Argumente für und gegen die Vorlage in angemessener Weise informiert worden sind (vgl. dazu oben, E. 4). BGE 130 I 290 S. 306 6. Nach dem Gesagten sind im hier zu beurteilenden Fall keine schweren Verfahrensfehler bzw. gravierenden Fehlinformationen ersichtlich, die das Abstimmungsergebnis wesentlich beeinflusst bzw. verfälscht haben könnten. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung der politischen Rechte als unbegründet. Dies gilt unbesehen darum, dass das Abstimmungsergebnis mit über 76 % befürwortenden Stimmen sehr deutlich ausfiel (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 119 Ia 271 E. 7c S. 281 f.). Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. (...)
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Sachverhalt ab Seite 57 BGE 129 II 56 S. 57 En octobre 2001, le bureau d'Interpol à Rome a demandé à l'Office fédéral de la justice l'arrestation en vue d'extradition à l'Italie du ressortissant italien P., réclamé pour l'exécution des peines résultant des jugements suivants rendus contre lui: 1) le jugement rendu le 8 février 1978 par la Cour d'appel de Palerme, partiellement réformé par un arrêt rendu le 2 octobre 1979 par la Cour de cassation, fixant la peine à deux ans et deux mois de réclusion pour escroquerie qualifiée et abus de confiance qualifié; cet arrêt est entré en force le 2 octobre 1979; 2) le jugement rendu le 18 octobre 1982 par le Tribunal de Palerme, portant sur une condamnation à la peine de six mois de réclusion pour recel et faux dans les titres; ce jugement est entré en force le 3 juin 1983; 3) le jugement rendu le 29 mars 1985 par le Tribunal de Palerme, portant sur une condamnation à la peine de trois ans et six mois de réclusion pour contrainte; ce jugement est entré en force le 3 février 1987; 4) le jugement rendu le 12 octobre 1992 par le Tribunal de Rome, portant sur une condamnation à dix-huit mois de réclusion pour banqueroute frauduleuse; ce jugement est entré en force le 26 novembre 1992; 5) le jugement rendu le 27 novembre 1992 par le Préteur de Gênes, portant sur une condamnation à la peine de un mois de réclusion pour émission de chèques sans provision; ce jugement est entré en force le 16 octobre 1993; 6) le jugement rendu le 18 février 1993 par le Tribunal de Rome, complémentaire à celui rendu le 12 octobre 1992 (no 4 ci-dessus), portant sur une condamnation à la peine de un mois et dix jours de réclusion; ce jugement est entré en force le 16 octobre 1993; 7) le jugement rendu le 28 mai 1992 par le Tribunal de Florence, portant sur une condamnation à la peine de deux ans de réclusion pour banqueroute frauduleuse; ce jugement est entré en force le 25 janvier 1994; 8) le jugement rendu le 30 janvier 1995 par le Tribunal de Gênes, portant sur la condamnation à des peines d'amendes pour avoir omis de présenter une déclaration de revenus au fisc; ce jugement est entré en force le 6 décembre 1995; 9) le jugement rendu le 8 mars 1996 par le Préteur de Milan, portant sur une condamnation à la peine de trois ans de réclusion pour escroquerie; ce jugement est entré en force le 13 novembre 1997; 10) le jugement rendu le 8 novembre 1991 par le Préteur de Rome, BGE 129 II 56 S. 58 portant sur une condamnation à la peine de neuf mois de réclusion pour abus de confiance; ce jugement est entré en force le 6 novembre 1997; 11) l'arrêt rendu le 24 mars 1999 par la Cour d'appel de Rome, portant sur une condamnation à la peine de neuf mois de réclusion; ce jugement est entré en force le 17 décembre 1999; 12) le jugement rendu le 21 septembre 1994 par le Tribunal de Ferrare, partiellement réformé par la Cour d'appel de Bologne le 26 avril 1999, portant sur une peine de quatre ans et six mois de réclusion pour banqueroute frauduleuse et omission de déclaration relative à la taxe sur la valeur ajoutée; ce jugement est entré en force le 10 mai 2000. Les jugements nos 1, 2, 5, 6, 7, 8 et 12 ont été rendus par contumace. Les jugements nos 3, 9, 10 et 11 ont été rendus en l'absence de P., lequel était cependant représenté par son défenseur. Le jugement no 4 a été rendu en présence de P. Après l'entrée en force du jugement no 12, le Procureur général auprès de la Cour d'appel de Bologne a rendu une décision unifiant toutes les peines infligées à P., en tenant compte de la détention préventive subie, des amnisties et autres facteurs de réduction de peine. Celle-ci a été fixée à dix-sept ans, huit mois et cinq jours de réclusion. Le 26 février 2002, l'Italie a demandé formellement à l'Office fédéral l'extradition de P. Fondée sur la Convention européenne d'extradition, conclue à Paris le 13 décembre 1957 (CEExtr; RS 0.353.1), entrée en vigueur le 4 novembre 1963 pour l'Italie et le 20 mars 1967 pour la Suisse. La demande se référait à l'ordre d'exécution des peines établi le 3 avril 2001 par le Procureur général auprès de la Cour d'appel de Bologne. Elle précisait que l'extradition n'était pas demandée pour l'exécution des jugements nos 5, 8 et 12. Pour le cas où l'extradition serait accordée, un nouvel ordre d'exécution des peines devrait être émis, afin de tenir compte de cette situation nouvelle. Le 14 août 2002, l'Office fédéral a accordé l'extradition de P. pour l'exécution des jugements nos 3, 4, 6, 7, 9, 10 et 11 (ch. 1 du dispositif); il l'a refusée pour les jugements nos 1 et 2 (ch. 2 du dispositif). P. a recouru en demandant l'annulation du ch. 1 du dispositif de cette décision. Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, au sens des considérants. Il a accordé l'extradition de P. pour l'exécution des jugements nos 4, 6, 9, 10 et 11. Il l'a refusée, en l'état, pour l'exécution du jugement no 7, en renvoyant la cause à l'Office fédéral pour BGE 129 II 56 S. 59 nouvelle décision au sens du considérant 6.4. Il a refusé l'extradition de P. pour l'exécution des jugements nos 1, 2 et 3.
1,214
1,105
Erwägungen Extrait des considérants: 6. Le recourant se plaint du fait que la plupart des jugements de condamnation rendus contre lui l'ont été par défaut. Ce grief concerne les jugements nos 6 et 7, rendus par contumace, et les jugements nos 9, 10 et 11 où le recourant, absent, était représenté par son défenseur. Le jugement no 3 n'est plus en cause (...). Quant au jugement no 4, il a été rendu en présence du recourant. 6.1 Aux termes de l'art. 3 par. 1 du Deuxième Protocole additionnel du 17 mars 1978 à la CEExtr, l'Etat requis peut refuser l'extradition d'une personne jugée par défaut si, à son avis, la procédure de jugement n'a pas satisfait aux droits minimaux de la défense; toutefois, l'extradition sera accordée si l'Etat requérant donne des assurances jugées suffisantes pour garantir à la personne réclamée le droit à une nouvelle procédure de jugement qui sauvegarde les droits de la défense (cf. aussi l'art. 37 al. 2 de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'entraide internationale en matière pénale [EIMP; RS 351.1], de teneur identique); l'Etat requérant peut alors soit exécuter le jugement en question si le condamné ne fait pas opposition, soit poursuivre l'extradé dans le cas contraire. Cette disposition est pleinement applicable à l'Italie depuis le retrait de la réserve qu'elle avait faite initialement à ce propos (cf. ATF 117 Ib 337 consid. 5c p. 345). 6.2 L'accusé a le droit d'être jugé en sa présence. Cette faculté découle de l'objet et du but de l' art. 6 CEDH , considéré dans son ensemble ( ATF 127 I 213 consid. 3a p. 215; arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause T. contre Italie du 12 octobre 1992, Série A, vol. 245-C, par. 26 et les arrêts cités), ainsi que de l' art. 29 al. 2 Cst. qui consacre le droit d'être entendu ( ATF 127 I 213 consid. 3a p. 215) et de l'art. 14 du Pacte ONU II (RS 0.103.2). Ce droit n'est toutefois pas absolu; la Constitution et la Convention ne s'opposent pas à ce que les débats aient lieu en l'absence de l'accusé, lorsque celui-ci refuse d'y participer ou lorsqu'il se place fautivement dans l'incapacité de le faire ( ATF 127 I 213 consid. 3a p. 215/216; ATF 126 I 36 consid. 1b p. 39; arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause Medenica contre Suisse du 14 juin 2001, par. 58). Elles n'interdisent pas non plus que la demande de relief d'un jugement prononcé par défaut soit, à l'instar de l'usage des voies de recours, subordonnée à l'observation de BGE 129 II 56 S. 60 prescriptions de forme et notamment au respect d'un délai ( ATF 127 I 213 consid. 3a p. 215; cf. ATF 119 Ia 221 consid. 5a p. 227/228). De manière générale, la personne condamnée par défaut ne saurait exiger inconditionnellement le droit d'être rejugée. La Constitution et la Convention garantissent simplement, de façon minimale, que les ressources offertes par le droit interne se révèlent effectives; ainsi, la personne condamnée par défaut a le droit d'obtenir la reprise de sa cause, lorsqu'elle n'a pas eu connaissance de sa citation aux débats et qu'elle n'a pas cherché à se soustraire à la justice; le fardeau de la preuve à ce propos ne peut lui être imposé ( ATF 127 I 213 consid. 3a p. 215; ATF 126 I 36 consid. 1b p. 39/40; ATF 117 Ib 337 consid. 5b p. 344; ATF 113 Ia 225 consid. 2a p. 230/231; arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause Poitrimol contre France du 23 novembre 1993, Série A, vol. 277-A, par. 31; T. contre Italie, précité, par. 24-30; F.C.B. contre Italie du 28 août 1991, Série A, vol. 208-B, par. 33-35; Colozza contre Italie du 12 février 1985, Série A, vol. 89, par. 29/30). L'exclusion de l'audience du défenseur de l'accusé absent - que ce défenseur soit choisi ou désigné d'office - constitue une atteinte disproportionnée à la garantie du procès équitable et aux droits de la défense au sens des art. 29 al. 2, 32 al. 2 et 29 al. 3 Cst., ainsi que de l'art. 6 par. 1, combiné avec l' art. 6 par. 3 let . c CEDH ( ATF 127 I 213 consid. 4 p. 217/218; arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause Krombach contre France du 13 février 2001, par. 90). L'extradition à l'Italie pour l'exécution de jugements rendus par défaut a déjà donné lieu à jurisprudence. Dans l'affaire P., il ressortait du dossier joint à la demande que les autorités italiennes avaient considéré d'emblée l'accusé comme inatteignable. La possibilité d'obtenir un jugement étant incertaine, le Tribunal fédéral a subordonné l'extradition à la condition que le relief du défaut puisse être accordé ( ATF 117 Ib 337 consid. 5d p. 345-347; cf. aussi, en relation avec le respect du délai de répit, l'arrêt 1A.251/1997 du 20 novembre 1997). Dans les cas où l'accusé absent était représenté à l'audience de jugement par un défenseur de son choix, le Tribunal fédéral a considéré que les droits de la défense avaient été suffisamment garantis, au point qu'il était superflu d'exiger des autorités italiennes le droit pour l'extradé de demander un nouveau jugement (arrêts 1A.216/1999 du 21 octobre 1999, 1A.59/1994 du 18 mai 1994 et 1A.163/1993 du 21 octobre 1993). 6.3 Le recourant ne s'est pas présenté aux audiences des 18 mars 1993 (jugement no 6), 28 mai 1992 (jugement no 7), 8 mars 1996 BGE 129 II 56 S. 61 (jugement no 9), 8 novembre 1991 (no 10) et 24 mars 1999 (jugement no 11). Il ressort des jugements annexés à la demande que le recourant, absent, a été représenté par un défenseur de son choix - comme le prévoit l' art. 420quater al. 2 CPP it. - lors des audiences ayant conduit au prononcé des jugements nos 9, 10 et 11. Ces défenseurs ont participé aux débats et pris des conclusions formelles. Au regard de la jurisprudence qui vient d'être rappelée, il convient d'admettre que dans ces cas, le recourant ayant pris sur lui de ne pas comparaître personnellement, a néanmoins pu faire valoir, de manière minimale, ses droits de défense. Il en va de même du jugement no 6. Contrairement à ce qu'a retenu l'Office fédéral, le recourant était représenté à l'audience du 18 mars 1993. Bien que ce fait ne soit pas mentionné dans le rubrum de ce jugement, les considérants de celui-ci mentionnent que le défenseur du recourant a pris part aux débats et présenté des conclusions. A cela s'ajoute que l'accusation et la défense se sont entendues sur la peine à infliger au recourant selon la procédure dite du "patteggiamento" régie par les art. 444 CPP it. Si la présence de l'accusé à l'audience de jugement a pour but de garantir le droit d'être entendu, d'interroger les témoins et de proposer des moyens de preuve, la garantie de ces droits perd de son importance lorsque, comme en l'occurrence, l'accusé a consenti à sa condamnation pour en négocier les termes. 6.4 Seul reste en discussion le jugement no 7, dont il ressort qu'il a été rendu en l'absence du recourant qui n'était pas représenté par un défenseur. Sans méconnaître ce point, l'Office fédéral estime que les droits de la défense auraient néanmoins été respectés, parce que le recourant avait fait usage de son droit d'appel et de cassation. Pour admettre que les droits de la défense ont été sauvegardés, la jurisprudence qui vient d'être évoquée se fonde essentiellement sur le critère de la présence du défenseur et de la participation de celui-ci à la procédure, notamment par l'utilisation de moyens de droit contre le jugement rendu par contumace. Le Tribunal fédéral n'a cependant pas encore eu l'occasion de franchir un pas supplémentaire et de dire que dès l'instant où le condamné a utilisé un moyen de droit contre le jugement contumacial et pu participer à la procédure de deuxième, voire troisième, instance, le jugement de condamnation prononcé en son absence ne constituerait plus un obstacle à l'extradition, au regard des art. 3 par. 1 du Deuxième Protocole additionnel à la CEExtr et 37 al. 2 EIMP (sans être catégorique, l'arrêt 1A.175/2002 du 8 octobre 2002, consid. 2.4, va dans ce sens). Pour BGE 129 II 56 S. 62 s'engager dans une telle direction, il faudrait disposer de tous les éléments de fait permettant de déterminer si le jugement contumacial a fait l'objet d'un appel, et de la part de quelle partie. Il faudrait en outre pouvoir vérifier si le condamné était présent ou représenté par un défenseur, examiner, au regard des dispositions du droit étranger, quel était le pouvoir d'examen de l'autorité de recours, en fait et en droit, et préciser de quelle manière la défense a été en mesure de faire valoir ses droits, s'agissant notamment de la production de moyens de preuve et de l'interrogatoire des témoins. Il est possible que, sur le vu du droit étranger et des circonstances de fait, l'on puisse admettre que le vice affectant le jugement de première instance rendu par contumace ait pu être guéri dans une procédure de recours ultérieure. En l'occurrence, les éléments de fait qui permettraient d'éclaircir ces différents points font défaut pour ce qui concerne le jugement no 7. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de faire compléter les annexes à la demande sur ce point, car outre le fait qu'il n'est pas l'autorité d'exécution des demandes d'extradition, de telles démarches auraient pour effet de retarder le traitement de la cause. Il lui suffit de constater qu'en l'état, la situation de fait n'est pas suffisamment claire pour lui permettre de statuer sur ce point précis. Le ch. 1 du dispositif de la décision attaquée doit être annulé en tant que l'Office fédéral a accordé l'extradition du recourant pour l'exécution du jugement no 7. En application de l' art. 114 al. 2 OJ , il convient de renvoyer la cause à l'Office fédéral pour que, après avoir complété l'état de fait selon ce qui vient d'être dit, il statue à nouveau sur la demande d'extradition, en tant qu'elle porte sur l'exécution du jugement no 7. L'Office fédéral rendra à cet effet une nouvelle décision. Compte tenu de ce qui précède, il est, du moins en l'état, superflu d'examiner si l'extradition pour l'exécution de ce jugement devrait être subordonnée à la présentation, par l'Etat requérant, de la garantie que le recourant puisse demander le relief du jugement rendu par défaut le 28 mai 1992 (cf. art. 3 par. 1 du Deuxième Protocole additionnel à la CEExtr, mis en relation avec l' art. 80p EIMP ). L'Office fédéral examinera, le cas échéant, si de telles assurances doivent être demandées.
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Sachverhalt ab Seite 98 BGE 128 IV 97 S. 98 A.- Das Bezirksgericht Laufenburg sprach X. am 21. Mai 1999 schuldig der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB sowie der mehrfachen sexuellen Nötigung nach Art. 188 aStGB und verurteilte ihn zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus; das Gericht sprach ferner ein Verbot für die Ausübung des Lehrberufs mit Unmündigen während fünf Jahren aus. Von der Anklage der sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil von zwei Geschädigten wurde X. freigesprochen. Im Übrigen entschied das Bezirksgericht über die Zivilforderungen der Opfer. Mit Urteil vom 16. November 2000 hiess das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung des Verurteilten und die Anschlussberufung einer Zivilklägerin je teilweise gut. Es sprach X. schuldig der mehrfachen sexuellen Handlungen ( Art. 187 Ziff. 1 StGB ) sowie der mehrfachen sexuellen Nötigung ( Art. 189 StGB ) und verurteilte ihn zu 3 1/4 Jahren Zuchthaus; das Verfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern nach Art. 187 StGB zum Nachteil mehrerer Geschädigter stellte das Gericht zufolge Verjährung ganz oder teilweise ein. B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, er habe C., E., F., D. und G. psychisch unter Druck gesetzt und damit eines der Nötigungsmittel von Art. 189 StGB angewendet. Die Verurteilung wegen mehrfacher sexueller Nötigung gemäss Art. 189 StGB zum Nachteil der vorgenannten Opfer verletze Bundesrecht. a) Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Anwendung des revidierten Art. 189 StGB . Darauf ist nicht zurückzukommen. b) aa) Eine sexuelle Nötigung gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB begeht, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder BGE 128 IV 97 S. 99 zum Widerstand unfähig macht. Die Aufzählung der Nötigungsmittel ist nicht abschliessend. Im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 188 aStGB) setzt eine sexuelle Nötigung nicht mehr die Widerstandsunfähigkeit des Opfers voraus. Immer ist aber eine erhebliche Einwirkung erforderlich ( BGE 122 IV 97 E. 2b). Die sexuellen Nötigungstatbestände verbieten den Angriff auf die sexuelle Freiheit. Sie gelten als Gewaltdelikte und sind damit prinzipiell als Akte physischer Aggression zu verstehen. Dabei stellt aber die Tatbestandsvariante des Unter-psychischen-Druck-Setzens klar, dass sich die tatbestandsmässige Ausweglosigkeit der Situation auch ergeben kann, ohne dass der Täter eigentliche Gewalt anwendet; es kann vielmehr genügen, dass dem Opfer eine Widersetzung unter solchen Umständen aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist. Diese Umstände müssen eine Qualität erreichen, die sie in ihrer Gesamtheit als instrumentalisierte so genannte "strukturelle Gewalt" erscheinen lassen (eingehend BGE 124 IV 154 E. 3b S. 158 f. mit zahlreichen Verweisen). Ob die tatsächlichen Verhältnisse die tatbeständlichen Anforderungen eines Nötigungsmittels erfüllen, lässt sich erst nach einer umfassenden Würdigung der relevanten konkreten Umstände entscheiden. Es ist mithin eine individualisierende Beurteilung notwendig, die sich auf hinlänglich typisierbare Merkmale stützen muss ( BGE 124 IV 154 E. 3b). Das Ausmass der Beeinflussung, das für den psychischen Druck erforderlich ist, bleibt aber letztlich unbestimmbar (REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 393), weshalb diese Bestimmung vorsichtig auszulegen ist (vgl. GUIDO JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Bd. 4, Bern 1997, Art. 189 N. 10 ff.; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 189 N. 6; kritisch auch PETER HANGARTNER, Selbstbestimmung im Sexualbereich - Art. 188-193 StGB , Diss. St. Gallen 1997, S. 144 f.; ferner GUIDO JENNY, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, in: ZBJV 135/1999 S. 639 ff.; PHILIPP MAIER, Das Tatbestandsmerkmal des Unter-psychischen-Druck-Setzens im Schweizerischen Strafgesetzbuch, in: ZStrR 117/1999 S. 402, 417 f.). Je nach Umständen und den Beziehungen zum Täter kann ein Kind wegen seiner kognitiven Unterlegenheit und seiner Abhängigkeit in emotionaler und sozialer Hinsicht den Bedürfnissen des Täters mehr oder weniger ausgeliefert sein. Gerade bei der sexuellen Ausbeutung durch Täter im sozialen Nahraum wird körperliche Gewalt vielfach gar nicht erforderlich sein, weil die Täter gezielt die entwicklungsbedingte emotionale Abhängigkeit und Bedürftigkeit der BGE 128 IV 97 S. 100 betroffenen Kinder auszunützen pflegen. Kognitive Unterlegenheit und emotionale wie soziale Abhängigkeit können bei Kindern einen ausserordentlichen psychischen Druck bzw. eine damit vergleichbare Unterlegenheit erzeugen, die es ihnen verunmöglicht, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren. Dies wird namentlich beim Missbrauch durch Autoritätsträger des gleichen Haushalts in Betracht zu ziehen sein, weil hier Ängste um den Verlust der Zuneigung unmittelbar zur ernsten Bedrohung werden können. In solchen Situationen erscheint bereits die gegenüber einem Kind übermächtige Körperlichkeit des Erwachsenen, die alleinige physische Dominanz, geeignet, Elemente physischer Aggression zu manifestieren und das Gewaltkriterium im Sinne physischer oder zumindest struktureller Gewalt zu erfüllen. Eine Tatbestandsmässigkeit setzt aber jedenfalls voraus, dass unter den konkreten Umständen das Nachgeben des Kindes verständlich erscheint (eingehend BGE 124 IV 154 E. 3b S. 159 f. mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat in einem frühen Entscheid zum neuen Sexualstrafrecht den psychischen Druck bei einem kindlichen, leicht debilen Opfer bejaht, das vom zehnten bis zum fünfzehnten Altersjahr von einem in Lebensgemeinschaft mit der Mutter des Opfers lebenden Täter sexuell missbraucht worden war. Es berücksichtigte auf der einen Seite die Persönlichkeit des Opfers, sein Alter, seine ablehnende Haltung und seine prekäre familiäre Stellung sowie auf der anderen Seite die Autoritätsposition, den Charakter und das Schweigegebot des Täters. Es erwies sich, dass das Kind in dieser Situation ohne Rückgriff auf Gewalt oder Drohung durch den Täter ausserstande gesetzt wurde, sich zu widersetzen ( BGE 122 IV 97 E. 2c). Im vergleichbaren Falle eines zehnjährigen Mädchens war entscheidend, dass der Täter seine generelle Überlegenheit als Erwachsener, seine vaterähnliche Autorität, die freundschaftlichen Gefühle sowie die Zuneigung des Kindes ausgenützt und es damit in einen lähmenden Gewissenskonflikt getrieben hatte, der es ihm verunmöglicht hatte, sich zu widersetzen ( BGE 124 IV 154 E. 3c). Die ursprünglich vor dem Hintergrund des sexuellen Kindsmissbrauchs entwickelte Rechtsprechung zum psychischen Druck ( BGE 124 IV 154 ; BGE 122 IV 97 ) gilt gemäss BGE 126 IV 124 E. 3d S. 130 zwar grundsätzlich auch für erwachsene Opfer. Das Bundesgericht hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass Kindern im Allgemeinen eine geringere Gegenwehr zuzumuten ist als Erwachsenen ( BGE 122 IV 97 E. 2b S. 101). Damit werden Opfergesichtspunkte in die Beurteilung einbezogen und berücksichtigt, dass die sexuellen BGE 128 IV 97 S. 101 Nötigungstatbestände nach der Konzeption des Gesetzes vorrangig auf Erwachsene ausgerichtet sind ( BGE 124 IV 154 E. 3b). Deshalb sind bei sexuellen Handlungen unter Ausnützung des Erwachsenen-Kind-Gefälles geringere Anforderungen an die Intensität bzw. Erheblichkeit der Nötigungsmittel zu stellen als bei sexuellen Handlungen zum Nachteil von Erwachsenen. bb) Die Rechtsprechung ist in der Doktrin auf Kritik gestossen (JENNY, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, in: ZBJV 135/1999 S. 639 ff.). Vergewaltigung und sexuelle Nötigung seien Aggressions- oder Gewaltdelikte, weshalb es bei der Ausübung psychischen Drucks immer nur um Fälle gehen könne, in denen das Opfer sich infolge sonst zu befürchtender Gewalttätigkeiten nicht widersetze (weniger eng noch JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Bd., Bern 1997, Art. 189 StGB N. 28: psychischer Druck u.a. auch bei befürchtetem Verlust der Zuneigung von Bezugspersonen). Darin liege insofern eine Erweiterung der herkömmlichen Nötigungsmittel, als die Annahme eines psychischen Drucks auf das Opfer nicht voraussetze, dass der Täter körperliche Gewalt auch tatsächlich anwende oder mit ihr drohe. Vielmehr genüge, wenn sich das Opfer in einer Situation der Ausweglosigkeit befinde, weil Widerstand oder Flucht angesichts seiner körperlichen Unterlegenheit aussichtslos oder gefährlich wäre. Die Ausnutzung der kognitiven Unterlegenheit des Kindes sowie seiner Abhängigkeit in emotionaler und sozialer Hinsicht reichten hingegen nicht aus, um - neben dem Tatbestand des Art. 187 StGB - eine zusätzliche Strafbarkeit nach Art. 189, 190 StGB zu begründen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts führe dazu, dass nahezu jede sexuelle Handlung von Erwachsenen mit Kindern, die im sozialen Nahraum stattfinde, zugleich eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung darstelle. Die Ausweitung beider Tatbestände auf den Missbrauch sozialer Macht- oder Autoritätsverhältnisse lasse sämtliche Tatbestandsgrenzen bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen und übergehe, dass die Ausnützung von Abhängigkeiten bereits in den Art. 188, 192 und 193 StGB geregelt sei. Richtiger sei es deshalb, auch beim kindlichen Opfer zu verlangen, dass es sich wegen sonst drohender (wenn auch nicht notwendigerweise angedrohter) körperlicher Gewalt gefügt habe; "sei es, weil es aus der konkreten Situation heraus befürchten musste, im Falle einer Weigerung einfach überwältigt zu werden, sei es, weil die Beziehung zum Täter als väterliche oder vaterähnliche Autoritätsperson durch ein Klima von Unnachgiebigkeit und Strenge, von BGE 128 IV 97 S. 102 Einschüchterung oder sich bei anderer Gelegenheit äussernder und damit hinsichtlich der sexuellen Kontakte mindestens latenter physischer Gewalt geprägt war" (JENNY, ZBJV 135/1999 S. 641). cc) Für eine Praxisänderung besteht kein Anlass. Entgegen der Befürchtung von JENNY führt die Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht dazu, dass jede sexuelle Handlung von Erwachsenen mit Kindern, die im sozialen Nahraum stattfindet, unter Verwischung der Tatbestandsgrenzen zwischen Art. 187 und Art. 189 StGB zugleich eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung darstellen würde. Art. 187 StGB einerseits sowie die Art. 189 und 190 StGB andererseits unterscheiden sich namentlich darin, dass sie verschiedene Rechtsgüter schützen (vgl. BGE 124 IV 154 E. 3a S. 157 f.). Art. 189 StGB kommt neben Art. 187 StGB nur in Betracht, wenn der psychische Druck auf das Opfer erheblich ist. Wie schon in BGE 124 IV 154 E. 3c S. 161 angedeutet, genügen das Ausnützen allgemeiner Abhängigkeits- oder Freundschaftsverhältnisse oder gar eine gegenüber jedem Erwachsenen bestehende Unterlegenheit des Kindes für sich genommen regelmässig nicht, um einen relevanten psychischen Druck im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB zu begründen (ebenso JENNY, Kommentar, Art. 189 N. 28). Damit sind die Tatbestände der Art. 187 und 189 StGB hinreichend scharf voneinander abgegrenzt. Ist das Kind bezüglich der sexuellen Handlungen altersbedingt nicht urteilsfähig, kommt im Übrigen neben Art. 187 StGB ohnehin Art. 191 StGB und nicht Art. 189 StGB in Betracht (vgl. BGE 120 IV 194 E. 2b). Schliesslich wird es an der Rechtsprechung sein, im Einzelnen zu bestimmen, wann eine von den Art. 188, 192 und 193 StGB erfasste Abhängigkeit oder Notlage in einen psychischen Druck übergeht. c) aa) Die Vorinstanz hat sich sehr eingehend mit den Tatmitteln auseinandergesetzt. Sie legt mit ausführlichen Beispielen und Belegen dar, dass der Beschwerdeführer für C., E., F. und G. eine Vaterrolle einnahm, indem er durch Zuneigung und sportliche bzw. erzieherische Disziplin gezielt ihr Vertrauen gewann und eine emotionale und soziale Abhängigkeit schuf, die es ihm ermöglichte, sie ohne Gewalt oder Drohung zu missbrauchen. Der Beschwerdeführer wurde von seinen teilweise noch sehr jungen Opfern regelrecht "vergöttert" und war für sie damals die in ihrem Leben bestimmende Person. Zum Teil konnten sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Der Beschwerdeführer verstand es auch, das Konkurrenzverhältnis unter seinen Trainingsschülerinnen und individuelle Schwächen zur Erreichung seiner Ziele zu nutzen. Das Abhängigkeitsverhältnis, welches die Vorinstanz zutreffend als kollektives Phänomen umschreibt, wurde BGE 128 IV 97 S. 103 durch die Stellung und allgemeine Beliebtheit des Beschwerdeführers in der dörflichen Gemeinschaft zusätzlich verstärkt. In einem Fall (G.) erklärte der Beschwerdeführer die sexuellen Handlungen "tabu", indem er wiederholt "gäll, mer möched nüt Verbotnigs" zu ihr sagte. Für die Einzelheiten kann hier vollumfänglich auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, denen nichts beizufügen ist ( Art. 36a Abs. 3 OG ). Mit der Vorinstanz ist anzunehmen, dass der Beschwerdegegner seine generelle Überlegenheit als Erwachsener, seine vaterähnliche Stellung und Autorität sowie die freundschaftlichen Gefühle und die Zuneigung der Mädchen ausnützte. Er ging somit weit über das Ausnützen allgemeiner Abhängigkeits- oder Freundschaftsverhältnisse hinaus. Die Opfer "vergötterten" den Beschwerdeführer geradezu, anerkannten vorbehaltlos seine Autorität und suchten bei ihm Anerkennung, Liebe und Schutz, gerieten aber aufgrund der mit der "Übervaterfunktion" und der sozialen Stellung des Beschwerdeführers einhergehenden Tabuisierung in eine ausweglose Situation. Wie die Vorinstanz feststellte, besass der Beschwerdeführer das volle Vertrauen der Familien seiner Opfer, was er sich auch zunutze machte. Damit wurden die Mädchen in einen lähmenden Gewissenskonflikt getrieben, der sie ausserstande setzte, Widerstand zu leisten. Es liegt eine mit BGE 124 IV 154 und BGE 122 IV 97 durchaus vergleichbare Situation vor. Ein psychischer Druck im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB ist zu bejahen. bb) Anders als die anderen Opfer stand D. nicht in einer langandauernden Beziehung zum Beschwerdeführer und war auch nicht langfristig auf ihn angewiesen und von ihm abhängig. Die Vorinstanz bejaht aber gleichwohl einen psychischen Druck des Beschwerdeführers auf D. bzw. ein damit vergleichbares Abhängigkeitsverhältnis. Es führt dazu aus, die im Tatzeitpunkt erst elf Jahre alte D. sei im Skilager durch Krankheit geschwächt und in ihren Abwehrkräften reduziert gewesen. Der Beschwerdeführer habe seine Autorität als Lagerleiter sowie die Intimität des Lagers ausgenutzt und sich ein aufgrund der Umstände geschwächtes und hilfloses Opfer ausgesucht, welches bettlägrig und krankheitsbedingt von ihren Altersgefährten isoliert war und unter der Trennung von den Eltern litt. Indem der Beschwerdeführer in dieser Situation die Funktion des Krankenpflegers übernahm, habe er das Vertrauen von D. gewonnen, welche von ihm allein abhängig und ihm völlig ausgeliefert gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dies ausgenutzt, um die Übergriffe ohne Gewalt oder Drohung zu begehen. BGE 128 IV 97 S. 104 D. war unter den gegebenen Umständen auf die Betreuung durch den Beschwerdeführer und seine Aufmerksamkeit physisch und emotional angewiesen. Diese Schwäche machte sich der Beschwerdeführer zunutze. Das subjektive Empfinden D.s, dem Beschwerdeführer ausgeliefert zu sein, ist hinreichend erheblich, um einen psychischen Druck im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB bzw. eine gleichwertige Unterlegenheit annehmen zu können. Das angefochtene Urteil verletzt auch in diesem Punkt kein Bundesrecht. 3. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er bringt vor, die Vorinstanz hätte das Nötigungsmittel des psychischen Druckes strafmindernd berücksichtigen müssen, da dieses im Vergleich zur Anwendung physischer Gewalt oder von Drohung weniger schwer wiege; entsprechend geringer sei seine Schuld. Ebenfalls strafmindernd hätte die Vorinstanz die "massiven Vorverurteilungen und Persönlichkeitsverletzungen durch die Medien im Rahmen der Prozessberichterstattung" beachten müssen. a) Die in Art. 189 Abs. 1 StGB genannten Nötigungsmittel werden vom Gesetz grundsätzlich gleich bewertet. Das Tatmittel des "Unter-psychischen-Druck-Setzens" wiegt nicht prinzipiell leichter als etwa physische Gewalt oder Drohungen (vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 6S.386/2001 vom 13. August 2001). Die Tatschwere einer sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 StGB ist somit nicht aufgrund des jeweiligen Nötigungsmittels abzustufen, sondern ist allein nach den Umständen des konkreten Falles zu bestimmen. Die Vorinstanz hat die Schwere der Taten zutreffend gewürdigt. Eine Bundesrechtsverletzung liegt nicht vor. b) Die Vorinstanz äussert sich zur Frage der Relevanz der Medienberichterstattung für die Strafzumessung dahingehend, dass es sich erübrige, im Einzelnen auf die behaupteten "Medienübergriffe" einzugehen, weil deswegen eine Strafminderung nirgends vorgesehen sei. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Vorverurteilung von Tatverdächtigen in der Medienberichterstattung je nach Schwere der Rechtsverletzung als Strafzumessungsgrund im Rahmen von Art. 63 StGB zu gewichten. Das Bundesstrafgericht hat in seinem Entscheid vom 29. November 1999 i.S. Bundesanwaltschaft gegen Oberst N. (9X.1/1998) angenommen, insbesondere die Medienkonferenz der damaligen Bundesanwältin vom 20. Februar 1996 und deren Verarbeitung hätten zu einer gravierenden Vorverurteilung von Oberst N. mit einer Quasi-Strafwirkung geführt, was strafmindernd zu werten sei (zitiertes Urteil, E. 25b). BGE 128 IV 97 S. 105 Das Bundesstrafgericht hat dabei berücksichtigt, dass die erhebliche Vorverurteilung schwergewichtig durch die Strafverfolgungsorgane ausging und sich die von ihnen veröffentlichten Vorwürfe später weitgehend als unbegründet erwiesen. bb) Zu prüfen ist somit, ob und gegebenenfalls wieweit die Medienberichterstattung über das Verfahren gegen den Beschwerdeführer in dessen Rechte eingriff. Der Beschwerdeführer nennt eine Anzahl von Vorkommnissen, aus denen er eine gravierende Vorverurteilung ableitet. Deren Beginn ortet er in der Berichterstattung durch den Privatsender Tele Züri vom 8. April 1997. Dieser Sendebeitrag habe ihn mit der Abkürzung "X." benannt und sein gesamtes damaliges Umfeld ausgeleuchtet. Damit sei eine "ganze Lawine von Reaktionen, Diskussionen und weiteren teilweise hetzerischen Berichterstattungen in den Medien in Gang" gesetzt worden. Ein nächster "massiver Übergriff" sei durch die Rundschau-Sendung des SF DRS vom 2. November 1997 erfolgt. Fernsehjournalisten hätten in Anwesenheit seiner beiden kleinen Kinder versucht, eine Stellungnahme von ihm zu erhalten. Sie hätten nicht davor zurückgeschreckt, in die private Tiefgarage der Überbauung, in welcher er damals gewohnt habe, einzudringen. Gegen die Sendung "Time out" des SF DRS vom 22. Januar 1999 habe der Beschwerdeführer erfolglos die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) angerufen. Diese habe mit Entscheid vom 27. August 1999 eine Verletzung der Programmbestimmungen zwar verneint, jedoch bemängelt, dass den erhöhten journalistischen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Berichterstattung über laufende Verfahren im Stile des "anwaltschaftlichen Journalismus" nicht überall gebührend Rechnung getragen worden sei und die Berichterstattung zuweilen einer Hetzjagd gegen den Beschwerdeführer geglichen habe. Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es sei im Rahmen der Berichterstattung über das erstinstanzliche Verfahren am Bezirksgericht Laufenburg zu weiteren Medienübergriffen und Persönlichkeitsverletzungen gekommen. SF DRS habe am 19. Mai 1999 in der Tagesschau über den Prozess berichtet und dabei zwei Mal während mehreren Sekunden sein unabgedecktes Bild gezeigt. Am 21. Mai 1999 hätten Tele 24 und Tele Züri in der Nachrichtensendung seinen vollen Vor- und Nachnamen genannt und während mehreren Sekunden das Bild seines Gesichtes ausgestrahlt. Sein unabgedecktes Abbild sei am 22. Mai 1999 auch in der Tagespresse - Aargauer Zeitung und Berner Zeitung - erschienen. BGE 128 IV 97 S. 106 Es kann hier offen bleiben, ob der Beschwerdeführer damit Noven vorbringt und er insoweit überhaupt zu hören ist. Der Beschwerdeführer macht in der Sache nur geltend, seine Persönlichkeitsrechte seien während des Verfahrens durch verschiedene Medienberichte verletzt worden. Er legt jedoch nicht dar, und es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass und inwiefern die Berichterstattungen die Grundsätze der Unschuldsvermutung verletzt und ihn vorverurteilt hätten (dazu KRISTIAN KÜHL, Unschuldsvermutung und Resozialisierungsinteresse als Grenzen der Kriminalberichterstattung, in: Grundfragen des staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag, München 2001, S. 401 ff. mit zahlreichen Verweisen). Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafminderung wegen Vorverurteilung durch die Medien nicht gegeben. In Frage käme folglich nur eine Strafminderung wegen überdurchschnittlich hoher Belastung durch eine intensive Berichterstattung in den Medien (zur Berücksichtigung indirekter Auswirkungen von Strafverfahren bei der Strafzumessung vgl. etwa MATTHIAS HÄRRI, Folgeberücksichtigung bei der Strafzumessung, in: ZStrR 116/1998 S. 221; GERHARD SCHÄFER, Zur Individualisierung der Strafzumessung, in: Festschrift für Herbert Tröndle, Berlin/New York 1989, S. 402/403; FRANZ ZELLER, Zwischen Vorverurteilung und Justizkritik, Bern 1998, S. 394 mit Hinweis auf Roxin; vgl. ferner MARIO GMÜR, Das Medienopfersyndrom (MOS), Schweizerische Ärztezeitung 1999, S. 2604). Ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Mediatisierung von Strafverfahren ohne Vorverurteilung des Tatverdächtigen bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist, kann hier offen bleiben. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer annehmen wollte, die Medienberichterstattung habe ihn und seine Familie überdurchschnittlich stark belastet und deren Rechte erheblich verletzt, hätte sich dies nur wenig strafmindernd auswirken können. Die ausgesprochene Strafe von 3 1/4 Jahren Zuchthaus verletzt jedenfalls kein Bundesrecht.
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Sachverhalt ab Seite 422 BGE 147 II 421 S. 422 A. A., d'ethnie kurde, né en Syrie en 1987, a déposé une demande d'asile en Suisse le 7 mai 2012. Lors de ses auditions, il a BGE 147 II 421 S. 423 notamment indiqué faire partie de la minorité kurde ajanib de Syrie, avoir déposé en 2011 une demande en vue d'obtenir la nationalité syrienne, mais avoir dû quitter le pays le 1 er avril 2012 avant d'être naturalisé. Par décision du 14 avril 2015, le Secrétariat d'Etat aux migrations a rejeté la demande d'asile, considérant que A. n'avait pas la qualité de réfugié. L'exécution du renvoi n'étant pas raisonnablement exigible compte tenu des conditions de sécurité en Syrie, A. a été admis provisoirement à demeurer en Suisse. Par arrêt du 25 novembre 2015, le Tribunal administratif fédéral a rejeté, dans la mesure où il était recevable et où il n'était pas sans objet, le recours formé par A. contre ce prononcé. Le 1 er juillet 2015, A. a déposé une demande tendant à la reconnaissance du statut d'apatride et à l'octroi en sa faveur d'une autorisation de séjour à ce titre. Après avoir entendu A., le Secrétariat d'Etat aux migrations a, par décision du 3 mars 2017, rejeté sa demande. Cette décision est entrée en force. B. Le 9 avril 2018, A. a déposé une nouvelle demande tendant à la reconnaissance du statut d'apatride. Par décision du 17 mai 2018, le Secrétariat d'Etat aux migrations a indiqué à A. qu'il "classait sans suite" sa requête. Par arrêt du 18 mars 2020, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours de A. contre cette décision. C. Contre l'arrêt du 18 mars 2020, A. forme un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral. Le Tribunal fédéral admet le recours et renvoie la cause au Secrétariat d'Etat aux migrations pour qu'il reconnaisse A. comme apatride. ( résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 5. 5.1 A teneur de l'art. 1 al. 1 de la Convention du 28 septembre 1954 relative au statut des apatrides, entrée en vigueur pour la Suisse le 1 er octobre 1972 (RS 0.142.40; ci-après: la Convention), le terme "apatride" désigne une personne qu'aucun Etat ne considère comme son ressortissant par application de sa législation. Cette définition vise exclusivement les personnes qui, au plan formel, ne possèdent aucune nationalité (apatrides de iure ). Elle ne BGE 147 II 421 S. 424 concerne pas les personnes qui, formellement, ont toujours une nationalité, mais auxquelles l'Etat d'origine n'accorde plus sa protection ou qui refusent cette protection (apatrides de facto ) (cf. ATF 115 V 4 consid. 2b; arrêts 2C_661/2015 du 12 novembre 2015 consid. 3.1; 2C_36/2012 du 10 mai 2012 consid. 2.1 et 2.2; 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.1). 5.2 Les autorités administratives suisses ne reconnaissent pas le statut d'apatride au sens de la Convention aux personnes qui se laissent sciemment déchoir de leur nationalité ou qui ne font pas tout ce qui peut être attendu d'elles pour la conserver ou la regagner. La communauté internationale s'efforce en effet depuis longtemps de réduire au minimum les cas d'apatridie (arrêts 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2; 2C_1/2008 du 28 février 2008 consid. 3.2; 2A.373/1993 du 4 juillet 1994 consid. 2b). Cet objectif est essentiellement réalisé par les règles de chaque Etat relatives à l'octroi et au retrait de la nationalité, ainsi que par celles facilitant l'acquisition d'une nationalité pour les personnes apatrides (cf. SHEARER/OPESKIN, Nationalité et apatridie, in Le droit international de la migration, Opeksin/Perruchoud/Redpath-Cross [éd.], 2014, p. 109 ss, 129 ss). Accorder indistinctement et sans nécessité le statut d'apatride irait toutefois également à l'encontre de ce but. La Convention sert au premier chef à aider les personnes défavorisées par le sort et qui, sans elle, seraient dans la détresse (arrêts 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2; 2C_1/2008 du 28 février 2008 consid. 3.2; 2A.373/1993 du 4 juillet 1994 consid. 2b). Elle n'a pas pour but de permettre à toute personne qui le désire de bénéficier du statut d'apatride, qui est, à certains égards, plus favorable que celui accordé à d'autres étrangers (arrêts 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2; 2C_1/2008 du 28 février 2008 consid. 3.2; 2A.373/1993 du 4 juillet 1994 consid. 2b). Reconnaître ainsi la qualité d'apatride à tout individu qui se laisserait déchoir de sa nationalité pour des raisons de convenances personnelles contreviendrait au but poursuivi par la communauté internationale. Cela équivaudrait, en outre, à favoriser un comportement abusif (cf. arrêts 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2; 2C_1/2008 du 28 février 2008 consid. 3.2; 2A.373/1993 du 4 juillet 1994 consid. 2b). 5.3 A la lumière de ces principes, le Tribunal fédéral retient, dans une jurisprudence constante, qu'il y a lieu d'interpréter l'art. 1 er de la Convention en ce sens que, par apatrides, il faut entendre les personnes qui, sans intervention de leur part, ont été privées de leur BGE 147 II 421 S. 425 nationalité et n'ont aucune possibilité de la recouvrer (cf. arrêts 2C_661/2015 du 12 novembre 2015 consid. 3.1; 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2). A contrario, cette convention n'est pas applicable aux personnes qui abandonnent volontairement leur nationalité ou refusent, sans raisons valables, de la recouvrer ou d'en acquérir une, alors qu'ils ont la possibilité de le faire, dans le seul but d'obtenir le statut d'apatride (arrêts 2C_1012/2018 du 29 janvier 2019 consid. 3.4; 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.2; 2C_1/2008 du 28 février 2008 consid. 3.2; 2A.373/1993 du 4 juillet 1994 consid. 2c). Il appartient ainsi au requérant qui peut prétendre à une nationalité d'entreprendre toutes les démarches utiles pour se voir délivrer cette nationalité et les documents d'identité y afférents (arrêt 2C_1012/2018 du 29 janvier 2019 consid. 3.4; cf. aussi arrêt 2C_621/2011 du 6 décembre 2011 consid. 4.3). 6. 6.1 Dans son arrêt, le Tribunal administratif fédéral a tenu pour établi que le recourant faisait partie de la minorité kurde ajanib en Syrie, de la province de Hassaké, et qu'il ne disposait pas en l'état de la nationalité syrienne. Le Tribunal administratif fédéral a ensuite relevé que, le 7 avril 2011, le président syrien avait promulgué le Décret n° 49, par lequel il avait décidé d'accorder la citoyenneté syrienne aux ajanib , c'est-à-dire aux Kurdes apatrides enregistrés dans la province de Hassaké. Depuis, les ajanib de cette province avaient donc en principe la possibilité de se faire naturaliser. Selon différentes études, cette possibilité était effective, puisque le nombre d'apatrides en Syrie avait diminué de 300'000 à 231'000 à la fin 2011, à 221'000 à la fin 2012 et à 160'000 à la fin 2013. D'après le Service norvégien d'informations sur les pays d'origine, 105'000 sur 120'000 ajanib avaient obtenu la nationalité syrienne au début de l'année 2015. S'agissant de la procédure de naturalisation, le Tribunal administratif fédéral a indiqué que celle-ci n'était pas réglée par le Décret n° 49. Toutefois, selon les informations à disposition, une personne à l'étranger désirant acquérir la nationalité sur la base du Décret n° 49 devait se rendre en Syrie afin d'être entendue par les autorités syriennes et la carte d'identité n'était octroyée que lors d'une entrevue personnelle. Sur le vu de ces éléments, le Tribunal administratif fédéral a retenu que le recourant devait se rendre en Syrie pour être naturalisé. Le recourant ayant été admis provisoirement en Suisse au motif que BGE 147 II 421 S. 426 son renvoi n'était pas raisonnablement exigible compte tenu des conditions de sécurité régnant en Syrie, les précédents juges ont toutefois considéré qu'il ne pouvait être exigé de l'intéressé qu'il aille dans ce pays à l'heure actuelle. Nonobstant ces considérations, les précédents juges ont retenu que le recourant ne remplissait pas les conditions pour être reconnu apatride. Selon eux, le recourant aurait en effet pu attendre, comme le reste de sa famille, qui avait été naturalisée en octobre 2013, l'issue de la procédure de naturalisation qu'il avait initiée en 2011 en Syrie. Comme l'existence de motifs de fuite justifiant la reconnaissance du statut de réfugié avait été niée, et dans la mesure où le Tribunal administratif fédéral avait en outre constaté dans ce contexte que rien ne laissait penser que le recourant avait fait personnellement l'objet de persécutions de l'Etat islamique, l'intéressé ne pouvait en effet pas, d'après les précédents juges, se prévaloir de raisons personnelles majeures justifiant son départ de Syrie avant l'aboutissement de la procédure de naturalisation. L'octroi de la nationalité aux autres membres de sa famille démontrait en outre que la situation instable prévalant en Syrie n'empêchait pas d'attendre dans ce pays l'issue de la naturalisation, étant précisé que le recourant n'avait pas démontré qu'il se trouvait dans une situation de danger personnelle différente de celle des membres de sa famille. Le recourant n'avait ainsi pas de raison valable de ne pas avoir obtenu la nationalité syrienne, ce qui justifiait le rejet de sa demande tendant à la reconnaissance du statut d'apatride. 6.2 Si l'on résume, le Tribunal administratif fédéral a admis que le recourant ne possédait actuellement aucune nationalité. Il a également reconnu qu'il ne pouvait être exigé du recourant qu'il se rende à l'heure actuelle en Syrie pour finaliser les démarches de naturalisation. Toutefois, il a nié être en présence d'une situation d'apatridie, au motif que le recourant aurait quitté la Syrie sans raisons valables en 2012. 7. Il convient de vérifier si la position des précédents juges est conforme à l'art. 1 er de la Convention. La première question à résoudre est de savoir si le recourant possède actuellement une nationalité, comme le soutient le Secrétariat d'Etat aux migrations, ou si aucun Etat ne le considère comme ressortissant par application de sa législation (cf. supra consid. 5.1). 7.1 Savoir si une personne possède une nationalité s'évalue au moment de la détermination de son éligibilité au regard de la BGE 147 II 421 S. 427 Convention (Haut Commissariat des Nations Unies pour les réfugiés [ci-après: HCR], Principes directeurs relatifs à l'apatridie n° 1: Définition du terme "apatride" inscrite à l'article 1(1) de la Convention de 1954 relative au statut des apatrides [ci-après: principes directeurs n° 1], 20 février 2012, doc. NU HCR/GS/12/01, par. 43). L'exercice ne porte ni sur le passé, ni sur le futur. Partant, si un individu est engagé dans une procédure d'acquisition de la nationalité mais que celle-ci n'est pas encore achevée, il ne peut être considéré comme un ressortissant au sens de l'art. 1 de la Convention (HCR, principes directeurs n° 1, par. 43). 7.2 En l'occurrence, il n'est pas contesté que le recourant peut, en soi, se faire naturaliser syrien, en vertu du Décret n° 49 de 2011. Il a du reste initié en 2011 selon ses dires les démarches en vue de l'obtention de la nationalité syrienne. Toutefois, d'après les indications figurant dans l'arrêt entrepris, le recourant doit, pour finaliser la procédure et obtenir la nationalité syrienne, se rendre en Syrie et se présenter personnellement devant les autorités compétentes. Sur le vu de ces informations, il apparaît que le recourant n'a, actuellement, pas la nationalité syrienne. 7.3 Dans ses déterminations, le Secrétariat d'Etat aux migrations fait valoir que le recourant possède déjà la nationalité syrienne, car le Décret n° 49 de 2011 aurait donné ipso facto la nationalité syrienne aux Kurdes ajanib. D'après le Secrétariat d'Etat aux migrations, l'acquisition de la nationalité syrienne est automatique pour les Kurdes de la région de Hassaké du seul fait du Décret n° 49 de 2011. Selon cette compréhension du Décret n° 49, les démarches postérieures et l'octroi de la pièce d'identité syrienne seraient uniquement de nature déclaratoire. 7.4 Cette argumentation juridique nouvelle est admissible devant le Tribunal fédéral (cf. ATF 142 I 155 consid. 4.4.3) et le recourant a de plus eu l'occasion de se prononcer. Selon la Cour de céans, l'exposé du Secrétariat d'Etat aux migrations ne permet toutefois pas d'établir que le recourant détient la nationalité syrienne, pour les raisons qui suivent. 7.5 Dans son arrêt, le Tribunal administratif fédéral a retenu que, du fait de la promulgation du Décret n° 49, les Kurdes ajanib de la province de Hassaké avaient la possibilité de se faire naturaliser. Il a également exposé le nombre de demandes déposées à la suite de la promulgation du Décret n° 49, la procédure de naturalisation et BGE 147 II 421 S. 428 le nombre de personnes naturalisées au fil des années à la suite du Décret. Il découle de ces éléments que la nationalité syrienne n'a pas été accordée automatiquement aux Kurdes de la province de Hassaké, mais qu'il a fallu pour les personnes concernées procéder à certaines démarches. Ces éléments de fait de l'arrêt attaqué ne sont pas remis en question par le Secrétariat d'Etat aux migrations. On en conclut qu'il n'y a pas eu d'acquisition automatique de la nationalité syrienne pour les Kurdes ajanib de la province de Hassaké. A cela s'ajoute qu'un droit potentiel à la naturalisation ne suffit pas à nier une situation d'apatridie. Il faut en effet plutôt s'assurer que la personne peut exercer effectivement ce droit dans la pratique et bénéficier des droits attachés à la nationalité (cf., à propos du Décret n° 49 de 2011 du président syrien, arrêt du Tribunal administratif fédéral E-3562/2013 du 17 décembre 2014 consid. 5.3.3; cf. aussi ATAF 2014/5 consid. 11; cf. aussi HCR, Principes directeurs n° 1, par. 16 ss). Or, en l'espèce, il est relevé dans le document présenté par le Secrétariat d'Etat aux migrations à l'appui de ses affirmations que la carte d'identité est essentielle pour de nombreuses procédures et pour accéder aux droits (traduction libre). La carte d'identité n'est donc pas qu'un document de nature déclaratoire, mais est bien nécessaire à l'exercice des droits liés à la nationalité. Partant, dans la mesure où le recourant ne possède pas de carte d'identité syrienne et où il n'est pas indiqué, ni encore moins démontré qu'il bénéficierait néanmoins des droits liés à la nationalité syrienne, on ne saurait retenir qu'il est, en l'état, considéré par l'Etat syrien comme étant un de ses ressortissants au sens de l'art. 1 al. 1 de la Convention. 8. Conformément à la jurisprudence, il faut encore se demander si le recourant a, sans raison valable, refusé d'acquérir la nationalité syrienne, alors qu'il en aurait eu la possibilité, dans le but d'être reconnu apatride (cf. supra consid. 5.3). 8.1 Il ressort de l'arrêt entrepris, d'une manière qui lie le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ), que le recourant a expliqué, sans être contredit par le Secrétariat d'Etat aux migrations, qu'il avait déposé, en même temps que sa famille, une demande de naturalisation en 2011, à une date non précisée, mais à la suite de l'adoption du Décret n° 49 par le président syrien. Selon les informations figurant dans l'arrêt, la procédure de naturalisation prend au moins quatre semaines. D'après un rapport publié par le HCR fondé sur un sondage non représentatif, 98 % des Kurdes apatrides qui avaient BGE 147 II 421 S. 429 déposé une demande de naturalisation sur la base du Décret n° 49 s'étaient vu octroyer la nationalité syrienne en l'espace de trois mois. La procédure pouvait toutefois être plus longue et le Tribunal administratif fédéral a retenu que tel avait été le cas pour les membres de la famille du recourant, qui n'avaient obtenu, d'après les documents produits dans le cadre de la demande de reconsidération du statut d'apatride, leurs cartes d'identité syriennes que le 11 octobre 2013. Le recourant a pour sa part quitté la Syrie en avril 2012 et il a aussi été constaté qu'il n'avait pas été en mesure de mener à bien sa procédure de naturalisation. Le recourant a donc attendu plusieurs mois avant de partir et, si la procédure ne s'était pas prolongée, il aurait dû pouvoir être naturalisé avant son départ. En ce sens, sa situation se distingue de celles de personnes ayant quitté la Syrie peu après la promulgation du Décret n° 49 et sans avoir déposé de demande (cf. par exemple arrêt du Tribunal administratif fédéral F-2594/2017 du 21 mars 2019 consid. 5.5 [départ de Syrie en avril 2011]). Compte tenu des faits figurant dans l'arrêt entrepris et de la chronologie des événements, on ne voit ainsi pas que l'on puisse reprocher au recourant de ne pas avoir fourni les efforts que l'on pouvait attendre de lui pour obtenir la nationalité syrienne. Selon les faits constatés, le recourant a en effet sollicité cette nationalité et n'a pas obtenu de réponse dans les délais usuels. 8.2 Selon les précédents juges, le recourant aurait pu attendre plus longtemps et n'avait pas de "raisons valables" pour abandonner la procédure de naturalisation en avril 2012. A cet égard, le Tribunal administratif fédéral a limité les "raisons valables" qu'aurait pu invoquer le recourant aux motifs de persécution personnels, justifiant l'octroi de l'asile ou à un risque concret de torture ou d'autres traitements inhumains ou dégradants. Il n'y a toutefois pas de justification à ce que, dans le cadre de l'application de la Convention relative au statut des apatrides, seuls de tels motifs puissent constituer des "raisons valables" de ne pas finaliser des démarches de naturalisation. Tout d'abord, la Convention ne limite pas son champ d'application aux réfugiés. Retenir qu'il n'y a pas de raisons valables de quitter un pays en l'absence de motifs de persécutions personnels revient partant à restreindre de manière infondée le champ d'application de la Convention. Ensuite, l'examen des "raisons valables" pour lesquelles la personne étrangère ne recouvre pas ou n'obtient pas une nationalité vise, lors de la vérification des raisons de l'absence de nationalité, à éviter que BGE 147 II 421 S. 430 la Convention ne soit détournée de son but d'aide aux personnes défavorisées par le sort (cf. supra consid. 5) et à empêcher les abus. Or, ce n'est pas parce que le recourant a quitté la Syrie en 2012 sans qu'il ait été constaté qu'il avait été persécuté ou qu'il risquait d'être soumis à la torture ou à d'autres traitements inhumains et dégradants que l'on peut en déduire que ce départ aurait été dicté par la volonté d'obtenir le statut d'apatride. Il ne faut en effet pas perdre de vue que le recourant a quitté en avril 2012 une région en proie à un conflit violent. Dans son arrêt, le Tribunal administratif fédéral a notamment relevé que "l'année 2012 avait été témoin d'une militarisation croissante du conflit opposant le gouvernement syrien et les différents groupes d'opposition et d'une augmentation de la violence". Arrivé en Suisse, le recourant n'a certes pas été reconnu comme réfugié et l'asile ne lui a pas été accordé, mais il a été admis provisoirement en avril 2015, au motif que l'exécution du renvoi n'était pas raisonnablement exigible (cf. art. 83 al. 4 LEI [RS 142.20]) compte tenu des conditions de sécurité en Syrie, ce qui est une indication supplémentaire de la réalité des dangers encourus dans ce pays. 8.3 En définitive, dans les circonstances d'espèce et eu égard au déroulement des événements, on ne peut pas considérer que le recourant n'a pas fourni les efforts nécessaires pour acquérir la nationalité syrienne du fait qu'il n'a pas attendu l'issue de la procédure de naturalisation en Syrie, préférant fuir les combats. Le comportement du recourant exclut de retenir que celui-ci a délibérément choisi de partir avant d'obtenir la nationalité syrienne pour chercher à obtenir le statut d'apatride. Partant, l'arrêt entrepris, en tant qu'il refuse d'accorder au recourant le statut d'apatride en raison de sa fuite de Syrie en 2012, ne peut pas être confirmé. 9. Avant de conclure à une situation d'apatridie, il s'agit encore de vérifier si le recourant ne peut actuellement pas obtenir la nationalité syrienne. En effet, une personne qui est en capacité d'obtenir une nationalité et qui s'abstient de le faire sans raison valable ne peut être considérée comme apatride de iure (cf. supra consid. 5.3). Dans le cas d'espèce, cela revient à se demander si le recourant peut se rendre en Syrie pour finaliser les démarches d'acquisition de la nationalité (cf. supra consid. 7.2). 9.1 Actuellement, le recourant est admis provisoirement en Suisse, le renvoi ayant été considéré comme inexigible en raison des BGE 147 II 421 S. 431 conditions de sécurité prévalant en Syrie. L'admission provisoire a été accordée en 2015 et il n'a pas été constaté de changement dans l'arrêt de mars 2020 du Tribunal administratif fédéral à ce sujet. La question qui se pose est de savoir si lorsque le renvoi est jugé inexigible, justifiant l'octroi de l'admission provisoire, l'on peut néanmoins attendre de la personne au bénéfice de cette admission qu'elle se rende dans le pays pour lequel l'admission provisoire a été prononcée en vue d'acquérir la nationalité de ce pays. 9.2 Dans sa jurisprudence, le Tribunal administratif fédéral admet que les Kurdes d'origine syrienne mis au bénéfice d'une admission provisoire ne peuvent se voir imposer l'obligation de retourner en Syrie pour effectuer les démarches en vue de leur naturalisation (arrêts du Tribunal administratif fédéral F-992/2017 du 24 septembre 2018 consid. 5.3; E-3562/2013 du 17 décembre 2014 consid. 5.3.4; et, à propos d'une personne réfugiée admise provisoirement, ATAF 2014/5 consid. 11). Cette position doit être approuvée. On ne saurait en effet exiger d'une personne admise provisoirement pour des motifs de sécurité qu'elle se rende dans le pays vers lequel son renvoi est jugé inexigible. En outre, la personne qui, comme le recourant, est dépourvue de documents de voyage, pourrait être contrainte de traverser illégalement les frontières (cf. arrêt du Tribunal administratif fédéral E-3562/2013 du 17 décembre 2014 consid. 5.3.4). De plus, une modification législative est en cours pour que, comme les personnes reconnues en tant que réfugiées, les personnes admises provisoirement aient l'interdiction expresse de voyager dans leur pays d'origine, sous peine de perdre l'admission provisoire (cf. Message concernant la modification de la loi fédérale sur les étrangers et l'intégration, restriction des voyages à l'étranger et modification du statut de l'admission provisoire, adopté le 26 août 2020, et projet de modification correspondant, FF 2020 7237 et 7287). Dans un tel contexte, on ne saurait, dans le cadre de l'application de la Convention relative au statut des apatrides, faire abstraction de la portée de l'admission provisoire ainsi que de l'absence de documents de voyage et considérer que ces personnes peuvent librement se rendre dans leur pays d'origine. On ne peut donc imposer au recourant de retourner en Syrie pour finaliser sa naturalisation. Le recourant n'est ainsi à l'heure actuelle pas en mesure d'acquérir la nationalité syrienne, ainsi que l'a admis l'autorité précédente. Or, c'est cette situation actuelle qui apparaît décisive pour déterminer si le recourant est apatride (cf. supra BGE 147 II 421 S. 432 consid. 7.1). Par conséquent, le fait que l'impossibilité d'acquérir la nationalité syrienne soit momentanée et uniquement liée à l'empêchement de se rendre en Syrie ne conduit pas à nier le statut d'apatride (cf., dans ce sens, arrêt du Tribunal administratif fédéral E-3562/ 2013 du 17 décembre 2014 consid. 5.4 reconnaissant la statut d'apatride à une personne kurde ajanib admise provisoirement). Le propre de la Convention est en effet de constituer une réponse temporaire, jusqu'à ce que la personne concernée puisse acquérir une nationalité (cf. HCR, Protection des droits des apatrides, 2010, p. 9). En l'occurrence, sur le vu de l'ensemble des circonstances, le recourant, qui ne peut être considéré comme ressortissant syrien, doit être reconnu comme apatride.
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Erwägungen ab Seite 379 BGE 139 III 379 S. 379 Extrait des considérants: 2. (...) 2.1 Il n'est pas contesté que l'arrêt rendu le 28 septembre 2010 par la Cour d'appel de la juridiction des prud'hommes du canton de Genève, dont le recourant a requis l'interprétation, a été communiqué aux parties en 2010, soit avant l'entrée en vigueur du Code de procédure civile (CPC; RS 272), le 1 er janvier 2011. Certes, la Cour d'appel, sur requête du demandeur, conformément à l'art. 160 de l'ancienne loi genevoise de procédure civile (LPC/GE), a rectifié le 18 janvier 2011 une erreur de calcul figurant dans le dispositif de cet arrêt et porté à 455'617 fr. en capital (au lieu de 451'617 fr.) la somme octroyée à celui-ci au titre d'une indemnité de congé et de solde de bonus 2006. Pourtant, la voie de rectification BGE 139 III 379 S. 380 d'un jugement, qu'instaurait l' art. 160 LPC /GE, ne constituait pas une voie de recours cantonale, si bien que le juge, en effectuant la réparation requise, ne modifiait en rien la substance de la décision qu'il avait rendue (cf. BERTOSSA/GAILLARD/GUYET/SCHMIDT, Commentaire de la loi de procédure civile genevoise, 1989, n° 1 ad art. 160 LPC /GE). En l'espèce, la Cour d'appel a corrigé une erreur de calcul manifeste dans le dispositif de l'arrêt du 28 septembre 2010, en constatant que, rapporté aux considérants, le dispositif contenait un montant inexact. Cette rectification n'a donc pas modifié la date de reddition de l'arrêt, qui reste le 28 septembre 2010. Aucun débat ne s'est d'ailleurs élevé entre les plaideurs à ce sujet. Il a été retenu ( art. 105 al. 1 LTF ) que le recourant a déposé sa requête d'interprétation le 14 juin 2012 en se référant à l' art. 334 CPC . Cette norme a concrétisé, dans le droit unifié de la procédure civile, le droit constitutionnel à l'interprétation des jugements déduit de l' art. 8 al. 1 Cst. ( ATF 130 V 320 consid. 3.1 p. 326). Sous l'intitulé "Interprétation et rectification", elle dispose, à son al. 1, ce qui suit: "Si le dispositif de la décision est peu clair, contradictoire ou incomplet ou qu'il ne correspond pas à la motivation, le tribunal procède, sur requête ou d'office, à l'interprétation ou à la rectification de la décision. La requête indique les passages contestés ou les modifications demandées." L' art. 334 CPC ne prévoit pas de délai dans lequel doit être interjetée en particulier une demande d'interprétation (FREIBURGHAUS/AFHELDT, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO],Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 9 ad art. 334 CPC ; ADRIAN STAEHELIN ET AL., Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 26 ch. 73 p. 519; PHILIPPE SCHWEIZER, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 13 ad art. 334 CPC ; ROMINA CARCAGNI ROESLER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker und McKenzie [éd.], 2010, n° 11 ad art. 334 CPC ;IVO SCHWANDER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 10 ad art. 334 CPC ). L'ancien droit genevois prescrivait à l' art. 313 LPC /GE, par renvoi aux dispositions du titre X de cette loi, ainsi qu'à l' art. 318 al. 1 LPC /GE, que les arrêts de la Cour de justice ayant statué en appel pouvaient faire l'objet d'une interprétation dans les mêmes cas et dans les mêmes délais que les jugements de première instance. Il était en conséquence renvoyé aux art. 153 à 165 LPC/GE. Or l' art. 161 let. a BGE 139 III 379 S. 381 LPC /GE instaurait un délai de 30 jours à compter de la notification du jugement pour se pourvoir en interprétation (cf. BERTOSSA/GAILLARD/GUYET/SCHMIDT, op. cit., n os 1 et 2 ad art. 161 LPC /GE). Il appert ainsi que la requête d'interprétation formée le 14 juin 2012 par le recourant à l'encontre d'un arrêt rendu le 28 septembre 2010 serait recevable au regard de l' art. 334 CPC , mais irrecevable, en raison de sa tardiveté, d'après l'ancien droit genevois ( art. 161 let. a LPC /GE). Dans ce contexte, il y a lieu de résoudre une question de droit transitoire. En d'autres termes, il faut déterminer le droit qui est applicable à la requête d'interprétation déposée - comme celle du recourant - après le 1 er janvier 2011 contre une décision judiciaire rendue avant cette date, selon l'ancien droit de procédure applicable. 2.2 Il convient préliminairement de se pencher sur l'institution de l'interprétation consacrée par l' art. 334 CPC . A ce sujet, il est nécessaire de se référer aux travaux législatifs. L'avant-projet de la commission d'experts de juin 2003 comprenait une disposition presque équivalente à l'actuel art. 334 al. 1 CPC , sauf que l'interprétation ne pouvait pas être requise pour une décision déjà exécutée (cf. art. 324 al. 1 AP-CPC). Le rapport explicatif accompagnant cet avant-projet exposait que l'interprétation et la rectification ne sont pas des recours à proprement parler (eigentliche Rechtsmittel), dès l'instant où elles ne tendent pas à modifier, mais uniquement à clarifier une décision; elles constituent bien plutôt de simples voies de droit (Rechtsbehelfe) au sens général du terme (Rapport accompagnant l'avant-projet de la commission d'experts, juin 2003, p. 152 ad art. 324, accessible sur le site internet de l'Office fédéral de la justice [ www.ejpd.admin.ch ], en sélectionnant les rubriques Thèmes/Etat & Citoyen/Législation/Projets législatifs terminés). Dans son projet, le Conseil fédéral a repris ces explications, ajoutant que ces moyens de droit (i.e. l'interprétation et la rectification) sont connus de l'organisation judiciaire fédérale ( art. 129 LTF ) et dans quelques codes cantonaux (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6988 ch. 5.23.4 ad art. 332). 2.3 Les dispositions transitoires du CPC se trouvent dans ses dispositions finales (Partie 4), au Titre 3 (art. 404 à 407 CPC). A teneur de l' art. 405 CPC , les recours sont régis par le droit en vigueur au moment de la communication de la décision aux parties (al. 1); la BGE 139 III 379 S. 382 révision de décisions communiquées en application de l'ancien droit est réglée par le nouveau droit (al. 2). Pour le vocable "recours", la version allemande de l'al. 1 de la norme susmentionnée parle de "Rechtsmittel" et la version italienne de "impugnazioni". A considérer les versions allemande et italienne du CPC, les recours (Rechtsmittel, impugnazioni) visés par l' art. 405 al. 1 CPC sont les voies de recours du Titre 9 de la Partie 2 du CPC. La formule "voies de recours" du Titre 9 correspond en effet dans le texte allemand à "Rechtsmittel" et à "Mezzi di impugnazione" dans le texte italien. Or les voies de recours du Titre 9 comprennent l'appel (chapitre 1), le recours (chapitre 2), la révision (chapitre 3) ainsi que l'interprétation et la rectification (chapitre 4). Arrivé à ce stade du raisonnement, il apparaît, après l'analyse textuelle et historique, que la voie de l'interprétation doit être soumise à la règle générale de droit transitoire applicable aux recours, instituée par l' art. 405 al. 1 CPC . Une analyse systématique ne conduit pas à un résultat différent. Le Titre 9 du CPC a inclus singulièrement l'interprétation dans les "voies de recours" au sens large, à l'instar de la révision. Mais il a distingué formellement l'interprétation de la révision en leur consacrant un chapitre distinct (chapitre 3 pour la révision, chapitre 4 pour l'interprétation et la rectification). S'agissant de la révision, il a prévu, à l' art. 405 al. 2 CPC , un régime transitoire spécial, en ce sens que ce n'est pas le moment de la communication de la décision aux parties qui est décisif (cf. art. 405 al. 1 CPC ), mais bien celui du dépôt de la demande de révision. Le fait que la règle spéciale de l' art. 405 al. 2 CPC ne mentionne par l'interprétation aux côtés de la révision doit être compris comme un silence qualifié du législateur (cf. sur cette notion: ATF 139 I 57 consid. 5.2; ATF 131 II 562 consid. 3.5 p. 567 s.). Si le législateur avait en effet voulu faire bénéficier l'interprétation du régime spécial qu'il a instauré pour la révision, il l'aurait clairement indiqué à l' art. 405 al. 2 CPC . A considérer le but des dispositions transitoires du CPC (interprétation téléologique), on doit concevoir que le dépôt d'une demande d'interprétation ne peut pas avoir pour fin de faire renaître le délai permettant de requérir l'interprétation d'une décision, lequel était échu sous l'ancien droit. La majorité des auteurs qui se sont exprimés sur cette problématique sont d'avis que l'interprétation, requise après le 1 er janvier 2011, d'une BGE 139 III 379 S. 383 décision relève du droit de procédure qui était applicable lorsque cette décision a été communiquée aux plaideurs (FREIBURGHAUS/AFHELDT, op. cit., n° 9 ad art. 405 CPC ; FREI/WILLISEGGER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 6 ad art. 405 CPC ; HOFMANN/LÜSCHER, Le code de procédure civile, 2009, p. 236). PHILIPPE SCHWEIZER (op. cit., n° 25 ad art. 334 CPC ), s'il écrit liminairement que l' art. 405 al. 1 CPC n'est pas directement applicable à la procédure d'interprétation, se rallie à l'opinion des auteurs précités en affirmant, quelques lignes plus loin, que c'est la date de la notification de la décision qui détermine le droit applicable à une procédure d'interprétation ou de rectification. Pour NICOLAS HERZOG (in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 20 ad art. 334 CPC ), comme l' art. 405 al. 1 CPC ne s'applique qu'aux "Rechtsmittel", dont l'interprétation ne fait pas partie, les décisions qui ont été rendues avant l'entrée en force du CPC doivent être interprétées d'après les dispositions du nouveau droit. Cet avis se heurte aux textes allemand et italien du CPC, d'après lesquels les recours au sens de l' art. 405 al. 1 CPC sont ceux du Titre 9 de la Partie 2, comprenant, au chapitre 4, l'interprétation et la rectification. DENIS TAPPY (in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 41 et 42 ad art. 405 CPC ), après avoir concédé qu'une interprétation stricte des textes conduit à admettre que le législateur a délibérément voulu soumettre l'interprétation à la règle générale de l' art. 405 al. 1 CPC , relève qu'il n'est somme toute pas satisfaisant de soumettre l'interprétation et la révision à des règles de droit transitoire différentes. Cet auteur s'interroge sur la présence d'une lacune proprement dite à l' art. 405 al. 2 CPC et se demande s'il ne conviendrait pas d'étendre "prétoriennement" la portée de cette norme à l'interprétation et la rectification, non sans ajouter tout de suite après que l'enjeu est mineur. On ne saurait le suivre dans cette voie puisque, comme on l'a vu, l'interprétation du texte légal permet d'admettre que le législateur a renoncé volontairement à intégrer l'interprétation dans le régime transitoire spécial qu'il a créé pour la révision. Partant, il faut conclure que l'interprétation est soumise à la règle générale de droit transitoire applicable aux voies de recours, ancrée à l' art. 405 al. 1 CPC . Il suit de là que la présente demande en interprétation, déposée le 14 juin 2012 à l'encontre d'un arrêt qui a été communiqué aux parties BGE 139 III 379 S. 384 avant le 1 er janvier 2011, ressortit à l'ancien droit genevois de procédure civile (LPC/GE). Faute d'avoir été déposée dans le délai de 30 jours dès la notification dudit arrêt prévu par l' art. 161 let. a LPC /GE, la demande d'interprétation du recourant est irrecevable.
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Sachverhalt ab Seite 107 BGE 82 IV 107 S. 107 A.- In der Morgenfrühe des 29. Januar 1955 führte Walter Geier seinen Personenwagen von Ramsen über Stein am Rhein nach Schaffhausen und zurück über BGE 82 IV 107 S. 108 Diessenhofen Richtung Rheinklingen. Nach Diessenhofen beschreibt die Ausserortsstrecke zwischen dem Karosseriewerk Forster und dem Gasthaus "Rheinperle" bei einem Gefälle von 1% eine leichte Linkskurve. Geier durchfuhr diese Strecke um 06.35 Uhr bei Nebel und Dunkelheit mit einer Geschwindigkeit von 50-60 km/Std. Da die Temperatur die Nullgradgrenze unterschritten hatte und die Strasse auf eine Länge von ca. 200 m vereist war, geriet Geier, nachdem er einen aus der Gegenrichtung kommenden Radfahrer (Kilchenmann) gekreuzt hatte, ins Schleudern. Sein Wagen rutschte in zunehmender Querstellung auf die linke Strassenseite ab, machte eine Rechtsumdrehung von ca. 1800 und stiess schliesslich mit dem entgegenfahrenden Landwirt Xaver Ott zusammen, der dem ersten Radfahrer auf eine Entfernung von 80-100 m auf seinem Velo gefolgt war. Er wurde von der rechten Seite des schleudernden Wagens derartig heftig getroffen, dass er den erlittenen Verletzungen auf der Stelle erlag. B.- Am 11. Juli 1955 verurteilte das Bezirksgericht Diessenhofen Walter Geier wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Das Obergericht des Kantons Thurgau hob am 27. Oktober 1955 auf Berufung Geiers das erstinstanzliche Urteil auf und sprach ihn von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei. C.- Die Vize-Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Walter Geier wegen fahrlässiger Tötung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Vorliegend kann sich fragen, ob nicht schon der Umstand, dass es neblig war und nächtliches Dunkel herrschte, den Beschwerdegegner hätte veranlassen müssen, mit erheblich geringerer Geschwindigkeit zu fahren, als dies tatsächlich der Fall war. Ermöglicht doch eine BGE 82 IV 107 S. 109 Geschwindigkeit von 50-60 km/Std. nur bei trockener Fahrbahn, nebelfreier Sicht und vollem Scheinwerferlicht, das die Strasse auf eine Strecke von wenigstens 100 m genügend beleuchtet, ein rechtzeitiges Anhalten (SCHWARZ, Der Motorfahrzeugführer, S. 475 Nr. 44; BRÜDERLIN, Die Mechanik des Verkehrsunfalls, S. 137/8, der sogar eine Reichweite der Scheinwerfer von 120 m fordert). Geier hatte mit abgeblendetem Licht (und eventuell mit Nebellampe) zu fahren; es bestand nur beschränkte Sicht und die Strasse war infolge des Nebels zumindest feucht angelaufen. Diesen Verhältnissen trägt die Vorinstanz keine Rechnung. Sie spricht zwar davon, die Sicht habe trotz des Nebels etwa 80-100 m weit gereicht, was sie mit dem Zeugnis des Ernst Kilchenmann begründet, der bemerkt habe, dass ihm auf 80-100 m ein Velofahrer, nämlich der verunfallte Xaver Ott, gefolgt sei; somit sei dessen Licht auf diese Distanz sichtbar gewesen. Allein damit ist lediglich festgestellt, dass das Licht des Radfahrers Ott auf die genannte Entfernung zu sehen war, nicht aber, dass die zu befahrende Strecke von Geier auch zuverlässig ( BGE 77 IV 102 , BGE 79 IV 66 ) überblickt werden konnte. Das Sichtbarwerden dieses Lichtes konnte ihn zudem nicht der Pflicht entbinden, die Geschwindigkeit der Reichweite seiner Scheinwerfer anzupassen, für die nach Art. 13 Abs. 1 lit. a MFV gilt, dass sie die Strasse in einer Breite von mindestens 6 m auf einer Strecke von wenigstens 100 m bei vollem und auf eine solche von 30 m bei abgeblendetem Licht genügend beleuchten müssen. Dabei fällt weiter in Betracht, dass selbst bei klarem Wetter die Scheinwerfer wenigstens 100 m vor dem Kreuzen mit einem andern Motorfahrzeug oder auch einem Fahrrad abgeblendet werden müssen ( Art. 39 Abs. 1 lit. b MFV ). Angesichts dessen kann nicht wohl gesagt werden, es habe für eine Geschwindigkeit von 50-60 km/Std. hinreichende Sicht bestanden (vgl. BGE 76 IV 129 ). 2. Da Nebel herrschte und die Temperatur die Nullgradgrenze unterschritten hatte, musste der Beschwerdegegner BGE 82 IV 107 S. 110 wie jeder vorsichtige Fahrer mit der Möglichkeit rechnen, dass sich auf der Strasse zumindest stellenweise Glatteis gebildet habe oder in Bildung begriffen sei und deswegen Schleudergefahr bestehe. Eine Vereisung tritt bei solchen Witterungsverhältnissen nicht selten ein, wobei durchaus nicht immer bloss exponierte Lagen davon betroffen werden. Das gilt nicht zuletzt auch für Strassenstrecken, die - wie hier - einem Flusslauf entlang führen. Der von der Vorinstanz unter Berufung auf BADERTSCHER, Automobilgesetz, S. 49, vertretenen Ansicht, wonach die Vereisung von kurzen Strassenstrecken in einer Zeit, da kein Schnee liege, nicht voraussehbar sei, ist in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten. Ihr widerspricht die Erfahrung des Lebens, wonach namentlich zur Winterzeit Kälte und Nebel auf verschneiter, aber auch auf schneefreier und bisher trockener Strasse zu Glatteis führen können (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes vom 11. November 1952 i.S. Transport AG Ost c. Bolt), was den Strassenbenützer und namentlich den Motofahrzeuglenker zu erhöhter Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet. Dem Beschwerdegegner kann angesichts seiner Fahrweise der Vorwurf nicht erspart werden, diese nach den Umständen gebotene Vorsichtspflicht verletzt zu haben. Daran ändert auch nichts, dass er nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz "auf seiner Fahrt am Unfallmorgen und insbesondere weder beim erstmaligen Passieren der Unfallstelle noch auf der Rückfahrt von Schaffhausen Anzeichen einer Eisbildung feststellte". Auch wenn davon auszugehen ist, dass er die fragliche Strecke "verhältnismässig kurz vorher" eisfrei befahren und über 20-25 km nirgends eine Vereisung der Fahrbahn bemerkt hat, so war dennoch wegen des Nebels, der herrschenden Dunkelheit und der den Gefrierpunkt erreichenden winterlichen Temperatur besondere Vorsicht geboten. Jedenfalls durfte sich Geier nicht darauf verlassen, dass der Strassenzustand - wenn auch nach verhältnismässig BGE 82 IV 107 S. 111 kurzer Zeit - der gleiche sein werde; vielmehr hatte er mit der Möglichkeit zu rechnen, dass an irgendeiner Stelle der Fahrbahn der durch den Nebel bedingte feine Feuchtigkeitsniederschlag auf dem Strassenbelag inzwischen zu Eis geworden sei und sein Wagen daher Gefahr laufe, ins Schleudern zu geraten. Statt dementsprechend die Geschwindigkeit zu mässigen, um einem allfälligen Schleudern des Autos zweckmässig und mit Erfolg begegnen zu können, begünstigte er durch ein den Strassen- und Verkehrsverhältnissen nicht angepasstes Tempo die bereits bestehende Schleudergefahr, deren unheilvolle Auswirkungen er dann weder zu verhüten noch auch nur zu mildern vermochte. Dass in der Folge an der gleichen Stelle andere Autos ebenfalls ins Schleudern kamen, entlastet ihn nicht. Auch kann die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit des Beschwerdegegners nicht deswegen verneint werden, weil sein Wagen "mit guten, griffigen Reifen (Schneepneus) versehen war"; es liegt auf der Hand und musste auch Geier bewusst sein, dass ihm diese auf einer glatten Eisfläche nicht den Halt zu bieten vermochten, den sie ihm möglicherweise auf einer verschneiten Strasse geboten hätten. 3. Entgegen der vorinstanzlichen Würdigung ist daher die Fahrlässigkeit des Beschwerdegegners zu bejahen. Sein Verhalten stellt objektiv und subjektiv eine Verletzung des Art. 25 MFG dar. Dass Ott durch den heftigen Anprall des schleudernden Autos getötet wurde, ist unbestritten und wird durch die verbindliche Feststellung des angefochtenen Urteils bestätigt, wonach der Wagen des Beschwerdegegners im Schleudern und Abdrehen den Radfahrer mit seiner rechten Seite derart stark getroffen habe, dass dieser "mit zertrümmerten Gesichtsknochen und weiteren Verletzungen an den Händen und Beinen in den Strassengraben geschleudert wurde, wo er vermutlich sofort starb". Mit dem natürlichen ist auch der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zu bejahen; die Fahrweise des Beschwerdegegners, namentlich die übersetzte Geschwindigkeit, BGE 82 IV 107 S. 112 war nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, zu einem Zusammenstoss und zur Tötung eines andern Strassenbenützers zu führen (wie übrigens auch zu einer Störung des öffentlichen Verkehrs, worüber indessen keine Anklage erhoben wurde).
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 27. Oktober 1955 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen fahrlässiger Tötung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1. Die Anwaltskosten sind nach dem bernischen Strafverfahren dann zu ersetzen, wenn der Angeschuldigte nach der Schwere des Tatvorwurfs und nach seinen persönlichen Verhältnissen sowie nach der Komplexität des Sachverhaltes objektiv begründeten Anlass hatte, einen Anwalt beizuziehen (E. 1). 2. Terminologische Klarstellung: notwendige und gebotene Verteidigung (E. 1b). Sachverhalt ab Seite 157 BGE 110 Ia 156 S. 157 Am 19. Juni 1983 ereignete sich in der Gemeinde Zollikofen ein Verkehrsunfall; der auf der Kirchlindachstrasse in Richtung Oberlindach mit seinem Personenwagen fahrende D. stiess mit einem von rechts aus dem Starenweg einbiegenden Motorfahrrad zusammen. Dabei wurden der Führer des Motorfahrrades und sein Mitfahrer so schwer verletzt, dass sie in Spitalpflege gebracht werden mussten. Nach dem etwas später eingeholten ärztlichen Bericht erlitten die beiden Verunfallten im medizinischen Sinne schwere Verletzungen; für den Mitfahrer, bei dem u.a. eine Schädelverletzung festgestellt wurde, liess sich etwa vier Wochen nach dem Unfall die Gefahr eines bleibenden Nachteils nicht ausschliessen. D. wurde von der Kantonspolizei Bern beim Untersuchungsrichteramt Bern verzeigt. Der Untersuchungsrichter überwies die Akten am 24. August 1983 im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland ohne Voruntersuchung an den Einzelrichter von Bern zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB . Hiervon wurde D. am 26. August 1983 Kenntnis gegeben. Dieser hatte am 23. August 1983 oder wenige Tage vorher einen Fürsprecher in Bern mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt. Der Gerichtspräsident VIII von Bern zog von der Kantonspolizei einen fotogrammetrischen Situationsplan über den Unfallhergang sowie zwei am Unfallort erstellte fotografische Aufnahmen bei; ferner nahm er einen vorläufigen Augenschein (ohne Beizug der Beteiligten) vor. Auf den 13. Oktober 1983 wurden D. und sein Verteidiger zur Verhandlung vorgeladen. Am gleichen Tage reichte der Fürsprecher dem Gericht eine detaillierte Kostennote ein, wobei er ein Honorar von Fr. 600.-- und Fr. 34.50 für Barauslagen in Rechnung stellte. Am 2. November 1983 beschloss der Gerichtspräsident VIII in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft, das BGE 110 Ia 156 S. 158 Strafverfahren gegen D. wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und Verletzung von Verkehrsregeln aufzuheben, die Verfahrenskosten dem Staat zu überbinden und dem Angeschuldigten eine Entschädigung von Fr. 250.-- auszurichten. Einen dagegen erhobenen Rekurs wies die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern ab. Die gegen diesen Beschluss eingereichte staatsrechtliche Beschwerde heisst das Bundesgericht gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Nach Art. 202 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über das Strafverfahren vom 20. Mai 1928 (StrV) ist im Aufhebungsbeschluss darüber zu entscheiden, ob dem Angeschuldigten für die durch die Untersuchung verursachten Nachteile, insbesondere im Fall der Festnahme und Verhaftung, und für die Verteidigungskosten eine Entschädigung gebührt. Hierüber wie auch über das Mass der Entschädigung ist nach Billigkeitsgründen zu befinden. Das Bundesgericht hat schon wiederholt entschieden, es sei vertretbar, wenn die bernischen Gerichte aufgrund dieser Bestimmung in Übertretungsstrafsachen keine volle Parteientschädigung ausrichteten, sofern der Beizug eines Vertreters von der Sache her nicht notwendig gewesen sei. Es hielt dafür, es lasse sich mit guten Gründen erwägen, dass den in Übertretungsstrafsachen auf dem Spiel stehenden Interessen im allgemeinen kein besonderes Gewicht zukomme. Solche Fälle böten im allgemeinen keine grösseren tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, und auch die möglichen Konsequenzen eines Schuldspruchs seien in der Regel nicht sehr schwerwiegend. Es hänge von den Umständen des konkreten Falles ab, ob in einer Übertretungsstrafsache die Verbeiständung durch einen Anwalt notwendig sei oder nicht (nicht veröffentlichte Urteile vom 12. Juli 1982 i.S. S.B., vom 6. Januar 1983 i.S. F.Z. und vom 20. März 1984 i.S. J.-P.J.). Immerhin hat das Bundesgericht im erwähnten Urteil vom 6. Januar 1983 die Übung, Anwaltsentschädigungen deshalb herabzusetzen, weil der Beizug eines rechtskundigen Vertreters nicht absolut erforderlich gewesen sei, als nicht unbedenklich bezeichnet; denn die Frage nach der Notwendigkeit oder Zweckmässigkeit der Verteidigung und diejenige nach der Höhe des auszurichtenden Honorars lägen auf verschiedenen Ebenen. Ferner hat es im Urteil vom 20. März 1984 bemerkt, die Auffassung des Obergerichts, wonach kein Anwalt erforderlich gewesen wäre, sei nicht ohne weiteres einleuchtend, BGE 110 Ia 156 S. 159 allerdings auch nicht geradezu unhaltbar. Die Anklagekammer stützt sich auf diese Rechtsprechung sowie auf den in anderen Urteilen enthaltenen Satz, der Bürger habe das durch die Notwendigkeit der Verbrechensbekämpfung bedingte Risiko einer gegen ihn geführten, materiell ungerechtfertigten Strafverfolgung bis zu einem gewissen Grade auf sich zu nehmen; eine Entschädigungspflicht bestehe nicht schon für jeden geringfügigen Nachteil ( BGE 107 IV 157 E. 5). Sie lehnt es ausdrücklich ab, die Anwendung dieser Grundsätze auf Fälle von Übertretungen zu beschränken, da dies einen unbilligen Schematismus zur Folge hätte. Im weiteren legt die Anklagekammer dar, der vorliegende Fall sei einfach gewesen. Sie betrachtet daher den Beizug eines Verteidigers nicht als notwendig, sondern lediglich als zweckmässig. Der Beschwerdeführer rügt diese Erwägungen als willkürlich. b) Die Wendung, die Verteidigung sei hier "nicht notwendig" gewesen, macht eine terminologische Klarstellung erforderlich. Der Begriff "notwendige Verteidigung" hat im schweizerischen Strafprozessrecht einen ganz bestimmten Sinn. Er wird dort verwendet, wo das Strafprozessrecht verhindern will, dass ein Prozess durchgeführt wird, ohne dass - als Gegengewicht zu dem die Anklage vertretenden Staatsanwalt - dem Angeschuldigten ein Rechtskundiger als Verteidiger zur Seite gestellt wird (ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechtes, 2. Auflage, Basel 1984, S. 94; für das bernische Recht: Art. 41 StrV). In solchen Fällen muss dem Angeschuldigten, der mittellos ist oder sich weigert, einen Verteidiger zu bestellen, selbst gegen seinen Willen ein solcher beigegeben werden. Es wäre indessen unhaltbar, diesen Begriff der notwendigen Verteidigung auch bei der Auslegung von Art. 202 Abs. 1 StrV heranzuziehen. Der vom Staat objektiv zu Unrecht Beschuldigte bliebe sonst in einer grossen Anzahl von Fällen mittlerer Schwere entschädigungslos, oder er hätte sich mit einer blossen Teilentschädigung für die Kosten seiner Verteidigung zu begnügen. Aus dem von der Anklagekammer angeführten neuesten bundesgerichtlichen Urteil BGE 109 Ia 239 ff. ergibt sich nichts anderes. Es wird dort betont, dass die Frage nach der Notwendigkeit der Verteidigung mit derjenigen nach ihrer Zulässigkeit nichts gemeinsam habe. Weiter wurde angeführt, auch in Bagatellstrafsachen dürfe ein freigewählter Verteidiger nicht ausgeschlossen werden, doch ergebe sich hieraus kein Anspruch auf Kostenersatz im Falle des Obsiegens. Dies bedeutet indessen keineswegs, dass in allen Fällen, in denen die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung im Sinne BGE 110 Ia 156 S. 160 der herrschenden Lehre nicht vorliegen, bei Einstellung des Verfahrens oder bei Freispruch auf die Ausrichtung einer Entschädigung verzichtet werden darf. Die Billigkeit verlangt vielmehr, in solchen Fällen Ersatz der Anwaltskosten dann zuzusprechen, wenn der Angeschuldigte nach der Schwere des Tatvorwurfs und nach dem Grad der Komplexität des Sachverhaltes sowie nach seinen persönlichen Verhältnissen objektiv begründeten Anlass hatte, einen Anwalt beizuziehen. Dagegen verstösst die Verweigerung oder die Herabsetzung der Entschädigung dann nicht gegen die Billigkeit, wenn der Angeschuldigte den Anwalt ohne zureichende objektive Gründe beigezogen hat, sei es beispielsweise aus Überängstlichkeit oder allein im Hinblick auf die Regelung zivilrechtlicher Probleme. Die Anklagekammer scheint übrigens grundsätzlich selbst dieser Auffassung zuzuneigen, wie sich aus ihren Ausführungen zu den tatsächlichen Verhältnissen schliessen lässt. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist es daher angezeigt, bei der weiteren Erörterung der Sache den Begriff der "notwendigen Verteidigung" zu vermeiden und lediglich danach zu fragen, ob die Verteidigung "geboten" gewesen sei. Diese Klarstellung hat eine über das rein Sprachliche hinausreichende Bedeutung, kann doch die Verwendung des Ausdrucks "notwendig" eine sich an Art. 41 StrV anlehnende, restriktive Auslegung von Art. 202 Abs. 1 StrV zur Folge haben, die, wie dargelegt, dem Sinn des Gesetzes nicht entspräche. c) Die Anklagekammer führt in ihrem Entscheid aus, zwar sei die Tat, für deren Verfolgung der Beschwerdeführer dem Einzelrichter überwiesen wurde, ein Vergehen, also eine mit Gefängnis oder Busse bedrohte Handlung; doch habe sich von Anfang an ausschliessen lassen, dass im Falle eines Schuldspruchs eine Freiheitsstrafe ausgefällt werden könnte. Aufgrund der Verhältnisse am Unfallort sei es naheliegend gewesen, dass dem Beschwerdeführer höchstens ein leichtes Verschulden zur Last gelegt werden würde. Die Einmündung des Starenwegs, aus dem die beiden Jünglinge mit ihrem Mofa in die Kirchlindachstrasse einbogen, sei wegen der Gartenzäune nicht zu erkennen. Die Kollision sei deshalb unvermeidlich gewesen. Dass, wenn überhaupt, höchstens von einem leichten Verschulden des Beschwerdeführers gesprochen werden könne, sei eine Überlegung, die jeder Automobilist aufgrund elementarer Rechtskenntnisse habe anstellen können. Tatsächlich sei denn auch das Verfahren nach der ersten Einvernahme und den nötigen Abklärungen aufgehoben worden. BGE 110 Ia 156 S. 161 Diese Erwägungen erscheinen deshalb als nicht haltbar, weil sie von der Aktenlage ausgehen, wie sie sich nach Abschluss des Verfahrens aufgrund der vollständigen Akten darstellt. Dieser Gesichtspunkt kann aber nicht massgebend sein für die Beurteilung der Frage, ob der Beizug eines Verteidigers für den Beschwerdeführer geboten gewesen sei oder nicht. Schon allein der Umstand, dass die Kollision zwei Schwerverletzte forderte, stellte für einen durchschnittlich gebildeten, über keine besonderen Rechtskenntnisse verfügenden, gewissenhaften Automobilisten Grund genug dar, einen Anwalt beizuziehen, und zwar nicht nur wegen einer allfälligen zivilrechtlichen Auseinandersetzung, sondern auch wegen des als unvermeidlich erscheinenden Strafverfahrens mit der entsprechenden psychischen Belastung. Dazu kommt, dass die zuständigen Behörden des Kantons Bern die Sachlage keineswegs von Anfang an als so eindeutig betrachteten, wie diese sich nach dem angefochtenen Beschluss der Anklagekammer dargestellt haben soll. Dies ergibt sich aus folgenden Tatsachen: - Der Untersuchungsrichter zog nicht nur eine Übertretung des SVG in Betracht, sondern eine fahrlässige schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB ; - er beantragte nicht die Aufhebung des Verfahrens, sondern dessen Überweisung an den für die Urteilsfällung zuständigen Einzelrichter (Gerichtspräsidenten) von Bern; - die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland stimmte dieser Überweisung bei; - der Gerichtspräsident leitete nicht bloss ein Strafmandatsverfahren ein, sondern ordnete eine mündliche Abhörung im Sinne von Art. 226 StrV an; - er forderte einen fotogrammetrischen Plan sowie Fotografien der Unfallstelle an; - er hielt es zudem für zweckmässig, von der Unfallstelle persönlich einen Augenschein zu nehmen. Der Beschwerdeführer musste somit bis zur Aufhebung des Verfahrens den Eindruck haben, er werde wegen eines nicht leicht zu nehmenden Vergehens bestraft. Es dürfen ihm keinesfall Erkenntnisse zugemutet werden, über die auch drei zuständige höhere Funktionäre der Rechtspflege am Anfang offensichtlich nicht verfügten. Der Beschwerdeführer befand sich in einer Lage, in der jeder durchschnittliche Motorfahrzeugführer einen Anwalt beigezogen hätte. Die Herabsetzung der Entschädigung für die Verteidigungskosten erscheint demnach als mit sachlichen Gründen nicht BGE 110 Ia 156 S. 162 vertretbar; sie verstösst gegen Art. 4 BV . Da der Honoraranspruch des Anwalts bereits auf den strafrechtlichen Anteil des Falles beschränkt wurde und ein Zeitaufwand von vier Stunden für die Strafsache allein offensichtlich nicht übersetzt ist, wird die Anklagekammer in ihrem neuen Entscheid lediglich noch zu prüfen haben, ob die Honorarnote dem Tarif entspricht.
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Sachverhalt ab Seite 363 BGE 143 I 361 S. 363 A. Am 27. November 2013 wurde bei der Standeskanzlei des Kantons Graubünden die kantonale Volksinitiative "Nur eine Fremdsprache in der Primarschule (Fremdspracheninitiative)" in der Form der allgemeinen Anregung mit dem folgenden Wortlaut eingereicht: "Das Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden ist so abzuändern und auszugestalten, dass in der Primarschule für den Fremdsprachenunterricht im ganzen Kanton folgende Regel gilt: In der Primarschule ist nur eine Fremdsprache obligatorisch, je nach Sprachregion ist dies Deutsch oder Englisch." Im Auftrag des Vereins "Pro Grigioni Italiano" erstellte Prof. Adriano Previtali ein Rechtsgutachten hinsichtlich der Gültigkeit der Fremdspracheninitiative (ADRIANO PREVITALI, Nur eine Fremdsprache in der Primarschule?, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden [ZGRG] 33/2014 S. 93 ff.), welches am 4. Dezember 2013 der Regierung des Kantons Graubünden überreicht wurde. Der Gutachter kam zum Schluss, die Fremdspracheninitiative sei für ungültig zu erklären. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2013 stellte die Regierung des Kantons Graubünden fest, die Volksinitiative sei mit 3'709 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Im Auftrag des zuständigen Departements erstellte Prof. Bernhard Ehrenzeller im September 2014 ebenfalls ein Rechtsgutachten zur Frage der Gültigkeit der Fremdspracheninitiative BGE 143 I 361 S. 364 (BERNHARD EHRENZELLER, Gutachten zur Frage der Gültigkeit der kantonalen Volksinitiative "Nur eine Fremdsprache in der Primarschule", www.alexandria.unisg.ch/238236/). Der Gutachter kam ebenfalls zum Schluss, die Fremdspracheninitiative müsse für ungültig erklärt werden. Am 18. November 2014 stellte die Regierung zuhanden des Grossen Rats des Kantons Graubünden den Antrag, die Fremdspracheninitiative sei für ungültig zu erklären, weil sie in offensichtlichem Widerspruch zum Bundesrecht sowie zur Kantonsverfassung stehe. Am 20. April 2015 beschloss der Grosse Rat mit 82 zu 34 Stimmen, die Fremdspracheninitiative werde für ungültig erklärt. B. Mit Urteil vom 15. März 2016 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden eine (...) gegen die Ungültigerklärung erhobene Beschwerde gut. Es stellte die Gültigkeit der Fremdspracheninitiative fest und wies die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an den Grossen Rat zurück. C. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben 18 Privatpersonen am 9. Juni 2016 gemeinsam Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der Beschluss des Grossen Rates vom 20. April 2015 betreffend Ungültigerklärung der Fremdspracheninitiative zu bestätigen. (...) Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am 3. Mai 2017 in öffentlicher Sitzung beraten und weist die Beschwerde ab. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Gemäss Art. 14 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 14. September 2003 (KV/GR; SR 131.226) ist eine Initiative ganz oder teilweise ungültig, wenn sie die Einheit der Form oder der Materie nicht wahrt (Ziff. 1), in offensichtlichem Widerspruch zu übergeordnetem Recht steht (Ziff. 2), undurchführbar ist (Ziff. 3) oder eine Rückwirkung vorsieht, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist (Ziff. 4). Im vorinstanzlichen Verfahren unbestritten war, dass die Fremdspracheninitiative den Grundsatz der Einheit der Materie wahrt und keine Ungültigkeitsgründe gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 KV/GR bestehen. Die Beschwerdeführer stellen sodann nicht in Abrede, dass die Initiative den Grundsatz der Einheit der Form wahre. Im BGE 143 I 361 S. 365 Verfahren vor der Vorinstanz machte zwar der Grosse Rat noch geltend, die Fremdspracheninitiative sei schon deshalb für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsatz der Einheit der Form verletze, wobei die Vorinstanz im angefochtenen Urteil mit überzeugender Begründung zum gegenteiligen Schluss gelangte. Im Verfahren vor Bundesgericht erhebt auch der Grosse Rat keinen entsprechenden Einwand mehr. Indessen machen die Beschwerdeführer geltend, die Fremdspracheninitiative müsse für ungültig erklärt werden, weil sie in offensichtlichem Widerspruch zum übergeordneten Recht stehe. Weil die Vorinstanz zum gegenteiligen Schluss gelangt sei, verletze das angefochtene Urteil Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 KV/GR . Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet somit nur die Frage, ob die Fremdspracheninitiative wegen offensichtlichen Widerspruchs zu übergeordnetem Recht für ungültig erklärt werden muss bzw. ob die Vorinstanz den entsprechenden Beschluss des Grossen Rats hätte bestätigen müssen. 3.2 Zum übergeordneten Recht zählen das Völkerrecht, das Bundesrecht, das interkantonale Recht sowie im Falle einer Gesetzesinitiative die Kantonsverfassung ( BGE 132 I 282 E. 3.1 S. 286). Offensichtlich ist der Widerspruch einer Initiative zu übergeordnetem Recht nach der Praxis der Vorinstanz und der Rechtsprechung des Bundesgerichts, wenn kein (begründeter) Zweifel an der Widerrechtlichkeit besteht bzw. wenn der Widerspruch ins Auge springt und vernünftigerweise nicht verneint werden kann (vgl. Urteile 1C_357/2009 vom 8. April 2010 E. 2.3 sowie 1P.451/2006 vom 28. Februar 2007 E. 2.2 mit Hinweisen, in: AJP 2007 S. 902; ANDREAS AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, 1987, N. 94 f.). Hingegen darf eine Volksinitiative im Kanton Graubünden nicht für ungültig erklärt werden, wenn bloss zweifelhaft erscheint, ob sie mit dem übergeordneten Recht vereinbar ist. Daran, dass eine Volksinitiative nach kantonalem Recht nur dann für ungültig zu erklären ist, wenn ihr Widerspruch zum übergeordneten Recht offensichtlich ist, hat sich auch das Bundesgericht zu halten, wenn mittels Stimmrechtsbeschwerde geltend gemacht wird, eine Volksinitiative sei zu Unrecht für ungültig oder gültig erklärt worden ( BGE 132 I 282 E. 1.3 S. 284 f.; AUER, a.a.O., N. 96). 3.3 Zu berücksichtigen ist überdies, dass die Fremdspracheninitiative als allgemeine Anregung eingereicht wurde, welche im Falle ihrer Annahme der Umsetzung durch den Gesetzgeber bedürfte. BGE 143 I 361 S. 366 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben die Behörden, welche den in einer nicht ausformulierten Initiative angenommenen Regelungsgehalt umsetzen, eine Regelung auszuarbeiten und zu verabschieden, die den in der Initiative zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen entspricht. Dabei darf der Gegenstand des Begehrens nicht verlassen werden und ist der Sinn der Initiative einzuhalten. Innerhalb des entsprechenden Rahmens steht dem Umsetzungsorgan jedoch eine gewisse, wenn auch auf das mit der Initiative verfolgte Anliegen beschränkte Gestaltungskompetenz zu. Bei der Umsetzung der Initiative ist insbesondere auf grösstmögliche Vereinbarkeit des Umsetzungsaktes mit dem höherrangigen Recht zu achten, ohne dass allerdings die Einhaltung desselben in jedem Einzelfall bereits zu prüfen ist. Bei einer unformulierten Verfassungs- oder Gesetzesinitiative läuft dies auf eine voraussichtlich mit höherrangigem Recht konforme Vorlage von Bestimmungen der entsprechenden Normstufe mit dem in der allgemeinen Anregung angestrebten Inhalt hinaus ( BGE 141 I 186 E. 5.3 S. 195 f. mit Hinweisen). Nach dem Ausgeführten setzt die Ungültigerklärung einer in der Form der allgemeinen Anregung eingereichten Initiative wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht im Kanton Graubünden voraus, dass eine Umsetzung der Initiative ohne offensichtlichen Widerspruch zum übergeordnetem Recht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Lässt sich eine in der Form der allgemeinen Anregung eingereichte Initiative hingegen auf eine Art und Weise umsetzen, dass kein offensichtlicher Widerspruch zum übergeordneten Recht resultiert, darf sie nicht für ungültig erklärt werden. Zu Recht hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass (überwindbare) praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Initiative sowie allenfalls mit der Umsetzung verbundene hohe Kosten für das Gemeinwesen nicht zur Ungültigerklärung der Initiative führen können. 4. Die obligatorische Schulzeit setzt sich im Kanton Graubünden zusammen aus der sechs Jahre dauernden Primarschule sowie der dreijährigen Sekundarstufe I (Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 sowie Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. März 2012 für die Volksschulen des Kantons Graubünden [Schulgesetz; BR 421.000]). Die Fremdspracheninitiative sieht vor, dass in der Primarschule nur eine Fremdsprache obligatorisch unterrichtet werden soll und zwar je nach Sprachregion Deutsch oder Englisch (vgl. Sachverhalt lit. A). Das Initiativbegehren wird von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend so ausgelegt, dass die Primarschüler aus den BGE 143 I 361 S. 367 italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen einzig in der Fremdsprache Deutsch und die Primarschüler aus den deutschsprachigen Regionen einzig in der Fremdsprache Englisch obligatorisch unterrichtet werden könnten. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil ausführte und von den Verfahrensbeteiligten nicht bestritten wird, würde die Initiative indessen das Angebot einer zweiten Fremdsprache in der Primarschule auf freiwilliger Basis nicht ausschliessen. Auch beschneidet die Initiative gemäss den unbestrittenen Ausführungen der Vorinstanz nicht die im geltenden Recht bestehende Möglichkeit, in mehrsprachigen und deutschsprachigen Gemeinden zweisprachige Volksschulen zu führen, wobei in deutsch-/italienisch- oder deutsch-/rätoromanischsprachigen Schulen Englisch als Fremdsprache in der Primarschule unterrichtet werden könnte. Unbestritten ist schliesslich, dass die Fremdspracheninitiative einzig auf den Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe abzielt, während der Fremdsprachenunterricht auf der Oberstufe von ihr nicht erfasst wird. 5. Die Beschwerdeführer erblicken im Umstand, dass die Primarschüler gemäss der Fremdspracheninitiative je nach Sprachregion entweder nur in der Fremdsprache Deutsch oder nur in der Fremdsprache Englisch obligatorisch unterrichtet werden, eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots gemäss Art. 8 Abs. 1 BV . Dass gemäss dem Initiativbegehren die Primarschüler aus den italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen im Gegensatz zu den Primarschülern aus den deutschsprachigen Regionen nicht obligatorisch in der für sie ebenfalls wichtigen Fremdsprache Englisch unterrichtet würden, stellt nach Ansicht der Beschwerdeführer sodann eine unzulässige Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV dar (vgl. PREVITALI, a.a.O., S. 106 ff.; EHRENZELLER, a.a.O., S. 19 f.; ANDREAS GLASER, Die Kompetenz der Kantone zur Regelung des Fremdsprachenunterrichts in der Primarschule, ZBl 117/2016 S. 148 f.). 5.1 Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ) ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Gleiches muss nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt werden ( BGE 141 I 78 E. 9.1 S. 90, BGE 141 I 153 E. 5.1 S. 157; je mit Hinweisen). Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen BGE 143 I 361 S. 368 ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Verhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Gestaltungsspielraum ( BGE 139 I 242 E. 5.1 S. 254 mit Hinweisen). Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig angesehen wird ( BGE 139 I 169 E. 7.2.1 S. 174). Das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV schliesst die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal indessen nicht absolut aus. Eine solche begründet zunächst lediglich den blossen Verdacht einer unzulässigen Differenzierung. Dieser kann durch eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden ( BGE 139 I 169 E. 7.2.3 S. 175 mit Hinweisen). 5.2 Hinsichtlich der in der Schule unterrichteten Sprachen (Haupt- und Fremdsprachen) ist eine absolute Gleichbehandlung aller Schüler von vornherein ausgeschlossen, wenn die Schüler - wie im Kanton Graubünden - je nach Sprachregion unterschiedlicher Muttersprache sind. Vielmehr bedingt gerade der Umstand, dass es im Kanton Graubünden verschiedene Sprachregionen gibt, unterschiedliche Regelungen je Sprachregion, wobei die Wichtigkeit einer guten Verständigung zwischen den Bewohnern der verschiedenen Sprachregionen nicht ausser Acht zu lassen ist. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die im Kanton Graubünden angestammten Landessprachen Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch (vgl. Art. 3 Abs. 1 KV/GR ) unterschiedlich stark verbreitet sind, was unter Umständen eine unterschiedliche Behandlung erfordern bzw. rechtfertigen kann. Das Diskriminierungsverbot gebietet immerhin, dass die Schüler aus den verschiedenen Sprachregionen eine gleichwertige Fremdsprachenausbildung erhalten. Die Frage, unter welchen Umständen die Fremdsprachenausbildung von Schülern verschiedener Sprachregionen als gleichwertig einzustufen ist, lässt sich indessen nicht einfach beantworten. Ein BGE 143 I 361 S. 369 möglicher Ansatzpunkt wäre, dass die Schüler einer Sprachregion primär in denjenigen Fremdsprachen zu unterrichten sind, die für ihr berufliches und privates Fortkommen am wichtigsten sind. Welche Fremdsprachen dies sind, ist allerdings auch eine Wertungsfrage und hängt ausserdem stark von der weiteren Lebensgestaltung der Schüler ab, welche naturgemäss völlig unterschiedlich sein kann. Bei der Beantwortung der Frage, wie im Kanton Graubünden den Schülern aus den verschiedenen Sprachregionen eine gleichwertige Fremdsprachenausbildung geboten werden kann, ist dem Gesetzgeber jedenfalls ein grosser Spielraum zuzugestehen, welchen die rechtsanwendenden Behörden zu respektieren haben. 5.3 5.3.1 Die Vorgabe der Fremdspracheninitiative, wonach im mehrsprachigen Kanton Graubünden die Primarschüler aus den italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen nur in der Landessprache Deutsch und die Primarschüler aus den deutschsprachigen Regionen nur in der Nicht-Landessprache Englisch obligatorisch unterrichtet werden sollen, leuchtet tatsächlich nicht ohne weiteres ein. Insbesondere gewährleistet diese Lösung nicht, dass die Schüler aus den verschiedenen Sprachregionen zu jedem Zeitpunkt ihrer Ausbildung bzw. am Ende der Primarschule über vergleichbare Kompetenzen in einer zweiten Landessprache sowie in Englisch verfügen. Die Schlussfolgerung, wonach die Fremdspracheninitiative zum Rechtsgleichheitsgebot oder zum Diskriminierungsverbot in einem gewissen Spannungsverhältnis steht, ist deshalb nicht abwegig. Die kantonalen Behörden sowie das Bundesgericht haben sich im vorliegenden Verfahren indessen auf die Beantwortung der Frage zu beschränken, ob sich die als allgemeine Anregung eingereichte Initiative vom Gesetzgeber in einer Art und Weise umsetzen lässt, dass jedenfalls nicht ein im Sinne der Praxis der Vorinstanz und des Bundesgerichts offensichtlicher Widerspruch zum Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV bzw. zum Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV resultiert (vgl. E. 3.3 hiervor). 5.3.2 Unbestritten ist, dass der Unterricht in der Fremdsprache Deutsch für die Schüler aus den italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen und der Unterricht in der Fremdsprache Englisch für die Schüler aus den deutschsprachigen Regionen wichtig ist. Zwar anerkennt die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zu Recht, dass das Erlernen von Englisch auch für Schüler aus den italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen bedeutsam ist. Zudem ist BGE 143 I 361 S. 370 in Anbetracht der Relevanz der italienischen und rätoromanischen Sprache für den Kanton Graubünden das Erlernen einer zweiten Kantonssprache für Schüler aus den deutschsprachigen Regionen ebenfalls als wichtig einzustufen. Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, verunmöglicht die Fremdspracheninitiative bei entsprechender Umsetzung allerdings nicht, dass alle Schüler bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit eine gleichwertige Sprachausbildung erhalten bzw. am Ende der obligatorischen Schulzeit über vergleichbare Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Dies zumal die zweite Fremdsprache in der Oberstufe relativ effizient erlernt werden kann, wobei der spätere Beginn des Unterrichts in der zweiten Fremdsprache wenn nötig durch eine höhere Lektionendotation kompensiert werden könnte. Die Ansicht der Vorinstanz, wonach aus dem Rechtsgleichheitsgebot und dem Diskriminierungsverbot nicht zweifelsfrei geschlossen werden kann, dass die Schüler aus allen Sprachregionen zu jedem Zeitpunkt ihrer Ausbildung bzw. bereits am Ende der Primarschule über vergleichbare Fremdsprachen- bzw. Englischkenntnisse verfügen müssen, ist nachvollziehbar, zumal hinsichtlich der anzustrebenden Fremdsprachenkompetenzen auch Art. 15 Abs. 3 des Sprachengesetzes vom 5. Oktober 2007 (SpG; SR 441.1) nicht das Ende der Primarschule, sondern das Ende der obligatorischen Schulzeit als massgeblichen Zeitpunkt nennt (vgl. auch E. 8.1 nachfolgend). Was sodann die von den Beschwerdeführern angesprochene interkantonale Mobilität angeht, ist zu bedenken, dass eine insoweit für alle Schüler optimale Fremdsprachenregelung ohnehin nicht möglich ist, zumal sich die Situation völlig unterschiedlich präsentiert, je nachdem in welchen Kanton ein Schüler umzieht, bzw. wie dort der (Fremd-)Sprachenunterricht geregelt ist. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die mit der Fremdspracheninitiative angestrebte Lösung die Schüler aus der einen oder anderen Sprachregion im Hinblick auf einen möglichen Umzug in einen anderen Kanton systematisch benachteiligen würde. 5.3.3 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil überzeugend ausgeführt, was der Gesetzgeber im Hinblick auf eine mit dem Rechtsgleichheitsgebot bzw. dem Diskriminierungsverbot vereinbare Umsetzung der Fremdspracheninitiative konkret vorsehen kann bzw. möglicherweise auch vorsehen muss. Nicht zu beanstanden ist zunächst die Überlegung, wonach in Gebieten, in denen auf der BGE 143 I 361 S. 371 Oberstufe Schüler aus verschiedenen Sprachregionen zusammenkommen, die Schulträgerschaften ermächtigt oder verpflichtet werden könnten, den unterschiedlichen Vorkenntnissen der Schüler auf der Oberstufe mit der Einführung von getrennten Fremdsprachen-Klassen Rechnung zu tragen. Ausserdem hat die Vorinstanz aufgezeigt, dass besonderen Bedürfnissen von Schülern aus den Randregionen des Kantons oder von Schülern, die innerhalb einer Sprachregion einer sprachlichen Minderheit angehören, mit Sonderregelungen oder mittels eines zusätzlichen, nicht obligatorisch zu besuchenden Fremdsprachenangebots Rechnung getragen werden könnte bzw. möglicherweise auch müsste. 5.3.4 Allein im Umstand, dass gemäss der Fremdspracheninitiative die Schüler aus den italienisch- und rätoromanischsprachigen Regionen in der Primarschule nicht obligatorisch in der Fremdsprache Englisch und die Schüler aus den deutschsprachigen Regionen nicht obligatorisch in einer zweiten Landessprache unterrichtet werden, ist somit kein offensichtlicher Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot oder das Diskriminierungsverbot zu erblicken. Wohl mag die Vorgabe der Fremdspracheninitiative Erschwernisse im Hinblick auf eine rechtsgleiche Sprachenausbildung zur Folge haben. Defizite in die eine oder in die andere Richtung können jedoch nach der Primarschulstufe, noch innerhalb der obligatorischen Schulzeit, mit einem angepassten Angebot ausgeglichen werden. Das muss für die hier vorzunehmende Prüfung genügen. 6. Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die mit der Fremdspracheninitiative beabsichtigte Beschränkung auf nur eine obligatorische Fremdsprache in der Primarschule sei mit dem Anspruch auf einen ausreichenden Grundschulunterricht im Sinne von Art. 19 i.V.m. Art. 62 Abs. 2 BV nicht vereinbar. Im Kanton Graubünden gehöre die Möglichkeit, sowohl Englisch als auch eine zweite Landessprache erlernen zu können, zu den Voraussetzungen eines ausreichenden Grundschulunterrichts. 6.1 Art. 19 BV gewährleistet den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Nach Art. 62 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 BV sind die Kantone für das Schulwesen zuständig. Gemäss Art. 62 Abs. 2 Satz 1 BV sorgen sie für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offensteht. Die inhaltlichen Anforderungen, die Art. 19 sowie Art. 62 Abs. 2 BV an den obligatorischen Grundschulunterricht stellen ("ausreichend"), BGE 143 I 361 S. 372 belässt den Kantonen bei der Regelung des Grundschulwesens einen erheblichen Gestaltungsspielraum ( BGE 141 I 9 E. 3.3 S. 13 mit Hinweisen). Die Ausbildung muss für den Einzelnen angemessen und geeignet sein sowie genügen, um die Schülerinnen und Schüler gebührend auf ein selbstverantwortliches Leben im modernen Alltag vorzubereiten ( BGE 141 I 9 E. 3.2 S. 12 mit Hinweisen). Der Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht wird unter anderem verletzt, wenn die Ausbildung des Kindes in einem Masse eingeschränkt wird, dass die Chancengleichheit nicht mehr gewahrt ist oder wenn das Kind Lehrinhalte nicht vermittelt erhält, die in der hiesigen Wertordnung als unverzichtbar gelten ( BGE 130 I 352 E. 3.2 S. 354 mit Hinweisen; zum Ganzen vgl. auch Urteil 2C_807/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 3.1 f. mit Hinweisen). 6.2 Soweit die Wertordnung im Kanton Graubünden - wie von den Beschwerdeführern vorgebracht - die Möglichkeit, in der Grundschule sowohl Englisch als auch eine zweite Landessprache erlernen zu können, als unverzichtbar vorgibt, steht es nicht in einem im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 KV/GR offensichtlichen Widerspruch zu Art. 19 sowie Art. 62 Abs. 2 BV , wenn mit dem obligatorischen Unterricht in der zweiten Fremdsprache nicht bereits in der Primarschule, sondern erst in der Oberstufe begonnen wird. Fremdsprachliche Mängel können durch geeignete Angebote auf dieser Stufe behoben werden. Das Initiativbegehren schliesst - wie bereits ausgeführt - das Unterrichten einer zweiten Fremdsprache in der Primarschule auf freiwilliger Basis sowie einen gegenüber heute intensivierten Unterricht einer zweiten Fremdsprache in der Oberstufe nicht aus. 7. Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die Fremdspracheninitiative lasse sich nicht mit Art. 61a sowie Art. 62 Abs. 4 BV vereinbaren (vgl. PREVITALI, a.a.O., S. 100 ff.; EHRENZELLER, a.a.O., S. 21 ff.). 7.1 Nach Art. 61a Abs. 1 BV sorgen Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten gemeinsam für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz. Gemäss Art. 61a Abs. 2 BV koordinieren sie ihre Anstrengungen und stellen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und andere Vorkehren sicher. Art. 62 Abs. 4 BV bestimmt, dass der Bund die notwendigen Vorschriften erlässt, falls auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, BGE 143 I 361 S. 373 der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und von deren Übergängen sowie der Anerkennung von Abschlüssen zustande kommt. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat zum Fremdsprachenunterricht am 25. März 2004 ein gesamtschweizerisches Lösungskonzept beschlossen. Der Beschluss sieht unter anderem vor, dass bis zum 5. Schuljahr der Unterricht von mindestens zwei Fremdsprachen einsetzen soll, wovon mindestens eine Landessprache. Die Eckwerte der von der EDK verabschiedeten Sprachenstrategie haben Eingang gefunden in die Interkantonale Vereinbarung vom 14. Juni 2007 über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS-Konkordat), welche den Koordinationsauftrag von Art. 62 Abs. 4 BV in genereller Weise umsetzt und für die Konkordatsmitglieder in Bezug auf die Regelung der Fremdsprachen im Grundschulunterricht eine verbindliche Vorgabe darstellt. 7.2 Der Kanton Graubünden ist dem HarmoS-Konkordat nicht beigetreten. Bei der Sprachenstrategie der EDK handelt es sich sodann nicht um einen für die Kantone rechtsverbindlichen Akt, auch wenn sich die meisten Kantone, die dem Konkordat nicht beigetreten sind, daran orientieren. Die Beschwerdeführer sind indessen der Ansicht, der Kanton Graubünden sei gestützt auf Art. 61a Abs. 2 und Art. 62 Abs. 4 BV an die erwähnten Harmonisierungsbestrebungen gebunden bzw. verpflichtet, sich beim Fremdsprachenunterricht - wie bis anhin - am gesamtschweizerischen Harmonisierungskonzept zu orientieren. Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf unterschiedliche Lehrmeinungen nachvollziehbar ausgeführt hat, erscheint eine entsprechende Auslegung von Art. 61a Abs. 2 und Art. 62 Abs. 4 BV aber keineswegs zwingend. Vielmehr lässt sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, ein Kanton, welcher dem HarmoS-Konkordat nicht beigetreten ist, sei nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, sich beim Fremdsprachenunterricht an der Sprachenstrategie der EDK bzw. am HarmoS-Konkordat zu orientieren. Dies zumal die Bundesverfassung zwei Instrumente kennt, mit welcher unter bestimmten Voraussetzungen die von ihr in bestimmten Bereichen des Schulwesens geforderte Harmonisierung erzwungen werden könnte. Zum einen statuiert Art. 62 Abs. 4 BV eine subsidiäre bundesrechtliche Regelungskompetenz für den Fall, dass in den genannten Bereichen keine Harmonisierung zustande kommt. Zum anderen kann der BGE 143 I 361 S. 374 Bund gemäss Art. 48a Abs. 1 lit. b BV für die in Art. 62 Abs. 4 BV genannten Bereiche unter bestimmten Voraussetzungen interkantonale Verträge allgemein verbindlich erklären oder Kantone zur Beteiligung an interkantonalen Verträgen verpflichten. Von beiden Instrumenten hat der Bund bis anhin keinen Gebrauch gemacht (zum Ganzen vgl. GLASER, a.a.O., S. 142 ff., mit Hinweisen). Der vorinstanzlichen Auffassung, wonach die gemäss der Fremdspracheninitiative angestrebte Regelung jedenfalls nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 KV/GR offensichtlich Art. 61a Abs. 2 und Art. 62 Abs. 4 BV widerspricht, ist unter den angeführten Umständen zuzustimmen. 8. Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Fremdspracheninitiative lasse sich nicht umsetzen, ohne dass bundesrechtliche Zielvorgaben im Bereiche des Schulwesens vereitelt würden. Sie stützen sich insoweit namentlich auf Art. 15 Abs. 3 SpG sowie Art. 21 SpG i.V.m. Art. 70 Abs. 4 und 5 BV (vgl. EHRENZELLER, a.a.O., S. 26 ff.). 8.1 Gemäss Art. 15 Abs. 3 SpG setzen sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeit für einen Fremdsprachenunterricht ein, der gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen. Art. 21 SpG i.V.m. Art. 70 Abs. 4 und 5 BV bilden die Grundlage für die finanzielle Unterstützung mehrsprachiger Kantone. Der Bund gewährt den mehrsprachigen Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Finanzhilfen für die Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben ( Art. 21 Abs. 1 SpG ). Als mehrsprachig werden die Kantone Bern, Freiburg, Graubünden und Wallis bezeichnet ( Art. 21 Abs. 2 SpG ). Als besondere Aufgaben gelten die Schaffung geeigneter Voraussetzungen und Hilfsmittel für die mehrsprachige Arbeit in politischen Behörden, Justiz und Verwaltung sowie die Förderung der Mehrsprachigkeit der Lernenden und Lehrenden in den Amtssprachen des Kantons auf allen Unterrichtsstufen ( Art. 21 Abs. 3 SpG ). 8.2 Wie bereits ausgeführt, zielt die Fremdspracheninitiative einzig auf den Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe ab, während der Fremdsprachenunterricht auf der Oberstufe von ihr nicht erfasst wird. Das Initiativbegehren lässt sich so umsetzen, dass alle Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer BGE 143 I 361 S. 375 weiteren Fremdsprache verfügen, wie dies Art. 15 Abs. 3 SpG als Ziel formuliert. Eine bundesrechtliche Norm, welche den Kanton Graubünden zweifelsfrei verpflichtet, alle Schüler bereits auf der Primarstufe obligatorisch in einer zweiten Landessprache zu unterrichten, ist nicht ersichtlich. Namentlich lässt sich auch aus Art. 21 SpG keine entsprechende Verpflichtung ableiten. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um die gesetzliche Grundlage für bundesrechtliche Finanzhilfen und nicht um eine Kompetenznorm. Ausserdem wäre eine Förderung der Mehrsprachigkeit der Primarschüler in den Amtssprachen des Kantons beispielsweise auch im Rahmen eines nicht obligatorisch zu besuchenden Unterrichts denkbar. Dass gemäss der Fremdspracheninitiative erst in der Oberstufe eine zweite Landessprache bzw. Englisch obligatorisch unterrichtet würde, steht somit jedenfalls nicht in einem offensichtlichen Widerspruch zu Art. 15 Abs. 3 sowie Art. 21 SpG i.V.m. Art. 70 Abs. 4 und 5 BV . 9. Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, die Fremdspracheninitiative stehe in offensichtlichem Widerspruch zur in Art. 3 Abs. 1 KV/GR festgeschriebenen Gleichwertigkeit der Landes- und Amtssprachen des Kantons (vgl. PREVITALI, a.a.O., S. 108 ff.; EHRENZELLER, a.a.O., S. 32 f.). 9.1 Gemäss Art. 3 Abs. 1 KV/GR sind Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch die gleichwertigen Landes- und Amtssprachen des Kantons Graubünden. Nach Ansicht der Vorinstanz lassen sich aus dieser Bestimmung für die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts keine verbindlichen Vorgaben ableiten. Auch gemäss bestehender Regelung könne die Stellung der Minderheitensprachen im Bereich des Fremdsprachenunterrichts nicht als gleichwertig bezeichnet werden, zumal alle Schüler zwar Deutsch, nicht aber auch Rätoromanisch und Italienisch zu lernen hätten, und der in der Primarschule in der dritten Klasse beginnende Deutschunterricht an rätoromanischsprachigen Schulen hinsichtlich der Wochenlektionen höher dotiert sei als an italienischsprachigen Schulen. Aber selbst wenn man aus Art. 3 Abs. 1 KV/GR Vorgaben für den Fremdsprachenunterricht ableiten wolle, lasse sich die Fremdspracheninitiative so umsetzen, dass jedenfalls nicht eine offensichtliche Verletzung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit resultiere. 9.2 Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, verunmöglicht die Fremdspracheninitiative bei BGE 143 I 361 S. 376 entsprechender Umsetzung nicht, dass alle Schüler bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit eine gleichwertige Sprachausbildung erhalten bzw. am Ende der obligatorischen Schulzeit über vergleichbare Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Namentlich lässt die Initiative zu, dass die Schüler in deutschsprachigen Regionen auf der Oberstufe intensiv in einer zweiten Kantonssprache unterrichtet werden. Soweit man aus Art. 3 Abs. 1 KV/GR überhaupt verbindliche Vorgaben für die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts ableiten kann, lässt sich die Fremdspracheninitiative so umsetzen, dass jedenfalls kein im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 KV/GR offensichtlicher Widerspruch zu dieser Bestimmung auszumachen ist. (...)
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Sachverhalt ab Seite 78 BGE 137 I 77 S. 78 A. Mit Beschluss vom 10. Mai 2010 verabschiedete der Kantonsrat des Kantons Zürich das kantonale Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1). Mit demselben Beschluss hob er das Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (GVG/ZH; LS 211.1) auf. Nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist wurde die Rechtskraft des Beschlusses vom 10. Mai 2010 im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 30. Juli 2010 publiziert. In § 36 Abs. 3 GOG/ZH wird die Wählbarkeit der Handelsrichter wie folgt geregelt: "Wählbar ist, wer in einem Unternehmen als Inhaberin oder Inhaber oder in leitender Stellung tätig ist oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet hat." B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 14. September 2010 beantragen Markus Bischoff und Mitbeteiligte, § 36 Abs. 3 GOG/ZH sei aufzuheben. Sie rügen die Verletzung von Art. 40 Abs. 1 der Zürcher Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 (KV/ZH; SR 131.211) sowie des Wahlrechts (politische Rechte). (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Angefochten ist die Bestimmung über die Wählbarkeit der Handelsrichter in § 36 Abs. 3 GOG/ZH. Es handelt sich dabei um einen kantonalen Erlass über das passive Wahlrecht zu einer sogenannten BGE 137 I 77 S. 79 indirekten Wahl durch das Parlament. In diesen Fällen steht nicht die Beschwerde wegen Verletzung politischer Rechte zur Verfügung, da diese lediglich bei Volkswahlen in Betracht fällt ( Art. 82 lit. c BGG ; BGE 131 I 366 E. 2.1; BGE 119 Ia 167 E. 1a; GEROLD STEINMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 82, 87 zu Art. 82 BGG ). Die kritisierte Gesetzesbestimmung unterliegt der Beschwerde gegen kantonale Erlasse im Sinne von Art. 82 lit. b BGG . 1.2 Gemäss dem umstrittenen § 36 Abs. 3 GOG/ZH sollen dieselben Wählbarkeitsvoraussetzungen wie bereits früher nach § 59 Abs. 2 GVG /ZH gelten. Das GOG/ZH ersetzt das GVG/ZH vollständig. Es liegt somit eine Totalrevision dieses Gesetzes vor, weshalb jede Bestimmung des neuen Gesetzes der abstrakten Normenkontrolle unterzogen werden kann ( BGE 135 I 28 E. 3.1.1 S. 31 mit Hinweisen). Im Gesetzgebungsverfahren wurde überdies die Zulässigkeit der Wählbarkeitsvoraussetzungen diskutiert und von einer Mehrheit der Mitglieder des Kantonsrats bejaht. Es liegt somit ein neuer Beschluss über die Wählbarkeitsvoraussetzungen vor, der im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle auch überpüft werden könnte, wenn keine Totalrevision vorläge (vgl. BGE 135 I 28 E. 3.1.2 S. 31 f. mit Hinweisen). 1.3 Die Beschwerdeführenden beanstanden eine Verletzung von § 40 Abs. 1 KV/ZH , welcher unter anderem die Wählbarkeit in die obersten kantonalen Gerichte regelt. Nach Art. 95 lit. c BGG kann mit der Beschwerde die Verletzung von kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. 1.3.1 Weder die Bundesverfassung noch das Bundesgerichtsgesetz umschreiben im Einzelnen, was unter verfassungsmässigen Rechten zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, dem die Konkretisierung dieses Begriffes obliegt, gelten als verfassungsmässige Rechte Verfassungsbestimmungen, die dem Bürger einen Schutzbereich gegen staatliche Eingriffe sichern wollen oder welche, obwohl vorwiegend im öffentlichen Interesse erlassen, daneben auch noch individuelle Interessen schützen. Bei der Bestimmung des Vorliegens von verfassungsmässigen Rechten stellt das Bundesgericht insbesondere auf das Rechtsschutzbedürfnis und die Justiziabilität ab ( BGE 131 I 366 E. 2.2 S. 367 f. mit Hinweisen). Nach der Doktrin gelten als verfassungsmässige Rechte justiziable Rechtsansprüche, die nicht ausschliesslich öffentliche Interessen, BGE 137 I 77 S. 80 sondern auch Interessen und Schutzbedürfnisse des Einzelnen betreffen und deren Gewicht so gross ist, dass sie nach dem Willen des demokratischen Verfassungsgebers verfassungsrechtlichen Schutzes bedürfen. Zu den verfassungsmässigen Rechten in diesem Sinne gehören solche gemäss Bundesverfassungsrecht, Europäischer Menschenrechtskonvention und andern Menschenrechtspakten wie auch die durch die Kantonsverfassungen gewährleisteten Rechte. Vorschriften organisatorischer Natur oder Bestimmungen mit bloss programmatischem Charakter erfüllen diese Anforderungen nicht ( BGE 136 I 241 E. 2.3 S. 248; BGE 131 I 366 E. 2.2 S. 367 f.; BGE 103 Ia 394 E. 2a S. 298 f.; je mit Hinweisen; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 67; Botschaft vom 20. November 1996 zur neuen Bundesverfassung, BBl 1997 I 425 zu Art. 177; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, Rz. 1972 ff.; WALTER HALLER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 43 ff. zu Art. 189 BV ; MARKUS SCHOTT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 56 zu Art. 95 BGG ; GIOVANNI BIAGGINI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 27 zu Art. 116 BGG ). 1.3.2 Nach Art. 40 Abs. 1 KV/ZH kann in den Kantonsrat, den Regierungsrat, die obersten kantonalen Gerichte und den Ständerat gewählt werden, wer in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist. Wer in die übrigen Behörden gewählt werden kann, bestimmt das Gesetz. Der Gehalt dieser Verfassungsbestimmung ist nach den üblichen Auslegungsregeln zu ermitteln ( BGE 131 I 366 E. 2.3 S. 368; BGE 131 II 697 E. 4.1 S. 702 f.; HÄFELIN/HALLER/KELLER, a.a.O., Rz. 91 ff.). Aus dem Wortlaut von Satz 1 der Bestimmung ergibt sich klar, dass in die obersten kantonalen Gerichte gewählt werden kann, wer in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist. Die obersten kantonalen Gerichte sind nach § 74 Abs. 2 KV/ZH das Kassationsgericht, das Obergericht, das Verwaltungsgericht und das Sozialversicherungsgericht. Das Handelsgericht ist Teil des Obergerichts. Es besteht aus Mitgliedern des Obergerichts sowie den Handelsrichterinnen und -richtern (§ 38 Abs. 1 Satz 2 GOG/ZH) und entscheidet in Zivilsachen als einzige obere kantonale Instanz ( Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG ; BGE 136 I 207 E. 3.5.2 S. 214 mit Hinweisen; BGE 136 III 437 E. 1.1 S. 440). BGE 137 I 77 S. 81 Art. 40 Abs. 1 KV/ZH garantiert somit grundsätzlich die Wählbarkeit der in kantonalen Angelegenheiten Stimmberechtigten in das Amt eines Oberrichters oder Handelsrichters. Diese Verfassungsbestimmung umfasst auch den Anspruch, für eines der genannten Ämter zu kandidieren. Die Frage, ob diese Garantie durch zusätzliche gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden darf, ist justiziabel. Es handelt sich bei Art. 40 Abs. 1 KV/ZH nicht um eine Bestimmung rein organisatorischer Natur oder mit bloss programmatischem Charakter (s. dazu BGE 131 I 366 E. 2.4 S. 369). Zudem besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, dass die Bestellung der Gerichte rechtmässig erfolgt ( Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; BGE 136 I 207 E. 3 S. 210 ff. und E. 5.6 S. 218 f.; Urteil des Bundesgerichts 4A_25/2010 vom 12. April 2010 E. 3; je mit Hinweisen). Die Berufung auf Art. 40 Abs. 1 KV/ZH ist somit im Rahmen der vorliegenden Beschwerde zulässig ( Art. 95 lit. c BGG ). 1.4 Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG ist zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder virtuell besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat. Das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Virtuelles Berührtsein setzt voraus, dass der Beschwerdeführer von der angefochtenen Regelung früher oder später einmal mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit unmittelbar betroffen ist ( BGE 136 I 17 E. 2.1 S. 21 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer sind in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ( Art. 40 Abs. 1 KV/ZH ). Sie erfüllen jedoch nach eigenen unbestrittenen Angaben nicht die Anforderungen, welche nach § 36 Abs. 3 GOG/ZH für die Wählbarkeit zum Handelsrichter zusätzlich gelten sollen, da sie nicht Inhaber eines Unternehmens oder in leitender Stellung in einem solchen tätig sind oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet haben. Sie machen geltend, sie würden durch § 36 Abs. 3 GOG/ZH von einer Wahl zum Handelsrichter entgegen dem Wortlaut von Art. 40 Abs. 1 KV/ZH ausgeschlossen. Damit sind sie durch die angefochtene Bestimmung zumindest virtuell betroffen und somit zur Beschwerde berechtigt. 1.5 Nach Art. 101 BGG ist die Beschwerde gegen einen Erlass innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen. Zu frühe Einreichung schadet grundsätzlich nicht und führt nicht zum BGE 137 I 77 S. 82 Nichteintreten auf die Beschwerde, sondern in der Regel lediglich zu einer Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens ( BGE 136 I 17 E. 1.2 S. 20 mit Hinweisen). Das am 10. Mai 2010 beschlossene GOG/ZH wurde im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 21. Mai 2010 veröffentlicht. Nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist wurde die Rechtskraft des Beschlusses im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 30. Juli 2010 publiziert. Mit Eingabe vom 14. September 2010 erhoben die Beschwerdeführer ihre Beschwerde rechtzeitig (Art. 101 i.V.m. Art. 46 BGG ). 1.6 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 2. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sich mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbaren lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen (bzw. mit dem höherstufigen Bundesrecht vereinbaren) Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt ( BGE 134 I 293 E. 2 S. 295; BGE 133 I 77 E. 2 S. 79, BGE 133 I 286 E. 4.3 S. 295; je mit Hinweisen). Erscheint eine generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als verfassungsrechtlich zulässig, so vermag die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen als verfassungswidrig erweisen könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters im Stadium der abstrakten Normenkontrolle im Allgemeinen noch nicht zu rechtfertigen; den Betroffenen verbleibt die Möglichkeit, eine allfällige Verfassungswidrigkeit bei der Anwendung im Einzelfall geltend zu machen ( BGE 134 I 293 E. 2 S. 295). 3. 3.1 Wie bereits in E. 1.3.2 dargelegt, garantiert Art. 40 Abs. 1 KV/ZH grundsätzlich die Wählbarkeit der in kantonalen Angelegenheiten Stimmberechtigten in das Amt eines Oberrichters oder Handelsrichters. Die Kantonsverfassung verlangt für die Wählbarkeit in ein oberstes Gericht keine besondere juristische Befähigung. Diese Regelung ist das Resultat einer engagierten Diskussion im Verfassungsrat über die Einführung von Wählbarkeitsvoraussetzungen für BGE 137 I 77 S. 83 Richterinnen und Richter in der Gesetzgebung. Eine entsprechende Bestimmung wurde vor allem deswegen abgelehnt, weil sie alle Gerichte erfasst hätte und einzelne Votanten die Mitwirkung von Laienrichtern an den Bezirksgerichten als gefährdet ansahen (WALTER HALLER, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung [im Folgenden: KV], 2007, N. 7 zu Art. 40 KV/ZH ). 3.2 Die kantonalen Behörden weisen darauf hin, dass die Mehrheit des Verfassungsrats mit der Formulierung von Art. 40 Abs. 1 KV/ZH eine Abschaffung des Laienrichtertums, namentlich an den Bezirksgerichten, vermeiden wollte. Das Handelsgericht als Spezialgericht mit Fachrichtern sei in seiner Ausgestaltung und insbesondere auch in Bezug auf die Wählbarkeitsvoraussetzungen unbestritten gewesen. Die im bundesgerichtlichen Verfahren umstrittenen Wählbarkeitsvoraussetzungen hätten schon nach § 59 Abs. 2 GVG /ZH, das mit dem GOG/ZH abgelöst werde, mit gleichem Wortlaut gegolten. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das Bundesrecht die kantonalen Handelsgerichte im Sinne einer Ausnahme vom Grundsatz der "double instance" zulasse ( Art. 6 Abs. 1 ZPO [SR 272] und Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG ). Eine solche Ausnahme sei nur gerechtfertigt, wenn eine besondere fachliche Kompetenz dieser Spezialgerichte gewährleistet sei (vgl. DOMINIK VOCK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 1 zu Art. 6 ZPO ). Dass die Wählbarkeitsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 3 GOG/ZH dazu führten, dass nur noch ein kleiner Teil der Stimmberechtigten zu Handelsrichtern gewählt werden könne, sei angesichts der bei den Handelsrichtern verlangten Fachkompetenz hinzunehmen. Daran ändere nichts, dass in der Kantonsratsdebatte auf die Verfassungswidrigkeit der umstrittenen Gesetzesbestimmung hingewiesen worden sei. Die gesetzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen dienten der Qualität der Justiz und der Transparenz der Richterwahlen. 3.3 3.3.1 Das Zürcher Handelsgericht als Teil des Obergerichts beruht neu auf den §§ 34 ff. GOG/ZH. Es entscheidet als einzige Instanz Streitigkeiten gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a-e und h ZPO (§ 44 lit. a GOG/ZH). Ebenfalls als einzige Instanz entscheidet es über Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 lit. b ZPO , deren Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt (§ 44 lit. b GOG/ZH). In bestimmten anderen Fällen entscheidet das Präsidium des Handelsgerichts oder ein von diesem bezeichnetes Mitglied des Handelsgerichts als BGE 137 I 77 S. 84 einzige Instanz und als Einzelgericht (§ 45 GOG/ZH). Das Zürcher Handelsgericht ist ein auf Gesetz beruhendes Spezialgericht. Solche Spezialgerichte sind im Lichte von Art. 6 Abs. 1 ZPO und Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG zulässig. Sie stellen keine verfassungs- bzw. konventionswidrigen Ausnahmegerichte dar (vgl. BGE 136 I 207 E. 3.5 S. 213 mit Hinweisen). 3.3.2 Art. 40 Abs. 1 KV/ZH nennt als einzige Voraussetzung für die Wahl in die höchsten Ämter im Kanton (Kantonsrat, Regierungsrat, Richter an einem obersten kantonalen Gericht) die Stimmberechtigung in kantonalen Angelegenheiten. Von diesem klaren Wortlaut der Verfassungsbestimmung darf nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche triftige Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben ( BGE 131 II 217 E. 2.3 S. 221 mit Hinweisen). Die zusätzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen für Handelsrichter gemäss § 36 Abs. 3 GOG/ZH sind in der Kantonsverfassung nicht vorgesehen. Die in der Gesetzesbestimmung enthaltene Beschränkung der Wählbarkeit auf Personen, die in einem Unternehmen als Inhaberin oder Inhaber oder in leitender Stellung tätig sind oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet haben, schränkt den Kreis wählbarer Personen erheblich ein. Aus der Kantonsverfassung ergibt sich nicht, dass die Wählbarkeit zum Handelsrichter abweichend von der Wählbarkeit zu einem Mitglied eines anderen höchsten Gerichts geregelt werden sollte. 3.3.3 Die beschriebene Beschränkung der Wählbarkeit soll die fachliche Qualität der Handelsrichter gewährleisten. Die fachliche Qualität bei Mitgliedern eines Fachgerichts hat besonderes Gewicht. Das Erfordernis eines grossen Fachwissens gilt indessen nicht nur für die Handelsrichter, sondern auch für die anderen hohen Ämter im Kanton, für welche weder das Gesetz noch die Kantonsverfassung zusätzliche Wählbarkeitsvoraussetzungen enthalten. Ohne spezielle Wählbarkeitsvoraussetzungen gewählt werden im Kanton Zürich unter anderen die Mitglieder der übrigen obersten kantonalen Gerichte. Dazu gehören nach Art. 74 Abs. 2 KV/ZH das Obergericht, das Verwaltungsgericht und das Sozialversicherungsgericht. Die Kantonsverfassung enthält wie erwähnt keinen Vorbehalt, wonach für die Handelsrichter strengere Wählbarkeitsvoraussetzungen als BGE 137 I 77 S. 85 für die übrigen höchsten Richter im Kanton gelten sollten. Insbesondere sind sie aufgrund ihrer Stellung und Zuständigkeit innerhalb des Obergerichts nicht den "übrigen Behörden" im Sinne von Art. 40 Abs. 1 Satz 2 KV/ZH gleichzusetzen, für welche das Gesetz die Wählbarkeitsvoraussetzungen bestimmt. 3.3.4 Aus den Materialien zur Kantonsverfassung ergibt sich, dass der Kantonsrat bewusst darauf verzichtete, Wählbarkeitsvoraussetzungen für die obersten Gerichte zu formulieren (vgl. Hinweise bei HALLER, KV, a.a.O., N. 7 zu Art. 40 KV/ZH ). Auch wenn der Verfassungsrat, wie die kantonalen Behörden darlegen, mit diesem generellen Verzicht auf Wählbarkeitsvoraussetzungen auf Verfassungsstufe primär die Erhaltung des Laienrichtertums an den Bezirksgerichten beabsichtigte, hat er für die Wählbarkeit zum Handelsrichter doch auf eine Sonderregelung in der Verfassung verzichtet und eine solche auch nicht der Gesetzgebung vorbehalten. Dies im Gegensatz zu den "übrigen Behörden" im Sinne von Art. 40 Abs. 1 Satz 2 KV/ZH (s. hierzu WALTER HALLER, KV, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 40 KV/ZH ). Sollte nach dem Willen des kantonalen Verfassungsgebers die Wählbarkeit zum Handelsrichter im Verhältnis zu Art. 40 Abs. 1 Satz 1 KV/ZH derart stark eingeschränkt werden, wie dies in § 36 Abs. 3 GOG/ZH vorgesehen ist, so müsste sich die Zulässigkeit einer entsprechenden Einschränkung aus dem Verfassungstext ergeben. Dies hätte nach dem Vorbild von Art. 40 Abs. 1 Satz 2 KV/ZH mit einer Verweisung auf die Gesetzgebung oder mit einer Umschreibung abweichender Wahlvoraussetzung in der Verfassung selbst geschehen können. Indem der Verfassungsgeber auf entsprechende Einschränkungsmöglichkeiten verzichtet hat, hat er die Wahlvoraussetzungen für sämtliche Mitglieder der höchsten kantonalen Gerichte gleich umschrieben und dem Gesetzgeber keinen Raum für Einschränkungen der Wählbarkeit im Sinne von § 36 Abs. 3 GOG/ZH belassen. 3.3.5 Die Qualität der Handelsrichter muss wie bei den übrigen Mitgliedern der Gerichte primär mit einem sorgfältigen, möglichst professionellen Auswahlverfahren gesichert werden. Die an diesem Verfahren beteiligten Akteure (politische Parteien, interfraktionelle Konferenz, kantonsrätliche Kommission) haben darauf zu achten, dass nur fachlich und menschlich qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten in ein Richteramt gewählt werden (vgl. HALLER, KV, a.a.O., N. 7 zu Art. 40 KV/ZH ). Die fachliche Qualifikation zum BGE 137 I 77 S. 86 Handelsrichter kann sich dabei nicht nur aus den in § 36 Abs. 3 GOG/ZH enthaltenen Kriterien ergeben. Die Wählbarkeitsvoraussetzungen gemäss § 36 Abs. 3 GOG/ZH würden zahlreiche qualifizierte Personen trotz ausgewiesenem Sachverstand und grosser Erfahrung von der Tätigkeit als Handelsrichter ausschliessen, was im Lichte von Art. 40 Abs. 1 KV/ZH nicht zulässig ist. 3.4 Aus diesen Erwägungen ergibt sich zusammenfassend, dass die Wählbarkeitsvoraussetzungen für Handelsrichter gemäss § 36 Abs. 3 GOG/ZH mit Art. 40 Abs. 1 KV/ZH nicht vereinbar sind. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und § 36 Abs. 3 GOG/ZH aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 237 BGE 130 II 236 S. 237 Le Juge d'instruction fédéral conduit une procédure pénale des chefs de blanchiment d'argent, de défaut de vigilance en matière d'opérations financières et de faux dans les titres. Ces délits auraient été commis en relation avec des faits de corruption qui auraient entaché la vente par la société française Thomson de six frégates à la Marine de la République de Chine (Taïwan), selon un contrat passé le 31 août 1991. Le 2 octobre 2001, le Juge d'instruction a présenté aux autorités de Taïwan une demande d'entraide portant sur la remise de documents relatifs à la négociation et à la conclusion du contrat des frégates, ainsi qu'au versement de commissions y relatives. Parallèlement, le Juge d'instruction a adressé des demandes d'entraide aux autorités de la France et du Liechtenstein. Le 27 mars 2002, les autorités taïwanaises ont remis au Juge d'instruction les pièces d'exécution de la demande du 2 octobre 2001. BGE 130 II 236 S. 238 Le 26 novembre 2001, la Délégation culturelle et économique de Taipei à Berne a remis à l'Office fédéral de la justice (ci-après: l'Office fédéral) une demande d'entraide, du 6 novembre 2001, présentée par Lu Ren-fa, Procureur général auprès de la Cour suprême de la République de Chine, pour les besoins de la procédure pénale ouverte contre des officiers supérieurs de la Marine, prévenus d'avoir, en échange de pots-de-vin versés par Thomson, favorisé l'achat des frégates à un prix surfait. Quant à Wang Chuan-pu, il est poursuivi des chefs d'escroquerie, de corruption, de blanchiment d'argent et de meurtre. Intervenant pour le compte de Thomson dans la négociation du contrat de vente des frégates, il est soupçonné d'avoir établi des contacts étroits avec les officiers impliqués, et de leur avoir versé des commissions pour le compte de Thomson, à titre de rétribution pour leur rôle dans la conclusion du contrat. Thomson aurait payé des pots-de-vin pour un montant total de 3'000'000'000 FRF, dont une partie aurait été acheminée sur des comptes bancaires en Suisse. Wang Chuan-pu était également soupçonné d'être mêlé à l'homicide de Yin Chin-feng, officier de marine qui avait refusé de se laisser corrompre dans une affaire d'acquisition d'armement pour les frégates. La demande tendait à la remise de la documentation concernant tous les comptes bancaires détenus ou contrôlés par Wang Chuan-pu et les membres de sa famille, ainsi qu'à la remise de tout document utile tiré de la procédure pénale en Suisse. Le 13 novembre 2001, le Procureur général près la Cour d'appel de Paris a transmis au Procureur général du canton de Genève une demande d'entraide, établie le 7 novembre 2001 par le Juge Van Ruymbeke pour les besoins de la procédure ouverte contre inconnus du chef d'abus de biens sociaux et de recel d'abus de biens sociaux. Cette demande se rapportait à plusieurs documents relatifs au contrat du 31 août 1991 et aux modalités de paiement du prix des frégates, qui avaient fait naître le soupçon que des dirigeants de Thomson auraient soudoyé des responsables taïwanais pour obtenir que le contrat soit conclu pour un prix largement surfait. Des montants de 500'000'000 USD auraient été versés, par l'intermédiaire de Wang, soit 400'000'000 USD à des Taïwanais et 100'000'000 USD à des représentants du Parti communiste chinois, afin de prévenir tout incident diplomatique entre la France et la République populaire de Chine, qui aurait fait capoter l'affaire. La demande tendait à la saisie conservatoire des fonds que les membres de la famille BGE 130 II 236 S. 239 Wang détiendraient en Suisse. Le 25 août 2003, le Juge Van Ruymbeke a indiqué que la demande portait également, de manière implicite, sur la remise de la documentation relative aux comptes saisis. Au terme de ses investigations, le Juge d'instruction a ordonné la saisie notamment de quarante-six comptes bancaires, détenus par Wang Chuan-pu, des membres de sa famille ou des sociétés qu'ils contrôlent, ainsi que la remise de la documentation y relative. Ont été bloqués des fonds pour un montant total équivalent à 494'885'804.60 USD. Le 28 novembre 2003, le Juge d'instruction a rendu une décision d'entrée en matière et de clôture partielle de la procédure d'entraide. Il a ordonné la transmission aux autorités françaises de la documentation relative aux comptes saisis; de la documentation concernant des sociétés dominées par les membres de la famille Wang; des pièces et de la correspondance se rapportant aux accords passés entre Thomson et les sociétés dominées par Wang Chuan-pu; des pièces concernant les montants payés par Thomson; du compte-rendu des déclarations faites le 28 septembre 2000 par un fils de Wang Chuan-pu; des pièces remises par les autorités de Taïwan en exécution de la demande d'entraide suisse; de deux tableaux des flux des fonds, ainsi que de la liste des comptes dont les membres de la famille Wang sont les titulaires ou ayants droit. Le Juge d'instruction a ordonné en outre le séquestre des fonds bloqués. Il a réservé le principe de la spécialité. Contre cette décision, les membres de la famille Wang, ainsi que les sociétés impliquées, ont formé un recours de droit administratif, en demandant au Tribunal fédéral d'annuler la décision du 28 novembre 2003 et de rejeter la demande d'entraide. Ils invoquent les art. 1a, 2, 5, 8, 18, 27, 28, 29, 63, 64, 67a et 80b de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP; RS 351.1), ainsi que l' art. 301 CP . Parallèlement au recours de droit administratif, les recourants sont intervenus le 8 janvier 2004 auprès du Département fédéral de justice et police pour qu'il constate que l'octroi de l'entraide à Taïwan compromettrait les intérêts essentiels de la Suisse au sens de l' art. 1a EIMP . Cette procédure est en cours. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure de sa recevabilité. BGE 130 II 236 S. 240
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. Selon les recourants, la protection du secret de la défense nationale française ("secret-défense") ferait obstacle à la remise de tout document concernant le contrat des frégates. 4.1 En France, la publication ou la divulgation à une personne non autorisée de données intéressant la défense nationale qui ont fait l'objet de mesures de protection destinées à en restreindre la diffusion est réprimée de l'emprisonnement et de l'amende (art. 413-9, 413-10 et 413-11 du Code pénal français). Les niveaux de classification, ainsi que la procédure, sont réglés par le décret n° 98-608 du 17 juillet 1998 (art. R. 413-6 CP fr.). Les documents, informations et renseignements concernant le contrat des frégates sont couverts par le secret de la défense nationale. Dans le cadre de la procédure pénale ouverte en France, les Juges Van Ruymbeke et de Talancé ont demandé en vain la "déclassification" des pièces détenues par Thales, ainsi que des déclarations que pourraient faire les témoins (notamment les cadres ou anciens cadres de Thomson) au sujet du contrat des frégates. 4.2 Les recourants allèguent qu'il serait impossible de remettre aux autorités requérantes des pièces auxquelles le secret de la défense nationale leur interdirait l'accès. Les dispositions pénales françaises relatives à la protection de la défense nationale ne sont pas opposables aux autorités suisses. Dès l'instant où la demande d'entraide ne contient aucune restriction quant à la nature des documents réclamés, l'autorité d'exécution doit accomplir fidèlement et complètement la mission qui lui est confiée. Il ne lui appartient pas de déterminer si une pièce ou information qu'elle communique à l'Etat requérant est, selon le droit de celui-ci, couverte par le secret de la défense nationale, et, dans l'affirmative, quelles en sont les conséquences pour l'exécution de la demande d'entraide. 4.3 Les recourants se prévalent de la Convention passée le 22 mars 1972 entre la Direction de la sécurité militaire française, d'une part, et la Section du maintien du secret auprès de l'Etat-major du Groupement de l'Etat-major général de l'armée suisse, d'autre part. Ce document, qui n'a pas fait l'objet d'une publication officielle, a pour but de protéger le secret de la défense nationale lors d'échange BGE 130 II 236 S. 241 d'in formations, de documents ou de matériel entre la Suisse et la France (art. 1). La Convention établit une équivalence des niveaux de protection (art. 3). Les informations doivent être traitées selon les normes de l'Etat dont elles émanent (art. 4). L'accès à ces informations et leur communication à des Etats tiers sont subordonnés à l'accord de l'Etat d'origine (art. 5 et 7). Cette Convention concerne uniquement l'échange d'informations entre les armées française et suisse, comme l'indiquent le titre et l'art. 1. Or, nul ne prétend que dans le cadre de la présente affaire, des documents auraient été échangés entre autorités militaires. Il ne serait guère concevable, au demeurant, que des services de l'armée puissent conclure avec l'étranger des accords dans le domaine de l'entraide judiciaire en matière pénale. 4.4 Les recourants contestent l'aval donné par le Juge Van Ruymbeke à la remise des pièces litigieuses. Le 8 octobre 2003, le Juge d'instruction a indiqué à son homologue français qu'à son avis, les pièces remises par les autorités de Taïwan en exécution de la demande suisse d'entraide pourraient être utiles à la procédure pénale en France; partant, la remise de ces pièces entrait dans le cadre de l'exécution de la demande française. Il lui a demandé de se déterminer sur le point de savoir s'il consentait à la remise de la documentation en question. Le 13 octobre 2003, le Juge Van Ruymbeke a répondu par l'affirmative, pour autant que les pièces à recevoir aient été régulièrement communiquées par les autorités de Taïwan pour l'exécution des demandes d'entraide suisses, indépendamment de la demande française. Cette dernière précaution ne relève pas de la clause de style, comme l'affirment les recourants. Elle souligne que la remise litigieuse ne vise pas à contourner l'obstacle lié au fait que la France n'a pas pu demander l'entraide à Taïwan dans l'affaire des frégates, faute d'entretenir avec elle des relations diplomatiques. Le Ministère public de Taïwan a également acquiescé, le 16 avril 2003, à ce que les annexes à la demande taïwanaise du 6 novembre 2001 soient transmises à des Etats tiers, et spécialement la France, avec l'agrément des autorités judiciaires de celle-ci. En agissant comme il l'a fait, le Juge d'instruction a pris toutes les précautions nécessaires pour agir en accord avec toutes les autorités étrangères intéressées. Pour le surplus, l'argumentation selon laquelle l'entraide avec Taïwan est impossible parce qu'il ne s'agit pas d'un Etat reconnu, BGE 130 II 236 S. 242 doit être rejetée pour les motifs indiqués dans l'arrêt rendu ce jour concernant également les recourants ( ATF 130 II 217 ). 4.5 Ceux-ci prétendent que la remise de documents et d'informations couverts en France par le secret de la défense nationale serait de nature à compromettre les relations avec la France. Ils invoquent dans ce contexte l' art. 1a EIMP , aux termes duquel cette loi est appliquée en tenant compte de la souveraineté, de la sûreté, de l'ordre public ou d'autres intérêts essentiels de la Suisse. L'art. 2 let. b de la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale du 20 avril 1959 (CEEJ; RS 0.351.1), applicable en l'espèce, a la même portée. C'est au Département fédéral de justice et police qu'il revient de décider si l'entraide doit être refusée pour l'un des motifs évoqués à l' art. 1a EIMP , selon l'art. 17 al. 1 de la même loi. Sa décision peut faire l'objet d'un recours administratif auprès du Conseil fédéral ( art. 26 EIMP ). Les recourants sont intervenus auprès du Département fédéral, en lui demandant de rejeter la demande d'entraide en application de l' art. 1a EIMP . La question de savoir si cette démarche exclut l'invocation de cette disposition à l'appui du présent recours peut rester indécise (cf. à ce propos, ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2 e éd., Berne 2004, n° 472; STEPHAN BREITENMOSER, Internationale Amts- und Rechtshilfe, in Peter Uebersax/Peter Münch/Thomas Geiser/ Martin Arnold [éd.], Ausländerrecht, Bâle 2002, n. 20.145 à 20.147), car le grief doit de toute manière être écarté. Déterminer si les documents et informations transmis sont protégés par le secret de la défense nationale relève exclusivement des autorités françaises. La Suisse, qui a obtenu ces pièces et renseignements de Taïwan, avec la permission expresse de les remettre à des Etats tiers, dont la France, se borne à ce que les traités régissant l'entraide avec la France lui commandent de faire. L'Etat requérant ne saurait exiger de l'Etat requis d'appliquer en sa défaveur l' art. 2 let. b CEEJ qui a pour but de protéger l'Etat requis et non l'Etat requérant. Si les autorités françaises avaient voulu limiter l'entraide prêtée par la Suisse à ce qui ne tomberait pas sous le coup du secret de la défense nationale, il leur appartenait de le faire. Le Juge d'instruction a pris la précaution de donner l'occasion à l'autorité requérante de se prononcer sur ce point et la réponse qu'il a reçue est univoque. Le dommage qui pourrait résulter du dévoilement du BGE 130 II 236 S. 243 se cret de la défense nationale ne pourrait être le fait que des autorités françaises elles-mêmes. La Suisse n'encourrait aucun reproche à cet égard. 5. Les recourants reprochent au Juge d'instruction d'avoir transmis des pièces au Juge Van Ruymbeke de manière irrégulière. 5.1 Dans le champ d'application de la CEEJ, les demandes d'entraide et les pièces d'exécution sont transmises de ministère à ministère ( art. 15 par. 1 CEEJ ). En cas d'urgence toutefois, elles peuvent être communiquées directement d'autorité judiciaire à autorité judiciaire ( art. 15 par. 2 CEEJ ). A propos de cette dernière disposition, la France a fait, au moment de ratifier la CEEJ, une réserve selon laquelle, même en cas d'urgence, une copie de la demande doit être adressée au Ministère de la justice. Pour ce qui concerne les relations entre la Suisse et la France, l'art. XIV par. 1 de l'Accord du 28 octobre 1996 entre le Conseil fédéral suisse et le Gouvernement de la République française en vue de compléter la CEEJ (RS 0.351.934.92; ci-après: l'Accord complémentaire) prévoit que les demandes sont adressées, en France, au Procureur général près la Cour d'appel dans le ressort de laquelle la demande doit être exécutée et, en Suisse, à l'autorité judiciaire compétente. Cette disposition spéciale l'emporte sur la règle générale posée à l' art. 15 par. 2 CEEJ , lu à la lumière de la réserve française. Elle ne fait aucune distinction entre les demandes qui sont urgentes et celles qui ne le sont pas. Dans le domaine de la Convention du 8 novembre 1990 relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la confiscation des produits du crime (CBl; RS 0.311.53), les demandes sont transmises par le canal de l'autorité centrale instituée par cette Convention spéciale ( art. 23 par. 1 CBl ; en France, le Ministère de la justice est l'autorité centrale, en Suisse, l'Office fédéral, selon les déclarations faites par les deux Etats à cette disposition). En cas d'urgence, les autorités judiciaires peuvent communiquer directement entre elles; en ce cas, l'autorité centrale de l'Etat requérant doit adresser une copie de la demande à l'autorité centrale de l'Etat requis ( art. 24 par. 2 CBl ). 5.2 Les recourants font valoir que le Juge d'instruction a, les 1 er et 2 octobre 2001, transmis directement au Juge Van Ruymbeke une demande d'entraide complémentaire et des relevés bancaires, par le moyen de la télécopie. Il n'y a pas lieu de s'y arrêter, car ces communications ont été faites pour les besoins de la procédure P/8410/2001, laquelle est exorbitante du présent recours. BGE 130 II 236 S. 244 5.3 Les recourants contestent également la transmission directe du Juge d'instruction à son homologue français de son courrier du 8 octobre 2003 (cf. consid. 4.4 ci-dessus). Cette intervention avait pour but de faire confirmer ou infirmer, par l'autorité requérante, son intérêt éventuel à recevoir, pour l'exécution de la demande d'entraide, des pièces remises à la Suisse par les autorités de Taïwan. Il ne s'agissait pas d'une demande d'entraide; partant, les art. 15 CEEJ et XIV de l'Accord complémentaire ne trouvaient pas à s'appliquer. De toute manière, même à supposer que le Juge d'instruction ait agi irrégulièrement, les recourants ne pourraient rien en tirer à leur avantage. En effet, les règles relatives à l'acheminement des demandes ménagent uniquement la souveraineté de l'Etat requis; elles n'ont pas pour but de protéger la personne poursuivie, qui ne peut s'en prévaloir (arrêt 1A.262/1993 du 8 février 1994). 6. Les recourants reprochent au Juge d'instruction d'avoir transmis aux autorités françaises des moyens de preuve touchant au domaine secret, en violation de l' art. 67a al. 4 EIMP . 6.1 L' art. 67a EIMP est libellé de la manière suivante: "1 L'autorité de poursuite pénale peut transmettre spontanément à une autorité étrangère des moyens de preuve qu'elle a recueillis au cours de sa propre enquête, lorsqu'elle estime que cette transmission: a. est de nature à permettre d'ouvrir une poursuite pénale, ou b. peut faciliter le déroulement d'une enquête en cours. 2 La transmission prévue à l'al. 1 n'a aucun effet sur la procédure pénale en cours en Suisse. 3 La transmission d'un moyen de preuve à un Etat avec lequel la Suisse n'est pas liée par un accord international requiert l'autorisation de l'office fédéral. 4 Les al. 1 et 2 ne s'appliquent pas aux moyens de preuve qui touchent au domaine secret. 5 Des informations touchant au domaine secret peuvent être fournies si elles sont de nature à permettre de présenter une demande d'entraide à la Suisse. 6 Toute transmission spontanée doit figurer dans un procès-verbal. " L' art. 67a EIMP s'inspire de l' art. 10 CBl , aux termes duquel, sans préjudice de ses propres investigations ou procédures, un Etat partie à cette Convention peut, sans demande préalable, transmettre à un autre Etat des informations sur les instruments et les produits (au sens de l' art. 1 CBl ), lorsqu'il estime que la communication de ces BGE 130 II 236 S. 245 informations pourrait aider l'Etat destinataire à engager ou à mener à bien des investigations ou des procédures, ou lorsque ces informations pourraient aboutir à la présentation, par l'Etat destinataire, d'une demande d'entraide fondée sur la CBl (quant aux rapports entre les art. 67a EIMP et 10 CBl, cf. ATF 129 II 544 consid. 3.5 p. 548/549). 6.2 Le 20 juin 2001, le Juge d'instruction a informé le Juge Van Ruymbeke du nouveau volet de son enquête concernant le contrat des frégates. Cette communication est intervenue dans le cadre de la procédure pénale nationale P/9740/1997. Elle a amené le Procureur de la République de Paris à ouvrir une procédure pénale en France, confiée au Juge Van Ruymbeke, et pour les besoins de laquelle celui-ci a demandé l'entraide à la Suisse, le 13 octobre 2001. La communication spontanée du 20 juin 2001 a été faite en application de l' art. 67a al. 1 let. a EIMP . Seules des informations pouvaient être transmises, à l'exclusion de moyens de preuve ( art. 67a al. 4 et 5 EIMP ). Le courrier du 20 juin 2001 mentionne le contrat des frégates, le rôle reproché à Wang Chuan-pu, ainsi que l'existence de comptes détenus par les membres de sa famille auprès du Crédit Suisse et de la banque Leu à Zurich. Il s'agit là d'informations touchant au domaine secret, mais non de moyens de preuve (cf. ATF 129 II 544 consid. 3.4 p. 547/548; ATF 125 II 356 consid. 12c p. 367; ROBERT ZIMMERMANN, op. cit., n° 238). Le 26 juin 2001, le Juge d'instruction a présenté aux autorités françaises une demande d'entraide pour les besoins de la procédure pénale nationale P/8410/2001. Il a complété cette demande le 1 er octobre 2001. Dès l'instant où l'autorité suisse requiert l'entraide à l'étranger, il n'y a plus de place pour une transmission spontanée à l'Etat requis ( ATF 129 II 544 consid. 3.2 p. 546/547). L' art. 67a EIMP ne trouvait pas à s'appliquer en l'occurrence. 6.3 Les recourants estiment toutefois que la communication du 1 er octobre 2001 (ainsi qu'un document annexe transmis par télécopie le 2 octobre 2001), sous couvert d'une demande d'entraide, avait pour but de transmettre aux autorités françaises des moyens de preuve que celles-ci n'auraient pu obtenir, le cas échéant, qu'après l'entrée en force d'une décision de clôture. Ce grief se rapporte à une demande d'entraide suisse à l'étranger, entrée en force depuis plusieurs années, et que les recourants ne sauraient remettre en discussion dans le cadre du présent recours. BGE 130 II 236 S. 246 De toute manière, le grief devrait être écarté. 6.3.1 La demande suisse adressée à l'étranger doit contenir un exposé des faits pour lesquels l'entraide est demandée (cf. en l'occurrence les art. 14 CEEJ , XIII de l'Accord complémentaire et 28 EIMP). Cet exposé doit rester prudent et se limiter à ce qui est nécessaire pour la compréhension et l'exécution de la demande (arrêt 1P.615/2000 du 7 novembre 2000, consid. 2b et les arrêts cités). 6.3.2 La demande complémentaire du 1 er octobre 2001 avait pour but d'éclaircir la provenance de fonds acheminés sur les comptes des recourants, en particulier de montants très importants provenant de comptes ouverts auprès de banques françaises, dont le Juge d'instruction soupçonnait qu'ils puissent être détenus ou contrôlés par Thomson. Ce complément visait à obtenir la documentation relative à ces comptes. En annexe, le Juge d'instruction a joint la copie de vingt-quatre ordres de virement attestant les mouvements de fonds entre les comptes des recourants et ceux ouverts en France. Le 2 octobre 2001, le Juge d'instruction a transmis à son homologue français un tableau récapitulatif des mouvements suspects, en indiquant à chaque fois la provenance des fonds, leur montant, la date du transfert, le compte bénéficiaire en Suisse et le titulaire de celui-ci. Contrairement à ce que soutiennent les recourants, ces indications étaient indispensables aux autorités de l'Etat requis pour s'assurer du caractère adéquat et nécessaire des investigations demandées par le Juge d'instruction. 6.4 Il semble que la transmission spontanée d'informations du 20 juin 2001 n'ait pas fait l'objet d'un procès-verbal, contrairement à ce que prévoit l' art. 67a al. 6 EIMP . Cela étant, on peut admettre qu'en joignant au dossier de la procédure pénale nationale P/9740/ 1997 la copie du courrier adressé à l'autorité étrangère, le Juge d'instruction a, d'un point de vue matériel, satisfait aux obligations que lui impose la loi à ce propos. En revanche, le dossier ne contient aucune indication qui confirmerait que la communication spontanée du 20 juin 2001 a été portée à la connaissance de l'Office fédéral, comme l'impose la jurisprudence ( ATF 125 II 238 consid. 6d p. 249). Cette omission regrettable ne constitue toutefois qu'un défaut mineur qui ne remet pas en cause le bien-fondé de la démarche du Juge d'instruction.
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Sachverhalt ab Seite 176 BGE 141 V 175 S. 176 A. Le 8 décembre 2011, la Caisse de compensation du Jura a adressé à tous les assureurs qui pratiquent l'assurance obligatoire des soins selon la LAMal dans la République et canton du Jura la circulaire n° 51 relative à la "Prise en charge des primes irrécouvrables et participations aux coûts à partir du 1 er janvier 2012". A propos de la mise en oeuvre de l' art. 105i OAMal ([RS 832.102]; "Titres considérés comme équivalents à un acte de défaut de biens"), la circulaire précise: Non seulement les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI mais également les bénéficiaires d'aide sociale ne doivent pas être poursuivis. Vous devez vous baser sur nos annonces de réductions de primes qui donnent les indications au sujet de ce genre de bénéficiaires, afin de ne pas lancer la poursuite. Si la procédure de poursuite a déjà été lancée, elle devra être arrêtée dès notre annonce de réduction de primes. Pour tous ces cas-là, notre canton prend en charge le 85 % des primes et participations aux coûts, mais ne prend en charge aucun frais. B. Par courrier du 27 mars 2013, Avenir Assurance Maladie SA, Easy Sana Assurance Maladie SA, Mutuel Assurance Maladie SA et Philos Assurance Maladie SA ont remis à la Caisse de compensation du Jura les décomptes finaux des actes de défaut de biens (primes et participations aux coûts arriérées, intérêts moratoires et frais de poursuite) durant l'année 2012, ainsi que le rapport de révision qui s'y rapportait. Par courrier du 28 mai 2013, la Caisse de compensation du Jura a informé les assureurs susmentionnés qu'elle avait corrigé les décomptes remis, dans la mesure où ils n'avaient pas été établis conformément à la circulaire n° 51 du 8 décembre 2011, la demande de prise en charge portant sur le 100 % des primes et des participations aux coûtsdes bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale au lieu des 85 % prévus dans la circulaire. Malgré les contestations des assureurs, la Caisse de compensation du Jura a, par décision du 25 octobre 2013, confirmée sur opposition le 13 décembre suivant, répété qu'elle ne prenait en charge, s'agissant BGE 141 V 175 S. 177 des bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale, que 85 % des créances impayées. C. Par jugement du 14 août 2014, la Cour des assurances du Tribunal cantonal de la République et canton du Jura a rejeté, dans la mesure où celui-ci était recevable, le recours formé contre la décision sur opposition du 13 décembre 2013. D. Avenir Assurance Maladie SA, Easy Sana Assurance Maladie SA, Mutuel Assurance Maladie SA et Philos Assurance Maladie SA interjettent un recours en matière de droit public contre ce jugement dont elles requièrent l'annulation. Principalement, elles demandent que le Tribunal fédéral constate que l' art. 105i OAMal et la circulaire n° 51 du 8 décembre 2011 violent le droit fédéral et condamne la Caisse de compensation du Jura à prendre en charge le 100 % (et non seulement le 85 %) des primes et participations aux coûts, sans intérêts moratoires, des bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale qui n'ont pas fait l'objet de poursuite à la demande de la Caisse de compensation du Jura. Subsidiairement, elles demandent au Tribunal fédéral de constater que l' art. 105i OAMal et la circulaire n° 51 du 8 décembre 2011 violent le droit fédéral, de les autoriser à mettre en poursuite les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale pour le 100 % des primes et participations aux coûts et de condamner la Caisse de compensation du Jura à prendre en charge, sur la base des actes de défaut de biens soumis, le 85 % des primes et participations aux coûts, inclusivement les frais de poursuite et les intérêts moratoires, des bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale. Le recours a été rejeté.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. A travers la question du sens et de la portée à donner à la circulaire n° 51 de la Caisse de compensation du Jura, est implicitement litigieuse en l'espèce la question de l'autonomie laissée aux assureurs, dans le contexte de la prise en charge par les cantons des arriérés de primes et de participations aux coûts, pour recouvrer par la voie de la poursuite pour dettes les créances qu'ils ont à l'encontre de leurs assurés bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de l'aide sociale. BGE 141 V 175 S. 178 2.1 Partant du constat que la prise en charge par le canton des primes et participations aux coûts impayées dépendait de la preuve de l'insolvabilité de l'assuré, la juridiction cantonale a constaté qu'il n'était pas nécessaire de prouver par le biais d'une procédure d'exécution forcée l'insolvabilité d'un bénéficiaire de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de l'aide sociale et d'engager inutilement des frais de recouvrement, dès lors qu'il y a lieu de présumer l'insolvabilité de ces personnes. C'est d'ailleurs dans ce sens que le législateur avait confié le soin au Conseil fédéral de désigner les titres équivalents à un acte de défaut de biens, à savoir les titres constatant l'insolvabilité de l'assuré et permettant aux cantons d'effectuer le versement de leur part sur une base digne de foi. La notion de titres assimilés à un acte de défaut de biens au sens de la LAMal n'avait cependant aucun lien avec la poursuite pour dettes au sens de la loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP; RS 281.1). Ces titres ne conféraient en aucun cas les mêmes effets qu'un acte de défaut de biens; ils devaient uniquement servir à déterminer si une personne était insolvable sans qu'il fût nécessaire de passer par la procédure de poursuite pour dettes. Concernant plus particulièrement la circulaire n° 51 de la Caisse de compensation du Jura, elle ne pouvait pas, en tant qu'ordonnance administrative, contenir de règles de droit et ne liait ni les administrés ni les tribunaux ni l'administration elle-même. Elle ne pouvait donc comporter une interdiction faite aux assureurs d'engager des poursuites contre des débiteurs en demeure, si bien que lesdits assureurs restaient libres de faire usage de cette possibilité s'ils le jugeaient utile. La circulaire ne devait pas être comprise comme une interdiction adressée aux assureurs d'engager des poursuites, mais plutôt comme une dispense de le faire, dans le sens que l'existence de poursuites ne constituait pas une condition au remboursement des primes et participations aux coûts non réglées par les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de l'aide sociale. En tant que les assureurs demandaient l'autorisation de pouvoir mettre en poursuite les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de l'aide sociale pour le 100 % des primes et prestations aux coûts, cette conclusion était par conséquent sans objet. Il convenait néanmoins de préciser que l'assureur qui engageait des poursuites sans que cela ne fût nécessaire pour obtenir le remboursement par le canton des primes et participations aux coûts, ne pouvait réclamer les frais y relatifs au canton. Quant à la conclusion tendant au BGE 141 V 175 S. 179 remboursement du 100 % des créances irrécouvrables, elle était sans fondement, compte tenu de la teneur de l' art. 64a al. 4 LAMal fixant à 85 % la part de la prise en charge par le canton. 2.2 Les recourantes allèguent que l' art. 105i OAMal et la circulaire n° 51 de la Caisse de compensation du Jura violeraient le droit fédéral en assimilant les décisions d'octroi de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou des titres équivalents (tels que les annonces de bénéficiaires de l'aide sociale) à des actes de défaut de biens. L' art. 64a LAMal parlerait uniquement de titres équivalents à des actes de défaut de biens, sans apporter plus de précision. Il ne pourrait donc servir de base pour une délégation violant une autre loi fédérale, à savoir la LP. L' art. 105i OAMal et la circulaire n° 51 entraveraient de façon importante les intérêts financiers des assureurs-maladie et, plus grave encore, les intérêts de tous les assurés payant correctement leurs primes et participations aux coûts. Les documents dont il est fait mention à l' art. 105i OAMal et dans la circulaire n° 51 ne confèrent pas à l'assureur les mêmes droits qu'un acte de défaut de biens: ils ne valent en effet pas titre de mainlevée et laissent les assureurs dans l'impossibilité de recouvrer leurs créances. Dans la mesure où le droit à des cotisations arriérées s'éteint cinq ans après la fin de l'année civile pour laquelle la cotisation devrait être payée ( art. 24 LPGA ; RS 830.1), les assureurs n'auraient plus la possibilité, faute d'actes de défaut de biens, de recouvrer leur créance, même si un bénéficiaire d'aide sociale revenait par exemple à meilleure fortune. Accepter la manière de faire proposée par la Caisse de compensation du Jura aboutirait à un système de rabais pour les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de l'aide sociale, puisque le canton du Jura ne prendrait en charge, de façon généralisée, que les 85 % des primes et participations aux coûts arriérées, violant ainsi le principe de l'égalité de traitement. Dans la mesure où l'octroi de prestations complémentaires à l'AVS/AI ou de prestations de l'aide sociale ne valait pas titre équivalant à un acte de défaut de biens, la République et canton du Jura était tenue de prendre en charge le 100 % des primes et participations aux coûts arriérées des bénéficiaires de ces prestations. 3. En vertu de l' art. 64a al. 4 LAMal , les cantons sont tenus de prendre en charge 85 % des créances relevant de l'assurance obligatoire des soins (primes et participations aux coûts arriérées, intérêts moratoires et frais de poursuite) pour lesquelles un acte de défaut de biens BGE 141 V 175 S. 180 ou un titre équivalent a été délivré durant la période considérée. Pour obtenir le versement de ces montants, les assureurs doivent, conformément à l' art. 64a al. 3 LAMal , annoncer à l'autorité cantonale compétente les débiteurs concernés et, pour chacun, le montant total des créances impayées, après avoir demandé à l'organe de contrôle désigné par le canton d'attester l'exactitude des données communiquées. Selon l' art. 64a al. 8 LAMal , le Conseil fédéral désigne les titres jugés équivalents à un acte de défaut de biens. Faisant application de cette délégation de compétence, le Conseil fédéral a édicté l' art. 105i OAMal , aux termes duquel sont assimilés à des actes de défaut de biens au sens de l' art. 64a al. 3 LAMal les décisions d'octroi de prestations complémentaires ou des titres équivalents qui constatent l'absence de ressources financières propres de l'assuré, mandat étant donné aux cantons de désigner les décisions et titres concernés. 4. 4.1 En tant que les recourantes reprochent à la circulaire n° 51 de la Caisse de compensation du Jura de ne pas reposer sur une base légale, le grief est dénué de portée. Comme l'a relevé à juste titre la juridiction cantonale, les directives de l'administration, dans la mesure où elles sont destinées à assurer l'application uniforme des prescriptions légales, n'ont pas force de loi et, par voie de conséquence, ne lient ni les administrés ni les tribunaux; elles ne constituent pas des normes de droit fédéral au sens de l' art. 95 let. a LTF et n'ont pas à être suivies par le juge. Elles servent tout au plus à créer une pratique administrative uniforme et présentent à ce titre une certaine utilité; elles ne peuvent en revanche sortir du cadre fixé par la norme supérieure qu'elles sont censées concrétiser. En d'autres termes, à défaut de lacune, les directives ne peuvent prévoir autre chose que ce qui découle de la législation ou de la jurisprudence ( ATF 133 V 346 consid. 5.4.2 p. 352 et les références). 4.2 Contrairement à ce que soutiennent les recourantes, l' art. 105i OAMal constitue une base légale suffisante pour permettre d'assimiler les décisions d'octroi de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale à des actes de défaut de biens, dès lors qu'il est notoire que l'octroi de telles prestations résultent de l'absence de ressources financières suffisantes chez la personne bénéficiaire. Même si la République et canton du Jura n'a pas concrétisé dans son ordre juridique les décisions et titres concernés par cette disposition, cela ne saurait porter à conséquence. Au demeurant, on ne voit pas BGE 141 V 175 S. 181 quel est l'intérêt pour les assureurs de faire examiner la légalité de l' art. 105i OAMal , puisque l'extension de la prise en charge à d'autres catégories d'assurés que ceux contre lesquels un acte de défaut de biens a été délivré leur permet de diminuer d'autant plus les pertes liées au non-paiement des primes et des participations aux coûts. A l'instar de la juridiction cantonale, on précisera afin d'être exhaustif que l'assimilation dans le contexte précis de l' art. 64a LAMal des décisions d'octroi de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale à des actes de défaut de biens ne modifie d'aucune manière la notion d'acte de défaut de biens au sens de la LP. 4.3 Cela étant, il convient de constater que l'extension de la prise en charge cantonale aux bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale n'a, dans les faits, qu'une portée marginale. 4.3.1 En vertu de l'art. 10 al. 1 de l'ordonnance [de la République et canton du Jura] du 25 octobre 2011 concernant la réduction des primes dans l'assurance-maladie (RSJU 832.115), les bénéficiaires de prestations d'aide sociale, y compris ceux qui pourraient obtenir de l'aide sociale s'ils ne bénéficiaient pas de la réduction de prime, obtiennent une réduction totale de leur prime jusqu'à concurrence de la prime moyenne cantonale fixée chaque année dans l'ordonnance du Département fédéral de l'intérieur (DFI) relative aux primes moyennes de l'assurance obligatoire des soins pour le calcul des prestations complémentaires (RS 831.309.1; voir également l'art. 8 de l'arrêté [de la République et canton du Jura] du 8 novembre 2005 fixant les normes applicables en matière d'aide sociale [RSJU 850.111.1]). D'après l'art. 10 al. 2 de la même ordonnance, les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI obtiennent également une réduction de leur prime correspondant à la prime moyenne cantonale fixée dans l'ordonnance du DFI. 4.3.2 En vertu des art. 10 et 11 al. 1 de l'ordonnance [de la République et canton du Jura] du 23 novembre 2010 sur les prestations complémentaires à l'assurance-vieillesse, survivants et invalidité (RSJU 831.301), en corrélation avec l' art. 14 al. 1 let . g et al. 2 de la loi fédérale du 6 octobre 2006 sur les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI (LPC; RS 831.30), la participation prévue par l' art. 64 LAMal aux coûts des prestations remboursées par l'assurance obligatoire des soins en vertu de l' art. 24 LAMal est remboursée dans la limite des montants maximaux prévus à l' art. 14 al. 3 LPC . BGE 141 V 175 S. 182 4.3.3 En vertu de l'art. 9 de l'arrêté [de la République et canton du Jura] du 8 novembre 2005 fixant les normes applicables en matière d'aide sociale, la franchise et les participations à charge de l'assuré sont prises en charge par l'aide sociale. 4.3.4 Ainsi qu'il découle des dispositions précitées, s'agissant de bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale, ce n'est que dans un nombre de cas restreint qu'une prise en charge par la République et canton du Jura au titre de l' art. 64a LAMal peut entrer en ligne de compte, soit lorsque la prime d'assurance de l'assuré dépasse le montant de la prime moyenne cantonale ou lorsque les frais payés au titre de la participation aux coûts ne sont plus couverts par les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI. 4.4 Comme l'a souligné la juridiction cantonale, les art. 64a LAMal et 105i OAMal n'interfèrent en tout état de cause pas dans la relation contractuelle entre assureur et assuré. Même si le canton prend en charge 85 % des créances relevant de l'assurance obligatoire des soins pour lesquelles un acte de défaut de biens ou un titre équivalent a été délivré, l'assureur reste le seul et unique créancier de l'assuré. L' art. 64a LAMal ne prévoit pas une subrogation du canton dans les droits de l'assureur à concurrence du montant pris en charge. D'après la volonté claire du législateur, l'assureur demeure seul habilité à obtenir le paiement des créances impayées, que ce soit par le biais de la poursuite pour dettes au sens de la LP ou d'une convention de remboursement. Conformément à l' art. 64a al. 5 LAMal , l'assureur est ainsi tenu de garder les actes de défaut de biens et les titres équivalents afin de pouvoir faire valoir ces titres au-delà et indépendamment de la prise en charge par le canton jusqu'au paiement intégral des créances arriérées. Afin d'inciter l'assureur à obtenir ce paiement, l' art. 64a al. 5 LAMal prévoit expressément que celui-ci puisse conserver la moitié des montants récupérés (voir le Rapport de la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national du 28 août 2009 sur l'initiative parlementaire "Article 64a LAMal et primes non payées", FF 2009 5973, 5977 s.). 4.5 Nonobstant son caractère non contraignant, la circulaire n° 51 de la Caisse de compensation du Jura, singulièrement la formulation quelque peu confuse de celle-ci, appelle un certain nombre de commentaires de la part du Tribunal fédéral. 4.5.1 A l'instar de la juridiction cantonale, on relèvera d'une part que la Caisse de compensation du Jura n'a pas le pouvoir d'empêcher un BGE 141 V 175 S. 183 assureur de mettre en poursuite un assuré pour le montant des primes et des participations aux coûts qui ne seraient pas couvertes par les réductions de prime ou les prestations complémentaires allouées par la République et canton du Jura (cf. supra consid. 4.4). Une telle interdiction reviendrait à rendre illusoire, eu égard aux règles de la prescription ( art. 24 al. 1 LPGA ), la possibilité de pouvoir récupérer un jour ces montants, ce qui ne serait dans l'intérêt ni de l'assureur ni du canton tenu de prendre en charge les créances impayées, dès lors que ce dernier a droit à la restitution de 50 % des montants récupérés par l'assureur. 4.5.2 La circulaire n° 51 ne saurait d'autre part être comprise en ce sens que la prise en charge par la République et canton du Jura des primes et participations aux coûts dues par les bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale serait limitée, toutes prestations comprises, à 85 % du montant total desdites primes et participations aux coûts. Il convient en effet de bien dissocier ce qui relève de la prise en charge, conformément à la législation fédérale et cantonale applicable, au titre de mécanismes tels que la réduction des primes d'assurance-maladie, les prestations complémentaires ou l'aide sociale (cf. supra consid. 4.3) de ce qui relève de l' art. 64a LAMal . La prise en charge par le canton au titre de cette disposition, par nature subsidiaire, n'intervient qu'en présence de créances irrécouvrables, ce qui n'est pas le cas de prestations prises en charge par des mécanismes fédéraux et cantonaux de financement (réduction des primes d'assurance-maladie, prestations complémentaires ou aide sociale). 4.6 Cela étant précisé, il convient de constater que la Caisse de compensation du Jura n'a pas violé le droit fédéral, en fixant à 85 % la part prise en charge par la République et canton du Jura concernant les primes et les participations aux coûts des bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale ayant fait l'objet d'une communication par les recourantes et, partant, en corrigeant les décomptes remis par les recourantes. Contrairement à ce que soutiennent les recourantes, l'ordre légal ne laisse aucune place pour une prise en charge complète des primes et participations aux coûts impayées de bénéficiaires de prestations complémentaires à l'AVS/AI et de l'aide sociale.
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Erwägungen ab Seite 117 BGE 84 IV 117 S. 117 Aus den Erwägungen: Gemäss § 16 Abs. 1 lit. c der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940 sind Fuhrwerke zum Verkehr u.a. nur dann zugelassen, wenn sie auf der Rückseite links mit einer roten oder orangefarbigen Reflexlinse von mindestens 5 cm Durchmesser versehen sind. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sich über diese Vorschrift hinweggesetzt hat und dass diese Widerhandlung eine rechtserhebliche Ursache des Zusammenstosses und damit der Verletzung des Cosandey wie der Störung des öffentlichen Verkehrs war. Er macht jedoch geltend, die angeführte Vorschrift widerspreche dem Art. 33 MFG, sei also bundesrechtswidrig, weshalb ihre Nichtbeachtung keine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 3 StGB darstelle und BGE 84 IV 117 S. 118 der Beschwerdeführer infolgedessen weder die Verletzung des Cosandey noch die Störung des öffentlichen Verkehrs schuldhaft verursacht habe. Dieser Einwand geht fehl. Die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über den Strassenverkehr steht nicht ausschliesslich dem Bunde zu, sondern ist zwischen diesem und den Kantonen geteilt. Bundessache ist gemäss Art. 37bis Abs. 1 BV die Gesetzgebung über den Verkehr mit Automobilen und Fahrrädern, während die Kompetenz, Vorschriften für die übrigen Strassenbenützer aufzustellen, grundsätzlich den Kantonen verblieben ist (Botschaft des Bundesrates, BBl. 1930 S. 851). Das ergibt sich auch daraus, dass die im Jahre 1927 eingereichte Initiative, welche durch eine entsprechende Ergänzung des Art. 37bis Abs. 1 BV dem Bunde die Gesetzgebung für den gesamten Strassenverkehr übertragen wollte, am 12. Mai 1929 verworfen worden ist. In diese Befugnis der Kantone kann der Bund nur soweit eingreifen, als es zur richtigen Durchführung der für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr aufgestellten Vorschriften notwendig ist. Anderseits dürfen die von den Kantonen erlassenen Vorschriften für die anderen Strassenbenützer der bundesrechtlichen Ordnung des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs nicht zuwiderlaufen (Botschaft des Bundesrates, BBl. 1930 S. 867; STREBEL, Kommentar, N. 18 der Einleitung, N. 5 f. zu Art. 2 - 3). Demgemäss stellt das BG über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr für die anderen Strassenbenützer keine abschliessende Verkehrsordnung auf, vielmehr enthält es unter diesem Titel in den Art. 33 - 35 lediglich einige für die Sicherheit des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs als unerlässlich erachtete Mindestanforderungen für die sonstige Benützung der Strassen, die unter dem oben angeführten Vorbehalt durch kantonale Vorschriften ergänzt werden können. So sind die Kantone insbesondere befugt, für alle Fahrzeuge, die weder Automobile noch Fahrräder im Sinne des Art. 37bis Abs. 1 BV sind, Beleuchtungsvorschriften BGE 84 IV 117 S. 119 zu erlassen, die über die in Art. 33 Abs. 1 MFG aufgestellten Grundsätze hinausgehen. Dazu gehört auch die Ausdehnung der Beleuchtungspflicht auf die vom Felde kommenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge, von der sie gemäss Art. 33 Abs. 1 MFG ausgenommen sind (STREBEL, a.a.O. N. 1 zu Art. 33; STADLER, Kommentar, N. 7 zu Art. 33; BUSSY, Kommentar, N. 2 zu Art. 33). Diese Vorzugsbehandlung könnte nach dem Gesagten durch kantonale Erlasse nur dann weder eingeschränkt noch aufgehoben werden, wenn sie im Hinblick auf den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr geboten wäre. Es bedarf keiner Begründung, dass gerade das Gegenteil zutrifft. Ist demnach davon auszugehen, dass die Kantone berechtigt sind, die Beleuchtung der vom Felde kommenden landwirtschaftlichen Fuhrwerke und damit auch - was weniger weit geht - das Anbringen von Reflexlinsen an solchen vorzuschreiben, so ist die dahingehende Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. c der bernischen VO über die Strassenpolizei und Strassensignalisation nicht bundesrechtswidrig und verletzt daher auch die Annahme der Vorinstanz, in der Missachtung dieser Vorschrift liege eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 3 StGB , eidgenössisches Recht nicht.
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Sachverhalt ab Seite 67 BGE 128 II 66 S. 67 Le Grand Conseil du canton de Genève a adopté le 22 septembre 2000 la loi sur l'imposition des personnes physiques (LIPP V) - Détermination du revenu net - Calcul de l'impôt et rabais d'impôt - Compensation des effets de la progression à froid (8202) (ci-après citée: LIPP V ou loi cantonale), visant à harmoniser le droit genevois conformément à la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'harmonisation des impôts directs des cantons et des communes (ci-après citée: LHID ou loi fédérale d'harmonisation; RS 642.14). Publiée une première fois dans la Feuille d'Avis Officielle du canton de Genève le 29 septembre 2000, la loi cantonale a fait l'objet d'une seconde publication le 17 novembre 2000, à l'expiration du délai référendaire qui n'a pas été utilisé. Le 30 octobre 2000, X. a déposé deux recours de droit public, avec suite de frais et dépens, l'un demandant de constater que les art. 4 al. 2 LIPP V (déduction des frais de maladie, accidents ou invalidité) et 6 al. 3 LIPP V (déduction des frais d'administration de la fortune mobilière) sont contraires au droit fédéral régissant la matière et de les annuler, l'autre de constater que l'art. 14 al. 2 dernière phrase LIPP V (rabais d'impôt) est contraire au principe de l'égalité de traitement et de l'annuler. Par ordonnance du 7 novembre 2000, le Président de la IIe Cour de droit public a pris acte du retrait du recours du 30 octobre 2000 en tant que dirigé contre l'art. 14 al. 2 dernière phrase LIPP V et a renvoyé la question des frais au jugement au fond de l'autre recours. Celui-ci a été partiellement admis dans la mesure où il était recevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le Tribunal fédéral vérifie d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis. Comme le recours de droit public n'est recevable que si la prétendue violation ne peut pas être soumise par une action ou par un autre moyen de droit quelconque au Tribunal fédéral ou à une autre autorité fédérale (cf. art. 84 al. 2 OJ ), il faut examiner d'abord si la voie du recours de droit administratif est ouverte. a) Selon l' art. 97 al. 1 OJ , le Tribunal fédéral connaît, en dernière instance, les recours de droit administratif contre des décisions au sens de l' art. 5 PA , fondées sur le droit fédéral ou qui auraient dû l'être. L' art. 73 LHID a étendu le recours de droit administratif aux décisions cantonales de dernière instance lorsqu'elles portent sur une BGE 128 II 66 S. 68 matière réglée dans les titres deuxième à cinquième et sixième chapitre 1er de la loi fédérale d'harmonisation. En l'espèce, le recours n'est toutefois pas dirigé contre une "décision", mais directement contre un arrêté cantonal de portée générale, qui ne peut faire l'objet d'un recours de droit administratif, car ce moyen de droit ne sert pas à un contrôle abstrait des normes (cf. ATF 124 I 145 consid. 1a p. 148). Dès lors, seule la voie du recours de droit public est ouverte (cf. ADRIAN KNEUBÜHLER, Durchsetzung der Steuerharmonisierung, in Archives 69 p. 209, p. 226 ss, p. 252 s.; BERNHARD GREMINGER, in Martin Zweifel/Peter Athanas, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bâle 1997 [ci-après abrégé: Kommentar StHG], n. 28 ad art. 72 LHID ; ULRICH CAVELTI, in Kommentar StHG, n. 1 ad art. 73 LHID ; ANDREAS KLEY-STRULLER, Die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Artikel 73 des Steuerharmonisierungsgesetzes, in Festschrift zum 65. Geburtstag von Ernst Höhn, Berne 1995, p. 132 s.). c) aa) L'intimé soutient que le recours de droit public serait irrecevable parce qu'intenté contre une loi votée et promulguée avant l'expiration du délai de huit ans accordé aux cantons pour adapter leur législation aux dispositions des titres deuxième à sixième de la loi fédérale d'harmonisation (cf. art. 72 al. 1 LHID ); de plus, déposé avant l'échéance de ce délai de huit ans, le recours ne serait, pour ce motif également, pas recevable, conformément à la doctrine et à la jurisprudence du Tribunal fédéral concernant l' art. 73 LHID . bb) S'agissant du recours de droit administratif prévu à l' art. 73 al. 1 LHID , le Tribunal fédéral a admis qu'il n'était pas ouvert pendant le délai de huit ans courant dès l'entrée en vigueur de la loi fédérale d'harmonisation le 1er janvier 1993, et cela même si le canton prétendait avoir déjà harmonisé son droit de manière anticipée (cf. ATF 124 I 145 consid. 1a p. 148; ATF 123 II 588 consid. 2d p. 592 s.; DANIELLE YERSIN, Harmonisation fiscale: La dernière ligne droite, in Archives 69 p. 305, p. 307 ss). Il est toutefois douteux que les considérations à l'appui de cette jurisprudence puissent s'appliquer sans autre au recours de droit public (en particulier les motifs tirés du droit des cantons d'épuiser le délai d'adaptation, de l'inégalité entre cantons, de l'insécurité juridique). Il est vrai qu'un examen portant sur la conformité de la loi cantonale à la loi fédérale d'harmonisation pourrait paraître vain pendant le délai d'adaptation de huit ans, puisque la loi fédérale pouvait parfaitement être modifiée pendant ce même délai - et l'a d'ailleurs BGE 128 II 66 S. 69 été à plusieurs reprises (cf. JEAN-BLAISE PASCHOUD, Survol des récentes modifications [1998/1999] du droit fédéral concernant les impôts directs, in RDAF 2000 II p. 1 ss). Toutefois, l'octroi d'un délai d'adaptation aux cantons ne saurait conduire à diminuer ou supprimer la protection des droits constitutionnels des contribuables et à soustraire la législation cantonale au contrôle judiciaire, comme le suggère THOMAS MEISTER (Rechtsmittelsystem der Steuerharmonisierung, thèse St-Gall 1994, p. 81 s.). En outre, la question de savoir si le droit cantonal doit ou non être conforme à la loi fédérale d'harmonisation, le cas échéant s'il l'est ou non, relève du fond et non de la recevabilité du recours de droit public. C'est d'ailleurs ce qu'a admis tacitement le Tribunal fédéral dans plusieurs arrêts (cf. ATF 124 I 145 , 101; Pra 89/2000 n. 26 p. 152) où il est entré en matière sur de tels recours (cf. KNEUBÜHLER, op. cit., p. 253). La question n'a toutefois pas à être tranchée définitivement ici, car il ne s'agit pas d'apprécier la conformité à la loi fédérale d'harmonisation d'une loi fiscale cantonale qui doit être appliquée pendant le délai d'adaptation. Les dispositions attaquées sont en effet entrées en vigueur le 1er janvier 2001 (art. 20 LIPP V), soit après l'expiration du délai de huit ans prévu à l' art. 72 al. 1 LHID . Elles doivent donc être immédiatement conformes au droit fédéral. Qu'elles aient été adoptées peu avant l'échéance du délai et que le recours ait également été déposé peu avant cette échéance, vu le délai de trente jours de l' art. 89 al. 1 OJ , n'est pas déterminant. En conséquence, de ce point de vue également, le recours est recevable. 2. a) L' art. 9 LHID dispose notamment: "1 Les dépenses nécessaires à l'acquisition du revenu et les déductions générales sont défalquées de l'ensemble des revenus imposables. Les frais de perfectionnement et de reconversion professionnels en rapport avec l'activité exercée font également partie des dépenses nécessaires à l'acquisition du revenu. 2 Les déductions générales sont: a. (...) b. (...) ... h. Les frais provoqués par la maladie, les accidents et l'invalidité du contribuable ou d'une personne à l'entretien de laquelle il subvient, lorsque le contribuable supporte lui-même ces frais et que ceux-ci excèdent une franchise déterminée par le droit cantonal." i. (...) ... BGE 128 II 66 S. 70 b) Afin de concrétiser la disposition précitée de la loi fédérale d'harmonisation, le législateur genevois a adopté la loi cantonale dont les articles attaqués ici ont la teneur suivante: Art. 4 al. 2: "Les frais dûment justifiés provoqués par la maladie, les accidents ou l'invalidité du contribuable ou d'une personne à sa charge, pour la part supportée par le contribuable, au maximum jusqu'à: a) 2'250 F. par contribuable et par charge de famille; b) 4'500 F. par contribuable âgé de plus de 65 ans." Art. 6 al. 3: "(Sont déduits du revenu): les frais effectifs d'administration de la fortune mobilière imposable, à concurrence d'un maximum de 5% du rendement de ladite fortune, ainsi que les impôts à la source étrangers qui ne peuvent être ni remboursés ni imputés." Selon le recourant, ces deux dispositions ne seraient pas conformes à l' art. 9 al. 1 et 2 let . h LHID, et violeraient ainsi le principe de la force dérogatoire du droit fédéral. L'intimé prétend, au contraire, que l' art. 9 al. 1 et 2 let . h LHID ne réglerait pas exhaustivement les déductions en cause et laisserait place aux modalités prévues par la législation genevoise, qui seraient au surplus plus équitables et mieux adaptées. 3. En vertu du principe de la force dérogatoire (ou de la primauté) du droit fédéral, les cantons ne sont pas autorisés à légiférer dans les domaines exhaustivement réglementés par le droit fédéral. Dans les autres domaines, ils peuvent édicter des règles de droit qui ne violent ni le sens ni l'esprit du droit fédéral, et qui n'en compromettent pas la réalisation ( ATF 127 I 60 consid. 4 p. 68; ATF 126 I 76 consid. 1 p. 78; ATF 125 I 474 consid. 2a p. 480 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral examine en principe librement, dans chaque cas d'espèce, si les normes de droit cantonal ou communal sont compatibles avec le droit fédéral ( ATF 126 I 76 consid. 1 p. 78 et les arrêts cités). 4. a) Selon la jurisprudence, la loi s'interprète en premier lieu d'après sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit de sa relation avec d'autres dispositions légales, de son contexte (interprétation systématique), du but poursuivi, de l'esprit de la règle, des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique), ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique; cf. ATF 125 II 192 consid. 3a p. 196, 183 consid. 4 p. 185, 177 consid. 3 p. 179; RDAF 1998 II p. 148 consid. 2c p. 151). BGE 128 II 66 S. 71 b) Il ressort de la lettre de l' art. 9 LHID que les déductions autorisées sur le revenu - a contrario, la marge de liberté restant aux cantons en cette matière - y sont réglées exhaustivement. Ainsi les dépenses d'acquisition du revenu (déductions organiques) sont définies à l'alinéa 1 sans qu'une éventuelle réglementation cantonale divergente ou restrictive ne soit réservée. L'alinéa 2 donne une liste exhaustive des déductions sociopolitiques autorisées. Les cantons ont l'obligation de reprendre ces déductions au plan cantonal. Une compétence cantonale n'est réservée qu'aux lettres g, h, i, k et son étendue est expressément limitée au choix des montants des déductions et, s'agissant des frais de maladie, accidents ou invalidité (lettre h), au montant de la franchise. L'alinéa 3 indique les déductions incitatives en matière de protection de l'environnement, d'économie d'énergie et de restauration de monuments historiques que les cantons peuvent prévoir. Ils ont la faculté de reprendre, ou non, les déductions en cause, mais pas de les modifier ou de les compléter. L'alinéa 4 indique "on n'admettra pas d'autres déductions". Seules demeurent dans la compétence exclusive des cantons les déductions pour enfants et autres déductions sociales, ainsi que les montants exonérés (art. 1 al. 3 et 9 al. 4 in fine LHID; cf. DANIELLE YERSIN, L'impôt sur le revenu: étendue et limites de l'harmonisation, in Archives 61 p. 295, p. 296 ss). Les travaux préparatoires confirment le caractère exhaustif des déductions mentionnées aux alinéas 1 et 2 de l' art. 9 LHID , ainsi que la volonté du législateur de régler impérativement ces points dans la loi fédérale d'harmonisation (cf. Message du Conseil fédéral du 25 mai 1983 sur l'harmonisation fiscale in FF 1983 III 1, p. 99 ss ad art. 10 LHID , p. 175 ad art. 26 LHID et p. 181 ss ad art. 33 LHID ; cf. aussi BO 1986 CE 135 ss et BO 1989 CN 37 ss). Cette réglementation exhaustive s'inscrit dans le cadre du mandat constitutionnel de l' art. 129 al. 2 Cst. ( art. 42quinquies al. 2 aCst. ) intimant au législateur fédéral d'harmoniser notamment l'objet de l'impôt, c'est-à-dire la définition du revenu imposable dont les déductions sont un des éléments (cf. MARKUS REICH, in Kommentar StHG, n. 1 ss ad art. 7 et n. 1 à 3 ad art. 9 LHID ). S'agissant en particulier des dépenses d'acquisition du revenu, cela exclut que le montant de leur déduction soit limité, que ces dépenses concernent le produit du travail ou le revenu de la fortune mobilière ou immobilière, car la loi fédérale d'harmonisation consacre le système de l'imposition du revenu global net (cf. MARKUS REICH, op. cit., n. 4 à 7 ad art. 9 LHID ). Il en va de même des frais de maladie, accidents ou invalidité où BGE 128 II 66 S. 72 seule est admise la fixation d'une franchise que doivent atteindre ces frais pour être déductibles. D'autres modalités, de même qu'une limite maximum, ne sont en revanche pas autorisées (cf. MARKUS REICH, op. cit., n. 24 à 31, 50 et 51 ad art. 9 LHID ). Une définition stricte des déductions contribue d'ailleurs à l'ajustement réciproque des impôts directs de la Confédération et des cantons et à une meilleure transparence du système fiscal suisse (cf. art. 32 al. 1 et 33 let . h de la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'impôt fédéral direct [LIFD; RS 642.11]), qui font partie des buts de l'harmonisation fiscale. La structure et l'absence de plafonnement des déductions de l' art. 9 al. 1 et 2 let . h LHID s'imposent donc aux cantons qui ne sauraient prétendre disposer sur ces questions d'une compétence résiduelle. c) C'est en vain que l'intimé soutient - sans emporter la conviction, d'ailleurs - que le système de déduction des frais de maladie, accidents ou invalidité de l'art. 4 al. 2 LIPP V respecterait mieux la capacité contributive du contribuable et serait plus équitable que celui de l'art. 9 al. 2 lettre h LHID. Choisi par le législateur fédéral, ce dernier régime s'impose aux cantons, comme au Tribunal fédéral ( art. 191 Cst. ). L'intimé se trompe également en prétendant que la déduction en cause serait une déduction sociale, relevant de la compétence tarifaire du canton. Figurant dans la liste de l'alinéa 2 de l' art. 9 LHID , cette déduction a été implicitement qualifiée, à bon droit, de déduction sociopolitique par le législateur fédéral. En effet, elle est fondée sur les frais effectifs du contribuable dont elle a pour but de tenir compte. Même si elle vise à adapter l'impôt à une capacité contributive subjective diminuée, elle se distingue à cet égard d'une déduction sociale, en principe sans relation avec des dépenses particulières, qui prend en considération le statut social du contribuable et doit établir un équilibre équitable entre divers groupes de contribuables (MARKUS REICH, in Kommentar StHG, n. 23 et n. 59 à 63 ad art. 9 LHID ; cf. DANIELLE YERSIN, L'impôt sur le revenu: étendue et limites de l'harmonisation, in Archives 61 p. 295, p. 297 s.). d) L'intimé cherche à justifier l'art 6 al. 3 LIPP V fixant la déduction des frais d'administration de la fortune mobilière à 5% de son rendement par le fait que seule une partie de ces frais, soit ceux en relation avec le rendement imposable, seraient déductibles, à l'exclusion de ceux qui se rapporteraient à des gains de plus-value non imposables. Même si seuls les frais en relation avec des revenus imposables peuvent en principe être déduits, l' art. 9 al. 1 LHID BGE 128 II 66 S. 73 n'autorise pas à en déterminer le montant au moyen d'une présomption légale irréfragable - dont, au demeurant, le bien-fondé n'est pas démontré. Si l'établissement d'un forfait ne saurait être exclu en pratique, le contribuable doit être autorisé à établir et à déduire le montant réel des frais effectifs d'administration de sa fortune mobilière. Or, l'art. 6 al. 3 LIPP V y fait expressément obstacle. Enfin, cette disposition ne saurait faire l'objet d'une interprétation constitutionnelle sauvegardant la limite prévue sous réserve d'exceptions, comme le demande l'intimé. En effet, une interprétation contraire au texte clair d'une disposition légale et à la volonté du législateur (cf. Mémorial des séances du Grand Conseil, séance du 22 septembre 2000 [nuit] p. 7283 ss) ne saurait être considérée comme constitutionnelle. e) En conclusion, les dispositions attaquées violent le principe de la force dérogatoire du droit fédéral dans la mesure où elles s'écartent de l'art. 9 al. 1 et al. 2 lettre h LHID. 5. a) Selon l' art. 72 LHID , à l'expiration du délai de huit ans accordé aux cantons pour adapter leur législation, le droit fédéral est directement applicable si les dispositions du droit fiscal cantonal s'en écartent (al. 2). Le gouvernement cantonal édicte les dispositions provisoires nécessaires (al. 3). Vu ce qui précède, l'art. 4 al. 2 LIPP V doit être annulé et l'art. 9 al. 2 lettre h LHID devient directement applicable à l'impôt cantonal et communal sur le revenu du canton de Genève. Il appartiendra au Conseil d'Etat du canton de Genève de fixer le montant de la franchise qui y est mentionnée jusqu'à l'adaptation de la disposition cantonale concernée (cf. KNEUBÜHLER, op. cit., p. 234 s. et p. 241 ss). A l'art. 6 al. 3 LIPP V, les mots "à concurrence d'un maximum de 5% du rendement de ladite fortune" sont annulés. Cette mesure suffit à rétablir une déduction conforme à l' art. 9 al. 1 LHID . Dans la mesure où il est recevable, le recours doit être admis partiellement, le recourant ayant demandé à tort l'annulation de l'entier de l'art. 6 al. 3 LIPP V.
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Sachverhalt ab Seite 756 BGE 130 III 755 S. 756 A. Le 26 septembre 2001, la société B., dont le siège est à Guernesey, a adressé à la Cour d'arbitrage de la Chambre de commerce internationale (CCI) une demande d'arbitrage, dirigée contre A., société domiciliée à Rotterdam, en vue de faire fixer le prix définitif des 49 actions de la société C., qu'elle avait vendues à la défenderesse en exerçant un droit d'option ( put option ) dont elle était titulaire, et d'obtenir le paiement du prix ainsi fixé, intérêts en sus. La demanderesse a encore pris d'autres conclusions tendant à l'indemnisation de son dommage supplémentaire. Le 24 mars 2004, le Tribunal arbitral, composé de trois membres, siégeant à Genève, a rendu une sentence partielle au terme de laquelle il a fixé le prix des 49 actions de C. à 73'100'000 US$, somme que A. a été condamnée à payer à B., avec les intérêts y afférents, après déduction d'un acompte et imputation provisoire d'un montant relatif à une prétention - litigieuse - opposée en compensation par la défenderesse. B. Le 17 mai 2004, A. a formé un recours de droit public, au sens de l' art. 85 let . c OJ. Invoquant les motifs de recours prévus par l'art. 190 al. 2 let. a, d et e LDIP, elle a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la sentence précitée. De son côté, B. avait adressé, le 7 avril 2004, à la CCI une requête en rectification de ladite sentence. Par un addendum du 27 juillet 2004, le Tribunal arbitral, admettant partiellement la requête, a fixé le prix des 49 actions de C. à 107'500'000 US$ et rectifié en conséquence le dispositif de sa sentence partielle du 24 mars 2004. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.2 Le Tribunal arbitral a statué définitivement sur l'une des diverses prétentions litigieuses. Ce faisant, il a rendu une sentence partielle proprement dite, désignée aussi par l'expression sentence partielle stricto sensu (sur cette notion, cf. ATF 128 III 191 consid. 4a et les références). BGE 130 III 755 S. 757 1.2.1 Pareille sentence ne peut être attaquée, selon la jurisprudence, que si elle cause à l'intéressé un dommage irréparable ou si le recourant fait valoir l'un des moyens prévus à l' art. 190 al. 2 let. a et b LDIP , pour autant, dans cette dernière hypothèse, que le moyen ne soit pas manifestement irrecevable ou manifestement mal fondé, s'il est invoqué en même temps que l'un des autres motifs visés à l' art. 190 al. 2 LDIP , et qu'il n'ait pas pu être soulevé antérieurement ( ATF 116 II 80 consid. 3b). Cette jurisprudence, fondée sur l'application de l' art. 87 OJ (cf. ATF 115 II 288 consid. 2b), valait non seulement pour les sentences partielles proprement dites, mais aussi pour les sentences préjudicielles ou incidentes, qui règlent des questions préalables de fond ou de procédure (sur ces notions et sur la terminologie allemande correspondante, voir l' ATF 128 III 191 consid. 4a et les références; cf. également l' ATF 130 III 76 consid. 3.1 et les auteurs cités), les deux catégories de sentences étant regroupées sous le nom générique de sentences partielles lato sensu ( ATF 116 II 80 consid. 3b). Il en découlait, entre autres conséquences, que, dans un recours de droit public dirigé contre une sentence préjudicielle ou incidente susceptible de lui causer un dommage irréparable, le recourant pouvait soulever les moyens prévus à l' art. 190 al. 2 let . c-e LDIP (dernier arrêt cité, ibid.). Après avoir expressément laissé ouverte la question du maintien de sa jurisprudence touchant la recevabilité du recours de droit public contre les sentences préjudicielles ou incidentes (voir les arrêts cités in ATF 130 III 76 consid. 3.2.1 p. 81), le Tribunal fédéral a modifié cette jurisprudence, dans un arrêt du 18 septembre 2003, en ce sens que, désormais, seuls les motifs prévus à l'art. 190 al. 2 let. a (désignation irrégulière de l'arbitre unique et composition irrégulière du tribunal arbitral) et b (compétence admise ou niée à tort par le tribunal arbitral) LDIP pourront être invoqués à l'appui d'un recours de droit public dirigé contre de telles sentences ( ATF 130 III 76 consid. 4.6). En d'autres termes, il a exclu que celles-ci puissent être annulées pour l'un des motifs énoncés à l' art. 190 al. 2 let . c-e LDIP, qu'il puisse en résulter ou non un dommage irréparable pour l'intéressé. Ce changement de jurisprudence, la I re Cour civile l'a justifié par diverses raisons. Elle s'est notamment fondée sur le texte de l' art. 190 al. 3 LDIP en précisant que les dispositions sur la recevabilité du recours de droit public dirigé contre une sentence arbitrale internationale ( art. 190 ss LDIP ) constituent une BGE 130 III 755 S. 758 lex specialis par rapport aux dispositions parallèles de la loi fédérale d'organisation judiciaire, tel l' art. 87 OJ (arrêt cité, consid. 4.5). Ce dernier motif commande de soumettre à un nouvel examen la jurisprudence actuelle touchant la recevabilité du recours de droit public exercé contre une sentence partielle proprement dite rendue dans le cadre d'un arbitrage international. 1.2.2 L'assimilation des sentences partielles à des décisions incidentes au sens de l' art. 87 OJ , telle qu'elle est faite par le Tribunal fédéral depuis une quinzaine d'années, a suscité de nombreuses critiques au sein de la doctrine. Un précédent arrêt, rendu dans un autre contexte, s'en est déjà fait l'écho ( ATF 127 I 92 consid. 1b et les références). Il est vrai que les auteurs qui se sont penchés sur la question rejettent à la quasi-unanimité semblable assimilation (cf., parmi d'autres: JEAN-FRANÇOIS POUDRET/SÉBASTIEN BESSON, Droit comparé de l'arbitrage international, p. 752 ss, n. 776 s.; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, La recevabilité du recours au Tribunal fédéral contre la sentence partielle de l' art. 188 LDIP , in JdT 1990 I p. 354 ss; BERNARD DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 3 e éd., n. 3 ad art. 188; ANTON HEINI, in Commentaire zurichois, 2 e éd., n. 5 ad art. 188 LDIP et n. 12 ad art. 190 LDIP ; MARKUS WIRTH, in Commentaire bâlois, n. 28-31 ad art. 188 LDIP ; STEPHEN BERTI/ANTON K. SCHNYDER, in Commentaire bâlois, n. 22 ad art. 190 LDIP ; THOMAS RÜEDE/REIMER HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2 e éd., p. 367; WALTHER J. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2 e éd., n. 939, p. 571; CESARE JERMINI, Die Anfechtung der Schiedssprüche im internationalen Privatrecht, thèse Zurich 1997, p. 55 ss, n. 115 ss, spéc. n. 129 et 140; HANS PETER WALTER, Praktische Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide [Art. 190 IPRG], in Bull. ASA 2001 p. 2 ss, 13; apparemment d'un autre avis: FRANÇOIS KNOEPLER/PHILIPPE SCHWEIZER, Arbitrage international, 2003, p. 21, n. 3, les deux auteurs qualifiant toutefois de discutable l'application de l' art. 87 OJ au recours de l' art. 190 OJ ). Il convient de leur emboîter le pas pour les raisons indiquées ci-après. Comme le professeur Poudret l'a clairement démontré de longue date, la jurisprudence incriminée introduit une restriction à la recevabilité du recours empruntée à une voie de droit particulière, qui lui est étrangère. Elle transpose, en effet, la solution adoptée pour BGE 130 III 755 S. 759 l'arbitrage concordataire à l'arbitrage international, sans tenir compte de la différence essentielle existant entre les deux types d'arbitrage quant à l'objet du recours de droit public, à savoir l'arrêt cantonal consécutif à un recours en nullité (art. 36 CIA), dans le premier, la sentence elle-même ( art. 190 al. 2 LDIP ) dans le second (op. cit., p. 356). En réalité, tout indique, ainsi que cela ressort des considérations émises par le Tribunal fédéral dans sa dernière jurisprudence relative aux sentences préjudicielles ou incidentes (cf., ci-dessus, le consid. 1.2.1 in fine), que le législateur a entendu régler de manière spécifique et autonome la recevabilité du recours de droit public dirigé contre une sentence arbitrale internationale. Il a ainsi consacré une disposition topique - l' art. 188 LDIP - à la sentence partielle stricto sensu rendue dans ce domaine. Cette disposition constitue une lex specialis par rapport à l' art. 87 OJ (dans ce sens, cf. WALTER, op. cit., p. 13; voir aussi: POUDRET/BESSON, op. cit., p. 754, n. 776; HEINI, op. cit., n. 5 ad art. 188 LDIP ), si bien que rien ne justifie de soumettre la recevabilité du recours de droit public visant une sentence partielle proprement dite aux conditions fixées par la disposition générale de la loi fédérale d'organisation judiciaire pour la recevabilité du recours de droit public dirigé contre une décision préjudicielle ou incidente. On conçoit mal, au demeurant, d'un point de vue systématique, que puissent coexister deux régimes distincts pour la recevabilité du recours de droit public contre les sentences partielles lato sensu - l'un excluant l'application de l' art. 87 OJ pour les sentences préjudicielles ou incidentes, conformément à la nouvelle jurisprudence en la matière, l'autre l'imposant pour les sentences partielles proprement dites, dans le droit fil de la jurisprudence actuelle - alors que les deux types de sentences que recouvre cette notion ont toujours été traités de la même manière sous l'angle de l' art. 87 OJ . Cela ajouterait encore à l'insécurité juridique créée par la jurisprudence contestée, dont le manque de lisibilité n'est pas le moindre défaut (cf., sur ce dernier point, la remarque de RÜEDE/HADENFELDT, op. cit., p. 367, note 35). Au contraire, il est souhaitable d'harmoniser et de simplifier le système des voies de recours contre les sentences arbitrales internationales. La solution préconisée a aussi le mérite de répondre à l'attente des parties et des praticiens, qui voient dans l'institution de la sentence partielle, au sens de l' art. 188 LDIP , un instrument utile, pour peu qu'il soit utilisé à bon escient, et qui préfèrent que les chefs de BGE 130 III 755 S. 760 demande tranchés séparément, voire exécutés, ne puissent plus être remis en question par la suite (cf. POUDRET/BESSON, ibid.; WALTER, ibid.). L'économie de la procédure y trouvera généralement son compte. Sauf convention contraire des parties, il appartient, en effet, au tribunal arbitral de décider s'il est opportun de vider définitivement, y compris avec un recours éventuel, certains objets du litige. Si ceux-ci sont indépendants des autres objets restant à trancher, un tel recours ne sera pas de nature à suspendre ou à retarder la suite de la procédure (POUDRET, op. cit., p. 358) et la sentence partielle pourra servir, le cas échéant, de prélude à un processus d'arrangement (KNOEPFLER/SCHWEIZER, op. cit., p. 22, ch. 6). En tout état de cause, il ne serait guère justifiable de sacrifier l'utilité de la sentence partielle à la décharge du Tribunal fédéral (POUDRET, op. cit., p. 359) et encore moins d'ériger cette dernière exigence en critère d'interprétation de la loi. Au demeurant, si l'effet dissuasif des frais et dépens afférents à la procédure de recours fédérale reste à démontrer, le surcroît de travail qu'imposera au Tribunal fédéral l'entrée en matière sans restriction sur les sentences partielles proprement dites sera quelque peu compensé non seulement par le fait que les motifs de recours susceptibles d'être invoqués contre les sentences préjudicielles ou incidentes ont été sensiblement restreints par la nouvelle jurisprudence, mais encore par l'économie de temps qui pourra être réalisée dans l'examen des conditions de recevabilité des recours dirigés contre des sentences partielles stricto sensu. Sur ce dernier point, force est de souligner, avec la doctrine, que la jurisprudence critiquée présente encore un autre inconvénient en ce qu'elle subordonne la recevabilité du recours, qui devrait reposer sur des critères clairs et objectifs, à un élément d'appréciation très aléatoire, surtout dans les relations internationales, à savoir le dommage irréparable (POUDRET/BESSON, ibid.). De fait, s'agissant des sentences partielles qui imposent à la partie recourante l'obligation de payer une somme d'argent à l'autre partie, on imagine sans peine la difficulté qu'il pourra y avoir à déterminer si le paiement immédiat de la somme allouée au créancier est susceptible d'exposer le débiteur recourant à de graves difficultés financières ou si le recouvrement du montant payé, en cas d'annulation ultérieure de la sentence partielle, apparaît aléatoire en raison de la solvabilité douteuse du créancier intimé. Aussi bien, le Tribunal fédéral relevait déjà, dans l'arrêt controversé, qu'il n'est possible, a priori, ni BGE 130 III 755 S. 761 d'ad mettre ni d'exclure le risque de survenance d'un dommage irréparable du fait de l'exécution, en cours de procédure, d'une sentence partielle condamnatoire, la réponse à cette question supposant l'examen des circonstances propres à la cause en litige ( ATF 116 II 80 consid. 2c p. 84). La présente espèce est la parfaite illustration du résultat aléatoire auquel conduirait un tel examen prospectif et de la charge de travail qu'il occasionnerait. Les deux parties exposent en effet longuement, dans leurs écritures respectives, avec force pièces à l'appui, l'une en quoi l'exécution immédiate de la sentence attaquée l'exposerait à un dommage irrémédiable en raison tant de sa situation financière actuelle que de celle de sa partie adverse, l'autre qu'il n'en est rien. Il va sans dire que le Tribunal fédéral ne pourrait se prononcer sur la solvabilité respective de ces deux sociétés étrangères sans procéder à une analyse de leurs comptes, laquelle prendrait du temps et nécessiterait peut-être la mise en oeuvre d'un spécialiste, en application de l' art. 95 al. 1 OJ , alors que le traitement des griefs soulevés par la recourante n'impliquera en aucun cas une telle dépense d'énergie. Cet exemple concret démontre, si besoin est, le caractère aléatoire de la détermination du dommage irréparable dans le cadre des relations économiques internationales. Et la doctrine d'en citer d'autres, tels que l'appréciation des possibilités de recouvrement à l'égard d'un Etat tout-puissant ou du caractère dommageable de la condamnation à une prestation en nature (POUDRET, op. cit., p. 359 in fine). C'est là un motif supplémentaire de renoncer à faire dépendre la recevabilité du recours de droit public visant une sentence partielle stricto sensu de l'existence d'un dommage irréparable. Il convient donc de rompre une fois pour toutes le lien que la jurisprudence avait établi jusqu'ici entre l' art. 87 OJ et l' art. 190 LDIP . Partant, la recevabilité d'un recours de droit public dirigé contre une sentence partielle lato sensu, quelle qu'elle soit, sera désormais examinée exclusivement à l'aune de cette dernière disposition. Pour ce qui est des sentences partielles proprement dites, au sens de l' art. 188 LDIP , il s'ensuit qu'elles pourront faire l'objet d'un recours de droit public aux mêmes conditions que les sentences finales, étant donné qu'elles constituent, au même titre que celles-ci, des sentences tombant sous le coup de l' art. 190 al. 1 et 2 LDIP . En conclusion, il y a lieu d'abandonner la jurisprudence actuelle et d'admettre, avec la doctrine, que trois catégories de sentences peuvent faire l'objet d'un recours immédiat au Tribunal fédéral: BGE 130 III 755 S. 762 premièrement, les sentences finales, dans tous les cas prévus à l' art. 190 al. 2 LDIP ; deuxièmement, les sentences partielles proprement dites, dans les mêmes cas; troisièmement, les sentences préjudicielles ou incidentes, pour les seuls motifs énoncés à l' art. 190 al. 2 let. a et b LDIP . 1.2.3 Appliquée au cas particulier, la nouvelle jurisprudence établie par le présent arrêt conduit à admettre la recevabilité du recours de droit public formé contre la sentence partielle du 24 mars 2004 indépendamment de la question de savoir s'il peut en résulter un préjudice irréparable pour la recourante. 1.3 Enfin, le recours soumis à l'examen du Tribunal fédéral ne saurait être déclaré irrecevable du seul fait que la partie intimée, se fondant sur l'art. 29 du Règlement d'arbitrage de la CCI, a déposé, parallèlement, une requête en rectification de ladite sentence, requête qui a été admise par le Tribunal arbitral et qui a abouti à la correction de la sentence par un addendum du 27 juillet 2004. L'applicabilité (par analogie) de l' art. 86 al. 1 OJ dans le domaine de l'arbitrage international ne va déjà pas de soi, sous réserve peut-être de la question de l'épuisement des moyens de droit internes (nécessité du recours préalable à un Tribunal arbitral supérieur, si cette possibilité existe; cf., parmi d'autres, BERTI/SCHNYDER, op. cit., n. 5 ad art. 190 LDIP ; CHRISTOPH MÜLLER, International Arbitration, 2004, p. 204, ch. 1.21.2), et il n'est pas certain que l'on puisse contraindre une partie à introduire d'abord la procédure de correction et d'interprétation de la sentence avant de déposer un recours de droit public (voir l'arrêt 4P.198/2002 du 25 novembre 2002, consid. 1.2, avec une référence à JERMINI, op. cit., n. 723). Quoi qu'il en soit, en l'espèce, ce n'est pas la recourante mais l'intimée qui a déposé la requête en rectification. De surcroît, les motifs invoqués dans le recours de droit public n'auraient pas pu l'être dans une telle requête, laquelle est réservée à la correction de "toute erreur matérielle, de calcul ou typographique" ou "de toute erreur de même nature contenue dans la sentence", selon les termes mêmes de l'art. 29 al. 1 du Règlement d'arbitrage de la CCI. Quant à la possibilité de recourir contre la sentence rectificative, si elle existe en principe (cf., mutatis mutandis, l' ATF 130 III 125 consid. 2.3 p. 131 relatif à un cas d'interprétation d'une sentence), à des conditions qui restent encore à définir (sur cette question, cf., par ex., KNOEPFLER/SCHWEIZER, op. cit., p. 539 ss; voir aussi, per analogiam BGE 130 III 755 S. 763 , l' ATF 116 II 86 consid. 3), elle n'a pas pour effet d'exclure la recevabilité d'un recours de droit public au sens de l' art. 190 al. 1 et 2 LDIP dirigé contre la sentence non encore rectifiée. A supposer que ce recours soit admis, cela aurait simplement pour conséquence que la sentence rectifiée, qui partage le sort de la sentence initiale, deviendrait ipso facto caduque en raison de l'annulation de la sentence originaire. Cela étant, il y a lieu d'entrer en matière.
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Sachverhalt ab Seite 241 BGE 107 Ia 240 S. 241 In der Gemeinde Churwalden befindet sich am Südende des Dorfes beim Weiler "Hof" die Parzelle Nr. 147 A im Halte von 599 m2. Im Zonenplan von 1962 lag sie in der Wohnzone W 2. Diese wurde bei einer Planänderung im Jahre 1969 im Bestreben, das überdimensionierte Baugebiet zu verkleinern, der 2. Etappe zugewiesen. Am 5. September 1974 beschloss dann die Gemeindeversammlung, u.a. die Parzelle Nr. 147 A aus dem Baugebiet auszuzonen und dem übrigen Gemeindegebiet zuzuweisen; dies wurde von der Regierung am 24. Februar 1975 genehmigt. Hierauf verlangte der betroffene Grundeigentümer eine Entschädigung wegen materieller Enteignung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess den Anspruch am 15. November 1977 gut und die Enteignungskommission setzte ihn auf Fr. 40.--/m2 fest. Die Gemeindeversammlung beschloss darauf, stattdessen die Parzelle Nr. 147 A wieder der Wohnzone 2, 2. Etappe, zuzuweisen. Dem versagte jedoch die Regierung des Kantons Graubünden mit Beschluss vom 8. April 1980 die Genehmigung. Hiegegen führt die Gemeinde Churwalden staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie. Nach Durchführung eines Augenscheines weist das Bundesgericht die Beschwerde ab, aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 3. Die Regierung hat der Planänderung die Genehmigung mit der Begründung verweigert, der von der Gemeinde beschlossenen Ausscheidung von Bauland stünden wichtige Anliegen der Raumplanung und damit erhebliche öffentliche Interessen entgegen. Eine derart kleine isolierte Einzelbauzone, wie sie geplant sei, führe zu einer Zersiedelung der Landschaft. Sie stelle eine geordnete Besiedelung und zweckmässige Bodennutzung in Frage. Die Gemeinde Churwalden erachtet sich demgegenüber in ihrer Autonomie BGE 107 Ia 240 S. 242 verletzt, weil sie sich an die vom Verwaltungsgericht festgelegte Tatsache gehalten habe, wonach das Grundstück Nr. 147 A als baureif zu taxieren sei. a) Nach Art. 3 des kantonalen Raumplanungsgesetzes vom 20. Mai 1973 (KRG) hat die mit Planungsaufgaben betraute Behörde die schutzwürdigen öffentlichen und privaten Interessen in bestmöglicher Weise zu wahren und gegeneinander abzuwägen. Zu den öffentlichen Interessen zählen die dem Planungszweck dienenden Grundsätze der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der Förderung einer geordneten wirtschaftlichen Entwicklung ( Art. 1 KRG ). Dazu gehört auch der Schutz des Landschafts- und Ortsbildes ( Art. 8 KRG ). Seit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (1. Januar 1980) sind ausserdem die in Art. 1 und 3 RPG näher bezeichneten Ziele und Planungsgrundsätze der Raumplanung zu beachten, so vor allem die haushälterische Nutzung des Bodens, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Landschaft, Erhaltung genügenden Kulturlandes für die Landwirtschaft, Einordnung der Siedlungen und Bauten in die Landschaft. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten und hat der Augenschein bestätigt, dass die Gemeinde die bisher landwirtschaftlich genutzte Parzelle Nr. 147 A zu einer eigenen kleinen Bauzone ausgestalten will, die etwa 200 m vom eigentlichen Baugebiet, wie es im Zonenplan festgelegt ist, entfernt wäre. Wie das Bundesgericht wiederholt erklärt hat, ist es im Sinne von Art. 22quater BV ein wichtiges Anliegen, die Bautätigkeit auf das Baugebiet der Gemeinden zu konzentrieren und die Streubauweise für nichtlandwirtschaftliche Bauten zu verhindern. Das müssen auch die kantonalen Behörden beachten. Bei der Zuweisung von Grundstücken zum Baugebiet sind alle wesentlichen ortsplanerischen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dabei besteht ein allgemeines Interesse daran, dass vom Ortskern entferntes Land der Überbauung entzogen bleibt ( BGE 89 I 198 E. 3, nicht veröffentlichte Urteile Niesengarage AG vom 19. Februar 1980 E. 1b und Berger vom 7. Mai 1980 E. 1b). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegen ferner Planungsmassnahmen, die einer Beschränkung des im allgemeinen zu gross bemessenen Baugebietes dienen, im öffentlichen Interesse ( BGE 104 Ia 130 E. 3c, 141 E. 4c). b) Die von der Gemeindeversammlung am 29. Januar 1979 beschlossene Zuteilung der Parzelle Nr. 147 A zum Baugebiet verletzt diese Grundsätze eindeutig. Die Regierung konnte darin BGE 107 Ia 240 S. 243 ohne Willkür einen Missbrauch des Ermessens erblicken. Es erscheint offensichtlich als verfehlt, eine Parzelle mit einer Fläche von nur ungefähr 560 m2, die völlig vom "übrigen Gemeindegebiet" umgeben und von der nächsten Bauzone rund 200 m entfernt ist, dem Baugebiet zuzuweisen. Dies gälte selbst dann, wenn die Parzelle voll erschlossen wäre. Volle Erschliessung begründet noch keinen Anspruch auf Einzonung in das Baugebiet ( BGE 103 Ia 256 E. 3d), sonst wäre eine sinnvolle Planung oft von vornherein unmöglich. Hier fällt zudem in Betracht, dass die Erschliessung heute noch ungenügend ist. Erscheint schon die Zufahrt von der Kantonsstrasse her am Weiler "Hof" vorbei als ungenügend, so fehlt weiterhin die Abwasserentsorgung gänzlich, da die örtliche Kanalisation 200 m unterhalb der Parzelle endet. Auch die Frischwasserversorgung müsste erst geschaffen werden. Die Gemeinde macht geltend, die Parzelle schliesse unmittelbar an den Weiler "Hof" an, und es könne auf ihr nur eine einzige Baute errichtet werden; die Wiedereinzonung lasse sich daher vertreten. Die Regierung konnte diesen Einwand ohne Willkür verwerfen. Die Bauten, die zum Weiler "Hof" gehören, sind landwirtschaftliche Bauten im Landwirtschaftsgebiet. Die Parzelle Nr. 147 A hingegen soll - vom Dorf entfernt - Bauland werden und mit einem Wohnhaus überbaut werden, das nichts mit der Landwirtschaft zu tun hat, sondern lediglich Wohnzwecken dient. Die Auffassung, eine derartige Einzonung widerspreche grundlegenden Planungsregeln, lässt sich mit sachlichen Gründen vertreten. c) Die Gemeinde stützt sich freilich auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 15. November 1977, in welchem die Parzelle als baureif erklärt wurde. Dieses Urteil geht in der Bejahung der Baureife wohl zu weit. Aber selbst wenn die Überlegungen des Verwaltungsgerichtes zuträfen, wäre damit noch nicht gesagt, dass die Zonenplanrevision von 1974 und die von der Regierung beschlossene Auszonung der Parzelle Nr. 147 A planerisch nicht gerechtfertigt wären. Baureife bedeutet - wie bereits ausgeführt - nicht unbedingt Einzonungspflicht. Aus den Erwägungen des Verwaltungsgerichtes lässt sich nicht ableiten, dass im Hinblick auf die Ortsplanung von Churwalden eine Wiedereinzonung der Parzelle Nr. 147 A in das Baugebiet im Rahmen pflichtgemässen planerischen Ermessens gelegen wäre. Die Regierung, welche dies verneint hat, ist damit keineswegs in Willkür verfallen. Wie ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin selber die Parzelle 1974 dem "übrigen Gemeindegebiet" zugewiesen. Die Gemeinde Churwalden hat - sie erklärt das offen - die BGE 107 Ia 240 S. 244 Umzonung der Parzelle Nr. 147 A in das Baugebiet lediglich deshalb beschlossen, um der Entschädigungspflicht zu entgehen, wie sie vom kantonalen Verwaltungsgericht und von der Enteignungskommission festgelegt worden ist. Sie ist der Meinung, ihr Interesse an der Vermeidung der Entschädigungspflicht verbunden mit dem Interesse des Grundeigentümers an der Überbauungsmöglichkeit überwiege das öffentliche Interesse an der Einhaltung der allgemeinen Planungsgrundsätze. Die Regierung konnte aber - ohne in Willkür zu verfallen oder zum Nachteil des Eigentümers die Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV zu verletzen - im vorliegenden Falle der Einhaltung elementarer Planungsgrundsätze das grössere Gewicht beimessen. 4. Die Beschwerdeführerin wirft der Regierung vor, sie habe im angefochtenen Entscheid nicht dazu Stellung genommen, dass die Gemeinde im Sinne von Art. 52 Abs. 5 KRG innert zweier Monate seit rechtskräftiger Festlegung der Entschädigung auf die Eigentumsbeschränkung verzichtet habe. Die Regierung hat eine materielle Stellungnahme hiezu im angefochtenen Entscheid in der Tat unterlassen. Die Beschwerdeführerin erblickt darin zu Unrecht eine formelle Rechtsverweigerung. Zwar hatte sie Anspruch darauf, dass die Regierung zu ihrem Einwand Stellung nehme. Doch hat die Regierung diese vorerst unterlassene Stellungnahme in ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde nachgeholt. Die Beschwerdeführerin erhielt Gelegenheit, in diesem Punkte ihre Beschwerde zu ergänzen. Unter diesen Umständen ist ihr kein prozessualer Nachteil daraus entstanden, dass die Regierung zu dem erwähnten Punkt erst hinterher Stellung genommen hat. Der formelle Mangel des Entscheides kann vielmehr als geheilt betrachtet werden ( BGE 104 Ia 214 und BGE 107 Ia 1 E. 1). Zu prüfen bleibt jedoch materiell, ob die Rechtsauffassung der Regierung vor dem Willkürverbot standhält. Die Beschwerdeführerin hält die Vorschrift von Art. 52 Abs. 5 KRG für eine lex specialis, die der Bestimmung von Art. 37 KRG vorgehe. Die Regierung wendet dagegen ein, dass sie bei solcher Sicht gezwungen sein könnte, eine fehlerhafte Teilrevision eines Zonenplanes zu genehmigen. Auf diese Weise könnten fehlerhafte Planungen, denen Art. 37 Abs. 2 KRG eine Schranke setze, unkorrigiert Rechtskraft erlangen. Art. 52 Abs. 5 KRG bilde daher im Verhältnis zu Art. 37 Abs. 2 KRG kein vorrangiges Recht. Was die Beschwerdeführerin in ihrer ergänzenden Eingabe BGE 107 Ia 240 S. 245 gegen diese Rechtsauffassung vorbringt, ist nicht stichhaltig. Weder aus den Materialien noch aus der Systematik des Gesetzes muss der Schluss gezogen werden, eine Entscheidung der Gemeinde im Sinne von Art. 52 Abs. 5 KRG sei einer Überprüfung durch die Regierung im Genehmigungsverfahren gemäss Art. 37 Abs. 2 KRG entzogen. Die Regierung hat hiezu ausgeführt, dass sie in solchen Fällen eine zusätzliche Interessenabwägung vornimmt, in welche die Interessenlage der Gemeinde gemäss Art. 52 Abs. 5 KRG einbezogen wird. Eine solche Auslegung und Anwendung der miteinander kollidierenden Normen des kantonalen Rechtes kann im Hinblick auf den Stellenwert, den Art. 24quater BV und das eidg. RPG der Einhaltung der Planungsgrundsätze zuordnen, jedenfalls nicht als willkürlich bezeichnet werden. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin könnte zu unübersehbaren und schwerwiegenden raumplanerischen Fehlentscheiden führen. Eine andere Wertung könnte sich nur dann aufdrängen, wenn die Leistung der Entschädigungssumme für materielle Enteignung an den Grundeigentümer die Gemeinde in ihrem finanziellen Gleichgewicht so stark träfe, dass eine notstandsähnliche Situation einträte. Dies macht die Beschwerdeführerin jedoch nicht geltend. Es kann daher nicht angenommen werden, die von der Regierung vorgenommene Interessenabwägung sei offensichtlich unrichtig oder verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Wenn die Regierung hier korrigierend eingegriffen und die Parzelle - wie von den Gemeindebehörden im Jahre 1974 geplant - wiederum dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen hat, bedeutet dies keine willkürliche Missachtung der im Interesse der Gemeindeautonomie gebotenen Zurückhaltung. Materiell erscheint die Korrektur nach planerischen Gesichtspunkten nicht nur als nicht willkürlich, sondern als wohl begründet. Hat aber die Regierung ihre Kognition als Genehmigungsbehörde schon nach Massgabe des kantonalen Rechtes nicht überschritten, so erweist sich die Rüge der Verletzung der Gemeindeautonomie als ungerechtfertigt, und es ist nicht mehr zu untersuchen, ob ihr nach Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG volle Überprüfung zugestanden wäre. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 199 BGE 144 IV 198 S. 199 A. Das Bezirksgericht Uster sprach X. am 27. März 2015 des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen, teilweise versuchten Veruntreuung, des Erschleichens einer falschen Beurkundung (Gebrauch), des Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie des Fahrens trotz Entzugs des Führerausweises schuldig. Es verurteilte ihn unter Anrechnung der erstandenen Haft zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten (davon 30 Monate bedingt) und einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu Fr. 30.-. B. Gegen diesen Entscheid erhob X. Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 9. März 2017 fest, dass das bezirksgerichtliche Urteil u.a. bezüglich der Schuldsprüche betreffend die beiden SVG-Delikte in Rechtskraft erwachsen war. Es bestrafte X. wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher, teilweise versuchter Veruntreuung und Missbrauchs von Ausweisen und Schildern unter Anrechnung der erstandenen Haft mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten (davon 30 Monate bedingt) sowie einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu Fr. 80.-. Das Obergericht hält zusammengefasst u.a. folgenden Sachverhalt als erstellt: X. habe zusammen mit Y. über verschiedene Firmen Fahrzeuge geleast und anschliessend verkauft. Die einzelnen Firmen seien jeweils nicht aktiv und substanzlos gewesen. Mit diesen sei es ihnen gelungen, sich gegenüber den jeweiligen Leasinggesellschaften als liquide Vertragspartei auszugeben, wobei jeweils Drittpersonen als Firmeninhaber vorgeschoben worden seien. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. BGE 144 IV 198 S. 200 D. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin 2 beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 3 liess sich nicht vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. März 2017 hebt es teilweise auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
467
352
Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. (...) 5.3 Gemäss der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen, aber unveränderten Fassung von Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils. Die Rechtsmittelinstanz darf Entscheide jedoch nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist (vgl. Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO ). Der Sinn dieses Verschlechterungsverbots (Verbot der reformatio in peius) besteht darin, dass die beschuldigte Person nicht durch die Befürchtung, strenger angefasst zu werden, von der Ausübung eines Rechtsmittels abgehalten werden soll ( BGE 142 IV 89 E. 2.1 S. 90 mit Hinweisen). Vorbehalten bleibt nach Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO indes eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten. Ob solche Tatsachen vor oder nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten sind, ist unerheblich (vgl. SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1494; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 391 StPO ). 5.4 5.4.1 Das vorinstanzliche Urteil erging auf Berufung der drei beschuldigten Personen einschliesslich des Beschwerdeführers hin. Die weiteren Parteien erklärten keine Berufung oder Anschlussberufung. Nach Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO durfte die Vorinstanz den erstinstanzlichen Entscheid deshalb grundsätzlich nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers abändern. Weder der Beschwerdeführer noch die Vorinstanz setzen sich indessen mit dem Vorbehalt des BGE 144 IV 198 S. 201 Verschlechterungsverbots in Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO auseinander. Dies ist im Folgenden nachzuholen (vgl. Art. 106 Abs. 1 BGG ). 5.4.2 Der Standpunkt des Beschwerdeführers, es könne nicht von veränderten finanziellen Verhältnissen ausgegangen werden, ist nicht nachvollziehbar. Er beschränkt sich darauf, sein durch die beiden kantonalen Instanzen jeweils unterschiedlich festgestelltes Einkommen wiederzugeben. Das Einkommen des Täters bildet zudem lediglich Ausgangspunkt für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes (vgl. BGE 134 IV 60 E. 6.1 ff. mit Hinweisen). Zu den weiteren zu berücksichtigenden Kriterien, welche die Vorinstanz in ihrer Begründung ebenfalls herangezogen hat (vgl. nicht publ. E. 5.2), äussert er sich nicht. Die entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen, auf welche verwiesen werden kann, lassen ohne Weiteres den Schluss zu, dass sich die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils vom 27. März 2015 nicht nur verändert, sondern verbessert haben. 5.4.3 Die von der Vorinstanz festgestellten verbesserten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers sind Tatsachen im Sinne von Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO , die dem erstinstanzlichen Gericht zum Zeitpunkt seines Urteils noch nicht bekannt sein konnten. Die Vorinstanz durfte angesichts dieser Tatsachen gestützt auf Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO die Höhe der einzelnen Tagessätze anpassen. Hätte sie dies nicht getan, wäre sie dem Prinzip, nach welchem der wirtschaftlich Starke von einer Geldstrafe nicht minder hart getroffen werden darf als der wirtschaftlich Schwache, nicht gerecht geworden (vgl. BGE 134 IV 82 E. 7.2.4 S. 91 mit Hinweisen). Es wäre zudem stossend, wenn Tatsachen, von denen erst nach dem Urteil des erstinstanzlichen Urteils Kenntnis erlangt wurde, nicht - auch zum Nachteil der beschuldigten Person - verwendet werden könnten (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1311 Ziff. 2.9.1). Die sinngemässe Rüge des Beschwerdeführers, die Regelung nach Art. 34 Abs. 2 StGB , wonach die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitpunkt des Urteils massgebend sind, könne keine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gemäss Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO darstellen, braucht aufgrund der Anwendung von Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO an dieser Stelle folglich nicht beantwortet zu werden. Immerhin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Verbot der reformatio in peius nicht zu den verfassungsmässigen Rechten zählt und sich auch nicht aus der EMRK BGE 144 IV 198 S. 202 herleiten lässt (vgl. BGE 139 IV 282 E. 2.3.1 S. 284 mit Hinweisen). Im Ergebnis hat die Vorinstanz das Verschlechterungsverbot nicht verletzt und die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 31 BGE 133 IV 31 S. 31 A. Das Bezirksgericht Zürich erklärte X. mit Urteil vom 25. November 2005 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB , der mehrfachen Pornographie im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB (Dias Nr. 31 und 32) sowie der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu 12 Monaten Gefängnis unter Anrechnung des BGE 133 IV 31 S. 32 ausgestandenen Polizeiverhafts und unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 3 Jahren. Von der Anklage der mehrfachen Pornographie bezüglich der Dias Nr. 26 und 29 sowie der sexuellen Handlungen mit Kindern in einem Fall ("sich Entblössen vor Kindern") sprach es ihn frei. Ferner verpflichtete es X. grundsätzlich, seiner geschädigten Tochter Ersatz für den aus den beurteilten Delikten entstandenen Schaden zu bezahlen, und verurteilte ihn zur Bezahlung einer Genugtuung in der Höhe von Fr. 4'000.-. Schliesslich entschied es über die Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände. Eine vom Beurteilten erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Zürich teilweise gut und setzte die Freiheitsstrafe auf 8 Monate Gefängnis herab, unter Anrechnung des ausgestandenen Polizeiverhafts und mit bedingtem Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren. Im Schuldpunkt bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. Die Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren der Geschädigten wies es ab. B.
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X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, verschiedene Ziffern des angefochtenen Dispositivs seien aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) Im Weiteren stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe im Juni 2002 bei einem Ferienaufenthalt in der Toskana seine Tochter, welche mit gespreizten Beinen auf einem Liegestuhl sass, so dass deren Genitalbereich klar und somit sexuell motiviert ersichtlich gewesen sei, zwei Mal abfotografiert. In Bezug auf ein weiteres Foto sah die Vorinstanz den Tatbestand im Gegensatz zur ersten Instanz nicht als erfüllt an. (...) 5. 5.1 5.1.1 In Bezug auf den Vorwurf der Pornographie nimmt die Vorinstanz in objektiver Hinsicht an, die Dias Nr. 31 und 32 rückten den Genitalbereich der fotografierten Tochter derart in den Vordergrund, dass diese auf ihr blosses Sexualorgan reduziert werde. Diese Darstellung des Kindes sei klar geeignet, pädosexuell veranlagte BGE 133 IV 31 S. 33 Betrachter sexuell aufzureizen. Da es sich bei Art. 197 Ziff. 3 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handle und auch der Aspekt des indirekten Missbrauchs von Kindern zu berücksichtigten sei, sei der Einwand, die Aufnahmen stellten Schnappschüsse dar, unbehelflich. Die erste Instanz nahm in diesem Punkt an, der Genitalbereich des Mädchens sei derart in den Mittelpunkt des Bildes gerückt, dass dem übrigen Bildinhalt keinerlei Bedeutung zukomme. Es handle sich nicht mehr bloss um das fotografische Einfangen nackter Kinder. Der Beschwerdeführer habe seine Tochter in der eindeutigen Stellung belassen und sie fotografiert. Die Darstellung läge ausserhalb des sozial akzeptierten Rahmens und könne der sexuellen Erregung pädosexuell veranlagter Personen dienen. Der Zusammenhang mit dem Ferienaufenthalt in der Toskana fehle auf den Dias. Es sei auf den Bildern keine Aktion wie Umkleiden, Spielen, Spass machen oder ähnliches zu erkennen. Lediglich die Genitalien des Mädchens stünden im Mittelpunkt der Bilder und die Nacktheit sei aus dem Zusammenhang gerissen. 5.1.2 In subjektiver Hinsicht hält die Vorinstanz fest, es komme nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer die Aufnahmen aus sexuellen Motiven hergestellt habe. Vielmehr genüge das Wissen, dass eine Darstellung landläufig nach laienhafter Sicht als unzüchtig beurteilt werde. Dem Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Herkunft, Bildung und Position in der Gesellschaft bewusst sein müssen, dass die Dias nach allgemeiner Anschauung als unzüchtig beurteilt würden. 5.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die fraglichen Dias seien an einem belebten öffentlichen Badestrand in der Toskana in unmittelbarer Gegenwart der Ehefrau aufgenommen worden. Es sei unbestritten, dass er während dieser Aufnahmen in keiner Weise auf seine Tochter eingewirkt habe. Er führt ferner aus, die Darstellung des nackten kindlichen Körpers sei an sich nicht pornographisch, namentlich wenn ihr in keiner Weise entnommen werden könne, dass der Täter bei deren Herstellung auf die Kinder eingewirkt habe. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob die Fotos später zur sexuellen Erregung verwendet würden. Im zu beurteilenden Fall erweckten die Schnappschüsse nicht einmal ansatzweise den Gesamteindruck von objektiv auf sexuelle Aufreizung angelegten, primär auf den Genitalbereich konzentrierten, aus jedem realistischen BGE 133 IV 31 S. 34 Zusammenhang gerissenen, kinderpornographischen Erzeugnissen. Im Übrigen sei auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Er habe mit seinen Dias nicht in Kauf genommen, irgend jemanden sexuell aufzureizen oder zu erregen. Dies werde ihm auch von der Vorinstanz nicht vorgeworfen. Die Vorinstanz habe daher auch den Vorsatz zu Unrecht bejaht. 6. 6.1 Nach Art. 197 Ziff. 1 StGB macht sich strafbar, wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet. Gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB , die sexuelle Handlungen mit Kindern zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht. Der am 1. April 2002 in Kraft getretene Art. 197 Ziff. 3 bis StGB erklärt nunmehr auch den Erwerb, das Sich-Beschaffen sowie den Besitz solcher Darstellungen oder Darbietungen für strafbar, enthält aber eine im Vergleich zu Art. 197 Ziff. 3 StGB herabgesetzte Strafandrohung. 6.1.1 Der Begriff der Pornographie setzt einerseits voraus, dass die Darstellungen oder Darbietungen objektiv betrachtet darauf ausgelegt sind, den Konsumenten sexuell aufzureizen. Zum anderen ist erforderlich, dass die Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen herausgetrennt wird, dass die jeweilige Person als ein blosses Sexualobjekt erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann. Das sexuelle Verhalten wird dadurch vergröbert und aufdringlich in den Vordergrund gerückt ( BGE 131 IV 64 E. 10.1.1; BGE 128 IV 260 E. 2.1, je mit Hinweisen). 6.1.2 Das Verbot der harten Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB bezweckt neben der ungestörten Entwicklung Jugendlicher (vgl. Art. 197 Ziff. 1 und 2 StGB ; BGE 131 IV 64 E. 10.1.2 mit Hinweisen) zusätzlich den Schutz von Erwachsenen vor der korrumpierenden Wirkung solcher Erzeugnisse und damit mittelbar die Bewahrung potentieller "Darsteller" vor sexueller Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung. Ein Werk ist schon als kinderpornographisch zu betrachten, wenn daraus erkennbar ist, dass seine vorsätzliche Herstellung in der Schweiz nach Art. 187 StGB strafbar wäre. BGE 133 IV 31 S. 35 Nach der Rechtsprechung ist nicht ausgeschlossen, dass Nacktaufnahmen von Kindern auch ohne besondere Betonung des Genitalbereichs als pornographisch qualifiziert werden können. In jedem Fall erfüllt derjenige den Tatbestand der harten Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB , welcher das Kind mit entblösstem Genitalbereich in einer nach den Umständen objektiv aufreizenden Stellung posieren lässt und fotografiert, unabhängig davon, ob er dabei selbst sexuelle Regungen verspürt oder das Kind die sexuelle Bedeutung der Handlung erkennt. Von vornherein als nicht pornographisch sind hingegen Fotos des nackten kindlichen Körpers zu betrachten, denen in keiner Weise entnommen werden kann, dass der Täter bei der Herstellung auf die Kinder eingewirkt hat (z.B. Schnappschüsse am Strand oder in der Badeanstalt). Dies muss unabhängig davon gelten, ob die Fotos später zur sexuellen Erregung verwendet werden ( BGE 131 IV 64 E. 11.2; BGE 128 IV 25 E. 3a S. 28 mit Hinweisen). 6.2 Die Vorinstanz erachtet als tatbestandsmässig die beiden Fotos, auf welchen das etwa dreijährige Mädchen an einem Strand nackt mit angewinkelten gespreizten Beinen auf einem Liegestuhl sass, so dass seine Scheide deutlich sichtbar war. Auf dem einen Foto der beiden dieselbe Situation festhaltenden Bilder blickt das Kind mit ernstem Gesichtsausdruck in die Kamera, auf dem anderen lacht es. Mit den Händen hält es sich seitlich am Liegestuhl fest. Die Mutter des Kindes schilderte die Situation um die Entstehung des Bildes in den Untersuchungsakten folgendermassen: Wir waren am Strand. Die Tochter hatte nasse Sachen an und da ich wollte, dass sie etwas Trockenes anzieht, habe ich sie ausgezogen. Sie legte sich dann auf einen Liegestuhl, wobei sie dann die Beine - wie Kinder halt so sind - auseinander hielt. Mein Mann hat dies sofort fotografiert, obwohl ich dies nicht wollte. Daraus wie sich das Bild darstellt und wie es nach der Schilderung der Mutter entstanden ist, erhellt ohne weiteres, dass es sich bei der Aufnahme um eine natürliche Situation handelt. Der Beschwerdeführer hat offensichtlich bei der Herstellung nicht auf das Kind eingewirkt. Weder Gesichtsausdruck noch Pose des Kindes deuten zudem darauf hin, dass das Foto darauf ausgerichtet gewesen wäre, den Betrachter sexuell aufzureizen. Dies ganz im Gegensatz zu anderen Bildern, die das Bundesgericht in früheren Entscheiden zu beurteilen hatte. So namentlich in einem Fall, in welchem Bilder vorlagen, auf welchen ein Mädchen seine Scheide mit den Händen spreizte bzw. seinen Slip zur Seite zog, um den Blick auf die entblösste BGE 133 IV 31 S. 36 Vagina zu ermöglichen (vgl. BGE 128 IV 25 E. 2a; vgl. auch BGE 131 IV 64 E. 10.2 und 11.3). Demgegenüber handelt es sich bei den hier zu beurteilenden Bildern nicht um kinderpornographische Erzeugnisse, sondern um eigentliche Schnappschüsse, die den Tatbestand der Pornographie mit Kindern gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB nicht erfüllen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.
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Sachverhalt ab Seite 70 BGE 142 II 69 S. 70 A. Le 14 mars 2012, les autorités fiscales françaises ont adressé à l'Administration fédérale des contributions (ci-après: l'Administration fédérale) une demande d'assistance administrative en matière fiscale au sujet de B. en vue d'obtenir des informations sur la société genevoise A. Sàrl (ci-après: la Société), dont il serait l'unique actionnaire. A l'appui de cette demande, elles exposaient que B. percevait des redevances d'une société française en contrepartie du droit d'exploiter des marques qui lui appartenaient et qu'il ne déclarait plus aucun revenu à ce titre après avoir transféré, en 2009, le droit BGE 142 II 69 S. 71 d'exploiter ces marques (recte: la propriété de ces marques; art. 105 al. 2 LTF ) à la Société. Les autorités françaises souhaitaient dès lors obtenir des renseignements concernant l'assujettissement de la Société, le taux d'impôt qui lui avait été appliqué en 2010 et le montant d'impôt payé, l'activité qu'elle exerçait réellement, ses moyens matériels et humains en termes de locaux, de nombre d'employés et d'actifs, ainsi que le montant des rémunérations, dividendes et jetons de présence qui avaient été versés à B. Elles requéraient également la production du bilan et du compte de résultat 2010 de la Société. B. B.a L'Administration fédérale a obtenu certaines des informations requises de l'Administration fiscale du canton de Genève (ci-après: l'Administration cantonale) et d'autres de la Société. Le 18 septembre 2014, elle a décidé de les transmettre aux autorités françaises. La Société a recouru contre la décision du 18 septembre 2014 de l'Administration fédérale auprès du Tribunal administratif fédéral. Elle ne s'opposait pas à l'octroi de l'assistance administrative sur le principe, mais concluait à ce que seules les informations concernant son assujettissement en Suisse et le fait qu'elle n'avait procédé à aucun versement en faveur de B. en 2010 soient communiquées aux autorités françaises, accompagnées d'un extrait du registre du commerce. B.b Dans un arrêt du 17 juin 2015 (A-6008/2014), le Tribunal administratif fédéral a d'abord retenu que la demande d'assistance respectait les conditions formelles requises et que tous les renseignements sollicités remplissaient l'exigence de la pertinence vraisemblable, à l'exception du taux et de la quotité d'impôt payé par la Société en Suisse. Ces deux derniers éléments ne devaient donc pas être transmis aux autorités françaises pour ce motif. Le Tribunal administratif fédéral a ensuite examiné si la transmission des renseignements vraisemblablement pertinents à la France respectait les règles et limites du droit interne suisse. Il a conclu que tel était le cas des informations obtenues de l'Administration cantonale; s'agissant en revanche des renseignements détenus par la Société elle-même, il a jugé que celle-ci n'était tenue de ne communiquer que les informations relatives aux prestations qu'elle avait effectuées en faveur de B. - ce à quoi l'intéressée ne s'opposait du reste pas -, mais que celles qui concernaient sa propre situation (à savoir son activité, le nombre de ses employés et ses locaux) ne pouvaient pas être exigées d'elle en vertu du droit interne et qu'elles ne devaient de ce fait pas être transmises. BGE 142 II 69 S. 72 Le Tribunal administratif fédéral a en conséquence partiellement admis le recours (cf. chiffre 1 du dispositif), réformé le chiffre 2 de la décision du 18 septembre 2014 de l'Administration fédérale en supprimant ses tirets 4 (activité de la Société), 5 (nombre d'employés), 6 (locaux) et 10 (taux et quotité d'impôt), et l'a confirmée pour le surplus (cf. chiffre 2 du dispositif). C. L'Administration fédérale interjette un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral à l'encontre de l'arrêt du Tribunal administratif fédéral du 17 juin 2015. Elle conclut principalement, sous suite de frais, à l'admission du recours, à l'annulation du chiffre 2 du dispositif de l'arrêt attaqué et à la confirmation des tirets 4, 5 et 6 de la décision du 18 septembre 2014. (...) Le Tribunal fédéral a admis le recours. (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. L'échange de renseignements est régi à l'art. 28 de la Convention du 9 septembre 1966 entre la Suisse et la France en vue d'éliminer les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune et de prévenir la fraude et l'évasion fiscales en vigueur depuis le 26 juillet 1967 (CDI CH-FR; RS 0.672.934.91), dont le contenu correspond (sous réserve du par. 5, 2 e phrase, spécifique aux conventions de double imposition conclues par la Suisse depuis le 13 mars 2009), à l'art. 26 du Modèle OCDE convention fiscale concernant le revenu et la fortune (MC OCDE). 2.1 Selon l' art. 28 par. 1, 1 re phrase, CDI CH-FR, les autorités compétentes des Etats contractants échangent les renseignements vraisemblablement pertinents pour appliquer les dispositions de la présente Convention ou pour l'administration ou l'application de la législation interne relative aux impôts de toute nature ou dénomination perçus pour le compte des Etats contractants, de leurs subdivisions politiques ou de leurs collectivités locales dans la mesure où l'imposition qu'elle prévoit n'est pas contraire à la Convention. L'art. 28 par. 3 CDI CH-FR prévoit que les dispositions du par. 1 "ne peuvent en aucun cas être interprétées comme imposant à un Etat contractant l'obligation: (...) (b) de fournir des renseignements qui ne pourraient être obtenus sur la base de sa législation ou dans le cadre de sa pratique administrative normale ou de celles de l'autre Etat contractant; (...)". BGE 142 II 69 S. 73 Selon le Commentaire officiel du MC OCDE, sont considérés comme renseignements pouvant être obtenus selon le droit et la pratique internes ceux dont disposent les autorités fiscales ou que celles-ci peuvent obtenir par application de la procédure normale d'établissement de l'impôt (Commentaire OCDE, version au 17 juillet 2012, n° 16 ad art. 26 MC OCDE; www.oecd.org/fr/ctp/echange-de-renseignements- fiscaux / sous: Mise à jour de l'article 26 [...]). L'idée qui sous-tend cette réserve en faveur du droit interne en la matière est que l'on ne saurait exiger de l'Etat requis qu'il soit tenu de transmettre des informations qu'il ne pourrait pas obtenir en vertu de sa législation ou de sa pratique internes (XAVIER OBERSON, in Modèle de Convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, Commentaire, 2014, n° 115 ad art. 26 MC OCDE). 2.2 Dans l'arrêt attaqué, le Tribunal administratif fédéral a retenu que l'Administration fédérale devait respecter les limites du droit interne suisse découlant de l'art. 127 de la loi du 14 décembre 1990 sur l'impôt fédéral direct (LIFD; RS 642.11) lorsqu'il n'existe pas de soupçons relatifs à la commission d'une infraction pénale fiscale selon le droit suisse. Or, cette disposition permet à l'administration fiscale de demander à un tiers qu'il établisse une attestation sur les prestations qu'il a effectuées en faveur d'un contribuable (cf. art. 127 al. 1 let . e et al. 2 LIFD), mais pas qu'il lui fournisse des informations sur sa propre situation. En conséquence, si l'Administration fédérale était en l'espèce fondée à demander à la Société qu'elle fournisse des attestations quant aux prestations qu'elle avait effectuées en faveur de B., elle ne pouvait en revanche pas exiger d'elle des informations sur sa propre situation, soit en l'occurrence son activité, le nombre de ses employés et ses locaux. L'Administration fédérale soutient que la position du Tribunal administratif fédéral viole l'art. 6 aOACDI (actuellement 9 de la loi fédérale du 28 septembre 2012 sur l'assistance administrative internationale en matière fiscale [LAAF; RS 651.1]) et l'art. 28 par. 3 CDI CH-FR. Elle est d'avis que, dans le contexte de l'assistance administrative, l' art. 127 LIFD n'entre en ligne de compte que lorsque les renseignements sont détenus par un "pur tiers", mais pas lorsque ce tiers entretient des liens étroits avec la personne à l'étranger concernée par la demande d'assistance, car il doit alors être qualifié de "personne concernée" au sens de l'art. 6 aOACDI. Dans une telle situation, les obligations de collaboration seraient définies aux art. 124-126 LIFD . Etant donné la palette des mesures prévues par ces BGE 142 II 69 S. 74 dispositions, l'examen des renseignements à transmettre devrait uniquement être effectué à la lumière du critère conventionnel de la pertinence vraisemblable des renseignements sollicités (cf. art. 28 par. 1 CDI CH-FR). La Société soutient que le point de savoir si elle représente une personne concernée ou un simple détenteur d'informations relève des faits, de sorte que le recours de l'Administration fédérale devrait être déclaré irrecevable, faute de poser une question juridique de principe, l'Administration fédérale n'ayant pas non plus exposé en quoi la cause constituerait un cas particulièrement important au sens de l' art. 84 al. 1 LTF . Au fond, elle conteste la conception de "personne concernée" retenue par l'Administration fédérale et soutient que cette notion ne peut toucher que le contribuable visé par la demande d'assistance. Comme en l'espèce la demande d'assistance administrative formée par la France vise B., ce serait partant à juste titre que le Tribunal administratif fédéral a qualifié la Société de simple détenteur de renseignements. La Société développe par ailleurs longuement le grief selon lequel l'Administration fédérale aurait adopté envers elle un comportement constitutif d'une violation du principe de la bonne foi ( art. 9 Cst. ) au cours de la procédure qu'elle a menée, en tant qu'elle lui aurait fait croire qu'elle n'était impliquée dans la demande d'assistance française qu'en tant que détenteur d'informations et non pas en tant que personne concernée. Son argumentation repose toutefois sur des faits non constatés par le Tribunal administratif fédéral, en l'occurrence des extraits de correspondance échangée entre la Société et l'Administration fédérale. Il n'y a donc pas lieu d'entrer en matière sur ce point (cf. art. 105 LTF ). 3. La Suisse a adopté des dispositions d'exécution des clauses d'échange de renseignements calquées sur le modèle de l'art. 26 MC OCDE, d'abord par le biais de l'aOACDI, applicable au présent litige et, depuis le 1 er février 2013, dans la LAAF (cf. consid. 1.3 non publié). Ces deux normes contiennent une disposition selon laquelle la personne concernée est tenue de fournir à l'Administration fédérale les renseignements requis (cf. art. 6 al. 1 aOACDI et art. 9 al. 1 LAAF ). 3.1 Dans une affaire soumise, sous l'angle procédural, à la LAAF, la Cour de céans a retenu que la notion de "personne concernée" dans son sens matériel découlait de l'expression "personnes qui ne BGE 142 II 69 S. 75 sont pas concernées par la demande" figurant à l' art. 4 al. 3 LAAF , que l'interprétation de cette norme devait être effectuée à la lumière du critère conventionnel de pertinence vraisemblable ( ATF 141 II 436 consid. 3.3 et 4.5 p. 440 s. et 446), et que si des informations concernant une société pouvaient être relevantes pour l'imposition du contribuable visé par la demande d'assistance, elles constituaient alors à tout le moins des renseignements vraisemblablement pertinents (cf. consid. 4.6). Tel peut en particulier être le cas si le contribuable visé par la demande domine économiquement la société détentrice des informations. Le Tribunal fédéral a également recouru au critère conventionnel de pertinence vraisemblable pour circonscrire la notion de personne concernée lorsque la demande d'assistance est régie par l'aOACDI (cf. arrêt 2C_216/2015 du 8 novembre 2015 consid. 3.2 et 4.2). Il convient d'ajouter que le point de savoir si une société doit être qualifiée de personne concernée ou de simple détenteur d'informations constitue bien une question de droit et non pas, comme le soutient la Société dans sa réponse au recours, un élément qui relève de l'établissement des faits. 3.2 En l'espèce, il ressort de l'arrêt attaqué que B. est, selon les indications fournies par l'Etat requérant, l'unique actionnaire de la Société qu'il a fondée et à qui il a cédé la propriété de marques. La Société, dominée par B., représente donc, contrairement à ce qu'elle soutient, indubitablement une "personne concernée" par la demande d'assistance qui vise ce contribuable. Elle est partant tenue, en vertu de la CDI CH-FR et sous réserve de l'art. 28 par. 3 de ladite Convention, de transmettre tous les renseignements requis qui sont en sa possession, dans la mesure où ils remplissent le critère de pertinence vraisemblable. A cet égard, le caractère vraisemblablement pertinent de l'ensemble des renseignements qui lui ont été demandés, y compris ceux qui ont trait à ses activités, au nombre de ses employés et à ses locaux, est rempli, comme l'ont reconnu les juges précédents, car ils sont propres à déterminer si la Société dispose ou non d'une existence réelle (arrêt attaqué consid. 6.2). Reste donc à déterminer si la transmission de ces informations est compatible avec la réserve du droit interne prévue à l'art. 28 par. 3 CDI CH-FR, ce qu'a refusé d'admettre le Tribunal administratif fédéral en application de l' art. 127 LIFD et ce que conteste la recourante, qui se prévaut de l' art. 126 LIFD . 4. Il est admis de manière générale en doctrine que la réserve conventionnelle en faveur du droit interne qui est libellée à BGE 142 II 69 S. 76 l'art. 28 par. 3 CDI CH-FR (art. 26 par. 3 MC OCDE) renvoie, pour ce qui concerne l'obtention des renseignements auprès d'une personne en Suisse, à la LIFD (OBERSON, op. cit., n° 115 ad art. 26 MC OCDE; DANIEL HOLENSTEIN, in Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, in Internationales Steuerrecht, n os 285, 287 et 290 ad art. 26 OECD; DONATSCH/HEIMGARTNER/MEYER/SIMONEK, Internationale Rechtshilfe, unter Einbezug der Amtshilfe im Steuerrecht, 2 e éd. 2015, p. 251 s.). Sont ici concernées les dispositions réglant les obligations de procédure qui incombent au contribuable et aux tiers, soit les art. 123-129 LIFD . 5. La LIFD opère une distinction entre, d'une part, le devoir de collaboration du contribuable (cf. art. 123-126 LIFD ) et, d'autre part, les obligations de collaboration qui incombent à certains tiers ( art. 127 LIFD : "attestations de tiers"; art. 128 LIFD : "renseignements de tiers"; art. 129 LIFD : "informations de tiers"). 5.1 En ce qui concerne le devoir de collaboration du contribuable, l' art. 123 al. 1 LIFD prévoit que les autorités de taxation établissent les éléments de fait et de droit permettant une taxation complète et exacte, en collaboration avec le contribuable. La procédure de taxation est ainsi caractérisée par la collaboration réciproque de l'autorité fiscale et du contribuable (procédure de taxation mixte; cf. arrêts 2C_66/2014 du 5 novembre 2014 consid. 3.1, résumé in Archives 83 p. 410; 2C_986/2013 du 15 septembre 2014 consid. 5.1.1, in RF 69/2014 p. 893, RDAF 2014 II p. 572). 5.1.1 Le contribuable est tenu de faire tout ce qui est nécessaire pour assurer une taxation complète et exacte ( art. 126 al. 1 LIFD ). A la demande de l'autorité de taxation, il est tenu de fournir des renseignements oraux ou écrits, de présenter ses livres comptables, les pièces justificatives et autres attestations ainsi que les pièces concernant ses relations d'affaires ( art. 126 al. 2 LIFD ). L' art. 126 LIFD exprime une obligation de collaboration générale de la part du contribuable, dont la limite découle avant tout du caractère nécessaire à une taxation complète et exacte et du principe de proportionnalité (ISABELLE ALTHAUS HOURIET, in Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, n° 5 ad art. 126 LIFD ; MARTIN ZWEIFEL, in Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], in Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, vol. I/2b, 2008, n os 2 et 4 ad art. 126 LIFD ). 5.1.2 Selon la jurisprudence rendue sous l'empire de l'art. 89 al. 2, 2 e phrase, de l'arrêté du Conseil fédéral du 9 décembre 1940 concernant la perception d'un impôt fédéral direct en vigueur jusqu'au BGE 142 II 69 S. 77 31 décembre 1994 (AIFD), qui réglait alors la matière, l'obligation de collaborer du contribuable s'étendait également à la fourniture de renseignements relevants pour la taxation de ses partenaires en affaires, à condition que cela puisse présenter de l'importance pour sa propre taxation, et ce même si le but principal de la demande de l'autorité fiscale concernait la situation fiscale de ses partenaires en affaires. Ne pouvaient être exclus que les renseignements dont la communication occasionnait des frais déraisonnables pour le contribuable (cf. ATF 120 Ib 417 consid. 1a-1c p. 420 ss, traduit in RDAF 1996 p. 408; ATF 107 Ib 213 consid. 2 p. 214 ss, en particulier p. 216, traduit in RDAF 1983 p. 27). 5.1.3 Cette jurisprudence a été reprise depuis l'entrée en vigueur de la LIFD (arrêt 2A.41/1997 du 11 janvier 1999 consid. 2, in RF 54/1999 p. 353, StE 2000 B 92.3 Nr.10, Archives 68 p. 646 et traduit in RDAF 2000 II p. 35; cf. aussi ATF 133 II 114 consid. 3.3-3.5 p. 117 s. et arrêt 2C_819/2009 du 28 septembre 2010 consid. 2.2, in RDAF 2010 II p. 605) et elle est toujours d'actualité, y compris dans le contexte de l'assistance administrative en matière fiscale (cf. les références à l' art. 126 LIFD et à l' ATF 120 Ib 417 précité dans l'arrêt 2C_963/2014 précité consid. 1.3.1, non publié in ATF 141 II 436 ). 5.1.4 Les cas de distribution dissimulée de bénéfice (sur cette notion, cf. notamment ATF 140 II 88 consid. 4.1 p. 92 s.; ATF 138 II 545 consid. 3.2 p. 549; ATF 138 II 57 consid. 2.3 p. 60), plus fréquents en pratique, relèvent d'une telle configuration. En effet, les conséquences fiscales qui en découlent (au premier chef les reprises fiscales) affectent tant la personne considérée fiscalement comme bénéficiaire de la distribution que l'entité qui y a procédé, de sorte que tous deux sont tenus de collaborer et fournir des renseignements à l'autorité fiscale. Entrent également dans cette catégorie les situations de Durchgriff, où l'autorité fiscale peut, exceptionnellement, refuser de reconnaître à une personne morale la qualité de sujet fiscal indépendant, si son existence procède d'une construction abusive (cf. ATF 136 I 49 consid. 5.4 p. 60; arrêts 2C_396/2011 du 26 avril 2012 consid. 4.2.1, in StE 2012 A 24.1 Nr. 7, traduit in RDAF 2012 II p. 503; 2A.145/2005 du 30 janvier 2006, in RF 61/2006 p. 523). En pareilles circonstances, analysées sous l'angle de l'évasion fiscale, le revenu affecté à la personne morale de manière abusive est fiscalement attribué à son propriétaire économique (voire à une société soeur, cf. arrêt 2A.145/2005 précité), par une approche en transparence fiscale. Ce genre BGE 142 II 69 S. 78 de situation est en particulier susceptible de se présenter, dans des contextes de répartition internationale, lorsqu'une construction est adoptée pour aboutir à une taxation du revenu dans un Etat plus avantageux fiscalement, ou lorsque les deux sujets de droit impliqués relèvent de la même souveraineté fiscale, mais que la répartition (abusive) des revenus entre eux aboutit à une économie d'impôt (pour une présentation détaillée des cas de Durchgriff retenus en matière d'impôts directs, cf. LAURENCE CORNU, Théorie de l'évasion fiscale et interprétation économique, Les limites imposées par les principes généraux du droit, 2014, p. 499 ss). La remise en cause de l'affectation d'un revenu à une personne morale peut aussi intervenir indépendamment d'une situation constitutive de distribution dissimulée de bénéfice ou d'évasion fiscale: le Tribunal fédéral a ainsi retenu que l'autorité fiscale était fondée à remettre en cause l'attribution d'un revenu afférent à une prestation de conseil à une société dont l'unique actionnaire était la personne qui avait fourni cette prestation, dès lors que ladite personne avait échoué à prouver par titre que le mandat avait bien été exécuté, comme elle le soutenait, par le truchement de la société (arrêt 2C_95/2013 du 21 août 2013 consid. 2.2 et 3.3, in RF 68/2013 p. 810, StE 2013 B 22.2 Nr. 28, traduit in RDAF 2014 II p. 336). Dans les cas de figure présentés ci-dessus, la taxation de toutes les personnes et entités concernées est affectée par la "réattribution fiscale" du revenu opérée par l'autorité fiscale. Il en découle que cette dernière peut se prévaloir de l' art. 126 LIFD pour requérir de la société contribuable des renseignements, quand bien même le motif principal de la demande vise une autre personne, si ces renseignements sont susceptibles d'affecter sa propre situation fiscale. 5.2 En revanche, les renseignements détenus par des tiers et qui ne sont pas susceptibles d'affecter leur propre taxation ne peuvent être exigés que dans les limites fixées par les art. 127-129 LIFD . 5.3 Il découle de ce qui précède que pour savoir quelle est l'étendue du devoir de collaboration d'un contribuable lorsqu'est en jeu l'imposition d'un autre contribuable, il faut déterminer si les renseignements demandés sont susceptibles ou non d'affecter sa propre taxation. Dans l'affirmative, c'est l' art. 126 LIFD qui s'applique; dans la négative, le devoir de collaboration est régi par les art. 127-129 LIFD . 5.4 En l'espèce, selon les constatations des juges précédents, les autorités fiscales françaises soupçonnent B., contribuable et résident BGE 142 II 69 S. 79 français, de n'avoir constitué la Société que pour des raisons fiscales (à savoir transférer des revenus de redevances en Suisse, de sorte qu'ils échappent à la souveraineté fiscale française), la Société n'ayant pas d'existence réelle (cf. arrêt attaqué, consid. 6.1). Le Tribunal administratif fédéral a relevé que la France souhaitait obtenir les renseignements demandés pour vérifier la réalité de la structure mise en place et, le cas échéant, en faire abstraction si celle-ci devait s'avérer artificielle. Comme exposé ci-dessus, il en a déduit, à juste titre, que les renseignements demandés remplissaient l'exigence de pertinence vraisemblable, la Société apparaissant comme une personne concernée par la demande. En revanche, c'est à tort que les juges précédents ont conclu que, sous l'angle du droit interne suisse, l'obligation de collaboration de la Société était régie par les art. 127-129 LIFD . Au contraire, sous l'angle du droit interne suisse, les renseignements demandés à la Société, qui concernent son activité, le nombre de ses employés et ses locaux, constituent des indices propres à déterminer si sa création procède ou non de la mise en place d'une structure artificielle, dénuée de substance et constituée à des seules fins fiscales, soit d'un cas de Durchgriff. Or, comme rappelé ci-dessus, si cette construction devait être retenue, la propre taxation de la Société en serait également affectée, en tant que les revenus qui lui ont été attribués artificiellement le seraient désormais directement à son actionnaire. En vertu du droit interne, celle-ci serait donc tenue de communiquer ces informations en vertu de l' art. 126 LIFD . 5.5 Ce qui précède conduit au constat que l'arrêt attaqué viole l'art. 28 par. 3 CDI CH-FR en tant qu'il retient que les renseignements litigieux concernant l'activité de la Société, le nombre de ses employés et ses locaux ne pourraient pas être obtenus en vertu du droit interne suisse. (...)
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de
Sachverhalt ab Seite 66 BGE 147 V 65 S. 66 A. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach A., geboren 1960, mit Verfügung vom 7. Oktober 2011 ab 1. Januar 2008 eine ganze Invalidenrente zu. Auf Grund von anonymen Hinweisen leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen hob sie am 25. April 2016 die Invalidenrente per 1. Juni 2016 auf. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von A. dagegen erhobene Beschwerde gestützt auf das beim Spital B. eingeholte polydisziplinäre Gerichtsgutachten vom 31. Dezember 2017 mit Entscheid vom 6. September 2018 teilweise gut und sprach ihm ab 1. Juni 2016 eine halbe Rente zu. Mit Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Gestützt auf die Nachfrage beim psychiatrischen Experten des Gerichtsgutachtens hob das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 die Verfügung vom 25. April 2016 erneut auf und reduzierte den Anspruch von A. auf eine halbe Invalidenrente ab 1. Juni 2016; zudem auferlegte es der IV-Stelle die Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 13'588.30. A. erhob am 3. Februar 2020 dagegen Beschwerde beim Bundesgericht. B. Am 31. Dezember 2019 (Versendedatum: 13. Januar 2020) stellte das Spital B. Rechnung über Fr. 1'540.- für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens vom 12. September 2019 durch den psychiatrischen Experten. Das Versicherungsgericht gewährte den Parteien am 16. Januar 2020 das rechtliche Gehör und kündigte am 12. Februar 2020 an, es werde über die Verlegung der Kosten der Ergänzung des Gerichtsgutachtens nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens entscheiden. Nachdem das Bundesgericht auf die von A. am 3. Februar 2020 erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_105/2020 vom 2. Juni 2020 nicht eingetreten war, auferlegte das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 16. Juli 2020 diese Kosten in Ergänzung des Entscheids vom 11. Dezember 2019 der IV-Stelle. C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. BGE 147 V 65 S. 67 Das Versicherungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
517
387
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der IV-Stelle mit Entscheid vom 16. Juli 2020 die nachträglich in Rechnung gestellten Kosten für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens auferlegte. 3. 3.1 Die IV-Stelle macht geltend, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht darlege, auf welche rechtliche Grundlage sich die Korrektur des rechtskräftigen Entscheids stütze. 3.2 Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben u.a. die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen, zu enthalten ( Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG ). Zwar führt die Vorinstanz aus, dass gestützt auf Art. 45 ATSG die Kosten eines Gerichtsgutachtens grundsätzlich der IV-Stelle auferlegt werden können. Damit ist aber noch nichts gesagt über die rechtliche Grundlage für ihr Zurückkommen auf den rechtskräftigen Entscheid vom 11. Dezember 2019. Daran ändert auch der Verweis auf das Verfahren nach Art. 18 des Reglements vom 15. März 2017 über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (sGS 941.114) nichts, da es dabei nur um die Zuständigkeit des Einzelrichters geht, nicht jedoch um die Zulässigkeit des Zurückkommens auf einen rechtskräftigen Entscheid. Ebenso wenig vermag die ausführliche Stellungnahme der Vorinstanz im bundesgerichtlichen Verfahren nachträglich die Anforderungen an die Begründung zu erfüllen. Der Entscheid vom 16. Juli 2020 genügt insofern den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Dies stellt zugleich eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV dar (vgl. dazu etwa Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.2 mit Hinweisen), die auch von der IV-Stelle gerügt werden kann (vgl. etwa die Urteile 8C_746/2019 vom 1. Mai 2020 E. 5 in fine; 9C_856/2016 vom 9. März 2017 E. 3.1 und 3.3 sowie 8C_79/2014 vom 23. Juni 2014 E. 4.1 und 4.2; je mit Hinweisen). BGE 147 V 65 S. 68 4. 4.1 Wie die Vorinstanz im Entscheid vom 16. Juli 2020 ausführt, ist ihr Entscheid vom 11. Dezember 2019 nach dem Nichteintretensurteil 8C_105/2020 des Bundesgerichts vom 2. Juni 2020 in Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und der IV-Stelle hinsichtlich der Revision der Invalidenrente und den damit zusammenhängenden Abklärungskosten abschliessend geregelt worden ist. Demzufolge braucht es für eine "Ergänzung" dieses Entscheids einen Rückkommenstitel. Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf den Standpunkt, es handle sich bei ihrem Vorgehen um eine blosse Berichtigung nach Art. 93 septies des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1), zu deren Vornahme sie von Amtes wegen berechtigt sei. 4.2 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Denn der Rechtsbehelf der Berichtigung dient dazu, offenkundige Versehen eines Entscheids, wie Schreibfehler, Rechnungsirrtümer oder irrige Bezeichnung der Beteiligten, zu berichtigen ( Art. 93 septies Abs. 1 VRP ). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, einen Rechnungsfehler zu korrigieren. Vielmehr werden mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 der IV-Stelle zusätzliche Kosten auferlegt, die von der Gutachterstelle erst nach dessen Erlass geltend gemacht wurden und von denen folglich im Entscheid vom 11. Dezember 2019 nicht die Rede war. Somit wird mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 nicht etwas klargestellt, was sich bereits aus jenem vom 11. Dezember 2019 ergeben würde, aber bloss falsch berechnet worden wäre, sondern es werden der IV-Stelle zusätzliche Pflichten auferlegt, indem sie weitere Kosten zu übernehmen hat. Daran ändert auch der Verweis der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf Art. 129 Abs. 1 BGG
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678
sowie auf das Urteil 9G_1/2020 vom 26. Mai 2020 nichts. Denn dabei ging es nicht um die Auferlegung zusätzlicher Pflichten an eine Partei, sondern um eine blosse Ergänzung des Dispositivs, welche sich aus den vorausgegangenen Erwägungen ergab, jedoch vergessen gegangen war. Auch handelte es sich dabei nicht um eine Berichtigung, sondern um eine mit Art. 93 quater VRP vergleichbare Erläuterung. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen ( Art. 106 Abs. 1 BGG ) bleibt daher zu prüfen, ob anderweitig ein Rückkommenstitel ersichtlich ist. 4.3 Nicht in Frage kommt eine Wiedererwägung. Denn einerseits gelten für das Zurückkommen auf einen Gerichtsentscheid strengere BGE 147 V 65 S. 69 Regeln als für das Zurückkommen auf eine Verwaltungsverfügung, da eine Rechtsanwendung durch ein unabhängiges Gericht grössere Gewähr für ein richtiges Ergebnis bietet als jene durch die am Rechtsverhältnis als Partei beteiligte Verwaltung (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 308). Andererseits sieht das ATSG die Möglichkeit einer Wiedererwägung bezüglich Entscheiden der Sozialversicherungsgerichte nicht vor und das kantonale Recht schliesst eine Wiedererwägung von Versicherungsgerichtsentscheiden aus ( Art. 58 Abs. 2 VRP ; vgl. dazu Entscheide des Versicherungsgerichts UV2016/22 und UV2016/60 vom 22. Februar 2019 E. 1.5 sowie bereits St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis [GVP] 1967 Nr. 25). 4.4 Denkbar wäre schliesslich eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 81 ff. VRP (vgl. dazu Art. 61 lit. i ATSG ). Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen nicht, dass dies auch von Amtes wegen erfolgen könnte; vielmehr setzt das Gesetz ein entsprechendes Gesuch voraus (Wiederaufnahmebegehren; vgl. dazu explizit Art. 81 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 VRP ). Nach CAVELTI/VÖGELI besteht die Wiederaufnahme von Amtes wegen nur als Besonderheit im Steuerrevisionsverfahren (Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 1203). Anzufügen bleibt, dass nur Tatsachen, die zur Zeit der Erstbeurteilung bereits bestanden haben, sowie Beweismittel zu solchen Tatsachen revisionsbegründend sein können (CAVELTI/VÖGELI, a.a.O., Rz. 1192). Nachdem das Spital B. erst nach Erlass des Entscheids vom 11. Dezember 2019 Rechnung stellte, wäre auch kein zulässiger Revisionsgrund gegeben.
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Sachverhalt ab Seite 502 BGE 138 II 501 S. 502 A. Gestützt auf das Ergebnis einer ärztlichen Kontrolluntersuchung ordnete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern am 7. Juli 2011 an, X. habe sich einer Kontrollfahrt zur Abklärung seiner Fahreignung zu unterziehen. X. absolvierte die Kontrollfahrt am 23. September 2011. Der Verkehrsexperte A. beurteilte die Leistung von X. als ungenügend. Er beanstandete insbesondere eine massiv übersetzte Geschwindigkeit im Quartier, diverse ungenügend vorbereitete Fahrstreifenwechsel und das Übersehen eines Rotlichts. Der Verkehrsexperte behielt den Führerausweis von X. bei sich. Mit Verfügung vom gleichen Tag entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt X. den Führerausweis vorsorglich. Einer allfälligen Beschwerde entzog es die aufschiebende Wirkung. X. reichte am 27. September 2011 Beschwerde gegen diese Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts ein. Am 12. Oktober 2011 bestätigte der Präsident der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern (im Folgenden: Rekurskommission) den vorsorglichen Führerausweisentzug und stellte die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht wieder her. Am 21. Oktober 2011 reichte X. eine zweite, nunmehr von einem Anwalt verfasste Beschwerde ein. Darauf trat der Präsident der Rekurskommission am 4. November 2011 nicht ein mit der Begründung, sein erster Entscheid in dieser Sache habe die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 23. September 2011 ersetzt, weshalb kein Anfechtungsobjekt mehr bestehe. BGE 138 II 501 S. 503 B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X., die beiden Präsidialentscheide der Rekurskommission aufzuheben und sie anzuweisen, auf die fristgerecht eingereichten Beschwerdeteile vom 27. September und vom 21. Oktober 2011 als einheitliche Beschwerde einzutreten. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Auszug)
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303
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der Präsident der Rekurskommission hat den vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt verfügten vorsorglichen Führerausweisentzug als letzte kantonale Instanz im Ergebnis bestätigt. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens ( BGE 134 II 192 E. 1.3; BGE 133 III 645 E. 2.2. S. 647) ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten dagegen ausgeschlossen, weil sie nach Art. 83 lit. t BGG auch zur Anfechtung der Hauptsache - dem Entscheid über das Ergebnis der Kontrollfahrt - nicht zur Verfügung steht ( BGE 136 II 61 ). Daran ändert nichts, dass im Kanton über den vorsorglichen und den definitiven Ausweisentzug formell in verschiedenen Verfahren mit unterschiedlichem Rechtsmittelzug entschieden wurde bzw. wird. Die Beschwerde ist somit als subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 BGG entgegenzunehmen, sofern die Sachurteilsvoraussetzungen dieses Rechtsmittels erfüllt sind (vgl. BGE 131 I 291 E. 1.3 S. 296). (...) 3. Der Beschwerdeführer rügt, die Entzugsverfügung vom 23. September 2011 sei nichtig, weil sie nicht vom zuständigen Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, sondern vom dafür nicht zuständigen Verkehrsexperten selber erlassen worden sei. 3.1 Fehlerhafte Entscheide sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht. Die Nichtigkeit eines Entscheids ist von sämtlichen rechtsanwendenden Behörden jederzeit von Amtes wegen zu beachten (BGE 137 I BGE 138 II 501 S. 504 273 E. 3.1; 133 II 366 E. 3.1 und 3.2; 132 II 342 E. 2.1; 129 I 361 E. 2; je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). 3.2 3.2.1 Die eine Seite umfassende Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 23. September 2011 ist nicht unterschrieben. Auf Seite 2 findet sich folgender Text: "Diese Verfügung wurde durch den zuständigen Experten ausgehändigt." Darauf folgt das Datum und die Unterschrift des Experten A. Nach den Angaben des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts in der Vernehmlassung hat es diese Verfügung im Hinblick auf einen möglichen negativen Ausgang der Kontrollfahrt im voraus verfasst und dem Experten ausgehändigt. Dieser hat, nachdem der Beschwerdeführer die Kontrollfahrt nicht bestanden hatte, das Datum eingesetzt und in der angezeigten Weise die Übergabe an den Beschwerdeführer unterschriftlich bestätigt. 3.2.2 Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts nicht unterschrieben und damit mit einem Mangel behaftet ist (Art. 52 Abs. 1 lit. g des Berner Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 23. Mai 1989 [BSG 155.21]). Bei einem auf eine Kontrollfahrt gestützten provisorischen Führerausweisentzug handelt es sich offensichtlich nicht um ein Geschäft der Massenverwaltung, bei dem nach der eben erwähnten Bestimmung auf die Unterschrift verzichtet werden könnte. Abgesehen davon, dass der Verkehrsexperte die Verfügung nicht unterschrieben, sondern nur deren Übergabe unterschriftlich bestätigt hat, wäre er auch gar nicht unterschriftsberechtigt gewesen: Liegt die Verfügungszuständigkeit bei der Abteilung Administrative Verkehrssicherheit (vgl. Art. 18 der Direktionsverordnung über die Delegation von Befugnissen der Polizei- und Militärdirektion vom 28. Februar 2011 [BSG 152.221.141.1]), so ist deren Abteilungsleiter und sein Stellvertreter unterschriftsberechtigt. Eine Delegation der Unterschriftsberechtigung - z.B. an den für die Kontrollfahrt zuständigen Verkehrsexperten - müsste im Amtsreglement der betreffenden Organisationseinheit festgelegt sein (Art. 21 Abs. 1 und 2 der erwähnten Direktionsverordnung). Dass dem Verkehrsexperten eine solcherart delegierte Unterschriftsberechtigung zukommt, wird von keiner Seite behauptet. 3.2.3 Damit stellt sich nur die Frage, ob die fehlende Unterschrift einen Nichtigkeitsgrund darstellt. BGE 138 II 501 S. 505 Bei erheblichen Bedenken an der Fahreignung eines Lenkers kann ihm der Führerausweis vorsorglich entzogen werden ( Art. 30 VZV ; SR 741.51). Besteht ein Lenker die Kontrollfahrt nicht, muss ihm der Ausweis entzogen werden ( Art. 29 Abs. 2 lit. a VZV ). Beurteilt der Verkehrsexperte die Kontrollfahrt als nicht bestanden, so bestehen damit jedenfalls per sofort ernsthafte Zweifel an der Fahreignung, auch wenn der Lenker mit dieser Beurteilung nicht einverstanden ist und gegen das Ergebnis der Kontrollfahrt Rechtsmittel ergreift. Damit ist der Führerausweis grundsätzlich unmittelbar nach der missglückten Kontrollfahrt vorsorglich solange einzuziehen, bis deren Ergebnis rechtskräftig feststeht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Verkehrsexperte den Führerausweis des Beschwerdeführers einbehielt, nachdem er ihm das negative Ergebnis der Kontrollfahrt mündlich erläutert und das Protokoll der Fahrt ausgehändigt hatte. Dem Beschwerdeführer musste somit von Anfang an bewusst sein, dass der vorsorgliche Entzug inhaltlich auf der ihm eröffneten Beurteilung der Kontrollfahrt des Verkehrsexperten beruht und es sich bei der umstrittenen Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts um den reinen Nachvollzug der vom Experten getroffenen Entscheidung handelt. Insofern wiegt der Mangel der fehlenden Unterschrift weniger schwer, als wenn das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt eine in eigener Verantwortung getroffene Verfügung nicht unterschrieben hätte. Zudem erscheint es aus Gründen der Verkehrssicherheit ausgeschlossen, Nichtigkeit anzunehmen mit der Folge, dass dem Beschwerdeführer der Ausweis wieder ausgehändigt werden müsste, bevor feststeht, dass die negative Beurteilung seiner Fahreignung durch den Verkehrsexperten im Rechtsmittelverfahren keinen Bestand hat. Die Rüge, der vorsorgliche Entzug des Führerausweises durch das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt sei mangels Unterschrift nichtig, ist unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 157 BGE 148 IV 155 S. 157 A. Das Bezirksgericht Laufenburg verurteilte C. am 2. Juli 2021 wegen mehrfacher Drohung, Nötigung, versuchter Nötigung, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, mehrfacher Tätlichkeiten, mehrfacher Beschimpfung und Ungehorsams gegen amtliche Verfügung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten und einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.-. Von den Vorwürfen der mehrfachen Drohung und der mehrfachen Tätlichkeiten einen anderen Zeitraum betreffend sprach es ihn frei. Aus dem erstinstanzlichen Verhandlungsprotokoll und dem Aktenzusammenzug des Urteils vom 2. Juli 2021 ergibt sich, dass die auf den 8. April 2021 anberaumte erstinstanzliche Hauptverhandlung um 21.30 Uhr abgebrochen worden ist. Sämtliche Parteien und damit die Staatsanwaltschaft, C. (Beschuldigter), B.A. (Privatklägerin 1) und A.A. (Privatklägerin 2) erklärten sich bereit, ihre Plädoyers schriftlich einzureichen. Unter Fristansetzung für die Erstattung eines zweiten Vortrages wurden die von den Parteien eingereichten Plädoyers jeweils gegenseitig zugestellt. Sämtliche Parteien erstatteten einen schriftlichen zweiten Vortrag. Die amtliche Verteidigung reichte zudem ein von C. schriftlich erstattetes Schlusswort zu den Akten. B. B.a Am 13. Juli 2021 erklärte C. Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Laufenburg vom 2. Juli 2021. Mit Verfügung vom 19. Juli 2021 wurde den Parteien Frist zur Stellungnahme zur Frage des Eintretens auf die Berufung bzw. zur Rückweisung an die Vorinstanz gesetzt. Am 26. Juli 2021 erhob auch die Privatklägerin 1 Berufung. Mit Stellungnahme vom 28. Juli 2021 beantragte die Privatklägerin 2, die Berufung des Beschuldigten sei an Hand zu BGE 148 IV 155 S. 158 nehmen und auf eine Rückweisung des Verfahrens an die erste Instanz sei zu verzichten. B.b Mit Beschluss vom 4. August 2021 hob das Obergericht des Kantons Aargau das Urteil des Bezirksgerichts Laufenburg vom 2. Juli 2021 auf und wies die Sache zur Wahrung des Instanzenzuges sowie zur Durchführung eines gesetzmässigen Verfahrens an die erste Instanz zurück. C. Die Privatklägerin 2 führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
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390
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der angefochtene Rückweisungsbeschluss schliesst das Verfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren i.S.v. Art. 92 BGG . Es handelt sich somit um einen anderen selbstständig eröffneten Vor- und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG . Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine eingereichte Beschwerde zulässig ist ( BGE 143 IV 357 E. 1; BGE 143 III 140 E. 1; BGE 141 III 395 E. 2.1). Gegen andere selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur zulässig, wenn diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Die Möglichkeit eines Nachteils genügt, jedoch muss dieser rechtlicher Natur sein, welcher später nicht mehr durch einen Endentscheid oder einen anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid wieder gutgemacht werden kann. Diese Regelung stützt sich auf die Verfahrensökonomie. In seiner Funktion als oberstes Gericht soll sich das Bundesgericht grundsätzlich nur ein Mal mit einem Verfahren beschäftigen müssen, und dies nur dann, wenn sicher ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einen endgültigen Nachteil erleidet. Rein tatsächliche Nachteile wie eine Verfahrensverlängerung oder -verteuerung reichen nicht aus. Letztinstanzliche kantonale Rückweisungsentscheide bewirken in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ( BGE 144 IV 321 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen, 90 E. 1.1.3; BGE 148 IV 155 S. 159 BGE 143 IV 175 E. 2.3; BGE 133 IV 139 E. 4). Der Beschwerdeführer hat bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden die Eintretensvoraussetzungen darzulegen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG ; BGE 141 IV 284 E. 2.3, BGE 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen). 1.2 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4, nicht publ. in: BGE 143 IV 408 . Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil sei entsprechend gegeben, wenn der Zwischenentscheid nicht mehr vor Bundesgericht anfechtbar und damit der höchstrichterlichen Überprüfung entzogen sei. Ein Eintreten auf die Beschwerde sei zudem in Fällen gerechtfertigt, in denen nicht evident sei, dass ein schwerwiegender und nicht heilbarer Mangel vorliege. 1.3 In kürzlich ergangenen Urteilen hat das Bundesgericht wiederholt Beschwerden gegen Rückweisungsbeschlüsse des Berufungsgerichts gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO als zulässig erachtet, wenn "nicht evident" war, dass das erstinstanzliche Verfahren an einem schwerwiegenden, im Berufungsverfahren nicht heilbaren Mangel litt oder aber mit hinreichender Begründung eine Rechtsverweigerung oder -verzögerung als Folge der Rückweisung gerügt worden war (vgl. Urteile 6B_1004/2020 vom 23. November 2020 E. 1.2; 6B_1084/2019 vom 9. September 2020 E. 1.2; 6B_1075/2019 vom 2. Juli 2020 E. 4; 6B_1335/2019 vom 29. Juni 2020 E. 2.3; 6B_1014/2019 vom 22. Juni 2020 E. 1.3 mit Hinweis auf Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4, nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ; 6B_1302/2015 vom 28. Dezember 2016 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen). 1.4 1.4.1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück. Die kassatorische Erledigung durch Rückweisung ist aufgrund des reformatorischen Charakters des Berufungsverfahrens die Ausnahme und kommt nur bei derart schwerwiegenden, nicht heilbaren Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens in Betracht, in denen die Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte, in erster Linie zur Vermeidung eines Instanzenverlusts, unumgänglich ist ( BGE 143 IV 408 E. 6.1 mit Hinweis auf die Urteile 6B_1302/2015 BGE 148 IV 155 S. 160 vom 28. Dezember 2016 E. 4.2.1; 6B_843/2016 vom 10. August 2016 E. 3.1; 6B_794/2014 vom 9. Februar 2015 E. 8.2; 6B_528/2012 vom 28. Februar 2013 E. 3.1.1; 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 8.4.2; wiederum je mit Hinweisen). Dies ist etwa der Fall bei der Verweigerung von Teilnahmerechten oder nicht gehöriger Verteidigung (Urteil 6B_512/2012 vom 30. April 2013 E. 1.3.3), bei nicht richtiger Besetzung des Gerichts (Urteile 6B_596/2012 und 6B_682/2012 vom 25. April 2013 je E. 1.3) oder bei unvollständiger Behandlung sämtlicher Anklage- oder Zivilpunkte ( BGE 143 IV 408 E. 6.1; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1318 Ziff. 2.9.3.3; vgl. auch MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CCP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 409 StPO ; EUGSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 409 StPO ; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [im Folgenden: Handbuch], 3. Aufl. 2017, Rz. 1576 f.; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [im Folgenden: Praxiskommentar], 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 409 StPO ; KISTLER VIANIN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 4 ff. zu Art. 409 StPO ). Damit sind grundsätzlich solche Fälle von einer Rückweisung betroffen, in denen keine ordnungsgemässe Hauptverhandlung stattfand bzw. kein ordnungsgemässes oder kein vollständiges Urteil ergangen ist, der Mangel also i.d.R. derart schwer wiegt, dass die Wesentlichkeit in diesem selbst gründet und er auch nicht heilbar ist. Damit einhergehend ist nicht zwingend erforderlich, dass sich der Mangel auf den Entscheid ausgewirkt hat (vgl. ZIMMERLIN, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl. 2020, N. 4 zu Art. 409 StPO ; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch, a.a.O., Rz. 1576). 1.4.2 Im Urteil des Bundesgerichts 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) ist ausgeführt worden, bei einem Nichteintreten auf die Beschwerde ergebe sich ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in jedem Fall daraus, dass die (sich in der dortigen Konstellation stellende) Frage, ob die von der ersten Instanz durchgeführte Befragung den gesetzlichen Anforderungen genügt oder ob diese gegebenenfalls von der Berufungsinstanz hätte nachgeholt werden müssen, dem Bundesgericht im Endentscheid nicht mehr unterbreitet werden könne. Diesfalls werde das Kantonsgericht, das an die BGE 148 IV 155 S. 161 vom Berufungsgericht im Rückweisungsentscheid vertretene Rechtsauffassung gebunden sei, die ihm auferlegten ergänzenden Befragungen zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens bereits durchgeführt haben, sodass für die Beurteilung der Frage, ob die nur ausnahmsweise vorgesehene Rückweisung zur erneuten Durchführung eines erstinstanzlichen Hauptverfahrens allenfalls in Verletzung der strafprozessualen Regeln erfolgt ist, kein aktuelles Interesse mehr bestehe. Damit einhergehend wurde indes ausgeführt, dass bei klaren bzw. evidenten [keine Hervorhebungen im Originaltext] Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens wie etwa der offensichtlich unrichtigen Besetzung des Gerichts, der fehlenden Zuständigkeit oder einer nicht gehörigen Verteidigung der Rückweisungsbeschluss nicht der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht unterliegt. Ein Eintreten auf die Beschwerde erscheine jedoch (und lediglich) in Fällen gerechtfertigt, in denen nicht evident sei, ob ein schwerwiegender und nicht heilbarer Mangel vorliege. Dies steht grundsätzlich im Einklang mit der von den hiervor zitierten Kommentatoren vertretenen Auffassung, welche indes davon ausgeht, dass der Rückweisungsentscheid generell und deswegen nicht der Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG unterliegt, weil er keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirkt (vgl. wiederum Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 [nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ] mit Hinweisen auf SCHMID, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, Rz. 1578 und 1653; ders. , Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 409 StPO ; HUG/SCHEIDEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 409 StPO ). Damit kann entgegen der von einem Teil der Lehre (VIKTOR LIEBER, in: Pra 2020 Nr. 114 S. 1098) vertretenen Auffassung aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht pauschal geschlossen werden, die hiervor erwähnten Kommentarstellen erwiesen sich als überholt (vgl. ergänzend die [in den Neuauflagen] nach wie vor vertreteneMeinung von SCHMID/JOSITSCH, Handbuch, a.a.O., Rz. 1578 und 1653; von SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 409 StPO und von ZIMMERLIN, a.a.O., N. 10 zu Art. 409 StPO ). Es wurde vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass gegen Rückweisungsbeschlüsse, die aufgrund von evident schweren und nicht heilbaren Verfahrensmängeln BGE 148 IV 155 S. 162 ergangen sind, die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht zur Verfügung steht. 2. Indes bedarf die Rechtsprechung einer dahingehenden Präzisierung, inwieweit in Bezug auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG eine Differenzierung der Eintretensfrage anhand der (Nicht-)Evidenz von Verfahrensmängeln gemäss Art. 409 StPO als gerechtfertigt erscheint. 2.1 Wie erwähnt war im Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) ausgeführt worden, dass in Fällen, in denen nicht evident sei, ob ein schwerwiegender und nicht heilbarer Mangel vorliege, sich ein Eintreten auf die Beschwerde rechtfertige. In der dort zu beurteilenden Konstellation wurde als nicht evident erachtet, ob eine Verletzung von Art. 341 Abs. 1 StPO vorliege, da die erste Instanz nicht gänzlich von einer Befragung des Beschuldigten abgesehen hatte und sich die Frage stellte, ob ein allfälliger Mangel vom Berufungsgericht hätte geheilt werden können (E. 4 in fine). In der Sache hat das Bundesgericht eine Verletzung von Art. 409 StPO bejaht und den fraglichen Mangel als im Berufungsverfahren heilbar erachtet. Sowohl u.a. im Urteil 6B_1084/ 2019 vom 9. September 2020 E. 1.3 als auch im Urteil 6B_1004/2020 vom 23. November 2020 E. 1.2. wurde diese Rechtsprechung zur Eintretensfrage aufgegriffen. Im Urteil 6B_1004/2020 vom 23. November 2020 ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, dass mit dem Vorliegen von zwei unterschiedlichen Fassungen des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs evident sei, dass ein schwerer Mangel im Sinne der Erwägungen gemäss Ziffer 1.4.1 hiervor vorliegt und trat auf die gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erhobene Beschwerde nicht ein. Dies korrespondierend damit, dass gemäss Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) gegen Rückweisungsbeschlüsse, die wegen evident schwerer und nicht heilbarer Verfahrensmängel ergangen sind, kein Rechtsmittel zur Verfügung steht (vgl. oben E. 1.4.1 und 1.4.2). Im Urteil 6B_1084/2019 vom 9. September 2020 E. 1.3 trat das Bundesgericht demgegenüber auf die gegen den Rückweisungsbeschluss erhobene Beschwerde mit der Begründung ein, dass nicht evident sei, dass das erstinstanzliche Verfahren wegen unterlassener Beweismassnahmen an einem schweren Verfahrensmangel i.S.v. Art. 409 Abs. 1 StPO leide, der im Berufungsverfahren nicht beseitigt werden könnte. BGE 148 IV 155 S. 163 Indes stellt bereits der Entscheid, ob "evident" ist, ob bzw. dass ein schwerer, im Berufungsverfahren nicht heilbarer Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gegeben ist, eine materielle Beurteilung eben dieser Frage dar, welche zudem die (vorfrageweise) Beurteilung bedingt, ob es sich um einen schweren und nicht heilbaren Mangel im Sinne der Erwägungen gemäss Ziffer 1.4.1 hiervor handelt. Mit anderen Worten kann nur bei Bejahung des Vorliegens eines schweren und nicht heilbaren Mangels dessen Evidenz bejaht werden. Soll sich also die Frage des Eintretens auf eine gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG angehobene Beschwerde anhand der (Nicht-) Evidenz eines Verfahrensmangels entscheiden, setzt dies stets eine materielle Beurteilung der aufgeworfenen Fragen voraus. Damit aber ist eine unterschiedliche Handhabung der Eintretensfrage je nach festgestellter (Nicht-)Evidenz des fraglichen Verfahrensmangels nur schwer nachvollziehbar und führt zu Rechtsunsicherheit. Diese manifestiert sich dementsprechend darin, das ein Teil der Lehre und vorliegend auch der Beschwerdeführer anhand der mit Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) eingeleiteten Differenzierung zwischen evidenten und nicht evidenten schweren Verfahrensmängeln davon ausgeht, dass die Beschwerde gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG grundsätzlich zulässig ist, wenn um Klärung ersucht wird, ob ein schwerer und nicht heilbarer Mangel vorliegt bzw. geltend gemacht wird, solches sei nicht evident. Damit einhergehend stellt sich zudem die Frage, ob derselbe Rückweisungsbeschluss mittels Beschwerde gegen den Endentscheid gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG (nochmals) anfechtbar ist. Dies, weil trotz des gemäss Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) grundsätzlich immer (durch einen nicht mehr überprüfbaren Rückweisungsbeschluss) drohenden und nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteils (vgl. oben E. 1.4.2) und trotz materieller Beurteilung des fraglichen Verfahrensfehlers (und Qualifikation desselben als schwer und nicht heilbar) ein Nichteintretensentscheid ergeht. Nach der gesetzlichen Konzeption des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG impliziert ein solcher Nichteintretensentscheid aber die Nichtzulässigkeit der Beschwerde mangels eines drohenden rechtlichen Nachteils und schliesst eine Auseinandersetzung mit materiellrechtlichen Fragen aus, weswegen der fragliche Zwischenentscheid unter den Bedingungen von Art. 93 Abs. 3 BGG mit dem Endentscheid anfechtbar ist. BGE 148 IV 155 S. 164 2.2 Die dargelegten Unklarheiten und Unschlüssigkeiten resultieren allesamt daraus, dass die durch Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG gesetzlich definierte Eintretensvoraussetzung - ein anhand des Rückweisungsbeschlusses drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil - im Urteil 6B_32/2017 vom 29. September 2017 E. 4 (nicht publ. in: BGE 143 IV 408 ) einerseits dahingehend ausgelegt worden ist, dass dieser sich statt aus dem Rückweisungsbeschluss aus der Nichtüberprüfbarkeit des diesem Rückweisungsbeschluss zugrundeliegenden und in Frage gestellten Verfahrensmangels gemäss Art. 409 StPO ergebe; andererseits ist damit einhergehend das Eintretenserfordernis gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG durch eine in diesem Verfahrensstadium nicht vorgesehene, "sich rechtfertigende" materielle Beurteilung der fraglichen Verfahrensvorschrift gemäss Art. 409 StPO erweitert worden. 2.3 Das Bundesgericht hat indes im Zusammenhang mit vorsorglichen Massnahmen den Lösungsansatz, dass der drohende Nachteil darin bestehen könne, dass eine spätere Anfechtung des Entscheides zufolge dessen Wegfalls mit dem Entscheid in der Hauptsache nicht mehr möglich sei, ausdrücklich aufgegeben. Eine andere Betrachtungsweise hätte dazu geführt, dass schlicht jede vorsorgliche Massnahme hätte angefochten werden können (vgl. BGE 134 I 83 E. 3 mit Verweis auf BGE 116 Ia 446 ff. [und dort E. 2] und BGE 137 III 324 ; VON WERDT, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2015, N. 20 zu Art. 93 BGG ). Dasselbe muss gelten, wenn im Zusammenhang mit gestützt auf Art. 409 StPO ergangene Rückweisungsbeschlüsse der drohende rechtliche Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG unbesehen darin erkannt wird, dass eine spätere Anfechtung desselben zufolge Wegfalls des Rechtsschutzinteresses mit dem Endentscheid nicht mehr möglich sei. Wie hiervor aufgezeigt, vermag auch die (materielle) Abgrenzung von evidenten und nicht evidenten schweren Verfahrensmängeln dies nicht tauglich einzuschränken, sondern führt zu prozessualen Unsicherheiten. Ist indes die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken ( Art. 93 Abs. 3 BGG ). Tritt mithin das Bundesgericht in Ermangelung des entscheidenden Zulassungskriteriums des drohenden nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteils gemäss BGE 148 IV 155 S. 165 Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht auf die Beschwerde ein, hat es noch nicht über die dem Rückweisungsbeschluss zugrunde liegende materiell-rechtliche Frage entschieden und damit nicht darüber, ob die Rückweisung zufolge eines schweren nicht heilbaren Mangels zulässig war (vgl. VON WERDT, a.a.O., N. 37 zu Art. 93 BGG ). Die Beurteilung dieser Frage kann sich auf den Endentscheid auswirken, namentlich in dem Sinne, als einer allfälligen sich aus einer ungerechtfertigten Rückweisung ergebenden Verletzung des Beschleunigungsgebotes Rechnung zu tragen ist (vgl. BGE 143 IV 49 E. 1.8.2 mit weiteren Hinweisen). Damit wird zu jenem Zeitpunkt bzw. ein dannzumal gegebenes aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Klärung dieser Frage im Grundsatz zu bejahen sein, was im Zeitpunkt einer gegen den Zwischenbeschluss angehobenen Beschwerde nicht der Fall ist: Vielmehr setzt sich das Bundesgericht in beiden Konstellationen gemäss E. 2.1 (2. Absatz) hiervor mit Rechtsfragen auseinander, für deren Beantwortung sich im jetzigen Verfahrensstadium ein Rechtsanspruch weder aus Art. 92 BGG noch aus Art. 93 BGG herleiten lässt. Gemäss der erstgenannten Bestimmung ist die Beschwerde nur gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren zulässig. Voraussetzung für das Eintreten auf die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist wie erwähnt ein anhand der Rückweisung drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil. Wie ebenfalls bereits dargelegt, ergibt sich aus der blossen Verlängerung des Verfahrens grundsätzlich kein rechtlicher Nachteil i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG . Dies und auch, dass sich der betreffende Zwischenentscheid allenfalls nicht auf den Inhalt des Endentscheides auswirkt und damit gegebenenfalls zu keinem Zeitpunkt überprüft wird, ist durch die in Art. 93 Abs. 1 lit. a und Art. 93 Abs. 3 BGG getroffene Regelung hinzunehmen. Zusammenfassend kann damit der von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG geforderte nicht wieder gutzumachende (rechtliche) Nachteil nicht unbesehen darin erkannt werden, dass im Zeitpunkt einer gegen den Endentscheid erhobenen Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG die Rechtsauffassung der Berufungsinstanz in Ermangelung eines aktuellen Rechtsschutzinteresses nicht mehr überprüfbar wäre und erscheint das Heranziehen der (Nicht-)Evidenz und die damit einhergehende materielle Beurteilung des fraglichen Verfahrensfehlers als für die Eintretensfrage gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht taugliches Abgrenzungskriterium. Umso weniger, als damit eine in BGE 148 IV 155 S. 166 Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht vorgesehene Eintretensvoraussetzung geschaffen wird, welche Rechtsunsicherheit schafft. Da Eintretensfragen indes einfach und klar zu handhaben sein sollen, ist die Rechtsprechung einschränkend dahingehend zu präzisieren, dass gestützt auf Art. 409 Abs. 1 StPO erlassene Rückweisungsentscheide grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (vgl. so schon BGE 144 IV 321 E. 2.3, m.H. auf BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141; BGE 143 IV 175 E. 2.3) und entsprechend gegen letztinstanzlich kantonal ergangene Rückweisungsentscheide die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG grundsätzlich nicht gegeben ist. 2.4 Eine Anfechtung des Rückweisungsbeschlusses ist damit nicht per se ausgeschlossen. Rügt die beschwerdeführende Partei mit hinreichender Begründung eine Rechtsverweigerung, kann auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils verzichtet werden (vgl. BGE 143 IV 175 E. 2.3; BGE 141 IV 1 E. 1.1; BGE 138 IV 258 E. 1.1; BGE 138 III 190 E. 6; BGE 134 IV 43 E. 2.5). Eine Rechtsverweigerung liegt namentlich vor, wenn ein Berufungsgericht wiederholt, mithin im Sinne einer eigentlichen Praxis systematisch Rückweisungsbeschlüsse wegen eines Verfahrensmangels erlässt, der entgegen der gefestigten bundesgerichtlichen Praxis nicht als schwerwiegend bzw. als heilbar zu qualifizieren ist. Damit geht einher, dass bereits zum Zeitpunkt einer gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erhobenen Beschwerde erstellt ist, dass kein eine Rückweisung rechtfertigender schwerer Verfahrensmangel gegeben ist, woraus sich eine ernsthafte Gefahr der Verletzung des Beschleunigungsgebotes ergibt (vgl. hierzu Urteile 6B_1084/2019 vom 9. September 2020 E. 2.4.2; 6B_1075/2019 vom 2. Juli 2020 E. 4; 6B_1335/2019 vom 29. Juni 2020 E. 3.2; 6B_1014/2019 vom 22. Juni 2020 E. 2.4). Mit einem solchen Vorgehen verweigert ein Berufungsgericht die einheitliche Anwendung der Strafprozessordnung, womit eine formelle Rechtsverweigerung einhergeht, auf welche sich die beschwerdeführende Partei berufen kann. Wird solches mit hinreichender Begründung dargetan, kann vom Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG abgesehen werden (vgl. wiederum BGE 143 IV 175 E. 2.3 m.w.H.). 2.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass gegen gestützt auf Art. 409 StPO ergangene Rückweisungsbeschlüsse das Rechtsmittel der BGE 148 IV 155 S. 167 Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a. BGG nicht zur Verfügung steht, es sei denn, die beschwerdeführende Partei rügt mit hinreichender Begründung eine Rechtsverweigerung im Sinne der Erwägungen hiervor. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. 2.6 Aus den vorinstanzlichen Akten ergibt sich sodann, dass der Beschuldigte das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich sämtlicher gegen ihn ergangener Schuldsprüche angefochten hat. Insofern ist auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es drohe ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil daraus, dass bei einer bloss teilweisen Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils die Teilrechtskraft desselben dahinfalle, nicht weiter einzugehen und kann offenbleiben, ob darin ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erkannt werden kann. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass von der Beschwerdeführerin unbestritten geblieben ist, dass ihr vor Erlass des Rückweisungsbeschlusses das rechtliche Gehör gewährt wurde, was entgegen deren Ausführungen selbstredend nicht zu beanstanden ist (vgl. Urteile 6B_1014/2019 vom 22. Juni 2020 E. 2.3 und 6B_1335/2019 vom 29. Juni 2020 E. 3.1; je mit weiteren Hinweisen). 2.7
5,677
4,120
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin macht ein unklares Dispositiv den Entscheid nicht bundesrechtswidrig. Ist das Dispositiv unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheides vor ( Art. 83 StPO ). Insofern die Beschwerdeführerin schliesslich vorbringt, das erstinstanzliche Gericht sei befangen, "da es gar nicht anders könnte, als das gleiche Urteil nochmals zu fällen (...)", handelt es sich hierbei um keinen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. 2.8 Schliesslich ist es nicht so, dass es sich bei der Rechtsfrage, ob die mündliche (recte: schriftliche) Durchführung der Parteivorträge StPO-konfrom sei, um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt. Damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, genügt es nicht, dass sie vom Bundesgericht noch nie entschieden worden ist. Es ist zusätzlich erforderlich, dass eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die Anlass zu einer offensichtlichen Unsicherheit gibt, die BGE 148 IV 155 S. 168 dringend nach einer Klärung durch das Bundesgericht als höchstrichterlicher Instanz ruft, um namentlich eine einheitliche Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit die Rechtssicherheit herzustellen ( BGE 141 II 113 E. 1.4.1). Dass die Rechtsprechung der Vorinstanzen bezüglich der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage widersprüchlich wäre und sie dementsprechend zwecks Rechtssicherheit dringend einer höchstrichterlichen Klärung bedarf, wird von der Beschwerdeführerin weder dargetan noch ist solches ersichtlich. Daran ändert entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin vorderhand nichts, dass sich allenfalls weitere untere Instanzen mit derselben Problematik konfrontiert und die Bestimmung von Art. 409 Abs. 1 StPO zur Anwendung bringen werden.
399
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CH_BGE_006
CH_BGE
CH
Federation
CH_BGE_006_BGE-148-IV-155_2022-01-10
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1
84
1,338,327
null
2,024
de
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 114 V 209 S. 209 A.- Die Firma S. AG, Zürich (nachstehend Firma), befährt mit Schiffen, welche im Register der schweizerischen Seeschiffe eingetragen sind und die Schweizer Flagge zeigen, die hohe See. Für die Besatzung dieser Schiffe heuert sie Angehörige verschiedener BGE 114 V 209 S. 210 Staaten an, im besonderen Deutsche und Österreicher. Für die ausländische Mannschaft hatte die Firma während Jahren mit der Ausgleichskasse der Zürcher Arbeitgeber, welcher sie angeschlossen ist, nicht über paritätische Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet. Am 14. März 1986 erliess die Ausgleichskasse je eine Nachzahlungs- und Verzugszinsverfügung über paritätische AHV/IV/EO- und AlV-Beiträge für die Jahre 1983 bis 1985. Den Verfügungen lag eine kasseneigene Einschätzung der an die ausländischen Besatzungsmitglieder ausgerichteten Entgelte zugrunde. B.- Beschwerdeweise liess die Firma die vollständige, allenfalls teilweise Aufhebung dieser Verfügungen beantragen. Gestützt auf eine Arbeitgeberkontrolle vom 23./24. Juli 1986, bei welcher die genauen Lohnsummen ermittelt wurden, hob die Ausgleichskasse die angefochtene Nachzahlungsverfügung pendente lite auf und setzte die strittigen Beiträge für 1983 bis 1985 am 13. August 1986 neu fest. Die Beiträge betrafen ausschliesslich bundesdeutsche und österreichische Staatsangehörige.
600
219
Mit Entscheid vom 20. Oktober 1986 hob die Rekurskommission in teilweiser Gutheissung der Beschwerde die Nachzahlungsverfügung vom 13. August 1986 hinsichtlich des Jahres 1983 gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben auf und wies die Akten an die Ausgleichskasse zurück, damit sie die Beitragsforderung für die Jahre ab 1984 im Sinne der Erwägungen neu festlege. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) insoweit die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides, als darin die Beitragspflicht der Firma für das Jahr 1983 verneint wird; ferner sei von einer Rückweisung der Akten an die Ausgleichskasse abzusehen. Die Firma lässt sich auf Abweisung der Beschwerde vernehmen,; allenfalls sei diese nur insoweit gutzuheissen, als die Nacherfassung von AHV- und IV-Beiträgen ab 1983 beantragt werde; indessen sei sie abzuweisen, soweit sie sich auch auf die Nacherfassung von EO- und AlV-Beiträgen beziehe. Die Ausgleichskasse schliesst sinngemäss auf Gutheissung der Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. und 2. - (Ausführungen darüber, dass sich eine Beitragspflicht für die ausländischen Seeleute landesrechtlich nicht begründen lässt.) BGE 114 V 209 S. 211 3. a) Nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 gelten für die Besatzung eines Seeschiffes, das die Flagge einer Vertragspartei führt, deren Rechtsvorschriften. Gestützt darauf ist die Beitragspflicht der Firma für die von ihr beschäftigten bundesdeutschen Seeleute ohne Frage zu bejahen, und zwar, entsprechend dem sachlichen Geltungsbereich des Abkommens, für die AHV und IV (Art. 2 Ziff. 2 lit. a und b). Das schweizerisch-österreichische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 15. November 1967 kennt die Flaggenklausel nicht. In BGE 112 V 337 hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass aufgrund der Gleichbehandlungsklausel in den Abkommen mit Belgien, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich der Angehörige eines Vertragsstaates, der in einem Drittstaat für einen in der Schweiz domizilierten Arbeitgeber tätig ist und von diesem entlöhnt wird, in Anwendung von Art. 1 Abs. 1 lit. c AHVG (in Verbindung mit Art. 1 IVG ) obligatorisch bei der schweizerischen AHV/IV versichert und der Arbeitgeber der paritätischen Beitragspflicht unterstellt ist ( BGE 112 V 344 Erw. 7d). Das in diesem Urteil zur Beschäftigung in einem Drittstaat Gesagte muss - mutatis mutandis - auch für die Beschäftigung eines Vertragsausländers auf einem schweizerischen Hochseeschiff gelten. Da auch das schweizerisch-österreichische Abkommen eine Gleichbehandlungsklausel im Sinne der dargelegten Rechtsprechung enthält (Art. 4 Abs. 1), hat die Firma auf den ihren österreichischen Seeleuten ausgerichteten Arbeitsentgelten Beitrage zu bezahlen. Entsprechend dem sachlichen Geltungsbereich des Abkommens beschränkt sich die Abgabepflicht ebenfalls auf die AHV und IV (Art. 2 Abs. 1 Ziff. 2 lit. b und c). b) In den Sozialversicherungsabkommen, welche die Schweiz mit der Bundesrepublik Deutschland und mit Österreich abgeschlossen hat, ist die Gesetzgebung über die Erwerbsersatzordnung (EO) nicht erwähnt. Damit entfällt im vorliegenden Sachzusammenhang endgültig eine diesbezügliche Beitragspflicht der Firma an die EO (vgl. BGE 112 V 345 Erw. 8). Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Abkommens über Arbeitslosenversicherung, welches die Schweiz am 20. Oktober 1982 mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, richtet sich die Beitragspflicht nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet die Beschäftigung ausgeübt wird. Werden jedoch BGE 114 V 209 S. 212 aufgrund des schweizerisch-deutschen Abkommens über Soziale Sicherheit nicht die Rechtsvorschriften angewandt, die am Beschäftigungsort gelten, sondern die Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates, so gilt dies ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers auch für die Beitragspflicht nach den in Art. 2 Abs. 1 angeführten Rechtsvorschriften (Abs. 2). Nach dieser Bestimmung bezieht sich das Abkommen in der Schweiz auf die bundesrechtlichen Rechtsvorschriften über die Arbeitslosen-, Kurzarbeits-, Schlechtwetter- und Insolvenzentschädigung sowie die Rechtsvorschriften über die Beiträge (Ziff. 2). Gestützt darauf lässt sich in Verbindung mit der im Abkommen über Soziale Sicherheit verankerten Flaggenklausel eine AlV-Beitragspflicht der Firma für die auf hoher See beschäftigten bundesdeutschen Seeleute ab Inkrafttreten des Abkommens über Arbeitslosenversicherung, d.h. ab 1. Januar 1984 begründen (vgl. diesbezüglich BGE 112 V 346 Erw. 8; vgl. auch BBl 1983 I 6 Ziff. 22, wonach mit Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über Arbeitslosenversicherung "die einheitliche Beitragserhebung sichergestellt" werden sollte). Eine entsprechende Abgabepflicht der Firma für ihre österreichischen Seeleute ergibt sich aus Art. 4 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über Arbeitslosenversicherung vom 14. Dezember 1978 in Verbindung mit der im schweizerisch-österreichischen Abkommen über Soziale Sicherheit enthaltenen Gleichbehandlungsklausel (siehe vorstehende Erw. 3a in fine); denn der genannte Art. 4 bestimmt, dass die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht sich nach dem Abkommen über Soziale Sicherheit in der jeweils geltenden Fassung richtet. 4. (Ausführungen darüber, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in casu keine von den staatsvertraglichen Bestimmungen abweichende Beurteilung zulässt.) 5. Zusammenfassend ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Firma auf den Arbeitsentgelten, die sie den auf ihren Hochseeschiffen beschäftigten Seeleuten bundesdeutscher und österreichischer Staatsangehörigkeit in den Jahren 1983 bis 1985 ausgerichtet hat, paritätische AHV- und IV-Beiträge zu bezahlen hat (Erw. 3a). Hinsichtlich der Arbeitslosenversicherung ist sie für die österreichischen Besatzungsmitglieder ab 1983 und für die bundesdeutschen ab 1984 beitragspflichtig. Eine EO-Abgabepflicht entfällt dagegen (Erw. 3b). BGE 114 V 209 S. 213
2,645
1,029
Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 20. Oktober 1986 und die Nachzahlungs- und Verzugszinsverfügungen vom 13. August 1986 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse der Zürcher Arbeitgeber zurückgewiesen wird, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre.
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2,024
de
Sachverhalt ab Seite 93 BGE 115 II 93 S. 93 A.- X. meldete im Februar 1987 drei Gesellschaften, über deren Gründungen er als Notar öffentliche Urkunden erstellt hatte, beim Handelsregisteramt Basel-Stadt zur Eintragung an. Er ersuchte das Amt sodann um mehrere Registerauszüge. Das Amt stellte ihm fünf Rechnungen im Betrage von insgesamt Fr. 1'300.--, die nicht bezahlt wurden. Mit Verfügung vom 17. Mai 1988 forderte das Handelsregisteramt X. zur Zahlung auf, weil er nach Art. 21 Abs. 1 des Gebührentarifs (GebT) als Anmelder und Gesuchsteller für die Gebühren und Auslagen des Amtes hafte. X. beschwerte sich dagegen beim Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, das am 12. Oktober 1988 die Verfügung des Amtes sinngemäss bestätigte. B.- X. führt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn wegen unzulässiger Anwendung des Gebührentarifs aufzuheben. BGE 115 II 93 S. 94 Das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat sich auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränkt und auf einen Antrag verzichtet.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 21 Abs. 1 GebT erwähne den Notar nicht; dieser gehöre auch nicht zu den Personen, die gemäss Art. 934 OR und Art. 52 HRegV zur Anmeldung verpflichtet seien. Seine Anmeldung begründe daher noch kein relevantes Haftungsverhältnis. Indem die Vorinstanz aus der streitigen Tarifbestimmung eine persönliche Haftung des beurkundenden Notars ableite, greife sie zudem in unzulässiger Weise in ein Rechtsverhältnis ein, das durch Art. 32 ff. OR abschliessend geregelt werde. a) Wer zur Anmeldung einer Eintragung berechtigt oder verpflichtet ist, wer eine Anmeldung einreicht oder eine Amtshandlung verlangt, haftet gemäss Art. 21 Abs. 1 GebT persönlich für die Bezahlung der Gebühren und Auslagen; mehrere Personen haften solidarisch. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig und lässt keinen Raum zu einem Streit darüber, ob sie auch für Notare gelte, wenn diese sich im Auftrag Dritter oder von sich aus an ein Handelsregisteramt wenden, um es zu einer Eintragung zu veranlassen oder von ihm eine andere Handlung zu verlangen. Dass ein solidarisch Haftender selber zur Anmeldung einer Eintragung berechtigt oder mit einem Anmeldepflichtigen identisch sein müsse, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 934 OR und Art. 52 HRegV anzunehmen scheint, ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. An der Haftung der anmeldenden Person für Gebühren und Auslagen ändert auch Art. 21 Abs. 3 GebT nichts, wonach Gebühren im voraus zu entrichten sind. Wenn das Amt namentlich Urkundspersonen gegenüber von einem Vorschuss absieht, heisst das nicht, dass es sie nicht für haftbar halte oder von vornherein aus der Haftung entlasse. Die Auffassung der Vorinstanz entspricht nicht nur dem klaren Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 GebT, sondern auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Die Wendung "wer eine Anmeldung einreicht oder eine Amtshandlung verlangt" wäre sinnlos und daher überflüssig, wenn tatsächliche oder scheinbare Vertreter BGE 115 II 93 S. 95 davon auszunehmen wären. Es lässt sich im Ernst auch nicht sagen, die unmittelbare Haftung dessen, der eine Eintragung anmeldet oder vom Amt etwas anderes, z.B. Auszüge verlangt wie der Beschwerdeführer, finde im Gesetz keine Grundlage. Das öffentliche Registerrecht mit seinen Verfahren, die auf dem Antragsprinzip beruhen, muss seiner Natur und seinem Zweck entsprechend rasch und einfach gehandhabt werden ( BGE 104 Ib 322 mit Hinweisen). Das gilt namentlich für die Eintragungen, die unverzüglich vorzunehmen sind ( Art. 19 Abs. 2 HRegV ), aber zu den häufigsten Amtshandlungen gehören, wie die Statistik zeigt (SHAB Nr. 13 vom 19. Januar 1989 S. 247). Dazu kommt, dass die Überprüfungsbefugnis des Registerführers stark eingeschränkt ist ( BGE 107 II 247 /48 und BGE 91 I 362 mit Hinweisen), es folglich nicht seine Aufgabe sein kann, einem allfälligen Vertretungsverhältnis nachzuforschen, wenn nicht ersichtlich ist, für wen eine Amtshandlung beantragt wird. Die Oberaufsichtsbehörde nimmt deshalb mit Recht an, dass der Bundesrat sich angesichts der besondern Bedürfnisse der Registerbehörden gestützt auf Art. 929 Abs. 1 OR für befugt halten durfte, eine autonome Haftungsregelung zu schaffen, die unter Umständen über den Grundsatz des Art. 32 Abs. 1 OR hinausgeht (HUBER, N. 105 ff. zu Art. 6 ZGB ). Dass diese Regelung den Registerbehörden das Gebührenwesen erheblich erleichtert und daher auch sachlich gerechtfertigt ist, liegt auf der Hand. b) Das ist auch dem Hinweis des Beschwerdeführers auf einen Entscheid entgegenzuhalten, in dem die Justizdirektion des Kantons Bern am 29. Oktober 1988 seine Haftung in einem ähnlichen Fall verneint hat. Dieser Entscheid deckt sich zwar mit der Argumentation des Beschwerdeführers, widerspricht aber den vorstehenden Erwägungen. Er geht gestützt auf die Eintragungspflicht juristischer Personen gemäss Art. 22 Abs. 2 HRegV von der irrtümlichen Annahme aus, dass der Kreis der Haftenden auf anmeldepflichtige und -berechtigte Personen der Verwaltung zu beschränken sei. Das leuchtet namentlich dann nicht ein, wenn notarielle Entwürfe, deren Prüfung gemäss Art. 9 Ziff. 4 GebT ebenfalls gebührenpflichtig ist, dem Amt schon vor der Gründung einer Gesellschaft unterbreitet werden, was nach der Vernehmlassung der Vorinstanz in vielen Fällen vorkommen soll. Die Auslegung der streitigen Vorschrift durch die Vorinstanz ist umso weniger zu beanstanden, als Vertreter einer persönlichen Haftung dadurch vorbeugen können, dass sie einen Vorschuss verlangen, BGE 115 II 93 S. 96 wenn das Amt gemäss Art. 21 Abs. 3 GebT von einem solchen absieht.
2,019
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2,009
de
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 135 IV 146 S. 146 A. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am 11. April 2002 zweitinstanzlich wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Zürich BGE 135 IV 146 S. 147 vom 6. November 1999 (60 Tage Gefängnis wegen Körperverletzung). Die dagegen erhobenen Rechtsmittel an das Bundesgericht blieben ohne Erfolg (vgl. Urteile 6P.117/2003 und 6S.247/2002 vom 3. März 2004). X. trat die ausgefällte Strafe am 28. Juni 2004 an. Mit Entscheid des Amts für Justizvollzug des Kantons Zürich vom 9. August 2005 wurde er auf den 27. August 2005 bei einer Probezeit von 3 Jahren bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Vor Ablauf der Probezeit, d.h. am 14./15. März 2007, delinquierte X. erneut, indem er 56 Gramm reines Kokain kaufte und verkaufte. B. Mit Urteil vom 22. Mai 2008 stellte das Obergericht des Kantons Zürich im Berufungsverfahren die Rechtskraft des erstinstanzlichen Schuldspruchs wegen (erneuter) Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz fest. Es ordnete die Rückversetzung von X. in den Vollzug der am 11. April 2002 ausgefällten Freiheitsstrafe (Reststrafe: 284 Tage) an und bestrafte ihn unter Einbezug dieses Strafrests mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten als Gesamtstrafe. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es im Umfang von 12 Monaten unter Ansetzung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt auf. Im Umfang von 12 Monaten erklärte es die Freiheitsstrafe als vollziehbar. C. X. gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei unter Kostenfolgen aufzuheben, auf die Rückversetzung in den Strafvollzug sei zu verzichten und die neu auszufällende Freiheitsstrafe sei auf maximal 15 Monate festzusetzen mit bedingtem Strafvollzug und einer Probezeit von drei Jahren. Eventuell sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Vernehmlassungen wurde keine eingeholt.
862
358
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. In Anwendung der übergangsrechtlichen Regelung von Art. 388 StGB , ergänzt durch Ziff. 1 Abs. 3 der Schlussbestimmungen der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002, hat die Vorinstanz die zu beurteilende Frage der Nichtbewährung bzw. Rückversetzung entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nach neuem Recht beurteilt (Urteil des Bundesgerichts 6B_303/2007 vom BGE 135 IV 146 S. 148 6. Dezember 2007 E. 4.3 mit Hinweis auf BGE 133 IV 201 ). Hiegegen sind in der Beschwerde zu Recht keine Einwendungen erhoben worden. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend macht, es hätten nicht nur die revidierten Bestimmungen zur Nichtbewährung gemäss Art. 89 StGB , sondern richtigerweise auch diejenigen zur Probezeit gemäss Art. 87 StGB angewendet werden müssen, kann ihm nicht beigepflichtet werden. Denn diejenigen Elemente einer altrechtlichen Sanktion, die - wie die Probezeit - keinen Einfluss auf die Organisation und den institutionellen Ablauf des Sanktionenvollzugs haben und von daher nicht das Vollzugsregime im Sinne von Art. 388 Abs. 3 StGB betreffen, unterstehen dem Grundsatz nach Art. 388 Abs. 1 StGB , also dem Vollzug nach altem Recht (siehe SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafen und Massnahmen, 8. Aufl. 2007, S. 321 f.; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 3 zu Art. 388 StGB ). Im Übrigen handelt es sich vorliegend - der Beschwerdeführer wurde am 9. August 2005 mit Verfügung des Justizvollzugs des Kantons Zürich bei einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus dem Strafvollzug entlassen - um einen Verwaltungsakt, der unter der Herrschaft des alten Rechts ergangen und unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Dieser Akt bleibt vollständig - d.h. auch in Bezug auf die Dauer der verhängten Probezeit - bestehen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat das neue Recht hier nicht zur Folge, dass die bereits rechtskräftig beurteilte Frage der Dauer der Probezeit im Sinne von Art. 87 StGB in Wiedererwägung zu ziehen wäre. Anders zu argumentieren hiesse, dass mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts sämtliche laufenden Probezeiten für bedingt Entlassene hätten überprüft und nötigenfalls neu angesetzt werden müssen. Das entspricht nicht der Meinung des Gesetzgebers (vgl. Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [...], BBl 1999 II 2183 Ziff. 239.21). Die Vorinstanz ist nach dem Gesagten deshalb zutreffend von der Massgeblichkeit der unter der Herrschaft des alten Rechts am 9. August 2005 verfügten und in Rechtskraft erwachsenen dreijährigen Probezeit ausgegangen. 2. (...) 2.4 Die Vorinstanz bildet aus der Strafe von mindestens 18 und höchstens 20 Monaten, die sie für die neue Tat allein ausfällen würde, unter Einbezug des Vorstrafenrests von 284 Tagen bzw. rund 9 1⁄2 Monaten in "Anwendung des Asperationsprinzips" (Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 89 Abs. 6 StGB ) eine Gesamtstrafe von 24 BGE 135 IV 146 S. 149 Monaten. Sie gewährt hierfür den teilbedingten Strafvollzug, im Wesentlichen unter Zugrundelegung der Urteilserwägungen der ersten Instanz, welche davon ausging, dass der Beschwerdeführer aus dem Vollzug eines Teils der Gesamtstrafe die nötigen Lehren ziehen würde, weshalb ihm hinsichtlich des verbleibenden Rests die nötige günstige bzw. besonders günstige Prognose zu stellen sei. Den unbedingt und den bedingt vollziehbaren Teil der Strafe setzt sie auf je 12 Monate fest. 2.4.1 Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt und trifft diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 StGB eine Gesamtstrafe ( Art. 89 Abs. 6 Satz 1 StGB ). Aus dieser Formulierung ergibt sich zunächst, dass die Bildung einer Gesamtstrafe überhaupt nur in Betracht fällt, wenn die Reststrafe und die neu ausgefällte Freiheitsstrafe für die Probezeitdelikte zu vollziehen sind. Ist dies der Fall, so hat das Gericht gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB eine solche Gesamtstrafe in "Anwendung von Art. 49 StGB " zu bilden. Wie das im Einzelnen geschehen bzw. was damit genau gemeint sein soll, ist nicht ohne weiteres einsehbar. Die Lehre hat sich dazu soweit ersichtlich nicht geäussert. In der Botschaft des Bundesrates wird (lediglich) ausgeführt, dass die vorgeschlagene Bestimmung das Zusammentreffen eines durch Widerruf vollziehbaren Strafrests mit einer neuen (unbedingt vollziehbaren) Freiheitsstrafe "sachgerechter" regle als das bisherige Recht: Der Richter kumuliere nicht einfach wie bisher beide Strafen, sondern bilde aus ihnen eine Gesamtstrafe, auf welche die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar seien (Botschaft, a.a.O., 2123 Ziff. 214.34; vgl. BGE 134 IV 241 zum Widerruf des bedingten Strafvollzugs gemäss Art. 46 StGB ). Sollte Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 StGB zum Ausdruck bringen wollen, dass das Gericht für die der teilweise bereits verbüssten Vorstrafe und die der neuen Strafe zugrunde liegenden Taten eine Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip bilden soll, wie wenn es alle Straftaten gleichzeitig zu beurteilen hätte, erscheint dies als nicht sachgerecht. Das Gericht müsste in einem solchen Fall unter Zugrundelegung sämtlicher Straftaten - also derjenigen, welche der Täter nach Entlassung aus dem Strafvollzug während der Probezeit begangen hat, als auch derjenigen, für die er rechtskräftig verurteilt wurde und die Strafe bereits teilweise verbüsst hat - den Strafrahmen für die schwerste Tat festlegen, innerhalb dieses Strafrahmens BGE 135 IV 146 S. 150 die Einsatzstrafe für die schwerste Tat festsetzen, diese unter Einbezug aller anderen Straftaten angemessen zur Gesamtstrafe erhöhen und schliesslich feststellen, dass diese Strafe im Umfang des verbüssten Teils der Vorstrafe bereits vollzogen ist. Das macht wenig Sinn. Der Fall eines Täters, der aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung einen Teil seiner Strafe bereits verbüsst hat und nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug während der Probezeit erneut delinquiert, unterscheidet sich ganz massgeblich vom Fall des Täters, der sämtliche Taten begangen hat, bevor er wegen dieser Taten ( Art. 49 Abs. 1 StGB zur Konkurrenz) beziehungsweise zumindest wegen eines Teils dieser Taten ( Art. 49 Abs. 2 StGB zur retrospektiven Konkurrenz) verurteilt wird. Eine Gleichstellung dieser Fälle bei der Strafzumessung erscheint deshalb als sachfremd, zumal damit auch die straferhöhend zu wertenden Kriterien, dass der Täter bereits vorbestraft ist und einen Teil der Taten während der Probezeit nach der bedingten Entlassung verübt hat, bei der Zumessung der Strafe zu Unrecht unberücksichtigt bleiben müssten. Offenkundig kann es deshalb nicht die mutmassliche Meinung des Gesetzgebers (gewesen) sein, das System von Art. 49 StGB bei der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren unbesehen zu übernehmen. Ebenso wenig soll es insoweit aber zulässig sein, den Vorstrafenrest und die ausgefällte Strafe für die neuen Straftaten gemäss dem Kumulationsprinzip wie bisher einfach zu addieren (vgl. Botschaft, a.a.O.). Es kann deshalb im Rahmen von Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 StGB nur darum gehen, dem Täter bei der Festlegung der Sanktion in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips - im Vergleich zum Kumulationsprinzip - eine gewisse Privilegierung zu gewähren, wenn sowohl die Freiheitsstrafe für das neue Delikt als auch die konkrete Reststrafe zum Vollzug anstehen. Das Gericht hat dabei methodisch stets von derjenigen Strafe als "Einsatzstrafe" auszugehen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausgefällt hat. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich der noch zu vollziehende Vorstrafenrest in der Regel keiner, also auch nicht einer allfällig schwersten Tat zuordnen lässt, da insbesondere bei Vorliegen mehrerer Straftaten nicht gesagt werden kann, welche Delikte des Täters durch Strafverbüssung bereits "abgegolten" bzw. welche noch "offen" sind. Die für die neuen Straftaten ausgefällte Freiheitsstrafe bildet als Einsatzstrafe die Grundlage der Asperation. Das Gericht hat diese folglich mit Blick auf den BGE 135 IV 146 S. 151 Vorstrafenrest angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamtstrafe im Rückversetzungsverfahren. 2.4.2 Dass die im Verfahren nach Art. 89 Abs. 6 StGB gebildete Gesamtstrafe unbedingt anzuordnen und damit in jedem Fall vollständig zu vollziehen ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass eine solche überhaupt nur gebildet werden kann, wenn die Voraussetzungen für einen unbedingten Vollzug der neuen Freiheitsstrafe vorliegen und die Reststrafe ebenfalls für vollziehbar erklärt worden ist. Die Gewährung sowohl des bedingten ( Art. 42 StGB ) als auch des teilbedingten Strafvollzugs ( Art. 43 StGB ) fällt bei einer gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB gebildeten Gesamtstrafe mithin ausser Betracht. 2.4.3 Die Vorinstanz ist bei der Bildung der Gesamtstrafe methodisch insgesamt korrekt vorgegangen. Sie hat insbesondere entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung separat geprüft, ob die neue Freiheitsstrafe unbedingt anzuordnen ist. In der Folge hat sie nicht einfach eine Strafe von mindestens 27 1⁄2 bzw. höchstens 29 1⁄2 Monaten ausgefällt, welche sich aus der Addition der ausgefällten Strafe von mindestens 18 und höchstens 20 Monaten für die neue Tat und des Strafrests von rund 9 1⁄2 Monaten ergibt, sondern in Anwendung des Asperationsprinzips, ausgehend von der für die neue Straftat ausgefällten Freiheitsstrafe unter Einbezug des Vorstrafenrests zur angemessenen Erhöhung, eine Gesamtstrafe von 24 Monaten gebildet. Dagegen gibt es - auch mit Blick auf das weite Ermessen, das der Vorinstanz hier zukommt - nichts einzuwenden. Insoweit ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Allerdings hat die Vorinstanz den teilbedingten Strafvollzug angeordnet und die Strafe in einen unbedingt und einen bedingt vollziehbaren Teil von je 12 Monaten aufgeteilt. Wie ausgeführt kann die Gesamtstrafe im Rückversetzungsverfahren indessen weder bedingt noch teilbedingt ausgesprochen werden. Das Urteil erweist sich deshalb auch in diesem Punkt als mangelhaft, wobei sich der fragliche Mangel wiederum nicht zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt, sondern zu seinem Vorteil. Die Beschwerde ist daher insgesamt abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.
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Sachverhalt ab Seite 143 BGE 127 III 142 S. 143 A.- B. ha sottoposto il proprio fondo all'ordinamento della proprietà per piani prima della costruzione. Le 19 unità di PPP sono poi state vendute a vari acquirenti, tranne una che il proprietario originario ha tenuto per sé. Dieci anni dopo, il 4 giugno 1986, tutti gli altri comproprietari hanno convenuto in giudizio B. davanti al Pretore di Lugano per ottenere l'iscrizione definitiva della PPP mediante modifica dei piani di riparto e di assegnazione delle parti comuni, nonché delle quote di valore attribuite a ciascuna unità di PPP. Con sentenza 7 novembre 1997 il Pretore ha approvato i piani sottopostigli, nonché la tabella dei millesimi e ha ordinato all'Ufficio del registro fondiario di procedere all'iscrizione definitiva della PPP. B.- Con sentenza 14 luglio 2000 la I Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino, adita dal convenuto, ha annullato la decisione pretorile e ha respinto la petizione. I giudici cantonali hanno lasciato aperto il tema a sapere se per la modifica delle quote fosse necessario anche il coinvolgimento dei creditori pignoratizi, perché l'azione andava comunque respinta per l'assoluta mancanza di elementi atti a permettere la determinazione dei criteri con i quali erano stati originariamente calcolati i millesimi delle singole quote. In assenza di ogni elemento al proposito, le domande degli attori appaiono manifestamente infondate. C.- Il 14 agosto 2000 i condomini soccombenti hanno inoltrato al Tribunale federale un ricorso per riforma con cui chiedono di annullare la sentenza dei giudici di appello e di confermare quella di primo grado. Il Tribunale federale ha respinto, in quanto ammissibile, il gravame e ha confermato la decisione impugnata.
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Erwägungen Dai considerandi: 2. Come correttamente rilevato dai giudici cantonali e come peraltro sembra ammesso dalle parti, i comproprietari sono liberi di determinare le quote di valore delle singole unità di PPP. Le quote di valore così fissate determinano la misura della partecipazione di ogni unità alla comproprietà ( DTF 116 II 55 consid. 5; cfr. anche DTF 103 II 110 consid. 3a; MEIER-HAYOZ/REY, Commento bernese, n. 4 all' art. 712e CC ; REY, Schweizerisches Stockwerkeigentum, mit BGE 127 III 142 S. 144 Beispiel "Reglement der Stockwerkeigentümer", n. 144 segg.) e possono dipendere, a seconda dei criteri scelti dai condomini, da fattori oggettivi, quali l'estensione delle superfici in uso esclusivo, uso delle parti comuni, ecc., e soggettivi, quali la vista, gli accessi, le immissioni, ecc. (sui vari aspetti cfr. MEIER-HAYOZ/REY, op. cit., n. 20 segg. all' art. 712e CC ; REY, loc. cit.). Qualsiasi successiva modifica delle quote richiede il consenso di tutti gli interessati diretti e l'approvazione dell'assemblea dei comproprietari ( art. 712e cpv. 2 CC ; STEINAUER, Les droits réels, vol. I, 3a ed., n. 1153b, pag. 318). Ogni comproprietario può tuttavia domandare la rettificazione della sua quota, qualora sia stata determinata erroneamente o sia divenuta inesatta per le mutate condizioni dell'edificio o delle sue adiacenze (art. 712e cpv. 2 seconda frase CC). Questa disposizione, contrariamente all'opinione degli attori, si applica a tutte le fattispecie in cui si debba procedere alla modifica delle quote validamente fissate nell'atto costitutivo o in ogni altra procedura eseguita nel rispetto dell' art. 712e CC , e quindi anche ai casi, come in concreto, in cui si intenda modificare le quote a conclusione dei lavori, in sede di cancellazione della menzione di costituzione della PPP prima della costruzione dell'edificio (FRIEDRICH, Praktische Fragen im Zusammenhang mit der Begründung von Stockwerkeigentum, in: ZBGR 47/1966 pag. 321 segg., pag. 340 n. 2). In concreto gli attori non sostengono che all'atto della costituzione si sia incorsi in una determinazione erronea dei millesimi, ma che in seguito a modifiche intervenute durante i lavori, le quote di valore non corrispondono più a quelle iscritte a registro fondiario. I giudici cantonali hanno però correttamente rilevato che non tutte le modifiche costruttive giustificano automaticamente un cambiamento delle quote attribuite alle singole unità: un aumento della superficie porta, secondo i commentatori, a un aumento della quota di valore solo se gli altri condomini subiscono un pregiudizio in seguito all'ampliamento, ovvero se all'atto della determinazione delle quote la superficie sia stata decisiva ai fini del calcolo (REY, Zur Quotenänderung beim Stockwerkeigentum, in: ZBGR 60/1979 pag. 131 seg.; MEIER-HAYOZ/REY, op. cit., n. 28 all' art. 712e CC ). Indispensabile appare quindi, in caso di modifica delle originarie quote di valore delle singole unità condominiali, conoscere i criteri con i quali esse sono state fissate; ciò appare importante sia per decidere se una modifica debba aver luogo sia, in caso affermativo, per stabilirne la misura nel contesto dell'intero ordinamento della proprietà per piani. BGE 127 III 142 S. 145 3. a) I giudici cantonali hanno respinto la richiesta di modifica delle quote proposta dagli attori, perché questi ultimi non hanno dimostrato di aver rispettato i criteri che hanno portato alla determinazione originaria delle quote stesse. Infatti di fronte alla contestazione del convenuto, secondo il quale la nuova ripartizione millesimale proposta non rispetterebbe i criteri di calcolo originariamente adottati, la Corte cantonale ha constatato che gli attori non hanno speso una parola per esporre o accertare i metodi di calcolo adottati all'atto della costituzione della PPP, di guisa che appare del tutto impossibile verificare il nuovo conteggio da essi stessi proposto, che si scosta dal riparto per quote di valore iniziale. b) Secondo gli attori ciò costituisce una violazione dell' art. 8 CC e segnatamente una violazione dell'onere della prova, che è stato invertito. Infatti è stato il convenuto a contestare la validità del metodo adottato e in particolare a sollevare la questione del rispetto del criterio originario nella determinazione delle quote. Spetta pertanto a quest'ultimo dimostrare che il nuovo conteggio non ossequia i criteri inizialmente stabiliti. c) L' art. 8 CC regola la ripartizione dell'onere probatorio e, quindi, le conseguenze dell'assenza delle prove necessarie nell'ambito di tutti i rapporti giuridici retti dal diritto civile federale ( DTF 115 II 300 consid. 3). Esso stabilisce che, ove la legge non dispone altrimenti, chi vuole dedurre un diritto da una circostanza di fatto da lui asserita deve fornirne la prova, pena la soccombenza di causa. Nella fattispecie incombe pertanto agli attori, che chiedono una modifica delle quote millesimali iscritte a registro fondiario, l'onere di dimostrare il realizzarsi delle condizioni poste dall' art. 712e cpv. 2 CC , ossia che le unità di PPP originarie sono state modificate nel corso dei lavori e che tali modifiche, sulla base dei criteri di calcolo originari, comportano la nuova ripartizione proposta (cfr. KUMMER, Commento bernese, n. 155 all' art. 8 CC ). Vero è che in concreto le quote inizialmente sono state stabilite dal convenuto, ma ciò ancora non basta per rovesciare l'onere della prova. Gli attori, in caso di assenza di elementi palesi e pacifici, atti a stabilire i criteri di calcolo originari, avrebbero potuto chiedere in causa l'interrogatorio formale del convenuto, ovvero un rapporto peritale sul tema. Ne segue che la censura è infondata. 5. I Giudici cantonali hanno pure rilevato che la modifica dei millesimi avrebbe verosimilmente dovuto coinvolgere anche i creditori ipotecari, che potrebbero subire pregiudizio dalla modifica delle quote millesimali delle singole unità: anzi, una di esse nella BGE 127 III 142 S. 146 concreta situazione viene addirittura eliminata. Essi hanno però lasciato aperto il quesito, perché la petizione doveva comunque essere respinta già per altre ragioni. Il tema potrebbe restare indeciso anche in questa sede. Per motivi di economia di giudizio, dato che le parti chiederanno nuovamente l'iscrizione definitiva della PPP, appare opportuno risolvere codesto quesito. L' art. 712e cpv. 2 CC prevede che la modifica delle quote di valore richiede, tra l'altro, il consenso di tutti gli interessati. Secondo la dottrina tra questi ultimi rientrano, nell'ambito della modifica contrattuale, pure i titolari di diritti reali limitati, e segnatamente anche i creditori pignoratizi che si vedono modificata a loro pregiudizio la quota di valore dell'oggetto del pegno (MEIER-HAYOZ/REY, op. cit., n. 46 ad art. 712e CC ; STEINAUER, op. cit., n. 1153b, pag. 318; lo stesso, Questions choisies en rapport avec la propriété par étages, in: RVJ 1991 pag. 285 segg., pag. 300; REY, Schweizerisches Stockwerkeigentum, mit Beispiel "Reglement der Stockwerkeigentümer", n. 153, nota a pié di pagina 131; WEBER, Die Stockwerkeigentümergemeinschaft, tesi zurighese 1979, pag. 165 seg.; OTTIKER, Pfandrecht und Zwangsvollstreckung bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, tesi bernese 1972, pag. 152 seg.; FRIEDRICH, op. cit., pag. 321 segg., pag. 328 II 3c i.f.). Un solo autore (F. SCHMID, Die Begründung von Stockwerkeigentum, tesi zurighese 1972, pag. 100 nota a piè di pagina 74) sembra sostenere il contrario, ossia che la modifica può avvenire senza il coinvolgimento dei creditori ipotecari: egli non dà al proposito motivazione di sorta e si limita a far riferimento ad una nota apparsa a pag. 1545 nella Neue Juristische Wochenschrift (NJW) del 1956 per cura del direttore dell'Amtsgericht di Heilbronn, Friedrich. Senonché da tale nota nulla emerge al proposito: l'autore, che peraltro si esprime sulla disciplina vigente in Germania, non tratta il problema del coinvolgimento di titolari di diritti reali limitati nell'ambito della modifica delle quote di valore e non permette di conseguenza di chiarire il rinvio a lui fatto da Schmid. La soluzione proposta dalla dottrina praticamente unanime e ricordata sopra merita senz'altro conferma. I titolari di diritti reali limitati, e in particolare i creditori ipotecari, possono essere toccati in maniera non indifferente da una modifica delle quote di valore, specie se essa è dovuta ad una diminuzione della superficie o ad altra modifica fisica dell'unità per piani interessata. Inoltre il legislatore ha voluto escludere la responsabilità solidale dei condomini per i debiti della comunione: per i creditori ipotecari di quest'ultima che devono ripartire il loro credito secondo BGE 127 III 142 S. 147 i millesimi non è indifferente la modifica successiva delle quote di valore; analogamente pregiudizievole può risultare il cambiamento delle quote di valore per i creditori che hanno finanziato la costruzione e dispongono di un credito ipotecario sull'intero immobile: al momento della ripartizione dei crediti ipotecari dal fondo base sulle singole unità di PPP una modifica delle quote di valore può incidere in maniera rilevante sui loro diritti (cfr. LIVER, Schweizerisches Privatrecht, vol. V/1, § 14 III i.f., pag. 94). Esistono pertanto valide ragioni per esigere anche nell'ambito giudiziale il consenso e, in sua assenza, la citazione in giudizio dei creditori ipotecari pregiudicati dalla modifica delle quote di valore, ossia dall'oggetto stesso del loro diritto di pegno. La richiesta degli attori, che ignora completamente i creditori ipotecari, appare quindi irrita anche sotto questo aspetto.
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Sachverhalt ab Seite 8 BGE 100 Ia 8 S. 8 Riassunto dei fatti: Il 18 dicembre 1972 il Consiglio comunale di Giubiasco discuteva e approvava il preventivo del Comune; in esso era compresa la concessione di un credito di Fr. 1720 000 per la costruzione di una casa dei bambini. Con risoluzione 22 gennaio 1973 il Municipio appaltava i lavori ad una ditta di Buttes, senza indire pubblico concorso. Il Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni ratificava il 12 febbraio 1973 l'aggiudicazione. Il 6 febbraio Luce Juri-Berta impugnava la delibera municipale con ricorso al Consiglio di Stato, allegando la violazione della legge sugli appalti. Nel corso della procedura la ricorrente chiedeva d'essere ammessa a replicare e di poter prendere visione preventivamente di tutti i documenti del Municipio relativi alla pratica. Il Consiglio di Stato dava seguito negativo a queste richieste e, con risoluzione 14 marzo 1973, respingeva il ricorso nella misura in cui era ricevibile. Con ricorso di diritto pubblico fondato sull'art. 4 CF, la ricorrente fa valere la violazione del diritto d'essere sentita, e si duole in particolare che il Consiglio di Stato non l'abbia ammessa a replicare nè a prendere visione degli atti e documenti prodotti dal Municipio, si da poterli discutere. Essa postula l'annullamento della decisione impugnata e il rinvio della causa al Consiglio di Stato per nuovo giudizio.
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Erwägungen Considerando in diritto: 3. La ricorrente afferma che il Consiglio di Stato ha violato il suo diritto d'esser sentita, negandole da un lato la facoltà di BGE 100 Ia 8 S. 9 replicare, e non concedendole dall'altro di prendere conoscenza degli atti e dei documenti prodotti dalle controparti. a) Natura e limiti del diritto d'esser sentiti sono anzitutto determinati dal diritto cantonale, la cui applicazione è controllata dal Tribunale federale sotto il profilo dell'arbitrio e della disparità di trattamento (RU 92 I 186; 96 I 21 , 311, 323 b). Solo quando le disposizioni cantonali appaiono insufficienti - questione che il Tribunale federale rivede liberamente - trovano diretta applicazione i principi che la giurisprudenza ha dedotto dall'art. 4 CF e che costituiscono una garanzia sussidiaria e minima. b) Il diritto di esser sentiti comprende varie pretese: non solo quella di esprimersi prima che una decisione sia presa, ma anche quella di fornire prove sui fatti rilevanti per la decisione, quella di prender conoscenza degli atti, quella di farsi rappresentare o assistere e, infine, quella di ottenere una decisione da parte dell'autorità competente (RU 96 I 323 c e riferimenti). c) L'art. 43 cpv. 3 LPAmm, applicabile alla procedura di ricorso davanti al Consiglio di Stato ed al Tribunale amministrativo, prevede che, dopo la risposta al ricorso, l'autorità "può ordinare eccezionalmente un ulteriore scambio di allegati". La ricorrente stessa riconosce, a ragione, che la decisione di ordinare una replica dipende dall'apprezzamento dell'autorità e, pure a ragione, non afferma che una simile norma contraddica in sè alle esigenze minime poste dall'art. 4 CF. Essa pretende però che il Consiglio di Stato ha fatto un uso arbitrario del suo potere di apprezzamento. Essa afferma innanzitutto che le risposte delle controparti contenevano affermazioni cosi importanti da render necessarie rettifiche e precisazioni da parte della ricorrente. Ma la ricorrente si limita a codesta asserzione, senza prendersi la briga di indicare in che le risposte avversarie portassero elementi nuovi; non specificata, la censura è irricevibile ( art. 90 OG ). La ricorrente sostiene poi che la replica doveva esserle concessa poichè il Consiglio di Stato si riteneva unica ed ultima istanza. Quest'argomento è infondato. La circostanza per cui un'eventuale autorità di ricorso possa rimediare successivamente alla violazione del diritto di esser sentiti commessa dall'autorità inferiore, come non libera l'autorità inferiore dall'obbligo di rispettare il diritto d'esser sentiti, cosi è ininfluente per decidere se ed entro quali limiti tale diritto debba esser riconosciuto. BGE 100 Ia 8 S. 10 Infine, la ricorrente sostiene che la necessità della replica derivava dalla circostanza che il ricorso era fondato su informazioni frammentarie ed affrettate: questa censura è strettamente connessa con quella relativa all'esame degli atti. Come si vedrà in seguito, essa è pure infondata. Se ne deve concludere che, negando la replica, il Consiglio di Stato non ha violato l'art. 4 CF. d) L'art. 20 LPAmm consacra esplicitamente il principio, desumibile dall'art. 4 CF, del diritto della parte in procedimenti amministrativi all'esame degli atti (cpv. 1), salvo eccezioni richieste dalla tutela di legittimi interessi pubblici o privati contrastanti (cpv. 2), eccezioni che nel presente caso nessuno afferma ricorrere. Il diritto all'esame degli atti, come quello allo esame delle prove assunte dall'autorità rientra nel diritto d'esser sentiti, perchè costituisce la premessa necessaria del diritto di esprimersi e di esporre i propri argomenti che costituisce il vero fulcro del diritto d'esser sentito (TINNER, Das rechtliche Gehör, RDS 83 II p. 328, 3 b). In tale funzione l'esame degli atti, rispetto al diritto di esprimersi, costituisce un prius che ne condiziona l'esercizio. Ed in tale misura, il diritto di esaminare gli atti partecipa della cosiddetta natura formale (RU 94 I 109 consid. 5; 96 I 22 , 188) del diritto di esser sentiti: come, per ammettere la violazione del diritto di esprimersi, non è necessario che l'interessato dimostri che, se il suo diritto fosse stato rispettato, la causa avrebbe avuto un esito diverso, così non devesi di regola richiedere che sia provato che l'esame degli atti, a torto negato, avrebbe permesso all'interessato di esprimersi diversamente e quindi di influire sull'esito della procedura. Perchè ciò si verifichi occorre però che la violazione del diritto all'esame degli atti sia intervenuta prima del momento in cui l'interessato era, in virtù della procedura, tenuto ad esprimersi. La violazione di un eventuale diritto all'esame degli atti - previsto a fini meramente informativi - dopo trascorso il termine entro cui l'interessato doveva esprimersi, non può avere nè la stessa portata, nè le stesse conseguenze, poichè una tale violazione è palesemente inidonea a compromettere il diritto di esprimersi. Legittimata, in virtù dell'art. 154 lett. a LOC ad impugnare nel termine di 15 giorni la deliberazione municipale con ricorso al Consiglio di Stato, si deve ammettere che la ricorrente BGE 100 Ia 8 S. 11 possedeva il diritto di prendere visione degli atti della delibera prima di inoltrare il ricorso (IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, n. 613, VII). Essa avrebbe potuto (e dovuto) chiedere al Municipio di Giubiasco d'esser ammessa ad esaminare l'incarto: se un simile diritto le fosse stato contestato, essa avrebbe potuto dolersene nel gravame al Consiglio di Stato; un eventuale rifiuto non avrebbe per lei potuto comportare conseguenze sfavorevoli (cosi in punto alla tempestività, come in punto alla completezza del gravame - cfr. IMBODEN, n. 623 I B). Ora. non risulta che la ricorrente abbia chiesto al Municipio di Giubiasco di consultare preventivamente l'incarto, nè che, avendo ciò chiesto, un simile esame le sia stato rifiutato. Essa ha inoltrato il ricorso al Consiglio di Stato sulla scorta delle informazioni che possedeva: avendo omesso di far uso dell'esercizio del diritto che le competeva, essa non poteva contare di poter completare le eventuali manchevolezze del gravame in sede di replica, recando nuove censure desunte dall'esame degli atti. Ammettere il contrario, significherebbe consentire l'elusione dei termini stabiliti dalla procedura per l'esercizio del diritto di ricorso. La ricorrente assevera però che le è stato negato il diritto di esprimersi sulle prove prodotte in causa. Ma anche codesta censura è infondata. Il diritto di prender visione delle prove e di esprimersi sulle stesse si riferisce alle prove che l'autorità competente - in casu, il Consiglio di Stato - avesse assunto al di fuori degli atti costituenti l'incarto comunale, di cui la ricorrente aveva omesso di domandare visione tempestivamente. Non risulta infatti, nè la ricorrente afferma, che le controparti abbiano prodotto al Consiglio di Stato altri documenti o mezzi di prova che già non facessero parte dell'inserto relativo alla delibera. Si deve cosi concludere che, quand'anche a torto ed in violazione dell'art. 20 LPAmm, il Consiglio di Stato avesse negato alla ricorrente il diritto di esaminare - a fini meramente informativi - l'incarto in pendenza di procedura, un simile rifiuto non adempie gli estremi della violazione del diritto d'esser sentito garantito dall'art. 4 CF, poichè assolutamente inidoneo a pregiudicare il diritto di esprimersi della ricorrente. e) La censura di violazione del diritto di esser sentiti è BGE 100 Ia 8 S. 12 pertanto infondata, tanto per quanto riguarda la mancata concessione della replica, tanto per quanto riguarda l'esame l'esame degli atti. D'altronde, se fosse stata fondata, una simile censura avrebbe tutt'al più permesso al Tribunale federale di constatare l'intervenuta violazione, non però di annullare l'impugnata decisione. Nonostante la natura formale del diritto violato, l'interesse alla sicurezza del diritto e il principio della proporzionalità possono far ostacolo alla cassazione dell'impugnata decisione (RU 97 I 886 c): nel caso in esame, non solo l'impugnata delibera aveva creato diritti ed obblighi reciproci per il Comune e la deliberataria, ma i lavori di costruzione dell'edificio scolastico avevano ormai avuto principio. Se ne deve concludere che il ricorso volto contro la decisione del Consiglio di Stato dev'essere respinto.
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Sachverhalt ab Seite 83 BGE 128 V 82 S. 83 A.- Par décision du 3 mai 2001, l'Office cantonal genevois de l'assurance-invalidité (ci-après: l'office) a refusé d'allouer une rente à R. L'office se fondait principalement sur un rapport d'expertise, rédigé en langue italienne, du Centre d'observation médicale de l'assurance-invalidité (COMAI) de Bellinzone du 3 décembre 1999. B.- Par écriture du 6 juin 2001, R. a recouru contre cette décision devant la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS/AI (ci-après: la commission cantonale) en demandant, préalablement, une traduction en langue française du rapport d'expertise du COMAI, aux frais de l'office. Statuant le 9 novembre 2001, la commission cantonale a annulé la décision attaquée et a ordonné à l'office de faire procéder à ses frais à la traduction, en langue française, de l'expertise du COMAI. Elle lui a imparti à cet effet un délai échéant le 20 décembre 2001 et l'a invité à reprendre ensuite l'instruction de la cause et à rendre une nouvelle décision. La première page de son jugement (rubrum) mentionne comme suit la composition de la commission: "Pour la Commission: Me Jean-Marie FAIVRE, Président P. RUMO, W. FEHR, M. LOCCIOLA absent, G. CRETTENAND, Membres K. STECK, Greffière-juriste." C.- L'office interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut à l'annulation du jugement attaqué et au renvoi de la cause à la commission cantonale pour nouvelle décision. R. conclut au rejet du recours. Les premiers juges se sont également déterminés à son sujet. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales, il ne s'est pas prononcé.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant se plaint d'une violation de la garantie d'un tribunal indépendant et impartial. Il fait valoir que l'un des membres de la commission, Maurizio Locciola, avocat à Genève, aurait dû se récuser. En effet, dans une affaire similaire, Me Locciola, agissant BGE 128 V 82 S. 84 en qualité de mandataire d'un assuré, a contesté devant la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS/AI le refus de l'office de l'assurance-invalidité de procéder à une traduction française d'une expertise effectuée par le COMAI de Bellinzone. L'office en conclut que, quand bien même Me Locciola était "absent" au moment où le jugement du 9 novembre 2001 a été rendu, on peut légitimement se demander si, en sa qualité de membre de la commission de recours, il n'y a pas projeté des opinions déjà acquises, voire émises, à propos de la traduction des rapports d'expertise des COMAI. Dans ses déterminations sur le recours, la commission cantonale expose que Me Locciola n'a pas participé à la prise de la décision, attendu qu'il était absent. Il convient d'examiner en premier lieu le grief d'ordre formel que le recourant soulève contre le déroulement de la procédure de première instance, car il se pourrait que le tribunal accueille le recours sur ce point et renvoie la cause à l'autorité cantonale sans examen du litige au fond ( ATF 124 V 92 consid. 2 et la référence). 2. a) Selon l' art. 30 al. 1 Cst. - qui, de ce point de vue, a la même portée que l' art. 6 par. 1 CEDH ( ATF 127 I 198 consid. 2b) -, toute personne dont la cause doit être jugée dans une procédure judiciaire a droit à ce que sa cause soit portée devant un tribunal établi par la loi, compétent, indépendant et impartial. Le droit des parties à une composition régulière du tribunal et, partant, à des juges à l'égard desquels il n'existe pas de motif de récusation, impose des exigences minimales en procédure cantonale ( ATF 123 I 51 consid. 2b). Cette garantie permet, indépendamment du droit cantonal, d'exiger la récusation d'un juge dont la situation et le comportement sont de nature à faire naître un doute sur son impartialité ( ATF 126 I 73 consid. 3a); elle tend notamment à éviter que des circonstances extérieures à la cause ne puissent influencer le jugement en faveur ou au détriment d'une partie. Elle n'impose pas la récusation seulement lorsqu'une prévention effective du juge est établie, car une disposition interne de sa part ne peut guère être prouvée; il suffit que les circonstances donnent l'apparence de la prévention et fassent redouter une activité partiale du magistrat. Seules les circonstances constatées objectivement doivent être prises en considération; les impressions purement individuelles d'une des parties au procès ne sont pas décisives ( ATF 127 I 198 consid. 2b, ATF 125 I 122 consid. 3a, ATF 124 I 261 consid. 4a). BGE 128 V 82 S. 85 Le plaideur est fondé à mettre en doute l'impartialité d'un juge lorsque celui-ci révèle, par des déclarations avant ou pendant le procès, une opinion qu'il a déjà acquise sur l'issue à donner au litige. Les règles cantonales sur l'organisation judiciaire doivent être conçues de façon à ne pas créer de telles situations; ainsi, il est inadmissible que le même juge cumule plusieurs fonctions et soit donc amené, aux stades successifs d'un procès, à se prononcer sur des questions de fait ou de droit étroitement liées. On peut craindre, en effet, que ce juge ne projette dans la procédure en cours les opinions qu'il a déjà émises à propos de l'affaire, à un stade antérieur, qu'il ne résolve les questions à trancher selon ces opinions et, surtout, qu'il ne discerne pas les questions que se poserait un juge non prévenu ( ATF 116 Ia 139 consid. 3b; voir aussi ATF 125 I 122 consid. 3a). Qu'un avocat soit membre d'une autorité de recours devant laquelle il peut être amené à plaider dans des affaires n'intéressant pas les parties aux litiges dont il a à connaître dans sa fonction de juge ne suffit pas en soi à mettre en doute - et de manière générale - son impartialité. La jurisprudence considère cependant que certains liens, en particulier professionnels, entre un juge et une partie, peuvent constituer un motif de récusation. Il en va ainsi, par exemple, d'un juge suppléant appelé à statuer dans une affaire soulevant les mêmes questions juridiques qu'une autre cause pendante qu'il plaide comme avocat ( ATF 124 I 121 ). b) Par ailleurs, selon une jurisprudence constante, le motif de récusation doit être invoqué dès que possible, à défaut de quoi le plaideur est réputé avoir tacitement renoncé à s'en prévaloir ( ATF 119 Ia 228 sv.; EGLI/KURZ, La garantie du juge indépendant et impartial dans la jurisprudence récente, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise [RJN] 1990 p. 28 sv.). En particulier, il est contraire à la bonne foi d'attendre l'issue d'une procédure pour tirer ensuite argument, à l'occasion d'un recours, de la composition incorrecte de l'autorité qui a statué, alors que le motif de récusation était déjà connu auparavant ( ATF 124 I 123 consid. 2, ATF 119 Ia 228 sv. consid. 5a). Cela ne signifie toutefois pas que l'identité des juges appelés à statuer doive nécessairement être communiquée de manière expresse au justiciable; il suffit en effet que le nom de ceux-ci ressorte d'une publication générale facilement accessible, par exemple l'annuaire officiel. La partie assistée d'un avocat est en tout cas présumée connaître la composition régulière du tribunal ( ATF 117 Ia 323 consid. 1c; EGLI/KURZ, loc.cit., p. 29). En revanche, BGE 128 V 82 S. 86 un motif de prévention concernant un juge suppléant peut, en principe, encore être valablement soulevé dans le cadre d'une procédure de recours, car le justiciable pouvait partir de l'idée que le tribunal de première instance statuerait dans sa composition ordinaire. Cette jurisprudence au sujet des juges suppléants doit s'appliquer de la même manière quand il s'agit d'examiner si un justiciable devait ou non s'attendre à la présence d'un assesseur qui est appelé à fonctionner, de cas en cas, dans la composition du tribunal saisi de l'affaire (voir SVR 2001 BVG no 7 p. 28 consid. 1c, non publié aux ATF 126 V 303 ). 3. a) Selon l' art. 17 de la loi cantonale genevoise d'application de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants du 13 décembre 1947 (RS GE J 7 05) , il est institué, en application de l' art. 85 al. 1 LAVS , une commission cantonale de recours nommée pour quatre ans au début de chaque législature (al. 1). La commission est constituée d'un président titulaire et de présidents suppléants, tous de formation juridique et nommés par le Conseil d'Etat, et d'assesseurs familiarisés avec les questions juridiques, fiscales ou d'assurances sociales, tous nommés par le Grand Conseil à raison de trois par parti représenté au Grand Conseil (al. 2). La commission siège dans une composition de cinq membres constituée d'un président titulaire ou suppléant et de quatre assesseurs, qui siègent à tour de rôle (al. 3). La commission siège avec le concours d'un greffier juriste ayant voix consultative et qui est chargé de la préparation des séances de la commission; le président peut le charger de procéder à l'instruction des causes et de rédiger des projets de jugement (art. 19). Selon le règlement de la commission édicté par le Conseil d'Etat le 27 octobre 1993 (RS GE J 7 05.20), les séances et les audiences de la commission ont lieu à huis clos (art. 9). Pour siéger valablement, la commission doit comprendre le président ou l'un de ses suppléants, ainsi que trois membres ou suppléants sur quatre (art. 5). b) Dans le cas particulier, l'identité des membres de la commission n'a pas été communiquée d'avance aux parties. Elle est indiquée sur la première page du jugement attaqué (rubrum), qui a été notifié aux parties après son prononcé. D'autre part, Me Locciola est assesseur de la commission de recours. Il convient donc d'admettre, sur le vu de la jurisprudence précitée, que le motif tiré de la récusation peut encore être valablement invoqué dans la procédure fédérale, d'autant que la liste des membres de la commission (présidents, suppléants et assesseurs) ne figure pas dans l'annuaire officiel BGE 128 V 82 S. 87 de la République et canton de Genève (édition 2001) publié par la Chancellerie d'Etat. c) D'autre part, contrairement à ce que suggère la commission de recours dans ses observations, Me Locciola est réputé avoir fait partie de l'autorité qui a rendu le jugement attaqué, dans la mesure où son nom figure sur le rubrum de ce jugement. Le fait que le rubrum contient la mention "absent" à côté du nom de Me Locciola ne justifie pas une autre conclusion. On peut seulement en déduire que Me Locciola n'était pas présent à l'audience de jugement. Cela ne permet pas de conclure - en tout cas pas de manière certaine - à l'absence de toute intervention de sa part dans le cours du procès. L'exigence d'une justice indépendante et impartiale impose une certaine transparence dans le déroulement de la procédure. En l'occurrence, l'audience de jugement a eu lieu à huis clos. On ne sait pas à quel moment Me Locciola a été désigné pour fonctionner comme assesseur au sein de la commission. On ignore de surcroît les motifs pour lesquels il était absent le jour de l'audience. On ne sait pas davantage s'il a été appelé à jouer un rôle au cours de l'instruction de la cause. Il paraît en tout cas certain qu'à aucun moment il ne s'est récusé. A défaut d'éléments contraires, on ne peut dès lors exclure qu'il ait pu, en sa qualité de membre de la commission, exercer d'une manière ou d'une autre une influence sur la décision, par exemple en faisant connaître son point de vue avant l'audience ou au cours de l'instruction de la cause ou encore au stade de la rédaction des motifs. d) Il est par ailleurs établi que dans une affaire similaire, qui posait également le problème de la traduction en langue française d'une expertise du COMAI de Bellinzone rédigée en italien, Me Locciola a formé au nom de l'assuré un recours devant la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS/AI. Il se plaignait, précisément, d'une violation du droit d'être entendu de son client, du fait que celui-ci n'avait pas obtenu une traduction en français du rapport du COMAI. Par une décision incidente du 23 avril 2001, la commission de recours a imparti un délai à l'office de l'assurance-invalidité "afin de faire procéder à ses frais à la traduction de l'expertise du COMAI en langue française". L'office de l'assurance-invalidité a alors interjeté un recours de droit administratif contre cette décision incidente, que le Tribunal fédéral des assurances a rejeté par arrêt S. du 27 février 2002 ( ATF 128 V 34 cause I 321/01). Objectivement, l'ensemble de ces circonstances était de nature à jeter un doute, dans la présente procédure, sur l'impartialité de BGE 128 V 82 S. 88 Me Locciola, dans la mesure où celui-ci, en tant qu'avocat, avait clairement révélé, dans ses écritures devant la commission de recours puis devant le Tribunal fédéral des assurances l'opinion qu'il avait sur l'issue du litige. Cette suspicion était d'autant plus fondée qu'il y a pratiquement concomitance entre les deux procédures, puisque l'affaire dans la cause I 321/01 (entrée au Tribunal fédéral des assurances le 21 mai 2001) était pendante devant la Cour de céans au moment où le jugement ici attaqué a été rendu. Les premiers juges reconnaissent d'ailleurs eux-mêmes, dans leurs déterminations devant la Cour de céans, que Me Locciola aurait dû se récuser s'il avait été présent à l'audience de jugement. Or, comme il a déjà été mentionné, l'absence du prénommé ne permet pas de conclure qu'il ne faisait pas partie de l'autorité qui a rendu le jugement attaqué, dès lors que son nom figure sur le rubrum du jugement. Sa récusation s'imposait donc. 4. Il s'ensuit que le grief soulevé par le recourant est bien fondé. Il convient donc d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause à la commission pour qu'elle statue à nouveau dans une composition qui offre aux parties la garantie d'un tribunal indépendant et impartial.
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Sachverhalt ab Seite 418 BGE 137 V 417 S. 418 A. Die 1981 geborene B. leidet an einer spinalen Muskelatrophie Typ II (Kugelberg-Welander), welche zu einer Parese der unteren Extremitäten und einer Kraftminderung der oberen Extremitäten führt. Die Invalidenversicherung anerkannte ein Geburtsgebrechen BGE 137 V 417 S. 419 (Ziff. 383 GgV Anhang) und übernahm unter anderem die Mehrkosten für die Erlangung der Maturität (Anfang des Jahres 2001) sowie für das spätere Studium der Mathematik und die Absolvierung des höheren Lehramtes. Für die Belange der Invalidenversicherung galt die Ausbildung als seit Sommer 2007 abgeschlossen (Bericht des Eingliederungsverantwortlichen der Invalidenversicherung vom 4. Juli 2008). Seit August 2008 arbeitet B. in einem Teilpensum als Mathematiklehrerin. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau (nachfolgend: IV-Stelle) sprach ihr unter der gutachtlich abgestützten Annahme, sie sei als Lehrerin zu höchstens 50 Prozent arbeitsfähig, für die Zeit nach Abschluss der beruflichen Ausbildung (ab Juli 2007) eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 26. Oktober 2009). B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die hiegegen erhobene Beschwerde ab, mit welcher die Erhöhung der Invalidenrente um einen Drittel ( Art. 37 Abs. 2 IVG ), eventuell die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung bzw. zur Neuberechnung der Rentenhöhe, beantragt worden war (Entscheid vom 10. März 2010). C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erneuert B. die vorinstanzlich gestellten Anträge. (...) Die IV-Stelle verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Strittig ist allein die Höhe der halben Invalidenrente, welche der am 23. April 1981 geborenen Beschwerdeführerin mit strittiger Verfügung vom 26. Oktober 2009 zugesprochen wurde. Nach Art. 37 Abs. 2 IVG betragen die Invalidenrente und allfällige Zusatzrenten einer versicherten Person mit vollständiger Beitragsdauer, die bei Eintritt der Invalidität das 25. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat, mindestens 133 1/3 Prozent der Mindestansätze der zutreffenden Vollrenten. Es fragt sich, unter welchen Umständen die seit ihrer Kindheit an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden leidende Beschwerdeführerin, deren Vollzeitstudium über das vollendete 25. Altersjahr hinaus angedauert hat und die nach Abschluss ihrer BGE 137 V 417 S. 420 erstmaligen beruflichen Ausbildung dauerhaft teilerwerbsunfähig ist, sich auf Art. 37 Abs. 2 IVG berufen kann. 1.2 Das kantonale Gericht erwog, die rentenspezifische Invalidität trete ein, wenn Eingliederungsmassnahmen abgeschlossen und die einjährige Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der hier massgebenden, bis Ende 2007 geltenden Fassung, nunmehr Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG ; vgl. BGE 130 V 329 E. 2.3 S. 333 und 445 E. 1.2.1 S. 447) bestanden sei. Gemäss Art. 26 bis IVV (SR 831.201) bemesse sich die Invalidität von Versicherten in Ausbildung, denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne, nach einem Betätigungsvergleich ( Art. 28 Abs. 2 bis IVG in der bis Ende 2007 geltenden Fassung, nunmehr Art. 28a Abs. 2 IVG ). Die Beschwerdeführerin habe am 23. April 2006 ihr 25. Altersjahr vollendet. Von einem davor eingetretenen Versicherungsfall sei auszugehen, wenn im Zusammenhang mit dem Studium eine Einschränkung von mindestens 40 Prozent überwiegend wahrscheinlich sei. Den Akten seien keine Hinweise auf behinderungsbedingte Einschränkungen der Studientätigkeit zu entnehmen. Zudem lasse sich die bei der interdisziplinären Begutachtung im Mai 2009 hinsichtlich der Lehrtätigkeit attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent nicht ohne Weiteres auf die Leistungsfähigkeit im Studium übertragen. Es erscheine nicht überwiegend wahrscheinlich, dass bereits im April 2005 eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40 Prozent vorhanden gewesen sei. Damit sei auch nicht ausgewiesen, dass die Invalidität bei Vollendung des 25. Altersjahres im April 2006 bereits eingetreten war. Bei der Bemessung der Rentenbetrags könne Art. 37 Abs. 2 IVG daher nicht angewandt werden. 2. 2.1 Art. 37 Abs. 2 IVG (in seiner ursprünglichen Fassung) wurde mit der achten Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung in das IVG eingefügt (AS 1972 2497), um Versicherte, die vor dem Abschluss ihrer beruflichen Ausbildung invalid werden, mit den Geburts- und Kindheitsinvaliden rentenmässig gleichzustellen. In seiner Botschaft führte der Bundesrat aus, durch die Erhöhung der ausserordentlichen Invalidenrente für Geburts- und Kindheitsinvalide um 25 Prozent gemäss Art. 40 Abs. 3 IVG könne der Fall eintreten, dass Frühinvalide mit Beitragsleistungen niedrigere ordentliche Invalidenrenten als die Geburts- und Kindheitsinvaliden ohne Beitragsleistungen erhielten. Dies sei vorab bei jungen Versicherten möglich, die während der beruflichen Ausbildung invalid werden. Damit BGE 137 V 417 S. 421 solche Frühinvalide, welche - sei es als gelegentlich Erwerbstätige oder als Nichterwerbstätige - verhältnismässig geringe Beiträge geleistet hätten, nicht benachteiligt würden, sei für sie eine Mindestgarantie vorgesehen. Sie erhielten über einen Zuschlag (von wenigstens einem Viertel der Mindestansätze der zutreffenden Vollrente) mindestens gleich hohe Renten wie die Geburts- und Kindheitsinvaliden. Diese Regelung müsse allerdings auf Versicherte bis zu einem Höchstalter beschränkt bleiben, solle sie ihrer Zweckbestimmung gerecht werden und nicht zu einer allgemeinen Erhöhung der Mindestrente führen. Deshalb sei in Anlehnung an den Anspruch auf Waisen- und Kinderrenten im Ausbildungsfall die Mindestgarantie jugendlichen Versicherten vorbehalten, die vor Vollendung des 25. Altersjahrs invalid werden (BBl 1971 II 1099 f. Ziff. 332 und 1138 Ziff. 62 zu Art. 37 Abs. 2 IVG ). Nachdem der Zuschlag in Art. 40 Abs. 3 IVG in den parlamentarischen Beratungen der 8. AHV-Revision auf einen Drittel angesetzt worden war, wurde Art. 37 Abs. 2 IVG mit der 9. AHV-Revision entsprechend angeglichen (BBl 1976 III 72 Ziff. 62; AS 1978 406). 2.2 Zu prüfen ist, was unter "Eintritt der Invalidität" ("survenance de l'invalidité", "insorgenza dell'invalidità") gemäss Art. 37 Abs. 2 IVG zu verstehen ist. 2.2.1 Die dem Art. 37 Abs. 2 IVG entsprechende Bestimmung von Art. 40 Abs. 3 IVG sieht einen Zuschlag zur ausserordentlichen Rente vor, wenn die Invalidität bis zu einem bestimmten, mit dem Alter der versicherten Person zusammenhängenden Zeitpunkt eingetreten ist. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass dafür die Entstehung des Rentenanspruchs entscheidend ist (ZAK 1974 S. 253 = RCC 1974 S. 233, I 225/73 E. 2). Die darin zum Ausdruck kommende Auslegung des Invaliditätsbegriffs ist auch mit Bezug auf Art. 37 Abs. 2 IVG langjährig geübte Praxis (vgl. z.B. die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 21/00 vom 11. Januar 2001 E. 2b in fine und I 98/92 vom 27. Mai 1993 E. 4), zumal die Verwaltungsweisung, wonach ausdrücklich der Beginn des Rentenanspruchs als massgebender Beginn der Invalidität im Sinne von Art. 37 Abs. 2 IVG gilt (Wegleitung des BSV über die Renten [RWL] in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, Ziff. 5677 http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:23/lang:deu ), von der Rechtsprechung nie in Frage gestellt wurde. BGE 137 V 417 S. 422 2.2.2 Die Beschwerdeführerin konnte infolge ihres Geburtsgebrechens seit dem Jahr 1985 verschiedentlich Leistungen der Invalidenversicherung (medizinische Massnahmen, Hilfsmittel, berufliche Massnahmen) in Anspruch nehmen. Sie leitet daraus ab - und belegt es mit einem ärztlichen Zeugnis vom 28. April 2010 und einer Bestätigung ihrer Eltern vom 1. Mai 2010 -, dass sie mindestens seit April 2005 (in ihrem Studium) zu mehr als 40 Prozent eingeschränkt war. Mithin wird geltend gemacht, "Eintritt der Invalidität" bedeute im hiesigen Zusammenhang Eintritt der voraussichtlichen (ganzen oder teilweisen) Erwerbsunfähigkeit. Diese Auslegung des Invaliditätsbegriffs in Art. 37 Abs. 2 IVG bedeutete nach dem Gesagten eine Änderung der Rechtsprechung. Eine Praxisänderung lässt sich mit der Rechtssicherheit grundsätzlich nur vereinbaren, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Diese Gründe müssen umso gewichtiger sein, je länger die bisherige Rechtsanwendung für zutreffend erachtet wurde ( BGE 137 V 314 E. 2.2 S. 316 mit Hinweisen). 2.2.3 Es sind indessen keine Gründe erkennbar, die eine Änderung der langjährigen Praxis rechtfertigen könnten. Der Inhalt des Invaliditätsbegriffs hängt vom jeweiligen rechtlichen Kontext ab. Gemäss Art. 4 Abs. 2 IVG gilt die Invalidität als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (leistungsspezifischer Begriff der Invalidität; BGE 130 V 343 E. 3.3.2 S. 348). Ausschlaggebend ist nach wie vor die Konnexität zwischen der Leistungsart (Invalidenrente) und dem Zuschlag gemäss Art. 37 Abs. 2 IVG . Demnach kann ein früher eingetretener Anspruch auf andere Leistungen der Invalidenversicherung (vgl. BGE 112 V 19 E. 3c S. 22) hier genauso wenig konstitutiv sein wie eine nach Ausbildungsabschluss zu erwartende Erwerbsunfähigkeit. 2.2.4 In der Sitzung der beiden betroffenen vereinigten sozialrechtlichen Abteilungen vom 29. September 2011 hat eine Änderung der in E. 2.2.1 zitierten Rechtsprechung keine Mehrheit gefunden. Unter "Eintritt der Invalidität" im Sinne von Art. 37 Abs. 2 IVG ist daher ( Art. 23 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 37 Abs. 4 erster Satz des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BGerR; SR 173.110.131])weiterhin der Eintritt der rentenbegründenden Invalidität (Versicherungsfall Invalidenrente nach Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG [SR 830.1] und Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 ff. IVG ) zu verstehen. BGE 137 V 417 S. 423 2.3 Eine Erhöhung des Mindestansatzes der Vollrente nach Art. 37 Abs. 2 IVG wäre begründet, wenn der Beschwerdeführerin aufgrund eines behinderungsbedingten Rückstandes in der beruflichen Ausbildung bis spätestens zur Vollendung des 25. Altersjahrs im April 2006 (nach Ablauf der einjährigen Wartezeit; Art. 28 Abs. 1 IVG ) eine Invalidenrente gemäss Art. 26 bis IVV zuzusprechen gewesen wäre (vgl. ZAK 1970 S. 296, I 224/69; ULRICH MEYER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 2. Aufl. 2010, S.333). Die Beschwerdeführerin müsste also durch ihr Leiden in der Absolvierung des Studiums so erheblich behindert gewesen sein, dass sie es (nur) infolge einer daraus resultierenden Verzögerung nicht bis spätestens April 2005 abschliessen konnte. Den Akten kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin - im hypothetischen Gesundheitsfall - überwiegend wahrscheinlich noch vor dem 24. Geburtstag (Wartejahr) das Studium abgeschlossen und eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte. Der einzige Hinweis auf die Studiendauer findet sich in einem Gesuch um Verlängerung der "Kostengutsprache für erstmalige berufliche Ausbildung" vom 29. November 2005. Die Beschwerdeführerin teilte der Verwaltung darin mit, in der ursprünglichen Verfügung sei für das Mathematikstudium eine Dauer von acht Semestern angenommen worden, "was das absolute Minimum ist und nur selten von jemandem geschafft wird". Da sie seit dem laufenden Semester parallel dazu das höhere Lehramt absolviere, um als Lehrerin an einer Mittelschule tätig sein zu können, werde sie das Studium voraussichtlich erst im Juni 2007 beenden. Zwar kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin während des Studiums in vielen täglichen Verrichtungen erheblich eingeschränkt war und durch die umfassende Unterstützung durch ihre Eltern in ihrer Lebensführung stark entlastet wurde (vgl. oben E. 2.2.2). Jedoch ist nicht ersichtlich, dass sich der gesamte Ausbildungsgang leidensbedingt verlängert hat. Mithin entstand der Rentenanspruch erst für die Zeit nach Abschluss der beruflichen Massnahme (Mitte des Jahres 2007; vgl. AHI 2001 S. 152, I 201/00 E. 3b). Ihr 25. Altersjahr hatte die Beschwerdeführerin bereits im April 2006 vollendet. 2.4 Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, es komme einer unzulässigen Ungleichbehandlung gleich, wenn eine versicherte Person aufgrund des Umstandes, dass sie ein Studium BGE 137 V 417 S. 424 absolviere, anders behandelt werde als andere Geburts- und Frühinvalide, für welche der Versicherungsfall hinsichtlich einer Rente regelmässig bereits im Zeitpunkt der Vollendung des 18. Altersjahrs eintrete (es sei denn, die Eingliederung dauere zu diesem Zeitpunkt noch an; Rz. 1032 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH] http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:34/lang:deu ). Diese Konsequenz ist in der Bestimmung des Art. 37 Abs. 2 IVG angelegt und damit für das Bundesgericht massgebend ( Art. 190 BV ). Wie das BSV zu Recht darlegt, gibt die betreffende Ausbildung der Beschwerdeführerin die Möglichkeit, künftig ein höheres Einkommen zu erzielen. In gleicher Lage wie die Beschwerdeführerin befinden sich im Übrigen auch versicherte Personen, die studienbedingt bis zur Vollendung des 25. Altersjahrs kaum Einkommen erzielen konnten, bevor sie bald danach einen invalidisierenden Gesundheitsschaden erleiden. 2.5 Zusätzlicher Abklärungsbedarf im Sinne des Eventualbegehrens der Beschwerdeschrift besteht keiner.
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Sachverhalt ab Seite 50 BGE 146 I 49 S. 50 A. A.a Die italienischen Staatsangehörigen B.A., geb. 1973 in Zug, und A.A., geb. 1968, in die Schweiz zugezogen 1989, verfügen über die Niederlassungsbewilligung und wohnen seit 1993 in der Gemeinde Arth. Ihre beiden Söhne C.A., geb. 1999, und D.A., geb. 2006, kamen in der Schweiz zur Welt und haben ebenfalls die Niederlassungsbewilligung. Den Ehegatten gehört das von der Familie bewohnte 61⁄2-Zimmer-Einfamilienhaus in Oberarth sowie eine 21⁄2-Zimmer-Wohnung in der Gemeinde. A.A. ist einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer der seit dem 31. Mai 2001 im schwyzerischen Handelsregister eingetragenen und in V. domizilierten E. GmbH sowie der seit dem 18. Juli 2008 im schwyzerischen Handelsregister eingetragenen und in V. domizilierten F. GmbH, welche die Produktion und den Handel von Lebensmitteln, insbesondere von Glacé bezweckt. B.A. ist ebenfalls einzelzeichnungsberechtigte Gesellschafterin der F. GmbH und war bis zum 11. März 2016 auch Gesellschafterin der E. GmbH. Sie arbeitet überdies auf zwei 50 %-Stellen als Lohnbuchhalterin bzw. kaufmännische Angestellte. BGE 146 I 49 S. 51 A.b Am 20. März 2015 reichte die Familie A. bei der Gemeinde Arth ein Gesuch um ordentliche Einbürgerung ein. Die Einbürgerungsbehörde Arth holte daraufhin weitere Unterlagen und Auskünfte anderer Behörden ein. Am 29. Januar 2016 fand ein Gespräch zwischen A.A., B.A. und C.A. mit dem Präsidenten und der Protokollführerin der Einbürgerungsbehörde statt. Am gleichen Tag bestanden A.A. und B.A. den Test über die gesellschaftlichen und politischen Kenntnisse, während C.A. die geforderte Punktzahl (mindestens 60 %) verfehlte. In der Folge zog C.A. sein Einbürgerungsgesuch zurück.
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Am 22. Juni 2016 fand das Einbürgerungsgespräch von A.A., B.A. und D.A. statt. Nach weiteren Abklärungen beschloss die Einbürgerungsbehörde Arth am 14. September 2017, das Einbürgerungsgesuch von B.A. und A.A. mit Sohn D.A. im Sinne der Erwägungen abzuweisen. B. Dagegen erhoben A.A., B.A. und D.A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Dieses hiess die Beschwerde am 28. November 2018 hinsichtlich von B.A. und D.A. gut und wies die Einbürgerungsbehörde im Sinne der Erwägungen an, das Einbürgerungsverfahren für diese beiden Gesuchsteller weiter zu behandeln; im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die prozessualen Rügen im Zusammenhang mit den Tonaufnahmen und der Protokollierung des Einbürgerungsgesprächs seien unbegründet; die gegen die Eheleute gemeinsam gerichteten Vorhalte eines strafbaren Verhaltens, der Steuerhinterziehung sowie sonstiger unwahrer oder widersprüchlicher Angaben seien jedoch nicht haltbar. Die Gesuchsteller erfüllten die erforderlichen Wohnsitzerfordernisse und verfügten über einen makellosen Strafregisterauszug und über ausreichende Deutschkenntnisse. Überdies habe sich die Ehefrau im Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosengeldern nicht unkorrekt verhalten. Ihrem Einbürgerungsgesuch sei daher stattzugeben und der Sohn D.A. sei darin einzubeziehen. Hingegen scheitere die Einbürgerung des Ehemannes an einem ungenügenden Nachweis der Eingliederung in die lokalen Verhältnisse. C. Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 9. Januar 2019 an das Bundesgericht beantragt A.A., den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. November 2018 und den Beschluss der Einbürgerungsbehörde Arth vom 14. September 2017 betreffend seines BGE 146 I 49 S. 52 Einbürgerungsgesuchs aufzuheben und dieses gutzuheissen; eventuell sei die Sache insoweit an das Verwaltungsgericht, subeventuell an die Einbürgerungsbehörde zurückzuweisen. Die Einbürgerungsbehörde Arth schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht hält ohne ausdrücklichen Antrag an seinem Entscheid fest. In Replik und Duplik halten A.A. einerseits und die Einbürgerungsbehörde andererseits an ihren Standpunkten fest. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf und weist die Einbürgerungsbehörde Arth an, A.A. das Gemeindebürgerrecht zu erteilen. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Anwendbar ist im vorliegenden Fall unbestrittenermassen noch die Rechtslage gemäss dem Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, aBüG; AS 1952 1087; Zugriff auf die einschlägige konsolidierte Fassung über SR 141.0 auf der Website des Bundes). 2.2 Für die ordentliche Einbürgerung muss der Gesuchsteller die gesetzlichen Wohnsitzerfordernisse erfüllen (vgl. Art. 15 aBüG), die hier nicht strittig sind. Überdies ist gemäss Art. 14 aBüG vor Erteilung der Bewilligung zu prüfen, ob der Bewerber zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere ob er in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist (lit. a), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. c) und die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. d). Die Kantone sind in der Ausgestaltung der Einbürgerungsvoraussetzungen insoweit frei, als sie hinsichtlich der Wohnsitzerfordernisse oder der Eignung Konkretisierungen des bundesgesetzlich vorgeschriebenen Rahmens vornehmen können ( BGE 141 I 60 E. 2.1 S. 62; BGE 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311), solange ihre Anforderungen selbst verfassungskonform sind und eine Einbürgerung nicht übermässig erschweren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 2.2). 2.3 Gemäss § 4 des Bürgerrechtsgesetzes des Kantons Schwyz vom 20. April 2011 (kBüG; SRSZ 110.100) mit der Marginalie "Eignung" muss, wer sich um die Erteilung des Gemeinde- und BGE 146 I 49 S. 53 Kantonsbürgerrechts bewirbt, eine Charta unterzeichnen, mit der er bekundet, die grundlegenden Werte der Verfassung zu akzeptieren (Abs. 1 lit. a); sodann muss der Gesuchsteller aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse für die Erteilung des Bürgerrechts geeignet sein (Abs. 1 lit. b); nach Abs. 2 der gleichen Bestimmung ist geeignet, wer in die kommunalen, kantonalen und schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist (lit. a), mit den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen in der Schweiz, im Kanton und in der Gemeinde vertraut ist (lit. b), einen tadellosen Leumund besitzt, die schweizerische Rechtsordnung beachtet und die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. c), die mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichten kennt (lit. d), ausreichende schriftliche und mündliche Deutschkenntnisse zur Verständigung mit Behörden und Mitbürgern besitzt (lit. e) und geordnete persönliche und finanzielle Verhältnisse ausweist (lit. f). Gemäss § 4 Abs. 3 kBüG legt der Regierungsrat im Einzelnen den Inhalt der Charta (gemäss Abs. 1 lit. a der Bestimmung) und die zu erfüllenden Eignungsanforderungen (nach Abs. 1 lit. b und Abs. 2 der Bestimmung) fest. Die §§ 6-9 der Bürgerrechtsverordnung des Kantons Schwyz vom 5. Juni 2012 (kBüV; SRSZ 110.111) führen lediglich die hier nicht mehr strittigen Anforderungen an die gesellschaftlichen und politischen Grundkenntnisse, die finanziellen Verhältnisse, den Leumund und die von den volljährigen Gesuchstellern zu unterzeichnende Charta aus. Nicht konkretisiert hat der Regierungsrat die Anforderungen an die Kenntnisse über die Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche in der Schweiz, im Kanton und in der Gemeinde. 2.4 Das Verwaltungsgericht geht in E. 1.4 des angefochtenen Entscheids davon aus, es stehe allenfalls der Gemeinde zu, hier ergänzende generell-abstrakte Vorschriften zu erlassen. Im vom Verwaltungsgericht indirekt durch Verweis angerufenen BGE 138 I 305 E. 1.4.5 S. 312 f. findet sich dazu keine verbindliche Aussage, wohl aber in zwei den Kanton Zürich betreffenden Entscheiden (Urteile 1D_2/2013 vom 14. November 2013 E. 2.2 und 1D_5/2010 vom 30. August 2010 E. 3.2.3). In BGE 146 I 83 hielt das Bundesgericht in E. 2.3 fest, dass die Gemeinden aus dem Bundesrecht bei der Einbürgerung keine Autonomie ableiten können. Eine solche ergibt sich einzig nach Massgabe des kantonalen Rechts. Wieweit der Kanton Schwyz seine Gemeinden zur ergänzenden Regelung der Einbürgerungsvoraussetzungen ermächtigt, braucht hier aber nicht vertieft zu werden, da unbestritten ist, dass die Gemeinde Arth keine BGE 146 I 49 S. 54 generell-abstrakten Bestimmungen zur Einbürgerung erlassen hat. Sie kennt nur ein Merkblatt, das im Wesentlichen einzig die bereits in E. 2.2 und 2.3 hiervor genannten Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundesrechts und des kantonalen Rechts wiedergibt. 2.5 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Beurteilung der Integration als Prozess gegenseitiger Annäherung zwischen der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung zu verstehen. Die zugezogene Person soll am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der hiesigen Gesellschaft teilhaben. Dazu ist es erforderlich, dass sich die Ausländerinnen und Ausländer mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen. Erfolgreiche Integration setzt den Willen der Zugewanderten wie auch die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraus. Ob eine einbürgerungswillige Person genügend integriert ist, beurteilt sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Durch ihre Teilhabe bekundet die ausländische Person ihren Willen, auf die Einheimischen zuzugehen und sich mit den sozialen und kulturellen Lebensbedingungen an ihrem Wohnort auseinanderzusetzen (vgl. BGE 141 I 60 E. 3.5 S. 65; BGE 138 I 242 E. 5.3 S. 245 f.). 2.6 Die Gemeinde verfügt beim Entscheid über eine ordentliche Einbürgerung über ein gewisses Ermessen. Obwohl diesem Entscheid auch eine politische Komponente innewohnt, ist das Einbürgerungsverfahren kein rechtsfreier Vorgang, wird doch darin über den rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden. Zu beachten sind daher die einschlägigen Verfahrensbestimmungen. Die Gemeinde darf nicht willkürlich, rechtsungleich oder diskriminierend entscheiden und muss ihr Ermessen insgesamt pflichtgemäss ausüben (vgl. BGE 140 I 99 E. 3.1 S. 101 f.; BGE 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311; SOW/MAHON, in: Code annoté de droit des migrations, Bd. V: Loi sur la nationalité [LN], Amarelle/Nguyen [Hrsg.], 2014, N. 6 ff. zu Art. 14 LN). Dabei hat die Gemeinde insbesondere die Vorgaben des Rechts des Bundes und des Kantons zu wahren (Urteil des Bundesgerichts 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 2.5). 2.7 Das Bundesrecht und das Recht des Kantons Schwyz sehen keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung vor. Die bundesgesetzliche Regelung enthält hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen mehr oder weniger grosse Beurteilungsspielräume. Sie räumt jedoch den zuständigen Behörden weder ausdrücklich noch sinngemäss ein Entschliessungsermessen ein in dem Sinne, dass es diesen freigestellt BGE 146 I 49 S. 55 wäre, eine Person, die alle auf eidgenössischer und kantonaler Ebene statuierten gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt und folglich integriert ist, trotzdem nicht einzubürgern. Eine solche Nichteinbürgerung wäre willkürlich und stünde zudem in Widerspruch zum Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV ( BGE 138 I 305 E. 1.4.5 S. 312). Diesfalls verbleibt kein Ermessen für die Verweigerung der Einbürgerung (ACHERMANN/VON RÜTTE, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, Waldmann und andere [Hrsg.], 2015, N. 35 zu Art. 38 BV ), weshalb sich die Rechtslage insoweit einer Anspruchssituation zumindest annähert (RHINOW/SCHEFER/UEBERSAX, Schweizerisches Verfassungsrecht, 3. Aufl. 2016, Rz. 300 ff.). 3. Der Beschwerdeführer rügt Unregelmässigkeiten bei den Tonaufnahmen des Einbürgerungsgesprächs sowie eine fragwürdige Protokollierung desselben. Insbesondere behauptet er, die Aufnahmen seien nicht vollständig; einzelne Teile davon seien nachträglich gelöscht worden, namentlich solche, die Äusserungen von Mitgliedern der Einbürgerungsbehörde enthielten, welche eine gewisse Feindseligkeit ihm gegenüber belegen würden. Der Beschwerdeführer beruft sich nicht auf bestimmte kantonale Verfahrensbestimmungen und legt nicht dar, inwiefern solche bundesrechtswidrig angewandt worden sein sollten. Zu prüfen ist daher einzig, ob die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz an einem massgeblichen Mangel leiden oder in allgemeiner Weise willkürlich erscheinen (...). Das Bundesgericht hat in einem ebenfalls den Kanton Schwyz betreffenden Urteil 1D_4/2018 vom 11. Juli 2019 E. 3 entschieden, dass sich das Protokoll eines Einbürgerungsgesprächs zusammenfassend auf den wesentlichen Inhalt beschränken darf, was erst recht gilt, wenn die protokollierte Befragung auf Tonträger aufgenommen wird; überdies dient die korrekt angekündigte und unter Zustimmung des Gesuchstellers vorgenommene Tonaufnahme des Einbürgerungsgesprächs der Vollständigkeit und der späteren Nachvollziehbarkeit der Sachverhaltsermittlung sowie der Überprüfbarkeit des Protokolls, und sie ist, gemessen am einschlägigen schwyzerischen Verfahrensrecht, grundsätzlich nicht willkürlich. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Unregelmässigkeiten beruhen auf Annahmen. Wohl ist einzuräumen, dass der entsprechende Nachweis nicht einfach ist. Der Beschwerdeführer beruft sich jedoch auf keine ausreichenden Hinweise, sondern lediglich auf subjektive Vermutungen. Zwar fällt auf, dass die Gemeindebehörde die Tonaufnahme während längerer Zeit nicht herausgeben wollte und erst durch das BGE 146 I 49 S. 56 Verwaltungsgericht dazu gezwungen werden musste. Dieses hat die Einwände des Beschwerdeführers aber geprüft, wobei es keine Manipulationen wie namentlich das behauptete Löschen einzelner Gesprächsteile feststellen konnte. Auch entspricht die Dauer der Aufnahme in etwa der protokollierten Gesprächszeit. Obwohl die entsprechende Beweisführung schwierig ist, obliegt es dem Beschwerdeführer, allfällige Unregelmässigkeiten wenigstens glaubhaft zu machen, was ihm hier nicht gelingt. Analoges gilt für das Protokoll, wo die entsprechenden Vorwürfe des Beschwerdeführers zu wenig konkret sind, um daraus massgebliche prozessuale Mängel abzuleiten. 4. 4.1 Die Einbürgerungsbehörde warf dem Beschwerdeführer vor, eine Straftat begangen zu haben, und erachtete die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Innerschwyz betreffend ihrer eigenen Strafanzeige als falsch. Überdies habe sich der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Liegenschaften in Italien, die er in der Schweiz nicht korrekt deklariert habe, der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Weiter habe er verschiedentlich unwahre oder widersprüchliche Auskünfte erteilt. Ausserdem pflege er keine ausreichenden Kontakte zu Schweizerinnen und Schweizern. Schliesslich habe er die Fragen zu den insbesondere kulturellen und geografischen Verhältnissen in der Schweiz und in der Region nur ungenügend beantworten können. 4.2 Das Verwaltungsgericht beurteilte die meisten Vorwürfe der Einbürgerungsbehörde nach eingehender Prüfung als unhaltbar. Es folgte der Erstinstanz nur in den letzten beiden Punkten. Eine Straftat sei aufgrund der Nichtanhandnahmeverfügung klar zu verneinen. Ebensowenig liege aufgrund der erstellten Umstände eine Steuerhinterziehung vor, und der Vorwurf unwahrer oder widersprüchlicher Auskünfte lasse sich nicht bestätigen. Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich weiter, dass der Beschwerdeführer die Wohnsitzerfordernisse erfüllt, über einen makellosen Strafregisterauszug sowie ausreichende Deutschkenntnisse verfügt und den Test über die gesellschaftlichen und politischen Kenntnisse erfolgreich ablegte. Auch ist er erwerbstätig und weist geordnete persönliche und finanzielle Verhältnisse auf. Zum Vorwurf wird ihm einzig noch gemacht, er sei nicht ausreichend in die schweizerischen und lokalen Verhältnisse eingegliedert. Es ist zu prüfen, ob dies zutrifft und welche Tragweite damit verbunden ist. BGE 146 I 49 S. 57 4.3 Dem Erfordernis der Eingliederung in die hiesigen Verhältnisse und des Vertrautseins mit den schweizerischen und lokalen Lebensumständen liegen unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe zugrunde. Gemeint sind einerseits die wirtschaftliche und soziale Eingliederung und andererseits Grundlagenkenntnisse der Staatskunde und Geschichte, der Geografie sowie von kulturellen Sitten und Gebräuchen (dazu LAURA CAMPISI, Die rechtliche Erfassung der Integration im schweizerischen Migrationsrecht, 2014, S. 248 ff.; FLORA DI DONATO, L'integrazione degli stranieri in Svizzera, 2016, S. 65 ff.; CÉLINE GUTZWILLER, Droit de la nationalité suisse, 2016, S. 39 f.; SOW/MAHON, a.a.O., N. 9 ff. zu Art. 14 LN; FANNY DE WECK, in: Migrationsrecht, Kommentar, Spescha und andere [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 11 BüG ). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt eine genügende Integration nicht die Mitgliedschaft in Vereinen oder anderen Gemeindeorganisationen voraus. Die soziale Eingliederung kann auch über die Arbeit erfolgen. Selbst ein zurückgezogenes Leben schliesst eine Integration je nach den konkreten Umständen nicht von vornherein aus (vgl. BGE 138 I 242 E. 5.3 S. 245; Urteil des Bundesgerichts 1D_7/2017 vom 13. Juli 2018 E. 6.4 und 6.5). Zwar kann eine gewisse Anpassung verlangt werden, die Aufgabe der eigenen kulturellen Herkunft und Identität aber nicht (CAMPISI, a.a.O., S. 28 ff.). Überdies müssen die Anforderungen insgesamt verhältnismässig und diskriminierungsfrei sein und sie dürfen nicht überzogen erscheinen (vgl. PETER UEBERSAX, Das Bundesgericht und das Bürgerrechtsgesetz, mit einem Blick auf das neue Recht, BJM 2016 S. 195). Insbesondere handelt es sich bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen nicht um ein Fachexamen, bei der sich Kandidierende über Spezialkenntnisse und -begriffe auszuweisen haben. Vielmehr geht es um die Beurteilung von Lebenssachverhalten und um Grundkenntnisse des Allgemeinwissens. Spitzfindigkeiten haben im Einbürgerungsverfahren keinen Platz und die Ansprüche an das Wissen der Gesuchsteller dürfen nicht überhöht werden. Es darf nicht mehr verlangt werden, als auch von einem durchschnittlichen Schweizer mit Wohnsitz in der Gemeinde vernünftigerweise erwartet werden dürfte (Urteil 1D_7/2015 vom 14. Juli 2016 E. 4.3; SOW/MAHON, a.a.O., N. 26 zu Art. 14 LN). 4.4 Schliesslich dürfen bei der Beurteilung der Integration als Ganzes die kantonalen und kommunalen Behörden zwar den einzelnen Kriterien eine gewisse eigene Gewichtung beimessen. Insgesamt muss BGE 146 I 49 S. 58 die Beurteilung aber ausgewogen bleiben und darf nicht auf einem klaren Missverhältnis der Würdigung aller massgeblichen Gesichtspunkte beruhen (vgl. FRANÇOIS CHAIX, Quelques réflexions sur l'acquisition de la nationalité suisse, in: Mélanges à la mémoire de Bernard Corboz, Grégory Bovey und andere [Hrsg.], 2019, S. 435 ff., Rz. 20). Die Fokussierung auf ein einziges Kriterium ist unzulässig, es sei denn, dieses falle, wie etwa eine erhebliche Straffälligkeit, bereits für sich allein entscheidend ins Gewicht. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller massgeblichen Aspekte im Einzelfall ( BGE 141 I 60 E. 3.5 S. 65). Ein Manko bei einem Gesichtspunkt kann, so lange dieser nicht für sich allein den Ausschlag gibt, durch Stärken bei anderen Kriterien ausgeglichen werden (CAMPISI, a.a.O., S. 274 f.; SPESCHA/KERLAND/BOLZLI, Handbuch zum Migrationsrecht, 3. Aufl. 2015, S. 415). 4.5 Im vorliegenden Fall prüfte die Einbürgerungsbehörde die gesellschaftlichen und politischen (staatskundlichen) Kenntnisse in einem Test, den der Beschwerdeführer erfolgreich absolviert hat. Das geografische und kulturelle Wissen sowie die wirtschaftliche und soziale Eingliederung klärte sie in zwei Blöcken im Einbürgerungsgespräch ab. 4.5.1 Das Verwaltungsgericht kommt sinngemäss zum Schluss, wirtschaftlich sei dem Beschwerdeführer nichts vorzuwerfen. Mit der Einbürgerungsbehörde geht es jedoch davon aus, seine gesellschaftliche Eingliederung genüge den Erwartungen nicht. Das Verwaltungsgericht erwähnt die Referenzauskünfte von vier Personen, die dem Beschwerdeführer ein durchschnittliches Ausmass an Kontakten und sozialen Interaktionen mit Nachbarn und Gemeindeeinwohnern attestieren, führt jedoch nicht aus, weshalb diese nicht ausreichen sollten. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass der Beschwerdeführer, der seit 2001 ein eigenes Gipsergeschäft führt, über seine Arbeit in der Region und der Wohngemeinde keine Kontakte zur einheimischen Bevölkerung, darunter auch Schweizerinnen und Schweizer, unterhält. Das wäre mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Handwerker gar nicht vereinbar. 4.5.2 Das Verwaltungsgericht hält fest, das Ergebnis des zweiten Blocks vermöge das Manko des ersten Blocks nicht aufzuwiegen. Darin habe der Beschwerdeführer die Mehrheit der Fragen zur Eingliederung in die schweizerischen Verhältnisse nur teilweise oder gar nicht beantworten können. Es rechnet vor, er habe bei 20 Fragen BGE 146 I 49 S. 59 neun Mal keine richtige und vier Mal keine genaue Antwort erteilt. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nervös gewesen und habe sich daher nicht immer rasch und genau ausdrücken können. Eine gewisse Nervosität beim Gesuchsteller ist bei einem Einbürgerungsentscheid normal und entsprechend generell in Rechnung zu stellen. Dass dies beim Beschwerdeführer in besonderem Masse zutraf und speziell zu berücksichtigen wäre, ist nicht belegt, auch wenn angesichts des Umstands, dass die Einbürgerungsbehörde gegen ihn eine Strafanzeige einreichte, nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gespräch in einer eher angespannten Atmosphäre stattfand. 4.5.3 Der Beschwerdeführer hat einige Fragen korrekt, andere falsch, mehrere mit "weiss nicht" oder "kenne ich nicht" und ein paar dem Grundsatz nach beantwortet. Dabei fällt auf, dass von ihm sehr spezifische Antworten verlangt wurden. Entscheidend für die Beurteilung der Integration des Beschwerdeführers ist allerdings, ob er zu zeigen vermochte, Kenntnis vom jeweils fraglichen Sachverhalt zu haben, selbst wenn er die genauen Bezeichnungen oder alle Details nicht nennen konnte. Wenn in diesem Sinne dem Beschwerdeführer etwa das Wort "Ländler" nichts sagt, bedeutet das nicht, dass er auch nicht weiss, worum es sich bei der schweizerischen Volksmusik handelt. Da er das "Schwyzerörgeli" nennen konnte, ist eher vom Gegenteil auszugehen. Auch dass er das Alphorn als "Schwyzerhorn" bzw. "Grosses Horn" bezeichnet, belegt zwar die Unkenntnis der genauen Bezeichnung dieses Instruments, zugleich aber auch, dass er es durchaus kennt. In analoger Weise konnte der Beschwerdeführer glaubwürdig darlegen, dass ihm der Tierpark Goldau, wo er schon berufliche Aufträge ausgeführt hat, bekannt ist, obwohl er offenbar nicht wusste, dass dort Bären und Wölfe im gleichen Gehege leben. Ferner weiss auch ein durchschnittlicher Schweizer Einwohner einer Gemeinde nicht unbedingt den Namen des kommunalen Altersheims, selbst wenn er wie der Beschwerdeführer die Institution als solche kennt. Auf die Frage "Was sind Iffelen" hat er sodann gemäss Protokoll korrekt geantwortet "Eine Küssnachter Tradition, wird auf dem Kopf getragen"; nachdem er dazu nicht weiter befragt worden war, brauchte er entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch nicht mehr zu sagen. Schliesslich wird ihm vorgeworfen, den "Gnipen" nicht zu kennen, was in Arth unerfindlich sei, zumal dieser Berg auf der Website der Gemeinde als Bestandteil der Bergsturzspur als Sehenswürdigkeit erwähnt werde. Der BGE 146 I 49 S. 60 Gnipen wird allerdings - im Unterschied zur auf der ersten Stufe der Benutzeroberfläche zweimal als Sehenswürdigkeit genannten Rigi - erst in der zweiten Stufe durch Anklicken der an 13. Stelle stehenden letztgenannten Sehenswürdigkeit "Wanderweg Bergsturzspur" erwähnt (vgl. www.arth.ch/de/portrait/sehenswuerdigkeiten /, besucht am 25. November 2019). Dass der Beschwerdeführer den Bergsturz von 1806 kennt, hat er mit seiner Antwort zum "Goldseeli" bewiesen. Er kannte mithin den Berg nicht, wohl aber den Grund, weswegen ihm als Einwohner von Arth dieser offenbar hätte bekannt sein sollen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass er bei den geografischen und kulturellen Kenntnissen zwar nicht brilliert hat, aber doch rund die Hälfte der nachgefragten Sachverhalte ganz oder zumindest dem Grundsatz nach kennt. Ob er deswegen die Anforderungen an die geografischen und kulturellen Kenntnisse knapp erfüllt oder verfehlt, kann offenbleiben, denn letztlich gibt dies so oder so nicht den Ausschlag. 4.6 Der Beschwerdeführer, der seit 30 Jahren in der Schweiz lebt und seit 26 Jahren in Arth wohnt, erfüllt alle Einbürgerungsvoraussetzungen mit lediglich einem gewissen Vorbehalt bei der geografischen und kulturellen Eingliederung. Auch insofern liegt aber höchstens ein geringes Manko vor, das durch die übrigen Kriterien mehr als aufgewogen wird. Ihm deswegen trotzdem die Einbürgerung zu verweigern, beruht auf einem klaren Missverhältnis bei der Abwägung sämtlicher materieller Einbürgerungsvoraussetzungen. Aufgrund einer Gesamtwürdigung ist es daher unhaltbar und damit willkürlich, den Beschwerdeführer nicht einzubürgern.
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Sachverhalt ab Seite 80 BGE 127 II 79 S. 80 Die TV3 AG strahlte bei ihrer Programmaufnahme Anfang September 1999 in der "Prime Time" ab 18.00 Uhr verschiedene so genannte einstündige "Leisten" aus. Wochentags handelte es sich dabei um die Talksendung "Fohrler live" (ab 18.00 Uhr), um das Informationsmagazin "News um 7" (ab 19.00 Uhr) und die Gameshow "Champions". An diese schlossen sich um 20.00 Uhr eine weitere, rund einstündige Eigenproduktion (z.B. das Konsumentenmagazin "Räz" oder die Satiresendung "Lachsack") und um 21.00 Uhr eine eingekaufte Serie an (z.B. "Emergency Room", "Akte X" usw.). Die Sendungen in der "Leiste" ab 20.00 bzw. 21.00 Uhr waren auf einen festen Wochentag terminiert und wurden im Wochenrhythmus ausgestrahlt. An den Wochenenden wich der Senderaster hiervon ab. Die Sendungen ab 18.00 Uhr, 20.00 Uhr und 21.00 Uhr wurden nach rund 30 Minuten durch einen "Trailer" sowie einen Werbeblock unterbrochen, worauf um 18.30 und 20.30 Uhr das Publikumsspiel "Due" bzw. um 21.30 Uhr ein Wetterbericht folgten, bevor - allenfalls nach erneuter Werbung - der Bogen zurück zur jeweiligen "Leiste" gespannt wurde. Am 7. Dezember 1999 stellte das Bundesamt für Kommunikation (im Folgenden: Bundesamt) fest, dass die TV3 AG seit ihrem Sendestart am 6. September 1999 gegen die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen BGE 127 II 79 S. 81 (RTVG; SR 784.40) betreffend Werbung verstossen habe, indem "die rund einstündigen Sendungen in der Programmleiste ab 18 Uhr, 20 Uhr und 21 Uhr mit Werbung unterbrochen" wurden. Das Bundesamt forderte die TV3 AG auf, bis zum 24. Januar 2000 den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen, ansonsten weitere administrative Massnahmen ergriffen würden (vgl. Medialex 2000 S. 44 ff.). Die TV3 AG gelangte hiergegen an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK; im Folgenden: Departement), das ihre Beschwerde am 27. Juni 2000 abwies und sie aufforderte, innert "30 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheids in den beanstandeten Punkten der Unterbrecherwerbung den rechtmässigen Zustand herzustellen". Die - als Beispiel und stellvertretend für die anderen "Leisten" - geprüfte Sendung "Fohrler live" bilde sowohl unter formalen wie inhaltlichen Gesichtspunkten eine in sich geschlossene Sendung von weniger als 90 Minuten, weshalb sie nicht durch Werbung unterbrochen werden dürfe ( Art. 18 Abs. 2 RTVG ). Die TV3 AG hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht gegen das Verbot der Unterbrecherwerbung verstossen habe; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; subeventuell sei Ziffer 2 des Entscheids "dahingehend abzuändern, dass die TV3 gewährte Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Berichterstattung an das BAKOM von 30 Tagen ersetzt wird durch eine Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft des Entscheides". Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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553
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Nach Art. 18 Abs. 2 RTVG dürfen in sich geschlossene Sendungen nicht, solche von über 90 Minuten höchstens einmal durch Werbung unterbrochen werden. Bei der Übertragung von Anlässen, die Pausen enthalten, ist Werbung während diesen erlaubt (Art. 12 Abs. 2 der Radio- und Fernsehverordnung vom 6. Oktober 1997 [RTVV; SR 784.401]). Grosszügiger regelt das Europäische Übereinkommen vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) die Problematik: Danach können Sendungen unterbrochen werden, sofern dadurch deren Gesamtzusammenhang und BGE 127 II 79 S. 82 Wert sowie die Ansprüche der Rechteinhaber nicht beeinträchtigt werden ( Art. 14 Abs. 1 EÜGF ). In Sendungen, die aus eigenständigen Teilen bestehen, oder in Sportsendungen und Übertragungen ähnlich gegliederter Ereignisse und Darbietungen, die Pausen enthalten, kann Werbung zwischen den eigenständigen Teilen oder in die Pause eingefügt werden ( Art. 14 Abs. 2 EÜGF ). Die Verbreitung audiovisueller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme (mit Ausnahme von Serien, Reihen, leichten Unterhaltungssendungen und Dokumentarsendungen) darf, falls diese länger als 45 Minuten dauern, einmal je vollständigen Zeitraum von 45 Minuten unterbrochen werden. Ein weiterer Unterbruch ist zulässig, wenn die Werke mindestens 20 Minuten länger dauern als zwei oder mehr vollständige Zeiträume von 45 Minuten ( Art. 14 Abs. 3 EÜGF ). Werden andere als von Absatz 2 ("natürliche Pausen") erfasste Sendungen unterbrochen, so soll der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Unterbrechungen innerhalb der Sendung mindestens 20 Minuten betragen ( Art. 14 Abs. 4 EÜGF ). Die Übertragung von Gottesdiensten darf nicht unterbrochen werden. Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, Dokumentarsendungen, Sendungen religiösen Inhalts und Kindersendungen dürfen nicht durch Werbung unterbrochen werden, wenn sie weniger als 30 Minuten dauern; andernfalls gelten die bereits genannten Regeln ( Art. 14 Abs. 5 EÜGF ). b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Auslegung von Art. 18 Abs. 2 RTVG durch die konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden, die bezüglich der Frage, ob eine in sich "geschlossene Sendung" vorliege, auf den Gesamteindruck abstellten, sei zu eng und neuen Sendeformen unangemessen. Das Verhalten der Fernsehzuschauer habe sich gewandelt. Art. 18 Abs. 2 RTVG wolle verhindern, dass die Programmgestaltung den "Zuschauer in einem rechtserheblichen Umfang" nötige, Werbung zu konsumieren. Die Bestimmung müsse heute eurokompatibel ausgelegt werden; dies auch mit Blick auf die Ausführungen des Bundesrats in seinem Aussprachepapier vom 19. Januar 2000 zur künftigen Radio- und Fernsehgesetzgebung. Danach sei die Unterbrecherwerbung europäischen Standards anzupassen, da "im Vergleich zum Ausland strengere Regeln stets zu einer Benachteiligung der schweizerischen Veranstalter" führten (Ziff. 2.5.3 des Aussprachepapiers). Der mit Art. 18 Abs. 2 RTVG verbundene Eingriff in die Handels- und Gewerbe- bzw. die Meinungsäusserungsfreiheit treffe sie schwer, ohne dass am entsprechenden Verbot ein spezifisches öffentliches BGE 127 II 79 S. 83 Interesse bestehe. Bei der Prüfung, ob Art. 18 Abs. 2 RTVG verletzt sei, müsse einerseits auf die Art der Sendung, andererseits auf die Art des Unterbruchs abgestellt werden. Es sei umso wahrscheinlicher, dass der Zuschauer sich aktiv dafür entscheide, das Programm nicht weiterzuverfolgen, je markanter unterbrochen werde; entsprechend kleiner sei für ihn die Gefahr, Werbung sehen zu müssen. In Zweifelsfällen sei "aufgrund einer verfassungskonformen und geltungszeitlichen Auslegung von Art. 18 Abs. 2 RTVG " die Zulässigkeit der Werbung zu bejahen. Die Sendung "Fohrler live" (aber auch "Cinderella") werde durch das Publikumsspiel "Due" - und damit durch eine eigenständige Sendung - unterbrochen und nicht bloss durch Werbung. Der Zusammenhang zwischen den Sendeteilen sei relativ lose und der Unterbruch aufgrund der festen, in den meisten Programmvorschauen angekündigten Ausstrahlungszeiten voraussehbar, weshalb nicht gegen das Verbot der Unterbrecherwerbung verstossen worden sei. 4. Die Art. 18 Abs. 2 RTVG vom Departement beigelegte Auslegung ist entgegen diesen Ausführungen weder gesetzes-, verfassungs- noch völkerrechtswidrig: a) aa) Art. 18 Abs. 2 RTVG spricht generell davon, dass "in sich geschlossene Sendungen", welche weniger als 90 Minuten dauern, nicht durch Werbung unterbrochen werden dürfen. Er trifft dabei keinerlei Abstufungen nach dem Programminhalt; die Regelung gilt - nach ihrem Wortlaut - unbesehen der Art der Sendung oder deren Qualität. Entsprechende Anknüpfungen erwiesen sich mit Blick auf die Programmautonomie (vgl. Art. 93 Abs. 3 BV ) auch als heikel. Die Zulässigkeit der Unterbrecherwerbung ist gesetzlich geregelt und kann nicht von einem vermuteten "Zapping"-Verhalten des Zuschauers abhängen. Haben sich die Bedürfnisse von Veranstaltern und Publikum gewandelt, ist dem durch eine - demokratisch legitimierte und auf einer medienrechtlichen Gesamtsicht beruhende - Gesetzesrevision Rechnung zu tragen; eine solche hat der Bundesrat in seinem Aussprachepapier vom Januar 2000 in Aussicht genommen und inzwischen in die Vernehmlassung geschickt. bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn von Art. 18 Abs. 2 RTVG zum Ausdruck bringen würde, weshalb davon im Sinne der Vorschläge der Beschwerdeführerin abgewichen werden könnte (vgl. BGE 124 III 266 E. 4 S. 268, mit weiteren Hinweisen), bestehen nicht: Art. 18 Abs. 2 RTVG war während der parlamentarischen Beratungen stark umstritten und wurde erst kurz vor der Schlussabstimmung als Kompromiss in der heutigen BGE 127 II 79 S. 84 Form ins Gesetz aufgenommen, nachdem der Bundesrat ursprünglich noch jegliche Unterbrecherwerbung hatte untersagen wollen (vgl. BBl 1987 III 734). Art. 18 Abs. 2 RTVG soll verhindern, dass Sendungen laufend durch Werbung unterbrochen und Zuschauer bzw. Zuhörer gezwungen werden, diese über sich ergehen zu lassen, um eine Sendung als Ganzes verfolgen zu können; überdies wird dadurch das Gebot der Trennung von Werbung und Programm unterstrichen (MICHAEL DÜRINGER, Radio- und Fernsehwerbung, Diss. Zürich 1994, S. 99; BBl 1987 III 722 und 734). Im Parlament war wiederholt davon die Rede, dass keine "amerikanischen Verhältnisse" gewünscht würden (vgl. etwa AB 1990 S 580 [Votum Meier]); sämtliche Vorschläge, die Regelung der Unterbrecherwerbung flexibler zu gestalten und insbesondere dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen anzupassen, wurden dabei bewusst verworfen (AB 1989 N 1626 ff. [Votum Fischer-Hägglingen, S. 1627; Votum Sager, S. 1628; Votum Stamm, S. 1632; Votum Leuenberger-Solothurn, S. 1634; Votum von Bundesrat Ogi, S. 1638]; AB 1990 S 580 ff.; AB 1991 N 336 ff.; AB 1991 S 424 ff.; AB 1991 N 1104 ff.; AB 1991 S 506 ff.; AB 1991 N 1153 f.). cc) Gegen die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene geltungszeitliche Auslegung von Art. 18 Abs. 2 RTVG spricht gerade auch die beabsichtigte Revision des Radio- und Fernsehgesetzes: Danach soll die Unterbrecherwerbung für private Veranstalter künftig im Rahmen der Mindestbestimmungen der Europaratskonvention möglich werden (vgl. Art. 9 des Entwurfs und die beabsichtigte Regelung auf Verordnungsstufe); gleichzeitig fasst der Bundesrat zu Lasten der SRG aber eine so genannte "asymmetrische Regulierung" ins Auge, indem er deren Möglichkeiten zur Werbe- und Sponsoringfinanzierung "massvoll" abbauen will (Erläuterungen RTVG-Entwurf, S. 55; die SRG wird dadurch etwa Mindererträge von 33 bis 38 Mio. Franken erleiden). Die Bestimmungen über die Werbung und das Sponsoring bilden einen wesentlichen Teil der Finanzierung des schweizerischen Mediensystems als Ganzes und können deshalb nicht auf dem Wege der Auslegung punktuell neuen Bedürfnissen angepasst werden, ohne dass das Gleichgewicht des Systems als solches und die vom Gesetzgeber vorgenommenen Interessenabwägungen in Frage gestellt würden. Die Anpassung an die europäischen Werbevorschriften soll nach dem vorgeschlagenen "dualen" System (gestärkter Service public der SRG durch gezielte Konzentration des Leistungsauftrags und der Mittel bei gleichzeitig BGE 127 II 79 S. 85 erweitertem und erleichtertem Marktzugang für private Veranstalter; Erläuterungen RTVG-Entwurf, S. 12) mit einem Ausschluss der privaten Veranstalter von den Gebührengeldern verbunden werden, wobei diese zum Ausgleich hierfür mehr Möglichkeiten erhielten, ihre Programme mit Werbung und Sponsoring zu finanzieren (Erläuterungen RTVG-Entwurf, S. 51). Die entsprechende Liberalisierung kann nicht durch eine grosszügigere Auslegung der bestehenden, auf einem anderen System beruhenden Regelungen vorweggenommen werden; hierüber hat der Gesetzgeber zu entscheiden. b) aa) Internationalrechtlich ist die Schweiz nicht gehalten, die Unterbrecherwerbung gleich oder grosszügiger zu regeln, als dies im europäischen Übereinkommen vorgesehen ist. Bei Art. 14 EÜGF handelt es sich um eine Minimalvorschrift, die im grenzüberschreitenden Fernsehverkehr einzuhalten ist. Das Übereinkommen hindert die Vertragsparteien indessen nicht daran, strengere oder ausführlichere Bestimmungen für Programme zu erlassen, die durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen im eigenen Hoheitsgebiet verbreitet werden ( Art. 28 EÜGF ; Conseil de l'Europe, Rapport explicatif relatif à la Convention européenne sur la télévision transfrontière, Strasbourg 1990, S. 59). bb) Nichts anderes ergibt sich aus Art. 10 EMRK bzw. Art. 17 (Medienfreiheit) oder Art. 27 (Wirtschaftsfreiheit) BV. Zwar kann auch eine Werbebotschaft in den Geltungsbereich von Art. 10 EMRK fallen (vgl. BGE 123 II 402 E. 5a S. 414 [Verein gegen Tierfabriken; Zugang zum Werbefernsehen]; BGE 120 Ib 142 E. 4 S. 148 [Obersee Nachrichten]), doch beruht die beanstandete Beschränkung der Unterbrecherwerbung hier auf einer klaren gesetzlichen Grundlage. Sie liegt im öffentlichen Interesse, da sie der Informationsfreiheit des Publikums und dessen Schutz vor übermässiger, ungewollter Konfrontation mit Werbung dient; gleichzeitig trägt sie durch eine sachgerechte Verteilung der aus der Werbung fliessenden Mittel zum Erhalt einer pluralistischen Medienlandschaft bei (vgl. Art. 93 Abs. 4 BV ; BGE 123 II 402 E. 5a u. b S. 415 f.). Die Unterbrecherwerbung ist nicht schlechterdings untersagt, so dass die Massnahme auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden kann, zumal es jedem Veranstalter freisteht, die Programmgestaltung im Rahmen der weiteren gesetzlichen Regelungen (Werbezeitbeschränkung usw.) seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen anzupassen. Soweit mit der beanstandeten Beschränkung ein Eingriff in verfassungs- oder konventionsmässige Rechte verbunden ist, BGE 127 II 79 S. 86 erscheint dieser deshalb als im Sinne von Art. 10 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt. Weder verfassungs- noch konventionsrechtlich besteht ein Anspruch darauf, senderechtlich gleich behandelt zu werden wie die ausländische Konkurrenz aufgrund der für sie geltenden Regeln. 5. Auch hinsichtlich des konkret beanstandeten Sendemusters verletzt der angefochtene Entscheid kein Bundesrecht: a) Bei der Beurteilung, ob eine in sich geschlossene Sendung in Missachtung von Art. 18 Abs. 2 RTVG unzulässigerweise mit Werbung unterbrochen wurde, ist - wie generell bei der Frage, ob rundfunkrechtliche Programmvorschriften verletzt sind (vgl. BGE 126 II 7 E. 6b S. 19, mit Hinweis) - auf den Gesamteindruck abzustellen, der beim Publikum gestützt auf die formelle und inhaltliche Gestaltung des Beitrags entsteht. Dabei kann den formellen Kriterien (gleiche präsentierende Person, Studiodekor, Begrüssung und Verabschiedung des Publikums je separat in jedem Sendeteil usw.; vgl. MARTIN DUMERMUTH, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Rundfunkrecht, Basel 1996, S. 118 Rz. 277) nur beschränkte Bedeutung zukommen. Änderungen dieser Elemente sind jederzeit in bloss graduellem Masse möglich, ohne dass der Charakter der in sich geschlossenen Sendung für den Zuschauer dabei merklich verändert würde (beispielsweise durch einen beschleunigten Abspann, der optisch im unteren Bildbereich keine eigene Bedeutung hat und in seinem Inhalt gar nicht mehr wahrgenommen wird). Im Übrigen muss es auch lokalen Veranstaltern mit beschränkten personellen und finanziellen Mitteln möglich sein, unterschiedliche Inhalte durch ein und dieselbe Person in gleichem oder ähnlichem Dekor präsentieren zu lassen, ohne dass dadurch notwendigerweise immer gleich eine in sich geschlossene Sendung entstehen muss, die nur noch unterbrochen werden dürfte, wenn sie über 90 Minuten dauert. In Zweifelsfällen entscheidend muss die Tatsache sein, ob sich die Programmteile inhaltlich derart voneinander unterscheiden, dass sie vom Publikum als eigenständig erfasst werden (DUMERMUTH, a.a.O., S. 118 Rz. 279). Wesentlich erscheint, ob der Sendeteil inhaltlich als abgerundet gelten kann, mit anderen Worten, ob die Dramaturgie der Sendung den mit ihrem Inhalt verbundenen Spannungsbogen abschliesst oder aber umhüllend über die Werbung hinweg fortbestehen lässt und dieser damit eine bessere Beachtung verschafft. b) aa) "Fohrler live" ist eine Talkshow, bei der Präsentator Dani Fohrler mehrere Studiogäste zu einem bestimmten Thema empfängt. Nach dem Gespräch bleiben die einzelnen Intervenienten im Studio BGE 127 II 79 S. 87 sitzen, wobei sich die Stuhlreihe auf einer etwas erhöhten "Bühne" mit der Zeit füllt. Die einzelnen Gesprächspartner werden in die weitere Sendung jeweils einbezogen und haben auch nach ihrem Auftritt noch die Möglichkeit, sich spontan zu äussern. Nach etwa einer halben Stunde kündigt Dani Fohrler an: "Es geht gleich weiter (kurze Angabe, wer/was noch zu erwarten ist); gleich nachher, bleiben Sie dran". Es folgen ein "Programmtrailer" und ein Werbeblock, dem sich die rund zweiminütige Spielshow "Due" anschliesst. Nach einem weiteren "Trailer" geht die Talkshow weiter. Neue Gäste gesellen sich mit ihren Erfahrungen zu den bereits vorgestellten. Sowohl formell wie inhaltlich handelt es sich bei "Fohrler live" damit aber um eine in sich geschlossene Sendung im Sinne von Art. 18 Abs. 2 RTVG : Der Präsentator begrüsst das Publikum nur im ersten Teil der Sendung; bloss dort führt er in das beiden Sendeteilen gemeinsame Thema ein. Moderation und Studiodekor sind identisch; vor und nach der Werbung wird keinerlei Vor- oder Abspann eingespielt. Inhaltlich sind beide Teile von "Fohrler live" ein und demselben Thema gewidmet, wobei auf mehreren Ebenen der Spannungsbogen über die Werbung und den Einschub "Due" hinweg fortdauert. Die Gäste des ersten Teils bleiben auch nach der Werbung im Studio und beteiligen sich an der weiteren Diskussion. Der Moderator unterstreicht mit dem Hinweis, was folgt und wie das Thema abgerundet wird (weshalb der Zuschauer "dran bleiben solle"), die Unvollständigkeit der Information, falls der zweite Teil der Sendung verpasst werden sollte. Dramaturgisch wird dies zusätzlich etwa dadurch hervorgehoben, dass das Foto eines Gastes, den das Publikum im ersten Teil kennen gelernt hat, einem "Medium" gezeigt wird, das gestützt hierauf seinerseits über diesen gewisse Sachen zu erfahren versucht. Was dabei herauskommt, erfährt das Publikum nach der Werbung im zweiten Teil der Sendung (so "Fohrler live" vom 7. September 1999 zum Thema "Der Tag, der mein Leben verändert hat"). bb) Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin ändert an dieser Beurteilung nichts, dass neben der Werbung mit dem Publikumsspiel "Due" formell noch eine eigene Sendung zwischen den Teilen von "Fohrler live" ausgestrahlt wird. "Due" dauert lediglich zwei Minuten und besteht in einem interaktiven Zuschauerspiel, bei dem mindestens 1'000 Franken gewonnen werden können. Es handelt sich dabei um einen "Füller", der die Dramaturgie von "Fohrler live" nicht wirklich unterbricht; es geht dabei letztlich bloss darum, auch hernach allenfalls noch einmal Werbung oder einen Sponsorenhinweis einspielen zu können. Der Hinweis der BGE 127 II 79 S. 88 Beschwerdeführerin, dass auch mehrere Episoden einer Serie mit Werbung "unterbrochen" werden dürften, weshalb die umstrittene Reklame zulässig sein müsse, verkennt, dass die einzelnen Folgen einer Serie in der Regel in sich dramaturgisch abgeschlossen sind, was bei den beiden Teilen der Sendung "Fohrler live" nach dem Gesagten eben gerade nicht der Fall ist. Zu Recht weist das Bundesamt darauf hin, dass sich das Problem der Unterbrecherwerbung anders stellen könnte, falls die beiden Teile von "Fohrler live" durch eine wirklich eigenständige Sendung von einer gewissen Dauer unterbrochen würden. "Fohrler live" in seiner hier zu beurteilenden Form absorbiert aber inhaltlich die Werbung wie den "Füller", weshalb Art. 18 Abs. 2 RTVG verletzt ist. Soweit die Beschwerdeführerin kritisiert, bei Radiosendungen werde ein grosszügigerer Massstab angewandt, verkennt sie die zwischen Fernseh- und Radioprogramm bestehenden tatsächlichen Unterschiede (Radio als in erster Linie musikalisches Begleitprogramm), die sich auf die Praxis der Unterbrecherwerbung auswirken und eine gegenüber dem Fernsehen differenzierte Handhabung von Art. 18 Abs. 2 RTVG rechtfertigen, "weil sonst die Werbung gar nicht mehr plaziert werden könnte" (AB 1988 N 299 [Votum Keller]). Der Einwand, auch die Sendung "Meteo" von Fernsehen DRS nach den Nachrichten und einem zwischengeschalteten Werbeblock verletze Art. 18 Abs. 2 RTVG , ist unberechtigt, da der Wetterbericht (d.h. die Sendung "Meteo") heute von seiner Dauer wie Präsentation her eine klar von der "Tagesschau" abgetrennte Sendung darstellt, zumal wenn dabei im Sinne einer umfassenden Serviceleistung etwa noch auf allgemeine meteorologische Phänomene eingegangen wird. Der Zuschauer, der die Nachrichten nicht gesehen hat, kann sich - ohne Beeinträchtigung des Nutzens oder des Genusses, den er aus der Sendung "Meteo" zieht - über die Wettervoraussichten informieren, was beim hier umstrittenen Sendekonzept mit seinen inhaltlichen Verflechtungen nicht möglich ist. Davon, dass die Werbung in der Sendung "Fohrler live" letztlich in einer natürlichen Pause im Sinne von Art. 12 Abs. 2 RTVV liegen würde, kann schliesslich keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin hat in der umstrittenen Programmstruktur entgegen dem natürlichen Sendeablauf der einzelnen "Leisten" - ähnlich ausländischen Modellen (RTL usw.) - mit dem Kurzspiel "Due" eine künstliche Pause geschaffen, um die Werbung in einem günstigen Umfeld (anhaltende Spannung) platzieren zu können. Dies ist nach dem geltenden Radio- und Fernsehrecht unzulässig. BGE 127 II 79 S. 89 c) aa) Soweit mit Blick auf den Verfahrensgegenstand, wie ihn die Beschwerdeführerin im Aufsichtsverfahren selber umschrieben hat und über den vorliegend nicht hinausgegangen werden kann, überhaupt auf die anderen Sendeleisten und deren Ausgestaltung im Einzelnen noch einzugehen ist, genügt der Hinweis, dass die Beurteilung der Sendung "Cinderella" zu keinem anderen Resultat führt, selbst wenn dort nach dem ersten Teil ein Abspann ohne Namen, aber mit Sendungssignet eingespielt wird. Die Dramaturgie der "Leiste" wird auch hier künstlich und ohne wirkliche Zäsur durch das Publikumsspiel "Due" unterbrochen, um Sponsoring und Werbung zu ermöglichen. Der Bogen vom ersten zum zweiten Sendeteil wird wiederum von der Moderatorin durch die Vorschau auf diesen gespannt, der bei gleichem Publikum, gleichem Studiodekor und den gleichen "Beauty"-Experten dem selben Thema gewidmet ist ("neuste Trends aus Mode, Wellness und Lifestyle"). Der den natürlichen Ablauf der Sendung hemmende Charakter der Werbung und des Spiels "Due" wird durch die ostentative Aufforderung von Präsentatorin und Studiopublikum an den Zuschauer "Dranne bliebe, dranne bliebe, dranne bliebe" überbrückt (so "Cinderella" vom 24. Mai 2000). Die Geschichte des im ersten Teil der Sendung ausgewählten Studiogasts, der während des Magazins "gestylt" wird, ohne dass er sich dabei sieht, lässt den Werbe- und Sponsoring-Einschub in den Hintergrund treten; die Spannungskurve, wie denn das neue "Outfit" aussehen wird, bleibt im Rahmen der in sich geschlossenen Sendung bis zum Ende der "Leiste" aufrechterhalten, bevor sich im Finale alle Studiogäste - auch jene des ersten Teils - wiederum um die Präsentatorin scharen. "Cinderella" weicht damit in den entscheidenden Punkten nicht vom Konzept "Fohrler live" ab. bb) Ein etwas klarerer Unterbruch mag inhaltlich bei der Sendung "Lachsack" bestehen, soweit es um einzelne, in eine Rahmengeschichte eingebettete Sketches geht. In formeller Hinsicht besteht aber auch hier trotz Abspanns keine klare für den Zuschauer erkennbare Trennung vom zweiten Teil, der weder eingeleitet, noch durch einen Vorspann eigenständig eröffnet wird (Sendung "Lachsack" vom 27. April 2000). Das Publikumsspiel "Due" vermag auch hier den Charakter einer in sich geschlossenen Sendung nicht zu sprengen. Weitere Ausführungen erübrigen sich, nachdem diese Sendung heute nicht mehr ausgestrahlt wird. d) Die Beschwerde ist somit in allen Punkten unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Für diesen Fall ersucht die Beschwerdeführerin, ihr eine grosszügigere BGE 127 II 79 S. 90
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Übergangsfrist zur Anpassung der beanstandeten Programmstrukturen zu gewähren. Hierzu besteht indessen kein Anlass: Nach Ziffer 2 des angefochtenen Dispositivs wird sie aufgefordert, "innerhalb von 30 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheids in den beanstandeten Punkten der Unterbrecherwerbung den rechtmässigen Zustand herzustellen" und innert derselben Frist das Bundesamt für Kommunikation über die getroffenen Massnahmen zu informieren. Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin bereits bei Aufnahme ihrer Sendetätigkeit über die Praxis der Aufsichtsbehörden informiert war und im Übrigen aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen inzwischen bereits gewisse Anpassungen vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich, weshalb der rechtmässige Zustand nicht innerhalb eines Monats ab dem bundesgerichtlichen Urteil, womit der Entscheid des Departements rechtskräftig wird (vgl. Art. 38 OG ), hergestellt werden könnte. Sollten sich dabei spezifische, hier nicht absehbare Probleme ergeben, hat das Bundesamt als konzessionsrechtliche Aufsichtsbehörde im Übrigen eine gewisse Flexibilität in Aussicht gestellt; es besteht deshalb keine Veranlassung, die Beschwerde im Sinne des Eventualantrags (teilweise) gutzuheissen und eine längere Anpassungsfrist als die vom Departement vorgesehene festzusetzen.
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Sachverhalt ab Seite 48 BGE 81 IV 47 S. 48 A.- Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt. B.- In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft. C.- Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. D.- Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. BGE 81 IV 47 S. 49
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP). Wird von dieser Feststellung ausgegangen, so ist der Beschwerdeführer zu Recht der Übertretung des Art. 26 Abs. 3 MFG schuldig erklärt worden: a) Unter Strassenkreuzungen, an denen nach dieser Bestimmung nicht überholt werden darf, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet ( BGE 64 II 317 , BGE 75 IV 29 , 128, BGE 79 IV 70 ). Das gilt nicht nur dann, wenn die Seitenstrasse von rechts, sondern auch, wenn sie von links auf die andere trifft. Das Verbot will einer Anhäufung von Gefahren an Kreuzungen (Einmündungen) vorbeugen, denen die Aufmerksamkeit des einen oder anderen Strassenbenützers, sei es des überholten oder des überholenden, sei es eines von der Seite her eintreffenden, nicht gewachsen sein könnte. Dieser Grund trifft bei Einmündungen von links in gleicher Weise zu wie bei Einmündungen von rechts. Dass bei ersteren das überholende und das überholte Fahrzeug gegenüber einem allenfalls einmündenden den Vortritt haben, ändert nichts. Umsogrösser ist hier die Gefahr, wenn das zu überholende abbiegen will, da es in diesem Falle, im Gegensatze zum Falle der Abzweigung nach rechts, die Fahrbahn des überholenden zu schneiden hat. Das grundlegende erste BGE 81 IV 47 S. 50 und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass Art. 1 StGB dieser Rechtsprechung im Wege stehe. Diese Bestimmung verbietet nicht, das Strafgesetz ausdehnend auszulegen, d.h. ihm einen auf den ersten Blick durch den Buchstaben scheinbar nicht gedeckten Sinn zu entnehmen ( BGE 71 IV 148 , BGE 72 IV 103 ); der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" steht lediglich dem Analogieschlusse im Wege. Einen solchen trifft das Bundesgericht nicht, wenn es unter einer Strassenkreuzung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG auch die bloss rudimentäre Kreuzung versteht, wie sie in der Form einer sogenannten Einmündung vorliegt. b) Dem Schuldspruch steht auch nicht im Wege, dass der Beschwerdeführer das Überholen an der Einmündung des St. Albanrings nicht beendet hat. Seine Auffassung, die Tat sei damit nur bis zum Versuch im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 21 ff.) gediehen und als Versuch einer blossen Übertretung nicht strafbar ( Art. 104 Abs. 1 StGB ), hält nicht stand. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Strassenkreuzungen nicht um des Enderfolges willen, d.h. weil die Bestimmung verhindern möchte, dass das hintere Fahrzeug schliesslich vorne sei, sondern wegen der im ganzen Unternehmen liegenden abstrakten oder konkreten Gefahren. Der vollendeten Übertretung macht sich daher auch schuldig, wer an einer Strassenkreuzung (Einmündung) nur einen Teil des ganzen Manövers ausführt, d.h. wer an solcher Stelle in der Absicht, einem anderen vorzufahren, die neben diesem verlaufende Fahrbahn in Anspruch zu nehmen beginnt; denn schon dadurch schafft er von den mit dem Überholen verbundenen Gefahren, insbesondere die Möglichkeit eines Zusammenstosses mit einem von links oder rechts einbiegenden Fahrzeug. Ein strafloser blosser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter zwar den entscheidenden Schritt einleitet, um an einer Strassenkreuzung in der Absicht des Überholens die rechte Seite der Fahrbahn zu verlassen, BGE 81 IV 47 S. 51 diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert. 3. a) Art. 48 Abs. 1 MFV bestimmt: "Hintereinander fahrende Motorfahrzeuge dürfen nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeugs kein Zusammenstoss ereignen kann". Obschon dieser Wortlaut und auch die romanischen Texte ("Les véhicules automobiles circulant à la file laisseront entre eux ..." "Quando più autoveicoli circolano in colonna devono mantenere tra loro ...") sich nicht nur an den Führer des oder der hinteren, sondern an den Führer beider bezw. aller Fahrzeuge der Kolonne wenden, geht der Sinn der Bestimmung dahin, dass allein der Führer des hinteren Fahrzeuges für den nötigen Abstand vom vorderen zu sorgen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, da jeder Führer entsprechend der Haltung, die er auf seinem Sitze normalerweise einnimmt, in erster Linie nach vorn und nach der Seite zu beobachten hat und oft auch gar nicht ohne Gefährdung des Verkehrs in der Lage wäre, durch Beschleunigung der Fahrt den Abstand vom hinteren Fahrzeug genügend zu vergrössern, sondern auch daraus, dass der deutsche Text von "aufschliessen" spricht. Wenn der Abstand zu gering ist, übertritt daher nur der Führer des hinteren Fahrzeuges, nicht auch der des vorderen die erwähnte Bestimmung. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anfänglich angemessener Abstand dadurch zu gering wird, dass der Führer des vorderen Fahrzeuges die Geschwindigkeit herabsetzt. Der Führer des hinteren hat in diesem Falle seinerseits zu verzögern und für die Wiederherstellung eines angemessenen Abstandes zu sorgen. Damit er sich dieser Pflicht rechtzeitig bewusst werde, müssen Motorwagen mit einem orangefarbigen Stopplicht ausgerüstet sein (Art. 13 Abs. 1 lit. d MFV). b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten BGE 81 IV 47 S. 52 oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 MFV nicht voll gerecht wird. Solchem Versagen - das hiermit in keiner Weise entschuldigt werden soll - hat der Führer des vorderen Fahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren Rechnung zu tragen, sei es durch Beobachtung nach hinten, sei es, indem er die Geschwindigkeit nur allmählich herabsetzt, damit der Führer des hinteren, durch das Stopplicht oder sonstwie gewarnt, die nötige Zeit habe, seinerseits langsamer zu fahren. Die I. Zivilabteilung hat freilich am 30. März 1954 i.S. Mayer gegen Paley entschieden, der ordnungsgemäss rechts fahrende Führer habe sich nicht darum zu kümmern, was hinter seinem Wagen vor sich BGE 81 IV 47 S. 53 gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege. c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden. ...
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 202 BGE 128 III 201 S. 202 Im Jahre 1990 verkaufte die Maschinenfabrik C. GmbH in Schweinfurt (Deutschland) der Firma D. in Belgrad vier Maschinen zum Kaufpreis von insgesamt DM 960'000.-. Der Gesamtkaufpreis war, nebst 9% Zins auf dem jeweils ausstehenden Betrag, in 12 halbjährlichen Raten ab 11. April 1991 zahlbar, wobei die fälligen Halbjahreszinsen mit jeder Rate zu bezahlen waren. Die Bank A. (Beklagte) garantierte gegenüber der Maschinenfabrik C. GmbH mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 unter Bezugnahme auf den von dieser mit der Firma D. geschlossenen Vertrag die Einhaltung dieser Zahlungsverpflichtungen durch die Firma E., Beograd, welche sie als ihre Auftraggeberin bezeichnete. Der Gesamtbetrag der Garantie wurde unter Einschluss des Zinsenanteils mit DM 1'240'800.- beziffert. Mit Abtretungs- und Liefererklärung vom 19. November 1990 trat die Maschinenfabrik C. GmbH die gesamte Forderung sowie ihre Ansprüche aus der Garantie der Beklagten an die Bank F. AG, Filiale Schweinfurt, ab. Diese zedierte gleichentags und in der gleichen Urkunde sämtliche Ansprüche und Rechte weiter an die G. AG (später B. AG; Klägerin) in Zürich. Mit Schreiben vom 26. Dezember 1990 bestätigte die Beklagte der Klägerin, dass die Maschinenfabrik C. GmbH ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag mit der Firma D. vollumfänglich erfüllt habe, dass sie - die Beklagte - von der unwiderruflichen Abtretung seitens der Lieferantin zustimmend Kenntnis genommen habe und dass sie der Klägerin die einzelnen Raten zu den vorgesehenen Terminen bezahlen werde. Die erste Rate von DM 123'200.- wurde bei Fälligkeit bezahlt. Weitere Zahlungen blieben aus. Die Beklagte bestätigte jeweils den Erhalt der entsprechenden Mahnungen. Am 11. Oktober 1996 rief die Klägerin mittels Telex die Garantie BGE 128 III 201 S. 203 insgesamt ab und verlangte die Zahlung des ausstehenden Betrages von DM 1'117'600.- zuzüglich 9% Zins ab dem Datum des Verfalls der einzelnen Raten. Auf Begehren der Klägerin erliess der Arrestrichter des Bezirks Zürich am 1. Oktober 1997 für eine Forderungssumme von Fr. 1'283'695.70 nebst 9% Zins seit 1. August 1997 einen Arrestbefehl über sämtliche Vermögenswerte der Beklagten bei der damaligen Bank H., bei der Bank I. und bei der damaligen Bank J. in Zürich Kreis 1. Ein weiterer Arrestbefehl erging am 7. Oktober 1997 für dieselbe Forderung über sämtliche Vermögenswerte der Beklagten bei der Bank I. in Zürich Kreis 3. Auf Einsprache der Beklagten wurde in diesem zweiten Arrestbefehl die Arrestforderung auf Fr. 1'271'453.30 reduziert. Gegen die zur Arrestprosequierung ausgestellten Zahlungsbefehle erhob die Beklagte Rechtsvorschlag. Am 5. Mai 1998 klagte die B. AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Bank A. mit dem Begehren, die Beklagte sei zur Zahlung von DM 1'540'126.90 nebst 9% Zins seit 1. August 1997 zu verpflichten und es sei in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 3 für den Betrag von Fr. 1'271'453.30 nebst Zins die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Diese Klage ergänzte sie am 10. Juli 1998 mit dem Begehren um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung für den gleichen Betrag in der Betreibung Nr. 2 des Betreibungsamtes Zürich 1. Mit Urteil vom 13. Dezember 1999 hiess das Handelsgericht die Forderung im Betrag von DM 1'117'600.- nebst 9% Zins seit 26. Oktober 1996 gut und hob in diesem Umfang in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 3 den Rechtsvorschlag auf. Mit Beschluss vom 20. Januar 2000 fasste das Handelsgericht das Urteilsdispositiv teilweise neu und hob auch in der Betreibung Nr. 2 des Betreibungsamtes Zürich 1 im gleichen Umfang den Rechtsvorschlag auf. Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben, die Klage abzuweisen und die definitive Rechtsöffnung zu verweigern; eventuell das Urteil des Handelsgerichts, soweit die Klage geschützt wurde, aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Handelsgericht hat das Vertragsverhältnis zwischen der Maschinenfabrik C. GmbH bzw. der Klägerin und der Beklagten dem jugoslawischen Recht unterstellt und als Garantievertrag gemäss BGE 128 III 201 S. 204 Art. 1083 ff. des Gesetzes über die Obligationenverhältnisse qualifiziert. In Anwendung von Art. 148 Abs. 1 IPRG (SR 291) hielt es fest, dass die Verjährung der Forderung ebenfalls dem jugoslawischen Recht als lex causae unterstehe. Die Frage, ob die Verjährung nach jugoslawischem Recht eingetreten sei, liess das Handelsgericht jedoch offen, da die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede diesfalls gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich wäre. In der Berufung rügt die Beklagte, dass das Handelsgericht mit dieser Argumentation in Missachtung von Art. 148 Abs. 1 IPRG auf die Frage der Verjährung nicht jugoslawisches Recht angewendet und seinen Entscheid nicht gemäss dem Ergebnis dieser Anwendung des ausländischen Rechts gefällt habe. a) Mit der Berufung kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid habe nicht ausländisches Recht angewendet, wie es das schweizerische internationale Privatrecht vorschreibt ( Art. 43a Abs. 1 lit. a OG ). Von einer Anwendung des ausländischen Rechts im Sinne dieser Bestimmung kann nur gesprochen werden, wenn das Gericht den Sachverhalt tatsächlich unter die Normen des vom schweizerischen internationalen Privatrecht bezeichneten ausländischen Rechts subsumiert und sein Urteil dem Ergebnis dieser Subsumtion entspricht. Dagegen liegt keine Anwendung ausländischen Rechts vor, wenn das Gericht wegen des schweizerischen Ordre public von diesem Ergebnis abweicht ( Art. 17 IPRG ) oder ohne Rücksicht auf das verwiesene Recht eine Bestimmung des schweizerischen Rechts wegen ihres besonderen Zweckes zwingend anwendet ( Art. 18 IPRG ). Auf die Rüge der Beklagten ist damit einzutreten. b) Die Tragweite der im IPRG enthaltenen Verweisungen auf ein ausländisches Recht wird im 3. Abschnitt der Gemeinsamen Bestimmungen (Art. 13-19) geregelt. Für die einzelnen Verweisungen gelten damit generell die Einschränkungen der Ausnahmeklausel (Art. 15), der Vorbehaltsklausel (Art. 17) und der zwingenden Anwendung des schweizerischen Rechts (Art. 18). Art. 17 IPRG enthält den Vorbehalt des negativen Ordre public. Dieser Vorbehalt greift erst ein, wenn das Ergebnis der Beurteilung nach dem verwiesenen ausländischen Recht ermittelt ist und dieses Ergebnis das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt bzw. auf stossende Weise Sinn und Geist der eigenen Rechtsordnung widerspricht. Von der Ermittlung und der hypothetischen Anwendung des an sich anwendbaren ausländischen Rechts ist indessen von vornherein abzusehen, wenn schweizerische Rechtsvorschriften gemäss BGE 128 III 201 S. 205 Art. 18 IPRG unmittelbar, das heisst unabhängig von dem durch das Gesetz bezeichneten Recht, zwingend anzuwenden sind. Diese sog. lois d'application immédiate umfassen den positiven Ordre public ( BGE 125 III 443 E. 3d S. 447; BGE 117 II 494 E. 7 S. 501; VISCHER, IPRG-Kommentar, N. 7 zu Art. 17 IPRG ). Die zwingend anwendbare Bestimmung des schweizerischen Rechts hat somit einen eigenen räumlichen Anwendungsbereich, der sich gegen die allgemeinere Kollisionsregel durchzusetzen vermag und sie ausschaltet. Für eine solche Bestimmung erfolgt eine kollisonsrechtliche Sonderanknüpfung (DUTOIT, Droit international privé suisse, 3. Aufl. 2001, N. 2 zu Art. 18 IPRG ; MÄCHLER-ERNE, Basler Kommentar, N. 23 zu Art. 18 IPRG ; SCHWANDER, Einführung in das Internationale Privatrecht, 1. Bd.: Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, S. 239 und 243 f.). Zum positiven Ordre public gehören namentlich Normen, welche den wesentlichen Interessen der Gesellschaftsordnung, der politischen oder wirtschaftlichen Ordnung Rechnung tragen ( BGE 125 III 443 E. 3d S. 447; SCHNYDER, Das neue IPR-Gesetz, 2. Aufl., Zürich 1990, S. 35; KNOEPFLER/SCHWEIZER, Droit international privé suisse, 2. Aufl., Bern 1995, Nr. 383). Besondere Zurückhaltung ist geboten bei der ausnahmsweisen Anwendung sowohl des negativen wie des positiven Ordre public im Fall, dass die zu beurteilende Sache praktisch keine Beziehung zur Schweiz hat ( BGE 125 III 443 E. 3d S. 448; VISCHER, a.a.O., N. 20 zu Art. 17 IPRG ; MÄCHLER-ERNE, a.a.O., N. 14 zu Art. 18 IPRG ; KELLER/SIEHR, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, Zürich 1986, S. 544). In der Berufung macht die Beklagte geltend, zur Anwendung des ausländischen Rechts auf die Frage der Verjährung gehöre auch die Anwendung allfälliger im dortigen Recht enthaltener Korrekturnormen. Nur wenn das so ermittelte Resultat zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar ist, sei die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen ausgeschlossen. Um dies feststellen zu können, müsse aber zuerst das Resultat der Rechtsanwendung unter den für anwendbar erklärten ausländischen Rechtsnormen bekannt sein. Diese Argumentation der Klägerin ist auf einen Fall der Anwendung des negativen Ordre public gemäss Art. 17 IPRG zugeschnitten. Davon unterscheidet sich jedoch grundsätzlich die Situation beim Vorliegen zwingend anwendbarer Bestimmungen des schweizerischen Rechts im Sinne von Art. 18 IPRG . Solche Bestimmungen verdrängen die Anwendung des verwiesenen ausländischen Rechts ohne Rücksicht auf das konkrete Ergebnis ihrer Anwendung. Einzelne Autoren vertreten BGE 128 III 201 S. 206 zwar die Meinung, dass auch die an sich anwendbare lex causae daraufhin zu prüfen sei, ob sie die vom Inland verfolgten Ziele nicht gleich oder besser verwirklichen kann (VISCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 18 IPRG ). Dies würde aber bedeuten, dass je nachdem die Norm der einen verwiesenen ausländischen Rechtsordnung anwendbar ist, jene einer andern jedoch nicht, und stände im Widerspruch dazu, dass die unmittelbar anwendbare Norm des schweizerischen Rechts einen eigenen räumlichen Anwendungsbereich hat und die allgemeine Kollisionsregel ausschaltet. Die von der Klägerin erhobene Rüge erweist sich als unbegründet. c) Zu prüfen ist damit, ob das Rechtsmissbrauchsverbot ( Art. 2 Abs. 2 ZGB ) zu den zwingend anwendbaren Bestimmungen des schweizerischen Rechts im Sinne von Art. 18 IPRG gehört. Art. 2 ZGB ist eine Grundschutznorm, welche der Durchsetzung der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit dient (BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 3 f. zu Art. 2 ZGB ). Ihre Geltung erstreckt sich auf die gesamte Rechtsordnung mit Einschluss des öffentlichen Rechts sowie des Prozess- und Zwangsvollstreckungsrechts. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist in jeder Instanz von Amtes wegen anzuwenden, was auch für die Frage gilt, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt ( BGE 121 III 60 E. 3d; BGE 118 II 225 E. 2c/bb; BAUMANN, a.a.O., N. 42 zu Art. 2 ZGB ; MERZ, Berner Kommentar, N. 99 zu Art. 2 ZGB ). Soweit die als rechtsmissbräuchlich betrachtete Rechtsanwendung in einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung besteht, hat der Grundsatz einen engen inneren Zusammenhang mit der Rechtsanwendung durch den Richter. Dieser soll nicht gehalten sein, einem Ergebnis der formalen Rechtsordnung zum Durchbruch zu verhelfen, das in offensichtlichem Widerspruch zu elementaren ethischen Anforderungen steht (BAUMANN, a.a.O., N. 14b zu Art. 2 ZGB ; MERZ, a.a.O., N. 21 zu Art. 2 ZGB ). Das Bundesgericht hat deshalb bereits im Urteil 5C.255/1990 vom 23. April 1992 festgehalten, dass sich die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchsverbots in jedem Fall im Sinne von Art. 18 IPRG nach schweizerischem Recht richten, unabhängig davon, welches Recht in der Sache anwendbar ist. Die Frage stellte sich damals im Zusammenhang mit dem Durchgriff bei einer juristischen Person. In jenem Entscheid wurde ausdrücklich vermerkt, dass es sich um einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbotes handelt. Auch in einem kantonalen Entscheid ist festgehalten worden (ZR 1999 Nr. 52, Urteil A, E. 5, S. 238 f.), dass das Rechtsmissbrauchsverbot gestützt auf Art. 18 IPRG auch bei transnationalen BGE 128 III 201 S. 207 Rechtsverhältnissen seine volle Wirkung entfaltet. Das Gebot von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr, welches wie das Rechtsmissbrauchsverbot eine Ausprägung des gleichen Grundsatzes ist, gehört ebenfalls zum Kreis der universell anerkannten Rechtsgüter, deren Schutz der positive Ordre public dient. Die Zuordnung des Rechtsmissbrauchsverbots zum positiven Ordre public der schweizerischen Rechtsordnung muss deshalb auch für andere Anwendungsfälle gelten wie zum Beispiel die Rechtsmissbräuchlichkeit einer erhobenen Verjährungseinrede. Dass das Rechtsmissbrauchsverbot ungeachtet des anwendbaren Rechtes im Bereich der Verjährung absolute Geltung im Sinne des positiven Ordre public beansprucht, wird auch von KELLER/GIRSBERGER (IPRG-Kommentar, N. 64 zu Art. 148 IPRG ) bejaht (ebenso SCHNITZER, Handbuch des Internationalen Privatrechts, 4. Aufl. 1958, S. 670). Davon ging auch das Bundesgericht in BGE 96 II 4 E. 3b S. 8 aus, wo es das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs allerdings verneinte. KELLER/GIRSBERGER führen an der von der Beklagten zitierten Stelle (N. 31 zu Art. 148 IPRG ) lediglich aus, dass der negative Ordre public im Sinne von Art. 17 IPRG nicht das geeignete Mittel sei, um Ergebnisse zu korrigieren, die auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Wertungen oder auf historischen Gründen beruhen, selbst wenn diese vom materiellen Recht des Forums grundlegend abweichen. Unter Hinweis auf eine nicht einschlägige Stelle in einem Bundesgerichtsentscheid und auf deutsche Lehrmeinungen vertreten die genannten Autoren allerdings die Auffassung, die Frage, ob im konkreten Einzelfall ein Recht missbraucht worden sei, unterliege dem Statut, das das Recht beherrscht, dessen unzulässige Ausübung behauptet wird (N. 65 zu Art. 148 IPRG ). Diese Auffassung verträgt sich jedoch nicht mit dem Charakter des Rechtsmissbrauchsverbots als Grundschutznorm, welche die ganze schweizerische Rechtsordnung und damit auch die hiesige Rechtsdurchsetzung beherrscht. Diese Funktion kann die Bestimmung nur erfüllen, wenn der Richter bei ihrer Anwendung auf die grundlegenden ethischen Wertungen der eigenen Rechtsordnung und nicht auf jene einer fremden Rechtsordnung abstellt. Wenn der schweizerische Richter auch bei transnationalen Sachverhalten Art. 2 Abs. 2 ZGB gemäss Art. 18 IPRG zwingend anzuwenden hat, beurteilt sich somit auch nach schweizerischem Recht, ob die Rechtsausübung aufgrund der konkreten Umstände als rechtsmissbräuchlich erscheint. d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sodann ein genügender Inlandbezug gegeben. Die Klägerin hat ihren Sitz in der BGE 128 III 201 S. 208 Schweiz. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche beruhen zwar auf einer Abtretung durch die seinerzeitige deutsche Lieferfirma. Diese Abtretung erfolgte jedoch schon vor vielen Jahren und nicht etwa erst im Hinblick auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Auch der ganze Schriftverkehr, aus welchem der Einwand des Rechtsmissbrauchs abgeleitet wird, fand zwischen ihr und der Beklagten statt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Handelsgericht trotz Anwendbarkeit des jugoslawischen Rechts auf die Frage der Verjährung der eingeklagten Forderungen geprüft hat, ob die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede gegen das der schweizerischen Rechtsordnung zugehörige Rechtsmissbrauchsverbot verstösst. e) Die Beklagte weist schliesslich darauf hin, dass das in der Schweiz ergehende Urteil im Ausland auch durchsetzbar sei für jenen Teil der eingeklagten Forderung, welcher nicht durch die in der Schweiz verarrestierten Vermögenswerte gedeckt ist. Dies trifft zu, soweit die Anerkennungsvoraussetzungen des jeweiligen ausländischen Staates gegeben sind, kann aber nicht gegen die Zugehörigkeit des Rechtsmissbrauchsverbots zum positiven Ordre public im Sinne von Art. 18 IPRG sprechen. Gegebenenfalls müsste der ausländische Vollstreckungsstaat auch ein schweizerisches Urteil mit dem gleichen Ergebnis anerkennen, wenn das schweizerische IPR das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien überhaupt oder nur die Verjährungsfrage dem schweizerischen Recht unterstellen würde.
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Sachverhalt ab Seite 174 BGE 81 IV 174 S. 174 A.- Dr. Felix Kubli fuhr am 11. April 1954 um 21.50 Uhr am Steuer eines Personenwagens mit etwa 50 km/Std. auf der Schaffhauserstrasse in Zürich stadtauswärts gegen die Strassenbahnhaltstelle "Seebacherstrasse". Obschon BGE 81 IV 174 S. 175 links der dort liegenden 19,1 m langen Schutzinsel ein in gleicher Richtung fahrender 37,1 m langer Tramzug anhielt, von dem nur die beiden vorderen, nicht auch der dritte Wagen neben die Insel zu stehen kamen, verzögerte Kubli beim Anblick der aussteigenden Fahrgäste nur auf etwa 30 km/Std. und beschleunigte die Fahrt wieder, noch ehe alle aus dem hintersten Tramwagen aussteigenden Personen die rechts des Tramzuges liegende 3 m breite Fahrbahn vor dem sich nähernden Automobil hindurch überschritten hatten. Mindestens einer der Aussteigenden musste die Strasse wegen des Automobils schneller als normal überqueren, und ein anderer suchte Schutz, indem er gegen den Tramzug zurückwich. B.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte Dr. Kubli am 27. September 1954 wegen Übertretung der Art. 25 Abs. 1 MFG und 61 Abs. 3 MFV zu Fr. 20.- Busse. C.- Dr. Kubli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das in Art. 61 Abs. 3 MFV verankerte Recht des Motorfahrzeugführers, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn rechts zu überholen. Art. 25 MFG schränke dieses Recht nicht ein. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass ein Nachzügler aus dem Tram aussteigen und die Fahrbahn des Beschwerdeführers kreuzen werde, ohne nach links oder rechts zu blicken. D.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Art. 61 Abs. 3 MFV bestimmt in Satz 2 und 3: "Die haltende Strassenbahn ist rechts zu überholen, wenn eine Schutzinsel vorhanden ist; fehlt eine solche, so darf sie nur links und nur in langsamer Fahrt (Schrittempo) überholt werden. Im übrigen findet Art. 46 Anwendung." Damit wird der Führer eines Motorfahrzeuges nicht BGE 81 IV 174 S. 176 ermächtigt, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn unbekümmert um andere Strassenbenützer, insbesondere ohne jede Rücksichtnahme auf die aus- und einsteigenden Fahrgäste (rechts) zu überholen. Dass auch in diesem Falle, wie immer beim Überholen, besonders vorsichtig zu fahren und auf die anderen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich schon aus Art. 46 Abs. 3 MFV, den Art. 61 Abs. 3 vorbehält. Sodann gilt auch hier Art. 25 Abs. 1 MFG, wonach der Führer sein Fahrzeug ständig zu beherrschen und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten hat. Wer gemäss Art. 61 Abs. 3 MFV die Strassenbahn rechts überholt, hat sich daher wie immer vorzusehen, dass er niemanden belästigt oder gefährdet. Das gilt namentlich, wenn die Schutzinsel nur einem Teil der aus- oder einsteigenden Gäste Deckung verschafft, sei es, weil sie nicht für alle Platz bietet, sei es, weil sie so kurz ist, dass die Benützer eines oder mehrerer Wagen genötigt sind, unmittelbar auf die Fahrbahn der Strasse auszusteigen oder von dort her einzusteigen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im letzteren Falle habe der Fussgänger nicht unmittelbar die Fahrbahn zu überschreiten, sondern nach dem Aussteigen (oder vor dem Einsteigen) dem haltenden Zug entlang zu der Schutzinsel (bzw. von ihr weg) zu gehen, hilft nicht, weil diese Vorsichtsmassnahme sich nicht so eingebürgert hat, dass der Führer des Motorfahrzeuges blind darauf vertrauen dürfte, sie werde von allen beachtet. Es gibt Leute, die in Verkennung der Gefahr oder im Vertrauen, dass die Fahrzeugführer die gebotene Rücksicht walten lassen, den Umweg über die zu kurze Schutzinsel nicht einschlagen, zumal dann nicht, wenn er erheblich ist. Der Motorfahrzeugführer hat damit zu rechnen, dass die ausserhalb einer Schutzinsel ausgestiegenen Personen die Strasse unmittelbar überschreiten oder BGE 81 IV 174 S. 177 dass sie sich vom Fussgängersteig oder Strassenrande unmittelbar zu den ausserhalb der Insel haltenden Tramwagen begeben, um einzusteigen. 2. Der Beschwerdeführer hat Art. 25 Abs. 1 MFG übertreten. Die haltende Strassenbahn auf einem nur drei Meter breiten Fahrstreifen, der von den aus dem hintersten Wagen aussteigenden Fahrgästen unmittelbar betreten werden musste, mit 30 km/Std. überholen zu wollen und vor Beendigung des Unternehmens die Fahrt sogar noch zu beschleunigen, war rücksichtslos und gefährlich. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen des Automobils einer der Aussteigenden sich mit ungewöhnlich schnellem Schritt auf den Fussgängersteig begeben und der andere gegen die Strassenbahn hin zurückweichen musste. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit hat der Beschwerdeführer diese Personen rechtzeitig sehen können. Zudem hatte er damit zu rechnen, dass weitere Fahrgäste die Strasse betreten könnten, solange die Strassenbahn hielt. Da vom Zug zum Fussgängersteig nur 3 m zurückzulegen waren, drängte sich die Annahme, die Aussteigenden würden sofort die Strasse überschreiten, statt auf schmalem Raum der Strassenbahn entlang den Weg auf die Schutzinsel einzuschlagen, besonders auf. Der Beschwerdeführer hatte daher, wenn nicht zum vornherein anzuhalten, die Geschwindigkeit zum mindesten so stark herabzusetzen, dass die Fussgänger die Strasse ungefährdet hätten überschreiten können. Ob nicht sogar blosses Schrittempo, wie es für das Linksüberholen vorgeschrieben ist, analog auch hier geboten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit erheblich übersetzt. ...
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 564 BGE 140 V 563 S. 564 A. A.a A., geboren 1917, wohnte bis zum 13. August 2009 in Y. (NW). Am 14. August 2009 trat sie im Alterszentrum D. in X. (OW) ein und meldete sich am 1. Februar 2010 in X. als Wochenaufenthalterin an. Ihre Schriften beliess sie in Y. Nachdem am 1. Januar 2011 das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung in Kraft getreten war, ersuchte A. am 19. Januar 2011 bei der Finanzverwaltung des Kantons Nidwalden um Übernahme der Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten. Die Finanzverwaltung wies das Gesuch am 11. Februar 2011 ab, worauf A. am 18. Februar 2011 beim Einwohnerrat X. um Restfinanzierung ersuchte. Dieser trat auf das Gesuch mit Beschluss vom 4. April 2011 mangels Zuständigkeit nicht ein. BGE 140 V 563 S. 565 A.b Eine hiegegen beim Regierungsrat des Kantons Obwalden erhobene Beschwerde der A. überwies dieser zur Instruktion und Antragstellung an das kantonale Finanzdepartement. Dieses führte betreffend Zuständigkeit einen Meinungsaustausch mit dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden und der Einwohnergemeinde X. durch und wies die Beschwerde mit Beschluss vom 13. März 2012 ab. B. Am 30. April 2012 erhob A. beim Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden Beschwerde. Am ... 2012 verstarb sie. Die Erben B. (Tochter) sowie C. (Enkelin) hielten am Verfahren fest. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 27. November 2013 teilweise gut, hob den Beschluss des Regierungsrates vom 13. März 2012 auf und verpflichtete die Einwohnergemeinde X., auf das Gesuch um Restfinanzierung einzutreten und die ungedeckten Pflegekosten ab Januar 2011 zu übernehmen. C. Der Einwohnergemeinderat X. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit folgenden Rechtsbegehren: "1. Das Verwaltungsgerichtsurteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 27. November 2013 sei vollumfänglich aufzuheben. 2. Es sei festzustellen, dass das vorinstanzliche Verfahren vor dem Re-gierungsrat nach Art. 57 ATSG nicht zulässig war. 3. Es sei festzustellen, dass der Artikel 25a Abs. 5 KVG lückenhaft ist und deshalb in interkantonalen Verhältnissen zugunsten der Heim-standorte auszufüllen ist. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Erbengemeinschaft schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Streitig ist die interkantonale Zuständigkeit für die Restfinanzierung stationärer Pflegekosten. 2.2 Zweck des Bundesgesetzes vom 13. Juni 2008 über die Neuordnung der Pflegefinanzierung (AS 2009 3517 ff.) war es einerseits, die bisherige sozialpolitisch schwierige Situation vieler BGE 140 V 563 S. 566 pflegebedürftiger Personen zu entschärfen, zugleich aber eine zusätzliche Belastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu verhindern. Anderseits begrenzte der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen die von den Heimbewohnern zu leistenden Pflegekosten betragsmässig ( Art. 25a Abs. 5 KVG ) und erleichterte zugleich für bedürftige Heimbewohner die Bezahlung dieser Pflegekosten durch eine Erhöhung der Ergänzungsleistungen (vgl. die Revision von Art. 10 und 11 ELG [SR 831.30] durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung). Der verbleibende Betrag, der weder von der Krankenversicherung noch von den Bewohnern bezahlt wird, ist von der öffentlichen Hand (Kanton oder Gemeinden) zu übernehmen, was im Gesetz nicht klar gesagt, aber gemeint ist. Für die Regelung der Restfinanzierung sind die Kantone zuständig ( Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG ; BGE 138 V 377 E. 5.1 S. 381). Leistungserbringer sind - je nach kantonaler Regelung - Kantone oder Gemeinden, also Personen öffentlichen Rechts, die grundsätzlich nicht dem KVG unterstellt sind, zumal sie ihre Leistungen nicht zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen ( BGE 138 V 377 E. 5.2 S. 382). 3. 3.1 Die Vorinstanz erwog, Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG sei in dem Sinn auszulegen, dass sich der für die Restfinanzierung zuständige Kanton nach dem Wohnsitzprinzip bestimme. Mit der Zuständigkeit des aktuellen Wohnsitzkantons werde eine lückenlose Regelung der interkantonalen Zuständigkeit gewährleistet. Die Regelungskompetenz der Kantone beschränke sich auf den innerkantonalen Bereich. Kantonale oder kommunale Regelungen, die indirekt ein ausserkantonales Gemeinwesen für zuständig erklären, seien bei interkantonalen Sachverhalten nicht durchsetzbar. Der Kanton Obwalden sei somit für die Restkostenfinanzierung zuständig, sofern die Verstorbene ihren zivilrechtlichen Wohnsitz zur fraglichen Zeit in X. hatte. Es stehe fest und sei unbestritten, dass die Verstorbene sich seit dem 14. August 2009 im Alterszentrum D. in X. aufgehalten habe. Die konkreten Umstände (geringer Pflegebedarf, Nähe zum Wohnort der Tochter) legten nahe, dass die Wahl der Institution nach reiflicher Überlegung bewusst getroffen worden sei. Es könne deshalb angenommen werden, sie habe ihren Lebensabend in X. verbringen und dort ihren Lebensmittelpunkt begründen wollen, und zwar unabhängig davon, ob das Alterszentrum D. als Anstalt im Sinne von aArt. 26 ZGB gelte. Die Hinterlegung der Schriften habe BGE 140 V 563 S. 567 auf die Begründung des zivilrechtlichen Wohnsitzes keinen Einfluss. Damit sei die Einwohnergemeinde X. für die Restfinanzierung der Pflegekosten ab Januar 2011 zuständig. 3.2 Die Beschwerde führende Einwohnergemeinde rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, das kantonale Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das ATSG im vorinstanzlichen Verfahren anwendbar gewesen wäre. Art. 57 und 61 lit. a ATSG (SR 830.1) seien verletzt, da nicht eine einzige Instanz zum Zug gekommen und das Verfahren nicht kostenlos gewesen sei. Ihr dürften aus dieser Rechtsverletzung keine Kosten erwachsen. Mit Bezug auf die Zuständigkeit für die Restfinanzierung bringt sie hauptsächlich vor, Art. 25a Abs. 5 KVG regle die Zuständigkeit zur Restfinanzierung nicht. Es bestehe eine durch Richterrecht zu füllende Gesetzeslücke. Im interkantonalen Verhältnis sei aufgrund der Nähe zu den Ergänzungsleistungen die Zuständigkeit des Wohnsitzes vor Heimeintritt sachgerecht. Ein Splitting der Zuständigkeit führe zu unhaltbaren Situationen für alle Beteiligten und zu einer übermässigen Belastung der Heimstandorte. Schliesslich habe die Vorinstanz nicht gewürdigt, dass die Verstorbene ihre Schriften nicht verlegt und zuerst in Y. um Restfinanzierung ersucht habe, was ihre Verbundenheit mit diesem Ort zeige. 3.3 Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Vernehmlassung auf den Standpunkt, der Gesetzgeber habe bewusst auf eine Abweichung vom im Krankenversicherungsrecht geltenden Wohnsitzprinzip verzichtet. Bei einem qualifizierten Schweigen sei kein Platz für richterliche Lückenfüllung. Der bedürftigkeitsunabhängige Anspruch auf Restfinanzierung betreffe mehr Personen als die Ergänzungsleistungen. Unerwünschte Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit seien daher aus verfassungsrechtlichen Gründen zu minimieren. 3.4 Die Erbengemeinschaft bringt vor, es bestünden keine Hinweise, wonach der kantonale Gesetzgeber die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ATSG für anwendbar hätte erklären wollen. Die Rüge, es sei das falsche Verfahrensrecht angewendet worden, sei ohnehin verspätet. Jedenfalls dürften ihr selbst bei Massgeblichkeit des ATSG daraus keine Nachteile erwachsen. Sodann sei Art. 25a Abs. 5 KVG in dem Sinn zu verstehen, dass sich die Zuständigkeit für die Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten nach dem zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff bestimme, zumal Art. 1 Abs. 1 KVG die Restfinanzierung nicht vom Anwendungsbereich des ATSG ausnehme. Das kantonale Gericht habe den Wohnsitz korrekt bestimmt. BGE 140 V 563 S. 568 4. 4.1 Der Bundesgesetzgeber verzichtete darauf, das ATSG auf die Pflegefinanzierung explizit für anwendbar zu erklären. In BGE 138 V 377 E. 5.3 S. 382 liess das Bundesgericht offen, ob sich die den Kantonen in Art. 25a Abs. 5 KVG eingeräumte Regelungskompetenz auch auf das Verfahrensrecht erstreckt oder nur die Finanzierungsmodalitäten im engeren Sinn umfasst. Es erwog Folgendes: "Für die Anwendbarkeit des ATSG im Rahmen von Art. 25a Abs. 5 KVG sprechen mehrere überzeugende Gründe. Zunächst sind nach Art. 1 Abs. 1 KVG die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Unter den - allerdings nicht abschliessenden - Ausnahmen gemäss Art. 1 Abs. 2 KVG findet sich die Restfinanzierung der Pflegekosten nicht, zudem sieht das KVG diesbezüglich keine Abweichungen vom ATSG vor. Sodann sind keine Argumente ersichtlich (...), weshalb das Verfahrensrecht des ATSG für die Beurteilung von Ansprüchen nach Art. 25a Abs. 5 KVG nicht geeignet sein soll. Mit Blick auf die enge Verbindung der Ansprüche nach Art. 25a Abs. 5 KVG mit den Ergänzungsleistungen (EL), die sich verfahrensrechtlich nach dem ATSG richten, erscheint die Anwendbarkeit des ATSG vielmehr als sachgerecht: Nicht nur installierte das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung mit der Restfinanzierung der stationären Langzeitpflege einen den EL vorgelagerten Kostenträger (mit entsprechender Entlastung der Pflegebedürftigen sowie auch der EL) und erhöhte die Vermögensfreibeträge mit entsprechender Erweiterung des Kreises der EL-Anspruchsberechtigten. Auch und vor allem stellt sich die Frage nach der Restfinanzierung von Pflegeleistungen häufig dann, wenn Ansprüche auf Ergänzungsleistungen ebenfalls im Raum stehen (...). Für die (mutmasslich) Anspruchsberechtigten bedeutete es eine - vermeidbare - verfahrensrechtliche Erschwerung, wenn die beiden Ansprüche auf zwei unterschiedlichen Rechtswegen geltend zu machen wären." Entscheidend ist indes der Wille des kantonalen Gesetzgebers ( BGE 138 V 377 E. 5.2 S. 382). Wo dieser überhaupt keine Regelung erlassen hat, ist zu prüfen, ob er - in Übereinstimmung mit entsprechenden Empfehlungen des Vorstandes der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK; nachfolgende E. 5.1) - davon ausgegangen war, die Anwendung des ATSG sei selbstverständlich und es bestehe daher kein kantonaler Regelungsbedarf ( BGE 138 V 377 E. 5.6 S. 385). 4.2 Der Kanton Obwalden sah sich bei der Umsetzung der Neuregelung der Pflegefinanzierung nicht zu Anpassungen in der Gesetzgebung veranlasst. Mit Bezug auf die innerkantonale Zuständigkeit zur Beurteilung der hier in Frage stehenden BGE 140 V 563 S. 569 Restfinanzierungsstreitigkeiten fand zwischen dem (im Auftrag des Regierungsrates) instruierenden kantonalen Finanzdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden ein Meinungsaustausch statt. In seinem Beschluss vom 13. März 2012 erwog der Regierungsrat, das kantonale Recht enthalte zwar keine ausdrückliche Vorschrift, wonach sich der Rechtsschutz nach kantonalem Recht richte, doch lasse die Auslegung von Art. 25a KVG eine entsprechende Schlussfolgerung zu. Gemäss Art. 88 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Obwalden vom 19. Mai 1968 (GDB 101.0) könne gegen Beschlüsse des Gemeinderates binnen 20 Tagen eine Beschwerde beim Regierungsrat eingereicht werden. Zwar gäbe es auch Gründe für die Anwendbarkeit des ATSG. Das Verwaltungsgericht wäre indes letztlich - sei es im Anschluss an ein Einspracheverfahren vor dem Einwohnergemeinderat X. oder direkt - ohnehin zuständig. Ob das bisherige Verfahren zu Recht nach kantonalem Verfahrensrecht geführt wurde, kann bei der gegebenen Verfahrenskonstellation (integrale Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses vom 13. März 2012 durch die Vorinstanz; mithin, wie geltend gemacht, keine Kostenpflicht) offenbleiben (zur Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens vgl. Urteil 4A_364/2014 vom 18. September 2014 E. 1.2.1 mit Hinweisen). 5. Zu prüfen bleibt, ob das kantonale Gericht bundesrechtskonform die Beschwerdeführerin zur Übernahme der ungedeckten Pflegekosten (Restfinanzierung) verpflichtet hat. 5.1 Bundesrechtlich ist für die Vergütung von Kosten der Akut- und Übergangspflege im Anschluss an einen Spitalaufenthalt der "Wohnkanton" zuständig ( Art. 25a Abs. 2 KVG ). Die Restfinanzierung der übrigen ungedeckten Pflegekosten wurde, wie dargelegt (E. 2.2 hievor) "den Kantonen überlassen" ( Art. 25a Abs. 5 KVG ). Bislang fehlt eine nähere bundesrechtliche Regelung der Zuständigkeit zur Restfinanzierung ungedeckter, namentlich ausserkantonaler Pflegekosten. Auch den Materialien lässt sich nichts Erhellendes entnehmen. Insbesondere finden sich keine Hinweise zur Frage, ob an den Wohnsitz vor dem Heimeintritt anzuknüpfen ist, wie dies Art. 21 Abs. 1 ELG vorsieht ("Der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer anderen Anstalt [...] begründen keine neue Zuständigkeit") und was auch Art. 5 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, ZUG; SR 851.1) entspricht, wonach der Aufenthalt in BGE 140 V 563 S. 570 einem Heim, einem Spital oder einer anderen Einrichtung (...) keinen Unterstützungswohnsitz begründet, oder ob bei einem Wohnortwechsel der Standortkanton der Einrichtung für die Restkosten aufzukommen hat. In der parlamentarischen Debatte wurde nur festgehalten, die Restfinanzierung sei von den Kantonen "in eigener Regie zu regeln", und im KVG sei lediglich zu normieren, was von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden müsse (z.B. Votum Ständerätin Forster-Vanini AB 2007 S 777). Zwar ging der Vorstand der GDK in seinen am 22. Oktober 2009 verabschiedeten "Empfehlungen zur Umsetzung der Neuordnung der Pflegefinanzierung" von der selbstverständlichen Anwendbarkeit des ATSG aus und folglich auch von der Massgeblichkeit des Art. 13 Abs. 1 ATSG , welcher bezüglich der Wohnsitzbestimmung auf das ZGB verweist. Diese Empfehlungen wurden indes nicht in allen Kantonen umgesetzt (Bericht der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit [SGK-S] vom 28. Juli 2011, zur Umsetzung der Pflegefinanzierung, abrufbar unter www.parlament.ch ). Vielmehr wenden gemäss diesem Bericht 14 Kantone die Zuständigkeitsregelung nach Art. 21 ELG an (AG, AI, BE, BL, FR, GR, JU, NE, OW, SG, SO, TG, VD, ZG), und in zehn Kantonen gilt die Wohnsitzregelung nach Art. 13 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 23 ZGB (AR, BS, LU, NW, OW, SH SZ, TI, VS, ZH). Der Kanton Obwalden führt beide Zuständigkeitsregelungen an (vgl. erläuternder Bericht der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit [SGK-N] "Umsetzung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Pflegefinanzierung vom 13. Juni 2008 in den Kantonen" vom 13. August 2012; abrufbar unter www.parlament.ch ). 5.2 Sowohl die Finanzierungszuständigkeit des Standort- wie auch des Herkunftskantons weisen Vor- und Nachteile auf (vgl. betreffend die ähnliche Fragestellung im Bereich der Ergänzungsleistungen, BGE 138 V 23 E. 3.4.3 S. 29; MÖSCH PAYOT, Pflegekostenfinanzierung durch die Kantone nach Art. 25a Abs. 5 KVG , in: Zwischen Schutz und Selbstbestimmung, Rosch/Wider [Hrsg.], 2013, S. 245 f.). Für die Variante "Standortkanton" spricht beispielsweise die grundsätzliche fiskalische Äquivalenz, sofern die betreffende Person ihren Wohnsitz verlegt und somit jener Kanton für die Restkosten aufzukommen hat, in welchem auch die Steuerpflicht besteht. Diese Lösung gewährleistet zudem die Gleichbehandlung aller Bewohner und vermag den administrativen Aufwand zu verringern, weil ausschliesslich das Abrechnungssystem des eigenen Kantons zur Anwendung BGE 140 V 563 S. 571 gelangt. Allerdings fällt bei Personen, welche mit dem Heimeintritt einen neuen Wohnsitz begründet haben, die Zuständigkeit für die Ergänzungsleistungen (die grundsätzlich durch den Herkunftskanton ausgerichtet werden; vorangehende E. 5.1) und für die Restfinanzierung auseinander. Für die Lösung "Herkunftskanton" wird etwa die Analogie zur Normierung in Art. 21 Abs. 1 ELG oder der Sozialhilfe (vgl. Art. 5 ZUG ) angeführt (E. 5.1 hievor). Auch wird bei dieser Variante zum einen eine Benachteiligung jener Kantone verhindert, welche gemessen am eigenen Bedarf über ein überdurchschnittliches Pflegeplatzangebot verfügen. Zum andern werden Anreize für Kantone und Gemeinden vermieden, das Angebot (insbesondere für nicht vermögende Personen) möglichst knapp zu halten. Wird am ausserkantonalen Standort der Einrichtung ein Wohnsitz begründet, führt die Zuständigkeit des Herkunftskantons allerdings zu einer unter Umständen jahrelangen Finanzierungspflicht, obwohl die betreffende Person dort keine Steuern mehr entrichtet und auch sonst keine besondere Nähe mehr besteht. 5.3 Auf Bundesebene haben in den letzten Jahren zahlreiche parlamentarische Vorstösse die fehlende Zuständigkeitsregelung für die Restfinanzierung aufgegriffen. Namentlich die ungeregelte Zuständigkeit für die Restfinanzierung bei ausserkantonalen Heimaufenthalten wurde als grosser Mangel erkannt und ist Gegenstand einer derzeit hängigen parlamentarischen Initiative "Nachbesserung der Pflegefinanzierung" (Nr. 14.417; eingereicht von Ständerätin Egerszegi-Obrist am 21. März 2014) sowie eines Postulates "Klärung der Zuständigkeit für die Restfinanzierung bei ausserkantonalen Pflegeheimaufenthalten analog ELG" (Nr. 12.4099; eingereicht von Ständerätin Bruderer Wyss am 11. Dezember 2012). Dass eine - auch vom Bundesamt für Gesundheit den Kantonen empfohlene - einheitliche interkantonale Lösung (Konkordat) nicht gefunden werden konnte, sondern kantonal unterschiedliche Zuständigkeitsregeln geschaffen wurden, begünstigt negative Kompetenzkonflikte. Diese vereiteln den bundesrechtlichen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder Gemeinde; vgl. BGE 140 V 58 E. 4.1 S. 62 mit Hinweis) und können die Mobilität der Bewohnerinnen und Bewohner gefährden, indem diese dem Risiko ausgesetzt werden, bei einem ausserkantonalen Heimaufenthalt die Restkosten selbst tragen zu müssen. Die Initiative von Ständerätin Egerszegi-Obrist zielt denn auch darauf BGE 140 V 563 S. 572 ab, die Restfinanzierung von Pflegeleistungen für ausserkantonale Patientinnen und Patienten zu regeln und die Freizügigkeit unter anerkannten Leistungserbringern zu gewährleisten. Die parlamentarischen Kommissionen für Sicherheit und Gesundheit gaben ihr einstimmig Folge. Gegenwärtig wird ein Erlassentwurf ausgearbeitet. Bislang ging die SGK-S im erläuternden Bericht vom 28. Juli 2011 zur Umsetzung der Pflegefinanzierung (a.a.O.) wie auch im Bericht vom 17. Oktober 2013 zu einer Motion von Nationalrätin Leutenegger Oberholzer (Nr. 12.4181, "Niederlassungsfreiheit auch im Alter", vom 13. Dezember 2012) davon aus, es sei jener Kanton für die Restfinanzierung zuständig, "in welchem die anspruchsberechtigte Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat ( Art. 25a Abs. 5 KVG )". In Beantwortung einer Interpellation "Stärkung der ambulanten Pflege. Restfinanzierung" (Nr. 14.3638, eingereicht von Nationalrat Joder am 20. Juni 2014) stellte der Bundesrat am 27. August 2014 in Aussicht, auf Anfang 2015 einen Bericht vorzubereiten, der mögliche Wege zur Lösung des Problems der Restfinanzierung ausserkantonaler Pflegeheimaufenthalte aufzeigen solle, wobei das von Ständerätin Wyss Bruderer eingereichte Postulat (Nr. 12.4099) präzisiere, dass die Lösung analog zu jener im ELG sein müsse. Ob für die Zuständigkeit zur Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten dereinst eine wohnsitzunabhängige, mit dem Recht der Ergänzungsleistungen und der Sozialhilfe kongruente Lösung bestehen wird, mithin der zivilrechtliche Wohnsitz und die Zuständigkeit für die Restfinanzierung auseinanderfallen können (aber nicht müssen; vgl. BGE 138 V 23 E. 3.4.4 S. 30), oder ob der wohnsitzbegründende Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim zur Finanzierungszuständigkeit des Standortkantons führt, ist damit noch offen. 5.4 5.4.1 Die hier strittigen (Rest-)Kosten sind zwischen 1. Januar 2011 und dem Tod von A. am ... 2012 angefallen. Nachdem eine bundesgesetzliche Regelung bislang fehlt, ist bis auf Weiteres grundsätzlich auf die kantonale bzw. kommunale Rechtslage abzustellen. Schon vor Inkrafttreten der neuen Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 hatten sich im Kanton Obwalden die Gemeinden an den ungedeckten pflegebedingten Mehraufwendungen zu beteiligen (Art. 22 des kantonalen Gesundheitsgesetzes vom 20. Oktober 1991 [GDB 810. 1]). Regelungsbedarf bei der Umsetzung der Neuordnung der Pflegefinanzierung bestand folglich auf kommunaler Ebene. Konkret erliess die Einwohnergemeinde X. ein Reglement über die BGE 140 V 563 S. 573 Beteiligung an den Pflegekosten (vom 2. November 2010, in Kraft seit 1. Januar 2011), welches gemäss (Zweck-)Artikel 1 "die Beteiligung der Patienten und der Gemeinde an der Finanzierung der Pflegeleistungen bei Krankheit im Sinne von Art. 25a Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994" normiert. In Art. 3 lit. b wird bestimmt, dass "Patienten mit Wohnsitz in einem anderen Kanton [...] dem betreffenden Pflegeheim der Gemeinde X. vor Behandlungsbeginn eine Kostengutsprache ihres Wohnsitzkantons oder ihrer Wohnsitzgemeinde betreffend die Übernahme des Restfinanzierungsbeitrags einzureichen [haben]. Andernfalls hat das Pflegeheim die Aufnahme zu verweigern." Diese Regel, welche für alle Fälle der Restfinanzierung gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG gilt (Art. 1 Reglement), entspricht inhaltlich der bundesgesetzlichen Normierung im Bereich der Ergänzungsleistungen ( Art. 21 ELG ; vorangehende E. 5.1). Eine solche Klausel (auch "Modell ELG" genannt; vgl. die erwähnte parlamentarische Initiative Nr. 14.417, eingereicht von Ständerätin Egerszegi-Obrist) soll die Benachteiligung der Standortgemeinde verhindern, welche ohne die Leistungszusicherung der Herkunftsgemeinde oder des Herkunftskantons für die Restfinanzierung all jener Bewohner aufkommen müsste, die ihren Wohnsitz an den Ort der Einrichtung verlegt haben. Eine ähnliche Regelung findet sich zwar auch in Art. 41 KVG , welcher die Wahl des Leistungserbringers bei Spitalaufenthalten regelt. Anders als bei der Spitalbehandlung wird im Bereich der Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten durch eine solche Voraussetzung indes die freie Wohnsitzwahl im Alter und folglich die - für alle Altersgruppen gleichermassen geltende - verfassungsmässige Niederlassungsfreiheit ( Art. 24 BV ) eingeschränkt (vgl. auch erläuternder Bericht der SGK-N vom 3. Oktober 2013, S. 15; abrufbar unter www.parlament.ch ). Unabhängig davon, ob eine der grundsätzlichen Zuständigkeitsperpetuierung gemäss Art. 21 ELG nachempfundene Regelung im Bereich der Restfinanzierung gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG sachgerecht wäre, kann eine entsprechende Voraussetzung jedenfalls nicht (nur) in einem kantonalen oder kommunalen Erlass verankert sein. Sie bedürfte vielmehr einer bundesrechtlichen, für die ganze Schweiz gültigen Normierung, da bei kantonsübergreifenden Sachverhalten nicht ein Kanton oder eine Gemeinde über die Finanzierungszuständigkeit eines anderen (ausserkantonalen) Gemeinwesens befinden kann (hiezu auch MÖSCH PAYOT, a.a.O., S. 246). Eine BGE 140 V 563 S. 574 interkantonal gültige Finanzierungszuständigkeit gemäss dem "Modell ELG" setzt somit ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers voraus. Ein solches ist derzeit erst im Tun, weshalb bis auf Weiteres zumindest im interkantonalen Verhältnis die Finanzierungszuständigkeit nach dem Wohnsitzprinzip zu bestimmen ist ( Art. 1 KVG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 ATSG ; Art. 23 ZGB ). 5.4.2 Das Reglement der Beschwerdeführerin, welches die Aufnahme in eine eigene Institution von der Kostengutsprache des Herkunftskantons abhängig macht (Art. 3 lit. b Reglement), war beim Eintritt von A. sel. in das Alterszentrum D. noch nicht in Kraft. Der Heimeintritt im August 2009 erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich die Frage nach einer Kostengutsprache der Herkunftsgemeinde noch gar nicht stellte. Nach Inkrafttreten der neuen Pflegefinanzierung blieb A. sel. im Alterszentrum in X. Eine Rückkehr in den Kanton Nidwalden stand für sie offenbar auch im Zuge des Nichteintretensentscheids der Beschwerdeführerin vom 4. April 2011 nicht zur Diskussion. Selbst wenn das kommunale Reglement Übergangsbestimmungen enthielte (was nicht zutrifft), vermöchten diese nichts daran zu ändern, dass die kantonale wie auch die kommunale Legiferierungskompetenz nicht über die Kantonsgrenze hinausgehen können (E. 5.4.1 hievor). Nachdem die Finanzierungszuständigkeit bei der Wohnsitzgemeinde liegt, hat das kantonale Gericht zu Recht erwogen, die Beschwerdeführerin sei für die Restfinanzierung der ungedeckten Pflegekosten zuständig, sofern A. ihren Wohnsitz nach X. verlegt habe.
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Sachverhalt ab Seite 314 BGE 128 III 314 S. 314 Die Ehegatten E. schlossen im Jahre 1974 einen Ehevertrag und sahen darin unter anderem vor, dass dem Ehemann kein Vorschlag zukommen soll, falls seine Ehefrau vor ihm verstirbt. Sie unterstellten ihre Rechtsverhältnisse durch gemeinsame Erklärung dem neuen ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Letztwillig setzte die Ehefrau den gemeinsamen Sohn B. als Alleinerben ein und verstarb. Fünf Jahre später starb auch der Ehemann. Er hinterliess als gesetzliche Erben seinen Sohn B. sowie die Tochter K. aus einer ersten geschiedenen Ehe. Gemäss letztwilligen Verfügungen BGE 128 III 314 S. 315 sollte die Tochter 3/8 und der Sohn 5/8 des Nachlasses erhalten. Im Rahmen des von ihr eingeleiteten Erbteilungsprozesses focht K. die ehevertragliche Vorschlagszuweisung an und verlangte deren Herabsetzung. Auf ihre Berufung hin stellte das kantonale Obergericht fest, dass sich K. in der Auseinandersetzung um den Nachlass des Vaters der Parteien hinsichtlich des Ehevertrags auf Art. 527 Ziff. 4 ZGB berufen könne. Das Bundesgericht weist die von B. erhobene Berufung ab, soweit darauf eingetreten werden kann.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beklagte bestreitet die Anwendbarkeit von Art. 527 ZGB mit der Begründung, im Zeitpunkt des Versterbens der zweiten Ehefrau des Pflichtteilsbelasteten könne Art. 527 ZGB mangels Todesfalls des Pflichtteilsbelasteten nicht zur Anwendung kommen und im Zeitpunkt des Versterbens des Pflichtteilsbelasteten sei die Vermögensverschiebung auf den Beklagten auf Grund der testamentarischen Zuweisungen der zweiten Ehefrau erfolgt und nicht gestützt auf den im vorherigen Prozess angefochtenen Ehevertrag aus dem Jahre 1974. Dementsprechend könne die Klägerin gegenüber dem Beklagten Art. 527 Ziff. 4 ZGB nicht zur Anwendung bringen. Letzterer habe die Zuwendung nicht aus dem von der Klägerin angefochtenen Ehevertrag erhalten, sondern aus dem Vermögen seiner Mutter, d.h. der zweiten Ehefrau des Pflichtteilsbelasteten. Ferner liege keine "Entäusserung von Vermögenswerten" im Sinne von Art. 527 Ziff. 4 ZGB vor. Die beiden Fragen, welches Rechtsgeschäft den Pflichtteilsanspruch der Klägerin verletzt haben könnte und wer passivlegitimiert ist im Herabsetzungsprozess, sind voneinander zu unterscheiden. Die Klägerin steht mit der zweiten Ehefrau ihres Vaters in keiner pflichtteilsrelevanten Beziehung (vgl. Art. 470 f. ZGB). Ihr Testament kann den Pflichtteilsanspruch der Klägerin deshalb nicht beeinträchtigen; hierfür in Frage kommt allein die Vorschlagszuweisung gemäss Ehevertrag zwischen dem Erblasser und seiner zweiten Ehefrau. Dass der Vorschlag ganz dem einen Ehegatten oder seinen Erben zugewiesen werden darf, war bereits im Güterverbindungsrecht, unter dessen Herrschaft der vorliegende Ehevertrag abgeschlossen worden war, von Rechtsprechung und überwiegender Lehre anerkannt (vgl. die Nachweise bei LEMP, Berner Kommentar, N. 76 zu aArt. 214 ZGB). Da die ehevertragliche Bedingung BGE 128 III 314 S. 316 für diese Vorschlagszuweisung auf den Tod der Ehefrau lautet, hat der Vater der Parteien der Sache nach zu Gunsten der Erben seiner zweiten Ehefrau auf den Vorschlagsanteil verzichtet und damit möglicherweise den Pflichtteilsanspruch der nur ihn beerbenden Klägerin beeinträchtigt. Grundlage ihres Herabsetzungsanspruchs kann insoweit ausschliesslich die ehevertragliche Vorschlagszuweisung und nicht das Testament der zweiten Ehefrau des Erblassers bilden. Dieses Testament hat indessen Bedeutung für die Passivlegitimation im Herabsetzungsprozess. Denn im Ehevertrag werden die begünstigten Erben der zweiten Ehefrau nicht näher bezeichnet und damit - implizit - deren letztwillige Verfügungen vorbehalten. Erst ihre testamentarische Erbeinsetzung verschafft dem Beklagten den ganzen ehelichen Vorschlag und macht ihn zum Empfänger einer Zuwendung, die im Herabsetzungsprozess seine Passivlegitimation begründet (vgl. etwa FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, N. 7 der Vorbem. zu Art. 522-533 ZGB ). Die allfällige Pflichtteilsverletzung ist durch Herabsetzungsklage zu beseitigen. Der hier strittige Herabsetzungsgrund gemäss Art. 527 Ziff. 4 ZGB setzt "die Entäusserung von Vermögenswerten" in der Absicht voraus, den Pflichtteil zu umgehen. Es muss sich um eine Verfügung unter Lebenden handeln (Randtitel zu Art. 527 ZGB ), d.h. die Entäusserung muss zu Lebzeiten des nachmaligen Erblassers erfolgen. Es spielt deshalb keine Rolle, ob im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags die Vermögensentäusserung stattgefunden hat oder später, so lange sie vor dem Tod des Erblassers erfolgt ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Der Vater der Parteien hat seine zweite Ehefrau überlebt; bei deren Tod (scil. der Auflösung des Güterstandes, Art. 204 Abs. 1 ZGB ) hätte er seinen - zuvor schon als Anwartschaft bestehenden - Anspruch auf den Vorschlagsanteil geltend machen können ( BGE 102 II 313 E. 4a Abs. 2 S. 322 f.; vgl. etwa die Berner Kommentatoren: LEMP, N. 6 und N. 10 zu aArt. 214 ZGB, und HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 39 zu Art. 216 ZGB , a.E.), so dass im gleichen Zeitpunkt sein ehevertraglich erklärter Verzicht auf den Vorschlag wirksam geworden ist. Dass der Verzicht des nachmaligen Erblassers auf einen ihm zustehenden und durchsetzbaren Anspruch eine "Entäusserung von Vermögenswerten" im Gesetzessinne darstellt, kann nicht ernsthaft bestritten werden (statt vieler: PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/1, Basel 1978, § 63/I/C S. 444, mit den Beispielen: auf eine Dienstbarkeit verzichten, eine Forderung verjähren lassen usw.). BGE 128 III 314 S. 317 4. Eine Herabsetzung nach Art. 527 Ziff. 4 ZGB setzt die Entäusserung von Vermögenswerten voraus, "die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat." Erforderlich ist beim Erblasser das Bewusstsein, dass seine Zuwendung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die verfügbare Quote überschreitet; dabei genügt es, dass der Erblasser eine Pflichtteilsverletzung in Kauf nimmt. Massgebend für die Beurteilung dieser Umgehungsabsicht ist der Zeitpunkt der Verfügung unter Berücksichtigung des damaligen Vermögensstandes und des Wertes der Zuwendung; zumindest eine Eventualabsicht kann sich insoweit aus jenen Vermögensverhältnissen ergeben, wenn der Erblasser - wie hier - in einem Zeitpunkt verfügt, in dem er bereits pflichtteilsberechtigte Nachkommen hat und deren Benachteiligung für möglich halten muss (z.B. BGE 45 II 371 E. 4 S. 379; BGE 50 II 450 E. 3 S. 454 ff.; BGE 110 II 228 , nicht veröffentlichte E. 5; vgl. etwa PIOTET, a.a.O., § 63/I/B S. 443 f.; FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 11 zu Art. 527 ZGB ). Diese Auslegung stellt der Beklagte nicht grundsätzlich in Frage. Er macht vielmehr geltend, die Klägerin habe ihren auf Art. 527 Ziff. 4 ZGB gestützten Herabsetzungsanspruch mit Bezug auf die Umgehungsabsicht des Erblassers nicht ausreichend substantiiert. Soweit die Rüge überhaupt zulässig ist, ist sie unbegründet. Wie der Beklagte selber einräumt, hat die Klägerin im Behauptungsstadium mehrfach auf eine Umgehungsabsicht des Erblassers hingewiesen. Entgegen seiner Darstellung hat es sich dabei nicht um Rundumschläge oder Pauschalbehauptungen gehandelt. Die Klägerin ist vielmehr in ihrem Sachvortrag unter anderem - nach dem soeben Gesagten zutreffend - davon ausgegangen, die Vermögensverhältnisse des Erblassers könnten bestätigen, dass Benachteiligungsabsichten im Sinne von Art. 527 Ziff. 4 ZGB vorgelegen hätten. Sie hat damit ausreichend konkretisierte Tatsachenbehauptungen aufgestellt und diese überdies mit Beweisanträgen unterstützt. Der Beklagte übergeht zudem stillschweigend, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch er selber die Einholung von Gutachten betreffend die Vermögensmassen des Erblassers und dessen zweiter Ehefrau verlangt hat. Inwiefern die Klägerin ihrer Substantiierungslast nicht nachgekommen sein könnte, ist in Anbetracht dieser Verfahrenslage nicht nachvollziehbar. Der Berufung muss auch in diesem Punkt gesamthaft der Erfolg versagt bleiben.
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Sachverhalt ab Seite 150 BGE 103 II 149 S. 150 A.- Die Erben Muheim verpachteten Mosimann am 31. Mai 1967 für die Zeit vom 1. März 1968 bis 1. März 1974 ein in Balliswil liegendes landwirtschaftliches Gewerbe von 136 Jucharten Land und Gebäuden. Ziffer 3 des Vertrages bestimmte, wenn keine Partei diesen spätestens sechs Monate vor dem Ablauf der Pachtzeit schriftlich kündige, gelte er stillschweigend für weitere drei Jahre zu den gleichen Bedingungen erneuert. Ziffer 4 setzte den jährlichen Pachtzins auf Fr. 150.-- je Jucharte fest. Am 23. August 1967 genehmigte die kantonale Behörde für Grundstückverkehr den Pachtvertrag "hinsichtlich Höhe des Pachtzinses und Pachtdauer". Durch einen Anhang Nr. 2 vom 27. August 1973 änderten die Vertragsparteien Ziffer 4 des Pachtvertrages vom 31. Mai 1967 mit Wirkung ab 1. März 1974 dahin ab, dass der jährliche Pachtzins auf Fr. 165.-- je Jucharte, also auf insgesamt Fr. 22'440.--, festgesetzt wurde. Die kantonale Behörde für Grundstückverkehr brachte am 5. September 1973 auf diesem Anhang den Vermerk an: "Anhang zum Pachtvertrag hinsichtlich Höhe des Pachtzinses und Pachtdauer durch die kant. Behörde für Grundstückverkehr genehmigt". Durch Erbteilung vom 24. Dezember 1974 übernahm Jean-Marc Muheim die verpachtete Liegenschaft zu Alleineigentum. Am 14. Februar 1974 bestätigte er dem Pächter eine mündliche Vereinbarung, wonach der Pachtzins je Jucharte vom 1. März 1974 an nicht Fr. 165.--, sondern nur Fr. 157.50 betrage. Am 26. Februar 1975 kündigte Jean-Marc Muheim das Pachtverhältnis auf den 1. März 1977 mit der Begründung, er wolle das Gut selber bewirtschaften. Mit Schreiben vom 14. Mai 1976 teilte er dem Pächter mit, er sei nicht gewillt, das Vertragsverhältnis über den 1. März 1977 hinaus zu erstrecken. Mosimann wandte sich an die kantonale Behörde für Grundstückverkehr. Diese ergänzte um den 16. Juni 1976 herum auf seinem Exemplar des Anhanges Nr. 2 zum Pachtvertrag den Genehmigungsvermerk vom 5. September 1973 durch die Worte "avec validité pour la période du 1er mars 1974 au 28 février 1980". Am 16. Juni 1976 schrieb sie Mosimann, sie präzisiere, dass dieser Anhang einen neuen Pachtvertrag darstelle, der für sechs Jahre gelte, weil im Anhang hinsichtlich Erneuerung nichts bestimmt worden sei. BGE 103 II 149 S. 151 Unter Berufung auf dieses Schreiben stellte sich Mosimann am 20. Juni 1976 gegenüber Muheim auf den Standpunkt, der Vertrag könne erst auf den 1. März 1980 gekündigt werden. B.- Muheim klagte gegen Mosimann mit dem Begehren, dieser habe die gepachtete Liegenschaft spätestens auf 1. März 1977 zu verlassen. Das Bezirksgericht der Sense wies die Klage entsprechend dem Antrag des Beklagten ab. Das Kantonsgericht des Staates Freiburg hob dieses Urteil auf Appellation des Klägers hin am 21. März 1977 auf, erklärte den Pachtvertrag auf 1. März 1977 als beendet und verpflichtete den Beklagten, die Liegenschaft sofort zu verlassen. C.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das Urteil des Kantonsgerichts.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Es ist unbestritten, dass die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke, die Gegenstand des vorliegenden Pachtverhältnisses sind, den Art. 23 ff. des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) unterstehen, die am 6. Oktober 1972 mit Wirkung ab 15. Februar 1973 revidiert wurden (AS 1973 S. 93). Darnach beträgt die Pachtzeit mindestens sechs Jahre (rev. Art. 23 Abs. 1) und bedarf die Vereinbarung einer kürzeren Dauer zu ihrer Gültigkeit der behördlichen Bewilligung (rev. Art. 23 Abs. 2). Pachtverhältnisse, die nach Ablauf der vereinbarten Pachtzeit stillschweigend fortgesetzt oder auf den vertraglich vereinbarten, gesetzlich zulässigen Termin nicht gekündigt werden, sind zu den gleichen Bedingungen für drei Jahre erneuert (rev. Art. 24 Abs. 1). Die Vereinbarung einer Erneuerung für weniger als drei Jahre bedarf zu ihrer Gültigkeit der behördlichen Bewilligung (rev. Art. 24 Abs. 2). Die Kündigungsfrist für ganze landwirtschaftliche Gewerbe, wie hier eines vorliegt, beträgt ein Jahr (Art. 24bis). Der Pächter kann auf die Rechte, die ihm aus diesen Bestimmungen zustehen, nicht zum voraus verzichten (Art. 24sexies). Indem der Kläger am 26. Februar 1975 die Pacht auf den 1. März 1977 kündigte, handelte er diesen Vorschriften nicht zuwider. Der Vertrag war für sechs Jahre abgeschlossen. Diese BGE 103 II 149 S. 152 liefen am 1. März 1974 ab. Eine Kündigung hätte gemäss Art. 24bis EGG vor dem 1. März 1973 erfolgen müssen, unterblieb jedoch, weshalb sich das Verhältnis unverändert für drei Jahre, d.h. bis zum 1. März 1977 erneuerte. Dieser Kündigungstermin und die einjährige gesetzliche Kündigungsfrist wurden durch die Erklärung vom 26. Februar 1975 nicht missachtet. Der Beklagte behauptet das auch nicht, sondern macht nur geltend, durch die am 27. August 1973 vereinbarte Pachtzinserhöhung sei ein neuer Pachtvertrag zustande gekommen, der von Gesetzes wegen sechs Jahre dauern müsse. Er sieht in der gegenteiligen Auffassung des Kantonsgerichts eine Verletzung der Art. 1, 2 und 275 OR sowie der Art. 23 und 24 EGG . 3. Vorab ist zur Auffassung Stellung zu nehmen, die Art. 23 und 24 EGG seien verletzt, weil "durch die unter den Parteien vereinbarte Pachtzinserhöhung die Pachtdauer von den ursprünglich zulässigen drei Jahren von Gesetzes wegen und zwingend auf sechs Jahre erhöht worden sei". a) Der Beklagte macht geltend, Art. 23 EGG beschränke die gesetzliche Mindestdauer nicht auf erstmalige Verpachtungen, sondern auf alle neuen Pachtverträge. Ob dies zutrifft, kann offen bleiben. Denn jedenfalls wäre damit nicht entschieden, dass jede vertragliche Abänderung einer Bedingung das alte Pachtverhältnis vernichte und einen neuen Pachtvertrag entstehen lasse. Art. 23 EGG bestimmt ohne jegliche Bezugnahme auf den Inhalt des Pachtvertrages, die Pachtzeit betrage mindestens sechs Jahre und die Vereinbarung einer kürzeren Pachtzeit sei bewilligungspflichtig. Diese Vorschrift verlangt bloss eine Mindestpachtzeit. Sie wurde erlassen, um eine gute und rationelle Bewirtschaftung der Pachtsache zu erlauben (Botschaft vom 30. Dezember 1947, BBl 1948 I 60). Sie will dem Pächter ermöglichen, mit dem Pachtgut vertraut zu werden, für einen nachhaltigen Ertrag zu sorgen und für seine Investitionen einen mehrjährigen Nutzen zu erhalten (Botschaft vom 29. April 1970, BBl 1970 I 822). Es liegt ihr dagegen fern, Gewähr für unveränderte Pachtbedingungen zu leisten. Auch befasst sich weder Art. 23 noch eine andere Bestimmung des EGG mit den Fragen, unter welchen Voraussetzungen ein Pachtvertrag zustande komme, durch Vereinbarung aufgehoben oder durch einen neuen ersetzt werde. Das EGG schreibt insbesondere BGE 103 II 149 S. 153 nicht vor, Vereinbarungen über die Erhöhung oder Herabsetzung des Pachtzinses hätten als Abschluss einer neuen Pacht zu gelten mit der Folge, dass das Verhältnis vom Zeitpunkt der Änderung des Zinses an mindestens wiederum sechs Jahre dauern müsse. Es nimmt zur Höhe des Pachtzinses und zu dessen vertraglichen Abänderung überhaupt nicht Stellung (BBl 1948 I 59). b) Diese Materie ist im Bundesgesetz vom 21. Dezember 1960 über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse geregelt (SR 942.10). Der Beklagte bringt mit Recht nicht vor, dieses Gesetz bestimme, wie lange eine Pacht zu dauern habe und unter welchen Voraussetzungen die im EGG vorgesehene Mindestdauer von sechs Jahren neu beginne. Er versucht nur, aus dessen Art. 2 Abs. 1 lit. b einen Analogieschluss zu ziehen. Diese Bestimmung verpflichtet die Parteien, den Pachtzins behördlich bewilligen zu lassen, wenn ein durch Art. 1 erfasstes Objekt nach dem 31. Dezember 1960 erstmals verpachtet wird, und enthält anschliessend daran den Satz: "Eine erstmalige Verpachtung im Sinne dieser Bestimmung liegt auch dann vor, wenn der Umfang, die Art oder die Zusammensetzung des Pachtgegenstandes oder die Pflichten und Rechte des Pächters geändert werden." Solche Änderungen werden hier einer "erstmaligen Verpachtung" gleichgestellt, weil sie die Angemessenheit des Pachtzinses in Frage stellen. Die Behörde muss diesen neu überprüfen und die Bewilligung erneut aussprechen oder verweigern können. Mehr darf aus dem erwähnten Satz nicht abgeleitet werden. Es liegt ihm fern, die Abänderung einzelner Vertragsbestimmungen in jeder Hinsicht der erstmaligen Eingehung eines Pachtverhältnisses gleichsetzen zu wollen. Gleichsetzung im Hinblick auf Art. 23 EGG ist auch nicht durch Analogieschluss zulässig. Die sechsjährige Mindestdauer der Pacht ist gesetzlich festgelegt. Sie bedarf keiner behördlichen Bewilligung und hängt nicht vom Inhalt des Vertrages ab, namentlich auch nicht von der Höhe des Pachtzinses. Die Abänderung vertraglicher Bestimmungen, besonders des Zinses, kann sie daher nicht beeinflussen. c) Der Beklagte meint, gemäss Art. 24 Abs. 1 EGG gelte ein Pachtverhältnis nur dann als für die Mindestdauer von drei Jahren erneuert, wenn die Erneuerung "zu den gleichen Bedingungen" erfolge; deshalb setze die Abänderung von BGE 103 II 149 S. 154 Bedingungen eine neue Mindestdauer von sechs Jahren in Gang. Art. 24 Abs. 1 EGG befasst sich nur mit der Pachterneuerung durch stillschweigende Fortsetzung des Verhältnisses, besonders durch Unterlassung der Kündigung. Er bestimmt, dass diese Art der Erneuerung für drei Jahre wirke. Dabei spricht er von Erneuerung "zu den gleichen Bedingungen". Diese Wendung dürfte überflüssig sein, weil die Änderung der Bedingungen nicht die Folge einer stillschweigenden Fortsetzung des Verhältnisses, besonders einer Unterlassung der Kündigung, sein kann, sondern eine Vereinbarung voraussetzt. Sei dem wie ihm wolle, die erwähnte Wendung hat jedenfalls nicht den Sinn, ein Pachtverhältnis dürfe nur zu den bisherigen Bedingungen erneuert werden, ansonst eine neue Pacht vorliege und eine sechsjährige Mindestdauer zu laufen beginne. Art. 24 Abs. 1 EGG regelt eine anders als stillschweigend erfolgende Erneuerung überhaupt nicht. Ausdrückliche Erneuerungen können unter Art. 24 Abs. 2 oder 3 EGG fallen, doch lassen auch diese Vorschriften den Schluss, den der Beklagte aus Abs. 1 zieht, offensichtlich nicht zu; sie bestimmen nur, Erneuerungen für weniger als drei Jahre seien bewilligungspflichtig und die Bewilligung wirke nicht auch für weitere Erneuerungen. 4. Der Beklagte sieht in der Pachtzinserhöhung vom 27. August 1973 den Abschluss eines neuen Pachtvertrages, weil der Pachtzins gemäss Art. 2 und 275 OR zum Wesen eines Pachtvertrages gehöre. Dieses Argument taugt nicht. Gewiss ist der Pachtzins ein objektiv wesentlicher Punkt der Pacht (essentiale negotii). Das bedeutet aber nur, dass kein Pachtvertrag vorliegt, wenn die Parteien sich nicht über einen (bestimmten oder bestimmbaren) Pachtzins geeinigt haben. Dass jedesmal dann, wenn die Parteien übereinkommen, den Pachtzins abzuändern, ein neuer Pachtvertrag vorliege, darf daraus nicht geschlossen werden. Art. 2 OR bestimmt das schon deshalb nicht, weil er sich nur mit der Frage befasst, welche Folgen es habe, wenn die Parteien sich nur über die wesentlichen Punkte einigen und die Nebenpunkte vorbehalten. Im übrigen ist unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung und auch des Art. 275 OR die Höhe des Pachtzinses vollständig unerheblich; wesentliche Voraussetzung einer Pacht ist nur, dass überhaupt ein Pachtzins BGE 103 II 149 S. 155 vereinbart sei. Ob die vertragliche Abänderung des Pachtzinses zur Folge habe, dass eine neue gesetzliche Mindestdauer der Pacht von sechs Jahren in Gang komme, ergibt sich nicht aus den Bestimmungen des OR, sondern ist ausschliesslich eine Frage der Auslegung der Art. 23 ff. EGG . 6. Aus dem Umstande, dass die kantonale Behörde für Grundstückverkehr um den 16. Juni 1976 herum auf einem Exemplar des Anhanges Nr. 2 zum Pachtvertrag den Genehmigungsvermerk durch die Worte ergänzte, er gelte für die Zeit vom 1. März 1974 bis zum 28. Februar 1980, leitet die Berufung mit Recht nichts ab. Es stand dieser Behörde nur zu, die Pachtzinserhöhung zu bewilligen, nicht auch darüber zu entscheiden, ob und inwiefern diese die Dauer des Pachtvertrages beeinflusse. Die Dauer des Pachtvertrages bedarf nur unter den hier nicht zutreffenden Voraussetzungen der Art. 23 Abs. 2 und 24 Abs. 2 EGG einer Bewilligung. In allen anderen Fällen hat im Streitfalle allein der Richter zu entscheiden, wann die Pacht zu Ende geht.
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Sachverhalt ab Seite 95 BGE 128 V 95 S. 95 A.- Die 1991 geborene K. leidet seit ihrer Geburt an einem Strabismus convergens (congenitales Schielsyndrom) sowie an stark vermindertem Sehvermögen beidseits und einer psychomotorischen Retardation. Seit frühester Kindheit hat die Invalidenversicherung deswegen medizinische Massnahmen gewährt, Kostengutsprachen für diverse Hilfsmittel geleistet und ab 1. September 1998 einen Pflegebeitrag für leichte Hilflosigkeit zugesprochen. Mit Verfügung vom 7. Oktober 1999 lehnte die IV-Stelle Bern ein Gesuch um Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Lektion Psychomotorik-Therapie ab 1. August 1998 ab. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 22. Mai 2000 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Vater von K. wiederum die Übernahme der Psychomotorik-Therapie durch die Invalidenversicherung beantragen. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. D.- Am 29. April 2002 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) An die Sonderschulung bildungsfähiger Versicherter, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben und denen infolge Invalidität der Besuch der Volksschule nicht möglich oder nicht BGE 128 V 95 S. 96 zumutbar ist, werden Beiträge gewährt ( Art. 19 Abs. 1 Satz 1 IVG ). Die Beiträge umfassen u.a. besondere Entschädigungen für zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendige Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art, wie Sprachheilbehandlung für schwer Sprachgebrechliche, Hörtraining und Ableseunterricht für Gehörgeschädigte sowie Sondergymnastik zur Förderung gestörter Motorik für Sinnesbehinderte und hochgradig geistig Behinderte ( Art. 19 Abs. 2 lit. c IVG ). Gemäss Art. 19 Abs. 3 IVG bezeichnet der Bundesrat im Einzelnen die gemäss Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Beiträgen und setzt deren Höhe fest (Satz 1). Er erlässt Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen (Satz 2). b) Im Rahmen dieser formellgesetzlichen Ausgangslage, namentlich gestützt auf die Rechtsetzungsdelegation in Art. 19 Abs. 3 IVG , hat der Bundesrat in Art. 8 ff. IVV Vorschriften über Massnahmen für die Sonderschulung aufgestellt. In der hier massgebenden Fassung vom 25. November 1996, in Kraft seit 1. Januar 1997, differenziert er dabei zwischen I. Sonderschulunterricht, II. Massnahmen zur Ermöglichung des Volksschulbesuches und III. Massnahmen zur Vorbereitung auf den Sonder- und Volksschulunterricht, wobei überall eine Entschädigung für Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art vorgesehen ist. So umfassen die von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Kosten für Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art, die zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 8ter IVV unter bestimmten Voraussetzungen Sprachheilbehandlung, Hörtraining und Ableseunterricht, Massnahmen zum Spracherwerb und Sprachaufbau sowie - für geistig behinderte, blinde und sehbehinderte sowie gehörlose und hörbehinderte Versicherte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. a-c IVV - Sondergymnastik zur Förderung gestörter Motorik. Demgegenüber beinhalten die von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Kosten für die Durchführung pädagogisch-therapeutischer Massnahmen, die für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 9 IVV Sprachheilbehandlung für sprachbehinderte Versicherte mit schweren Sprachstörungen im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. e IVV sowie Hörtraining und Ableseunterricht für gehörlose und hörbehinderte Versicherte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 lit. c IVV . Dementsprechend sind auch die pädagogisch-therapeutischen BGE 128 V 95 S. 97 Massnahmen, die im vorschulpflichtigen Alter zur Vorbereitung auf den Sonder- und Volksschulunterricht notwendig sind, gemäss Art. 10 IVV auf diese zwei Kategorien sowie zusätzlich auf heilpädagogische Früherziehung beschränkt. 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Invalidenversicherung die Kosten für die Psychomotorik-Therapie als pädagogisch-therapeutische Massnahme zu übernehmen hat. Unbestritten und aktenkundig ist dabei, dass die Versicherte an einer für die Sonderschulung grundsätzlich vorausgesetzten schweren Sehbehinderung nach Art. 8 Abs. 4 lit. b IVV leidet, jedoch zumindest im für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung ( BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) die Volksschule besuchte. 3. a) Die Vorinstanz begründete die Ablehnung der Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Lektion Psychomotorik-Therapie durch die Invalidenversicherung damit, dass diese Therapie in der abschliessenden Aufzählung der von der Invalidenversicherung zu übernehmenden, für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendigen Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art in Art. 9 Abs. 2 IVV nicht enthalten ist, welcher sich auf eine gesetzliche Grundlage abstütze. Im Weiteren legte das kantonale Gericht dar, dass die unterschiedliche Regelung der Übernahme pädagogisch-therapeutischer Massnahmen eine Folge der mit der Revision klarer geregelten subventionsrechtlichen Zuständigkeiten betreffend Sonder- und Volksschule sei, indem die Invalidenversicherung für die Sonderschulung sowie die sie ergänzenden pädagogisch-therapeutischen Massnahmen, die Kantone dagegen für den Unterricht an der Volksschule und damit grundsätzlich auch für die ihn ermöglichenden Massnahmen aufzukommen haben. Das Recht der versicherten Person auf die durch die Invalidenversicherung garantierten Leistungen sei nicht eingeschränkt und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes liege nicht vor. b) Die Beschwerdeführerin rügt eine Gesetz- und Verfassungswidrigkeit durch die unterschiedliche Behandlung von Kindern, welche die Sonderschule absolvieren und solchen, die mit Hilfe des ambulanten Dienstes einer Sonderschule "integrativ" die Regelschule besuchen. Der Verordnungsgeber sei trotz des ihm eingeräumten Ermessens an die verfassungsmässigen Grundsätze der Rechtsgleichheit und des Willkürverbotes gebunden. Es bestünden keine sachlichen Gründe, schwer sehbehinderte Kinder, welche einer psychomotorischen Therapie bedürften, anders zu behandeln je BGE 128 V 95 S. 98 nachdem, ob sie die Sonder- oder die Volksschule besuchen, wohingegen sprach- oder hörbehinderte Kinder die Massnahme sowohl in der Sonder- wie auch in der Volksschule erhielten. Der Volksschulbereich sei sodann bei der Verordnungsänderung nicht generell den Kantonen zugewiesen worden. An der Ungleichbehandlung ändere auch der von der Vorinstanz angerufene Art. 12 IVV nichts, erlaube er der Invalidenversicherung eine Delegation der Leistungspflicht mit Abgeltung an die Kantone doch nur in denjenigen Bereichen, in welchen sie gestützt auf Art. 9 IVV als leistungspflichtig bezeichnet worden ist. 4. a) Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt hat, treten die in Art. 8ter IVV aufgeführten pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zusätzlich zum Sonderschulunterricht und setzen mithin voraus, dass die versicherte Person die Sonderschule effektiv besucht. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. b) Unter den für die Teilnahme am Volksschulunterricht notwendigen, von der Invalidenversicherung zu übernehmenden Massnahmen gemäss Art. 9 IVV ist die in Frage stehende psychomotorische Therapie hingegen nicht erwähnt. Nach der Rechtsprechung (AHI 2000 S. 74 Erw. 3b) enthält der anlässlich der Revision vom 25. November 1996 aufgenommene Art. 9 IVV in seinem zweiten Absatz, im Unterschied zu dem bis Ende 1996 gültig gewesenen altArt. 8 Abs. 1 lit. c IVV (vgl. BGE 121 V 14 Erw. 3b) eine abschliessende Aufzählung der von der Invalidenversicherung im Falle des Volksschulbesuchs zu entschädigenden Massnahmen. Daran ist festzuhalten. Die vorliegend beantragte Psychomotorik-Therapie fällt nicht in diese Kategorien und kann nach Art. 9 IVV unter dem Titel der pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zur Ermöglichung des Volksschulbesuches nicht gewährt werden. 5. Zu prüfen bleibt die von der Beschwerdeführerin gerügte Gesetz- und Verfassungswidrigkeit der Differenzierung zwischen pädagogisch-therapeutischen Massnahmen zusätzlich zum Sonderschulunterricht einerseits und zur Ermöglichung des Volksschulbesuchs andererseits sowie des Fehlens pädagogisch-therapeutischer Massnahmen für Sehbehinderte bei der zweiten Kategorie. a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten BGE 128 V 95 S. 99 Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 8 Abs. 1 BV , wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen ( BGE 127 V 7 Erw. 5a, BGE 126 II 404 Erw. 4a, 573 Erw. 41, BGE 126 V 52 Erw. 3b, 365 Erw. 3, 473 Erw. 5b, je mit Hinweisen). b) Nach der Delegationsnorm des Art. 19 Abs. 3 IVG bezeichnet der Bundesrat im Einzelnen die gemäss Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Beiträgen und setzt deren Höhe fest. Er hat zudem Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen, zu erlassen. Die Beiträge an die Sonderschulung, vor allem auch besondere Entschädigungen für zusätzlich zum Sonderschulunterricht notwendige Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art sind im Gegensatz zu den Massnahmen beim Volksschulbesuch in den Grundzügen in der Gesetzesnorm umschrieben ( Art. 19 Abs. 2 lit. c IVG ). Die Differenzierung zwischen Massnahmen im Zusammenhang mit der Sonderschule oder mit der Volksschule mit der Konsequenz allfälliger unterschiedlicher Regelungen ist somit bereits im Gesetz vorgesehen und kann nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden ( Art. 191 BV ). Da nebst dem die zu regelnden Massnahmen für Kinder, die die Volksschule besuchen, im Gesetz nicht erwähnt sind, steht dem Bundesrat diesbezüglich ein gewisser Spielraum der Gestaltungsfreiheit zu. Es kann daher nicht gesagt werden, die abschliessende Aufzählung in Art. 9 Abs. 2 IVV falle aus dem Rahmen der delegierten BGE 128 V 95 S. 100 Kompetenzen heraus oder sei sonstwie gesetzwidrig. Unter diesen Umständen darf das Gericht nur dann eine schwer wiegende, durch richterliches Eingreifen auszufüllende Lücke annehmen, wenn die Regelung in Art. 9 Abs. 2 IVV das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ) verletzen würde ( BGE 127 V 7 Erw. 5a, BGE 126 V 52 Erw. 3b, 71 Erw. 4a, BGE 125 V 30 Erw. 6a, mit Hinweisen; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 19 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 171 Erw. 3). c) Zu prüfen ist demzufolge, ob die Beschränkung bei den Massnahmen im Zusammenhang mit der Volksschule sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt (Willkür) oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt (rechtsungleiche Behandlung; vgl. BGE 127 V 7 Erw. 5a mit Hinweisen; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 172 Erw. 3). Zu beurteilen ist mit andern Worten, ob der Bundesrat mit seiner Regelung innerlich unbegründete Unterscheidungen getroffen oder sonstwie unhaltbare, nicht auf ernsthaften sachlichen Gründen beruhende Kriterien aufgestellt hat ( BGE 117 V 182 Erw. 3b; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3b). Ein solcher Vorwurf kann dem Verordnungsgeber - wie die Vorinstanz einlässlich darlegt - nicht gemacht werden. Ausgangspunkt für die von der Beschwerdeführerin gerügte Regelung der Verordnungsänderung war - wie den Erläuterungen des BSV zu den Änderungen der IVV vom 25. November 1996 entnommen werden kann - die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die pauschale Kostenvergütung von Massnahmen an behinderte Versicherte, welche die Volksschule besuchen, an die Kantone. Grundsätzlich sollten diese Massnahmen im Volksschulbereich - im Gegensatz zum Sonderschulbereich - gestützt auf die Schulhoheit der Kantone deren Sache sein. Wenn Kantone behinderte Kinder in die Volksschule einschulen, sollen sie auch für die dazu notwendigen Massnahmen sorgen. Die Revision bezweckte zudem eine übersichtlichere Darstellung der Massnahmen der Invalidenversicherung im Sonderschulbereich, klarere Definitionen von Begriffen und eine genauere Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen im Bereich der Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art sowie der Transporte. Das Recht auf die durch die Invalidenversicherung garantierten Leistungen wurde dadurch - wie das BSV darlegt - nicht beschränkt. Zutreffend ist zwar der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die pauschale Kostenvergütung an die Kantone gemäss Art. 12 IVV und somit die Leistungen des Wohnsitzkantons BGE 128 V 95 S. 101 nur die in Art. 9-11 IVV festgelegten Leistungen - und daher die vorliegend umstrittene Therapie eben nicht - betreffen, doch kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dass die zu übernehmenden Massnahmen im Bereich Volksschule nicht deckungsgleich sein müssen mit denjenigen im Bereich Sonderschule, ist - wie erwähnt - eine Konsequenz der Differenzierung im Gesetz. Aus dem gesetzlichen Auftrag an den Bundesrat, Vorschriften über die Gewährung entsprechender Beiträge an Massnahmen für invalide Kinder im vorschulpflichtigen Alter, insbesondere zur Vorbereitung auf die Sonderschulung sowie an Massnahmen für invalide Kinder, die die Volksschule besuchen, zu erlassen, kann kein Anspruch auf Beiträge an alle vier in Art. 19 Abs. 2 IVG erwähnten Kategorien, insbesondere auch nicht auf alle in lit. c dieser Bestimmung erwähnten Massnahmen pädagogisch-therapeutischer Art abgeleitet werden. Es können denn auch gar nicht für alle invaliden Versicherten, welche einer der drei Gruppen I, II oder III gemäss Art. 8 bis 11 IVV angehören, Beiträge aller vier Kategorien des Art. 19 Abs. 2 IVG und alle in Art. 19 Abs. 2 lit. c IVG aufgelisteten Massnahmen in Betracht kommen. Vielmehr haben Versicherte mit unterschiedlichen Behinderungen auch unterschiedliche Schulungsbedürfnisse und ergibt sich aus verschiedenen schulischen Situationen verschiedener Handlungsbedarf für Massnahmen. Eine Differenzierung war vom Gesetzgeber gewollt und lässt sich auf sachliche Gründe stützen. Die grösstenteils bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
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Sachverhalt ab Seite 79 BGE 141 IV 77 S. 79 A.
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Die Staatsanwaltschaft Innerschwyz führt eine Strafuntersuchung gegen Dr. med. A. wegen des Verdachts von Widerhandlungen gegen die eidgenössische und kantonale Gesundheits- und Heilmittelgesetzgebung. Im Rahmen von drei Hausdurchsuchungen (...) wurden am 9. Mai 2014 diverse Gegenstände und Aufzeichnungen sichergestellt, darunter Patientenakten, Medikamente, Medikamentenbestellungen, Lieferscheine und elektronische Datenträger, deren Siegelung er gleichentags verlangte. Am 26. Mai 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Entsiegelungsgesuch. Mit Verfügung vom 27. August 2014 bewilligte das Zwangsmassnahmengericht Schwyz, Einzelrichterin, die Entsiegelung sämtlicher sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen "im Sinne der Erwägungen". BGE 141 IV 77 S. 80 B. Gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichtes gelangte der beschuldigte Arzt mit Beschwerde vom 29. September 2014 an das Bundesgericht. Er beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Entsiegelungsgesuches. Eventualiter sei die Entsiegelung auf nicht dem Geheimnisschutz unterliegende und untersuchungsrelevante Aufzeichnungen und Gegenstände zu beschränken; subeventualiter sei die Sache an das Zwangsmassnahmengericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zurück an die Vorinstanz zur Neubeurteilung im Sinne der nachfolgenden Erwägungen. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Werden bei einer Hausdurchsuchung (Art. 244 f. StPO) Aufzeichnungen und Gegenstände vorläufig sichergestellt ( Art. 263 Abs. 3 StPO ), insbesondere Schriftstücke oder elektronische Datenträger, die voraussichtlich der Beschlagnahme ( Art. 263 Abs. 1-2 StPO ) unterliegen, sind die Bestimmungen (des 3. Abschnittes im 4. Kapitel des 5. Titels StPO) über die "Durchsuchung von Aufzeichnungen" ( Art. 246-248 StPO ) anwendbar: Die vorläufig sichergestellten Schriftstücke oder elektronischen Datenträger dürfen von der Untersuchungsbehörde grundsätzlich durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen ( Art. 246 StPO ). Vor einer allfälligen Durchsuchung der Aufzeichnungen kann sich ihre Inhaberin oder ihr Inhaber zu deren Inhalt äussern ( Art. 247 Abs. 1 StPO ). Zur Prüfung des Inhalts der Aufzeichnungen, insbesondere zur Aussonderung von angeblich geheimnisgeschütztem Inhalt, können sachverständige Personen beigezogen werden ( Art. 247 Abs. 2 StPO ). Macht die Inhaberin oder der Inhaber von Aufzeichnungen oder anderen Gegenständen geltend, diese dürften wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechtes oder aus anderen Gründen nicht inhaltlich durchsucht ( Art. 246 StPO ) oder förmlich beschlagnahmt ( Art. 263 Abs. 1-2 StPO ) werden, sind die betreffenden Aufzeichnungen und Gegenstände zu versiegeln. Vor einem allfälligen Entsiegelungsentscheid dürfen sie von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden ( Art. 248 Abs. 1 StPO ). BGE 141 IV 77 S. 81 Falls die Staatsanwaltschaft (im Vorverfahren) ein Entsiegelungsgesuch stellt, ist vom Zwangsmassnahmengericht im Entsiegelungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die Geheimnisschutzinteressen, welche von der Inhaberin oder dem Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände angerufen werden, einer Durchsuchung und weiteren strafprozessualen Verwendung durch die Staatsanwaltschaft entgegenstehen (Art. 248 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a StPO; BGE 137 IV 189 E. 4 S. 194 f.; BGE 132 IV 63 E. 4.1-4.6 S. 65 ff.). Bis zum Entsiegelungsentscheid bleiben die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände vorläufig sichergestellt (Art. 263 Abs. 3 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO ). In dem Umfang, als das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung rechtskräftig bewilligt hat, kann die Staatsanwaltschaft anschliessend die entsiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände einsehen, inhaltlich durchsuchen und (soweit nach Art. 263-268 StPO zulässig) förmlich beschlagnahmen (Art. 248 Abs. 1 i.V.m. Art. 246 und Art. 263 Abs. 1 StPO ). 4.2 Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts (Art. 113 Abs. 1, Art. 158 Abs. 1 lit. b, Art. 168-176, Art. 180 Abs. 1 StPO ) oder aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor ( Art. 264 Abs. 3 StPO ). Zu den im Strafprozess zu berücksichtigenden Berufsgeheimnissen gehören insbesondere das Arzt- und das Anwaltsgeheimnis ( Art. 171 StPO ). Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170-173 StPO das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind, dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sich die Gegenstände und Unterlagen befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind, nicht beschlagnahmt werden ( Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO ). Vorbehalten bleiben Beschlagnahmungen nach Art. 263 Abs. 1 lit. c-d StPO ( Art. 264 Abs. 2 StPO ). 4.3 Zwangsmassnahmen setzen überdies voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht vorliegt und die streitige Untersuchungshandlung verhältnismässig erscheint ( Art. 197 Abs. 1 lit. b-d StPO ). Der Entsiegelungsrichter hat (auch bei grossen Datenmengen) jene Gegenstände auszusondern, die (nach den substanziierten Angaben der Staatsanwaltschaft bzw. der betroffenen Inhaber) für die Strafuntersuchung offensichtlich irrelevant erscheinen ( BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229 mit Hinweisen). Entsiegelungen und Durchsuchungen, welche in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind besonders BGE 141 IV 77 S. 82 zurückhaltend einzusetzen ( Art. 197 Abs. 2 StPO ). Jede Person hat insbesondere Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten ( Art. 13 BV ). 4.4 Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Hilfspersonen können das Zeugnis über Geheimnisse verweigern, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind oder die sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben ( Art. 171 Abs. 1 StPO ). Das strafbewehrte Arztgeheimnis ( Art. 321 StGB ) stellt ein wichtiges Rechtsinstitut des Bundesrechts dar. Es fliesst aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf Privatsphäre ( Art. 13 BV , Art. 8 EMRK ) und dient dem Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ( BGE 117 Ia 341 E. 6a S. 348 = Pra 1992 S. 657; Urteile des Bundesgerichtes 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 5.1; 1P.1/1995 vom 22. März 1995 E. 2; des EGMR vom 25. Februar 1997 Z. gegen Finnland , Recueil CourEDH 1997 I S. 323 §§ 94-99, 111-118; vgl. NIKLAUS OBERHOLZER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 321 StGB ). Das Berufsgeheimnis nach Art. 171 Abs. 1 StPO begründet eine Zeugnisverweigerungs pflicht (vgl. ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.] 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 171 StPO ; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 171 StPO ; VEST/HORBER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 171 StPO ; STÉPHANE WERLY, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 9 zu Art. 171 StPO ). Ausnahmen vom Arztgeheimnis bedürfen daher einer klaren bundesgesetzlichen Regelung (Urteil des Bundesgerichtes 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 5.1). Gemäss Art. 171 Abs. 2 StPO haben Ärztinnen und Ärzte nur auszusagen, wenn sie einer Anzeigepflicht unterliegen (lit. a) oder (nach Art. 321 Ziff. 2 StGB ) von der Geheimnisherrin, dem Geheimnisherrn oder schriftlich von der zuständigen Stelle von der Geheimnispflicht entbunden worden sind (lit. b). Die Strafbehörde beachtet das Berufsgeheimnis auch bei Entbindung von der Geheimnispflicht, wenn die Geheimnisträgerin oder der Geheimnisträger glaubhaft macht, dass das Geheimhaltungsinteresse der Geheimnisherrin oder des Geheimnisherrn das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt ( Art. 171 Abs. 3 StPO ). Die Kantone bestimmen im Übrigen, welche Medizinalpersonen verpflichtet sind, aussergewöhnliche Todesfälle den Strafbehörden zu melden ( Art. 253 Abs. 4 StPO ). BGE 141 IV 77 S. 83 5. 5.1 Im vorliegenden Fall besteht weder eine Entbindung vom Arztgeheimnis durch die mitbetroffenen Patientinnen und Patienten noch eine andere gesetzliche Ausnahme (im Sinne von Art. 171 Abs. 2 StPO ) vom Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. dazu Urteil 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 4-5). Bei dem vom Entsiegelungsgesuch direkt betroffenen Arzt handelt es sich jedoch um die beschuldigte Person. 5.2 Die Durchsuchung einer Arztpraxis sowie die strafprozessuale Sicherstellung, Entsiegelung und Durchsuchung von ärztlichen Berufsunterlagen und Aufzeichnungen müssen (im Lichte von Art. 13 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV sowie Art. 8 EMRK ) verhältnismässig sein. Insbesondere ist den Geheimnisschutzinteressen von Patientinnen und Patienten ausreichend Rechnung zu tragen. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis zwar kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis (Art. 264 Abs. 1 lit. c i.V.m. Abs. 3 StPO; vgl. BGE 140 IV 108 E. 6.5 S. 112; BGE 138 IV 225 E. 6.1-6.2 S. 227 f.). Damit erhobene ärztliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht und ausgewertet werden dürfen, müssen sie jedoch zunächst einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen bzw. für die angestrebten Untersuchungszwecke unentbehrlich sein (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO ). Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Strafverfolgungs- und Geheimnisschutzinteressen ist weiter zu berücksichtigen, dass Zwangsmassnahmen, die auch in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, besonders zurückhaltend einzusetzen sind ( Art. 197 Abs. 2 StPO ). Bei ärztlichen Aufzeichnungen (insbesondere Krankengeschichten mit Anamnese-, Diagnose- und Therapieverlaufsberichten) fällt ins Gewicht, dass sie regelmässig sehr sensible höchstpersönliche Informationen aus der Intim- und Privatsphäre von Patientinnen und Patienten enthalten, die von Art. 13 BV in besonderem Masse geschützt sind (vgl. oben, E. 4.4), weshalb nicht pauschal sämtliche vertraulichen Patienteninformationen eines beschuldigten Arztes zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigegeben werden dürfen, solange - wie hier - keine Entbindung vom Arztgeheimnis ( Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO ) erfolgt ist (vgl. Urteile des Bundesgerichtes 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 4-5; 1P.1/1995 vom 22. März 1995 E. 2e). Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verhältnismässigkeit der genannten Zwangsmassnahmen ist im Übrigen auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO ). BGE 141 IV 77 S. 84 5.3 Dem Beschwerdeführer wird (gemäss dem angefochtenen Entscheid) vorgeworfen, er habe gegen das Verbot der ärztlichen Selbstdispensation verstossen (Art. 86 Abs. 1 lit. c bzw. Art. 87 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte [HMG; SR 812.21] ), indem er (entgegen einer Verfügung der kantonalen Behörden vom 24. Mai 2013) weiterhin (und über eine blosse Erst- bzw. Notfallabgabe hinaus) Medikamente an Patienten abgegeben habe. Ausserdem habe er das ihm (mit Verfügung vom 17. April 2014) auferlegte Verbot der selbstständigen ärztlichen Berufsausübung in strafbarer Weise missachtet. 5.4
2,816
2,110
Das Zwangsmassnahmengericht erachtete eine Triage der versiegelten Unterlagen als nicht notwendig. Im Dispositiv des angefochtenen Entscheides bewilligte es die unbeschränkte Entsiegelung sämtlicher sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen "im Sinne der Erwägungen". In ihren Erwägungen vertritt die Vorinstanz zwar den Standpunkt, alle versiegelten Unterlagen, "insbesondere die Patientenakten und Medikamentenbestellungen", seien "mit rechtsgenüglicher Wahrscheinlichkeit relevant". Weder beschränkt sie die Entsiegelung jedoch auf Patientenakten und Medikamentenbestellungen, noch legt sie dar, inwiefern die zur Durchsuchung freigegebenen Aufzeichnungen und Gegenstände untersuchungsrelevant wären. Stattdessen erwägt sie, dass "die Strafbehörde den Inhalt der versiegelten Akten definitionsgemäss" noch nicht kenne. Vorkehren zum Schutz von sensiblen Patientendaten in ärztlichen Aufzeichnungen traf das Zwangsmassnahmengericht ebenfalls nicht. Auch die vom Beschwerdeführer als geheimnisgeschützt angerufene (eigene) Privat- und Anwaltskorrespondenz hat die Vorinstanz weder ausgesondert noch einer Sichtung unterworfen. 5.5 Der angefochtene Entscheid hält vor dem Bundesrecht nicht stand: 5.5.1 Zunächst sind von einer Durchsuchung seitens der Staatsanwaltschaft alle Aufzeichnungen und Gegenstände auszunehmen, die erkennbar weder mit der untersuchungsgegenständlichen Medikamentenabgabe zu tun haben noch mit der Frage der selbstständigen ärztlichen Berufsausübung ( Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO ; BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229). Zwar trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft den Inhalt der vorläufig sichergestellten und versiegelten Unterlagen noch nicht im Detail kennen kann, weil noch keine Durchsuchung (Art. 246 f. i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO ) der Aufzeichnungen und Gegenstände stattfinden konnte. Es ist jedoch die gesetzliche BGE 141 IV 77 S. 85 Aufgabe des Zwangsmassnahmengerichtes , das Vorliegen der rechtlichen Entsiegelungsvoraussetzungen im Vorverfahren zu prüfen ( Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO ). Nötigenfalls hat der Entsiegelungsrichter eine entsprechende Triage (Sichtung der versiegelten Unterlagen) vorzunehmen ( BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; BGE 137 IV 189 E. 5.1.2 S. 196 f.). Dies gilt besonders im vorliegenden Fall von arztgeheimnisgeschützten vertraulichen Unterlagen. Zur Prüfung des Inhalts der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände kann der Entsiegelungsrichter eine sachverständige Person beiziehen ( Art. 248 Abs. 4 StPO ) und auch Stellungnahmen des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft einholen. Die Vorinstanz verkennt ihre eigene gesetzliche Aufgabe, wenn sie demgegenüber erwägt, es sei Sache der Staatsanwaltschaft , "die Nützlichkeit der Daten für das Strafverfahren zu prüfen und die nicht relevanten Daten nach der Durchsuchung herauszugeben und allfällige Kopien zu vernichten oder zu löschen, wobei dem Beschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit zur Teilnahme an der Entsiegelung einzuräumen sein wird, um sich zum Inhalt der Aufzeichnungen zu äussern". 5.5.2 Was die (grundsätzlich untersuchungsrelevanten) ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenstände betrifft, darunter Patientenakten, Medikamente, Medikamentenbestellungen, Lieferscheine und elektronische Aufzeichnungen mit persönlichen Patientendaten, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, weshalb die Staatsanwaltschaft (zur Untersuchung der Strafbarkeit der Medikamentenabgabepraxis und der selbstständigen Berufsausübung) zwangsläufig die Identität der betroffenen Patientinnen und Patienten eruieren müsste. Zu Zwecken der Strafverfolgung sollten anonymisierte Angaben darüber ausreichen, wie viele Personen ("Patienten A, B, C" usw.) der Beschwerdeführer wann in selbstständiger Berufsausübung betreute und wann er welchen (anonymisierten) Patientinnen und Patienten welche Medikamente gegen welche Gesundheitsbeschwerden abgab. Falls die Vorinstanz die Entsiegelung nicht auf jene (anonymisierten) Patientenakten beschränken möchte, die Medikamentenabgaben bzw. Behandlungen nach dem 24. Mai/10. Juni 2013 (Verbot der Selbstdispensation) bzw. 17. April 2014 (Verbot der selbstständigen Berufsausübung) betreffen, wird sie zudem zu begründen haben, weshalb auch die älteren Patientenakten untersuchungsrelevant sind. Diese auf den wesentlichen Untersuchungszweck fokussierte Beschränkung der Zwangsmassnahmen drängt sich hier umso mehr auf, als die Staatsanwaltschaft keine schweren Delikte bzw. Verbrechen untersucht BGE 141 IV 77 S. 86 (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO ) und die ärztlichen Aufzeichnungen unbestrittenermassen hochsensible medizinische Informationen über die mitbetroffenen Patientinnen und Patienten enthalten (vgl. Art. 13 BV i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 197 Abs. 2 StPO ). 5.5.3 Auch bei der vom Beschwerdeführer als geheimnisgeschützt bzw. nicht untersuchungsrelevant angerufenen Privat- und Anwaltskorrespondenz wird die Vorinstanz um eine Sichtung der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände nicht herumkommen. Zwar stellt sie sich (beiläufig) auf den Standpunkt, er habe "nicht substanziiert, um welche konkret versiegelten Aufzeichnungen und Unterlagen es sich dabei handelt". An anderer Stelle räumt sie jedoch ausdrücklich ein, dass der Beschwerdeführer (schon im kantonalen Entsiegelungsverfahren) Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr mit spezifisch genannten Rechtsvertretern als vom Anwaltsgeheimnis betroffen bezeichnete. Als geschützte (eigene) Privatkorrespondenz habe er "unter anderem seine Steuerunterlagen und diejenigen seiner Frau" genannt, "Unterlagen zur privaten Vermögensverwaltung ohne jeglichen Bezug zur (Arzt-)Praxis, private Urlaubsfotos etc.". Auch der Erwägung der Vorinstanz, das Strafverfolgungsinteresse "überwiege" diese Geheimnisschutzinteressen, kann nicht gefolgt werden: Für Anwaltskorrespondenz aus dem Verkehr zwischen dem Beschuldigten und nicht selbst beschuldigten Anwälten besteht ein gesetzliches Beschlagnahmehindernis, und zwar ungeachtet des Ortes, wo sich die Anwaltsakten befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind (Art. 264 Abs. 1 lit. c und Abs. 1 Ingress StPO; s.a. BGE 140 IV 108 E. 6.5-6.10 S. 112 ff.). Im Gegensatz zum Fall von Privatkorrespondenz der beschuldigten Person ( Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO ) setzt das Gesetz beim Beschlagnahmeverbot für Anwaltskorrespondenz nicht voraus, dass das private Geheimnisschutzinteresse das Strafverfolgungsinteresse "überwiegen" müsste. Die Vorinstanz behauptet auch nicht, dass die mitbetroffenen Anwälte im gleichen Sachzusammenhang mitbeschuldigt wären. 5.5.4 Nach dem Gesagten ist die vom Beschwerdeführer bezeichnete Anwaltskorrespondenz im Entsiegelungsverfahren auszuscheiden. Dies gilt umso mehr, als nicht dargetan ist, inwieweit diese Akten und Dateien untersuchungsrelevant sein könnten. Falls die Vorinstanz an der Freigabe von Privatkorrespondenz des Beschwerdeführers zur Durchsuchung festhalten möchte, wird sie zu begründen haben, inwiefern eine Untersuchungsrelevanz besteht und das öffentliche BGE 141 IV 77 S. 87 Interesse an den hier untersuchten Straftaten das private Geheimnisschutzinteresse überwiegt. (...) 5.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass das Zwangsmassnahmengericht im vorliegenden Fall eine Triage der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände vorzunehmen hat. Soweit der Beschwerdeführer substanziiert und überzeugend darlegt, welche konkreten Unterlagen und Dateien nicht untersuchungsrelevant sind, werden diese auszuscheiden sein. Offensichtlich nicht untersuchungsrelevant sind hier namentlich die vom Beschwerdeführer genannten privaten Urlaubsfotos (vgl. BGE 137 IV 189 E. 5.2.3 S. 198). Bei den für die Strafuntersuchung unentbehrlichen ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenständen hat vor einer Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft eine Anonymisierung der Namen von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erfolgen. Für die Triage (und zur Erleichterung der Anonymisierung) kann das Zwangsmassnahmengericht nötigenfalls geeignete Experten und technische Hilfsmittel beiziehen (vgl. Art. 248 Abs. 4 StPO ). Auszuscheiden sind alle dem Anwaltsgeheimnis unterstehenden Unterlagen und Dateien. Soweit die Vorinstanz an der Freigabe von Privatkorrespondenz des Beschwerdeführers zur Durchsuchung (ganz oder teilweise) festhalten möchte, wird sie zu begründen haben, inwiefern eine Untersuchungsrelevanz besteht und das öffentliche Interesse an den hier untersuchten Straftaten das private Geheimnisschutzinteresse überwiegt.
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Sachverhalt ab Seite 420 BGE 122 III 420 S. 420 Mit Schreiben vom 8. Februar 1988 bestellte die H. AG bei der C. AG eine Verpackungsanlage für Pfeifenfilter zum Preis von Fr. 135'000.--, die eine Leistung von 30'000 Filtern pro Stunde in Packungen zu 10 Filtern erbringen sollte. Zu den Lieferungsbedingungen wurde im Schreiben folgendes festgehalten: BGE 122 III 420 S. 421 "Absolut verbindlich muss per 15. Juli die Anlage funktionsfähig in Ihrem Werk übergeben, d.h. von uns abgenommen werden. Um dies sicherzustellen muss eine Konventionalstrafe vereinbart werden. Nach Überschreiten der Lieferfrist über 4 Wochen sind dies arbeitstäglich 400 sFr., nach 8 Wochen 800 sFr. arbeitstäglich." Am 11. Februar 1988 bestätigte die C. AG schriftlich die Bestellung. Nachdem eine Abnahme in ihrem Werk in Bologna (Italien) wegen Nichterreichens der vertraglich zugesicherten Leistung gescheitert war, wurde die Verpackungsanlage am 8. August 1988 bei der H. AG abgeliefert und installiert. Bei der Inbetriebsetzung stellte sich heraus, dass die Leistung von 500 Filtern pro Minute noch immer nicht erreicht wurde. Daran änderte sich auch in den folgenden Monaten nichts. Mit Schreiben vom 24. Februar 1989 verzichtete die H. AG per 28. April 1989 auf eine vertragsgemässe Erfüllung. Sie ersetzte in der Folge die mangelhafte Zuführeinheit durch eine neue, die sie bei einer Drittfirma bestellt hatte. Im Juli 1989 konnte sie die Maschine schliesslich in Betrieb nehmen. Am 7. September 1989 klagte die H. AG beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen die C. AG auf Zahlung von Fr. 213'568.50 als Konventionalstrafe, Schadenersatz und Minderwert nebst Zins. Die Beklagte bestritt die Forderung und verlangte widerklageweise, die Klägerin sei zur Restzahlung von Fr. 48'109.95 nebst Zins zu verpflichten. Mit Urteil vom 17. Dezember 1992 schützte das Zivilgericht die Klage im Umfang von Fr. 100'800.-- nebst 6% Zins seit 7. September 1989 und wies das weitergehende Klagebegehren sowie die Widerklage ab. Das Zivilgericht bejahte den Minderungsanspruch der Klägerin. Zudem ging es davon aus, dass die Beklagte gemäss Vereinbarung vom 8./11. Februar 1988 zur Leistung einer Konventionalstrafe verpflichtet sei. Hingegen verweigerte es eine Entschädigung als Ersatz für entgangenen Gewinn mangels Beweises insoweit, als sie die Konventionalstrafe überstieg. Auf Appellation der Beklagten und Anschlussappellation der Klägerin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 9. Dezember 1994 den erstinstanzlichen Entscheid. Die Beklagte hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird, soweit es auf sie eintritt. BGE 122 III 420 S. 422
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Als Konventionalstrafe wird eine Leistung bezeichnet, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall verspricht, dass er eine bestimmte Schuld (Hauptverpflichtung) nicht oder nicht richtig erfüllt (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Aufl., S. 361 Rz. 3909; BECKER, Berner Kommentar, N. 1 zu Art. 160 OR ; EHRAT, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 1 zu Art. 160 OR ). Zweck der Konventionalstrafe ist die Verbesserung der Gläubigerstellung durch Befreiung vom Schadensnachweis ( BGE 109 II 462 E. 4a S. 468 mit Hinweisen). b) Gemäss dispositivem Gesetzesrecht ( Art. 160 Abs. 1 OR ) tritt die Konventionalstrafe alternativ neben die Erfüllung oder den für Nichterfüllung geschuldeten Schadenersatz (von TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, S. 281). Diese Regel gilt einerseits nicht, wenn die Konventionalstrafe für Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen wurde, solange der Gläubiger nicht ausdrücklich Verzicht leistet oder die Erfüllung vorbehaltlos annimmt ( Art. 160 Abs. 2 OR ). Anderseits kann sich ein abweichender Wille ergeben aus dem Wortlaut der eingegangenen Verpflichtung, aus den Umständen, unter denen sie abgeschlossen wurde, oder aus der Höhe der Konventionalstrafe, dies namentlich in dem Sinne, dass die Strafe in einem derartigen Missverhältnis zum Erfüllungsinteresse des Berechtigten steht, dass anzunehmen ist, dieses Interesse werde durch die Konventionalstrafe nicht gedeckt ( BGE 46 II 399 E. 2; BGE 40 II 233 E. 9; BGE 26 II 108 E. 5; BECKER, a.a.O., N. 33 zu Art. 160 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, N. 2 und 6 zu Art. 160 OR ; ähnlich GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 365 Rz. 3929 ff.; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 529; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 408 f.). Im Zweifel ist auf die Interessenlage und den Zweck der Konventionalstrafe abzustellen, um zu ermitteln, ob eine besondere Abrede getroffen wurde ( BGE 46 II 399 E. 2). So soll der Gläubiger für ein und dasselbe rechtliche Interesse entweder nur die Strafe oder nur die Hauptleistung bzw. Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen können (BECKER, a.a.O., N. 15 zu Art. 160 OR ; Bucher, a.a.O., S. 529; SOERGEL/LINDACHER, N. 4 zu § 340 BGB). Für den Fall der nicht richtigen Erfüllung im Sinne von Art. 160 Abs. 1 OR hat der Gläubiger die Wahl, entweder die vereinbarten BGE 122 III 420 S. 423 bzw. gesetzlichen Folgen der Schlechterfüllung des Hauptvertrags oder den Strafanspruch geltend zu machen (ROLAND BENTELE, Die Konventionalstrafe nach Art. 160-163 OR , Diss. Freiburg 1994, S. 89). Nach einem wesentlichen Teil der Lehre kann jedoch der Gläubiger, der nur teilweise, mithin nicht richtige Erfüllung erlangt hat, auf Zahlung der Konventionalstrafe klagen, wobei er die Teilleistung auf die Strafe anrechnen oder sie dem Schuldner zurückgeben muss (OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 4 zu Art. 160 OR ; BECKER, a.a.O., N. 22 zu Art. 160 OR ; GUHL/MERZ/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl., S. 554). Demgegenüber fordern von TUHR/ESCHER (a.a.O., S. 282), dass in einem solchen Fall der zur Erfüllung nicht genügende Leistungsgegenstand zurückzugeben ist. Diese Auffassung, derzufolge eine Kumulation ausgeschlossen ist, nimmt aber zu wenig Rücksicht auf die Interessenlage. Die Strafe soll gerade die Mangelhaftigkeit der Hauptleistung sanktionieren (ROLAND BENTELE, a.a.O., S. 92). Das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung überhaupt und sein Interesse, die Hauptleistung nicht nur irgendwann und irgendwie, sondern ordnungsgemäss und unter Meidung von Begleitschäden zu erhalten, decken sich nicht (SOERGEL/LINDACHER, N. 5 zu § 341 BGB). Dem Kumulationsverbot ist insoweit Rechnung zu tragen, als der Gläubiger nicht zugleich Ansprüche auf Schadenersatz bzw. Mangelfolgeschaden und den Strafanspruch geltend machen kann, wenn die Konventionalstrafe vornehmlich die sich aus der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags ergebenden Ansprüche abdecken soll. Der Wert der Hauptleistung ist daher adäquat zu berücksichtigen in dem Sinne, dass der Gläubiger diese entweder bezahlt oder zurückgibt. c) Dem Gläubiger (Käufer bzw. Besteller) steht neben dem Wandelungs- (Art. 205 Abs. 1 bzw. Art. 368 Abs. 1 OR ), Minderungs- (Art. 205 Abs. 1 bzw. Art. 368 Abs. 2 OR ) oder - nur beim Werkvertrag - Nachbesserungsrecht ( Art. 368 Abs. 2 OR ) ein Recht auf Ersatz des Mangelfolgeschadens zu (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 210 Rz. 3173; vgl. auch BGE 116 II 454 E. 2a). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit der Annahme der Verpackungsanlage zu einem geminderten Preis nicht sämtliche Mängelrechte erschöpft. Ihr Anspruch auf Abgeltung des Mangelfolgeschadens blieb unbefriedigt. Es erscheint nun durchaus sachgerecht und ist, wie vorne dargelegt, mit der Interessenlage vereinbar, dem Gläubiger zuzugestehen, die Ausübung seiner Mängelrechte aufzuspalten und den Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens durch die Einforderung der Konventionalstrafe geltend zu machen, sich für den Minderwert BGE 122 III 420 S. 424 der abgelieferten Anlage auf den Minderungsanspruch zu berufen und diesen Wert an die Konventionalstrafe anzurechnen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht einzusehen, weshalb der Käufer oder Besteller sich nur dann auf die vereinbarte Konventionalstrafe soll berufen können, wenn er die Annahme der mangelhaften Sache verweigert, während ihm diese Möglichkeit verschlossen bleiben soll, wenn er den für den Verkäufer oder Unternehmer weniger einschneidenden Weg der Minderung wählt. Indem die Vorinstanz die Konventionalstrafe der Klägerin zusprach und diese verpflichtete, der Beklagten den Wert der von ihr erbrachten Leistung zu vergüten, gewährte sie der Klägerin richtig besehen den Erfüllungsanspruch nicht kumulativ zur Strafe, denn deckungsgleiche Interessen wurden nicht mehrfach abgegolten. So betrachtet kann die Frage, ob die Parteien stillschweigend vereinbarten, der Erfüllungsanspruch könne zusätzlich zum Strafanspruch geltend gemacht werden, offenbleiben. 3. Indes lässt sich auch die Ansicht vertreten, die Parteien hätten stillschweigend die Abmachung getroffen, die Strafe wegen verspäteter oder unrichtiger Erfüllung solle neben der Primärleistung geschuldet sein. a) Die Willenserklärungen der Parteien sind, da ein übereinstimmender wirklicher Wille nicht ermittelt wurde ( Art. 18 Abs. 1 OR ), aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten ( BGE 121 III 118 E. 4b/aa mit Hinweisen; BGE 119 II 449 E. 3a). Dabei hat der Richter zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben ( BGE 117 II 609 E. 6c mit Hinweis; BGE 116 II 259 E. 5a). In BGE 46 II 399 E. 2 führte das Bundesgericht aus, bei der Auslegung eigentlicher Konventionalstrafversprechen, die ja im Interesse des Strafberechtigten gegeben würden, sei vor allem darauf Gewicht zu legen, welche Meinung dieser damit verbunden wissen, welchen Zweck er damit erreichen wolle, weil es sich für ihn, abgesehen von der Entlastung vom Schadensbeweis, darum handle, durch die Konventionalstrafe seinem Vertragsgegner einen psychischen Zwang zur Erfüllung der dadurch gesicherten Verpflichtung aufzuerlegen. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. b) Die Vorinstanz entnimmt dem Wortlaut der Abmachung, die Parteien hätten eine Konventionalstrafe vereinbart, die sowohl die Rechtzeitigkeit der Lieferung als auch die Funktionsfähigkeit der BGE 122 III 420 S. 425 Anlage habe sichern sollen. Diesen Zweck hätten auch die Umstände nahegelegt. Für den Käufer oder Besteller, der den gekauften oder bestellten Gegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt benötige und dies mit einer Konventionalstrafe sichere, bleibe sich nämlich gleich, ob eine Lieferverzögerung eintrete oder die Sache zwar rechtzeitig, aber mit derartigen Mängeln behaftet geliefert werde, dass sie zum vorausgesetzten Gebrauch untauglich sei. Um diesen Zweck zu erreichen, hätten die Parteien eine mit der Dauer des Verzugs wachsende Konventionalstrafe vereinbart. Eine derartige Abrede setze aber gerade den Eintritt des erwarteten Ereignisses, hier also der Erfüllung, notwendigerweise voraus (vgl. VON BÜREN, a.a.O., S. 409). Die Vorinstanz schliesst daraus, nach der von den Parteien getroffenen Abmachung sollte die Strafe wegen verspäteter oder unrichtiger Erfüllung neben der Primärleistung geschuldet sein. Dieser Schlussfolgerung ist beizupflichten. Auszugehen ist vom Wortlaut der im Bestellschreiben der Klägerin vom 8. Februar 1988 enthaltenen Lieferbedingungen, welche nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz zum Vertragsinhalt erhoben wurden. Dem ersten Absatz ist zu entnehmen, dass die Parteien den Zeitpunkt der Ablieferung und die Funktionsfähigkeit der Anlage als gleich wichtig einstuften und zueinander derart in Beziehung setzten, dass die rechtzeitige Lieferung einer funktionsunfähigen Anlage der verspäteten Lieferung gleichgestellt wurde. Gemäss dem zweiten Absatz wurde "dies", d.h. die Lieferung einer funktionsfähigen Anlage per 15. Juli 1988 durch die Beklagte, mittels Konventionalstrafe sichergestellt. Die Klägerin liess sich also für beide Modalitäten der Leistungsstörung gleichermassen absichern. Im dritten Absatz schliesslich wird die Höhe der Konventionalstrafe festgesetzt. Dabei wird als die Konventionalstrafe auslösendes Ereignis nur das "Überschreiten der Lieferfrist" ausdrücklich genannt; das kann aber im Hinblick auf das vorstehend Vereinbarte nicht heissen, dass die fristgerechte Lieferung einer gebrauchsuntauglichen Anlage nicht ebenfalls sanktioniert wäre. Andernfalls würde der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck unterlaufen: Die Beklagte hätte es in der Hand, sich durch Ablieferung einer unfertigen Anlage am vereinbarten Termin der Pflicht zur Zahlung der Konventionalstrafe zu entschlagen. Der Klägerin ging es jedoch darum, sich auf die Zusicherung "absoluter Verbindlichkeit" im Hinblick darauf zu verlassen, dass sie am vereinbarten Termin die Anlage in ihrem Produktionsbetrieb einsetzen und damit den vereinbarten Ausstoss werde erzielen können, was sie der BGE 122 III 420 S. 426 Beklagten mit hinlänglicher Deutlichkeit zur Kenntnis brachte. Wurde aber die Funktionsuntauglichkeit der Verspätung vertraglich gleichgesetzt und ist davon auszugehen, bei verspäteter Lieferung wäre die Klägerin gemäss Art. 160 Abs. 2 OR ohne weiteres berechtigt gewesen, die Konventionalstrafe kumulativ zur Erfüllung zu fordern, so drängt sich die Annahme auf, die Parteien hätten diese Rechtsfolge auch für den Fall der Lieferung einer nicht betriebsfähigen Anlage vereinbaren wollen. Die Auslegung der Vereinbarung über die Konventionalstrafe durch die Vorinstanz hält daher vor Bundesrecht stand. c) Die Beklagte rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht verneint, dass die Klägerin die Lieferung im Sinne von Art. 160 Abs. 2 OR vorbehaltlos angenommen habe. Da die Vorinstanz jedoch in ihrer Hauptbegründung zutreffend ausgeführt hat, Art. 160 Abs. 2 OR sei nicht (unmittelbar) anwendbar, und sich das Vorbringen der Beklagten nur auf eine Eventualbegründung bezieht, ist darauf nicht einzutreten.
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Erwägungen ab Seite 21 BGE 114 IV 20 S. 21 Aus den Erwägungen: 1. Das Obergericht hat die vorgelegte Tonbandaufzeichnung des zwischen dem Beschwerdeführer und Frau Y. geführten Telefongesprächs als zulässiges Beweismittel betrachtet. Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe dadurch Art. 179quinquies StGB falsch ausgelegt. Gemäss dieser Bestimmung macht sich weder nach Art. 179bis Abs. 1 noch nach Art. 179ter Abs. 1 strafbar, wer ein Gespräch, das über eine dem Telefonregal unterstehende Telefonanlage geführt wird, mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Sprechstelle oder Zusatzeinrichtung mithört oder auf einen Tonträger aufnimmt. a) Die PTT-Betriebe erteilen die für eine Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen erforderliche Bewilligung weder gestützt auf Art. 179quinquies StGB noch bei der Meldung des Anschlusses und der Aufnahme des Pick-up-Zeichens in das Telefonverzeichnis ( Art. 61 TVV 3 ), sondern in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 TVG , wonach der Teilnehmer ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine andern Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden darf (s. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes des persönlichen Geheimbereichs, BBl 1968 I 595). Bewilligungen für den Anschluss von Tonaufnahmegeräten an das Telefonnetz waren denn auch schon vor der Aufnahme der Art. 179bis ff. in das Strafgesetzbuch erforderlich. Die PTT-Betriebe erteilen sie ausschliesslich nach technischen Kriterien (Netzverträglichkeit, Störmöglichkeit usw.). Die von Art. 20 Abs. 2 TVG verlangte Zustimmung wird deshalb nicht in Form einer Einzelbewilligung an einen bestimmten Telefonabonnenten gegeben, sondern erfolgt in allgemeiner Weise durch blosse Typengenehmigung. Wer ein Tonaufnahmegerät für Telefongespräche gebrauchen will, hat also nichts anderes vorzukehren, als im Fachhandel BGE 114 IV 20 S. 22 ein Gerät eines bewilligten Typs zu erwerben und es anzuschliessen. Zur Information der Telefonbenützer tragen die PTT-Betriebe hinter der Aufrufnummer des entsprechenden Abonnenten das Pick-up-Zeichen ein. Eine Meldepflicht über den vorgenommenen Anschluss einer Zusatzeinrichtung besteht indessen nur für den Inhaber einer Telefoninstallationskonzession, nicht aber für den Telefonabonnenten ( Art. 136 lit. a TVV 1 ). Der im Telefonbuch S. 15 enthaltene Vermerk, die Bewilligung für die Aufnahme von Telefongesprächen gelte als erteilt, wenn der Abonnent im Telefonbucheintrag das Pick-up-Zeichen habe aufnehmen lassen, widerspricht demnach der Rechtslage. Folglich ist weder für den Betrieb einer Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen eine auf einen bestimmten Anschluss und dessen Inhaber lautende Bewilligung erforderlich, wie das BGE 100 IV 50 E. 1 vermuten lassen könnte, noch ist zur Aufzeichnung von Gesprächen nur der betreffende Telefonabonnent berechtigt, wie der Beschwerdeführer meint. Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts ist bei der Nummer ... das Pick-up-Zeichen im Telefonverzeichnis aufgeführt, und ein solcher Eintrag erfolgt nur, falls ein von den PTT-Betrieben typengenehmigtes Zusatzgerät angeschlossen worden ist. Das Gericht verletzte daher Bundesrecht nicht, als es annahm, Frau Y., die zumindest teilweise für die als Abonnentin eingetragene Z. AG arbeitete und in deren Privatwohnung sich der Anschluss befand, was der Beschwerdeführer wusste, sei zur Aufnahme von Telefongesprächen auf Tonband befugt gewesen. Dass der Anrufende um Vorhandensein und Verwendung einer solchen Zusatzeinrichtung wissen müsste, wie der Beschwerdeführer annimmt, lässt sich Art. 179quinquies StGB im übrigen nicht entnehmen. Bereits die Botschaft des Bundesrates hielt fest, dass jedermann, der zum Telefon greife, die Möglichkeit einer Gefährdung des persönlichen Geheimbereichs durch bestimmte Gesprächsaufnahme- und -wiedergabegeräte kenne und sich darauf einstelle, d.h. sich gleich verhalte wie bei einem Gespräch in Hörweite von Drittpersonen; deshalb bestehe in Fällen der vorliegenden Art auch kein Bedürfnis nach Strafbarerklärung im Sinne der Art. 179bis und 179ter StGB und werde die Strafbefreiung im Art. 179quinquies StGB ausdrücklich vorgesehen; es wäre, so wird besonders erwähnt, auch ausserordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die unbedingt erforderliche und zudem sichere Abgrenzung zwischen der erlaubten und der strafbaren BGE 114 IV 20 S. 23 Benützung einer Zusatzeinrichtung zu finden (BBl 1968 I S. 596). b) Die Strafbefreiung gemäss Art. 179quinquies StGB erstreckt sich, wie bereits die bundesrätliche Botschaft hervorhebt, nicht nur auf das Mithören eines Gesprächs oder die Aufnahme auf einen Tonträger, sondern "natürlich auch auf die in Art. 179bis Abs. 2 und 3 sowie Art. 179ter Abs. 2 aufgeführten Nachfolgehandlungen"; denn deren Strafbarkeit ist nur gegeben, wenn ihnen eine nach Art. 179bis Abs. 1 oder Art. 179ter Abs. 1 StGB strafbare Handlung vorangegangen ist (BBl 1968 I S. 596). Das blieb in den parlamentarischen Beratungen unbestritten, wurde doch Art. 179quinquies StGB in National- und Ständerat diskussionslos angenommen (Sten.Bull. NR 1968 S. 344; Sten.Bull. SR 1968 S. 190). Diese Auffassung entspricht denn auch der überwiegenden Lehrmeinung (STRATENWERTH, BT I S. 161 N 65 mit Hinweisen). Die Erwägung des Obergerichts, auch die Auswertung und Bekanntgabe der Tonbandaufzeichnung an Dritte durch Frau Y. bleibe gestützt auf Art. 179quinquies StGB straflos, verletzt Bundesrecht demnach ebenfalls nicht. Hängt die Zulässigkeit der Verwendung einer derartigen Aufzeichnung von Gesetzes wegen einzig davon ab, ob sie mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Zusatzeinrichtung vorgenommen worden und daher straflos ist, so kommt es auf die besonderen Umstände, unter denen Frau Y. die Tonbandaufzeichnung als Beweismittel vorlegte, nicht an; dessen Verwendung im Strafprozess setzt ebensowenig eine Interessenabwägung voraus, wie sie in BGE 109 Ia 244 Nr. 45 (= Pra 72 Nr. 275) vorgenommen worden ist.
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Sachverhalt ab Seite 174 BGE 147 I 173 S. 174 A. Mit Schreiben vom 12. Januar 2016 stellte der Stadtrat der Einwohnergemeinde Liestal (Kanton Basel-Landschaft; nachfolgend: Stadt Liestal) an den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ein Gesuch um Ausrichtung eines Härtebeitrags in der Grössenordnung von rund Fr. 2 Mio. aus dem kantonalen Ressourcenausgleichsfonds für das Jahr 2014. Anlass für das entsprechende Gesuch waren die markant zunehmenden Sozialhilfekosten, die für die Stadt Liestal zu einer finanziellen Belastung geführt hatten. B. Mit Beschluss Nr. 1827 vom 20. Dezember 2016 lehnte der Regierungsrat das Gesuch der Stadt Liestal ab. Die gegen den Beschluss vom 20. Dezember 2016 erhobene Beschwerde der Stadt Liestal wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 13. September 2017 ab. Mit Urteil 2C_127/2018 vom 30. April 2019 hob das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgerichts vom 13. September 2017 infolge einer unrechtmässigen Kognitionsbeschränkung bei der Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts auf und wies die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurück. Mit Urteil vom 18. Dezember 2019 wies das Kantonsgericht die Beschwerde erneut ab. Das Urteil wurde gleichentags mündlich eröffnet. Das schriftlich begründete Urteil ging bei der Stadt Liestal am 5. Mai 2020 ein. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Mai 2020 gelangt die Stadt Liestal gegen das am 5. Mai 2020 schriftlich eröffnete Urteil vom 18. Dezember 2019 an das Bundesgericht. Sie verlangt die Feststellung, dass das Urteil vom 18. Dezember 2019 nichtig sei. Eventualiter sei BGE 147 I 173 S. 175 das Urteil vom 18. Dezember 2019 aufzuheben und das Gesuch vom 12. Januar 2016 um Ausrichtung eines Härtebeitrags gutzuheissen. Subeventualiter sei das Urteil vom 18. Dezember 2019 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin beantragt die Feststellung, das Urteil vom 18. Dezember 2019 sei nichtig, da die verfassungsmässigen Unvereinbarkeitsbestimmungen als qualifizierte Ausstandsregeln nicht eingehalten worden seien. 3.1 Die Beschwerdeführerin gelangte bereits am 21. Januar 2020 mit dem Antrag an die Vorinstanz, die Nichtigkeit des Urteils vom 18. Dezember 2019 festzustellen, eventualiter in Gutheissung des Revisionsgesuchs das Urteil vom 18. Dezember 2019 aufzuheben und ihre Beschwerde unter einer rechtskonformen Zusammensetzung des Gerichts nochmals zu beurteilen. Die Vorinstanz trat am 27. Januar 2020 mit der Begründung auf das Revisionsbegehren nicht ein, es liege noch kein Urteil vor, das der Revision zugänglich sei. Das Bundesgericht trat auf die hiergegen geführte Beschwerde mit Urteil 2C_179/2020 vom 26. Februar 2020 ebenfalls nicht ein, da weder ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG noch ein anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 f. BGG vorlag (vgl. Urteil 2C_179/2020 vom 26. Februar 2020 E. 2). 3.2 Die Verletzung qualifizierter Ausstandsregeln als Nichtigkeits- und Revisionsgrund macht die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren erneut geltend. 3.2.1 Gemäss § 51 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 (KV/BL; SR 131.222.2) bestimmt das Gesetz das Nähere zur Unvereinbarkeit. Gestützt darauf sieht § 34 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 22. Februar 2001 über die Organisation der Gerichte (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; SGS 170) vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons und der Gemeinden nicht in eine Abteilung des Kantonsgerichts Einsitz nehmen können, die Verfassungs- und Verwaltungssachen zu beurteilen hat. Ausserdem bleiben die Unvereinbarkeitsvorschriften anderer Gesetze vorbehalten (vgl. § 34 Abs. 5 GOG). Aus dem Gesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 28. Mai 1970 über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden (Gemeindegesetz, GemG; SGS 180) ergibt sich sodann, dass die Mitglieder des Regierungsrats und des Kantonsgerichts sowie die BGE 147 I 173 S. 176 Gemeindeangestellten nicht den Gemeindebehörden und den Kontrollorganen angehören dürfen (vgl. § 9 Abs. 1 GemG). 3.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, zwar gelte § 34 Abs. 3 GOG nur für Mitarbeitende der Gemeinden. Im System des kantonalen Gemeinderechts, wonach der Gemeinderat die verwaltende und die vollziehende Behörde sei (vgl. § 70 Abs. 1 GemG), mache es aber nur Sinn, wenn Analoges auch für die Mitglieder des Gemeinderats zur Anwendung gelange. Gemäss § 34 Abs. 5 GOG blieben ausdrücklich die Unvereinbarkeitsvorschriften anderer Gesetze vorbehalten. § 9 Abs. 1 GemG regle denn auch genau diese Unvereinbarkeit. Mitglieder des Kantonsgerichts dürften demnach nicht den Gemeindebehörden und den Kontrollorganen angehören. A. sei mitwirkender Kantonsrichter und zugleich Gemeinderat der Gemeinde U. Dieser Umstand stelle einen schweren Mangel dar, der zur Nichtigkeit des Urteils führe. 3.2.3 Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, § 34 Abs. 3 GOG regle die Unvereinbarkeit von Doppelmandaten von Kantonsgerichtsangehörigen der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, während § 9 Abs. 1 GemG die Unvereinbarkeit von Doppelmandaten von Gemeindebehördenmitgliedern regle. Da in der vorliegenden Angelegenheit nicht die Angehörigkeit von A. als Gemeinderat von U., sondern seine Funktion als Kantonsrichter beanstandet werde, müsse deshalb auf die speziellere Regelung des Gerichtsorganisationsgesetzes abgestellt werden. Ausserdem gehe das Gerichtsorganisationsgesetz als lex posterior dem älteren Gemeindegesetz vor. Ferner begründe die Beschwerdeführerin nicht, weshalb sie erst am 16. Januar 2020 aus den Medien von einer allfälligen Unvereinbarkeit der Mitwirkung von A. Kenntnis erhalten habe. Die Besetzung des Gerichts sei ihr bereits zuvor bekannt gewesen. 4. Die Beschwerdeführerin hat im Revisionsgesuch vom 21. Januar 2020, auf das die Vorinstanz nicht eingetreten ist, dargetan, die kantonalen Unvereinbarkeitsbestimmungen als qualifizierte Ausstandsregeln schützten wesentliche übergeordnete verfassungsmässige und völkerrechtliche Verfahrensgarantien (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG ). Auch im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin mit Blick auf den Kantonsrichter A. einen Ausstandsgrund geltend. Ein (neuerliches) Revisionsgesuch nach Vorliegen des am 5. Mai 2020 schriftlich eröffneten Urteils vom 18. Dezember 2019 hat die Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz nicht gestellt. Zunächst ist deshalb zu beurteilen, ob die BGE 147 I 173 S. 177 Beschwerdeführerin den Ausstandsgrund unmittelbar vor Bundesgericht als erste Instanz vorbringen kann. 4.1 Wird ein Ausstandsgrund erst nach Abschluss des Verfahrens entdeckt, gelten grundsätzlich die Bestimmungen über die Revision (vgl. Art. 38 Abs. 3 BGG ; Art. 51 Abs. 3 ZPO ; Art. 60 Abs. 3 StPO ). Diese Regelungen folgen dem Grundgedanken, dass ein Gericht die Gerichtsbarkeit hinsichtlich eines bestimmten Falls verliert, sobald es seinen Entscheid gefällt hat (vgl. BGE 144 IV 35 E. 2. S. 39 ff.; BGE 139 III 120 E. 2 S. 121 f., BGE 139 III 466 E. 3.4 S. 468 f.). 4.1.1 Im Grundsatz ist lediglich die Revision rechtskräftiger Entscheide möglich (vgl. Art. 61 BGG i.V.m. Art. 121 BGG ; Art. 328 Abs. 1 ZPO ; Art. 410 Abs. 1 StPO ). Daraus hat das Bundesgericht bisher insbesondere in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten im Umkehrschluss gefolgert, dass ein Ausstandsgrund, wenn er nach Abschluss des Verfahrens - mithin nach Ergehen des Entscheids -, aber vor Ablauf der Rechtsmittelfrist entdeckt wird, im Rahmen des Rechtsmittels geltend gemacht werden kann. Entsprechend darf in diesen Fällen der Ausstandsgrund im Rahmen der Beschwerde in Zivil- oder Strafsachen gerügt werden (vgl. BGE 139 III 120 E. 3.1.1 S. 122; BGE 138 III 702 E. 3.4 S. 704; vgl. auch Urteil 2C_596/2018 vom 13. Mai 2019 E. 5). In Präzisierung dieser Rechtsprechung im Zivil- und Strafrecht hat das Bundesgericht festgehalten, es sei zulässig, die Partei auf das Rechtsmittel zu verweisen, solange dessen Frist noch nicht abgelaufen sei (vgl. BGE 139 III 466 E. 3.4 S. 469 ff.). 4.1.2 Entdeckt die beschwerdeführende Person hingegen während des hängigen bundesgerichtlichen Verfahrens einen Ausstandsgrund, darf die Vorinstanz im Lichte der Verwirkungsfolgen von Art. 125 BGG ein Nichteintreten auf ein Revisionsgesuch nicht einzig damit begründen, gegen den zu revidierenden Entscheid sei Beschwerde beim Bundesgericht erhoben worden. Eine Verfahrenspartei, die vor Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens einen (Ausstands-) Grund entdeckt, der ihres Erachtens die Revision des vorinstanzlichen Entscheids begründet, hat ein Revisionsgesuch bei der Vorinstanz und einen Sistierungsantrag beim Bundesgericht zu stellen (vgl. BGE 144 IV 35 E. 2.1 S. 39 f.; vgl. auch BGE 144 I 208 E. 4 S. 212 ff.; BGE 138 II 386 E. 6 f. S. 389 ff.; zit. Urteil 2C_596/2018 E. 5). 4.2 Die dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob es in der vorliegenden Angelegenheit sachgerecht BGE 147 I 173 S. 178 erscheint, die Rechtsprechung im Zivil- und Strafrecht zur Beurteilung von Ausstandsgründen während laufender Beschwerdefrist auf das Öffentliche Recht zu übertragen. 4.2.1 Werden Ausstandsgründe, die nach der massgebenden Eröffnung im Sinne von Art. 112 BGG , aber vor Eintritt der formellen Rechtskraft des vorinstanzlichen Entscheids entdeckt werden, unmittelbar auf dem Weg der Beschwerde beim Bundesgericht geltend gemacht, befindet dieses als erste Instanz über den Ausstand. Dies erweist sich im Zivil- und Strafrecht von vornherein als unproblematisch, da der Ausstand durch das Bundesrecht geregelt wird (vgl. Art. 47 ff. ZPO ; Art. 56 ff. StPO ; vgl. auch Art. 10 VwVG [SR 172.021]). Diese Ausstandsgründe prüft das Bundesgericht frei. 4.2.2 Anders kann es sich im Öffentlichen Recht verhalten: Das Bundesgericht überprüft kantonalrechtlich geregelte Ausstandsgründe im Grundsatz bloss auf deren Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht (vgl. Art. 95 lit. a BGG ). Beurteilt das Bundesgericht kantonalrechtliche Ausstandsregeln im Rahmen seiner eingeschränkten Kognition dennoch als erste Instanz, geht die beschwerdeführende Person sowohl auf der Ebene des Sachverhalts als auch auf der Ebene der Rechtsanwendung einer freien Prüfung verlustig (vgl. Art. 97 BGG sowie Art. 106 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 95 BGG im Vergleich zu Art. 110 BGG ). Ergibt sich ein Ausstandsgrund demgegenüber direkt als Ausfluss aus Art. 30 Abs. 1 BV , besteht eine andere Ausgangslage: Das Bundesgericht prüft hinreichend begründete Rügen im Zusammenhang mit einer Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV mit freier Kognition (vgl. Art. 95 lit. a BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG ). 4.2.3 Demzufolge ist die Rüge der Verletzung eines kantonalrechtlich geregelten Ausstandsgrunds unmittelbar in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zumindest dann zulässig, wenn sich der geltend gemachte Ausstandsgrund - wie vorliegend - direkt gestützt auf Art. 30 Abs. 1 BV beurteilen lässt und die Mitwirkung eines Gerichtsmitglieds mit dieser Verfassungsbestimmung potenziell im Konflikt steht. 5. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV aufgrund der Missachtung qualifizierter Ausstandsregeln. 5.1 Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einer oder einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richterin oder Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt BGE 147 I 173 S. 179 sind, prüft das Bundesgericht frei. Sie werden verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit begründen. Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Mitglieds des Spruchkörpers zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten der betreffenden Person oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Nicht verlangt wird, dass die Person tatsächlich voreingenommen ist, sondern es genügt der objektiv gerechtfertigte Anschein (vgl. BGE 140 I 240 E. 2.2 S. 242; BGE 137 I 227 E. 2.1 S. 229). Die Befangenheit einer Richterin oder eines Richters kann sich nicht nur aus der besonderen Konstellation im Einzelfall, sondern auch aus der vom Kanton gewählten Gerichtsorganisation ergeben (vgl. BGE 136 I 207 E. 3.2 S. 210 f.). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Ablehnungs- oder Ausstandsgrund unverzüglich nach Kenntnisnahme geltend gemacht werden (vgl. BGE 144 IV 35 E. 2.2 i.f. S. 41; BGE 140 I 240 E. 2.4 S. 244; BGE 126 III 249 E. 3c S. 253). 5.2 Das Bundesgericht befasste sich in einer Vielzahl von Fällen mit der Ausstandspflicht von Richterinnen und Richtern im Lichte von Art. 30 Abs. 1 BV . 5.2.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründet die blosse Kollegialität zwischen den Mitgliedern eines Gerichts keine Ausstandspflicht: In diesem Sinne verneinte das Bundesgericht eine Ausstandspflicht für Bundesrichterinnen und Bundesrichter in einer Angelegenheit, in der (einer) der Beschwerdeführer vor Bundesgericht ein ehemaliger nebenamtlicher Bundesrichter gewesen war (vgl. BGE 141 I 78 E. 3.3 S. 82). Gleiches erwog es für eine Konstellation, in der der Rechtsvertreter, der eine Partei vor dem Verwaltungsgericht vertrat, zugleich nebenamtlicher Richter am selben Gericht war. Der blosse Umstand, dass ein Parteivertreter in Drittverfahren am (selben) Gericht ein Ersatzrichteramt bekleidet, stellt im Grundsatz die Unbefangenheit der Gerichtsmitglieder nicht in Frage (vgl. BGE 139 I 121 E. 5 S. 125 ff.). Als unbefangen erschien auch die Richterin in einem Prozess, in dem ein Mitglied der Rechtsmittelinstanz als Parteivertreter auftrat. Die Beziehung einer unterinstanzlichen Richterin zu einem Anwalt, der gleichzeitig Mitglied einer Rechtsmittelinstanz ist, geht im Allgemeinen nicht wesentlich BGE 147 I 173 S. 180 über die Kollegialität unter Mitgliedern desselben Gerichts hinaus (vgl. BGE 133 I 1 E. 6.6 S. 9). Es ist auch nicht verfassungswidrig, wenn ein Ersatzrichter einer oberen Gerichtsbehörde über ein Rechtsmittel gegen einen Entscheid einer unteren Gerichtsbehörde befindet, der er selber als ordentliches Mitglied angehört (vgl. Urteil 4A_388/ 2014 vom 24. September 2014 E. 3.3). 5.2.2 Hingegen anerkannte das Bundesgericht in diversen Konstellationen eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV : Eine Verletzung lag in einer Angelegenheit vor, in der eine Ersatzrichterin Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche gegen die Universität Zürich mitbeurteilte, obwohl sie an der Universität Zürich zugleich Titularprofessorin war (vgl. Urteil 8C_642/2016 vom 27. März 2017 E. 4). Im Weiteren bejahte das Bundesgericht den Anschein der Befangenheit einer Oberrichterin wegen einer besonderen Nähe ihres Ehemanns und ihres Schwagers zu einer mit einer Verfahrenspartei eng verbundenen Person (vgl. BGE 140 III 221 E. 5.2 S. 224 ff.). Gleichermassen durfte ein Richter nicht über Entscheide einer Behörde urteilen, die seine Ehefrau durch ihre Weisung als stellvertretende Abteilungsleiterin veranlasst hatte (vgl. BGE 140 I 240 E. 2 S. 241 ff.). Zum gleichen Ergebnis gelangte das Bundesgericht auch in einer Angelegenheit, in der ein ehemaliger Gemeindeangestellter gegen die Gemeinde prozessierte. Der mit der Sache befasste Gerichtspräsident hatte in den Ausstand zu treten, da er bei den bevorstehenden Wahlen als Gemeinderat dieser Gemeinde kandidierte (vgl. Urteil 1P.667/2006 vom 29. November 2006 E. 3.2 f., in: Pra 2007 Nr. 101 S. 663, ZBI 109/2008 S. 280 und RDAF 2009 I S. 425). Das Bundesgericht hatte sich sodann wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen ein nebenamtlicher Richter wegen seiner hauptberuflichen Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit einer Prozesspartei besonders verbunden war: Ein als Richter amtender Anwalt erschien als befangen, solang zu einer der Prozessparteien ein noch offenes Mandat bestand oder wenn er für eine Prozesspartei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig wurde, dass eine Art Dauerbeziehung vorlag (vgl. BGE 138 I 406 E. 5.3 f. S. 407 ff.; BGE 135 I 14 E. 4.1 S. 15 f.). Der Anschein der Befangenheit ergab sich auch bei einem nebenamtlichen Richter, wenn nicht er ein Mandat mit einer Prozesspartei unterhielt, sondern ein anderer Anwalt seiner Kanzlei (vgl. BGE 139 III 433 E. 2.1.5 S. 438). Ausserdem bejahte das Bundesgericht eine besondere Verbundenheit und damit den Anschein der Befangenheit, als ein offenes Mandat des als nebenamtlicher Richter tätigen BGE 147 I 173 S. 181 Anwalts oder seiner Kanzlei nicht nur zu einer Verfahrenspartei, sondern auch zu einer mit dieser eng verbundenen Person (Konzernschwestergesellschaft) bestand (vgl. BGE 139 III 433 E. 2.3 f. S. 441 ff.). 5.3 Im Lichte der bisher ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden Ausstandspflicht von Richterinnen und Richtern ist im Folgenden die Mitwirkung von A. zu beurteilen. 5.3.1 Die Mitwirkung von A. erweist sich deshalb als bedenklich, da er als mitwirkender Kantonsrichter, der zugleich als Gemeinderat amtiert, auf Ersuchen einer anderen Gemeinde des gleichen Kantons über eine Angelegenheit des interkommunalen Finanzausgleichs urteilt. Unabhängig von der Auslegung der kantonalrechtlichen Bestimmungen ist der vorliegenden Angelegenheit aufgrund der zu beurteilenden (inter-)kommunalen Thematik eine Befangenheit immanent: Als amtierendes Mitglied einer Gemeindexekutive urteilt A. in seiner kantonalen richterlichen Funktion über eine Angelegenheit einer anderen Gemeinde. Die Beantwortung der Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Beurteilung des interkommunalen Finanzausgleichs stellen, wirkt sich nicht lediglich auf die Beschwerdeführerin aus. Sie hat potenziell auch auf die Gemeinde einen Einfluss, in deren Gemeinderat A. Mitglied ist. Er ist als Kantonsrichter zufolge seines Doppelmandats bei objektiver Betrachtung befangen, da der Anschein besteht, dass er bei der Anwendung der kantonalen Bestimmungen zum interkommunalen Finanzausgleich Interessen aus seiner Tätigkeit als Mitglied der Exekutive einer anderen Gemeinde wahrnehmen könnte. Dass die Gemeinde U., in der A. als Gemeinderat amtet, finanziell von einer Ablehnung des Gesuchs der Beschwerdeführerin "nur marginal betroffen" - d.h. im Umfang von 2,3 % oder von rund Fr. 46'000.- - sein soll, ändert daran entgegen der Auffassung des Regierungsrats nichts. Infolgedessen ergibt sich durch seine Mitwirkung im vorinstanzlichen Verfahren eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV . 5.3.2 Für ein solches Verständnis sprechen überdies die einschlägigen kantonalen Bestimmungen: Auch wenn § 34 Abs. 3 GOG bloss vorsieht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden nicht in eine Abteilung des Kantonsgerichts Einsitz nehmen können, die Verfassungs- und Verwaltungssachen zu beurteilen hat, scheint es, als hätte der kantonale Gesetzgeber mit § 34 Abs. 5 GOG für Gerichtsmitglieder in bestimmten Konstellationen bewusst eine BGE 147 I 173 S. 182 weitergehende Unvereinbarkeitsregelung angestrebt. Das Gerichtsorganisationsgesetz, das für A. in seiner Funktion als Kantonsrichter anwendbar ist, behält ausdrücklich Unvereinbarkeitsvorschriften anderer Gesetze vor (vgl. § 34 Abs. 5 GOG). Gemäss § 9 Abs. 1 GemG dürfen Mitglieder des Kantonsgerichts nicht den Gemeindebehörden und den Kontrollorganen angehören. Insofern liegt entgegen der Auffassung des Regierungsrats kein Normkonflikt zwischen dem kantonalen Gerichtsorganisations- und dem kantonalen Gemeindegesetz vor. Vielmehr wird das Gerichtsorganisationsgesetz aufgrund des Vorbehalts von § 34 Abs. 5 GOG mit der Unvereinbarkeitsbestimmung des Gemeindegesetzes ergänzt. 5.3.3 Ausserdem ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die allfällige Unvereinbarkeit der Mitwirkung von A. im Sinne eines Ausstandsgrunds erst verspätet geltend gemacht hätte. Sie ist unmittelbar nach der Kenntnisnahme am 16. Januar 2020 an die Vorinstanz gelangt. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin nicht bereits durch die blosse Bekanntgabe der Änderung der Spruchkörperzusammensetzung vom 29. November 2019 oder durch die mündliche Eröffnung des Urteils am 18. Dezember 2019 von einem allfälligen Ausstandsgrund Kenntnis genommen. Sie hat nicht davon ausgehen müssen, dass ein Mitglied des Spruchkörpers zugleich Mitglied der Gemeindeexekutive einer anderen Gemeinde ist, zumal § 9 Abs. 1 GemG dies ausschliesst. Es kann von der Beschwerdeführerin zudem nicht verlangt werden, dass sie in den sie betreffenden Verfahren jeweils sämtliche Mitglieder des Spruchkörpers auf rechtswidrige Doppelmandate sowie deren Mitwirkung auf allfällige kantonalrechtlich geregelte Unvereinbarkeiten hin prüft. Somit stellt der geltend gemachte Ausstandsgrund eine erhebliche Tatsache dar, die im vorinstanzlichen Verfahren bis zur mündlichen Urteilseröffnung nicht hätte geltend gemacht werden müssen und als Beschwerdegrund im Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht noch vorgebracht werden kann (vgl. auch § 40 Abs. 2 lit. c des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft vom 13. Juni 1988 [VwVG/ BL; SGS 175]). 5.4 Nach dem Dargelegten liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor. Im Grundsatz ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein unter Missachtung von Ausstandspflichten zustande gekommener Entscheid unabhängig von seiner inhaltlichen Richtigkeit aufzuheben (vgl. Urteil 1C_517/2018 vom 4. April 2019 E. 3). Damit erübrigt sich die Behandlung des Hauptantrags um Feststellung der BGE 147 I 173 S. 183 Nichtigkeit sowie der materiellen Aspekte der Beschwerde. Ausserdem kann offenbleiben, ob der Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK , dessen Verletzung die Beschwerdeführerin ebenfalls rügt, bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem interkommunalen Finanzausgleich eröffnet ist.
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Erwägungen ab Seite 115 BGE 133 V 115 S. 115 Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. 1.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin die Kosten der vom 2. bis 10. Mai 2001 in der Zahnärztlichen Klinik X. mittels Teilversorgung des Unterkiefers durch basal osseointegrierte Implantate (BOI) durchgeführten zahnmedizinischen Behandlung zu übernehmen hat. 1.2 Im angefochtenen Entscheid wurden sowohl die für die Beurteilung der Streitfrage massgebenden (mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts BGE 133 V 115 S. 116 [ATSG] am 1. Januar 2003 unverändert gebliebenen) Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen ( Art. 31-33 KVG , Art. 33 lit. d KVV , Art. 17-19a KLV ) wie auch die Rechtsprechung zur Übernahme der Kosten von zahnärztlichen Behandlungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung ( BGE 127 V 332 E. 3a und 343 E. 3b; BGE 124 V 185 ), namentlich zum hierzu u.a. erforderlichen Kriterium der Wirksamkeit der medizinischen Leistung ( BGE 130 V 304 E. 6.1 und 305 E. 6.2.1.1; RKUV 2004 Nr. KV 272 S. 118 E. 4.3.2.1 mit Hinweis [Urteil K 156/01 vom 30. Oktober 2003], BGE 130 V 2000 Nr. KV 132 S. 281 f. E. 2b [Urteil K 151/99 vom 7. Juli 2000]), richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 2. 2.1 Auf Grund der Akten ist belegt, dass die Beschwerdeführerin an einer - unter Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG (durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingte zahnärztliche Massnahme) in Verbindung mit Art. 17 ("Erkrankungen des Kiefergelenkes und des Bewegungsapparates") lit. d Ziff. 1 KLV zu subsumierenden - Kiefergelenksarthrose leidet. Eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin ist folglich grundsätzlich zu bejahen, sofern die beanspruchte dentalmedizinische Behandlung als wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich (vgl. Art. 32 Abs. 1 KVG ) einzustufen ist. 2.2 Das kantonale Gericht hat die Pflicht der Beschwerdegegnerin zur Übernahme der angefallenen Kosten in Höhe von Fr. 11'333.65 insbesondere mit dem Argument der fehlenden Wirksamkeit der Behandlung verneint, während die Kriterien der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit als zu Recht unbestritten geblieben beurteilt wurden. Dies erweist sich in Bezug auf die Zweckmässigkeit insofern als unzutreffend, als diese wiederum die Wirksamkeit (und damit die Wissenschaftlichkeit) der Behandlung voraussetzt (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz. 185). 3. 3.1 Unter Hinweis auf die massgebende Rechtsprechung (vgl. E. 1.2 hievor) wurde im vorinstanzlichen Entscheid richtig erkannt, dass eine medizinische Leistung als wirksam zu bezeichnen ist, wenn sie objektiv geeignet ist, auf den angestrebten diagnostischen, therapeutischen oder pflegerischen Nutzen hinzuwirken. Wirksamkeit bezeichnet die kausale Verknüpfung von Ursache BGE 133 V 115 S. 117 (medizinische Massnahme) und Wirkung (medizinischer Erfolg). Sie lässt sich im Allgemeinen in verschiedene Grade abstufen, meint aber in Art. 32 Abs. 1 KVG die einfache Tatsache der allgemeinen Eignung zur Zielerreichung (EUGSTER, a.a.O., Rz. 185). Die Wirksamkeit muss gemäss Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein, was für den Fall gilt, dass die in Frage stehende Behandlung von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis als geeignet erachtet wird, wobei das Ergebnis und die Erfahrungen sowie der Erfolg einer bestimmten Therapie entscheidend sind; diesbezüglich sind in der Regel nach international anerkannten Richtlinien verfasste wissenschaftliche (Langzeit-)Studien erforderlich. 3.2 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, insbesondere die in BGE 130 V 305 E. 6.2.1.1 enthaltene Formulierung verdeutliche, dass sich der Begriff der Wirksamkeit in erster Linie durch das einzelfallbezogene Behandlungsziel (Ziel- und Erfolgsorientierung) definiere, wodurch deren Nachweis anhand wissenschaftlicher Studien an Bedeutung verliere, kann ihr nicht gefolgt werden. 3.2.1 Im seit 1. Januar 1996 geltenden KVG ist das Kriterium der wissenschaftlichen Anerkennung durch dasjenige der Wirksamkeit ersetzt worden. Die Botschaft des Bundesrates zur Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 führte hiezu aus, dass der Begriff der wissenschaftlichen Anerkennung in den letzten Jahren stark in Zweifel gezogen worden sei und heute als ungeeignet und zu ungenau angesehen werde, weshalb er durch denjenigen der Wirksamkeit ersetzt werde (BBl 1992 I 158). Dieser Vorschlag löste in den Eidgenössischen Räten ausführliche Diskussionen aus und führte zur Aufnahme des Zusatzes, dass "die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss". Damit sollte den Errungenschaften der Komplementärmedizin Rechnung getragen werden (vgl. BGE 123 V 62 f. E. 2c/bb mit Hinweisen). Für den Bereich der klassischen Medizin muss die Wirksamkeit einer therapeutischen Vorkehr hingegen weiterhin nach den Kriterien und Methoden der wissenschaftlichen Schulmedizin nachgewiesen sein, weshalb hier der Begriff der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit nach wie vor demjenigen der wissenschaftlichen Anerkennung entspricht ( BGE 125 V 28 E. 5a in fine; EUGSTER, a.a.O., Rz. 194). Massgebend ist somit, ob eine therapeutische oder diagnostische Massnahme von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis als geeignet erachtet wird, BGE 133 V 115 S. 118 das angestrebte therapeutische oder diagnostische Ziel zu erreichen. Namentlich darf aus der Ablösung des Begriffs der wissenschaftlichen Anerkennung nicht der Schluss gezogen werden, die Beurteilung der Wirksamkeit habe einzelfallbezogen und retrospektiv auf Grund der konkreten Behandlungsergebnisse zu erfolgen. Vielmehr geht es dabei ebenfalls um eine vom einzelnen Anwendungsfall losgelöste und retrospektive allgemeine Bewertung der mit einer diagnostischen oder therapeutischen Massnahme erzielten Ergebnisse ( BGE 123 V 66 E. 4a; RKUV 2000 Nr. KV 132 S. 281 f. E. 2b [Urteil K 151/99 vom 7. Juli 2000]; EUGSTER, a.a.O., Rz. 186). Neben streng naturwissenschaftlichen sind auch andere wissenschaftliche Methoden (beispielsweise die Statistik) möglich und zulässig ( BGE 123 V 63 E. 2c/bb mit Hinweisen). Der Beweis der Wirksamkeit lässt sich am zuverlässigsten mit dem klinischen Versuch führen, wobei die Wirkung einer Therapie nach naturwissenschaftlichen Kriterien objektiv feststellbar, der Erfolg reproduzierbar und der Kausalzusammenhang zwischen dem therapeutischen Agens und seiner Wirkung ausgewiesen sein muss. Für eine wissenschaftlich begründete Heilmethode ist ferner wichtig, dass sie auf soliden experimentellen Unterlagen beruht, die den Wirkungsmechanismus bezeugen (EUGSTER, a.a.O., Rz. 187 und Fn. 392). 3.2.2 Daraus wird deutlich, dass das Erfordernis der wissenschaftlichen Studien, um das Kriterium der Wirksamkeit einer medizinischen Massnahme beurteilen zu können, weiterhin seine Gültigkeit besitzt. Der Nachweis der Wirksamkeit, dem eine objektivierbare Sicht zugrunde zu liegen hat, ist auf der Basis wissenschaftlicher Methoden, am ehesten mit Hilfe von statistischen Vergleichswerten (vgl. BGE 123 V 67 E. 4c), zu belegen, welche ihrerseits mittels entsprechender Studien zu dokumentieren sind. Entgegen der Darlegung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nicht eine individualisierte Betrachtungsweise in dem Sinne ausschlaggebend, dass einige Zeit nach der vorgenommenen Behandlung eine Erfolgskontrolle stattfindet, deren Ergebnis darüber entscheidet, ob die jeweilige medizinische Vorkehr als wirksam zu betrachten ist oder aber eben nicht. Vielmehr gilt es, anhand eines allgemeineren Massstabs die - objektivierte - Wirksamkeit einer bestimmten Behandlungsweise zu ermitteln. Ein derartiges Vorgehen erfordert indessen breit abgestützte, im Regelfall auf internationaler Ebene erhobene wissenschaftliche Daten. Es ist nicht einsehbar, weshalb dieser Grundsatz nicht auch auf so genannte Nischenmethoden oder BGE 133 V 115 S. 119 -produkte Anwendung finden sollte. Diese gelangen zwar nur in besonders gelagerten gesundheitlichen Situationen zum Einsatz, können - und müssen, um als generell anerkannt und damit als wirksam zu gelten - sich aber gerade innerhalb dieses engen Spektrums bewähren und als gemeinhin erfolgversprechende Massnahme im betreffenden engen Segment etablieren. Dem Umstand, dass es bei neu auf den Medizinalmarkt gelangenden Methoden und Produkten, gerade mit Blick auf die erwähnte, oftmals nicht durch die finanziellen Kräfte grosser Unternehmungen getragene Nischensparte, zuweilen an aufwändigen, wissenschaftlich fundierten (Vorab-)Langzeitstudien fehlen dürfte, ist sodann sicherlich Rechnung zu tragen; er ändert aber nichts daran, dass die in Frage stehende Behandlung, um als wirksam im krankenversicherungsrechtlichen Sinne gelten zu können, im betroffenen medizinischen Wissenschaftsbereich doch grossmehrheitlich als grundsätzlich geeignet eingestuft werden muss. 3.3 Die Beschwerdeführerin bringt des Weitern, insbesondere gestützt auf die mit Eingabe vom 28. September 2006 eingereichten gutachterlichen Ausführungen des Prof. Dr. med. O. und des Dr. med. N. zuhanden des Landgerichts X. vom 1. August 2006, vor, bereits aus dem auf Grund des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, [HMG; SR 812.21]) samt dazugehöriger Ausführungserlasse ergangenen Zulassungsentscheid ergebe sich die wissenschaftliche Anerkennung - und damit die Wirksamkeit - eines Produktes. Diese Zulassung, deren es namentlich für die Inverkehrbringung bedürfe, sei für die vorliegend zu beurteilenden BOI-Implantate mittels CE-Zertifizierung (anerkanntes ausländisches Konformitätskennzeichen gemäss Art. 8 Abs. 4 der Medizinprodukteverordnung vom 17. Oktober 2001 [MepV; SR 812.213] in Verbindung mit Anhang 2 zur MepV) erfolgt, weshalb sich weitere Abklärungen zur Frage der Wirksamkeit erübrigten. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass weder die Tatsache des Patentschutzes der - in der Schweiz durch die Firma I. vertriebenen - BOI-Implantate noch der Umstand allein, dass es sich dabei um in der Schweiz gemäss HMG zugelassene Medizinprodukte handelt, die im obligatorischen Krankenpflegeversicherungsbereich für die Leistungserbringung erforderliche Wirksamkeit der Behandlung nach Art. 32 Abs. 1 KVG zu begründen vermag. Wie die Vorinstanz in allen Teilen zutreffend erkannt hat - auf die entsprechende E. 4.4 im BGE 133 V 115 S. 120 angefochtenen Entscheid wird vollumfänglich verwiesen -, ist insbesondere die Zwecksetzung der beiden Gesetze eine andere. So deckt sich der Rechtsbegriff der krankenversicherungsrechtlich massgeblichen Wirksamkeit beispielsweise nicht mit den ökonomischen Begriffen der Effektivität oder Effizienz (EUGSTER, a.a.O., Fn. 385 mit Hinweisen). Immerhin kann davon ausgegangen werden, dass die Zulassung eines Medizinproduktes gemäss HMG Voraussetzung dafür bildet, dass die damit in Zusammenhang stehende Behandlung überhaupt krankenversicherungsrechtlich als vergütungsfähig in Betracht fallen kann. Der Umstand, dass ein Produkt medizinalrechtlich zugelassen ist (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen: Art. 45 Abs. 2 HMG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 MepV ), führt indessen nicht dazu, dass auch das Kriterium der Wirksamkeit im Sinne des Art. 32 Abs. 1 KVG ohne weiteres als erfüllt anzusehen ist. 4. 4.1 Im Folgenden ist nach dem Gesagten zu prüfen, ob die fragliche Zahnbehandlung dem Gebot der Wirksamkeit nach den von der Rechtsprechung definierten Grundsätzen (vgl. E. 3.1, 3.2.1 und 3.2.2 hievor) entspricht. 4.1.1 Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Abklärungen zur Wissenschaftlichkeit der Behandlungsmethode, sie zog u.a. - im vorinstanzlichen Entscheid detailliert wiedergegebene - Stellungnahmen des Prof. Dr. med. dent. L. vom 19. Juni 2003, des Dr. med. dent. G. vom 8. September 2003 und des Prof. Dr. med. dent. B. vom 10. Dezember 2003 bei (vgl. auch den Bericht des Prof. Dr. med. C. vom 16. August 1999), ergeben diesbezüglich ein klares Bild. Daraus erhellt, dass die bei der Beschwerdeführerin angewandte zahnmedizinische Behandlung mit BOI-Implantaten - respektive generell mit Diskimplantaten - in der Schweiz kaum praktiziert wird. Dem opponiert die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis darauf, dass Dr. med. dent. I. wohl einer der einzigen Zahnärzte schweizweit sei, der über die Fähigkeiten verfüge, das Basalosseanintegrationsverfahren anzuwenden, bzw. es auch anwenden dürfe (vgl. zu letzterem Punkt namentlich den Handelsregisterauszug zur Firma I.), prinzipiell nicht. Dieser Umstand allein spräche indessen, gerade bei allenfalls erst neu auf den Zahnmedizinalmarkt gebrachten Produkten und Verfahren, noch nicht gegen eine wissenschaftlich fundierte und dentalmedizinisch grundsätzlich anerkannte Behandlungsform. Ausschlaggebend ist im BGE 133 V 115 S. 121 vorliegenden Zusammenhang jedoch, dass sich die um Auskunft angefragten Fachspezialisten, insbesondere auch die Vertreter der Schweizerischen Gesellschaft für orale Implantologie, ohne Ausnahme mangels wissenschaftlicher Anerkennung ausdrücklich gegen eine Anwendung von BOI-Implantaten aussprechen. Es kann daher nicht gesagt werden, diese seien, was die Schweiz betrifft, von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis als geeignet bezeichnet worden. Der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuerte Einwand, bei den von der Beschwerdegegnerin angeschriebenen Ärzten und Zahnärzten handle es sich um Anhänger der herkömmlichen Schraubenimplantate, welche nicht zuletzt auch in ihrer Position als direkte oder indirekte finanzielle Nutzniesser des traditionellen Verfahrens kein Interesse an einer Abkehr bzw. Konkurrenzierung desselben hätten, erweist sich alsdann, wie bereits das kantonale Gericht einlässlich dargelegt hat, als nicht stichhaltig. Weiterungen hierzu erübrigen sich, zumal dem behandelnden Zahnarzt Dr. med. dent. I. auf Grund der im Handelsregister eingetragenen hauptsächlichen Zwecksetzung der Firma I. ("Import, Export und Vertrieb von medizinischen, dental-medizinischen und pharmazeutischen Präparaten und Geräten") ein nicht unerhebliches pekuniäres Interesse an der Implementierung seiner neuen Behandlungsform wohl kaum abzusprechen ist. 4.1.2 Die von der Beschwerdeführerin aufgelegten ausländischen Unterlagen vermögen das Bild eines gestützt auf internationale wissenschaftliche Erkenntnisse verankerten Verfahrens ferner ebenfalls nicht zu vermitteln. Das kantonale Gericht - wie auch die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer Beschwerdeantwort vom 23. Mai 2005 - hat die diesbezüglichen, im vorinstanzlichen Verfahren aufgelegten Berichte und Gutachten einzeln aufgeführt und überzeugend dargelegt, weshalb diese keine Handhabe zur Untermauerung des beschwerdeführerischen Standpunktes bieten. Das dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eingereichte Gutachten des Prof. Dr. med. H. vom 20. Juli 2006 wurde sodann offenbar im Rahmen eines in Deutschland von der Firma I. gegen einen Arzt bzw. Zahnarzt erhobenen Feststellungsprozesses gerichtlich eingeholt. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, dass die Verwendung von BOI- bzw. Diskimplantaten nicht riskanter sei als die Benutzung anderer Implantate und dass erstere "zumindest theoretisch Vorteile bei speziellen Indikationen" hätten. Aus diesen Angaben allein kann jedoch noch nicht auf eine für den Wirksamkeitsnachweis nach BGE 133 V 115 S. 122 Art. 32 Abs. 1 KVG erforderliche, von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis als geeignet erachtete Behandlungsweise geschlossen werden. 4.2 Es ist folglich nicht dargetan, dass die hier zu beurteilende Implantatversorgung - jedenfalls im massgeblichen Behandlungszeitraum (vgl. dazu auch Art. 32 Abs. 2 KVG ) - als nach internationalen wissenschaftlichen Richtlinien anerkannt und damit als im krankenversicherungsrechtlichen Sinne wirksam zu gelten hat. Der vorliegende Fall gibt ferner auch keinen Anlass, vom Erfordernis, dass ein Behandlungskonzept von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis als geeignet definiert wird, abzusehen. Die für eine Leistungspflicht des obligatorischen Krankenpflegeversicherers notwendigen Kriterien der Wirksamkeit und Wissenschaftlichkeit einer - hier dentalmedizinischen - Methode sind nicht nur Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Behandlung, sondern, in erster Linie, für die Kostenübernahme durch den sozialen Krankenversicherer. Derartige Kosten können nicht schon dann abgegolten werden, wenn ein Verfahren im Einzelfall Erfolg verspricht (vgl. E. 3.2.1 und 3.2.2 hievor). Vielmehr erweist sich eine Vergütung der Kosten erst dann als sachgerecht, wenn zusätzlich gefestigte Erkenntnisse über die - objektive - Eignung einer Behandlung für den medizinischen Erfolg vorliegen. Dieser Grundsatz gilt insbesondere für den Fall, dass bewährte therapeutische Methoden zur Behandlung von Krankheiten bereits existieren, deren Kosten von der Krankenpflegeversicherung auch getragen werden. Dies ist im Bereich von Zahnimplantaten zu bejahen, weshalb gerade im vorliegenden Zusammenhang keine Veranlassung besteht, von der geltenden Rechtsprechung abzuweichen. An diesem Ergebnis ändert im Übrigen auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf BGE 129 V 80 , welchem Verfahren gemäss letztinstanzlich eingereichter, unterschriftlicher Bestätigung der damaligen Beschwerdeführerin vom 13./26. Juni 2006 ebenfalls die Behandlung mittels eines BOI-Implantates zugrunde lag, nichts. Im damaligen Prozess wurden die Voraussetzungen der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit der vorgeschlagenen Behandlung zwar, da von keiner Seite bestritten, nicht angezweifelt ( BGE 129 V 88 f. E. 6.2.1 und 6.2.2), dies jedoch bezogen auf eine durch ein Geburtsgebrechen notwendige zahnärztliche Versorgung des Oberkiefers und ohne dass eingehend geprüft worden war, ob die angewandte Methode nach den hierfür relevanten Grundsätzen als BGE 133 V 115 S. 123 wirksam und zweckmässig einzustufen sei. Zu beurteilen hatte das Gericht auf Grund der Parteivorbringen primär die Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Zusammenhang mit Geburtsgebrechen ( BGE 129 V 89 E. 6.2.3), weshalb daraus mit Blick auf die sich im vorliegenden Verfahren stellende Frage nichts Entscheidwesentliches abgeleitet werden kann. 5. Der Beschwerdeführerin steht des Weitern auch kein kompensationsweise zu erbringendes Kostenäquivalent einer Behandlung mit herkömmlichen Schraubenimplantaten zu. Da es sich bei dem von ihr gewählten Verfahren nicht um eine wirksame Massnahme nach Art. 32 Abs. 1 KVG - und daher um eine Nichtpflichtleistung - handelt, entfällt vorliegend, auch auf dem Wege der Austauschbefugnis (vgl. hiezu BGE 126 V 332 E. 1b mit Hinweisen; Urteil K 95/03 vom 11. Mai 2004, E. 4; EUGSTER, a.a.O., Rz. 218), eine Kostenbeteiligung durch die Beschwerdegegnerin. Es hat demnach beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.
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Sachverhalt ab Seite 103 BGE 94 I 102 S. 103 Ritenuto in fatto: A.- Il 21 dicembre 1966 l'Ufficio degli stranieri del Cantone Ticino rilasciò al cittadino italiano Z., nato l'11 aprile 1941, celibe, residente ad A. un permesso di dimora valido sino al 17 dicembre 1967, affinchè si occupasse quale muratore presso una impresa edile. Il permesso di dimora sostituiva quello quale lavoratore stagionale, a'sensi dell'art. 12 cifra 1 dell'Accordo fra la Svizzera e l'Italia relativo all'emigrazione dei lavoratori italiani in Svizzera del 10 agosto 1964, in vigore dal 22 aprile 1965 (RU 1965, p. 400 e segg.). B.- Il 16 maggio 1967 X. si rivolse all'Ufficio cantonale degli stranieri, chiedendo l'adozione di immediati provvedimenti contro Z., che accusava di intrattenere una relazione adulterina con la propria moglie, madre di cinque figli. BGE 94 I 102 S. 104 Il 15 giugno 1967 Z. fu convocato dalla polizia. Ammise spontaneamente la relazione, che dichiarò però di aver rotto da oltre dieci giorni. Promise che avrebbe respinto ogni tentativo che la donna avesse fatto per riannodarla. C.- Il 27 giugno 1967 l'Ufficio cantonale degli stranieri revocava il permesso, con la motivazione che il ricorrente aveva intrattenuto una pervicace relazione con una donna sposata, madre di cinque figli, creando un gravissimo turbamento nella famiglia e provocando l'abbandono del tetto coniugale da parte dell'amante. Contro quella decisione Z. ricorse, il 6 luglio 1967, al Dipartimento di polizia del Cantone Ticino. Fece valere di aver allacciato la relazione ignorando che l'amante fosse coniugata; di averla voluta troncare, dopo aver appreso tale circostanza; di averla finalmente troncata al momento in cui apprese del dissidio insorto tra i coniugi e prima che la donna lasciasse il tetto coniugale, rifiutando di riprenderla nonostante le insistenze della amante. A tal proposito produsse dichiarazioni testimoniali. Osservò inoltre che la relazione non aveva dato origine ad alcuna procedura giudiziaria tra i coniugi, e che la misura presa nei suoi confronti lo ledeva gravemente e non appariva adeguata alle circostanze. D.- Con del decisione 18 luglio 1967 il Dipartimento respingeva il ricorso, prorogando dal 10 al 31 luglio il termine per l'abbandono del territorio cantonale. Nei motivi il Dipartimento sottolineava la gravità della tresca, causa del profondo turbamento delle relazioni tra i coniugi e l'abbandono del tetto coniugale. Riteneva che l'allontanamento dello Z. si imponeva anche per ragioni di ordine pubblico, il marito della donna essendo in istato di estrema esasperazione ed avendo proferito minacce gravissime contro il ricorrente. E.- Z. ricorse al Consiglio di Stato, riproponendo le ragioni del precedente gravame. Produsse una dichiarazione rilasciata dalla signora in questione al suo legale. In essa, la donna conferma che, all'inizio della relazione, Z. ignorava lo stato coniugale dell'amante, tra l'altro perchè questa non portava, per un eczema alle mani, la fede nuziale; che la relazione venne immediatamente troncata, non appena il marito scoprì l'adulterio; che, dopo l'avvenuta riconciliazione dei coniugi, l'abbandono del tetto coniugale fu improvvisamente imposto dal marito, sobillato da terze persone. BGE 94 I 102 S. 105 Il ricorso fu sottoposto a X. per osservazioni ed eventuali nuove adduzioni. Questi contestò l'esposizione del ricorrente; aggiunse che gli amanti, scoperti, si erano avvalsi della minorenne M. per stabilire i loro convegni. Confermò che l'abbandono del tetto coniugale da parte della donna fu dovuto unicamente all'infatuazione di questa per Z. F.- Con decisione 10 ottobre 1967 il Consiglio di Stato respinse il ricorso, prorogando al 31 ottobre il termine di partenza. Sui motivi, ove occorra, si tornerà in appresso. G.- Con tempestivo ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF, Z. chiede al Tribunale federale di annullare l'impugnata risoluzione e di rinviare gli atti al Consiglio di Stato per regolare istruttoria e nuova decisione. Il ricorrente fa valere che il Consiglio di Stato avrebbe violato l'art. 18 della Legge di procedura per le cause amministrative (LPCA) che fa obbligo all'autorità di accertare d'ufficio i fatti. L'impugnata misura, secondo il ricorrente, non sarebbe stata preceduta da regolare istruttoria, non potendosi considerare valido atto istruttorio la richiesta di osservazioni al marito denunciante, il quale, secondo l'indicazione della stessa autorità, si trova in uno stato di estrema esasperazione. Inoltre il Consiglio di Stato avrebbe violato il diritto di essere sentito del ricorrente, fondando tra l'altro la sua decisione sulla circostanza, non contestata al ricorrente, per cui gli amanti si sarebbero avvalsi della figlia sedicenne della signora X. come intermediaria dei loro incontri. Infine, il Consiglio di Stato avrebbe ammesso fatti in contrasto con gli atti. H.- Il Consiglio di Stato propone la reiezione del ricorso. Con le osservazioni produce una ulteriore inchiesta fatta esperire dagli organi di polizia. Per questo motivo è stata concessa al ricorrente la facoltà di replicare. Egli conferma le conclusioni ricorsuali.
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Erwägungen Considerando in diritto: 1. Secondo la giurisprudenza inaugurata dal Tribunale federale con la sentenza del 3 febbraio 1967 nella causa X. c. Zurigo (ZBl. 68/1967, p. 376 e segg.) e confermata il 15 marzo dello stesso anno con la sentenza pubblicata in RU 93 I 1 e segg., lo straniero può interporre un ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF contro la decisione di revoca del BGE 94 I 102 S. 106 permesso di dimora. Il Tribunale federale ha infatti precisato che la sfera di validità dell'art. 4 CF - il quale vincola non solo il giudice e l'amministrazione, ma anche il legislatore - non è limitata nè dal profilo oggettivo nè da quelle personale. In realtà, dal tenore di simile disposizione costituzionale, che par la dell'eguaglianza degli "Svizzeri" davanti alla legge, non si può senz'altro dedurre ch'essa si riferisce soltanto ai rapporti fra lo Stato e i suoi propri cittadini. Anzi, già la circostanza che lo Stato di diritto non può limitare ad una parte sola dei suoi soggetti la validità del principio per lui basilare dell'eguaglianza davanti alla legge e del conseguente divieto del diniego di giustizia materiale e formale, induce ad intendere sotto il termine "Svizzero", usato nell'art. 4 CF, l'individuo come tale. Anche lo straniero beneficia quindi della protezione di tale norma costituzionale, e può pertanto, di massima, interporre un ricorso di diritto pubblico contro la decisione cantonale d'ultima istanza che gliela nega. Naturalmente, perchè possa presentare un ricorso di tale natura, lo straniero deve dimostrare d'essere stato colpito dall'atto dell'autorità nella sua posizione giuridica e d'avere sofferto, in siffatta posizione, un pregiudizio materiale (e di regola anche attuale) ( art. 88 OG ). Il Tribunale federale ha già statuito che è leso nei suoi interessi giuridicamente protetti ai sensi dell' art. 88 OG lo straniero che si vede revocato, prima del termine, il permesso di dimora, o che se lo vede rifiutato in violazione di norme essenziali di procedura (RU 93 I 5). Dato quanto precede, la censurata revoca del permesso di dimora poteva di conseguenza essere impugnata mediante il presente ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF. Vero è che, frattanto, il permesso in discussione è venuto a scadere (precisamente, il 17 dicembre 1967). Tuttavia, siccome il ricorrente risiede in Svizzera da oltre 5 anni, egli avrebbe in linea di principio il diritto di ottenere il rinnovo del permesso di dimora (art. 11 cpv. 1 lett. a del citato accordo tra la Svizzera e l'Italia), se la decisione di revoca dovesse cadere. L'interesse del ricorrente all'annullamento del provvedimento impugnato è quindi anche attuale (ZBl. 68/1967, p. 379, lett. c). Il presente gravame è pertanto ricevibile. 2. Il ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF ha in genere funzione meramente cassatoria. In quanto chiede al Tribunale federale di rinviare gli atti al Consiglio di Stato per nuova istruttoria e decisione il ricorso è irricevibile. BGE 94 I 102 S. 107 3. Il Consiglio di Stato ha, con le proprie osservazioni, prodotto un'inchiesta che ha fatto esperire dal Dipartimento cantonale di polizia posteriormente all'impugnata decisione. Tale istruttoria è stata, almeno su taluni punti, postulata dallo stesso legale del ricorrente, il quale, in una lettera del 6 novembre 1967 all'Ufficio degli stranieri, precisava che il suo cliente avrebbe gradito "un'inchiesta intesa a controllare la veridicità delle sue asserzioni e la totale infondatezza della dichiarazione... di X.". Il Consiglio di Stato, comunque, nelle sue osservazioni, dichiara di averla ordinata a titolo abbondanziale, per puro scrupolo di giustizia. Questo documento è nuovo. Si pone pertanto il quesito a sapere se la sua produzione sia ammissibile. I ricorsi di diritto pubblico che, come quelli fondati sull'art. 4 CF, presuppongono l'esaurimento delle istanze cantonali (art. 86 cpv. 2 OG e art. 87 OG ) sono, secondo la giurisprudenza costante (RU 73 I 112, 87 I 99 consid. 2 e rinvii) decisi sulla scorta degli atti cantonali. Solo a titolo eccezionale è pertanto concesso al ricorrente di fondare il proprio gravame su adduzioni di fatto e di diritto nuove (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 391/92; BONNARD, Problèmes relatifs au recours de droit public ZSR 1962 II p. 471 n. 62, e le sentenze citate da questi autori; cfr. inoltre la sentenza inedita del 29 maggio 1963, nella causa Maurer c. Hartmann e San Gallo). Codesto divieto, in linea di massima, non vale però nella stessa misura per la parte intimata e per l'autorità cantonale: e questo perchè il Tribunale federale prescinde dal cassare una decisione basata su motivi insostenibili, se a conforto della stessa può esser addotta un'altra motivazione che resista alla censura d'arbitrio (RU 77 I 46 consid. 3). Nella già citata sentenza Maurer, il diritto dell'autorità di invocare nuovi argomenti di fatto e di diritto fu comunque limitato alla risposta, escluso invece nella procedura di ulteriore scambio di allegati a'sensi dell'art. 93 cpv. 3 OG. Un'ulteriore limitazione a codesta facoltà dell'autorità cantonale fu stabilita nella recente sentenza Marmorex c. Tribunale di appello del Cantone Ticino, del 20 dicembre 1967. In quell'occasione, il Tribunale federale dichiarò che l'autorità cantonale non può invocare, a difesa della propria decisione, una circostanza di fatto nuova che costituisce l'opposto della fattispecie ritenuta nella decisione impugnata. Un'analoga limitazione alla facoltà riconosciuta all'autorità BGE 94 I 102 S. 108 cantonale di addurre nuovi fatti dev'essere ammessa nei casi in cui, come nel presente, il ricorrente addebita all'autorità cantonale violazioni di procedura che, se fondate, costituiscono non soltanto un arbitrio, ma sfociano necessariamente in un diniego di giustizia formale e, particolarmente, nella violazione del diritto di essere sentito. Adottando una diversa soluzione, si permetterebbe all'autorità cantonale di rimediare a posteriori a viziche, costituendoviolazione deldiritto d'esser sentito, debbono condurre all'annullamento del provvedimento impugnato, e si renderebbe così illusoria la tutela offerta al cittadino dall'art. 4 CF. Vero è che il Tribunale federale, in materia di violazione del diritto di essere sentito, rinuncia a cassare la decisione, quando all'interessato, non sentito in prima istanza, è stata data la possibilità di esprimersi in sede di ricorso davanti ad un'istanza cui compete il libero esame del fatto e del diritto (RU 46 I 327; 76 I 180 ; 87 I 340 ). Ma tale ipotesi non si verifica nella fattispecie, l'inchiesta esperita dal Consiglio di Stato, con audizione del ricorrente, essendo avvenuta dopo l'adozione della misura impugnata. Si deve quindi concludere che, nel caso in esame, la produzione dell'inchiesta suppletoria, ordinata dal Consiglio di Stato dopo l'adozione del provvedimento impugnato, deve essere dichiarata inammissibile. 4. Ciò premesso, occorre esaminare se l'impugnato provvedimento, sulla scorta degli atti anteriori alla sua definitiva adozione da parte del Consiglio di Stato, resiste alle censure sollevate dal ricorrente. Il ricorrente rimprovera anzitutto al Consiglio di Stato di aver deciso senza accertare d'ufficio i fatti e senza aver esperito a tal fine una regolare istruttoria, come disposto dall'art. 18 della legge cantonale di procedura per le cause amministrative, del 19 aprile 1966 (LPCA). Che nessuna istruttoria abbia avuto luogo, come pretende il ricorrente, non corrisponde al vero. Costituisce intanto valido atto istruttorio l'audizione del ricorrente operata il 15 giugno 1967 dagli organi di polizia; parimenti è atto istruttorio l'audizione del denunciante, chiamato a presentare osservazioni al ricorso di Z. al Consiglio di Stato, nonchè l'acquisizione agli atti di causa dello scritto inviato da X. l'l 1 giugno 1967 all'autorità cantonale di vigilanza sulle tutele. Che il marito tradito avesse veste di denunciante BGE 94 I 102 S. 109 e si trovasse in uno stato di esasperazione non è circostanza che impedisse all'autorità, tenuta a valutare le prove secondo il proprio prudente criterio, di raccogliere la versione dei fatti di quest'ultimo. La censura è pertanto infondata. 5. Secondo il ricorrente, l'impugnata decisione sarebbe basata anche sulla circostanza che gli amanti si sarebbero serviti della figlia sedicenne della signora X. per stabilire i loro appuntamenti. E'esatto che codesta circostanza non fu mai contestata al ricorrente prima della decisione del Consiglio di Stato. Certo, nel contesto della motivazione, essa è addotta unicamente quale prova del fatto che il ricorrente conosceva lo stato coniugale dell'amante. Ma, occorre rilevare, tale circostanza non aveva affatto bisogno di essere provata: il ricorrente ha sempre ammesso di aver appreso, in ogni caso poco dopo l'inizio della relazione, che l'amante era sposata. La natura del rimprovero fa apparire questo elemento della motivazione come di indubbio rilievo per il giudizio del caso. Premessa la gravità oggettiva dell'adulterio per la lesione dell'istituto guiridico-sociale ch'esso comporta, l'autorità, nell'applicare l'art. 9 cpv. 2 lett. b della LF sulla dimora e il domicilio degli stranieri, deve prendere in considerazione, evitando ogni schematizzazione, gli elementi soggettivi della colpa, che in ogni caso appaiono diversi (cfr. RU 84 II 33 1 e segg.; RU 93 I 7 e segg.; ZBl 68/1967, p. 380 lett. a). Se, accanto all'adulterio, l'autorità vuol rimproverare all'interessato, ponendole a base della propria decisione, circostanze aggravanti, dev'essere offerta a quest'ultimo la possibilità di esprimersi sull'addebito specifico. Se l'autorità trascura questa misura, essa viola il diritto di essere sentito che discende dall'art. 4 CF, nella stessa maniera in cui commette diniego di giustizia formale omettendo di occuparsi, nella decisione, di una circostanza rilevante per il giudizio (ZBl 68/1967, p. 383 in fine). Siccome il diritto di essere sentito è di natura formale, la violazione dello stesso comporta la cassazione dell'impugnato provvedimento indipendentemente dalla prova di un interesse da parte del ricorrente, e dalle probabilità di esito favorevole di una nuova decisione del Consiglio di Stato (RU 92 I 264 in alto; ZBl 68/1967, p. 383 in fine). 6. In tali circostanze, può apparire superfluo esaminare le ulteriori censure mosse dal ricorrente all'impugnato giudizio. BGE 94 I 102 S. 110 Tuttavia, a titolo abbondanziale, è opportuno rilevare ancora quanto segue: a) Il ricorrente rimprovera al Consiglio di Stato di aver accertato, in contrasto con gli atti, che allorquando ebbe inizio la relazione, egli sapeva che la donna era sposata, e che questa portava sempre la fede nuziale. Non si può, a questo proposito, rimproverare all'autorità cantonale un arbitrario uso del potere di apprezzamento delle prove. Sulla scorta degli elementi in suo possesso, il Consiglio di Stato poteva ritenere che il ricorrente fosse al corrente dello stato coniugale della donna e non prestar fede alla dichiarazione da costei resa circa la fede nuziale, sulla quale il marito dà la versione opposta. D'altronde, la circostanza non è di rilievo per il giudizio, poichè il ricorrente stesso ammette di aver comunque appreso poco dopo che la donna era sposata. Ora, secondo la sua stessa ammissione, la relazione continuò ciononostante per due mesi, ossia in ogni caso sino all'inizio di giugno 1967. b) Il ricorrente rimprovera inoltre al Consiglio di Stato di aver ritenuto, nella sua decisione, che la relazione sia continuata anche oltre l'epoca ammessa dallo Z., e dopo l'intervento della polizia del 15 giugno 1967. L'impugnata decisione è, su tal punto, per lo meno ambigua: il Consiglio di Stato non si pronuncia, su questa circostanza, in modo chiaro. Dalla parte finale della motivazione si deduce però che l'autorità è partita dalla ipotesi che la tresca sia continuata. La stessa opinione, in forma invero più dubitativa, il Consiglio di Stato adotta nelle sue osservazioni. Ora, tale circostanza è rilevante. È vero che il Tribunale federale ha già giudicato (ZBl 68/1967, p. 382 lett. a) che il provvedimento di polizia può apparire giustificato anche se la relazione adulterina è già cessata. Ma, poichè la misura di polizia deve conformarsi al principio della proporzionalità, e d'altronde l'autorità è tenuta a motivare esaurientemente la propria decisione (art. 19 cpv. 2 della citata LF sulla dimora e il domicilio degli stranieri, combinato con l'art. 20 cpv. 1 della relativa ordinanza), questo elemento dev'essere chiarito nella decisione, poichè è evidente che le finalità e l'intensità dell'intervento di polizia sono o possono essere diverse, a seconda che si tratti di impedire la relazione illecita, o soltanto di eliminare le conseguenze di una relazione adulterina già cessata. BGE 94 I 102 S. 111 Omettendo di prendere posizione in modo chiaro su tale punto, il Consiglio di Stato ha violato il diritto di essere sentito del ricorrente, e quindi l'art. 4 CF. Per le stesse ragioni esposte sub 5 l'impugnata decisione deve quindi essere cassata anche sotto questo profilo. 7. Una corresponsione di ripetibili, data la natura del procedimento, non entra in considerazione (art. 156 cpv. 2 e 159 cpv. 5 OG).
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Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso, in quanto ricevibile, è accolto nel senso dei considerandi e la decisione impugnata è annullata.
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Sachverhalt ab Seite 164 BGE 144 III 164 S. 164 A. Mit Gesuch vom 1. Februar 2017 an das Richteramt Bucheggberg-Wasseramt ersuchte die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Judith Andenmatten, um provisorische Rechtsöffnung gegenüber dem Beschwerdegegner. Mit Urteil vom 1. März 2017 erteilte das Richteramt der Beschwerdeführerin für den Betrag von Fr. 12'787.30 wie verlangt die provisorische Rechtsöffnung. Das Richteramt verpflichtete den Beschwerdegegner zur Bezahlung einer Parteientschädigung von Fr. 148.50 (Fr. 115.- Honorar, Fr. 22.50 Auslagen, Fr. 11.- MWST). B. Gegen die Festlegung der Parteientschädigung erhob die Beschwerdeführerin am 16. März 2017 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Solothurn. Sie verlangte, den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr eine Entschädigung von Fr. 570.78 (Fr. 506.- Honorar, Fr. 22.50 Auslagen, Fr. 42.28 MWST) zu bezahlen. Der BGE 144 III 164 S. 165 Beschwerdegegner schloss mit Beschwerdeantwort vom 24. März 2017 sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Mit Urteil vom 3. April 2017 wies das Obergericht die Beschwerde ab. C. Am 22. Mai 2017 hat die Beschwerdeführerin gegen dieses Urteil Beschwerde in Zivilsachen und eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Zusprechung einer Entschädigung von Fr. 570.78 für das erstinstanzliche Verfahren. Allenfalls sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht hat am 18. August 2017 auf Vernehmlassung verzichtet, aber Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen lassen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Angelegenheit an das Obergericht zurück. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Vor Obergericht war einzig die Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren strittig. Der Streitwert bestimmt sich somit nach der dort verlangten Summe und beträgt folglich Fr. 570.78 ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ). Der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr. 30'000.- ist nicht erreicht ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nur zurückhaltend anzunehmen. Sie liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 141 III 159 E. 1.2 S. 161; BGE 137 III 580 E. 1.1 S. 582 f.; je mit Hinweisen). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob bei der Festlegung der Parteientschädigung bei Beizug einer berufsmässigen Vertretung ( Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO ) - und zwar ausserhalb der unentgeltlichen Verbeiständung nach Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO - auf die Notwendigkeit der Vertretung abgestellt werden darf. Das Bundesgericht hatte diese Frage noch nicht zu beantworten. Sie ist von grosser praktischer Tragweite und bedarf der Klärung, um BGE 144 III 164 S. 166 Rechtsunsicherheit in diesem Punkt vorzubeugen. Die Notwendigkeit der Vertretung könnte - wie auch vorliegend - durch die Gerichte vor allem bei tiefen Hauptsachestreitwerten in Frage gestellt werden. Es ist deshalb ungewiss, ob sich die aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres bei einem für die Beschwerde in Zivilsachen genügenden Streitwert stellen könnte. Dies gilt umso mehr, wenn berücksichtigt wird, dass sich der Streitwert vor Bundesgericht nicht unbedingt nach dem Streitwert der Hauptsache richtet, sondern sich je nach den Umständen - wie auch vorliegend - einzig nach der umstrittenen Parteientschädigung bemisst. Somit dürfte die Schwelle von Fr. 30'000.- in den für die Klärung der vorliegenden Rechtsfrage in Betracht fallenden Verfahren kaum je erreicht werden (vgl. BGE 137 III 580 E. 1.1 S. 583). Es liegt deshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich auch im Übrigen als zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG ). 2. Das Richteramt hat den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufwand von 2,1 Stunden auf 0,5 Stunden gekürzt, wobei es sich detailliert zu den einzelnen Aufwandpositionen geäussert hat. Auf den gekürzten Zeitaufwand hat es einen Stundenansatz von Fr. 230.- angewandt (§ 160 Abs. 2 des solothurnischen Gebührentarifs vom 8. März 2016 [GT; BGS 615.11]). Es handelt sich dabei um den tiefstmöglichen Stundenansatz bei anwaltlicher Vertretung in Zivilsachen ausserhalb der unentgeltlichen Verbeiständung. Die Verwendung dieses Stundenansatzes war bereits vor Obergericht unbestritten. Das Obergericht hat zur Kürzung der einzelnen Aufwandpositionen keine Stellung genommen, sondern im Rahmen einer Motivsubstitution eine andere Begründung gewählt, weshalb die vom Richteramt zugesprochene Parteientschädigung im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Es habe sich nämlich um ein sehr einfaches Verfahren gehandelt (provisorische Rechtsöffnung für eine der Beschwerdeführerin abgetretene und durch Konkursverlustschein ausgewiesene Forderung von Fr. 12'787.30, wobei der Schuldner keine Einrede mangelnden neuen Vermögens erhoben habe). Bei der Beschwerdeführerin handle es sich um ein professionelles Inkassounternehmen mit entsprechendem Know-how. Das Verfahren hätte deshalb auch ohne Anwalt geführt werden können. Die Notwendigkeit BGE 144 III 164 S. 167 anwaltlicher Hilfe sei für die Parteientschädigung massgebend (unter Verweis auf die Botschaft zur ZPO, eine Stimme aus der Lehre und zwei ältere Bundesgerichtsentscheide; dazu unten E. 3). Allerdings wäre der Beschwerdeführerin eine Umtriebsentschädigung zuzusprechen gewesen. Deshalb sei ihr in gleicher Höhe, in der ihr bei eigenem Tätigwerden eine Umtriebsentschädigung zuzusprechen gewesen wäre, bei anwaltlicher Vertretung eine Parteientschädigung zuzusprechen. Diese Umtriebsentschädigung wäre keinesfalls höher als die erstinstanzlich zugesprochene Parteientschädigung ausgefallen. 3. Die obergerichtliche Begründung wirft die Frage auf, ob das Gericht bei der Bemessung einer Parteientschädigung an die obsiegende Partei die Notwendigkeit einer frei und rechtsgeschäftlich gewählten berufsmässigen Vertretung (d.h. ausserhalb der unentgeltlichen Rechtspflege) in Frage stellen darf. 3.1 Nach Art. 95 Abs. 3 ZPO gilt als Parteientschädigung der Ersatz notwendiger Auslagen (lit. a), die Kosten einer berufsmässigen Vertretung (lit. b) und in begründeten Fällen eine angemessene Umtriebsentschädigung, wenn eine Partei nicht berufsmässig vertreten ist (lit. c). Im Wortlaut dieser Norm wird somit einzig bei den Auslagen (lit. a) auf die Notwendigkeit abgestellt, nicht hingegen bei den Kosten einer berufsmässigen Vertretung (lit. b). Der Wortlaut der französischen ("les débours nécessaires" in lit. a gegenüber "le défraiement d'un représentant professionnel" gemäss lit. b) und der italienischen Fassung ("le spese necessarie" in lit. a gegenüber "le spese per la rappresentanza professionale in giudizio" gemäss lit. b) deckt sich insoweit mit der deutschen Fassung. 3.2 3.2.1 Der Entwurf zur eidgenössischen ZPO stimmte in den hier interessierenden Teilen bereits mit dem nunmehr geltenden Gesetzeswortlaut überein (Art. 93 Abs. 3 des Entwurfs). In der bundesrätlichen Botschaft heisst es dazu, dass zum Ersatz der notwendigen Auslagen (Art. 93 Abs. 3 lit. a des Entwurfs) die Kosten der berufsmässigen Vertretung (lit. b) kommen. Die Anwaltskosten könnten zwar auch unter "Auslagen" (lit. a) subsumiert werden (unter Hinweis auf BGE 113 III 110 ; dazu unten E. 3.3), doch würden sie im Interesse der Transparenz ausdrücklich erwähnt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7293 Ziff. 5.8.1 zu Art. 93 und 94 des Entwurfs). Im BGE 144 III 164 S. 168 Vorentwurf zur schweizerischen Zivilprozessordnung definierte Art. 86 die Begriffe des Kostenrechts, wobei noch nicht der Begriff der Parteientschädigung (wie in Art. 95 ZPO und Art. 93 des Entwurfs) im Zentrum stand, sondern derjenige der Parteikosten (zu den Gründen für den begrifflichen Wechsel Botschaft, a.a.O., 7292 Ziff. 5.8.1 zu Art. 93 und 94 des Entwurfs). In Abs. 3 von Art. 86 des Vorentwurfs wurden die "Parteikosten" definiert, und zwar als "die Parteientschädigung" (lit. a) und "die angemessenen Auslagen der Parteien" (lit. b). Dazu hielt der Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission (2003) Folgendes fest (S. 51): "Als Parteikosten gelten im Wesentlichen die Kosten der Vertretung sowie diejenigen, die unmittelbar im Hinblick auf die Einleitung des Prozesses entstanden sind (Abs. 3). Gegebenenfalls sind auch Entschädigungen für Aufwendungen der Partei selber dazuzuzählen. Die Kosten müssen aber für die Interessenwahrung notwendig sein. Hinzu kommt der Ersatz von Auslagen (z.B. Reisespesen, Fernmeldedienstleistungen, Versandkosten, Kopien). Entschädigt werden solche Kosten nur, soweit sie angemessen sind." In der parlamentarischen Beratung gab die Bestimmung des heutigen Art. 95 Abs. 3 ZPO zu keinen Diskussionen Anlass (AB 2007 S 510 f., AB 2008 N 651). 3.2.2 Das Obergericht hat seine Auffassung unter anderem auf die genannten Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft zur eidgenössischen ZPO abgestützt. In der Tat könnte daraus, dass die Botschaft die Anwaltskosten als Teil der Auslagen bezeichnet, geschlossen werden, dass die Anwaltskosten (bzw. generell die Kosten einer berufsmässigen Vertretung) hinsichtlich ihrer Erstattbarkeit gleich zu behandeln sein sollen wie die Auslagen. Damit wäre auch beim Ersatz der Kosten der berufsmässigen Vertretung darauf abzustellen, ob diese Kosten notwendig waren. Selbst wenn dies der Sinn der Botschaft sein sollte, lässt sich daraus jedoch nicht mit Sicherheit entnehmen, ob die Notwendigkeit der berufsmässigen Vertretung als solche in Frage gestellt werden können soll oder bloss die Höhe des vom Vertreter betriebenen Aufwands. Wenn im vorliegenden Zusammenhang von der Notwendigkeit einer berufsmässigen Vertretung die Rede ist, so kann dies nämlich in zweierlei Sinn gemeint sein. Einerseits kann damit die Notwendigkeit einer berufsmässigen Vertretung als solche angesprochen sein. In diesem Sinne spricht Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege von der Bestellung eines Rechtsbeistandes, wenn dies zur BGE 144 III 164 S. 169 Wahrung der Rechte der Partei notwendig ist. Gefragt wird danach, ob die Vertretung durch einen Anwalt oder eine Anwältin überhaupt nötig ist. Andererseits kann sich der Begriff der Notwendigkeit - ohne die Angemessenheit der Vertretung als solche in Zweifel zu ziehen - auch bloss auf den vom berufsmässigen Vertreter betriebenen Aufwand und die von ihm generierten Kosten beziehen (vgl. etwa § 160 Abs. 1 GT, wonach die Kosten der berufsmässigen Vertretung nach dem erforderlichen Aufwand für eine sorgfältige und pflichtgemässe Vertretung bestimmt werden). Trotz dieser Unklarheiten schliesst der Wortlaut der Botschaft den ihr vom Obergericht zugesprochenen Sinn nicht kategorisch aus. Jedenfalls kann aus der Botschaft nicht zwingend abgeleitet werden, dass die Notwendigkeit der Vertretung als solche nicht geprüft werden dürfte. Insbesondere spricht die Botschaft - entgegen anderslautender Stimmen in der Lehre - nicht davon, die Anwaltskosten könnten - gewissermassen ohne weiteres - unter "notwendige Auslagen" subsumiert werden (vgl. jedoch FLORIAN MOHS, in: ZPO Kommentar, Gehri/Jent-Sørensen/Sarbach [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 7 zu Art. 95 ZPO ; DHEDEN C. ZOTSANG, Prozesskosten nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, S. 15). Der Sinn der Botschaft bleibt damit im Ergebnis unklar und sie erscheint für die Auslegung von Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO als unergiebig. Etwas deutlicher zur hier interessierenden Frage ist der zitierte Bericht zum Vorentwurf zur ZPO: Wenn dort von den Kosten die Rede ist, die für die Interessenwahrung notwendig sein müssen, dürfte damit auf alle zuvor angesprochenen Parteikosten und damit insbesondere auf die Kosten der Vertretung verwiesen werden. Es ist ohne weiteres möglich, diese Ausführungen im Bericht so zu verstehen, dass damit auch die Notwendigkeit der Vertretung als solche bei der Bestimmung der Parteientschädigung in Frage gestellt werden können soll, nämlich dann, wenn sie eben für die Interessenwahrung nicht erforderlich war. Was auch immer die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein mag: Es steht fest, dass bei den Kosten der berufsmässigen Vertretung eine Beschränkung auf die notwendigen Kosten gerade keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden hat. Insbesondere fehlt im Gesetz ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Notwendigkeit der berufsmässigen Vertretung als solche bei der Bestimmung der Parteientschädigung in Frage gestellt werden dürfte. Das Fehlen einer solchen ausdrücklichen Bestimmung ist umso auffallender im BGE 144 III 164 S. 170 Kontrast zum Recht der unentgeltlichen Rechtspflege, wo eine entsprechende ausdrückliche Norm gerade besteht ( Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ). 3.3 Das Obergericht hat ausserdem auf zwei ältere Entscheide des Bundesgerichts verwiesen. Im einen Entscheid wird ausgeführt, zu den Auslagen der obsiegenden Partei gehörten auch die Vertretungskosten ( BGE 113 III 109 E. 3b S. 110; vgl. zur entsprechenden, auf diesen Entscheid abgestützten Formulierung in der Botschaft oben E. 3.2.1), worauf Überlegungen zur Notwendigkeit des Beizugs eines Anwalts im konkreten Fall folgen (BGE a.a.O. E. 3c und d S. 110 f.). Im anderen Entscheid wird erwogen, zu den Auslagen gehörten auch die Kosten, die der obsiegenden Partei durch die bei objektiver Würdigung notwendig erscheinende Inanspruchnahme eines Anwalts entstehen ( BGE 119 III 68 E. 3a S. 69). Die Entscheide betreffen allerdings die frühere Gebührenordnung zum SchKG von 1971, die von der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (GebV SchKG; SR 281.35) abgelöst worden ist. Die Parteientschädigung in betreibungsrechtlichen Summarsachen (z.B. Rechtsöffnungsverfahren) war in Art. 62 Abs. 1 GebV SchKG geregelt, doch wurde diese Norm mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben. Die Parteientschädigung bemisst sich heute einzig nach der ZPO bzw. gemäss Art. 96 ZPO nach dem kantonalen Tarif ( BGE 139 III 195 E. 4.3 S. 199). Wenn die Kosten für die berufsmässige Vertretung unter der GebV SchKG unter die Auslagen subsumiert wurden bzw. werden mussten, so lag dies an der fehlenden ausdrücklichen Erwähnung der Vertretungskosten im Wortlaut der anwendbaren Norm. Die Situation ist insofern mit der Lage unter der ZPO nicht vergleichbar. Wenn im Zusammenhang mit der GebV SchKG und ihren Vorgängererlassen sodann darüber diskutiert wurde, ob sich der Beizug eines Anwalts rechtfertigt, so steht dies vor dem Hintergrund der dort geregelten Verfahren und ihres Schwierigkeitsgrades. Auf diesen Aspekt ist zurückzukommen (unten E. 3.5). Allerdings ist auch insoweit kein direkter Vergleich zu Art. 95 Abs. 3 ZPO statthaft, dessen Anwendungsbereich viel breiter ist und der sich auf alle Arten von Zivilverfahren bezieht. 3.4 Das Obergericht stützt seine Auffassung sodann auf STERCHI. Dieser Autor führt aus, dass (unter dem Titel der Kosten der berufsmässigen Vertretung) nur der gebotene Aufwand zu vergüten sei, BGE 144 III 164 S. 171 d.h. derjenige Aufwand, der durch die bei objektiver Würdigung notwendig erscheinende Inanspruchnahme des Anwalts entstanden sei (MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 14 zu Art. 95 ZPO ). Die Tragweite dieser Aussage ist nicht restlos klar. Sie kann zwar dahingehend interpretiert werden, dass es dem Gericht erlaubt sein soll, den Beizug eines Anwalts als solchen als nicht geboten zu qualifizieren und deshalb als nicht entschädigungspflichtig zu erachten. Ebenso gut denkbar ist allerdings, dass dieser Autor - abgesehen von gewissen von ihm hernach erwähnten Spezial- bzw. Grenzfällen (Anwaltswechsel, Beizug mehrerer Anwälte) - nur auf die Gebotenheit des vom Anwalt verursachten Aufwands, nicht aber auf die Gebotenheit der Vertretung als solcher abzielen wollte. Soweit sich die Lehre überhaupt ausdrücklich mit der hier interessierenden Frage befasst, wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der obsiegenden Partei die Parteientschädigung gemäss Tarif ( Art. 96 ZPO ) nicht mit dem Argument verweigert werden darf, die berufsmässige Vertretung sei gar nicht nötig gewesen (SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 37 zu Art. 95 ZPO ; DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 29 zu Art. 95 ZPO ; ZOTSANG, a.a.O., S. 15; MOHS, a.a.O., N. 7 zu Art. 95 ZPO , mit dem Vorbehalt, dass die kantonalen Tarife einen Nachweis der Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung verlangen können). 3.5 Unter Berücksichtigung des Ausgeführten erscheint es aus nachfolgenden Gründen grundsätzlich als unzulässig, die Parteientschädigung von einer Überprüfung der Notwendigkeit der berufsmässigen Vertretung als solcher abhängig zu machen: Wie bereits gesagt, enthält der Wortlaut von Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO keinen Vorbehalt, wonach die Zusprechung einer Parteientschädigung für die berufsmässige Vertretung davon abhängen würde, dass die Vertretung als solche notwendig war. Dem klaren Wortlaut gebührt gegenüber der wenig aussagekräftigen Gesetzgebungsgeschichte der Vorrang. Gemäss Art. 68 Abs. 1 ZPO kann sich sodann jede prozessfähige Partei im Prozess vertreten lassen. Diese Befugnis würde faktisch unterlaufen, wenn eine Partei im Vorfeld eines Prozesses damit rechnen müsste, dass sie selbst im Falle ihres Obsiegens keinen Beitrag an die Kosten ihrer berufsmässigen Vertretung BGE 144 III 164 S. 172 zugesprochen erhalten würde (vgl. TAPPY, a.a.O., N. 29 zu Art. 95 ZPO ). Die betroffene Partei trüge damit ein zusätzliches Kostenrisiko (nämlich auf ihren eigenen Anwaltskosten vollumfänglich sitzen zu bleiben), während ihre Gegenpartei - obschon sie den Prozess verloren hat - von einem Kostenrisiko entlastet würde. Eine Rechtfertigung für diese Entlastung besteht nicht, sieht doch Art. 106 Abs. 1 ZPO ausdrücklich vor, dass die unterliegende Partei die Prozesskosten zu tragen hat. Zwar kennt Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO einen entsprechenden Vorbehalt, wonach zu prüfen ist, ob eine anwaltliche Vertretung überhaupt nötig erscheint. Allerdings steht dieser Vorbehalt dort ausdrücklich im Gesetz und er steht vor dem Hintergrund, dass bei der unentgeltlichen Rechtspflege der Staat, d.h. die Allgemeinheit (vorläufig) für die Kosten aufkommt, womit besonderer Wert auf den wirtschaftlichen Einsatz der Mittel zu legen ist. Die Freiheit, seinen Prozess durch einen berufsmässigen Vertreter führen zu lassen, würde insbesondere in zwei Fällen tangiert bzw. faktisch beeinträchtigt, wenn der vom Obergericht gewählten Auslegung von Art. 95 Abs. 3 ZPO gefolgt würde. Zunächst bestünde bei vom Streitwert her kleineren oder inhaltlich nicht sehr schwierigen Fällen die Versuchung, die Notwendigkeit einer berufsmässigen Vertretung in Abrede zu stellen. Dabei würde jedoch verkannt, dass auch in solchen Fällen die Prozesschancen durch den Beizug einer Fachperson als Vertreter in der Regel verbessert werden. Ihr Beizug mag vielleicht retrospektiv als unnötig erscheinen, was aber nicht bedeutet, dass bereits im Vorfeld eines Prozesses abgeschätzt werden könnte oder hätte abgeschätzt werden können, dass die Streitsache einfach bleibt. Insbesondere ein Laie wird eine solche Einschätzung im Regelfall nicht vornehmen können (zum Ganzen BEDA STÄHELIN, Rechtsverfolgungskosten und unentgeltliche Rechtspflege im Lichte der Rechtsgleichheit, 2017, Rz. 308 und 310). Im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege hat das Bundesgericht denn auch bereits festgehalten, dass selbst die Geltung der Untersuchungs- oder Offizialmaxime, mit denen für einen Laien die Prozessführung teilweise erleichtert wird, eine anwaltliche Vertretung nicht ohne weiteres als unnötig erscheinen lässt ( BGE 130 I 180 E. 3.2 S. 183 f.; Urteil 5A_395/2012 vom 16. Juli 2012 E. 4.4.2). Umso weniger besteht Anlass, ausserhalb des Anwendungsbereichs der unentgeltlichen Rechtspflege entsprechende Einschränkungen einzuführen. Sodann wären von einer solchen Massnahme, und zwar womöglich sogar in komplexeren Fällen, vor allem Parteien betroffen, denen BGE 144 III 164 S. 173 spezifische Sach- bzw. juristische Kenntnisse unterstellt werden dürfen. Dies könnte nicht nur - wie im vorliegenden Fall - ein Inkassounternehmen betreffen, sondern grundsätzlich jede Einheit privaten oder öffentlichen Rechts mit einem Rechtsdienst oder auch Privatpersonen, wenn sie über juristische Kenntnisse verfügen (z.B. wenn ein Anwalt oder Richter in einer Privatsache ein Verfahren führt). Es kann jedoch nicht angehen, solche (juristischen oder natürlichen) Personen ohne klare gesetzliche Grundlage und ohne sachliche Notwendigkeit vor die Alternative zu stellen, ihren Prozess entweder selber zu führen oder das unwägbare Risiko einzugehen, dass ihnen bei Beizug eines berufsmässigen Vertreters eine Parteientschädigung selbst im Falle des Obsiegens versagt bleiben könnte, und zwar mit der Begründung, sie hätten den Prozess günstiger und ebenso gut selber führen können. Im vorliegenden Fall hat das Obergericht aufgrund beider Aspekte (einfacher Fall und eigene Kenntnisse der Beschwerdeführerin) eine berufsmässige Vertretung für unnötig befunden und in der Folge eine Parteientschädigung gemäss Tarif verwehrt. Dass überhaupt eine Parteientschädigung (in der Höhe einer Umtriebsentschädigung) zugesprochen wurde, dürfte alleine am Verbot der reformatio in peius liegen. Wie aus dem Gesagten folgt, stellen jedoch weder der Umstand, dass es um ein relativ einfaches Rechtsöffnungsverfahren ging, noch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Inkassowesen über eigene Kenntnisse verfügt, einen genügenden Grund dar, um eine berufsmässige Vertretung als unnötig zu qualifizieren. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zur GebV SchKG mit dem Inkrafttreten der ZPO überholt. Aufgrund des Gesagten kann der Beizug einer berufsmässigen Vertretung als solcher auch nicht als Verursachung unnötiger Prozesskosten im Sinne von Art. 108 ZPO erachtet werden. Als unnötig können (im Rahmen des Tarifrechts oder von Art. 108 ZPO ) höchstens einzelne vom Vertreter getätigte Aufwendungen qualifiziert werden. Auf die Notwendigkeit der berufsmässigen Vertretung abzustellen, hätte sodann massive Rechtsunsicherheit zur Folge. Die ohnehin von Ermessensentscheiden geprägte Praxis der Zusprechung von Parteientschädigungen würde durch die zusätzliche Unsicherheit belastet, in welchen Fällen und unter welchen Umständen der Beizug einer berufsmässigen Vertretung unter dem Gesichtspunkt des Kostenrechts als unnötig erachtet werden könnte oder müsste. Erst durch die Bildung von Fallgruppen, die in langjähriger Praxis festzulegen wären, BGE 144 III 164 S. 174 könnte die Rechtssicherheit teilweise wieder hergestellt werden. Es bliebe jedoch immer eine gewisse Unsicherheit zurück, ob der Beizug einer berufsmässigen Vertretung nicht im Nachhinein von den Gerichten als unnötig erachtet werden würde. Aus all dem folgt, dass im Rahmen von Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die berufsmässige Vertretung effektiv notwendig war. Aufgrund dieser Vorgabe auf der Stufe des Bundesrechts besteht insoweit auch keine Kompetenz des kantonalen Gesetzgebers, im Tarifrecht einen entsprechenden Nachweis vorzusehen (vgl. TAPPY, a.a.O., N. 29 zu Art. 95 ZPO ). Auf Sonderfälle (z.B. den Beizug mehrerer Anwälte) ist hier nicht einzugehen. Die Kantone und die Gerichte verfügen mit dem Tarifrecht und den Verteilungsgrundsätzen von Art. 104 ff. ZPO (insbesondere Art. 108 ZPO ) über genügende Möglichkeiten, um allenfalls unnötigen Aufwand, der von berufsmässigen Vertretern generiert wird, bei der Bemessung der von der Gegenpartei zu leistenden Parteientschädigung nicht zu berücksichtigen. Ausserdem können sie Kostenbefreiungen nach Art. 116 ZPO einführen. 3.6 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Obergericht die kantonale Beschwerde jedenfalls nicht mit der Begründung abweisen durfte, eine anwaltliche Vertretung im erstinstanzlichen Rechtsöffnungsverfahren sei gar nicht nötig gewesen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Beschwerdeführerin die von ihr verlangte Parteientschädigung durch das Bundesgericht ohne weiteres zugesprochen werden könnte. Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO garantiert keine Minimalentschädigung (Urteil 4C_1/2011 vom 3. Mai 2011 E. 6.2 und 9.1, in: Pra 2011 Nr. 88 S. 623). Vielmehr ist die ihr zustehende Parteientschädigung anhand des kantonalen Tarifs ( Art. 96 ZPO ) zu bestimmen. Dies hat bereits das Richteramt getan. Mit den dagegen erhobenen Einwänden der Beschwerdeführerin hat sich das Obergericht jedoch noch nicht befasst, sondern mit einer Motivsubstitution die Höhe der zugesprochenen Entschädigung zu rechtfertigen versucht. Da es um die Anwendung des kantonalen Rechts geht und das richterliche Ermessen - je nach Ausgestaltung des Tarifs - eine bedeutende Rolle spielen kann, besteht für das Bundesgericht kein Anlass, der obergerichtlichen Beurteilung insoweit vorzugreifen. Immerhin ist anzumerken, dass der vom Richteramt als angemessen erachtete Aufwand von einer halben Stunde für eine seriöse Mandatsführung selbst in einfachen Fällen kaum ausreichen dürfte. BGE 144 III 164 S. 175 Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Angelegenheit ist an das Obergericht zurückzuweisen zur Festlegung der erstinstanzlichen Parteientschädigung bzw. zur Behandlung der in der kantonalen Beschwerde in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen.
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Erwägungen ab Seite 237 BGE 139 III 236 S. 237 Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid verletzte die Bestimmungen des schweizerischen internationalen Konkursrechts. 4.2 Gemäss dem in der Schweiz geltenden sogenannten "gelockerten" Territorialitätsprinzip sind die Wirkungen eines im Ausland eröffneten Konkurses im Inland wie folgt beschränkt: Vermindert sich bei einer natürlichen Person mit Wohnsitz im Ausland zufolge Konkurses die Verfügungsbefugnis, wird dies in der Schweiz zwar nach Massgabe von Art. 35 IPRG (SR 291) berücksichtigt. Ebenso wird in Anwendung von Art. 154 Abs. 1 bzw. Art. 155 IPRG dem Umstand Rechnung getragen, dass ein BGE 139 III 236 S. 238 Konkurs die Handlungsfähigkeit einer juristischen Person mit Sitz im Ausland beeinträchtigt bzw. sich deren Organe verändern ( BGE 137 III 570 E. 2 S. 572; vgl. auch BGE 135 III 666 E. 3.2.2; Urteil 2C_303/2010 vom 24. Oktober 2011 E. 2.3.1). Ob allerdings eine ausländische Konkursmasse (bzw. der Konkursverwalter) auf Vermögen in der Schweiz greifen kann, beurteilt sich nach dem 11. Kapitel des IPRG. Erforderlich ist dafür namentlich, dass das ausländische Konkursdekret in der Schweiz vorgängig anerkannt wurde, wofür die Voraussetzungen von Art. 166 Abs. 1 lit. a-c IPRG gelten ( BGE 137 III 570 E. 2 S. 572). Wird das ausländische Konkursdekret anerkannt, so unterliegt das in der Schweiz befindliche Vermögen des Schuldners den konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts, vorausgesetzt, das IPRG ordnet nichts Abweichendes an ( Art. 170 Abs. 1 IPRG ). Dabei handelt es sich nicht um die unmittelbare Erstreckung des ausländischen Konkurses auf das schweizerische Territorium, sondern um eine Form von Rechtshilfe zugunsten eines im Ausland durchgeführten Verfahrens ( BGE 135 III 40 E. 2.5.1). Das Konkursamt eröffnet über das in der Schweiz befindliche Vermögen einen sogenannten Hilfskonkurs (auch "Mini"-Konkurs, IPRG-Konkurs oder Anschlusskonkurs genannt). Dieser weist die Besonderheit auf, dass in den Kollokationsplan einzig pfandgesicherte Forderungen sowie privilegierte Forderungen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz aufgenommen werden ( Art. 172 Abs. 1 IPRG ). Verbleibt nach Befriedigung der vorgenannten Gläubiger ein Überschuss, so wird dieser der ausländischen Konkursverwaltung (oder den berechtigten ausländischen Gläubigern) zur Verfügung gestellt, allerdings erst, nachdem auch der ausländische Kollokationsplan in der Schweiz anerkannt wurde, was namentlich voraussetzt, dass dieser die Forderungen von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz angemessen berücksichtigt ( Art. 173 IPRG ). Bei Nichtanerkennung des Kollokationsplans verbleibt der Überschuss gemäss Art. 174 Abs. 1 IPRG den bisher nicht berücksichtigten weiteren Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz (siehe zum Ganzen BGE 137 III 570 E. 2 S. 573). Das in den Artikeln 166-175 IPRG vorgesehene System ist abschliessend ( BGE 137 III 570 E. 2 S. 573). Der ausländische Konkursverwalter ist in der Schweiz einzig berechtigt, die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets sowie den Erlass sichernder Massnahmen zu beantragen ( Art. 166 Abs. 1 und Art. 168 IPRG ) und - nach erfolgter Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets in BGE 139 III 236 S. 239 der Schweiz - gestützt auf Art. 171 IPRG Anfechtungsansprüche gemäss den Artikeln 285-292 SchKG einzuklagen, sofern das schweizerische Konkursamt und die kollozierten Gläubiger darauf verzichtet haben ( BGE 135 III 40 E. 2.5.1; BGE 129 III 683 E. 5.3). Demgegenüber ist eine ausländische Konkursmasse nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich nicht befugt, in der Schweiz Betreibungshandlungen vorzunehmen, eine Klage gegen einen angeblichen Schuldner des Konkursiten zu erheben oder im Konkurs des Schuldners in der Schweiz eine Forderung einzugeben ( BGE 137 III 570 E. 2 S. 573; BGE 135 III 40 E. 2.4 und 2.5; BGE 134 III 366 E. 9). Grund für diese Beschränkung der Prozessführungsbefugnis ist, dass durch die genannten Handlungen das vom IPRG in den Artikeln 166-175 konzipierte System (Generalexekution über das in der Schweiz gelegene Vermögen des Konkursiten), das unter anderem eine Privilegierung von Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz bezweckt, umgangen würde ( BGE 137 III 570 E. 2 S. 574; BGE 134 III 366 E. 9.2.4 S. 378). 4.3 Auf die dargelegten Grundsätze stützte das Bundesgericht denn auch sein Urteil vom 26. Oktober 2011, in dem es entschied, die Vorinstanz sei auf die Hauptklage des Beschwerdegegners zu Recht nicht eingetreten (Urteil 4A_389/2011 vom 26. Oktober 2011, teilweise publiziert in BGE 137 III 631 ). Es führte zur Begründung aus, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei nicht danach zu unterscheiden, auf welchem Rechtsgrund die Forderung beruhe, die der ausländische Konkursverwalter in der Schweiz geltend mache. Vielmehr knüpfe die Rechtsprechung stets am Zweck der in der Schweiz angehobenen Klage an. Bestehe dieser darin, das Haftungssubstrat für die Konkursgläubiger um in der Schweiz gelegene Vermögenswerte zu vergrössern, diene die Klage der Durchführung des (ausländischen) Konkurses und sei dem Konkursverwalter die direkte Klage wegen der territorialen Wirkung des Konkurses grundsätzlich untersagt (E. 2.3.4 S. 635). In Anwendung dieser finalen Betrachtungsweise erwog das Bundesgericht sodann, die der Klage des Beschwerdegegners zu Grunde liegende Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung betreffe die einvernehmliche Regelung von konkursrechtlichen Anfechtungsansprüchen. Diese Ansprüche hätten auch eine Liegenschaft in St. Moritz umfasst, deren Verkaufserlös den Gläubigern hätte zugute kommen sollen. Auf den damit vorliegenden Fall, dass ein in der Schweiz gelegener Vermögenswert in die ausländische Konkursmasse überführt werden solle, BGE 139 III 236 S. 240 fänden die Art. 166 ff. IPRG Anwendung (E. 2.4 S. 635 f.). Die mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Vergleiche - so das Bundesgericht weiter - stellten Verwertungshandlungen dar, die nach dem Gesagten mit Bezug auf die Liegenschaft in St. Moritz einzig im Rahmen eines IPRG-Konkurses erfolgen dürften und in die Zuständigkeit des schweizerischen Konkursverwalters fielen. Ausschlaggebend sei dabei, dass die Parteien mit der Vereinbarung die Verwertung von Schuldnervermögen bezweckt hätten, und nicht, dass der Beschwerdegegner im Rahmen der Verwertung einen privatrechtlichen Vergleich abgeschlossen habe. Da der Beschwerdegegner nicht um Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets in der Schweiz nachgesucht habe, sei er nicht befugt, in der Schweiz einen Prozess zu führen, mit dem er Rechte verfolge, die er aus den zur Verwertung seines Anfechtungsanspruchs abgeschlossenen Vereinbarungen betreffend das in der Schweiz liegende Grundstück ableite (E. 2.5 S. 636). 4.4 Die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz habe aus der bundesgerichtlichen Praxis zu Unrecht den Schluss gezogen, dem Beschwerdegegner fehle auch für die vorliegende Widerklage die Prozessführungsbefugnis. Sie übersehe dabei, dass der Rechtsprechung stets die Frage des Zugriffs der ausländischen Konkursmasse auf in der Schweiz gelegenes Vermögen zu Grunde gelegen habe. Richtigerweise könne aus dem Territorialitätsprinzip nach der Rechtsprechung lediglich gefolgert werden, dass in der Schweiz belegene Vermögenswerte des Konkursiten ausschliesslich durch die inländische Konkursverwaltung im Rahmen und nach den Regeln eines IPRG-Konkurses verwertet werden dürften. Hingegen ergebe sich daraus nicht, dass ausländische Konkursverwaltungen in der Schweiz gar keine Prozesse führen könnten. Sofern die ausländische Konkursverwaltung - wie mit dem vorliegenden "Passivprozess" über ausländische Grundstücke und Gesellschaften - nicht bezwecke, in der Schweiz belegene Vermögenswerte an die ausländische Insolvenzmasse abzuführen, bestehe gestützt auf das Territorialitätsprinzip bzw. gemäss den Art. 166 ff. IPRG keine Rechtsgrundlage, die nach dem (deutschen) Konkursstatut gegebene Partei- und Prozessfähigkeit der ausländischen Konkursmasse bzw. die Prozessführungsbefugnis des ausländischen Konkursverwalters zu beschränken. Da aber gar kein Rechtshilfefall im Sinne von Art. 166 ff. IPRG vorliege, verfange auch die "Alternativbegründung" der Vorinstanz nicht, wonach der Beschwerdegegner zur Verteidigung gegen die BGE 139 III 236 S. 241 Widerklage einer umfassenden Prozessführungsbefugnis bedürfte, die weit über die Befugnisse gemäss Art. 168 und 171 IPRG hinausgehe. Der Beschwerdegegner leite seine Prozessführungsbefugnis nämlich nicht aus den Bestimmungen des schweizerischen IPRG ab, und die richtige Frage sei daher vielmehr, ob die Bestimmungen des IPRG seine nach deutschem Recht grundsätzlich gegebene Prozessführungsbefugnis einschränkten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. 4.5 Zur Begründung ihres Standpunkts beruft sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf eine im Schrifttum vertretene Auffassung, wonach sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Prozessführungsbefugnis ausländischer Konkursverwaltungen nicht ergebe, Letztere könnten (abgesehen von den Befugnissen nach Art. 168 und 171 IPRG ) in der Schweiz überhaupt keine Prozesse führen und seien "rechtlich quasi als inexistent anzusehen" (OBERHAMMER, Kurze Urteilsbesprechungen und -hinweise [im Folgenden:Urteilsbesprechung], ZZZ 2008/09 S. 435-438; siehe auch derselbe , Jäger des verlorenen Schatzes: Deutsche Insolvenzverwalter in der Schweiz, in: Jurisprudenz zwischen Medizin und Kultur [im Folgenden: Jäger], 2010, S. 339 f.). Gemäss dieser Ansicht sollen (entgegen der auf einem Missverständnis beruhenden konträren Meinung) auch unter der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 166 ff. IPRG (E. 4.2) Situationen vorstellbar sein, in denenausländische Insolvenzverwalter in der Schweiz Prozesse führen können. Dies sei etwa der Fall, wenn die vom Insolvenzverwalter durchzusetzende Forderung nicht in der Schweiz belegen sei, aber in der Schweiz ein (vereinbarter) Gerichtsstand bestehe; in diesem Fall, so wird vorgebracht, wäre ein Rechtshilfeverfahren nach Art. 166 ff. IPRG sinnlos, da eine "IPRG-Minikonkursverwaltung" nicht für die Verwertung von im Ausland belegenen Aktiven zuständig sei. Entsprechendes gelte, wenn es um die Durchsetzung von vom ausländischen Insolvenzverwalter begründeten Masseforderungen gehe, weil solche Forderungen jedenfalls nicht dem ausländischen Konkursiten zustünden und dafür auch bei Eröffnung eines "Mini"-Konkurses nicht die inländische Konkursverwaltung prozesslegitimiert sein könne (OBERHAMMER, Urteilsbesprechung, a.a.O., S. 436 f. bzw. Jäger, a.a.O., S. 340, mit Hinweis auf JAQUES, La reconnaissance et les effets en Suisse d'une faillite ouverte à l'étranger, 2006, S. 28, gemäss dem die ausländische Masse zumindest mit Bezug auf Masseforderungen und -verpflichtungen auch ohne Anerkennung des ausländischen Konkurses prozessführungsbefugt sein soll). BGE 139 III 236 S. 242 In der Tat lässt sich der bislang zu diesem Thema ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht entnehmen, dass durch das 11. Kapitel des IPRG einer ausländischen Konkursverwaltung die Prozessführung vor schweizerischen Gerichten (abgesehen von den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Befugnissen) generell untersagt werden sollte, so insbesondere auch dann, wenn keine Vermögenswerte in der Schweiz betroffen sind. Das Bundesgericht erwähnte immerhin in einem publizierten Entscheid, die ausschliessliche Befugnis des für den Anschlusskonkurs zuständigen schweizerischen Konkursamtes, die zur ausländischen Konkursmasse gehörenden Rechte auszuüben, sei gegeben, soweit es um in der Schweiz gelegenes Vermögen gehe ( BGE 135 III 40 E. 2.5.1 mit Hinweisen). Im Entscheid über die Hauptklage des Beschwerdegegners führte das Bundesgericht sodann aus, dass die Art. 166 ff. IPRG "nur greifen, wenn in der Schweiz gelegenes Vermögen zur Masse gezogen werden soll", andernfalls es am territorialen Bezug zur Schweiz fehle ( BGE 137 III 631 E. 2.3.4). Aus welchem Grund die Prozessführungsbefugnis der ausländischen Insolvenzverwaltung über diesen Fall hinaus beschränkt sein sollte, ist denn mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des 11. Kapitels des IPRG auch nicht ohne Weiteres ersichtlich: Nach der Botschaft des Bundesrats zum IPRG zielten die vorgeschlagenen Bestimmungen des internationalen Konkursrechts darauf ab, "für das in der Schweiz befindliche Vermögen eines Gemeinschuldners, über den im Ausland der Konkurs eröffnet wurde, eine dem schweizerischen Recht angemessene Verteilung zu ermöglichen." Die vorgesehene Regelung beruhte folglich - weiter in den Worten des Bundesrats - "zur Hauptsache auf den Prinzipien der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets, der Realisierung der in der Schweiz gelegenen Aktiven und deren Auslieferung an die ausländische Konkursverwaltung" (Botschaft vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BBl 1983 I 287 Ziff. 134 und 449 f. Ziff. 210.2). Wie es sich mit der Prozessführungsbefugnis des ausländischen Konkursverwalters ausserhalb der von Art. 166 ff. IPRG erfassten Konstellation allgemein verhält, braucht indessen vorliegend - wie sogleich aufzuzeigen sein wird - nicht entschieden zu werden (nachfolgend E. 4.6 und 5). 4.6 Nach der gebotenen finalen Betrachtungsweise sind bei der Beurteilung der Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters die konkreten Verhältnisse zu beachten, die Anlass zum fraglichen BGE 139 III 236 S. 243 Gerichtsverfahren geben: Wenngleich die vorliegende Widerklage gemäss der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz keine in der Schweiz liegenden Vermögenswerte zum Gegenstand hat, ist nicht zu verkennen, dass die darin gestellten Rechtsbegehren in engem sachlichen Zusammenhang zu den Bestrebungen des Insolvenzverwalters stehen, in der Schweiz gelegenes Vermögen in die Konkursmasse einzubeziehen: Wie die Hauptklage des Beschwerdegegners beruht die Widerklage der Beschwerdeführerin auf der Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung vom 30. April bzw. 17. September 2001, mit der die Anfechtungsansprüche der deutschen Konkursmasse gegen die Beschwerdeführerin - offenbar im Sinne einer Gesamtlösung - geregelt wurden. Die Vergleiche stellten nun jedoch, wie das Bundesgericht in seinem Entscheid betreffend die Hauptklage entschieden hat, Verwertungshandlungen dar, die mit Bezug auf die in St. Moritz gelegene Liegenschaft zwingend in die Zuständigkeit des schweizerischen Konkursverwalters gefallen wären (E. 4.3). Die Beschwerdeführerin verlangt mit der Widerklage die Rückabwicklung der auf die Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung gestützten Verwertungshandlungen, wobei sie zur Begründung im Hauptstandpunkt zusammengefasst vorbringt, dass der Erwerb der Liegenschaft in St. Moritz durch den Insolvenzverwalter einer Bewilligung nach dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; SR 211.412.41) bedurft hätte und die Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung demnach wegen Verstosses gegen das BewG ungültig sei. Sie beruft sich also auf einen Umstand im Zusammenhang mit der Verwertung des in der Schweiz gelegenen Grundstücks, woraus sie die Ungültigkeit der Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung insgesamt ableitet. Unter diesen Umständen stellt die Widerklage eine untrennbare Folge des unzulässigen Versuchs der Parteien dar, das schweizerische Grundstück dem ausländischen Konkursverfahren zuzuführen, und sie steht somit in engem Zusammenhang zu dem in der Schweiz gelegenen Schuldnervermögen. Aus den Behauptungen der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass bei der Behandlung der Widerklage unter verschiedenen Vorzeichen über die gleichen Klagegründe und Verteidigungsmittel wie bei der Hauptklage entschieden werden müsste. Nachdem dem Beschwerdegegner mit Blick auf den vollstreckungsrechtlichen Zweck der Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung die Prozessführungsbefugnis für die Hauptklage BGE 139 III 236 S. 244 abgesprochen wurde, ist angesichts des in der vorliegenden Konstellation gegebenen engen Sachzusammenhangs nicht zu erkennen, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt haben soll, wenn sie auch die Prozessführungsbefugnis des Beschwerdegegners für die Widerklage verneinte. Bereits unter diesem Blickwinkel ist der angefochtene Entscheid somit - unabhängig von der beschwerdeseits aufgeworfenen Frage (dazu E. 4.5) - nicht zu beanstanden. 5. Ohnehin erweist sich die Beschwerde indessen auch unter dem folgenden Gesichtspunkt als unbegründet: 5.1 Die Beschwerdeführerin berief sich mit Bezug auf die Zuständigkeit der Erstinstanz für die Beurteilung der Widerklagebegehren in ihrer Widerklagebegründung auf Art. 8 IPRG , eventualiter auf Art. 6 Nr. 3 LugÜ (SR 0.275.12), die beide die Zuständigkeit des Gerichts, an dem eine Hauptklage anhängig ist, auch für die Widerklage begründen, sofern zwischen Haupt- und Widerklage ein sachlicher Zusammenhang besteht respektive wenn die Widerklage auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Hauptklage selbst gestützt wird. Der Beschwerdegegner bestritt daraufhin die international-örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts mit der Begründung, diese verstosse gegen die ausschliessliche Zuständigkeit am Ort der streitgegenständlichen Grundstücke respektive gegen die in einer Gesellschafts-Vereinbarung (zwischen dem damaligen Insolvenzverwalter über das Vermögen von A., dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Z. GmbH & Co. KG sowie der Beschwerdeführerin) enthaltene Schiedsklausel. Die Vorinstanz äusserte sich im angefochtenen Beschluss nicht ausdrücklich zur Frage der Zuständigkeit für die Widerklage. Sie führte aber immerhin aus, die Beschwerdeführerin strebe "vom Zweck her eine Aussonderung jener Vermögenswerte an, die sie aufgrund der Vereinbarungen vom 30. April bzw. 17. September 2001 der Konkursmasse des deutschen Konkursverfahrens bereits zur Verwertung überlassen" habe, womit die Klage einen "klaren konkursrechtlichen Charakter" habe. Selbst wenn sich aus der entsprechenden Qualifikation der Widerklage - wie die Beschwerdeführerin der Vorinstanz entgegenhält - nicht das Fehlen der Prozessführungsbefugnis des Beschwerdegegners ergeben sollte, kann immerhin der Schluss der Vorinstanz, eine Zulassung und Behandlung der Widerklage würde "dem auf dem Boden des 'negativen' Territorialprinzips fussenden Schweizer Recht in Konkursangelegenheiten" widersprechen, sinngemäss so BGE 139 III 236 S. 245 verstanden werden, dass die Vorinstanz nebst der Prozessführungsbefugnisdes Beschwerdegegners auch die Zuständigkeit der schweizerischenGerichte zur Beurteilung der Widerklagebegehren für nicht gegeben hielt. Diese Auffassung ist denn auch nicht zu beanstanden: 5.2 Die Zuständigkeit ergibt sich zunächst nicht aus dem Lugano-Übereinkommen. Gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ (der Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 des Übereinkommens vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [aLugÜ; AS 1991 2436] entspricht) sind Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausgenommen. Neben dem Insolvenzverfahren als solchem (Gesamtverfahren) sind damit auch sogenannte Einzelverfahren gemeint. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind allerdings "Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, (...) nur dann von der Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossen, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens (...) halten" (grundlegend: Urteil des EuGH vom 22. Februar 1979 C-133/78 Gourdain/Nadler , Rz. 4, bestätigt etwa im Urteil vom 10. September 2009 C-292/08 German Graphics Graphische Maschinen GmbH/Alice van der Schee , Rz. 26; vgl. dazu ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen [...], Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 108 zu Art. 1 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 35 zu Art. 1 EuGVO; ROHNER/LERCH, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 91 zu Art. 1 LugÜ ). Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis ist für die Frage der Unanwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ massgebend, ob das betreffende Verfahren seine Grundlage im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht hat und ohne ein derartiges Verfahren wahrscheinlich nicht eingeleitet worden wäre ( BGE 131 III 227 E. 3.2; BGE 129 III 683 E. 3.2; BGE 125 III 108 E. 3d S. 111). Von Bedeutung ist insbesondere, ob das Verfahren der Vergrösserung der Konkursmasse dient ( BGE 131 III 227 E. 4.1; BGE 129 III 683 E. 3.2). Daraus folgt nach der Rechtsprechung namentlich, dass das Lugano-Übereinkommen auf die nach Konkurseröffnung eingeleitete Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff. SchKG nicht anwendbar ist ( BGE 131 III 227 E. 3.3 und 4). Weiter hat das Bundesgericht entschieden, dass ein ausländisches Urteil unter dem LugÜ nicht als Kollokationsurteil anerkannt werden kann, da die BGE 139 III 236 S. 246 schweizerischen Gerichte für das Kollokationsverfahren wegen der verfahrens- und vollstreckungsrechtlichen Natur der Auseinandersetzung international zwingend zuständig seien ( BGE 135 III 127 E. 3.3.3; vgl. auch BGE 133 III 386 E. 4.3.3 S. 391; siehe ferner DASSER, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer[Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 88 zu Art. 1 LugÜ ). Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die vorliegende Widerklage nicht unter das LugÜ fällt. Wie die Vorinstanz feststellte, hat das Verfahren letztlich zum Ziel, Vermögenswerte aus der deutschen Konkursmasse auszusondern. Ein allfälliges gutheissendes Urteil beträfe daher die Durchführung des ausländischen Insolvenzverfahrens. Der eingeklagte Anspruch richtet sich gegen den Insolvenzverwalter und nicht etwa gegen den Gemeinschuldner persönlich. Die Klage geht überdies insofern aus dem Insolvenzverfahren hervor, als der Insolvenzverwalter und die Beschwerdeführerin ohne die Konkurseröffnung offensichtlich keine Vereinbarung über insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche abgeschlossen hätten und die nun streitgegenständlichen Vermögenswerte gar nicht erst dem Insolvenzverwalter übertragen worden wären: Mit der Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung verpflichtete sich die Beschwerdeführerin, der Konkursmasse einen Teil ihres Vermögens zur Verwertung und Befriedigung der Gläubiger zu überlassen, d.h. die konkursrechtliche Verwertung dieser Vermögenswerte zu dulden. Die der Rückabwicklung der Vereinbarung dienende Widerklage ist somit eine unmittelbare und untrennbare Folge des in Deutschland über A. eröffneten Insolvenzverfahrens, in dessen Rahmen sie sich hält. Schliesslich ergibt sich die konkursrechtliche Natur der hier zu beurteilenden Streitigkeit auch aus den Gründen, welche die Beschwerdeführerin zur Motivation ihres Widerklagebegehrens vorbrachte: Sie berief sich (nebst dem Verstoss gegen das BewG) unter anderem auf die Nichtigkeit der Vereinbarung vom 30. April bzw. 17. September 2001 wegen Wuchers, wobei sie zur Begründung vortrug, die vereinbarte Leistung der Beschwerdeführerin habe 344,777 Mio. DM betragen, wogegen die Anfechtungsansprüche bloss einen Wert von DM 72'962'416.00 gehabt hätten. Der Beschwerdegegner - so die Beschwerdeführerin weiter - habe nahezu das Doppelte dessen erlangt, was er rechtlich überhaupt gefordert habe, und über das Vierfache von dem, was er aller Voraussicht nach hätte durchsetzen können. Auch daraus erschliesst sich, dass der vorliegende Prozess BGE 139 III 236 S. 247 - unabhängig von der vertraglichen Form der von den Parteien getroffenen Regelung - inhaltlich die Anfechtungsansprüche der Konkursmasse gegen die Beschwerdeführerin nach deutschem Insolvenzrecht betrifft und damit einen konkursrechtlichen Gegenstand hat. Dies verkennt die Beschwerdeführerin, wenn sie vor Bundesgericht ausführt, die Beurteilung der Widerklage könne sich ohne Weiteres auf zivilrechtliche Ansprüche beschränken und mache nicht die Anwendung ausländischer konkursrechtlicher Vorschriften erforderlich. Angesichts der genannten Umstände dient die vorliegende Widerklage - wie die Beschwerdeführerin in der Widerklagebegründung übrigens selber ausführte - der Durchsetzung von insolvenzrechtlichen Ansprüchen. Die Beschwerdeführerin vermag diesen Umstand auch nicht dadurch zu entkräften, dass sie in der Beschwerde vor Bundesgericht die geltend gemachten Ansprüche aus der Rückabwicklung der Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung nun als "rein zivilrechtlicher, und nicht konkursrechtlicher Natur" qualifiziert, zumal die zuständigkeitsrechtliche Qualifikation eines eingeklagten Anspruchs aufgrund des klägerischen Tatsachenvortrags Gegenstand richterlicher Rechtsanwendung von Amtes wegen ist (vgl. BGE 137 III 32 E. 2.2 mit Hinweisen). 5.3 Die Zuständigkeit der Vorinstanzen für die vorliegende Widerklage kann aber auch nicht auf das IPRG abgestützt werden: Wohl behält das SchKG in Art. 30a die Bestimmungen des IPRG vor. Daraus darf indessen nicht geschlossen werden, Art. 8 IPRG begründe für insolvenzrechtliche Widerklagen wie die vorliegende einen Gerichtsstand am Ort der (mit der Widerklage in sachlichem Zusammenhang stehenden) Hauptklage. Die (allgemeinen) Bestimmungen des IPRG finden auf die Zuständigkeits- und Anerkennungsordnung für vollstreckungsrechtliche Streitigkeiten keine Anwendung (vgl. dazu BOMMER, Die Zuständigkeit für Widerspruchs- und Anfechtungsklagen im internationalen Verhältnis, 2001, S. 26-29; MEIER, Internationales Zivilprozessrecht und Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 171; WALDER, Einführung in das Internationale Zivilprozessrecht der Schweiz, 1989, S. 184). In diesem Sinne hat das Bundesgericht entschieden, dass die Anerkennung gemäss den allgemeinen Bestimmungen von Art. 25 ff. IPRG für betreibungsrechtliche Streitigkeiten mit Reflexwirkungen auf das materielle Recht (wie Kollokationssachen oder Anfechtungsklagen) ausser Betracht fällt, da diese Verfahren vollstreckungsrechtlicher und nicht zivilrechtlicher Natur sind ( BGE 135 III 127 E. 3.3.3 S. 134; BGE 129 III 683 BGE 139 III 236 S. 248 E. 5.2 S. 687; Urteil 5A_483/2010 vom 8. Februar 2011 E. 3.2). Nachdem im 11. Kapitel des IPRG, welches das internationale Konkursrecht der Schweiz regelt, kein Gerichtsstand für die vorliegende insolvenzrechtliche Klage betreffend einen ausländischen Konkurs vorgesehen ist (vgl. E. 4.2), vermag somit auch Art. 8 IPRG keinen solchen zu begründen (vgl. zum Ganzen JUCKER, Der internationale Gerichtsstand der schweizerischen paulianischen Anfechtungsklage, 2007, S. 316 f.). 5.4 Nach dem Gesagten steht fest, dass die vorliegende Widerklage angesichts ihrer konkursrechtlichen Natur, unabhängig von der Prozessführungsbefugnis des Beschwerdegegners, jedenfalls mangels Zuständigkeit des angerufenen schweizerischen Gerichts nicht zulässig ist. Die Vorinstanz hat demnach, indem sie auf die Widerklage nicht eintrat, kein Bundesrecht verletzt.
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Sachverhalt ab Seite 193 BGE 144 III 193 S. 193 A.
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A. (geb. 1995) ist die Tochter von B. und C. Mit Versäumnisentscheid vom 21. September 2010 erkannte das Kantonsgericht Nidwalden in Dispositiv-Ziffer 1 betreffend die von A. (als damalige Klägerin) gegen B. (als damalige Beklagte) angestrengte Unterhaltsklage: "Die Beklagte wird verpflichtet, an den Unterhalt der Klägerin rückwirkend ab 3. Februar 2010 monatlich im Voraus auf den Ersten eines Monats einen ab Verfall zu 5 % verzinslichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'773.25 bis zur Mündigkeit zu bezahlen. Bereits geleistete und durch entsprechende Belege nachgewiesene Zahlungen der Beklagten an die Klägerin können durch die Beklagte in Abzug gebracht werden. BGE 144 III 193 S. 194 Absolviert die Klägerin in diesem Zeitpunkt eine Ausbildung (Lehre, Anlehre, Mittelschule), so dauert die Zahlungspflicht bis zu dessen [recte: deren] Abschluss ( Art. 277 Abs. 2 ZGB ). Vorbehalten bleibt, dass es der Klägerin ab dann zuzumuten ist, an ihren Unterhalt einen Beitrag aus ihrem Arbeitserwerb beizusteuern ( Art. 276 Abs. 3 ZGB )." Der Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft. B. Mit Zahlungsbefehl vom 19. Juni 2015 betrieb A. ihre Mutter für ausstehende Unterhaltsbeiträge von insgesamt Fr. 245'524.05 nebst Zins. B. erhob Rechtsvorschlag. Das Kantonsgericht Nidwalden gewährte die definitive Rechtsöffnung mit Entscheid vom 2. Februar 2016 für Unterhaltsforderungen nebst Zins betreffend die Periode vom 21. September 2010 bis 24. Januar 2013 und verweigerte A. damit namentlich die Erteilung der Rechtsöffnung für den Volljährigenunterhalt. C. Eine dagegen erhobene Beschwerde von A., mit welcher sie definitive Rechtsöffnung zusätzlich für Fr. 42'275.80 nebst 5 % Zins seit dem 16. Juni 2013, Fr. 45'235.20 nebst 5 % Zins seit dem 16. Juni 2014 sowie Fr. 22'595.70 nebst 5 % Zins seit dem 15. März 2015 (Unterhaltsbeiträge vom 25. Januar 2013 bis 30. Juni 2015) verlangte, wurde vom Obergericht des Kantons Nidwalden am 6. Februar 2017 abgewiesen. D. Mit Eingabe vom 15. März 2017 hat A. beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und erneuert ihr vor Obergericht gestelltes Begehren. Die Vorinstanz hat sich nicht vernehmen lassen. B. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) stellt sinngemäss Antrag auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anlass zur Beschwerde gibt die Frage, ob die Vorinstanzen die Rechtsöffnung für die von der Beschwerdeführerin gestützt auf Dispositiv-Ziffer 1 Abs. 3 des Urteils des Kantonsgerichts Nidwalden vom 21. September 2010 geltend gemachten Unterhaltsbeiträge ab Volljährigkeit (d.h. ab 25. Januar 2013) bis zur Einleitung der Betreibung (d.h. bis 30. Juni 2015) zu Recht verweigert haben. 2.1 Gemäss Art. 80 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger beim Richter Aufhebung des Rechtsvorschlags und Erteilung der definitiven BGE 144 III 193 S. 195 Rechtsöffnung verlangen, wenn die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid beruht. Gemäss Art. 81 Abs. 1 SchKG wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft. Die Tilgung der Schuld kann nicht nur durch Zahlung, sondern auch gestützt auf jeden anderen zivilrechtlichen Grund wie Schulderlass, Verrechnung oder Erfüllung einer Resolutivbedingung erfolgen ( BGE 124 III 501 E. 3b S. 503; Urteil 5D_195/2013 vom 22. Januar 2014 E. 6.2). 2.2 Das Urteil, welches ausdrücklich die Zahlung von Unterhalt über die Volljährigkeit hinaus anordnet, stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar, wenn es die geschuldeten Unterhaltsbeiträge betragsmässig festlegt und deren Dauer bestimmt (vgl. Urteil 5A_445/2012 vom 2. Oktober 2013 E. 4, in: SJ 2014 I S. 189; STÉPHANE ABBET, La mainlevée de l'opposition, 2017, N. 32 zu Art. 80 SchKG ; AESCHLIMANN/SCHWEIGHAUSER, in: Scheidung, Bd. I, 3. Aufl. 2017, N. 71 zu den Allg. Bem. zu Art. 276-293 ZGB ). Eine Kinderunterhaltsrente, die bis zum Ende der beruflichen Ausbildung zu bezahlen ist, ist resolutiv bedingt (zit. Urteil 5A_445/2012 E. 4.2; ABBET, a.a.O., N. 37 zu Art. 80 SchKG ). Steht die Leistungspflicht des Schuldners gemäss dem definitiven Rechtsöffnungstitel unter einer auflösenden Bedingung, ist grundsätzlich Rechtsöffnung zu erteilen. Die Rechtsöffnung ist indes zu verweigern, wenn der Schuldner den Eintritt der Resolutivbedingung durch Urkunden zweifelsfrei nachweist, wobei das Erfordernis des Urkundenbeweises wegfällt, wenn der Gläubiger den Eintritt der Bedingung vorbehaltlos anerkennt oder wenn dieser notorisch ist (vgl. BGE 143 III 564 E. 4.2.2 S. 568; DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 45 zu Art. 80 SchKG ). 2.3 Das Obergericht hat erwogen, der Versäumnisentscheid vom 21. September 2010 sei rechtskräftig und vollstreckbar. Eine Nichtigkeit, die von Amtes wegen zu berücksichtigen sei, werde weder vorgebracht noch sei eine solche ersichtlich. Die Beschwerdegegnerin habe sich sowohl ihre Säumnis am damals anberaumten Gerichtstag als auch die Umstände selbst anzurechnen, dass sie gestützt auf das damals in Kraft stehende kantonale Prozessrecht weder gegen den Versäumnisentscheid ein Gesuch um Aufhebung bei der BGE 144 III 193 S. 196 Prozessleitung stellte noch die Appellation an die Kleine Kammer des Obergerichts ergriff, bzw. zu einem späteren Zeitpunkt gestützt auf Art. 286 Abs. 2 ZGB eine Abänderungsklage einreichte, wenn sie die Meinung vertreten hätte, dass die im Entscheid festgesetzten Unterhaltsbeiträge unberechtigt bzw. zu hoch gewesen seien oder aber, dass in der Zwischenzeit Anspruchsgrundlagen weggefallen seien. Die im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Einwände würden sich als untauglich erweisen, denn weder beweise die Beschwerdegegnerin mittels Urkunden die Tilgung oder Stundung der Forderung, noch rufe sie deren Verjährung an. Obschon das Obergericht klar festgehalten hat, dass die Beschwerdegegnerin keine (tauglichen) Einreden und Einwendungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG vorgebracht hat, hat es die Rechtsöffnung für den von der Beschwerdeführerin geforderten Volljährigenunterhalt gleichwohl verweigert. Zur Begründung hat es angeführt, dass Dispositiv-Ziffer 1 des Versäumnisentscheides hinsichtlich des Volljährigenunterhalts (dortiger Abs. 3) in dreierlei Hinsicht zu wenig bestimmt sei und daher nicht von einem genügenden Rechtsöffnungstitel ausgegangen werden könne. 2.4 Wie die Beschwerdeführerin unter Auseinandersetzung mit jeder einzelnen der nachfolgend detailliert wiedergegebenen Begründungen aufzeigt, halten die Schlussfolgerungen des Obergerichts rechtlicher Überprüfung nicht stand. 2.4.1 Das Obergericht hat es (im Gegensatz zur Erstinstanz, welche diese Frage gar nicht thematisiert hat) zunächst als unklar erachtet, ob der Betrag von Fr. 3'773.25 auch nach Eintritt der Volljährigkeit weitergelte. So werde im Dispositiv des Versäumnisentscheids (Ziffer 1 Abs. 3) lediglich der Umstand festgehalten, dass Anspruch auf Volljährigenunterhalt bestehe, jedoch nicht, in welcher Höhe. Es sei möglich und durchaus plausibel, den Betrag des Minderjährigenunterhalts, indexiert gemäss Ziffer 2 des Dispositivs, ohne Abänderung als Volljährigenunterhalt anzunehmen. Jedoch sei es ebenso möglich und plausibel, dass im Dispositiv einzig der Umstand der Zahlungspflicht festgehalten werden sollte und ganz bewusst die dannzumalige Höhe offengelassen worden sei. Mithin lasse sich sowohl dahingehend argumentieren, dass es sich bei der uneindeutigen Formulierung im Dispositiv um ein Versehen handle, als auch entgegengesetzt, dass das Kantonsgericht Nidwalden ganz bewusst nicht z.B. die Formulierung gewählt habe: "Die Beklagte wird BGE 144 III 193 S. 197 verpflichtet, an den Unterhalt der Klägerin rückwirkend ab 3. Februar 2010 monatlich im Voraus auf den Ersten eines Monats einen ab Verfall zu 5 % verzinslichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'773.25 bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessen Erstausbildung, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr [statt: "bis zur Mündigkeit"] zu bezahlen." Richtig an diesen Ausführungen ist, dass die Rechtsöffnung zu verweigern ist, wenn sich das vom Sachgericht Gewollte infolge einer ungeschickten Formulierung nicht mit Sicherheit ermitteln lässt (s. dazu BGE 143 III 564 E. 4.3.2 S. 569 mit Hinweisen). Zu Unrecht hat die Vorinstanz indes eine solche Konstellation vorliegend als gegeben erachtet. Auch wenn der Betrag im dritten Absatz von Dispositiv-Ziffer 1 des Versäumnisentscheids vom 21. November 2010 nicht noch einmal explizit erwähnt worden ist, drängt sich aufgrund von Wortlaut und Aufbau der Klausel der Schluss auf, dass sich der Terminus "die Zahlungspflicht" auf den im ersten Absatz festgelegten Betrag bezieht und damit deshalb die Zahlungspflicht in der Höhe von monatlich Fr. 3'773.25 gemeint ist. Zu sehen ist auch, dass das Kantonsgericht in der strittigen Dispositiv-Ziffer nicht lediglich einen allgemeinen Verweis auf die gesetzliche Bestimmung von Art. 277 Abs. 2 ZGB vorgenommen, sondern die Fortgeltung der Zahlungspflicht über die Volljährigkeit hinaus bis zum Ende der Ausbildung (im Versäumnisentscheid konkretisiert mit den Begriffen Lehre, Anlehre und Mittelschule) ausdrücklich angeordnet hat. Es kommt im Dispositiv des Versäumnisentscheids daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz klar zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführerin ganz bewusst ein definitiver Rechtsöffnungstitel für den monatlichen Betrag von Fr. 3'773.25 auch über die Volljährigkeit hinaus eingeräumt werden sollte; dies mit der Absicht, eine nahtlose Fortsetzung der Leistung von Unterhaltsbeiträgen beim Übergang von der Minderjährigkeit in die Volljährigkeit zu gewährleisten.
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Sachverhalt ab Seite 217 BGE 124 I 216 S. 217 Am 19. Januar 1996 stellte das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons Bern Franziska Fritschi für die Motorfahrzeugsteuer 1996 Fr. 712.20 in Rechnung. Die dagegen erhobene Einsprache wies das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt am 27. März 1996 ab. Hiergegen gelangte Franziska Fritschi erfolglos an die Polizei- und Militärdirektion sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 21. April 1997 hat Franziska Fritschi am 21. Mai 1997 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, die streitige Motorfahrzeugsteuerveranlagung beruhe auf einer ungenügenden gesetzlichen Grundlage und verletze damit Art. 4 BV sowie Art. 69 Abs. 4 lit. b und Art. 132 Abs. 1 der bernischen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV/BE). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. BGE 124 I 216 S. 218
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die umstrittene Motorfahrzeugsteuerveranlagung bzw. der entsprechende Beschwerdeentscheid stützt sich auf das Dekret vom 10. Mai 1972 über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (im folgenden: Fahrzeugsteuerdekret; DBS), welches sich seinerseits auf das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (SBS) stützt. Gemäss Art. 9 SBS ist für Strassenfahrzeuge mit Standort im Kanton Bern, die auf öffentlichen Strassen verkehren, eine Steuer zu entrichten, wobei sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges bemisst. Der Grosse Rat bestimmt durch Dekret die Besteuerungsgrundlagen und regelt Abstufung, Bezug und Verwendung der Steuern (Art. 11 SBS). Gemäss Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vom 28. Juni 1995) beträgt die Normalsteuer Fr. 360.-- für die ersten 1'000 Kilogramm; für je weitere 1'000 Kilogramm ermässigt sich die Steuer um 14% des Steuersatzes der vorangehenden Tonne; vor der Dekretsänderung vom 28. Juni 1995 betrug die Normalsteuer Fr. 324.-- für die ersten 1'000 Kilogramm. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Motorfahrzeugsteuerveranlagung für das Jahr 1996 entbehre einer genügenden gesetzlichen Grundlage, denn seit dem Inkrafttreten der neuen bernischen Verfassung vom 6. Juni 1993 am 1. Januar 1995 hätte die Änderung eines Steuertarifs nur nach Massgabe von Art. 69 Abs. 4 lit. b sowie Art. 132 Abs. 1 KV/BE und damit in Form eines referendumsfähigen Gesetzes erfolgen dürfen; die Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets vom 28. Juni 1995 verletze somit die neue bernische Kantonsverfassung. 3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage im Abgaberecht die Bedeutung eines verfassungsmässigen Rechts zu, dessen Verletzung selbständig, unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV , mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann. Öffentliche Abgaben bedürfen grundsätzlich einer Grundlage in einem formellen Gesetz, d.h. normalerweise in einem dem Referendum unterstehenden Erlass ( BGE 120 Ia 265 E. 2a S. 266, mit Hinweisen). Indessen können auch allein vom Parlament beschlossene Erlasse die Funktion des formellen Gesetzes erfüllen, wenn die betreffende kantonale Verfassungsordnung dies so vorsieht, sind doch die Kantone von Bundesrechts wegen nicht gehalten, ihre Gesetze dem Referendum zu BGE 124 I 216 S. 219 unterstellen ( BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 248, 320 E. 3a S. 324). Aus diesem Grunde kann für die vorliegend interessierende Frage, ob nach dem 1. Januar 1995 eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer in der Form einer Dekretsänderung zulässig war, aus dem bundesrechtlichen Legalitätsprinzip im Abgaberecht nichts abgeleitet werden. b) Die Beschwerdeführerin kann sich indessen auch auf das durch sämtliche Kantonsverfassungen garantierte Prinzip der Gewaltentrennung berufen, welches das Bundesgericht seit jeher als Individualrecht der Bürger anerkannt hat. Sein Inhalt ergibt sich jeweils aus dem kantonalen Recht, wobei das Bundesgericht die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen frei, jene des Gesetzesrechts dagegen lediglich auf Willkür hin prüft ( BGE 121 I 22 E. 3a S. 25, mit Hinweisen). 4. a) Gemäss Art. 69 Abs. 1 KV/BE können Befugnisse des Volkes an den Grossen Rat und an den Regierungsrat übertragen werden, falls die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt. Art. 69 Abs. 4 KV/BE bestimmt, dass alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen sind. Dazu gehören unter anderem Bestimmungen über den Gegenstand von Abgaben, die Grundsätze ihrer Bemessung und den Kreis der Abgabepflichtigen mit Ausnahme von Gebühren in geringer Höhe (lit. b). b) Die Kantonsverfassung versteht gemäss Art. 69 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. a unter Gesetzen im formellen Sinne Erlasse des Grossen Rates, welche Rechtssätze verankern und dem fakultativen Referendum unterstehen (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 129). Im Gegensatz dazu sind Dekrete Erlasse des Grossen Rates, welche dieser gestützt auf eine gesetzliche Ermächtigung verabschieden kann, um Gesetzesbestimmungen "näher auszuführen" ( Art. 74 Abs. 1 KV/BE ). Im Bereich des Dekrets ist die Mitwirkung des Volkes ausgeschlossen. Es handelt sich bei dieser Erlassform um auf Delegation beruhende (unselbständige) parlamentarische Verordnungen. Dekretsbefugnisse, die sich direkt aus der Verfassung ergeben, kennt die Kantonsverfassung nicht mehr. Dekrete sind für die Regelung von Angelegenheiten reserviert, welche zwar nicht die Wichtigkeit von Gesetzesbestimmungen erreichen, aber doch zuviel Gewicht besitzen, um der Exekutive überlassen zu werden; sie sind insbesondere für Verordnungsrecht mit erhöhtem Legitimationsbedarf geeignet (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 132). BGE 124 I 216 S. 220 c) Das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge regelt zwar, für welche Strassenfahrzeuge die Steuer zu entrichten ist und dass sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges richtet (vgl. E. 2); es delegiert jedoch in Art. 11 die Befugnis zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen an den Grossen Rat, welcher in Art. 1 Abs. 2 des Fahrzeugsteuerdekrets den Kreis der Abgabepflichtigen präzisiert (die Fahrzeughalter) und in Art. 5 ff. den Steuertarif festlegt. Indem das Gesetz die Bemessung der Motorfahrzeugsteuer dem Grossen Rat als Dekretsgeber überlässt, nimmt es eine nach Art. 69 Abs. 4 KV/BE nicht mehr zulässige Delegation vor; der auf dieser Delegation beruhende Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets ist somit heute formell verfassungswidrig. 5. Gemäss Art. 132 Abs. 1 KV/BE bleiben Erlasse, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, vorläufig in Kraft, denn der Verfassungsgeber erachtete es als weder sinnvoll noch machbar, alle diese recht zahlreichen Bestimmungen innert kurzer Frist zu ändern. Dabei betrifft diese Regelung namentlich Dekretsbestimmungen, die gestützt auf Art. 69 Abs. 4 oder Art. 95 Abs. 2 KV/BE neu auf Gesetzesstufe zu erlassen sind, sowie Dekrete, die sich unmittelbar auf die alte Verfassung abstützten (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 574). Damit durfte der Kanton Bern auch nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Motorfahrzeugsteuer noch nach Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vor der Änderung vom 28. Juni 1995) erheben. 6. a) Die strittige Motorfahrzeugsteuerveranlagung stützt sich indessen auf Art. 5 DBS in seiner Form vom 28. Juni 1995 und damit auf eine Dekretsänderung, welche der Grosse Rat nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung beschlossen hat, indem er die Normalsteuer per 1. Januar 1996 für die ersten 1'000 Kilogramm von Fr. 324.-- auf Fr. 360.-- heraufsetzte. Die Beschwerdeführerin betrachtet diese Dekretsänderung als mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE unvereinbar, wonach sich die Änderung von Erlassen, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, nach der neuen Verfassung richtet. Das Verwaltungsgericht liess die Frage, ob das Fahrzeugsteuerdekret auf einer den Anforderungen der neuen Kantonsverfassung BGE 124 I 216 S. 221 genügenden gesetzlichen Ermächtigung beruhe, offen. Es erwog, ein allfälliger delegationsrechtlicher Mangel könne durch eine Dekretsänderung nicht behoben werden; nur die Aufnahme der heute auf Dekretsstufe geregelten Bemessungskriterien in ein formelles Gesetz könnte eine formelle Verfassungswidrigkeit in diesem Punkt beheben. Trotzdem ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die umstrittene Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets nicht gegen Art. 132 Abs. 1 KV/BE verstosse: Es argumentiert, die staatliche Tätigkeit und ihre Finanzierung könnten in der Übergangszeit empfindlich beeinträchtigt werden, wenn unmittelbar mit dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Revision von belastenden Dekretsbestimmungen wie den interessierenden generell und unbesehen des jeweiligen Revisionsgegenstands untersagt werden sollte; dies habe aber der Verfassungsgeber mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE gerade vermeiden wollen. Das Verwaltungsgericht weist ferner darauf hin, dass ein Gesetzgebungsprojekt über die Besteuerung von Strassenfahrzeugen hängig sei. b) Diese Argumentation überzeugt nicht: Für Abwägungen zwischen den staatlichen Finanzbedürfnissen und der Gewichtigkeit eines delegationsrechtlichen Mangels lässt die Übergangsregelung von Art. 132 Abs. 1 KV/BE grundsätzlich keinen Raum. Der bernische Verfassungsgeber hat zwischen dem Ziel, die neue Zuständigkeitsordnung durchzusetzen, und der Notwendigkeit, Rechtslücken und damit verbundene Beeinträchtigungen der Staatstätigkeit zu vermeiden, selber bereits eine Abwägung getroffen, indem er formell verfassungswidrig gewordenen Erlassen zwar einstweilen noch Gültigkeit zuerkennt, aber die zuständigen Rechtsetzungsorgane, wenn die betreffenden Bestimmungen geändert werden sollen, zur Legiferierung in der neu vorgeschriebenen Form verpflichtet. c) Auf die Frage, wie weit die Pflicht zur Anpassung bei blossen Teilrevisionen eines formell mangelhaften Erlasses reicht - ob jeweils der ganze Erlass oder nur gerade die von der Revision erfassten Bestimmungen mit der neuen Ordnung in Einklang zu bringen sind -, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Die Pflicht zur Anpassung gilt jedenfalls für die unmittelbar geänderten Bestimmungen, was bedeutet, dass die vorliegend in Frage stehende Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer die Schaffung entsprechender Grundlagen auf Gesetzesstufe voraussetzt. Dass mittlerweile ein solches Gesetz vom Parlament verabschiedet worden ist, rechtfertigt keine Abweichung von der Regel des Art. 132 Abs. 1 KV/BE ; BGE 124 I 216 S. 222 ebensowenig der Umstand, dass die Auswirkungen der Steuererhöhung für die Beschwerdeführerin mässig sind bzw. zum Teil nur eine Anpassung an die Teuerung darstellen. d) Das Verwaltungsgericht hätte daher die streitige Steuererhöhung, weil sie in Verletzung von Art. 69 Abs. 4 KV/BE und Art. 132 Abs. 1 Satz 2 KV/BE beschlossen wurde, als unwirksam betrachten müssen; der angefochtene gegenteilige Entscheid verletzt den in genannten Verfassungsvorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltentrennung. Nachdem die Revision von Art. 5 DBS vom 28. Juni 1995 als ungültig zu betrachten ist, wird die Beschwerdeführerin für das Jahr 1996 nach dem niedrigeren bisherigen Tarif zu besteuern sein.
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Sachverhalt ab Seite 135 BGE 87 I 134 S. 135 A.- Le 16 décembre 1960, Belkacem Ktir, ressortissant français d'Algérie, fut arrêté près de Genève, alors qu'il venait de franchir clandestinement la frontière francosuisse. Le lendemain, la police genevoise reçut un télégramme du Parquet du Tribunal de Grande instance d'Annecy, demandant que Ktir, inculpé par les autorités françaises d'avoir assassiné un Algérien du nom de Mezai, fût maintenu en état d'arrestation provisoire; le télégramme annonçait qu'une requête d'extradition régulière suivrait par voie diplomatique. Le même jour, Ktir fut entendu et déclara qu'agissant en sa qualité de membre du Front algérien de libération nationale (FLN), il avait participé, sur ordre de ses supérieurs, à l'homicide de Mezai, qui, précisa-t-il, s'était déroulé dans les circonstances suivantes: BGE 87 I 134 S. 136 Mezai, membre du FLN, avait été arrêté par les autorités françaises, puis relâché. Ses chefs l'avaient soupçonné de trahison et avaient décidé de le "supprimer". Ils en chargèrent Ktir et trois autres Algériens. Le soir du 14 novembre 1960, Ktir alla chercher Mezai chez lui, à Annecy, sous prétexte d'une rencontre avec des responsables du FLN. Il le fit monter dans une voiture où attendaient trois autres Algériens. Ktir s'assit à côté du chauffeur, Mezai derrière entre les deux autres passagers. A un moment donné, la voiture s'étant arrêtée hors de ville dans un endroit écarté, ces derniers passèrent une cordelette autour du cou de Mezai et l'étranglèrent. B.- Le 3 janvier 1961, l'Ambassade de France à Berne remit au Département fédéral de justice et police la demande d'extradition qui avait été annoncée dans le télégramme du 17 décembre 1961. Ktir fut réentendu et confirma ses déclarations. Il s'opposa à son extradition. Il fit valoir que, la France étant en guerre avec le FLN, il avait, en participant à l'homicide de Mezai, aidé à mettre à mort un ennemi dans le cadre d'une guerre; il ajouta que, s'il était extradé, il serait en fait livré à son ennemi. Pour le cas où l'extradition serait inévitable, il demanda qu'elle fût subordonnée à la condition qu'en vertu du principe de la loi la plus douce, la peine de mort ne fût pas applicable. C.- Le Département fédéral de justice et police a saisi le Tribunal fédéral de la cause. Le Ministère public fédéral propose d'écarter l'opposition de Ktir et d'accorder son extradition.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. L'extradition des malfaiteurs entre la France et la Suisse est réglée par le traité que ces deux Etats ont conclu le 9 juillet 1869 (ci-après: le traité). Dès lors, conformément à la jurisprudence, la loi fédérale du 22 janvier 1892 sur l'extradition aux Etats étrangers (LE) n'est en principe pas applicable en l'espèce (RO 42 I 104; 27 I 62 ; BGE 87 I 134 S. 137 XIX, p. 129 consid. 4 et p. 137 consid. 2 in fine; XVIII, p. 193 bas et 498, fin consid. 2; SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Bâle 1953, p. 134). Il n'en irait autrement que dans certaines hypothèses, notamment si la LE pouvait être appliquée concurremment avec le traité ou pour en combler une lacune, à la condition toutefois qu'elle ne conduisît pas à une solution contraire à la convention (RO 27 I 60/61; SCHULTZ, op.cit., p. 135). 2. En vertu des art. 1er et 2 du traité, l'extradition est autorisée lorsque les actes en cause sont punissables d'après les droits français et suisse, qu'ils remplissent les conditions de l'une ou de l'autre des infractions énumérées dans le traité et qu'il ne s'agit pas de crimes ou de délits politiques. Sont notamment des infractions politiques celles qui, tout en constituant en elles-mêmes des actes relevant du droit commun, acquièrent cependant un caractère politique prédominant en raison des circonstances dans lesquelles elles ont été commises, en particulier de leurs mobiles et de leur but. Ces infractions, qui ressortissent aux délits politiques relatifs, supposent que l'acte, inspiré par la passion politique, a été commis dans le cadre d'un combat pour l'accès au pouvoir ou afin de se soustraire à un pouvoir excluant toute opposition et qu'il est en rapport direct et étroit avec le but politique visé. Il faut en outre que le dommage causé soit proportionné au résultat recherché, qu'en d'autres termes, les intérêts en cause soient suffisamment importants, sinon pour justifier, du moins pour excuser l'atteinte que l'acte a portée à certains biens juridiques privés. S'agissant plus spécialement de l'assassinat, ce rapport n'existe que lorsque l'homicide est le seul moyen de sauvegarder les intérêts supérieurs en jeu et d'atteindre le but politique recherché (sur ces principes, cf. RO 78 I 50 ss.; 78 I 137 /138; 56 I 461 ss.; 54 I 213 ss.; 50 I 259 ; 34 I 546 ss. et 570 ss.). En appliquant les principes qui précèdent, le Tribunal fédéral n'a pas à se prononcer sur la culpabilité de l'opposant et il est lié par les faits énoncés dans l'acte de BGE 87 I 134 S. 138 poursuite qui est à la base de la demande d'extradition. En revanche, il examine librement si les conditions de l'extradition sont remplies, en particulier s'il s'agit d'infractions politiques. De même, il décide librement si, au regard du dossier, on peut considérer que les circonstances invoquées à l'appui de l'opposition sont prouvées (RO 79 I 36, 78 I 45). En l'espèce et selon le mandat d'arrêt lancé contre lui, Ktir est poursuivi en France pour assassinat. Cette infraction est punie tant en droit français ( art. 295 à 298 et 302 al. 1 CP) qu'en droit suisse (art. 111 et 112 CP). Elle figure sous chiffre 1 de l'énumération contenue à l'article premier du traité. Il reste dès lors à savoir d'une part s'il s'agit d'un délit politique, d'autre part quel rôle pourrait jouer le fait que l'acte reproché à Ktir aurait été, ainsi que l'allègue ce dernier, commis dans le cadre d'une guerre entre la France et le FLN. Sur ce second point, l'opposant entend probablement se fonder sur l'art. 11 LE, aux termes duquel "l'extradition ne sera pas accordée... pour les délits purement militaires". Cette disposition n'est cependant pas applicable, car le traité ne fait aucune réserve de ce genre (SCHULTZ, op.cit., p. 139). Le moyen de l'opposant est donc mal fondé. D'ailleurs, l'assassinat n'a jamais été considéré comme une infraction "purement militaire", car il porte atteinte à la vie humaine et ne vise pas l'organisation ou les devoirs militaires (RO 77 I 61). Quant au caractère politique de l'infraction, il convient de relever tout d'abord que le FLN lutte pour prendre le pouvoir en Algérie. Son action s'étend non seulement à ce pays, mais aussi à la France. Elle revêt un caractère manifestement politique. L'opposant affirme qu'il est membre du FLN et que c'est en cette qualité et sur ordre de ses supérieurs qu'il a participé à l'assassinat de Mezai. Ses déclarations sont vraisemblables. On peut en déduire qu'il a agi non pour des motifs personnels mais en raison de mobiles politiques. Il ne s'ensuit pas que son acte ait BGE 87 I 134 S. 139 un caractère politique prédominant. Pour que tel fût le cas, il faudrait que l'assassinat de Mezai eût été le seul moyen de sauvegarder les intérêts supérieurs du FLN et d'atteindre le but politique que vise cette organisation. Or cette condition n'est pas remplie. En effet, il n'est nullement démontré que les intérêts du FLN se soient trouvés si gravement compromis par la prétendue trahison de Mezai que la "suppression" de ce dernier était l'unique moyen de les sauvegarder efficacement. On ne voit pas non plus que l'assassinat, auquel Ktir a participé, ait en quoi que ce soit fait progresser la libération de l'Algérie. Cet assassinat se caractérise surtout comme un acte de vengeance et de terreur. Le lien qui le rattache au but politique du FLN est trop lâche pour le rendre excusable et lui conférer un caractère politique prédominant. Il ne s'agit donc pas d'un crime ou d'un délit politique au sens de l'art. 2 al. 1 du traité. Comme les autres conditions posées par ce traité sont remplies, l'extradition doit en principe être accordée. 3. D'après l'art. 302 al. 1 CP Fr., l'assassinat est puni de mort. L'opposant demande que, si l'extradition est accordée, elle soit subordonnée à la condition que cette peine ne soit pas prononcée. Il invoque le principe de la loi la plus douce. Toutefois, le traité ne fait pas dépendre l'extradition du genre de peine qui, dans l'Etat requérant, frappe l'acte en cause. A cet égard, l'Etat requérant applique son propre droit, sans devoir prendre en considération celui de l'Etat requis. Le traité n'autorise donc pas à soumettre l'extradition de Ktir à la condition que ce dernier ne soit pas mis à mort. L'art. 5 LE, à supposer que, comme l'admet SCHULTZ (op. cit., p. 136), il soit applicable à côté du traité, ne justifierait pas davantage une réserve de cette nature. Certes, il oblige les autorités suisses à subordonner l'extradition à la condition que la peine corporelle qui, dans l'Etat requérant, pourrait frapper l'infraction en cause, soit commuée BGE 87 I 134 S. 140 en prison ou en amende. Toutefois, les peines corporelles au sens de cette disposition ne comprennent pas la peine capitale. Le fondement de l'art. 5 LE se trouve en effet non dans le principe de la lex mitior, qu'il est sans pertinence d'invoquer ici, mais dans l'art. 65 al. 2 Cst. (message à l'appui de la LE, FF 1890 III 213). Or l'interdiction des peines corporelles statuée par l'art. 65 al. 2 Cst. ne s'applique pas à la peine de mort (BURCKHARDT, Commentaire, p. 600). D'ailleurs le message précité confirme que la peine capitale ne doit pas être comprise dans les peines corporelles dont par le l'art. 5 LE. 11 précise que, la peine de mort n'étant pas interdite par la constitution, "la Suisse serait mal venue à déclarer qu'elle ne tolère pas la peine de mort à l'étranger, alors qu'elle la tolère à l'intérieur" (FF 1890 III 213). Le fait que les peines corporelles ne comprennent pas la peine de mort résulte du reste clairement des dispositions de certains traités postérieurs à la LE (traité avec l'Autriche-Hongrie, art. V et protocole final, ch. 3; traité avec le Brésil, art. VI; traité avec la Pologne, protocole final, ch. 2 et 3; traité avec la Turquie, protocole final, litt. b et c). En outre, en ce qui concerne plus spécialement le traité francosuisse, le Tribunal fédéral a déjà jugé qu'une demande d'extradition présentée par la France devait être accordée même si, dans ce pays, l'infraction était passible de mort (cf. arrêt non publié du 19 juin 1900 dans la cause Billard). Il est vrai que, depuis lors, le code pénal suisse est entré en vigueur et qu'il ignore la peine capitale. Toutefois, cette modification du droit pénal applicable en Suisse est sans effets sur les règles fédérales concernant l'extradition. Le législateur l'a si bien compris que, le 1er avril 1938, soit quatre mois seulement après avoir adopté le code pénal suisse, il a approuvé un traité d'extradition conclu avec la Pologne et qui, s'il permet aux autorités suisses d'exprimer le désir que la peine de mort soit commuée en une peine privative de liberté, ne les autorise pas en revanche à subordonner l'extradition à pareille condition BGE 87 I 134 S. 141 et n'oblige pas non plus les autorités polonaises à donner suite au voeu formulé. C'est donc seulement quand un traité d'extradition exclut la peine capitale que les autorités suisses peuvent valablement subordonner l'extradition à la condition que cette peine ne soit pas prononcée (traités avec le Brésil, art. VI, avec le Portugal, art. III dern. al., avec l'Uruguay, art. 8). Le traité franco-suisse ne contenant aucune règle de ce genre, l'extradition de Ktir doit être autorisée sans exiger que la peine de mort ne soit pas prononcée. Il appartiendra au Conseil fédéral d'examiner s'il convient qu'un désir soit exprimé dans ce sens, comme cela est expressément prévu par certains traités (cf. traités avec la Pologne, protocole final, ch. 3, et avec la Turquie, protocole final, litt. c). 4. D'après l'art. 8 du traité, "l'individu qui aura été livré ne pourra être poursuivi ou jugé contradictoirement pour aucune infraction autre que celle ayant motivé l'extradition (et les actes connexes), à moins du consentement exprès et volontaire donné par l'inculpé et communiqué au gouvernement qui l'a livré, ou à moins que l'infraction ne soit comprise dans la convention et qu'on n'ait obtenu préalablement l'assentiment du gouvernement qui aura accordé l'extradition". Cette réserve s'applique aux délits politiques, qui ne peuvent donner lieu à extradition (art. 2 al. 2 du traité). En l'espèce, Ktir a déclaré qu'il avait agi pour le FLN non seulement en participant à l'assassinat de Mezai mais aussi en organisant les cadres et en récoltant des fonds. Ces deux dernières activités paraissent tomber sous le coup des art. 88 ss. CP Fr., qui répriment les "crimes contre la sûreté intérieure de l'Etat". Il s'agit donc d'infractions politiques. Il y a lieu dès lors de subordonner l'extradition de Ktir à la condition - prévue par l'art. 8 du traité - qu'il ne soit pas poursuivi ni jugé contradictoirement de ce chef. Il en irait de même si la LE était applicable, vu l'art. 7 al. 1 de cette loi. BGE 87 I 134 S. 142
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette l'opposition de Belkacem Ktir et autorise son extradition à la France aux conditions prévues par l'art. 8 du traité franco-suisse d'extradition.
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CH_BGE_001_BGE-87-I-134_nodate
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BGE_87_I_134
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Sachverhalt ab Seite 333 BGE 146 IV 332 S. 333 A. Am 3. Juli 2017 kam es auf einer Quartierstrasse in U. zu einer Nachbarschaftsstreitigkeit zwischen B. und den Eheleuten C. A. wollte das Geschehen mit ihrem Mobiltelefon aufnehmen, was wiederum zu Differenzen zwischen ihr und B. führte. Der Vorfall vom 3. Juli 2017 hatte die Eröffnung von Strafverfahren gegen sämtliche Beteiligten, so auch gegen A. und B., zur Folge. Die Staatsanwaltschaft stellte mit Verfügung vom 15. August 2019 die vier auf Beschwerde von A. hin gemeinsam geführten Verfahren wegen Beschimpfung etc. gegen alle Beteiligten ein. Sie nahm die Verfahrenskosten auf die Staatskasse, richtete der anwaltlich vertretenen A. jedoch keine Entschädigung aus. B.
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Gegen die Einstellungsverfügung erhob A. Beschwerde beim Obergericht des Kantons Thurgau und beantragte, die Dispositivziffern betreffend die Einstellung des Verfahrens gegen B. sowie die Verweigerung einer Entschädigung seien aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, B. wegen falscher Anschuldigung, eventuell Irreführung der Rechtspflege, Verleumdung, eventuell übler Nachrede, anzuklagen. Ferner sei B., eventuell der Staat, zu verpflichten, ihr eine Entschädigung von Fr. 6'764.75 für die Kosten ihrer Verteidigung zu bezahlen. Nachdem B. in der Beschwerdeantwort die Abweisung der Beschwerde beantragt hatte, schränkte A. ihre Beschwerde auf die Anfechtung der Verweigerung einer Entschädigung für die Kosten der Verteidigung ein. Das Obergericht des Kantons Thurgau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 12. Dezember 2019 ab, soweit sie nicht durch Rückzug gegenstandslos geworden war, auferlegte A. eine Verfahrensgebühr von Fr. 1'000.- und verpflichtete sie zur Leistung einer Prozessentschädigung an B. von Fr. 480.-. C. A. führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Entscheid des Obergerichts vom 12. Dezember 2019 sei aufzuheben und stattdessen sei der Staat zu verpflichten, sie für die Kosten ihrer Verteidigung mit Fr. 6'764.75 zu entschädigen und an ihrer Stelle B. eine Entschädigung von Fr. 480.- zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Neufestsetzung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau und das Obergericht wurden zur Vernehmlassung eingeladen. Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Generalstaatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen. A. machte von ihrem Replikrecht Gebrauch. BGE 146 IV 332 S. 334 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verweigerung einer Entschädigung für ihre Wahlverteidigung hauptsächlich mit der Begründung, die Vorinstanz hätte die Festsetzung dieser Entschädigung von Amtes wegen vornehmen müssen. Zum einen habe der Vorinstanz die vom Verteidiger an die Staatsanwaltschaft gefaxte Kostennote vorgelegen und zum anderen hätte sie nicht auf einen impliziten Verzicht auf Entschädigung schliessen dürfen, nur weil die Beschwerdeführerin die Kostennote nach Fristablauf eingereicht habe, zumal solches im Falle der Säumnis auch nicht angedroht worden sei. Entgegen der Vorinstanz, die ihre rigorose Haltung auf zwei Lehrmeinungen und einen nicht einschlägigen Entscheid des Bundesgerichts stütze, sei der Verteidigungsaufwand nach pflichtgemässem Ermessen anhand der Strafakten, der gesetzlichen Tarife und der üblichen Stundenansätze für Rechtsanwälte festzusetzen, selbst wenn eine Kostennote mit Leistungsverzeichnis fehle. Wo, wie bei Art. 429 Abs. 2 StPO , ein Rechtsanspruch von Amtes wegen bestehe, könne keine Mitwirkungspflicht mit Rechtsverlust bestehen, sondern bloss eine Mitwirkungsobliegenheit, deren Verletzung nur faktische Nachteile nach sich ziehen könne, wie hier die Festsetzung der Entschädigung nach pflichtgemässem Ermessen. Indem die Vorinstanz den Entschädigungsanspruch der Freizusprechenden an das pünktliche Abliefern einer Kostennote knüpfe, verletze sie Art. 429 Abs. 2 StPO und das Verbot des überspitzten Formalismus gemäss Art. 29 Abs. 1 BV . 1.2 1.2.1 In tatsächlicher Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, die mittels Einschreiben vom 28. Juni 2019 dem Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin zugesandte Aufforderung, allfällige Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche binnen 14 Tagen anzumelden, zu beziffern und zu belegen, sei diesem am 1. Juli 2019 zugestellt worden. Auf sein Gesuch hin sei die Frist bis zum 11. August 2019 erstreckt worden, jedoch sei innert Frist keine Honorarnote eingegangen. Daraufhin sei am 15. August 2019 die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft verfügt worden. Die Honorarnote des Verteidigers sei erst am 16. August 2019 um 15.04 Uhr per Fax eingegangen und damit BGE 146 IV 332 S. 335 fünf Tage nach Ablauf der Nachfrist und auch nach Erlass des Einstellungsentscheids, weshalb die Staatsanwaltschaft die Honorarnote nicht mehr habe berücksichtigen können. 1.2.2 In rechtlicher Hinsicht erwägt die Vorinstanz, die Staatsanwaltschaft habe von einem impliziten Verzicht auf eine Entschädigung ausgehen dürfen, da die Beschwerdeführerin (bewusst) die erstreckte Frist unbenutzt habe verstreichen lassen. Auf die nach Ablauf der erstreckten Frist und nach Einstellung des Strafverfahrens eingegangene Kostennote habe die Staatsanwaltschaft nicht mehr eingehen müssen, zumal die Entschädigung in einem späteren Verfahrensabschnitt ohnehin nicht mehr habe geltend gemacht werden können. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin im eingestellten Strafverfahren Beschuldigte und Privatklägerin in Personalunion gewesen sei und im Beschwerdeverfahren zunächst noch beantragt habe, die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung anzuweisen. Aus dieser Konstellation folge, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Verteidigung der Beschwerdeführerin als Beschuldigte vom Aufwand für die Vertretung als Privatklägerin hätte abgegrenzt werden müssen, weshalb die Beschwerdeführerin umso mehr gehalten gewesen wäre, ihre Entschädigungsforderung spätestens binnen der verlängerten Frist anzumelden, zu beziffern und zu belegen. 1.3 Gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Darunter fallen zum einen die Kosten der Wahlverteidigung, sofern der Beizug eines Anwalts angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war. Zum anderen können bei besonderen Verhältnissen auch die eigenen Auslagen der Partei entschädigt werden. Gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO muss die Strafbehörde den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen prüfen. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Strafbehörde im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 6 StPO alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären hat. Sie hat aber die Parteien zur Frage mindestens anzuhören und gegebenenfalls gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen ( BGE 144 IV 207 E. 1.3.1 S. 209; BGE 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 240; Urteile 6B_4/2019 vom 19. Dezember 2019 E. 5.2.5; 6B_669/2018 vom 1. April 2019 E. 2.3; 6B_552/2018 vom BGE 146 IV 332 S. 336 27. Dezember 2018 E. 1.3; 1B_370/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.1; 6B_375/2016 vom 28. Juni 2016 E. 3.1). Die beschuldigte Person trifft insofern eine Mitwirkungspflicht (Urteile 6B_928/2018 vom 26. März 2019 E. 2.2.2; 6B_561/2014 vom 11. September 2014 E. 3.1 mit Hinweis). Fordert die Behörde die beschuldigte Person auf, ihre Ansprüche zu beziffern und reagiert diese nicht, kann gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung von einem (impliziten) Verzicht auf eine Entschädigung ausgegangen werden (Urteile 1B_370/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.1; 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.3; 6B_842/2014 vom 3. November 2014 E. 2.1; 6B_561/2014 vom 11. September 2014 E. 3.1; 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4). 1.4 Wie bereits ausgeführt, forderte die Staatsanwaltschaft die Beschwerdeführerin bzw. ihren Rechtsvertreter mit Parteimitteilung vom 28. Juni 2019 auf, allfällige Entschädigungsansprüche zu beziffern und zu belegen und setzte ihr hierfür eine Frist von 14 Tagen an. Bereits deshalb unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich vom Sachverhalt, der dem von der Beschwerdeführerin erwähnten bundesgerichtlichen Entscheid 1B_475/2011 vom 11. Januar 2012 zugrunde lag. Wie aus dem genannten Entscheid hervorgeht, kam die Behörde dort der Pflicht, allfällige Entschädigungsansprüche von Amtes wegen abzuklären und die Partei gegebenenfalls zur Bezifferung ihres Anspruchs aufzufordern, nicht nach. Im Gegensatz dazu beantragte die Beschwerdeführerin vorliegend zunächst die Erstreckung der angesetzten Frist, liess sich innert der erstreckten Frist aber nicht vernehmen. Der Einstellungsentscheid erging am 15. August 2019. Die Beschwerdeführerin reichte erst am Folgetag per Fax eine Kostennote ein. Diese konnte somit beim Entscheid vom 15. August 2019 bereits aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden. Da die Beschwerdeführerin innert der angesetzten Frist nicht reagierte, durfte die Staatsanwaltschaft ohne Weiteres von einem Verzicht auf die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ausgehen. Es bestand, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, auch keine Pflicht der Behörde, die Entschädigung nach Ermessen festzusetzen. Die Festsetzung nach Ermessen würde sich denn vorliegend auch schwierig gestalten, da die Staatsanwaltschaft die effektiven Aufwendungen der Verteidigung nicht kannte (vgl. dazu Urteil 6B_928/2018 vom 26. März 2019 E. 2.2.2) und es aufgrund der Doppelrolle der Beschwerdeführerin als Beschuldigte und Privatklägerin zwingend BGE 146 IV 332 S. 337 erforderlich war, die Kosten klar voneinander abzugrenzen. Die Staatsanwaltschaft war somit auf die Mitwirkung der Beschwerdeführerin angewiesen. Weiter überzeugt auch der Einwand der Beschwerdeführerin nicht, die Beschwerdeinstanz hätte den Anspruch nachträglich prüfen können, da ihr in dieser Frage volle Kognition zugekommen sei und eine Beweisergänzung gestützt auf Art. 389 StPO möglich gewesen wäre. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Entschädigung in einem späteren Verfahrensschritt nicht mehr geltend gemacht werden (Urteile 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.3; 6B_842/2014 vom 3. November 2014 E. 2.1; vgl. WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 31b zu Art. 429 StPO ; SCHMID/JOSITSCH, in: Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1819 Fn. 154). Daran ändert nichts, dass Beweisergänzungen im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich möglich sind. Dass vorliegend von einem (impliziten) Verzicht ausgegangen wird, verletzt auch nicht das Verbot des überspitzten Formalismus. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht im Widerspruch zu Art. 29 Abs. 1 BV (vgl. BGE 145 I 201 E. 4.2.1 S. 204; BGE 142 I 10 E. 2.4.2 S. 11; BGE 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183 f.). Gemäss Art. 93 StPO ist eine Partei säumig, wenn sie eine Verfahrenshandlung nicht fristgerecht vornimmt oder zu einem Termin nicht erscheint. Der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin musste die genannte Bestimmung ebenso bekannt sein wie der Umstand, dass das Verpassen einer Frist mit einem Rechtsverlust verbunden sein kann. Entgegen ihrer Auffassung war es nicht erforderlich, die Beschwerdeführerin auf die Säumnisfolgen hinzuweisen oder ihr eine Nachfrist anzusetzen. Solches ist in Art. 93 StPO nicht vorgesehen. Vielmehr kann eine Partei, die eine Frist unverschuldet versäumt, ein Wiederherstellungsgesuch nach Art. 94 StPO stellen. Die betreffende Bestimmung wurde vorliegend allerdings nicht angerufen oder als verletzt gerügt.
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CH_BGE_006_BGE-146-IV-332_2020-09-17
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BGE_146_IV_332
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 133 IV 129 S. 129 Die niederländischen Behörden führen ein Strafverfahren gegen X. wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung. Am 21. Juli 2006 ersuchten sie die Schweiz um Rechtshilfe. BGE 133 IV 129 S. 130 Mit Schlussverfügung vom 8. Januar 2007 ordnete die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich die Herausgabe verschiedener Bankunterlagen an die niederländischen Behörden an. Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht am 25. April 2007 ab, soweit es darauf eintrat. X. führt mit Eingabe vom 7. Mai 2007 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Hauptantrag, der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben, und verschiedenen Nebenanträgen. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein
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Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. 1.1 Gemäss Art. 84 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn er unter anderem die Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf eine Beschwerde, wenn kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet (Abs. 3). 1.2 Zwar geht es hier um die Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 84 BGG insoweit möglich ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich jedoch nicht um einen besonders bedeutenden Fall. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, auf die zurückzukommen kein Anlass besteht. Auch sonst wie ist der Fall nicht von aussergewöhnlicher Tragweite. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist, fehlen ebenfalls. Die Beschwerde ist daher unzulässig.
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Sachverhalt ab Seite 369 BGE 110 Ib 368 S. 369 Louis Jeanneret est propriétaire d'une parcelle de 2394 m2, sise dans la commune genevoise de Bellevue et sur laquelle est construite la villa qu'il habite. Il a acquis cette propriété en 1966 pour le prix de 200'000 francs et déclare y avoir effectué des travaux d'entretien et de transformation pour un montant de 211'410 francs. Cette propriété est distante d'environ 1 km et demi de l'extrémité nord-est de la piste de l'aéroport de Genève-Cointrin. Selon le plan des zones de bruit mis à l'enquête publique par le canton de Genève le 15 janvier 1979 et approuvé les 12 et 18 janvier 1984 par le Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie, mais non encore entré en force, la parcelle est classée en zone B, à peu de distance de la limite de la zone A. Par lettre du 18 décembre 1979 adressée au Conseil d'Etat du canton de Genève, Jeanneret s'est plaint notamment du bruit insupportable provoqué par le décollage et l'atterrissage des avions. Soutenant que sa propriété en était gravement dépréciée et se fondant sur l'estimation d'un expert, il réclamait une indemnité de 460'000 francs, tout en se déclarant disposé à procéder à un échange de propriété. Dans sa réponse du 9 janvier 1980, le Conseil d'Etat a objecté qu'une éventuelle demande d'indemnité aurait pu se fonder, selon l'art. 44 de la loi fédérale sur la navigation aérienne (en abrégé: LNA), sur le plan de zones de bruit qui avait été mis à l'enquête publique le 15 janvier 1979 et devait être approuvé, après liquidation des très nombreuses oppositions, par l'autorité fédérale compétente, de sorte que la requête de Jeanneret se révélait prématurée. Par lettre du 15 janvier 1980, Jeanneret a précisé que sa requête ne se fondait pas sur les restrictions de propriété apportées par le plan de zones de bruit, mais qu'il demandait une indemnité d'expropriation pour les émissions excessives - au sens de l' art. 684 CC - causées par l'exploitation de l'aéroport. Aussi demandait-il au canton d'ouvrir une procédure d'expropriation en tant qu'exploitant de l'aéroport ou de requérir du Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie l'ouverture d'une telle procédure pour lui permettre d'obtenir une décision sur ses prétentions. BGE 110 Ib 368 S. 370 Après consultation de l'Office fédéral de l'aviation civile, le Département cantonal des travaux publics a répondu le 23 juin 1980 qu'une demande d'indemnité dérivant de l'expropriation des droits de voisinage était exclue en matière de nuisances provenant d'un aéroport, celles-ci étant régies par la loi fédérale sur la navigation aérienne, qui prescrit expressément l'établissement de zones de bruit et ne prévoit le droit à des indemnités de ce chef que dans le cadre et les limites de l'art. 44 LNA, respectivement des art. 61 ss, notamment 67, de l'ordonnance d'exécution (en abrégé: ONA). Le Département cantonal ajoutait que s'il eût fallu entrer en matière sur la prétention de Jeanneret, on aurait dû néanmoins constater que les trois conditions - cumulatives - d'une atteinte grave, imprévisible et spéciale posées par la jurisprudence n'étaient pas réalisées, de sorte que l'ouverture d'une procédure d'expropriation était exclue. Il relevait enfin que les solutions adoptées par la jurisprudence en matière de routes nationales ne pouvaient pas s'appliquer telles quelles en matière d'aéroport, car le terme "exploitation" de l'art. 50 LNA ne couvre pas les atteintes aux droits découlant des rapports de voisinage, à raison de nuisances qui font l'objet des art. 42 ss, notamment 45 al. 2 lettre b LNA. Par requête du 26 juin 1980, Jeanneret a demandé au Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie d'ouvrir une procédure d'expropriation des droits de voisinage, en conformité des art. 50 LNA et 5 LEx; il précisait que dans la mesure où la communication du Département cantonal du 23 juin 1980 constituait une décision, sa requête valait recours contre cette dernière. Statuant le 29 août 1980, le Département fédéral a rejeté la requête de Jeanneret. Il relève notamment que la condition d'imprévisibilité n'est pas remplie, de sorte que la requête doit être rejetée, sans qu'il soit nécessaire d'examiner si une procédure d'expropriation des droits de voisinage n'est pas déjà exclue, pour les aéroports, en vertu des dispositions spéciales prévues par les art. 42 ss LNA pour les restrictions de propriété découlant des zones de sécurité et de bruit. Agissant par la voie du recours de droit administratif, Jeanneret requiert le Tribunal fédéral d'ordonner au Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie d'ouvrir une procédure d'expropriation de ses droits de voisinage. Il soutient qu'il n'appartient pas au Département fédéral de résoudre de façon BGE 110 Ib 368 S. 371 unilatérale le point de savoir s'il était prévisible que les émissions de bruit existant au moment de l'acquisition de sa propriété augmenteraient jusqu'au niveau absolument intolérable qu'il a atteint aujourd'hui en raison de l'augmentation du trafic, de l'utilisation de nouveaux types d'avions et de la modification de l'axe d'atterrissage; cette question doit être examinée à fond par l'autorité compétente pour statuer sur les demandes d'indemnité dans une procédure d'expropriation. Le Département fédéral et le canton de Genève, en sa qualité d'exploitant de l'aéroport, concluent au rejet du recours. A la requête du juge délégué, le Département fédéral a transmis au Tribunal fédéral les deux décisions des 12 et 18 janvier 1984 par lesquelles il a approuvé - sous réserve de quelques modifications sans rapport avec la présente cause - les plans des zones de bruit mis à l'enquête le 15 janvier 1979. Il résulte de sa communication que des recours contre ces décisions (dont un de Louis Jeanneret) sont actuellement pendants devant le Conseil fédéral.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Il n'est pas contesté que les émissions dont se plaint le recourant sont la conséquence de l'exploitation normale de l'aéroport et ne peuvent pas être évitées. Dans un tel cas, le voisin qui les juge excessives au sens de l' art. 684 CC ne dispose plus du droit de les faire cesser par une action civile; il peut en revanche demander à être indemnisé pour la suppression de ce droit ( ATF 106 Ib 244 consid. 3, ATF 102 Ib 351 , ATF 100 Ib 195 consid. 7a, ATF 96 II 348 consid. 6, ATF 94 I 297 , ATF 93 I 300 ss). Si, en vue de la construction de l'ouvrage, une procédure d'expropriation a déjà été ouverte avec avis public au sens de l' art. 30 LEx , ou si des avis personnels ont été notifiés aux voisins dans le cadre d'une procédure sommaire ( art. 34 LEx ), les voisins peuvent annoncer directement leurs prétentions au président de la Commission fédérale d'estimation dans le délai de forclusion de l' art. 41 LEx . Dans le cas contraire, ladite forclusion n'intervient pas, mais le propriétaire privé ne peut pas s'adresser directement au président de la Commission fédérale d'estimation, lequel ne peut ouvrir une procédure d'expropriation - à quelques réserves près - qu'à la demande d'une entreprise au bénéfice d'un droit d'expropriation légal ou conféré par l'autorité compétente ( ATF 106 Ib 234 consid. 2a). Dans de tels cas, le propriétaire doit BGE 110 Ib 368 S. 372 demander qu'une procédure d'expropriation soit ouverte à la requête de l'entreprise, si celle-ci est déjà au bénéfice du droit d'expropriation, ou alors s'adresser à l'autorité compétente pour conférer un tel droit, afin qu'elle astreigne l'entreprise à en faire usage. Il sied de relever que, contrairement à une opinion qui a été soutenue, le propriétaire n'est pas livré au bon vouloir de l'entreprise ou de l'autorité compétente pour conférer le droit d'expropriation: en effet, le droit à une juste indemnité garanti par l' art. 22ter Cst. en matière d'expropriation implique celui de soumettre ses prétentions à l'autorité judiciaire compétente. Dès avant l'adoption de cette disposition constitutionnelle, le Tribunal fédéral avait précisé que la garantie de la propriété obligeait les cantons à prévoir une voie de droit permettant à ceux qui estiment être victimes d'une expropriation matérielle de faire valoir leurs prétentions ( ATF 101 Ib 283 , 98 Ia 33, ATF 81 I 347 consid. 3, ATF 80 I 244 consid. 2). La situation ne saurait être différente là où s'applique la loi fédérale d'expropriation: comme la Commission fédérale d'estimation est compétente pour statuer aussi bien sur l'existence des droits de voisinage que sur la violation de ces droits et sur les indemnités ( ATF 108 Ib 494 , ATF 101 Ib 58 et 289, ATF 94 I 299 ) et comme cette autorité, formée de spécialistes, ne peut agir qu'à la demande de l'expropriant, il s'agit de créer les conditions qui permettront au particulier d'aborder cette commission; il faut donc que le refus de l'entreprise ou de l'autorité de mettre en oeuvre la procédure d'expropriation puisse faire l'objet d'un recours - par application analogique de l' art. 97 al. 2 OJ - et en dernière instance d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral (JAAC 1977 No 111 p. 113 s.; pour l'ouverture d'une procédure d'expropriation complémentaire à la procédure de remembrement pour les routes nationales - art. 23 ORN -, cf. ATF 105 Ib 15 s. consid. 3d; pour le cas de la loi fédérale sur les installations électriques - LIE -, ATF 108 Ib 247 consid. 1). 2. Le canton de Genève soutient cependant que ces principes généraux ne s'appliquent pas lorsque les émissions de bruit proviennent de l'exploitation d'un aéroport. A son avis, l'expropriation formelle des droits de voisinage au sens de l' art. 684 CC serait exclue en vertu des dispositions spéciales des art. 42 ss LNA relatives aux zones de bruit et aux zones de sécurité; le voisin ne pourrait s'adresser à la Commission fédérale d'estimation que dans le cadre de l'art. 44 LNA, après l'entrée en BGE 110 Ib 368 S. 373 force du plan de zone (art. 43 al. 4 et 44 al. 3 LNA). Cette objection, non traitée par le Département fédéral, a une portée générale; elle pourrait être soulevée également dans des cas où une procédure d'expropriation a déjà été ouverte, par exemple pour l'acquisition des terrains nécessaires à la construction ou à l'agrandissement d'un aéroport. Il convient dès lors de l'examiner ici. a) Dans son texte primitif du 21 décembre 1948, la loi fédérale sur la navigation aérienne (RO 1950 p. 491) prévoyait à l' art. 50 la faculté pour le Conseil fédéral d'exercer lui-même ou de conférer à des tiers le droit d'expropriation en vue de la création et de l'exploitation d'aérodromes, de même que pour les installations du service de sécurité si les droits prévus par les art. 42 et 43 étaient insuffisants. La première de ces deux dispositions - qui figuraient sous la note marginale "Restrictions de la propriété foncière" - prévoyait la possibilité, sous certaines conditions, de l'usage gratuit de la propriété pour les installations du service de sécurité; la seconde permettait au Conseil fédéral d'imposer par voie d'ordonnance des restrictions de bâtir dans un rayon déterminé autour des aérodromes ou des installations du service de sécurité, ou à une certaine distance des routes aériennes. De telles restrictions devaient être exprimées dans des plans qui en faisaient ressortir la portée; la loi fédérale sur l'expropriation était applicable au dépôt des plans, à la procédure d'opposition et aux prétentions des intéressés à une indemnité. Les difficultés soulevées par l'application de ces dispositions ont amené le Tribunal fédéral et l'Office fédéral de l'air à édicter, en 1970, des instructions communes à l'intention des Commissions d'estimation. Le Conseil fédéral était en outre autorisé (art. 41 al. 1) à édicter des dispositions pour empêcher la création d'obstacles au vol, pour supprimer de tels obstacles ou pour les adapter aux besoins de la sécurité de la navigation aérienne; la législation fédérale sur l'expropriation s'appliquait aussi - et s'applique encore - à la suppression totale ou partielle de ces obstacles (art. 41 al. 2 LNA, qui n'a pas été modifié). Le texte primitif de la loi ne contenait aucune disposition sur les zones ou les émissions de bruit. Sous l'empire de ces dispositions, le Tribunal fédéral a eu l'occasion de statuer dans un cas où une procédure d'expropriation avait été ouverte selon l'art. 50 LNA en vue de l'installation d'une antenne sur le terrain d'un propriétaire voisin de l'aéroport de Kloten; il a jugé que ce propriétaire pouvait aussi faire valoir des prétentions à indemnité pour des émissions de bruit causées par BGE 110 Ib 368 S. 374 l'exploitation de l'aéroport et prétendument excessives au sens de l' art. 684 CC , alors même qu'il n'existait aucun rapport entre ces bruits et l'installation de l'antenne. Le Tribunal fédéral a estimé qu'on ne pouvait obliger un tel propriétaire à faire valoir ses prétentions dans une procédure séparée (arrêt non publié du 3 juin 1953). Les dispositions légales sur lesquelles se fondait cette jurisprudence n'ont pas été modifiées par la novelle du 14 juin 1963, entrée en vigueur le 1er mai 1964 (RO 1964 p. 317; FF 1962 II 713 ss). b) En revanche, d'importantes modifications ont été apportées par la novelle du 17 décembre 1971, en vigueur dès le 1er janvier 1974 (RO 1973 p. 1738 ss; Message du Conseil fédéral du 10 février 1971, FF 1971 I 287). Un des buts principaux de la réforme de 1971 est un but d'hygiène sociale: créer les bases légales permettant de soustraire à la construction - de maisons d'habitation notamment - les zones proches des aéroports en raison des bruits qu'entraîne l'exploitation de ces derniers (Message p. 287 et 295 s.). Le Conseil fédéral est autorisé à prescrire par voie d'ordonnance "que des bâtiments ne peuvent plus être utilisés ou élevés dans un rayon déterminé autour d'aérodromes publics que si leur genre de construction et leur destination sont compatibles avec les inconvénients causés par le bruit des aéronefs (zone de bruit)" (art. 42 al. 1 lettre b LNA). Cette disposition nouvelle est le pendant de celle qui a trait aux restrictions de bâtir nécessaires à la sécurité de la navigation aérienne (zone de sécurité) et qui existait déjà (ancien art. 43 al. 1, nouvel art. 42 al. 1 lettre a). Après avoir réglé de façon exhaustive la procédure d'établissement, de mise à l'enquête, d'opposition, d'approbation, de publication et d'entrée en vigueur des plans de zone (art. 43), la loi nouvelle dispose à l'art. 44 - et c'est là un autre élément important de la réforme - que les restrictions de la propriété foncière découlant des plans de zones donnent droit à une indemnité si elles équivalent dans leurs effets à une expropriation: les critères de l'expropriation matérielle sont donc applicables à de tels plans, comme c'est le cas en matière d'alignements pour les routes nationales (cf. art. 25 LRN , qui a sans doute inspiré l'art. 44 LNA). La naissance du droit et le calcul de l'indemnité sont déterminés par les conditions existant lors de la publication du plan de zones dans la feuille officielle cantonale; le délai pour faire valoir ce droit est de cinq ans, comme en matière de routes nationales; si l'existence ou BGE 110 Ib 368 S. 375 l'étendue des prétentions sont contestées, c'est aussi la procédure d'estimation prévue dans la législation fédérale sur l'expropriation qui s'applique par analogie, comme en matière d'alignement pour les routes nationales. L'art. 41 LNA, que la novelle de 1971 n'a pas modifié quant au fond, donne au Conseil fédéral la faculté d'arrêter des prescriptions pour empêcher la création d'obstacles à la navigation aérienne, pour supprimer de tels obstacles ou les adapter aux nécessités de la sécurité aérienne (al. 1) et déclare la législation sur l'expropriation applicable à la suppression totale ou partielle de ces obstacles (al. 2). Quant à la faculté d'exercer et de conférer le droit d'expropriation pour la création et l'exploitation d'aérodromes publics ou pour des mesures de sécurité aérienne, elle a été transférée du Conseil fédéral au Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie (art. 50 al. 1 de la novelle). La disposition antérieure relative à l'usage gratuit de la propriété (anc. art. 42 al. 1) a été maintenue, mais elle est devenue l'art. 50 al. 2 dans la novelle de 1971. Faisant usage des facultés conférées par les art. 41 et 42 de la novelle, le Conseil fédéral a édicté l'ordonnance du 14 novembre 1973 sur la navigation aérienne (ONA), entrée en vigueur en même temps que la loi le 1er janvier 1974; cette ordonnance contient les dispositions relatives aux restrictions de la propriété foncière, notamment aux zones de sécurité et zones de bruit des aérodromes publics (art. 56 à 68 ONA) et aux obstacles à la navigation aérienne (art. 69 à 76 ONA). Il sied de relever en l'espèce que les bâtiments existant dans une zone de bruit "lors de l'entrée en vigueur de l'ordonnance" (texte primitif de l'ordonnance de 1973, art. 62 al. 4; RO 1973 p. 1876) ou mieux "lors du dépôt des plans" (correction apportée par le nouveau texte du 6 décembre 1982 - RO 1982, p. 2278) peuvent continuer à être utilisés de la même manière que précédemment: c'est seulement pour la modification de tels bâtiments que la nouvelle destination doit être compatible avec les inconvénients causés par les bruits des avions. En d'autres termes, le Conseil fédéral a renoncé à la possibilité d'empêcher - comme le lui permettait l'art. 42 al. 1 lettre b LNA - de continuer à utiliser un bâtiment préexistant qui ne serait plus compatible avec les normes du plan. Un certain parallèle s'est ainsi établi entre les lettres a et b de l'art. 42 al. 1 LNA: aussi bien les restrictions du droit de bâtir BGE 110 Ib 368 S. 376 dans la zone de sécurité, fondées principalement sur les exigences de la navigation aérienne, que les restrictions d'utilisation instituées par la zone de bruit, fondées principalement sur des motifs d'hygiène sociale, ne portent à conséquence que pour les projets de nouvelles constructions ou pour la modification de celles qui existent. Les bâtiments existant au voisinage des aérodromes et qui constitueraient un obstacle à la sécurité de la navigation aérienne, ne sont pas touchés par le plan de la zone de sécurité et doivent être au besoin éliminés ou adaptés dans le cadre d'une procédure d'expropriation formelle fondée sur les art. 41 et 50 LNA; quant à l'utilisation des bâtiments préexistant dans une zone de bruit, elle ne peut pas être interdite en vertu du plan (dans le même sens, cf. PHILIPPE ROCHAT, La protection contre les obstacles à la navigation aérienne, thèse Lausanne 1974, p. 24, 25, 83, 91 ss, 121 ss). Il n'y a pas lieu d'examiner ici l'influence que la nouvelle loi fédérale sur la protection de l'environnement pourrait avoir sur cette réglementation. Les modifications apportées aux art. 42 ss LNA par la novelle du 24 juin 1977, entrée en vigueur le 1er janvier 1978 (RO 1977 p. 2110 ss; Message du Conseil fédéral du 24 novembre 1976, FF 1976 III 1267) concernent la création de zones de sécurité et de bruit sur territoire suisse pour des aérodromes situés à l'étranger; elles ne jouent pas de rôle en l'espèce. c) Lorsqu'en application de l' art. 5 LEx , les émissions normales et inévitables provenant de l'exploitation d'une entreprise d'intérêt public ont pour effet de paralyser les droits de défense des voisins qui sinon seraient garantis par l' art. 684 CC , la situation qui en résulte équivaut, pour le propriétaire touché, à la constitution d'une servitude foncière ayant pour contenu l'obligation de tolérer les émissions excessives ( ATF 106 Ib 244 s. et les auteurs cités). En ce qui concerne l'expropriant, cette servitude apparaît comme directement nécessaire à l'exercice de son entreprise, de la même façon qu'est nécessaire à la création de l'entreprise l'acquisition d'autres droits réels par la voie de l'expropriation. La situation est différente lorsqu'un plan de zone de bruit est élaboré, en application de l'art. 42 al. 1 LNA, des art. 61 ss ONA et de l'ordonnance du Département fédéral des transports du 23 novembre 1983 sur les zones de bruit (RS 748.134.2), et que ce plan interdit l'édification de bâtiments dont le genre de construction et la destination sont incompatibles avec les inconvénients causés par le bruit des avions; on est alors en BGE 110 Ib 368 S. 377 présence d'une restriction du droit de bâtir qui se justifie non pas par la nécessité de rendre possible l'exploitation de l'entreprise, mais par l'exigence sociale de ne pas exposer la population à des conditions d'habitation contraires à la salubrité publique. Si l'on considère les choses du point de vue de l'exploitant de l'aéroport, l'imposition de restrictions dérivant de la zone de bruit ne sert qu'indirectement à l'exploitation de l'entreprise; si le législateur a prévu que l'exploitant doit assumer lui-même le paiement des indemnités pour les restrictions dues au bruit (cf. art. 45 al. 2 lettre b LNA), c'est en vertu du principe selon lequel le perturbateur doit supporter la charge du trouble provoqué, plutôt qu'en vertu du principe selon lequel l'expropriant supporte la charge des frais nécessaires à l'acquisition des droits dont il a besoin. Sans doute cette distinction, qui vaut pour les zones de bruit, n'est pas aussi évidente pour les zones de sécurité, qui sont établies à la fois dans l'intérêt direct de l'exploitant de l'aéroport et dans celui de la sécurité de la population: toutefois, comme on l'a vu, l'élimination des obstacles existant dès avant l'adoption du plan ne tombe pas sous le coup de l'art. 42 al. 1 lettre a LNA, mais doit faire l'objet d'une procédure d'expropriation formelle selon les art. 41 al. 2 et 50 al. 1 LNA. d) Ni la genèse des dispositions légales, ni la systématique de la loi, ni la prise en considération de l'objet de l'une et de l'autre de ces mesures ne permettent de conclure - contrairement à ce que prétend le canton de Genève sur la base d'un parère de l'Office fédéral de l'air - que le législateur fédéral, en introduisant l'obligation de créer des zones de bruit et en instituant une procédure pour la réparation des dommages selon les règles de l'expropriation matérielle, ait voulu exclure en principe la possibilité d'une expropriation formelle pour l'indemnisation des dommages causés par les émissions au sens des art. 684 CC et 5 LEx. Admettre une telle exclusion amènerait une conséquence que le législateur ne peut manifestement pas avoir voulue: du moment que la zone de bruit n'empêche pas la continuation de l'usage actuel d'une propriété, même si cet usage est contraire aux normes de la zone, avec comme corollaire qu'on ne peut manifestement accorder aucune indemnité à ce titre, l'exclusion de la possibilité d'une procédure d'expropriation fondée sur l' art. 684 CC entraînerait pour le propriétaire la privation de toute indemnité BGE 110 Ib 368 S. 378 pour l'obligation de tolérer des émissions qui pourraient être si graves, le cas échéant, qu'elles empêcheraient - de fait sinon de droit - toute jouissance normale de sa propriété. Pour parvenir au résultat auquel arrive le canton de Genève, il faudrait en outre procéder à une interprétation tout à fait singulière de la notion d'exploitation contenue à l'art. 50 LNA, en rapport avec le développement de l'activité de l'aéroport. Une telle interprétation ne saurait se concilier avec l'interprétation usuelle de la notion d'exploitation contenue à l'art. 4 lettre a de la loi fédérale sur l'expropriation, à laquelle renvoie l'art. 50 LNA; or le texte de la loi n'offre aucun point d'appui pour une telle interprétation. La possibilité de coexistence des deux procédures est d'ailleurs admise par les (rares) auteurs qui se sont occupés de cette question - sans bien l'approfondir, il est vrai (HODEL, Die Lärmbekämpfung im schweizerischen Luftrecht, in Bulletin de l'Association suisse de droit aérien et spatial - ASDA - 1975 No 2 p. 15; NEUENSCHWANDER, Die gesetzlichen Bestimmungen über die Lärmzonen, ASDA 1977 No 2 p. 18; RODUNER, Grundeigentumsbeschränkungen zu Gunsten von Flughäfen, thèse Zurich 1984 p. 134; ROCHAT, op.cit. p. 23 s.). La possibilité d'une telle procédure a été reconnue dans la pratique du canton de Zurich, qui a consenti à ce qu'une procédure en expropriation formelle soit ouverte en vue de faire statuer sur les prétentions élevées par des locataires d'appartements en raison d'émissions excessives de bruit provenant du trafic de l'aéroport. Saisi d'un recours contre la décision cantonale rejetant ces prétentions, le Tribunal fédéral a implicitement considéré une telle procédure comme admissible. La motivation adoptée par le canton de Genève pour exclure a priori la possibilité d'une procédure d'expropriation formelle ne saurait donc être retenue. e) Admettre la possibilité de deux procédures éventuellement concurrentes, l'une en expropriation formelle des droits découlant des rapports de voisinage, fondée sur les émissions excessives de bruit, l'autre en indemnisation pour expropriation matérielle, fondée sur les restrictions de propriété imposées par un plan de zones de bruit, n'empêche cependant pas de reconnaître les relations qui peuvent exister entre elles. Les deux restrictions de propriété ont une origine commune - l'exploitation d'un aéroport et ses conséquences -, frappent le même fonds et se superposent BGE 110 Ib 368 S. 379 en partie. Il incombe à la Commission fédérale d'estimation d'examiner ces relations de cas en cas, en se laissant guider par le principe qu'on ne peut admettre en aucun cas un cumul d'indemnités pour un même préjudice économique. Il lui incombera également d'examiner, le cas échéant, s'il n'y a pas lieu de joindre les deux procédures. 3. Reste à examiner si l'ouverture d'une procédure d'expropriation formelle pouvait être refusée - comme l'a déclaré le Département - parce que la condition d'imprévisibilité requise par la jurisprudence du Tribunal fédéral ne serait pas remplie. a) La jurisprudence du Tribunal fédéral a admis que l'ouverture d'une procédure d'expropriation peut être refusée lorsque se révèle fondée l'exception de prescription des prétentions pécuniaires qui devaient faire l'objet de la procédure. Dans l'arrêt Brandenberger ( ATF 105 Ib 11 ss consid. 3), il s'agissait de la demande d'ouverture d'une procédure d'expropriation complémentaire à une procédure de remaniement parcellaire pour la construction d'une route nationale, fondée sur l' art. 23 ORN ; dans les arrêts Fondation Schnorf ( ATF 108 Ib 485 ss) et Schär (du 22 mai 1984, non publié), il s'agissait de décisions d'autorités cantonales relatives au refus d'ouvrir une procédure d'expropriation en relation avec la correction des eaux du Jura. En admettant dans ces cas la possibilité d'un examen préliminaire de la question de la prescription, le Tribunal fédéral s'est fondé d'une part, par analogie, sur l'art. 19 de son ordonnance du 24 avril 1972 "concernant les Commissions fédérales d'estimation" (RS 711.1), relatif à l'examen préliminaire de la péremption des prétentions fondées sur l' art. 41 LEx . D'autre part, il s'est aussi laissé guider par des raisons pratiques: il n'est pas nécessaire de faire appel aux Commissions d'estimation - composées de spécialistes - pour résoudre une question purement juridique comme celle de la prescription; enfin, la solution adoptée ne restreint en rien les droits de l'intéressé, qui peut soumettre cette question en dernière instance au Tribunal fédéral, lequel jouit d'un pouvoir de libre examen. b) En l'espèce, il ne s'agit pas de trancher la question d'une éventuelle prescription des prétentions à indemnité, mais de statuer sur le fondement même de ces prétentions. La condition d'imprévisibilité est en effet, avec celles de gravité et de spécialité, un des éléments fondamentaux pour décider si l'on est en présence d'émissions excessives au sens de l' art. 684 CC et si la prétention BGE 110 Ib 368 S. 380 à une indemnité d'expropriation est fondée. Or le jugement de première instance sur l'existence des droits des voisins, sur leur violation et leur indemnisation est réservé, dans le système de la loi fédérale sur l'expropriation, à la Commission fédérale d'estimation en tant que tribunal spécialisé en matière d'expropriation, avec possibilité de former un recours de droit administratif au Tribunal fédéral. Ni l'entreprise expropriante, ni le Département fédéral qui confère le droit d'expropriation (art. 50 LNA) et statue sur les oppositions ( art. 55 LEx ) ne peuvent prétendre avoir la compétence de statuer sur le fondement de ces prétentions. Une modification de l'ordre des compétences établi par le législateur paraît d'autant moins indiquée que ce dernier a désigné, dans le cadre des plans de zone de bruit, la Commission fédérale d'estimation comme autorité compétente pour statuer aussi bien sur l'existence d'une expropriation matérielle que sur le montant de l'indemnité. A cela s'ajoute que la jurisprudence élaborée par le Tribunal fédéral et à laquelle le Département se réfère concerne les émissions provenant du trafic routier et ferroviaire: il n'est pas certain qu'elle puisse s'appliquer telle quelle, sans adaptation, aux émissions de bruit des aérodromes. Enfin, il n'y a pas lieu de décider en l'espèce s'il faut faire une réserve, au sujet de l'ouverture de la procédure, pour les demandes qui seraient manifestement abusives: le canton de Genève, en effet, n'a pas prétendu que tel serait le cas. c) En conclusion, le recours de droit administratif est fondé et la décision attaquée doit être annulée. Il incombera au Département fédéral de conférer au canton de Genève le droit d'expropriation et de l'inviter à faire ouvrir, par le Président de la Commission fédérale d'estimation, une procédure d'expropriation destinée uniquement à statuer sur les prétentions à indemnité présentées par le recourant. 4. Les frais de la présente procédure doivent être mis à la charge du canton de Genève qui a qualité d'expropriant ( art. 115 OJ , 116 LEx).
5,519
4,872
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours et annule la décision attaquée; 2. Dit que le Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie conférera au canton de Genève le BGE 110 Ib 368 S. 381 droit d'expropriation et l'invitera à faire ouvrir, par le Président de la Commission fédérale d'estimation, une procédure d'expropriation destinée uniquement à statuer sur les prétentions à indemnité présentées par le recourant.
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1,967
de
Sachverhalt ab Seite 214 BGE 93 II 213 S. 214 A.- Durch Urteil vom 22. Dezember 1965 schied das Kantonsgericht Zug (als Gericht erster Instanz) die Ehe der Parteien, wies den am 18. August 1961 geborenen Knaben Hanspeter dem Vater zu (mit der Auflage, ihn bei den Grosseltern BGE 93 II 213 S. 215 väterlicherseits zu belassen), regelte das Besuchsrecht der Mutter und genehmigte die Vereinbarung der Parteien über die andern Nebenfolgen der Ehescheidung. Die Vereinbarung der Parteien hatte die Zuweisung des Knaben an die Mutter vorgesehen, welche auch in der Hauptverhandlung in diesem Sinne Antrag stellte, während der Kläger nunmehr die elterliche Gewalt für sich beanspruchte. Das Gericht hielt beide Parteien für fähig, den Knaben zu erziehen. Indessen entsprach es dem Begehren des Klägers, weil diese Lösung die beste Gewähr für eine ungestörte Erziehung des Knaben biete. Nach der mündlichen Eröffnung und Begründung des Urteils erklärten beide (in erster Instanz nicht durch Anwälte vertretenen) Parteien auf Frage des Vorsitzenden, dieses Urteil annehmen zu wollen. Darauf beschloss das Gericht: "a) Das Urteil ist rechtskräftig. b) Mitteilung an die Zivilstandsämter...". B.- Die Beklagte wollte sich beim Verzicht auf Weiterziehung nicht behaften lassen. Binnen der von der Zustellung der mit Begründung versehenen Urteilsausfertigung an laufenden Frist von 20 Tagen (nach § 201 der kantonalen Zivilprozessordnung laut Gesetzesnovelle vom 13. Juni 1964) legte sie Berufung an das Obergericht des Kantons Zug ein, mit dem erneuten Antrag auf Zuweisung des Knaben Hanspeter an sie, unter Regelung des Besuchsrechtes und der Unterhaltspflicht des Vaters. Sie liess vortragen, der Vorsitzende des Kantonsgerichts habe nach der Urteilseröffnung zuerst den Kläger und nach dessen bejahender Erklärung auch sie gefragt, ob sie das Urteil annehme. Sie habe darauf ihrerseits gefragt, was sie denn machen solle. Darauf habe ihr der Vorsitzende gesagt, sie solle mit ja oder nein antworten. Sie habe dann wiederum geschluchzt und sei darum vom Vorsitzenden ermahnt worden, nunmehr Antwort zu geben. Darauf habe sie den Vorsitzenden gefragt, was passiere, wenn sie nein sage. Der Vorsitzende habe darauf geantwortet, es bleibe ihr nichts anderes übrig als ja zu sagen, das Kind werde ihr sowieso nicht zugesprochen, auch wenn sie nein sage, worauf sie erklärt habe, wenn das so sei, bleibe ihr nichts anderes übrig, als ja zu sagen. C.- Mit Urteil vom 27. Juni 1966 trat das Obergericht des Kantons Zug auf die Berufung der Beklagten nicht ein. Es erachtete den durch "Annahme" des erstinstanzlichen Urteils erklärten Verzicht beider Parteien auf Weiterziehung als gültig. BGE 93 II 213 S. 216 Es sei üblich, dass der Vorsitzende des erstinstanzlichen Gerichtes erst nach deutlicher Belehrung der Parteien über die Möglichkeit der Weiterziehung die Frage stelle, ob sie das soeben eröffnete Urteil annehmen wollen. So sei zweifellos auch im vorliegenden Falle vorgegangen worden, und es erscheine als sinnlos, die beteiligten Richter und den Gerichtsschreiber hierüber als Zeugen einzuvernehmen; auf mündliche Anfrage hätten sie erklärt, die Beklagte sei bestimmt nicht unter Druck gesetzt worden. - Ein Verzicht auf Weiterziehung des erstinstanzlichen Urteils sei auch in Ehescheidungssachen zuzulassen. Die für die Weiterziehung an das Bundesgericht aufgestellten besonderen Grundsätze ( BGE 79 II 238 ) seien nicht auf das kantonale Berufungsverfahren zu übertragen. Denn hiebei komme der Kenntnis der schriftlichen Urteilsbegründung keine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Aussichten der Weiterziehung zu, da das Obergericht den Sachverhalt frei überprüfen könne. D.- Gegen diesen Nichteintretensentscheid richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten an das Bundesgericht. Sie beantragt in erster Linie Aufhebung des kantonalen Entscheides und Rückweisung der Sache an das Obergericht zu materieller Beurteilung. Eventuell habe das Bundesgericht ihr die elterliche Gewalt über den Knaben Hanspeter zuzuerkennen, mit entsprechender Regelung des Besuchsrechtes und der Unterhaltspflicht des Klägers. Der Kläger beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen, subeventuell sei die Angelegenheit zur Aktenergänzung und materiellen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
892
725
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Ein materieller Antrag im Sinne des Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ist grundsätzlich als Hauptantrag zu stellen, während eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz nach Art. 64 oder 65 OG nur in eventuellem Sinne zu beantragen ist (und gar nicht ausdrücklich beantragt zu werden braucht; vgl. BIRCHMEIER, N 1, f, zu Art. 64 und N 4 und 5 zu Art. 65 OG ). Die umgekehrte Reihenfolge, wie sie die vorliegende Berufungsschrift aufweist, ist jedoch zulässig, wenn der Berufungskläger verständlicherweise annahm, der Erfolg der Berufung könne wohl nur in der Aufhebung des angefochtenen Entscheides und in BGE 93 II 213 S. 217 der Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung bestehen, und wenn er daher einen Sachantrag nur anhangsweise beifügte, um jedenfalls nichts zu versäumen (vgl. das Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. April 1967 i.S. Reimann c. Erben Kälin; BIRCHMEIER, N 4, c zu Art. 55 OG ). So verhält es sich hier. Da das Obergericht nicht über die Kindeszuteilung entschieden und über die hiefür massgebenden Tatsachen keine Feststellungen getroffen hat, ist ein Sachurteil des Bundesgerichts im vorliegenden Berufungsverfahren ausgeschlossen. 2. Indessen stellt das angefochtene Urteil überhaupt keinen der Berufung nach Art. 48 OG unterliegenden Endentscheid dar. Freilich ist der Begriff des Endentscheides weiter als derjenige des Haupturteils im Sinne des Art. 58 des frühern OG vom 22. März 1893. Er umfasst neben materiellen Urteilen auch solche Entscheide, welche die Beurteilung der Hauptstreitfrage wegen einer zerstörlichen Einrede ablehnen und damit die Geltendmachung des Anspruches endgültig ausschliessen ( BGE 86 II 123 , BGE 84 II 230 ). Dazu gehören jedoch nicht prozessuale Entscheide, die sich mit dem streitigen Anspruch, seinen Voraussetzungen und allfälligen seine Geltendmachung ausschliessenden Einreden (Klageverwirkung und dergleichen) in keiner Weise befassen, sondern das Eintreten aus Gründen ablehnen, die mit der materiellen Sachlage und dem Klagerecht als solchem nichts zu tun haben. Was in BGE 84 II 230 über die Rückweisung einer Klage aus prozessualen Gründen ausgeführt wird, gilt ebenso für das Nichteintreten auf ein Rechtsmittel aus solchen Gründen. 3. Die vorliegende Berufung erweist sich somit als unzulässig. Die Eingabe kann jedoch als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne der Art. 68 ff. OG an Hand genommen werden. Denn die darin erhobene Rüge, das Obergericht habe die Eintretensfrage zu Unrecht ausschliesslich nach kantonalem Prozessrecht beurteilt und die in Ehescheidungssachen geltenden bundesrechtlichen Regeln missachtet, fällt unter den Beschwerdegrund des Art. 68 Abs. 1 lit. a OG . Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels schadet nicht, und die formellen Erfordernisse einer Nichtigkeitsbeschwerde, nach Art. 69 und 71 OG , sind erfüllt. Dieses Rechtsmittel ist gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide jeder Art, nicht nur gegen Endentscheide gegeben. 4. Die Berufungsklägerin (und Beschwerdeführerin) will einen bundesrechtlichen Grundsatz zur Geltung bringen, wonach BGE 93 II 213 S. 218 ein auf Scheidung der Ehe lautendes Urteil, und zwar auch inbezug auf die Gestaltung der Elternrechte, keinesfalls vor Ablauf der zur Weiterziehung aufgestellten Frist in Rechtskraft erwachsen könne, ein vorher erklärter Verzicht auf Weiterziehung also ungültig sei. Ein solcher Grundsatz ist aber weder in den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die Ehescheidung, insbesondere in Art. 158, noch in einer andern bundesrechtlichen Norm ausgesprochen. Jener Artikel befasst sich in keiner Weise mit dem Instanzenzug. Insbesondere wird die Frage, ob ein erstinstanzliches Urteil nicht vor Ablauf der Weiterziehungsfrist rechtskräftig werden könne, ob also ein "vorzeitiger" Verzicht auf Weiterziehung nach Fällung und Eröffnung des Urteils unzulässig sei, von jener Gesetzesnorm nicht ins Auge gefasst. Die soeben umschriebene Frage ist daher im Bereich des kantonalen Instanzenzuges nach dem kantonalen Prozessrechte zu entscheiden ( Art. 64 Abs. 3 BV ; HUBER, N. 45 zu Art. 6 ZGB ). Nichts Gegenteiliges folgt aus der Bedeutung, die dem Bestehen einer ordentlichen kantonalen Rechtsmittelinstanz zukommt, und wie sie bei der Revision des Gesetzes über die Bundesrechtspflege gerade für Ehescheidungssachen hervorgehoben wurde (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1943 zum neuen OG, BBl 1943 I S. 121). Art. 48 OG setzt zwar das Bestehen einer solchen obern Instanz in jedem Kanton voraus, schreibt aber nicht deren Anrufung vor und enthält sich jeglicher Normierung der hier streitigen Verzichtsfrage für den kantonalen Instanzenzug. Die überwiegende schweizerische Lehrmeinung will es denn auch dem kantonalen Prozessrecht anheimgestellt wissen, einen Verzicht auf Weiterziehung eines erstinstanzlichen Urteils in Ehescheidungssachen ganz allgemein sogleich nach Eröffnung des Urteils zuzulassen, auch wenn das Urteil auf Scheidung lautet, und auch hinsichtlich der Kinderzuteilung (sowie natürlich ebenso hinsichtlich anderer Nebenfolgen): HINDERLING, Ehescheidungsrecht, 3. A., S. 178 mit Fussnote 10 (der nur den Vorausverzicht auf Weiterziehung eines noch nicht eröffneten Scheidungsurteils als gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossend betrachtet); LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. A., N. 1 zu Art. 333, S. 314 (wonach Vereinbarungen vor dem Urteil auf Streitigkeiten beschränkt sind, die dem freien Verfügungsrecht der Parteien unterstehen, nach dem Urteil geschlossene Vereinbarungen dagegen nicht an diese Schranken gebunden sind). BGE 93 II 213 S. 219 Einen abweichenden Standpunkt nimmt freilich GULDENER ein (Das schweizerische Zivilprozessrecht, 2. A., S. 514, mit Hinweis auf abweichende kantonale Entscheidungen in Fussnote 92, und S. 515 mit Fussnote 97). Diese Auffassung ist durchaus beachtlich, soweit sie als Rechtspostulat vertreten wird (a.a.O. S. 514: "Lautet z.B. die Entscheidung auf Scheidung einer Ehe, so sollte einem Rechtsmittelverzicht keine Wirkung zuerkannt werden"). Sie kann jedoch nach dem Gesagten weder als allgemeines schweizerisches Gewohnheitsrecht gelten noch dem kantonalen Instanzenzug als bundesrechtliches Gebot aufgeprägt werden. In dieser Hinsicht lässt sich auch aus BGE 79 II 236 nichts herleiten, einer Entscheidung betreffend die natürlich vom Bundesrecht beherrschten Voraussetzungen eines Verzichtes auf die Berufung an das Bundesgericht. Die Argumentation des erwähnten Autors (a.a.O., S. 514: "Sowenig die Parteien rechtsgeschäftlich die Ehescheidung herbeiführen können, kann ihnen gestattet sein, sich vor Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Urteil endgültig zu unterwerfen") ist nicht zwingend. Daraus, dass eine Ehe nur durch gerichtliches Urteil geschieden werden kann, folgt nicht, dass die Parteien sich mit einem dahin lautenden Urteil erster Instanz nicht sofort nach seiner Verkündung rechtsgültig einverstanden erklären und dadurch unverzüglich dessen Rechtskraft herbeiführen können. Die Zulassung eines solchen Verzichtes auf Weiterziehung verstösst nicht gegen das bundesrechtliche Erfordernis eines Urteils. Es ist eine durch Art. 158 ZGB nicht gelöste Frage für sich, ob Gründe bestehen, dahingehende Parteierklärungen gegenüber einem erstinstanzlichen Scheidungsurteil zu verpönen - eine Frage, deren sich das Bundesrecht, wie dargetan, nicht angenommen hat. Nach alldem ist es nicht zu beanstanden, dass das Obergericht sie nach den Regeln des kantonalen Prozessrechtes beantwortet hat. 5. Es mag beigefügt werden, dass die Prozessordnungen der meisten Nachbarstaaten und die sich darauf beziehende Praxis und Rechtslehre es ebenfalls zulassen, dass die Parteien ein erstinstanzliches Urteil, wie es hier in Frage steht, nach seiner Eröffnung, schon vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, als endgültig anerkennen. So wird ein Verzicht auf Rechtsmittel nach dem Urteil in Deutschland stets als zulässig betrachtet, und zwar auch in Ehesachen (ROSENBERG, Lehrbuch, 8. A., S. 819; STEIN/JONAS/SCHÖNKE/POHLE, 17./18. A., Bem. II/2 zu § 617). Ebenso wird in Österreich § 472 der Zivilprozessordnung dahin BGE 93 II 213 S. 220 ausgelegt, es sei auf die Berufung nicht mehr einzutreten, wenn darauf gültig verzichtet wurde; dabei ist es ohne Belang, ob der Anspruch der Verfügung der Parteien unterstehe oder entzogen sei (vgl. POLLAK, Zivilprozessrecht I und II S. 577). Gleich verhält es sich in Italien, dessen Codice di procedura civile in Art. 329 die Gültigkeit eines Rechtsmittelverzichtes nach dem Urteil ausdrücklich vorsieht. Vorbehalten bleiben nur Revisionsgründe (vgl. dazu SATTA, Commentario II/2 S. 47 ff.). Nur in Frankreich findet sich, wenn auch nicht einheitlich, inbezug auf die Weiterziehung von Ehescheidungsurteilen eine gegenteilige Auffassung vertreten, dies nämlich auf Grund einer Bestimmung des Code civil (Art. 249: "Le jugement ou l'arrêt qui prononce le divorce n'est pas susceptible d'acquiescement, à moins qu'il n'ait été rendu sur conversion de séparation de corps"; vgl. dazu Encyclopédie Dalloz, unter "Appel" Nr. 29 und unter "Acquiescement" Nr. 44 und 45, mit Hinweis auf abweichende Meinungen in der Lehre: PILON sowie CUCHE ET VINCENT, welche nur das "acquiescement à la demande", nicht auch das "acquiescement au jugement" als verboten erachten). In der Schweiz steht es, solange das Bundesrecht hierüber keine Norm aufstellt, dem kantonalen Gesetzes- und Gewohnheitsrecht anheim, die Frage im einen oder andern Sinne zu entscheiden. Für die im vorliegenden Falle speziell streitige Kindeszuteilung gilt in dieser Hinsicht nichts Abweichendes. Zwar hat das Scheidungsgericht in jeder Instanz sowohl über die Gestaltung der Elternrechte im allgemeinen wie auch insbesondere über die Unterhaltsbeiträge an die Kinder von Amtes wegen zu befinden (vgl. BGE 85 II 231 /32 und BGE 82 II 470 ). Damit ist aber weder die Weiterziehung erstinstanzlicher Urteile vorgeschrieben oder der gesetzlichen Befristung entrückt noch ein Verzicht auf Weiterziehung solcher Urteile kraft Bundesrechtes verboten. Dem Nichteintretensentscheid des Obergerichts lässt sich somit keine dem kantonalen Prozessrechte derogierende Norm des Bundesrechtes entgegenhalten. 6. Das Bundesgericht sieht sich immerhin veranlasst, sein Befremden über das Vorgehen des erstinstanzlichen Gerichtes auszudrücken. Es ist nicht Sache des Richters, die Parteien (wenn sie nicht von sich aus den Willen bekunden, das Urteil sogleich anzuerkennen und dadurch in Rechtskraft treten zu lassen) nach der Fällung und Eröffnung des Urteils zu fragen, BGE 93 II 213 S. 221 ob sie auf ein Rechtsmittel verzichten. Angesichts der Schilderung der Beklagten über die Art dieser Fragestellung, die von ihr hiebei bekundete Unsicherheit und die ihr dennoch nahegelegte unverzügliche "Annahme" des Urteils hätte es sich gehört, dass das Zuger Obergericht die Sache gründlich geprüft und die beantragten Beweise abgenommen hätte. (Der Kläger selbst gibt in der Berufungsbeantwortung zu, dass die Beklagte eine schriftliche Urteilsbegründung verlangte; sie habe das Urteil "jedoch" angenommen). Der ohne nähere Abklärung gefällte Nichteintretensentscheid hätte aber beim Bundesgericht nur durch staatsrechtliche Beschwerde angefochten werden können.
2,532
1,913
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 2.- Soweit die Eingabe als Nichtigkeitsbeschwerde an Hand genommen wird, wird diese Beschwerde abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 218 BGE 89 IV 218 S. 218 A.- Am 28. Mai 1963 liess Spörri, der in Uster ein Kleidergeschäft führt, im "Zürcher Oberländer" und im "Anzeiger von Uster" ein halbseitiges Inserat erscheinen. Es war mit "Gross-Aktion Trevira-Kleider-Woche" überschrieben und enthielt insbesondere den Hinweis: "Während der Kleider-Woche erhalten Sie zu jedem Trevira-Kleid ein wertvolles Geschenk." Das Inserat schloss mit der Aufforderung: "Kaufen Sie jetzt, die Auswahl ist enorm!" Es ging dem Geschäftsinhaber darum, einen verspätet eingegangenen Posten Trevira-Kleider noch vor Saisonschluss ohne Preisabschlag absetzen zu können. Das Geschenk bestand in einem Paar Strümpfe zu Fr. 2.90, wenn ein Kleid zum Preise bis Fr. 100. -, in zwei Paar Strümpfe zu Fr. 4.80, wenn ein Kleid zu einem Preise von mehr als Fr. 100.-- gekauft wurde. Die Aktion wurde nach etwas mehr als einer Woche abgeschlossen. B.- Mit Verfügung vom 25. Juni 1963 verfällte das Statthalteramt des Bezirkes Uster Spörri in Anwendung der Art. 1, 2, 4 und 20 Abs. 1 lit. a der Verordnung über BGE 89 IV 218 S. 219 Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO) vom 16. April 1947 in eine Busse von Fr. 40.-. Auf das Begehren des Gebüssten um gerichtliche Beurteilung sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Uster Spörri am 21. Oktober 1963 frei, weil es sich bei den Geschenken nicht um Vergünstigungen im Sinne der Ausverkaufsordnung, sondern bloss um Zugaben geringfügiger Art gehandelt habe. C.- Das Statthalteramt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Spörris wegen Übertretung der AO an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es macht geltend, der Beschuldigte habe dadurch, dass er eine Trevira-Kleiderwoche ankündigte und zu jedem Trevira-Kleid ein wertvolles Geschenk versprach, eine über den normalen Bedarf hinausgehende Nachfrage herbeiführen wollen. Es komme darauf an, welchen Sinn der Durchschnittsleser dem Inserat habe beilegen müssen. D.- Spörri beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Es ist unbestritten, dass die Bekanntgabe der "Gross-Aktion" in zwei Zeitungen eine öffentliche Ankündigung darstellte und dass die Verkaufsveranstaltung ohne Bewilligung durchgeführt wurde. Streitig ist dagegen, ob der Beschwerdegegner den Käufern von Trevira-Kleidern besondere, sonst nicht gewährte Vergünstigungen in Aussicht stellte. Die Vorinstanz verneint die Frage, weil die den Käufern geschenkten Strümpfe bloss Fr. 2.90 oder 4.80 wert waren, im äussersten Falle also nur 4,8% des Kaufpreises ausmachten und damit nicht einmal die in der Kleiderbranche zulässige Rabattmarge von 5% erreichten. Es sei nicht anzunehmen, dass Spörri mit dem Versprechen von wertvollen Geschenken den Eindruck erwecken wollte, es handle sich um grössere Werte; er habe glaubhaft erklärt, Damenstrümpfe seien sehr begehrt und dürften in diesem Sinne durchaus als wertvoll bezeichnet BGE 89 IV 218 S. 220 werden. Ob bloss eine vorübergehende Vergünstigung angekündigt worden sei, könne unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. a) Diese Auffassung geht fehl. Es kommt nichts darauf an, was für Geschenke der Beschwerdegegner tatsächlich ausrichtete ( BGE 78 IV 126 ) und was er selber davon hielt. Ob dem Käufer besondere, sonst nicht gewährte Vergünstigungen in Aussicht gestellt worden seien oder nicht, beurteilt sich allein nach dem Eindruck, den das am 28. Mai 1963 in den beiden Zeitungen erschienene Inserat beim Publikum erwecken musste ( BGE 82 IV 114 Erw. 2, BGE 83 IV 58 ). Im Inserat ist nicht von Damenstrümpfen, sondern von einem wertvollen Geschenk die Rede. Kaufsinteressenten durften deshalb vernünftigerweise damit rechnen, dass es sich um etwas handeln werde, das nach seinem wirklichen Wert das Beiwort "wertvoll" verdiene. Es ging dem Beschwerdegegner offensichtlich darum, die Leser des Inserates in die Meinung zu versetzen, das versprochene Geschenk mache den Kauf eines Trevira-Kleides zu einem besonders vorteilhaften Geschäft. Hätte er bloss eine geringfügige Zugabe in Aussicht gestellt, wie er nunmehr vorzugeben scheint, so hätte er die Kauflust des Publikums keineswegs in dem Masse zu steigern vermocht, um den verspätet eingegangenen Posten noch vor Saisonschluss absetzen zu können. Als Geschäftsmann musste ihm klar sein, dass er dieses Ziel nur erreichen konnte, wenn er nicht bloss "irgend eine Kleinigkeit", sondern eine wirkliche Vergünstigung, wie sie das Inserat verhiess, in Aussicht stellte. Wer ein wertvolles Geschenk verspricht, es dann aber bei einer geringfügigen Zugabe bewenden lässt, wie es der Beschwerdegegner getan hat, der ist umso strafwürdiger, weil er durch falsche Vorspiegelungen auf Kundenfang ausgeht. Die Ausverkaufsordnung will ja gerade verhindern, dass das Publikum durch unwahre oder täuschende Angaben in Ankündigungen dazu verleitet werde, die Gelegenheit auch für seine künftigen voraussichtlichen Bedürfnisse zu benützen ( BGE 76 IV 184 Erw. 2, BGE 78 IV 124 f.). BGE 89 IV 218 S. 221 b) Die Vorinstanz hat offen gelassen, ob mit dem Inserat eine vorübergehende Vergünstigung angekündigt worden sei. Dies kann indes schon nach dem Wortlaut der Ankündigung nicht zweifelhaft sein. Wenn in einer solchen wiederholt von einer Kleiderwoche die Rede ist, so kann dies nur heissen, dass die Sondervergünstigung bloss während eines kurzen, eine Woche nicht wesentlich überschreitenden Zeitraumes gewährt werde. Dass die Ankündigung keine Daten enthielt, hilft darüber umsoweniger hinweg, als das Inserat anfangs einer Woche erschien. Zudem musste der Leser aus der Aufforderung, jetzt zu kaufen, vernünftigerweise schliessen, die Kleiderwoche beginne spätestens mit dem Tage der Bekanntmachung, er gehe folglich der in Aussicht gestellten Vergünstigung verlustig, wenn er nicht innert einer Woche kaufe. Damit ist der objektive Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. 1 AO erfüllt. Ob auch blosse Zugaben, wenn sie mit zeitlicher Beschränkung angekündigt werden, vorübergehende Vergünstigungen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 AO darstellen, braucht nicht entschieden zu werden.
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Sachverhalt ab Seite 173 BGE 134 I 172 S. 173 Le 25 avril 2005, la Commune de Montreux a vendu la propriété "Les Bosquets" au lieu-dit Fontanivent. D'une surface de plus de 23'000 m 2 , le domaine, fortement arborisé, comprend notamment deux bâtiments d'habitation; il est situé en zone de faible densité protégée. L'acheteur s'engageait à maintenir la villa "Les Bosquets", à respecter un plan d'implantation et à protéger les arbres majeurs répertoriés. Le 5 octobre 2005, sur préavis de la Municipalité, le Conseil communal de Montreux a autorisé la vente; cette décision n'a pas fait l'objet d'un référendum. Le 17 mai 2006, une initiative populaire communale intitulée "Sauver les Bosquets de Fontanivent" a été déposée. Elle demande que soit soumise aux électeurs de la Commune de Montreux la question suivante: "acceptez-vous que le domaine des 'Bosquets de Fontanivent' avec ses arbres et ses bâtiments existants reste la propriété de la Commune de Montreux et soit ouvert à la population?". La Municipalité a autorisé la récolte de signatures le 19 mai suivant, tout en relevant que l'initiative devrait être déclarée sans objet en raison de l'acte de vente du 25 avril 2005, devenu exécutoire. Le 1 er septembre 2006, la Municipalité a constaté l'aboutissement de l'initiative, munie de 2762 signatures valables. Par décision du 31 janvier 2007, suivant l'avis de la commission chargée d'examiner l'initiative, le Conseil communal de Montreux a constaté que celle-ci remplissait les conditions formelles de validité (ch. 1), mais qu'elle n'avait pas d'objet (ch. 2), qu'elle ne se conformait pas au droit supérieur, notamment au principe de la bonne foi BGE 134 I 172 S. 174 (ch. 3), et n'était pas susceptible d'exécution (ch. 4). Elle était donc invalide (ch. 5), et son dépôt, faute d'effet suspensif, n'avait pas empêché l'exécution du contrat de vente (ch. 6). Par arrêt du 6 juillet 2007, la Cour constitutionnelle du canton de Vaud a admis le recours formé par Franz Weber et huit consorts (soit les promoteurs de l'initiative) ainsi que par le comité d'initiative. En tant qu'elle portait sur le maintien du domaine en main de la Commune, l'initiative était inexécutable car la propriété avait été transférée le 8 novembre 2006. Limitée à l'ouverture au public et à la protection du site, l'initiative conservait toutefois un sens correspondant à la volonté des initiants; il n'y avait pas d'obstacle insurmontable à la réalisation de l'initiative, et il appartenait aux électeurs de se prononcer sur ses implications financières. L'initiative devait donc être soumise au peuple dans la formulation suivante "Acceptez-vous que le domaine des 'Bosquets de Fontanivent' avec ses arbres et ses bâtiments existants soit ouvert à la population?". La Commune de Montreux, ainsi que quatre électeurs, forment un recours en matière de droit public; ils concluent à l'annulation de l'arrêt de la Cour constitutionnelle et au renvoi de la cause à cette cour afin qu'elle prononce l'invalidité totale de l'initiative. Le Tribunal fédéral a admis le recours et confirmé la décision communale d'invalidation.
1,143
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.2 La qualité pour recourir dans le domaine des droits politiques appartient à toute personne disposant du droit de vote dans l'affaire en cause ( art. 89 al. 3 LTF ), même si elle n'a aucun intérêt juridique personnel à l'annulation de l'acte attaqué ( ATF 130 I 290 consid. 1 p. 292; ATF 128 I 190 consid. 1 p. 192; ATF 121 I 138 consid. 1 p. 139, ATF 121 I 357 consid. 2a p. 360; BELLANGER, Le recours en matière de droit public, in Les recours au Tribunal fédéral, Genève 2007, p. 133 ss, 152). La qualité pour agir des électeurs de la Commune de Montreux est donc indiscutable. 1.3 La Commune de Montreux relève qu'elle a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ( art. 89 al. 1 let. a LTF ) et qu'elle aurait un intérêt digne de protection en sa qualité de venderesse du domaine de Fontanivent, exposée aux prétentions de l'acheteur qui ne pourrait utiliser le bien-fonds conformément à ce qui a été prévu. BGE 134 I 172 S. 175 1.3.1 En matière de droits politiques, la qualité pour agir n'est reconnue aux collectivités, de droit privé ou de droit public, que dans des cas particuliers: les personnes morales n'ont en principe pas la qualité pour recourir, faute d'être titulaires des droits politiques (cf. arrêts 1P.451/2006 du 28 février 2007, consid. 1.4, publié in PJA 2007 p. 902; 1P.89/1988 du 18 décembre 1988, consid. 1 publié in ZBl 90/1989 p. 491; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2 e éd., Berne 1994, p. 280; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, vol. II, Neuchâtel 1967, p. 600; GRISEL, Initiative et référendum populaires, Traité de la démocratie semi-directe en droit suisse, Berne 2004, p. 154-155). La qualité pour recourir est néanmoins reconnue aux partis politiques et aux organisations à caractère politique formées en vue d'une action précise - telle que le lancement d'un référendum ou d'une initiative - pour autant qu'ils soient constitués en personne morale, qu'ils exercent leur activité dans la collectivité publique concernée par la votation en cause et qu'ils recrutent principalement leurs membres en fonction de leur qualité d'électeurs (arrêt 1P.451/2006 précité; ATF 130 I 290 consid. 1.3 p. 292; ATF 121 I 334 consid. 1a p. 337; ATF 115 Ia 148 consid. 1b p. 153; ATF 114 Ia 267 consid. 2b p. 270; ATF 111 Ia 115 consid. 1a p. 116 s. et les arrêts cités). Les collectivités de droit public ne sont pas non plus titulaires des droits politiques et n'ont pas qualité pour recourir dans ce domaine ( ATF 117 Ia 233 consid. 4a p. 244; 76 I 50 ; KÄLIN, op. cit., p. 281; KIENER, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in Neue Bundesrechtspflege, Berne 2007, p. 219 ss, 269-270; GRISEL, op. cit., p. 155, qui réserve les cas où le droit cantonal reconnaît aux communes une large autonomie dans les votations, ou leur accorde le droit d'initiative ou de référendum). 1.3.2 Contrairement à ce que soutiennent les recourants, l'adoption de la LTF n'a rien changé à la pratique développée sous l'empire de l'OJ. Selon le message relatif à la LTF, l' art. 89 al. 3 LTF (soit l'art. 83 al. 2 du projet) ne fait que reprendre la pratique antérieure en reconnaissant la qualité pour recourir aux électeurs de la collectivité concernée (FF 2001 p. 4127). Le message ajoute certes que cette règle serait complémentaire à l'al. 1 de la même disposition (ce qui expliquerait les expressions "ausserdem" et "inoltre" dans les versions allemande et italienne), et n'empêcherait donc pas une personne dépourvue du droit de vote de recourir si elle a un intérêt digne de protection à l'annulation de la décision. Toutefois, il ressort clairement BGE 134 I 172 S. 176 de la suite du message que cette précision vise exclusivement l'exemple du candidat à une élection "lorsque la capacité électorale passive ne dépend pas du droit de vote". Sur ce point également, la LTF ne déroge pas à la pratique antérieure puisque le recours prévu à l' art. 85 let. a OJ était également ouvert pour protéger la capacité civique passive, soit le droit d'éligibilité ( ATF 128 I 34 consid. 1e p. 38; ATF 119 Ia 167 consid. 1d p. 169). 1.3.3 Il en résulte que la qualité pour recourir en matière de droits politiques est définie de manière spécifique et exhaustive à l' art. 89 al. 3 LTF . Comme auparavant, elle dépend exclusivement de la titularité des droits politiques (GEROLD STEINMANN, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Bâle 2008, n. 71-72 ad art. 89 LTF ). Etendre cette qualité à toute personne disposant d'un intérêt juridique, au sens de l' art. 89 al. 1 LTF (cf. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz, Berne 2007, p. 372; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Kurzkommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Zurich 2006, p. 168), reviendrait à dénaturer la voie de droit particulière prévue à l' art. 82 let . c LTF, dont l'objet est strictement limité à la sauvegarde des droits politiques (cf. STEINMANN, op. cit., n. 75 ad art. 82 LTF ; KIENER, op. cit., p. 269-270, qui rappelle la volonté du législateur de maintenir sur ce point la pratique antérieure; BESSON, Die Beschwerde in Stimmrechtssachen, in Ehrenzeller/Schweizer [éd.], Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, St-Gall 2006, p. 403 ss, 413-414). Faute d'être titulaire des droits politiques, la Commune de Montreux n'a pas qualité pour agir. 1.3.4 Pour le surplus, la Commune renonce expressément à se prévaloir de son autonomie, en relevant que les communes vaudoises sont autonomes en matière d'aménagement du territoire et de gestion du patrimoine communal, mais non en matière d'exercice des droits politiques. Le recours ne contient d'ailleurs pas de motivation en rapport avec l'autonomie communale ( art. 106 al. 2 LTF ). Le recours est par conséquent irrecevable en tant qu'il est formé par la Commune de Montreux. 2. Les recourants estiment que la Cour constitutionnelle ne pouvait scinder l'initiative en deux parties, pour ne laisser subsister que celle qui concerne l'accès du public au domaine. L'objectif principal poursuivi par les initiants était le maintien de la propriété communale sur le domaine de Fontanivent; l'accès au public n'en était qu'une conséquence accessoire, et la protection du site n'est même pas évoquée BGE 134 I 172 S. 177 dans l'initiative. L'aliénation par la Commune rendait donc l'initiative invalide dans son ensemble. 2.1 Les recourants ne contestent pas qu'une initiative populaire puisse être partiellement invalidée. Même si la loi ne la prévoit pas expressément, cette possibilité découle du principe selon lequel une initiative doit être interprétée dans le sens le plus favorable aux initiants, selon l'adage "in dubio pro populo" (arrêt 1P.451/2006 du 28 février 2007, consid. 2.2). Elle apparaît également comme une concrétisation, en matière de droits populaires, du principe général de la proportionnalité (rappelé à l' art. 36 al. 3 Cst. en ce qui concerne les atteintes aux droits fondamentaux) qui veut que l'intervention étatique porte l'atteinte la plus restreinte possible aux droits des citoyens, et que les décisions d'invalidation soient autant que possible limitées, en retenant la solution la plus favorable aux initiants ( ATF 132 I 282 consid. 3.1 p. 286 et les arrêts cités; ATF 129 I 381 consid. 4a p. 388). Ainsi, lorsque seule une partie de l'initiative apparaît inadmissible, la partie restante peut subsister comme telle, pour autant qu'elle forme un tout cohérent, qu'elle puisse encore correspondre à la volonté des initiants et qu'elle respecte en soi le droit supérieur ( ATF 130 I 185 consid. 5 p. 202; ATF 125 I 227 consid. 4a et b p. 231 et la jurisprudence citée). L'invalidité d'une partie de l'initiative ne doit entraîner celle du tout que si le texte ne peut être amputé sans être dénaturé ( ATF 128 I 190 consid. 6 p. 203; ATF 125 I 227 consid. 4 p. 231; ATF 124 I 107 consid. 5b p. 117; ATF 121 I 334 consid. 2a p. 338 et la jurisprudence citée). 2.2 En l'espèce, l'initiative est intitulée "Sauver les bosquets de Fontanivent". Il est demandé que le domaine "reste la propriété de la Commune de Montreux et soit ouvert à la population". Il en ressort clairement que la protection du site et son accessibilité au public étaient présentées comme les conséquences directes du maintien de la propriété de la Commune, de sorte que le projet des initiants doit être interprété comme un tout. Dès le moment où le domaine est passé en mains privées, la protection du site et son accessibilité au public supposent non plus le maintien d'un statu quo, mais l'adoption de toute une série de mesures supplémentaires. Il ne saurait certes s'agir, comme l'estiment les intimés, d'une annulation de la vente, puisque la partie de l'initiative relative au maintien de la propriété du domaine a été annulée. En revanche, comme le relève la Cour constitutionnelle, cela imposerait à la Commune d'assurer la protection du site par le biais de mesures d'aménagement du territoire, et de garantir au public l'accessibilité du domaine, y compris ses bâtiments, au moyen de mesures d'expropriation matérielle ou formelle. BGE 134 I 172 S. 178 Dans tous les cas, il s'agit de mesures qui n'étaient pas visées à l'origine, et dont les signataires de l'initiative ne pouvaient présumer la nécessité. L'annulation partielle qui résulte de l'arrêt cantonal n'a ainsi pas pour conséquence une simple réduction de l'objet de l'initiative (cf. ATF 130 I 185 consid. 5.2 p. 203; cf également l'arrêt 1P.454/2006 du 22 mai 2007 concernant l'initiative populaire genevoise "Pour un financement juste et durable de la politique sociale du logement par l'or de la Banque Nationale Suisse"), mais une modification notable de celui-ci; elle a pour effet de dénaturer la démarche d'origine. En dépit des assurances des auteurs de l'initiative, on ne saurait donc retenir que les personnes qui l'ont signée dans le simple but de maintenir une situation de fait et de droit déterminée, l'auraient fait également en sachant que cela impliquait une série de mesures portant atteinte au droit de propriété du nouvel acquéreur, avec les conséquences financières qui pourront en résulter pour la collectivité. 2.3 Pour ce motif déjà, l'arrêt cantonal doit être annulé, sans qu'il y ait lieu de s'interroger sur le respect des compétences communales et du droit supérieur. L'arrêt attaqué est annulé et la décision du Conseil communal invalidant l'initiative doit être confirmée. (...)
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CH_BGE_001_BGE-134-I-172_2008-03-05
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BGE_134_I_172
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Sachverhalt ab Seite 20 BGE 145 III 20 S. 20 A. B. et A. ont signé, le 4 octobre 2014, une convention ayant pour objet la remise à B. du portefeuille clientèle acquis par A. dans le cadre de son activité avec la société C. Sàrl. Il était notamment prévu, d'une part, que B. verserait un montant de 600'000 fr. dont 200'000 fr. devaient être payés au plus tard le 31 janvier 2015 et le solde pour le 20 juin 2016 au plus tard et, d'autre part, qu'une nouvelle société (par ex. D. Sàrl) serait créée ou, éventuellement, la société C. rachetée. La société D. Sàrl a été inscrite au Registre du commerce du canton de Vaud le 24 novembre 2014. B. en était l'associé gérant avec signature individuelle. La première tranche de 200'000 fr. a fait l'objet de plusieurs versements au printemps 2016. BGE 145 III 20 S. 21 B. Le 15 mars 2017, sur requête de A., l'Office des poursuites du district d'Aigle a notifié à B. un commandement de payer (poursuite n° x) la somme de 400'000 fr., plus intérêts à 5 % l'an dès le 30 juin 2016. Etait invoqué comme titre de la créance ou cause de l'obligation: "Convention du 4 octobre 2014. Codébiteur solidaire avec D. Sàrl". Le poursuivi a formé opposition totale. Le 10 août 2017, le Juge de paix du district d'Aigle a prononcé la mainlevée provisoire de l'opposition à concurrence de 400'000 fr., plus intérêts à 5 % dès le 1 er juillet 2016. Par arrêt du 13 novembre 2017, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal du canton de Vaud, statuant en sa qualité d'autorité de recours en matière sommaire de poursuites, a admis le recours interjeté le 24 août 2017 par le poursuivi et maintenu l'opposition formée par ce dernier au commandement de payer. C. Le Tribunal fédéral a rejeté, dans la mesure de sa recevabilité, le recours de A. qui tendait principalement à la confirmation du jugement de première instance. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Après avoir qualifié de contrat synallagmatique de vente la convention du 4 octobre 2014, la Cour des poursuites et faillites a considéré en substance que le créancier poursuivant n'avait pas suffisamment établi la preuve - qui lui incombait - de l'exécution de sa prestation contractuelle, à savoir de la remise - sous quelque support que ce soit - du portefeuille clientèle acquis dans le cadre de son activité avec la société C. Sàrl. Partant, elle a refusé de prononcer la mainlevée provisoire de l'opposition formée par le poursuivi au commandement de payer le solde (400'000 fr.) du montant convenu (600'000 fr.) en contrepartie de cette prestation. 4. Le recourant reproche à l'autorité cantonale d'avoir refusé la mainlevée provisoire, motif pris qu'il n'avait pas suffisamment établi la preuve de l'exécution de sa prestation. Se plaignant d'une constatation arbitraire ( art. 9 Cst. ) des faits et d'une violation de l' art. 82 LP , il soutient en substance que, dans le cadre de la procédure de mainlevée provisoire, le créancier poursuivant n'a pas d'autre preuve à fournir qu'une reconnaissance de dette, le débiteur poursuivi étant quant à lui tenu de rendre vraisemblable par titre que celui-là ne s'est "pas BGE 145 III 20 S. 22 correctement acquitté de sa prestation". Il affirme qu'en l'espèce, l'intimé n'a pas fourni cette preuve dès lors qu'il résulte de la "lecture" de la convention que la remise du portefeuille "était prestée dès la signature" de ce document, respectivement dès sa collaboration dans la nouvelle société, et que la première tranche du prix de vente a été versée, "signe" que la clientèle - "essence même de la création de la nouvelle société" - avait été transmise. 4.1 4.1.1 Selon l' art. 82 al. 1 LP , le créancier dont la poursuite se fonde sur une reconnaissance de dette constatée par acte authentique ou sous seing privé peut requérir la mainlevée provisoire. Constitue une reconnaissance de dette au sens de cette disposition, en particulier, l'acte sous seing privé, signé par le poursuivi - ou son représentant ( ATF 132 III 140 consid. 4.1.1 et les arrêts cités) -, d'où ressort sa volonté de payer au poursuivant, sans réserve ni condition, une somme d'argent déterminée, ou aisément déterminable, et exigible ( ATF 139 III 297 consid. 2.3.1 et la jurisprudence mentionnée). Un contrat écrit justifie en principe la mainlevée provisoire de l'opposition pour la somme d'argent incombant au poursuivi lorsque les conditions d'exigibilité de la dette sont établies (arrêt 5A_465/2014 du 20 août 2014 consid. 7.2.1.2) et, en particulier dans les contrats bilatéraux, lorsque le poursuivant prouve avoir exécuté les prestations dont dépend l'exigibilité (arrêt 5A_367/2007 du 15 octobre 2007 consid. 3.1 et les références). Un contrat bilatéral ne vaut ainsi reconnaissance de dette que si le poursuivant a rempli ou garanti les obligations légales ou contractuelles exigibles avant le paiement dont il requiert le recouvrement, ou au moment de ce paiement (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. I, 1999, n° 45 ad art. 82 LP ), c'est-à-dire s'il a exécuté ou offert d'exécuter sa propre prestation en rapport d'échange (cf. ATF 116 III 72 ; cf. arrêt 5A_326/2011 du 6 septembre 2011 consid. 3.3 [prêt]). Plus particulièrement, un contrat de vente ordinaire constitue un titre de mainlevée provisoire pour le montant du prix échu pour autant que la chose vendue ait été livrée ou consignée lorsque le prix était payable d'avance ou au comptant (cf. arrêts 5A_630/2010 du 1 er septembre 2011 consid. 2.1; 5P.247/2004 du 14 octobre 2004 consid. 2; GILLIÉRON, op. cit., n° 46 ad art. 82 LP ). 4.1.2 Conformément à l' art. 82 al. 2 LP , le poursuivi peut faire échec à la mainlevée en rendant immédiatement vraisemblable sa BGE 145 III 20 S. 23 libération. Il peut se prévaloir de tous les moyens de droit civil - exceptions ou objections - qui infirment la reconnaissance de dette ( ATF 142 III 720 précité). Il n'a pas à apporter la preuve absolue (ou stricte) de ses moyens libératoires, mais seulement à les rendre vraisemblables, en principe par titre ( art. 254 al. 1 CPC ; ATF 142 III 720 consid. 4.1 et les arrêts cités). 4.2 En l'espèce, l'autorité cantonale - qui n'est pas critiquée à cet égard - a considéré que le portefeuille clientèle constituait la contre-prestation du paiement du prix de 600'000 fr. et que celui-ci intervenait dans un rapport d'échange de prestations réciproques, selon la formulation claire de l'alinéa un de la convention du 4 octobre 2014, qui devait être qualifiée de contrat de vente. Le recourant soutient qu'il pouvait se contenter de produire un tel titre et que la preuve de la remise du portefeuille incombait à l'intimé. Ce faisant, il se méprend. Un contrat synallagmatique vaut reconnaissance de dette pour autant que le créancier poursuivant ait exécuté ou offert d'exécuter sa propre prestation. Dès lors que le débiteur poursuivi se prévaut d'une inexécution, l'opposition ne peut être levée que si le créancier poursuivant démontre avoir exécuté ou offert d'exécuter sa propre prestation (cf. supra consid. 4.1.1). 4.3 Autre est la question de savoir s'il suffit que le débiteur poursuivi invoque l'inexécution de la contre-prestation ou s'il doit la rendre vraisemblable. 4.3.1 Plusieurs pratiques se sont développées en la matière. La pratique bâloise (Basler Rechtsöffnungspraxis) - la plus couramment suivie par les tribunaux cantonaux - admet qu'un contrat bilatéral justifie la mainlevée provisoire lorsque le poursuivi ne prétend pas que la contre-prestation n'a pas été exécutée ou n'a pas été correctement exécutée, quand il prétend que la contre-prestation n'a pas été exécutée ou n'a pas été correctement exécutée, mais que cette contestation apparaît manifestement sans consistance ou que le créancier prouve qu'il a accompli ce qui lui incombait et, enfin, lorsque le poursuivi doit s'exécuter le premier en vertu du contrat (STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 99 ad art. 82 LP , qui se réfère à une preuve par titre; VEUILLET, in La mainlevée de l'opposition, 2017, n° 145 ad art. 82 LP , pour laquelle la preuve doit être "immédiate"). D'autres exigent du poursuivi qu'il rende vraisemblable seulement l'exécution qualitativement défectueuse, voire tant cette dernière que l'inexécution (pour un résumé de ces tendances: cf. arrêts 5P.69/2004 BGE 145 III 20 S. 24 du 14 avril 2004 consid. 3 et l'auteur cité; 5P.314/2002 du 21 janvier 2003 consid. 2.2, in Pra 2003 n. 92 p. 161; P.739/1986 du 13 octobre 1986 consid. 3 et les références, résumé in Rep 1987 p. 149 ss; VOCK, in SchKG, Kurzkommentar, vol. 2, 2014, n° 19 ad art. 82 LP ; MÜLLER/VOCK, Behauptungs-, Bestreitungs- und Substantiierungslast im Rechtsöffnungsverfahren, ZZZ 38/2016 p. 130 ss, spéc. p. 135 in fine et ss; MUSTER, La reconnaissance de dette abstraite, Art. 17 CO et 82 ss LP: Etude historique et de droit actuel, 2004, p. 214 avec la note 1127; RtiD 2015 II n. 60c p. 901 ss et RtiD 2012 I n. 52c p. 981 qui semblent toutefois augurer une nouvelle pratique dans le canton du Tessin). Sous l'empire de l'ancienne loi fédérale d'organisation judiciaire (OJ), le Tribunal fédéral, qui était alors saisi sur recours de droit public et statuait sous l'angle de l'arbitraire, n'a jamais tranché cette controverse (pour un rappel de cette jurisprudence: arrêt 5A_1008/2014 du 1 er juin 2014 consid. 3.4.1, in BlSchK 2016 p. 91). Il a plus particulièrement laissé ouverte la question de savoir si le débiteur poursuivi doit rendre vraisemblable l'exception d'inexécution (arrêts 5P.314/2002 du 21 janvier 2003 consid. 2.2, in Pra 2003 n. 92 p. 161; P.739/1986 du 13 octobre 1986 consid. 3 et les références, résumé in Rep 1987 p. 149 ss) et n'a pas taxé d'arbitraire la pratique consistant à différencier le cas où le débiteur poursuivi invoque les droits à la garantie ["Gewährleistungsrechte"] de celui où il se fonde sur le droit de refuser la prestation au sens de l' art. 82 CO ["Leistungsverweigerungsrecht"] (arrêt 5P.69/2004 du 14 avril 2004 consid. 3). Depuis l'entrée en vigueur de la loi sur le Tribunal fédéral (LTF), il a jugé que la mainlevée provisoire fondée sur un contrat synallagmatique doit être prononcée si le débiteur qui fait valoir un défaut soumis à un avis ne rend pas vraisemblable qu'il a donné cet avis dans le délai (arrêts 5A_630/2010 et 5A_631/2010 du 1 er septembre 2011 consid. 2.2, in Pra 2012 n. 32 p. 223 [vente]; 5A_19/2016 du 6 septembre 2016 consid. 2.6 [contrat d'entreprise]). Dans un arrêt plus récent, s'abstenant de prendre position sur les autres exceptions, il s'est limité à considérer que l'autorité cantonale, qui s'était fondée sur la pratique bâloise, ne s'était pas distancée de cette dernière jurisprudence en considérant que le seul fait de se prévaloir d'une exécution défectueuse ne suffisait pas (arrêt 5A_1008/2014 précité consid. 3.4.3, in BlSchk 2016 p. 91). Enfin, dans un cas où la mainlevée était fondée sur un contrat de prêt, il a posé que le débiteur poursuivi n'avait pas à rendre vraisemblable le versement et qu'en BGE 145 III 20 S. 25 cas de contestation, il allait de soi que le créancier devait apporter la preuve stricte du versement (arrêt 5A_326/2011 du 6 septembre 2011 consid. 3.3 et ATF 136 III 627 consid. 3.4 cité). 4.3.2 Dans la présente cause, en alléguant que le créancier poursuivant ne lui a pas remis le portefeuille clientèle, le débiteur poursuivi ne se prévaut pas d'une exécution défectueuse ("mangelhafte Erfüllung"), mais d'une inexécution au sens strict (dans le sens d'un traitement différencié de l'inexécution totale et de l'exécution défectueuse: VEUILLET, op. cit., n° 146 ad art. 82 LP ). A l'instar des arrêts rendus en matière de prêt, il faut retenir qu'une telle allégation suffit (VEUILLET, op. cit., ibidem; HENRI PASCHOUD, La reconnaissance de dette dans la mainlevée provisoire et l'action en libération de dette, 1917, p. 151). Lorsque le débiteur poursuivi se prévaut du fait que le créancier poursuivant n'a pas exécuté sa prestation, il conteste que le contrat synallagmatique produit revête la qualité de reconnaissance de dette au sens de l' art. 82 al. 1 LP (dans ce sens: STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, p. 342, let. b; BERNHARD F. MEYER, Die Rechtsöffnung auf Grund synallagmatischer Schuldverträge, 1979, p. 62, let. B et p. 63; PASCHOUD, op. cit., ibidem). Un tel titre ne constitue en effet pas en soi une reconnaissance de dette pure et simple, mais suppose que le poursuivant ait fourni sa prestation (cf. supra, consid. 4.1.1). Sous cet angle, la question de la fourniture de la prestation du poursuivant ne ressortit pas à un moyen libératoire au sens de l' art. 82 al. 2 LP que le débiteur devrait rendre vraisemblable. Elle relève de la contestation d'une exigence mise à l'admission d'un contrat bilatéral parfait comme titre de mainlevée provisoire au sens de l' art. 82 al. 1 LP . Or, il incombe au créancier poursuivant de justifier qu'il dispose d'un tel titre. 4.3.3 Vu ce qui précède, c'est à juste titre que la Cour des poursuites et faillites a considéré qu'il appartenait au recourant, créancier poursuivant, de prouver la remise du portefeuille clientèle. Or, ce dernier, partant du principe que cette preuve incombait au débiteur poursuivi, s'est contenté de produire la convention du 4 octobre 2014. Lorsque, s'en prenant aux considérations de l'autorité cantonale, il soutient que la remise du portefeuille clientèle résultait pourtant de la simple lecture de ce document, que le paiement de 200'000 fr. au 31 janvier 2015 ne pouvait qu'attester ce transfert et que l'on pouvait déduire des pièces 104 à 106 que le fichier avait été reçu par l'intimé, il s'en prend de façon appellatoire à l'appréciation des preuves (cf. consid. 2.2 non publié). Il en va de même lorsqu'il affirme BGE 145 III 20 S. 26 péremptoirement que le Tribunal cantonal ne pouvait, d'un côté, tenir pour probantes les déclarations de l'employée de l'intimé selon lesquelles le fichier client n'aurait pas été remis et, d'un autre côté, les écarter en tant qu'elles portaient sur la violation de ses obligations contractuelles. Force est de relever en outre que le but du procès en mainlevée provisoire de l'opposition n'est pas de constater la réalité d'une créance, mais l'existence d'un titre exécutoire; le juge de la mainlevée provisoire examine uniquement la force probante du titre produit par le créancier poursuivant, sa nature formelle, et non pas la validité de la prétention déduite en poursuite ( ATF 132 III 140 consid. 4.1.1 et la jurisprudence citée; arrêt 5A_450/2012 du 23 janvier 2013 consid. 3.2, in SJ 2013 I p. 345). Or, en l'espèce, lorsque le recourant soutient notamment que la remise de la clientèle devait se faire au fur et à mesure de la collaboration, il se fonde essentiellement sur des éléments extrinsèques à l'acte et requiert une interprétation de la volonté des intéressés qui excède la cognition du juge de la mainlevée; cas échéant, il appartiendra au juge du procès en reconnaissance de dette d'en connaître, au terme d'une procédure probatoire complète ( art. 79 LP ; ATF 133 III 645 consid. 5.3).
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Sachverhalt ab Seite 55 BGE 110 V 54 S. 55 A.- In einer vor dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Versicherungsgericht) hängigen invalidenversicherungsrechtlichen Rentensache zog Pfeiffer seinen Rekurs im materiellen Streitpunkt zurück, nachdem die Ausgleichskasse des Grosshandels die angefochtene Verfügung vom 17. August 1981 lite pendente im Sinne seines Beschwerdeantrages geändert hatte. In der Rückzugserklärung liess er durch seinen Rechtsanwalt Dr. X. die Zusprechung einer Parteientschädigung von Fr. 3'081.-- beantragen. Mit Entscheid des Versicherungsgerichtes vom 30. Juni 1982 (Präsidialverfügung) wurde die Sache zufolge Rückzuges der Beschwerde als erledigt abgeschrieben, dies unter Zusprechung einer Parteientschädigung von Fr. 700.-- an Pfeiffer zu Lasten der Ausgleichskasse. B.- Entgegen der diesem Entscheid beigehefteten Rechtsmittelbelehrung erhob Rechtsanwalt X hiegegen nicht Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht, sondern (kantonalrechtliche) Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Verwaltungsgericht) mit dem Antrag, es sei für das Verfahren vor dem Versicherungsgericht eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 3'081.-- zu gewähren. Das Verwaltungsgericht sprach in Gutheissung dieses Begehrens mit Entscheid vom 3. März 1983 Pfeiffer die verlangte Parteientschädigung von Fr. 3'081.-- zu und auferlegte der Ausgleichskasse für den Prozess vor dem Verwaltungsgericht die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 662.-- sowie eine Parteientschädigung von Fr. 400.--. C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Verwaltungsgerichtes sei aufzuheben. Pfeiffer lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen BGE 110 V 54 S. 56 Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG . Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). Gegenüber einer auf kantonales Recht gestützten Verfügung kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden, es sei zu Unrecht kantonales statt öffentliches Recht des Bundes angewendet worden ( BGE 107 Ib 173 , BGE 101 V 131 Erw. 1b, je mit Hinweis; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 90 mit zahlreichen Verweisungen auf die bundesgerichtliche Praxis). b) Das Verwaltungsgericht hat seine Zuständigkeit mit einer kantonalrechtlichen Bestimmung (Art. 59 des Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege) begründet. Die Ausgleichskasse behauptet, das Verwaltungsgericht habe seine Kompetenz in Verletzung prozessualer Bestimmungen des Bundesrechts ( Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 AHVG ) bejaht. Die Ausgleichskasse macht somit sinngemäss geltend, es hätte kraft Bundesrecht kein auf kantonales Recht gestützter Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts ergehen dürfen. Hinsichtlich der Eintretensfrage ist dieser Einwand der Rüge gleichzustellen, es sei zu Unrecht kantonales statt öffentliches Recht des Bundes angewendet worden (vgl. Erw. 1a in fine hievor). Aus diesem Grund ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. 2. Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts hat die Verlegung von Partei- und Gerichtskosten zum Gegenstand. Da es sich somit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG ; BGE 104 V 6 Erw. 1). Zudem ist das Verfahren kostenpflichtig ( Art. 134 OG e contrario; Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG ). 3. Streitig ist, ob in einem vor dem Versicherungsgericht durchgeführten invalidenversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren BGE 110 V 54 S. 57 dieses Gericht als einzige kantonale Instanz über die Höhe einer Parteientschädigung entscheidet oder ob diesbezüglich ein Weiterzug an das kantonale Verwaltungsgericht möglich ist. a) Nach Art. 69 IVG erfolgt die Rechtspflege in Invalidenversicherungssachen in sinngemässer Anwendung der Art. 84 bis 86 AHVG. Entsprechende Verweisungen sehen Art. 7 Abs. 2 ELG für die Ergänzungsleistungen, Art. 24 Abs. 2 EOG für die Erwerbsersatzordnung und Art. 22 Abs. 3 FLG für die Familienzulagen in der Landwirtschaft vor. In Art. 85 Abs. 2 AHVG wird die Regelung des Rekursverfahrens grundsätzlich - unter Vorbehalt gewisser vereinheitlichender Richtlinien - den Kantonen anheimgestellt (vgl. die bundesrätliche Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des AHVG, BBl 1958 II 1285). Lit. f der zitierten Bestimmung enthält bezüglich der Kostenfolge die bundesrechtliche Vorschrift, dass der obsiegende Beschwerdeführer "Anspruch auf Ersatz der Kosten der Prozessführung und Vertretung nach gerichtlicher Festsetzung" hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen in einem kantonalen Beschwerdeverfahren im AHV-Bereich ein Anspruch des obsiegenden Beschwerdeführers oder weiterer Beteiligter auf Parteientschädigung besteht, beurteilt sich somit nach Bundesrecht. So hat das Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen des Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG entschieden, dass u.a. in folgenden Fällen von Bundesrechts wegen ein Anspruch auf Parteientschädigung besteht: bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens, wenn die Prozessaussichten dies rechtfertigen ( BGE 108 V 271 Erw. 1 mit Hinweisen); wenn die Rekursbehörde auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung zwecks ergänzender Abklärung entscheidet (nicht veröffentlichte Urteile Zuberbühler vom 8. Juni 1982 und Bourquin vom 24. März 1977); bei nur teilweisem Obsiegen des Beschwerdeführers (ZAK 1980 S. 124 Erw. 5); wenn das Begehren um Zusprechung einer Parteientschädigung erst (nachträglich) im Laufe des kantonalen Rekursverfahrens erhoben wird (ZAK 1980 S. 438); wenn der Versicherte in einem zürcherischen EL-rechtlichen Verfahren in die Rolle des (obsiegenden) Beschwerdegegners versetzt wird ( BGE 108 V 111 ); wenn der Rechtsanwalt des Versicherten zugleich dessen Vormund (nicht veröffentlichtes Urteil Asper vom 26. Februar 1982) oder der Vertreter nicht im Besitz des kantonalrechtlichen Patentes ist (ZAK 1980 S. 123 Erw. 4) oder wenn die Anwaltskosten des Versicherten von seiner Gewerkschaft getragen werden ( BGE 108 V 271 Erw. 2). Schliesslich ist BGE 110 V 54 S. 58 auch der Anspruch des Mitinteressierten auf Parteientschädigung vom Bundesrecht beherrscht ( BGE 109 V 60 ). Anderseits enthält das Bundesrecht im AHV-Bereich und den beigeordneten Sozialversicherungszweigen - nebst dem Grundsatz des Entschädigungsanspruches als solchem - keine Bestimmungen über die Bemessung der Parteientschädigung, insbesondere keinen Tarif. Die Regelung dieser Fragen ist dem kantonalen Recht belassen. Mit diesem hat sich das Eidg. Versicherungsgericht grundsätzlich nicht zu befassen (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG ). Die Höhe einer Parteientschädigung hat deshalb das Eidg. Versicherungsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob die Anwendung der hierfür massgeblichen kantonalen Bestimmungen zu einer Verletzung von Bundesrecht ( Art. 104 lit. a OG ) geführt hat, wobei in diesem Bereich als Beschwerdegrund praktisch nur das Willkürverbot des Art. 4 Abs. 1 BV in Betracht fällt ( BGE 104 Ia 13 Erw. 2, BGE 99 V 184 Erw. 1 in fine mit Hinweisen). Keine mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügende Bundesrechtswidrigkeit liegt darin, dass die kantonale Rekursbehörde bei der Bemessung der Parteientschädigung den kostenmässigen Eigenheiten des Sozialversicherungsprozesses (vgl. BGE 98 V 126 Erw. 4c mit Hinweisen) nicht Rechnung getragen hat ( BGE 98 V 126 Erw. 4d, bestätigt in BGE 99 V 128 oben; anders noch ZAK 1969 S. 598 mit Hinweisen). b) Nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 AHVG bestimmen die Kantone zur Beurteilung von Beschwerden gemäss Art. 84 AHVG "eine von der Verwaltung unabhängige kantonale Rekursbehörde" (identisch die Formulierung in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ELG ; vgl. auch Art. 69 Satz 1 am Anfang IVG, Art. 22 Abs. 1 FLG , Art. 24 Satz 1 am Anfang EOG). Im sozialen Kranken- und im bis Ende 1983 in Kraft gewesenen obligatorischen Unfallversicherungsrecht ist den Kantonen ausdrücklich eine "einzige Instanz" (Art. 30bis Abs. 1 am Anfang KUVG) bzw. ein "einziges Gericht" ( Art. 120 Abs. 1 KUVG ) vorgeschrieben; ebenso klar bestimmt Art. 55 Abs. 2 MVG , dass die Klagen "in erster Instanz von den kantonalen Versicherungsgerichten, in zweiter und letzter Instanz vom Eidgenössischen Versicherungsgericht beurteilt" werden. Unter der Herrschaft des alten Unfallversicherungsrechtes hatte das Eidg. Versicherungsgericht deshalb wiederholt entschieden, dass ein zweistufiges Beschwerdeverfahren um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege bundesrechtswidrig ist (EVGE 1937 S. 3; nicht veröffentlichtes Urteil Schneider vom 9. September 1976). BGE 110 V 54 S. 59 Umgekehrt stellte das bis Ende 1983 in Kraft gewesene Arbeitslosenversicherungsgesetz es ausdrücklich den Kantonen anheim, zwei Rekursinstanzen vorzusehen (Art. 54 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 am Anfang AlVG); nach der neuen Ordnung sind sodann auf diesem Gebiet von Bundesrechts wegen mehrere Beschwerdeinstanzen vorgesehen, nämlich die kantonale Amtsstelle für Verfügungen der Gemeindearbeitsämter ( Art. 101 lit. a AVIG ) und ein Gericht oder eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission als letzte kantonale Instanz für Verfügungen der kantonalen Amtsstellen und der Kassen ( Art. 101 lit. b AVIG ). Im Gegensatz zu den genannten Bestimmungen aus dem Bereich der Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung lässt der Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 AHVG nicht ohne weiteres erkennen, ob den Kantonen die Schaffung einer einzigen Rekursbehörde vorgeschrieben oder ob ihnen die Möglichkeit belassen ist, ein mehrstufiges Rekursverfahren (mit mehreren Spruchbehörden) einzuführen. Die Materialien sind indessen eindeutig. Schon in den Verhandlungen der Eidgenössischen Expertenkommission für die Einführung der AHV wurde festgehalten: "Als Organe der Rechtspflege sind 25 kantonale Rekurskommissionen, deren Organisation die Kantone zu bestimmen haben, und eine vom Bundesrat zu wählende eidgenössische Berufungsinstanz vorgesehen. Die Dezentralisation der Rechtsprechung in erster Instanz entspricht einerseits der Dezentralisation der Verwaltung der Versicherung und anderseits auch der föderalistischen Struktur des Landes (Protokolle der Expertenkommission, Band 2, Beilage III zum Protokoll über die Session vom 16. bis 20. Oktober 1944, S. 114)." Diese Darstellung findet sich im Bericht der Expertenkommission vom 16. März 1945 (S. 173) und in der bundesrätlichen Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die AHV vom 24. Mai 1946 bestätigt (BBl 1946 II 514 ff. und 553). Hier wie auch in der parlamentarischen Beratung wurde überdies ausdrücklich festgehalten, dass "eine erste und eine zweite Rekursinstanz vorgesehen (ist). Die erste ist kantonal, die zweite eidgenössisch." (So der deutschsprachige nationalrätliche Kommissionsberichterstatter; vgl. Sten.Bull. 1946 N 686 S. 438.) Daran wurde auch bei der Erweiterung der bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen anlässlich der Einführung des Invalidenversicherungsgesetzes ( Art. 82 IVG ) festgehalten (BBl 1958 II 1216). Diese aus den Materialien klar hervorgehende Einstufigkeit des kantonalen Rekursverfahrens hat im Gesetz positivrechtlichen BGE 110 V 54 S. 60 Ausdruck gefunden. So sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Art. 85 Abs. 2 AHVG , auf das Ganze besehen, offensichtlich nicht für ein mehrstufiges Rechtsmittelverfahren konzipiert worden; dies zeigt sich gerade am Beispiel des Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG , der lediglich vom obsiegenden Beschwerdeführer spricht ( BGE 108 V 112 ). Sodann liegt der Gedanke einer einzigen kantonalen Rekursbehörde auch dem Art. 86 AHVG zugrunde, welcher gegen deren Entscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht vorsieht. Noch deutlicher war diesbezüglich der bis Ende 1972 in Kraft gewesene Art. 86 AHVG formuliert, laut welchem gegen die Entscheide "der kantonalen Rekursbehörde" Berufung beim Eidg. Versicherungsgericht eingelegt werden konnte. Entsprechend ist die Vollzugsverordnung formuliert, welche bei der Gerichtsstandsregelung durchwegs von "der Rekursbehörde des Kantons" spricht ( Art. 200 AHVV ). Rechtsprechung und Doktrin sind denn auch seit je von der Einstufigkeit des kantonalen Rekursverfahrens im AHV/IV-Bereich ausgegangen ( BGE 108 V 112 , BGE 102 V 241 Erw. 2a, BGE 100 V 54 Erw. 2a am Anfang; EVGE 1959 S. 145; BINSWANGER, Kommentar zum AHVG, 1950, S. 302 f.; OSWALD/DUCOMMUN, Aktuelle Rechtsfragen aus dem Gebiet der AHV, 1955, S. 87a; H.R. SCHWARZENBACH, Der Rechtsschutz des Versicherten in der Eidgenössischen AHV, Diss. Zürich 1952, S. 17 ff.). Aus dem Gesagten ergibt sich, dass mindestens hinsichtlich des materiellen AHV/IV-Rechts und des bundesrechtlichen Grundsatzes der Parteientschädigungspflicht eine zweite kantonale Beschwerdeinstanz unzulässig ist. Nicht zu entscheiden ist hier, ob im Bereich der Ergänzungsleistungen - entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers (vgl. BBl 1964 II 707) - ein zweifacher Instanzenzug, wie ihn die Kantone Zürich und Genf kennen (vgl. BGE 108 V 111 ), aus spezifisch EL-rechtlichen Gründen zulässig ist (z.B. im Hinblick darauf, dass die Kantone Gemeindestellen als Durchführungsorgane mit Verfügungsbefugnis beiziehen können; vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 ELG ). 4. a) Das Verwaltungsgericht verkennt die eben dargestellte Rechtslage nicht. Es beruft sich jedoch auf Art. 59 Ingress und lit. b des bereits erwähnten kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes, wonach gegen Entscheide des Versicherungsgerichts Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden kann, "sofern gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid kein anderes Bundesrechtsmittel als die staatsrechtliche Beschwerde an das BGE 110 V 54 S. 61 Bundesgericht offensteht". Da das Eidg. Versicherungsgericht die kantonalrechtliche Höhe (Bemessung) der Parteientschädigung nach Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG nur auf Willkür überprüfe (vgl. Erw. 3a in fine hievor) - wie dies in einem staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren der Fall wäre -, sei das Verwaltungsgericht zuständig, eine gegen die Bemessung einer Parteientschädigung durch das Versicherungsgericht erhobene Beschwerde zu behandeln. Eine solche Verfahrensweise werde durch keine bundesrechtliche Bestimmung untersagt. In ähnlichem Sinne hat sich der Beschwerdegegner geäussert. b) Unter dem Gesichtspunkt einer strikten Unterteilung der Parteientschädigung in den bundesrechtlichen Grundsatz der Anspruchsberechtigung einerseits und in die - allenfalls mit Hilfe eines Tarifes vorgenommene - kantonalrechtliche Bemessung anderseits erscheint diese Auffassung als folgerichtig. Das Verwaltungsgericht lässt jedoch die weitere bundesrechtliche Vorschrift des Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG ausser Betracht, wonach das kantonale Verfahren - im Sinne einer Minimalanforderung - einfach und rasch sein muss. Da Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG Ausdruck eines allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatzes ist ( BGE 103 V 195 Erw. 4), gilt die Einfachheitsanforderung nicht nur für das einzelne Verfahrensstadium, sondern ebenso für den Verfahrensablauf insgesamt wie für die der Gerichtsorganisation zuzurechnende Ausformung des Rechtsmittelsystems. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes würde zu einer mit erheblichen Komplikationen verbundenen Gabelung des Rechtsweges führen. So müsste nämlich die Partei, welche weder materiell noch hinsichtlich der Parteientschädigung mit dem Entscheid des Versicherungsgerichtes einverstanden ist, bezüglich des materiellen Punktes und des grundsätzlichen Anspruchs auf eine Parteientschädigung Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidg. Versicherungsgericht einlegen, bezüglich der Höhe der Parteientschädigung aber gleichzeitig (auch) kantonalrechtliche Beschwerde beim Verwaltungsgericht zwecks Wahrung der kantonalrechtlichen Beschwerdefrist führen. Das Eidg. Versicherungsgericht seinerseits könnte - selbst im Rahmen der praxisgemäss beschränkten Überprüfungsbefugnis betreffend die Höhe der Parteientschädigungen (vgl. Erw. 3a in fine hievor) - nicht urteilen, weil das Erkenntnis des Versicherungsgerichts diesbezüglich kein endgültiger, d.h. mit keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel mehr anfechtbarer BGE 110 V 54 S. 62 Entscheid darstellen würde (Art. 129 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 102 lit. d OG ; BGE 98 V 119 ). Das Verwaltungsgericht wiederum - als zweite und letzte kantonale Instanz - müsste den Grundsatzentscheid des Eidg. Versicherungsgerichts betreffend die Parteientschädigung abwarten und könnte erst danach in masslicher Hinsicht entscheiden. Eine derartige Gabelung des Prozessweges (Eidg. Versicherungsgericht für die Grundsatzfrage, zweite kantonale Instanz für das Quantitativ) lässt sich mit der bundesrechtlichen Anforderung eines einfachen und raschen Verfahrens gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG nicht vereinbaren. Es ist daher als ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes zu betrachten, wenn das AHVG die Möglichkeit einer zweiten kantonalen Instanz zur Beurteilung der an sich kantonalrechtlichen Frage der Höhe der Parteientschädigung unerwähnt lässt. Auch diesbezüglich ist vielmehr nur die kantonale Rekursbehörde als eine einzige kantonale Instanz zulässig. c) Im Urteil Casutt vom 13. Juni 1973 ( BGE 99 V 125 ) - einem Militärversicherungsfall mit einer Art. 85 Abs. 2 lit. a und f AHVG entsprechenden Rechtsgrundlage ( Art. 56 Abs. 1 lit. a und e MVG ) - hat das Eidg. Versicherungsgericht allerdings eine kantonale Regelung (Basel-Stadt) als zulässig erklärt, laut welcher das kantonale Versicherungsgericht die Parteientschädigung lediglich dem Grundsatz nach, ohne sie zu beziffern, zuspricht, wobei dann erst die Anwaltsrechnung der obsiegenden Partei in einem nachträglichen Moderations- oder Tarifierungsverfahren gerichtlich überprüft werden kann. Indessen unterscheidet sich dieser Militärversicherungsfall vom vorliegenden wesentlich, weil keine gleichzeitige Gabelung des Rechtsweges vorliegt. Vielmehr erfolgt im Kanton Basel-Stadt der Entscheid über die Höhe der Parteientschädigung, sofern ein solcher überhaupt erforderlich wird, in einem nachträglichen, separaten Verfahren. Es müssen hier also im Gegensatz zum vorliegenden Fall nicht gleichzeitig und im gleichen Verfahren zwei Beschwerden erhoben werden, was, wie dargestellt, zu einer mit der Einfachheitsanforderung gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG nicht mehr vereinbaren Verfahrenskomplizierung führt. 5. a) Aus dem Gesagten folgt, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben ist. b) Das Versicherungsgericht hat seinem Entscheid eine korrekte Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Der Beschwerdegegner hat in bewusstem Gegensatz hiezu das Verwaltungsgericht angerufen. Mangels rechtzeitiger Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 110 V 54 S. 63 beim Eidg. Versicherungsgericht ist die Abschreibungsverfügung des Versicherungsgerichts vom 30. Juni 1982 in Rechtskraft erwachsen und daher der Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht entzogen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 OG ). Art. 107 Abs. 1 und Abs. 2 OG kommt bei der geschilderten Sachlage nicht zur Anwendung.
4,055
3,095
Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. März 1983 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (Präsidialverfügung) vom 30. Juni 1982 in Rechtskraft erwachsen ist.
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Sachverhalt ab Seite 219 BGE 91 I 219 S. 219 Die Dr. A. Wander AG stellte am 2. Februar 1959 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum das Gesuch um Erteilung eines Patentes für ein "Verfahren zur Herstellung von sterilen, unbegrenzt haltbaren, Calciumsalze enthaltenden, intravenös und intramuskulär injizierbaren, wässrigen Vitamin D-Lösungen, welche aus toxikologisch bedingten Gründen nur sehr geringe Mengen von Lösungsvermittlern enthalten dürfen, BGE 91 I 219 S. 220 durch Hitzesterilisation entsprechender wässriger Lösungen, dadurch gekennzeichnet, dass man als Vitamin D-Verbindung einen Vitamin D-Ester einer niedrigen Fettsäure verwendet." Das Amt vertrat in drei Beanstandungen die Auffassung, die Erfindung betreffe ein Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln auf anderm als chemischen Wege und sei daher gemäss Art. 2 Ziff. 2 PatG von der Patentierung ausgeschlossen. Da die Patentbewerberin an ihrem Gesuch festhielt, wies das Amt dieses mit Verfügung vom 9. Februar 1965 in Anwendung der eben genannten Bestimmung sowie von Art. 59 Abs. 1 PatG und Art. 13 Abs. 1 PatV I zurück. Gegen diese Verfügung führt die Patentbewerberin beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Amt anzuweisen, ihr das nachgesuchte Patent zu erteilen. Das Amt beantragt die Abweisung der Beschwerde.
304
225
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Neben den Erfindungen von Arzneimitteln sind nach Art. 2 Ziff. 2 PatG von der Patentierung ausgeschlossen "Erfindungen von Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln auf anderem als chemischem Wege". Eine solche Erfindung liegt vor, wenn das Enderzeugnis des Verfahrens ein Arzneimittel ist, das Verfahren die Herstellung eines solchen zum Gegenstand hat und die Herstellung auf nicht chemischem Wege erfolgt. Diese drei Voraussetzungen müssen zugleich erfüllt sein. Wenn eine davon fehlt, steht Art. 2 Ziff. 2 PatG der Patentierung des Verfahrens nicht im Wege. Im vorliegenden Falle ist unbestritten und steht ausser Zweifel, dass das Erzeugnis des als Erfindung beanspruchten Verfahrens ein Arzneimittel ist. Streitig und zu prüfen ist nur, ob auch die beiden andern Voraussetzungen für den Ausschluss von der Patentierung gegeben seien. 2. Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 2 Ziff. 2 PatG geht hervor, dass diese Bestimmung die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit, insbesondere die Förderung der Gesundheitspflege bezweckt. Man befürchtete, die Gewährung des Patentschutzes für Erfindungen von Arzneimitteln und von Verfahren zur Herstellung solcher auf anderm als chemischem Wege würde zu einer Verteuerung der Arzneimittel führen. Der Ausschluss dieser Erfindungen von der Patentierung soll verhüten, dass unentbehrliche Heilmittel einem beträchtlichen Teil der BGE 91 I 219 S. 221 Bevölkerung nicht oder nur zu untragbaren Bedingungen zur Verfügung stehen (vgl. namentlich die Botschaft des Bundesrates vom 25. April 1950 über die Revision des Bundesgesetzes betr. die Erfindungspatente, S. 28 f. = BBl 1950 I 1004 f.; Sten.Bull. NR 1952 S. 326 f., StR 1953 S. 357). Dieser klar ersichtlichen Zielsetzung des Gesetzes ist bei der Auslegung Rechnung zu tragen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die im Schrifttum vielfach kritisierten Überlegungen, die zum Erlass der fraglichen Bestimmung führten, stichhaltig seien oder nicht (vgl. hiezu BLUM/PEDRAZZINI I S. 206 f. Anm. 8 mit Hinweisen). Die in Art. 2 Ziff. 2 PatG umschriebenen Voraussetzungen für den Ausschluss pharmazeutischer Erfindungen von der Patentierung dürfen demgemäss nicht einschränkend ausgelegt werden. 3. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, eine "Herstellung" von Arzneimitteln liege nur vor, wenn als Arzneimittel nicht geeignete Stoffe oder Stoffgemische in ein als Arzneimittel verwendbares Erzeugnis übergeführt werden. Das Amt für geistiges Eigentum hat diese Auffassung mit Recht abgelehnt. Im Hinblick auf den in Erwägung 2 hievor dargelegten Zweckgedanken von Art. 2 Ziff. 2 PatG ist unter einem Verfahren zur "Herstellung" von Arzneimitteln jedes Verfahren zu verstehen, das zu einer für die Heilwirkung oder Heilanwendung oder sonstwie wesentlichen Änderung des Ausgangsstoffes führt (Urteil vom 6. April 1965 i.S. Kern). Als Herstellungsverfahren hat also insbesondere auch ein Verfahren zu gelten, durch das ein Arzneistoff so bearbeitet wird, dass ein für die Heilanwendung besser geeignetes oder angenehmeres Erzeugnis entsteht. Das Verfahren, das Gegenstand der von der Beschwerdeführerin zur Patentierung angemeldeten Erfindung ist, verfolgt den Zweck, für Einspritzungen bestimmte Vitamin-Lösungen durch Erhitzen zu sterilisieren, damit sie ohne schädliche Nebenwirkungen (Infektionen, Fieber) verwendet werden können. Es ist klar, dass es sich dabei um eine für die Heilwirkung und -anwendung wesentliche Veränderung des Ausgangsstoffes handelt. Durch die mit dem Erhitzen erreichte Abtötung der patho- und pyrogenen Keime entsteht aus einem als Arzneimittel nicht oder kaum verwendbaren Stoffe ein als solches Mittel geeignetes Erzeugnis. Hierin liegt ohne Zweifel die Herstellung eines Arzneimittels im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 PatG . BGE 91 I 219 S. 222 4. Über die Frage, welche Merkmale den chemischen Vorgang vom nichtchemischen unterscheiden, hat das Bundesgericht in BGE 82 I 208 Erw. 4 ausgeführt, sie beurteile sich "nicht nach den Ergebnissen der neuesten wissenschaftlichen Forschung, die Zweifel an der Berechtigung der Unterscheidung zwischen Physik und Chemie wecken mag, sondern nach dem herkömmlichen Begriff des chemischen Vorganges, wie er den gesetzgebenden Behörden sowohl beim Erlass des alten als auch des geltenden Patentgesetzes vorgeschwebt hat"; dieses letztere gehe in Übereinstimmung mit der unter dem frühern Gesetze herrschenden Lehrmeinung davon aus, "dass physikalischanalytische Verfahren an sich nicht chemischer Natur sind, ein chemischer Vorgang vielmehr nur vorliegt, wenn die stoffliche Zusammensetzung von Molekülen verändert wird." Es besteht kein Grund, von dieser - in der Beschwerdeschrift nicht beanstandeten - Rechtsauffassung abzuweichen und durch eine weitere Umschreibung des Begriffs des chemischen Vorganges den Anwendungsbereich des Patentschutzes für Arzneimittel im Widerspruch zum Grundgedanken des Art. 2 Ziff. 2 PatG auszudehnen. Das Abtöten der schädlichen Keime, das im vorliegenden Falle entscheidend ist, beruht, wie das Amt und die Beschwerdeführerin übereinstimmend annehmen, auf der Koagulation (Ausflockung) und/oder Denaturierung von Proteinen. Dabei handelt es sich nach der Auffassung der Beschwerdeführerin um chemische Vorgänge im Sinne des Patentgesetzes, nach der Ansicht des Amtes dagegen um rein kolloid-chemische Vorgänge. In den Veröffentlichungen, auf welche die Beschwerdeführerin sich beruft, wird nur mittelbar und keineswegs zwingend auf das Stattfinden chemischer Vorgänge im hergebrachten Sinne geschlossen. Diese Veröffentlichungen sind daher nicht beweiskräftig. Andere Beweise bietet die Beschwerdeführerin nicht an. Insbesondere beantragt sie nicht, ein Gutachten einzuholen. Ihre Vorbringen sind daher nicht geeignet, die von ihr angegriffene These des Amtes zu erschüttern, dass die massgebenden Vorgänge lediglich kolloid-chemischer Natur sind. Es besteht auch kein Anlass, den Sachverhalt von Amtes wegen zu überprüfen ( Art. 105 OG ). Gegen die Auffassung des Amtes, dass kolloid-chemische Vorgänge nicht als chemische Vorgänge im Sinne von Art. 2 BGE 91 I 219 S. 223 Ziff. 2 PatG zu betrachten sind, wendet die Beschwerdeführerin nichts ein. Ist demnach mit dem Amte anzunehmen, dass das streitige Verfahren die Herstellung von Arzneimitteln auf anderem als chemischem Wege zum Gegenstand hat, so ist die Erfindung der Beschwerdeführerin gemäss Art. 2 Ziff. 2 PatG nicht patentierbar. 5. Dass das Amt der Beschwerdeführerin gewisse Erwägungen nicht in einer Beanstandung, sondern erst in der Zurückweisungsverfügung mitteilte, bildet entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keinen Grund für die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Nach Art. 59 Abs. 1 PatG ist ein Patentgesuch für eine Erfindung, welche durch Art. 2 von der Patentierung ausgeschlossen ist, "ohne weiteres" zurückzuweisen. Das Amt war also nicht gehalten, vor Erlass seiner Verfügung der Beschwerdeführerin alle seine Überlegungen in Form von Beanstandungen des Patentgesuches mitzuteilen und ihr so Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 486 BGE 96 I 485 S. 486 Aus dem Tatbestand: A.- a) Das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 (ElG) bestimmt in Art. 5: "Der Bund ist berechtigt, für die Erstellung von oberirdischen und unterirdischen Telegraphen- und Telephonlinien öffentliche Plätze, Strassen, Fahr- und Fusswege, sowie auch öffentliche Kanäle, Flüsse, Seen und deren Ufer, soweit diese dem öffentlichen Gebrauche dienen, unentgeltlich in Anspruch zu nehmen, immerhin unter Wahrung der Zwecke, für welche das in Anspruch genommene öffentliche Gut bestimmt ist, und gegen Ersatz des durch den Bau und Unterhalt allfällig entstehenden Schadens." Art. 6: "In gleicher Weise ist der Bund berechtigt, auch über Privateigentum den Luftraum durch Ziehen von Telegraphen- und Telephondrähten ohne Entschädigungsleistung in Anspruch zu nehmen, insofern dadurch die zweckentsprechende Benützung der betreffenden Grundstücke oder Gebäude nicht beeinträchtigt wird." Art. 8: "Sofern der Eigentümer über das gemäss Art. 5 und 6 in Anspruch genommene Eigentum eine Verfügung treffen will, die eine Änderung oder Beseitigung der errichteten Linie nötig macht, so hat er die Aufforderung hierzu schriftlich an die eidgenössische Verwaltung zu richten, welche die Änderung oder Beseitigung der Linie vorzunehmen hat. Wird die angekündigte Verfügung des Eigentümers nicht binnen eines Jahres, von der Änderung oder Beseitigung der Linie an gerechnet, ins Werk gesetzt, so bleibt der eidgenössischen Verwaltung das Recht auf Ersatz der veranlassten Ausgaben vorbehalten." b) Art. 45 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (NSG) lautet: "Beeinträchtigt eine neue Nationalstrasse bestehende Verkehrswege, Leitungen und ähnliche Anlagen oder beeinträchtigen neue derartige Anlagen eine bestehende Nationalstrasse, so fallen die Kosten aller Massnahmen, die zur Behebung der Beeinträchtigung erforderlich sind, auf die neue Anlage." B.- Wegen des Baus der Nationalstrassen müssen die PTT-Betriebe vielfach ihre Telegraphen- und Telephonleitungen versetzen. Anfänglich wurden alle dadurch verursachten Kosten anstandslos nach der Regel des Art. 45 Abs. 1 NSG dem Nationalstrassenbau BGE 96 I 485 S. 487 belastet. Später vertrat das Eidg. Amt für Strassen- und Flussbau die Meinung, diese Bestimmung gelte nicht für Leitungen, die in öffentlichem Gut auf Grund eines gemäss Art. 5 ElG unentgeltlich erworbenen Benützungsrechts verlegt worden waren; die Kosten der Versetzung solcher Leitungen seien nach Art. 8 ElG von den PTT-Betrieben zu tragen. Die Generaldirektion der PTT-Betriebe widersprach dieser Auffassung; sie stellte sich auf den Standpunkt, dass durchweg Art. 45 Abs 1 NSGmassgebend sei. Beide Behördenliessen die Streitfrage begutachten. Die Eidg. Justizabteilung teilte die Ansicht des Amts für Strassen- und Flussbau (Gutachten vom 11. September 1963 und 3. März 1965). Dagegen hielt alt Bundesrichter Dr. K. Dannegger die Auffassung der PTT-Betriebe für richtig (Gutachten vom 13. Juli 1964), und zum gleichen Ergebnis gelangte Dr. H. Kuhn, ehemals Direktor der Justizabteilung (Gutachten vom 23. Juni 1967). C.- Beim Bau der Nationalstrasse N 1 auf dem Gebiete des Kantons Aargau mussten im Abschnitt Rothrist - Lenzburg an 18 Stellen Telegraphen- und Telephonleitungen der PTT-Betriebe versetzt werden. Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 21. März 1969 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch die Generaldirektion der PTT-Betriebe, dem Bundesgericht beantragt, der Kanton Aargau sei zu verurteilen, ihr als Ersatz für die Kosten dieser Verlegungen Fr. 485'535.75 nebst Zins zu bezahlen. Die Klage wird auf Art. 45 Abs. 1 NSG gestützt. Der Beklagte hat beantragt, die Klage sei, soweit sie die Kosten der Versetzung unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegter Leitungen betrifft, auf Grund des Art. 8 ElG abzuweisen, eventuell nur teilweise gutzuheissen. Er hat sich bereit erklärt, die Kosten der Versetzung derjenigen Leitungen, die in oder über Privatland verlaufen waren, in einem herabgesetzten Umfang zu übernehmen. Im Einvernehmen mit den Parteien hat das Bundesgericht zunächst einen Entscheid darüber gefällt, ob die Klage grundsätzlich (abgesehen vom Betrage) begründet sei. Es hat die Frage bejaht.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Art. 45 Abs. 1 NSG bestimmt allgemein, dass in den Fällen, wo eine neue Nationalstrasse bestehende Leitungen oder BGE 96 I 485 S. 488 ähnliche Anlagen beeinträchtigt, die Kosten der Behebung der Beeinträchtigung zu Lasten der neuen Anlage gehen. Vorbehalten bleibt nach Art. 47 Abs. 1 eine abweichende Vereinbarung der Beteiligten; doch liegt hier eine solche nicht vor. Nach dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 fallen Leitungen irgendwelcher Art unter diese Vorschrift; der Text bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass Telegraphen- und Telephonleitungen davon ausgenommen sind. Klar ist anscheinend auch die Vorschrift, auf die sich der Beklagte beruft: Art. 8 ElG verpflichtet den Bund zur unentgeltlichen Versetzung solcher Telegraphen- oder Telephonleitungen, die ebenfalls unentgeltlich in Sachen im Gemeingebrauch (öffentlichem Gut) verlegt worden sind, sobald der Eigentümer über die in Anspruch genommene Sache eine Verfügung treffen will, die eine Änderung oder Beseitigung der Leitung nötig macht. Die Kosten dafür sind den PTT-Betrieben nur in einem Ausnahmefall zu erstatten, dann nämlich, wenn die Anlage, für welche die Änderung verlangt wird, nicht binnen Jahresfrist gebaut wird ( Art. 8 Abs. 2 ElG ). Dass dieser Ausnahmefall hier vorliege, behauptet die Klägerin nicht. 3. Die Besonderheit der zu beurteilenden Streitigkeit besteht daher darin, dass zwei geltende, dem Anschein nach klare Regeln, die sich gegenseitig auszuschliessen scheinen, auf denselben Sachverhalt zuzutreffen scheinen. Es stellt sich die Frage, ob eine Gesetzeskonkurrenz wirklich bestehe. a) Das wäre nicht der Fall, wenn die Regel des Art. 8 ElG nur für Änderungen gälte, die an der in Anspruch genommenen Sache selber, z.B. zur Verstärkung, Verbreiterung oder sonstigen Verbesserung einer Strasse, zur Behebung von Schäden an ihr oder zur Abwehr künftiger solcher Schäden, vorzunehmen wären. Eine Einschränkung dieser Art wird vielfach bei prekaristisch eingeräumten Nutzungsrechten vorausgesetzt (vgl. H. ZWAHLEN, Construction de routes nationales, frais de déplacement de canalisations établies dans le domaine public et notion de précarité, plus spécialement en droit vaudois, Revue de droit administratif et de droit fiscal 25/1969, 161 ff., insbesondere 166 ff.). Es ist jedoch zu bezweifeln, dass Art. 8 ElG nur Änderungen im angegebenen Sinne betreffe; der Wortlaut spricht jedenfalls nicht dafür. Die Frage kann indessen offen bleiben. Würde angenommen, in Art. 8 ElG sei eine Einschränkung gemäss den vorstehenden BGE 96 I 485 S. 489 Ausführungen vorausgesetzt, so wäre damit das Feld für die Anwendung des Art. 45 Abs. 1 NSG freigemacht. Dann wäre, wie noch zu zeigen sein wird, das Ergebnis dasselbe, wie wenn angenommen wird, Art. 45 Abs. 1 NSG widerspreche dem Art. 8 ElG . b) In einem (bei der Veröffentlichung im ZBl 71/1970 185 ff. und 221 ff. weggelassenen) Abschnitt eines zuhanden der Schweizerischen Baudirektorenkonferenz verfassten Berichts über "Rechtsfragen beim Zusammentreffen öffentlicher Werke" befürwortet R. Kappeler eine sehr einschränkende Auslegung des Art. 8 ElG . Er führt aus: "Die strassenbedingte Verlegung von TT-Leitungen ist nur insoweit der TT-Verwaltung vorbehaltlos zu belasten, als die durch ein und dasselbe Strassenbauvorhaben ausgelöste Leitungsverlegung einen gewohnten Umfang aufweist und es bei diesem einen Strassenbauvorhaben um eine Baute von räumlich beschränkter Verkehrsbedeutung (z.B. Quartierstrasse, Quartiersammelstrasse, Ortsverbindungsstrasse, Strasse zur land-, forst- oder alpwirtschaftlichen Bewerbung) geht. Wo die Leitungsverlegung wegen eines Strassenbaues nötig wird, der in 'Erfüllung einer nationalen Aufgabe einmaligen Ausmasses' zur Neugestaltung des Verkehrs grosser Landesteile oder sogar der ganzen Schweiz erfolgt, kommt Art. 8 ElG nicht zum Zuge." Ob diese Auffassung zutreffe, kann ebenfalls dahingestellt bleiben. Würde ihr gefolgt, so wäre ein Widerspruch zwischen Art. 8 ElG und Art. 45 Abs. 1 NSG wiederum ausgeschlossen. c) Ein solcher Widerspruch bestände auch dann nicht, wenn anzunehmen wäre, der Kanton verlange die wegen des Nationalstrassenbaus erforderliche Versetzung der bisher in seinen öffentlichen Strassen (Kantons- und Gemeindestrassen) verlegten TT-Leitungen nicht als Strasseneigentümer (und Vertreter der Gemeinden, welche Strasseneigentümer sind), sondern als Willensvollstrecker des Bundes. Nach Art. 36bis Abs. 2 BV bauen die Kantone die Nationalstrassen "nach den Anordnungen und unter der Oberaufsicht des Bundes". Die generellen Projekte müssen vom Bundesrat und die Ausführungsprojekte vom Eidg. Departement des Innern genehmigt werden ( Art. 20 und Art. 28 Abs. 1 NSG ). Anderseits stehen die Nationalstrassen - unter Vorbehalt der Befugnisse des Bundes - unter der Hoheit der Kantone ( Art. 36bis Abs. 6 BV ). Die Kantone besorgen den Landerwerb ( Art. 32 Abs. 1 NSG ); ferner vergeben und überwachen sie die Bauarbeiten ( Art. 41 Abs. 2 NSG ). Sie BGE 96 I 485 S. 490 befinden sich also beim Nationalstrassenbau in einer Doppelstellung. Sie sind Bauherren, vollziehen aber zugleich die Anordnungen des Bundes. Man kann sich ernstlich fragen, ob im vorliegenden Fall wirklich der Kanton als Strasseneigentümer eine Verfügung getroffen habe, welche die Änderung oder Beseitigung bestehender TT-Leitungen nötig gemacht hat (dazu ZWAHLEN a.a.O. 173). Nähme man an, nicht der Strasseneigentümer, sondern der Bund habe - durch die Genehmigung der Nationalstrassenprojekte - die Versetzung solcher Leitungen verursacht, so fiele Art. 8 ElG wiederum von vornherein ausser Betracht. d) Sicher ist, dass beide Bundesgesetze, mit verschiedenem Anwendungsbereich, nebeneinander gelten können. Art. 8 ElG wird auf alle Fälle nach wie vor anwendbar sein auf die Versetzung von TT-Leitungen, die von den Eigentümern der bisher in Anspruch genommenen, im Gemeingebrauch stehenden Anlagen (Strassen usw.) nicht wegen des Nationalstrassenbaus, sondern aus anderen Gründen veranlasst wird. Art. 45 Abs. 1 NSG ist sicher anwendbar auf TT-Leitungen, die nicht unentgeltlich in öffentlichem Gut, sondern auf Grund entgeltlich erworbener Rechte anderswo verlegt waren und nun wegen des Nationalstrassenbaus versetzt werden müssen. 4. Übrig bleibt die im vorliegenden Prozess umstrittene Frage: Wer trägt die Kosten der durch den Nationalstrassenbau verursachten Versetzung von TT-Leitungen, die bisher in öffentlichem Gut unentgeltlich verlegt waren, wenn man einen Widerspruch zwischen Art. 8 ElG und Art. 45 Abs. 1 NSG annimmt? Es liegt nahe, vom NSG als dem neueren Erlass auszugehen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass das neuere Gesetz das ältere aufhebt ("lex posterior derogat legi priori"). Das NSG hebt Art. 8 ElG nicht ausdrücklich auf; es erwähnt diese Bestimmung überhaupt nicht. Jener Grundsatz ist indessen auch dann anwendbar, wenn das NSG die ältere Regel des ElG zwar nicht formell als aufgehoben erklärt, aber mit ihr inhaltlich nicht vereinbar ist. Der Beklagte weist darauf hin, dass der Grundsatz des Vorrangs des neuen Gesetzes nicht immer gelte, namentlich dann nicht, wenn ein neues allgemeines Gesetz auf ein älteres Spezialgesetz stösst ("lex posterior generalis non derogat legi priori speciali"). Allein, damit kommt man nicht weiter. Das ElG und das NSG sind in ihrem Verhältnis zueinander beide teils BGE 96 I 485 S. 491 allgemeine, teils spezielle Gesetze. Art. 45 Abs. 1 NSG betrifft, jedenfalls nach dem Wortlaut, Leitungen beliebiger Art und ist insofern eine lex generalis; er erfasst dagegen nur Leitungsverlegungen infolge des Nationalstrassenbaus und ist insofern eine lex specialis. Art. 8 ElG betrifft nur die Verlegung von TT-Leitungen und ist insofern eine lex specialis; dagegen bezieht er sich, wiederum nach dem Wortlaut, auf Versetzungen, die der Strasseneigentümer aus beliebigen Gründen verlangt, und ist insofern eine lex generalis. 5. Die Lösung ist somit durch Auslegung des neueren Gesetzes, also des NSG, zu gewinnen. a) Art. 45 Abs. 1 NSG ist so allgemein gefasst, dass er die Kosten der Versetzung beliebiger Leitungen betreffen kann. Der Wortlaut dieser Bestimmung und des Art. 47 Abs. 1 NSG drängt die Annahme auf, dass die Kosten der durch den Bau einer neuen Nationalstrasse verursachten Versetzung irgendwelcher Leitungen, also auch von TT-Leitungen, durchweg zu den Kosten der neuen Anlage gehören, d.h. zu Lasten des Nationalstrassenbaus gehen, wenn die Beteiligten nicht eine abweichende Vereinbarung treffen. Den Beteiligten steht es frei, z.B. eine dem Art. 8 ElG entsprechende Kostenverteilung zu vereinbaren. Nicht haltbar aber ist die Meinung des Beklagten, mangels einer Vereinbarung gelte Art. 8 ElG als Surrogat einer solchen. Damit würde Art. 45 Abs. 1 NSG für die hier umstrittenen Leitungen gegenstandslos. Denn bei abweichender Parteivereinbarung gälte diese gemäss Art. 47 Abs. 1 NSG , und bei Fehlen einer solchen gälte Art. 8 ElG subsidiär. Dieses Ergebnis ist aber mit dem Wortlaut des NSG schlechthin unvereinbar. b) Innerhalb des zweiten Abschnitts des NSG, der den "Bau der Nationalstrassen" betrifft, sind im Unterabschnitt D Vorschriften über "Bau und künftige bauliche Massnahmen" zusammengefasst. Daselbst tragen die Art. 44-48 den gemeinsamen Randtitel "künftige bauliche Massnahmen"; zu diesen Massnahmen gehören auch solche, die infolge des Nationalstrassenbaus zugleich mit ihm nötig werden. Art. 44 hat die "Bewilligungspflicht" (Untertitel) zum Gegenstand. Er stellt sie allgemein auf (Abs. 1), behält aber die Bestimmungen des ElG ausdrücklich vor (Abs. 2). Demnach ist Art. 5 ElG auch gegenüber Nationalstrassen anwendbar: Die PTT-Betriebe können sie, gleich wie alle anderen öffentlichen Strassen, ohne BGE 96 I 485 S. 492 Bewilligung und unentgeltlich für die Erstellung von Leitungen in Anspruch nehmen, mit dem einzigen (materiellen) Vorbehalt, dass die Leitungen "die Strassenanlage und einen allfälligen künftigen Ausbau nicht beeinträchtigen dürfen" ( Art. 44 Abs. 1 NSG , letzter Satz). Die Art. 45-47 NSG ordnen die "Verteilung der Kosten von Verlegungs-, Kreuzungs- und Anschlussbauwerken". Art. 45 (Untertitel: "neue Anlagen") enthält in Abs. 1 eine allgemeine, subsidiär anwendbare Regel und in Abs. 2 eine besondere Vorschrift für den Anschluss neuer öffentlicher Strassen an Nationalstrassen. Art. 46 betrifft die "Änderung bestehender Kreuzungen" von Nationalstrassen mit anderen öffentlichen Strassen und mit Eisenbahnen, Art. 48 die "Verteilung der Kosten von Anpassungen an militärischen Verteidigungsanlagen". In dem kurzen Abschnitt, den die Art. 44-48 NSG bilden, finden sich drei Verweisungen auf andere Bundesgesetze, nämlich in Art. 44 der bereits erwähnte Vorbehalt des ElG, in Art. 46 Abs. 2 ein Hinweis auf das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 und in Art. 47 Abs. 2 ein Hinweis auf das OG. Angesichts dieser Häufung von Verweisungen aufkleinstem Raum und der Art, wie die Hinweise eingegliedert sind, erscheint es als ausgeschlossen, den in Art. 44 NSG (bezüglich der Bewilligungspflicht) ausgesprochenen Vorbehalt des ElG auch als in Art. 45 (betreffend die Kostenverteilung) enthalten zu betrachten, zumal nicht nur in dieser Bestimmung, sondern auch in Art. 47 Abs. 1 (Vorbehalt abweichender Vereinbarung) ein Hinweis auf das ElG fehlt. Art. 44 NSG hat mit der Kostenverteilung ebenso wenig zu tun, wie Art. 45 mit der Bewilligungspflicht. Das ergibt sich klar aus den Randtiteln. Das System des NSG spricht also, wie der Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 NSG , für die von der Klägerin vertretene Auslegung, wonach diese Bestimmung auch dann massgebend ist, wenn infolge des Nationalstrassenbaus TT-Leitungen, die bisher unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegt waren, versetzt werden müssen. c) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Auslegung dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht entspricht. Die Bundesversammlung hat den Art. 45 Abs. 1 NSG , der von Art. 43 Abs. 1 des Entwurfes des Bundesrates nur in der Redaktion etwas abweicht, ohne Diskussion genehmigt. In der Botschaft vom 3. Juli 1959 zum Entwurf des NSG erklärt der Bundesrat (BBl 1959 II 129 f.): BGE 96 I 485 S. 493 "Eine neue Nationalstrasse beeinträchtigt oder kreuzt eine bestehende Strasse, Eisenbahn, Leitungen oder ähnliche Anlagen oder es beeinträchtigen neue derartige Anlagen eine bestehende Nationalstrasse. In diesen beiden Fällen werden die sich tangierenden Anlagen einander grundsätzlich gleichgestellt. Nach dem Verursachungsprinzip trägt diejenige Partei die Kosten der Umgestaltung an der Verlegungs- oder Kreuzungsstelle, auf deren Veranlassung das Bauwerk ausgeführt werden muss. Unter den Kosten der ganzen Anlage an der Verlegungsstelle sind alle einmaligen Aufwendungen für die bauliche Ausführung zu verstehen, ferner alle sonstigen, durch dieses Bauvorhaben verursachten späteren Aufwendungen (Art. 43 Abs. 1)." Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, dass der Bundesrat das Verursachungsprinzip mit voller Reziprozität einerseits bei der Versetzung bisheriger Leitungen wegen des Nationalstrassenbaus, anderseits bei Eingriffen in bestehende Nationalstrassen wegen neuer Leitungen angewandt wissen wollte. Ferner wird in der Botschaft ausgeführt (a.a.O. 116): "Das auf Grund der Gesetzgebung über die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen der PTT-Verwaltung eingeräumte Recht auf Benützung von Strassen zur Erstellung von Telegraphen- und Telephonlinien (Art. 5 des BG vom 24. Juni 1902) wird durch den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht berührt." Hätte der Bundesrat auch den Art. 8 ElG vorbehalten wollen, so wäre das zweifellos an dieser Stelle gesagt worden. Der Umstand, dass die Botschaft bei der Bezeichnung dessen, was durch die Gesetzesvorlage "nicht berührt" wird, nur Art. 5 und nicht auch Art. 8 ElG erwähnt, zwingt zur Annahme, dass der nunmehr in Art. 44 Abs. 2 NSG enthaltene Vorbehalt bezüglich der Bewilligungspflicht genau den Absichten des Bundesrates bei der Antragstellung entspricht. Es mag - wie schon die Justizabteilung hervorgehoben hat - als zweifelhaft erscheinen, ob für die Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers auch die Meinungen der Abteilungen der Bundesverwaltung, die an der Ausarbeitung der Vorentwürfe und des der Bundesversammlung vorgelegten bereinigten Entwurfs zum NSG beteiligt waren, in Betracht fallen. Die Frage kann indessen offen gelassen werden. Die Meinungen der Abteilungen, die sich zu äussern hatten, waren geteilt. Insbesondere gingen die Auffassungen der Justizabteilung und der PTT-Betriebe auseinander. Durchgedrungen ist aber der Standpunkt der PTT-Betriebe. Ihnen ging es im wesentlichen BGE 96 I 485 S. 494 darum, bei Änderungen ihres Leitungsnetzes im Bereich der Nationalstrassen nicht von kantonalen Bewilligungen abhängig zu werden. Dementsprechend wurde der Vorbehalt des ElG so formuliert, dass er sich nur auf den Ausschluss der Bewilligungspflicht oder, wie in der Botschaft bemerkt ist, auf Art. 5 ElG bezieht. Auch wenn die Vorgeschichte des Art. 45 Abs. 1 NSG im Stadium der verwaltungsinternen Bereinigung berücksichtigt würde, bestände daher kein Grund, von der aus dem Wortlaut und der Systematik dieses Gesetzes gewonnenen Auslegung abzuweichen. 6. Zu prüfen sind noch verschiedene Einwände, die von der Eidg. Justizabteilung und vom Beklagten vorgebracht worden sind. a) Daraus, dass Art. 5 ElG den PTT-Betrieben, wie sich eben aus Art. 8 ElG ergibt, nur ein Recht auf Abruf, eine prekaristische Befugnis einräumt, ist geschlossen worden, es stehe ihnen kein des Schutzes der Eigentumsgarantie teilhaftiges, wohlerworbenes Recht auf die Belassung ihrer Leitungen in den bisherigen Strassen zu; daher hätten sie die Kosten der durch den Nationalstrassenbau verursachten Versetzung solcher Leitungen selbst zu tragen; ihre Verpflichtung zu unentgeltlicher Räumung sei die Kehrseite der früheren unentgeltlichen Inanspruchnahme der Strassen und verletze niemandes Eigentum. Art. 45 Abs. 1 NSG hat jedoch mit der Eigentumsgarantie nichts zu tun. Das Verursachungsprinzip, das dieser Bestimmung - wie auch den entsprechenden Vorschriften des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 - zugrunde liegt, ist nicht ein Ausfluss der Eigentumsgarantie, sondern bedeutet einfach, dass derjenige Teil die Kosten zu tragen hat, der die Änderung des bestehenden Zustandes verlangt oder verursacht. Nichts rechtfertigt es, den Art. 45 Abs. 1 NSG in dem Sinne zu verstehen, dass der Erbauer der neuen Anlage die Kosten der durch sein Werk verursachten Änderung bestehender Anlagen nur dann zu tragen habe, wenn er in wohlerworbene Rechte eingreift (ZWAHLEN a.a.O. 162 ff.). b) Die Eidg. Justizabteilung und der Beklagte sind offenbar der Meinung, es sei kaum denkbar, dass der Bundesgesetzgeber im NSG, ohne sich darüber zu äussern, den Kantonen eine Last habe aufbürden wollen, die nach der Regel des Art. 8 ElG von den PTT-Betrieben zu tragen wäre. Es ist allerdings erstaunlich, dass in der Bundesversammlung BGE 96 I 485 S. 495 über die Frage, um die es geht, nicht gestritten, ja nicht einmal gesprochen wurde. Die Ursache dürfte darin liegen, dass den Mitgliedern der eidgenössischen Räte die in der Botschaft des Bundesrates nicht erwähnte Regel des Art. 8 ElG entgangen ist. Das hat aber nicht zu unhaltbaren Folgen geführt, die ein umfassend unterrichtetes Parlament mit Sicherheit abgelehnt hätte. Den PTT-Betrieben wurde keine Last abgenommen. Nach einer Auskunft des Eidg. Amtes für Strassen- und Flussbau ist seit dem Beginn des Nationalstrassenbaus das Netz der Kantonsstrassen nicht zurückgegangen, das Netz der Gemeindestrassen aber weiter ausgedehnt worden. Art. 8 ElG hat somit sachlich und räumlich sein bisheriges Anwendungsgebiet behalten. Für das gewaltige Werk aber, das die Nationalstrassen darstellen, konnte sehr wohl eine neue Regelung getroffen werden, nach welcher die Kosten der notwendigen Versetzung von TT-Leitungen - auch solcher, die bisher unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegt waren - zu den gesamten nach den Grundsätzen von Art. 36bis Abs. 4 BV auf Bund und Kantone zu verteilenden Kosten zu rechnen sind. Diese Lösung erscheint nicht als unbillig; hat doch der Bund gemäss Art. 36ter BV die erforderlichen Mittel bereitgestellt, welche den Kantonen ermöglichen, die Kosten des Nationalstrassenbaus zu decken und darüber hinaus noch einen erheblichen Teil ihrer übrigen Strassenlasten zu finanzieren. c) Wo das Netz der Kantons- und Gemeindestrassen ausgebaut wird, haben die PTT-Betriebe die erforderlichen Änderungen an ihren Leitungen auf eigene Kosten durchzuführen, auch wenn es sich um Strassen von untergeordneter Bedeutung handelt. Dagegen müssen nach der Auslegung, die dem NSG nach dem Gesagten zu geben ist, die Kantone beim Nationalstrassenbau an die Kosten der durch dieses Werk verursachten Versetzung von TT-Leitungen selbst dann beitragen, wenn die Leitungen bisher unentgeltlich in Kantons- oder Gemeindestrassen verlegt waren. Demnach werden die Kantone dort, wo sie gewissermassen als Willensvollstrecker des Bundes wirken, mit Kosten belastet, dagegen nicht dort, wo sie kraft ihrer eigenen herkömmlichen Strassenhoheit handeln. Der Beklagte scheint der Meinung zu sein, dass eine Auslegung, die zu solchen Folgen führe, nicht richtig sein könne. Dem ist aber entgegenzuhalten: Dadurch, dass Art. 8 ElG seinen angestammten Anwendungsbereich behält, werden die BGE 96 I 485 S. 496 Kantone (und Gemeinden) in ihrer bisherigen Rechtsstellung nicht geschmälert. Dass dereinst besondere Strassen zur ausschliesslichen Benützung durch Motorfahrzeuge gebaut werden müssten, konnte der Gesetzgeber von 1902 nicht voraussehen. Die Nationalstrassen sind Verkehrswege besonderer Art, die zur Entlastung der Kantons- und Gemeindestrassen notwendig geworden sind. Durch die Art. 36bis und 36ter und das NSG ist den Kantonen eine Last abgenommen worden, die sie aus eigener Kraft nicht zu tragen vermocht hätten. Das ist bei den Beratungen in der Bundesversammlung wiederholt hervorgehoben worden, und der Kanton Aargau bestätigt es in seiner Klageantwort, indem er erklärt, dass die Kantone ohne den Nationalstrassenbau genötigt gewesen wären, "ihr Strassennetz umfassend zu sanieren und auszubauen". Wird berücksichtigt, dass der Nationalstrassenbau als Ganzes die Kantone im Bereich des Strassenausbaus erheblich entlastet, so kann die vom Beklagten beanstandete Kostenverteilung nicht als unbillig bezeichnet werden.
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Sachverhalt ab Seite 57 BGE 90 IV 57 S. 57 Aus dem Tatbestand: A.- Maillard ist wiederholt wegen exhibitionistischer Handlungen zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, zuletzt im Jahre 1958, wobei der Vollzug der Strafe aufgeschoben und eine ambulante Behandlung des vermindert zurechnungsfähigen Verurteilten angeordnet wurde. Im Sommer 1960 exhibitionierte Maillard erneut. Das in diesem Strafverfahren eingeholte Gutachten kam zum Schluss, die Willensfähigkeit des infolge einer Charakter- und Sexualneurose geistig mangelhaft entwickelten Angeklagten sei in mittlerem Grade herabgesetzt gewesen. Rückfälle könnten nicht ausgeschlossen werden, doch sei die Gefährdung der Öffentlichkeit nicht so gross, dass eine Verwahrung nach Art. 14 StGB nötig sei. Trotz der fortbestehenden Behandlungsbedürftigkeit des Angeklagten sei von seiner Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt gemäss Art. 15 StGB eher abzuraten, weil seine querulatorische Entwicklung und oppositionelle Haltung den Erfolg einer Anstaltsbehandlung wahrscheinlich in Frage stellen würden. Es empfehle sich daher, die nach der letzten Verurteilung begonnene ambulante Behandlung fortzusetzen. B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte BGE 90 IV 57 S. 58 Maillard am 31. Mai 1963 in Anwendung von Art. 203 und 11 StGB zu einem Monat Gefängnis. Es sah von einer Massnahme nach Art. 14 und 15 StGB ab und verweigerte dem Verurteilten mit Rücksicht auf seine Vorstrafen und die Rückfallgefahr den bedingten Strafvollzug. Seinen Antrag, ihn gestützt auf Art. 15 StGB ambulant behandeln zu lassen, lehnte es mit der Begründung ab, dass für eine solche Massnahme die gesetzliche Grundlage fehle. C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts wegen Verletzung von Art. 15 StGB aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die ambulante Heilbehandlung anordne und den Strafvollzug einstelle.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Art. 15 Abs. 1 StGB sieht in keinem der drei Gesetzestexte die ambulante Behandlung vor. Wie in BGE 77 IV 132 ausgeführt wurde, hat der Ausdruck Behandlung neben dem der Versorgung keine selbständige Bedeutung in dem Sinne, dass die Gestaltung der Behandlung dem Richter überlassen wäre und nur die Versorgung in einer Anstalt vollzogen werden müsste, sondern die Wendung in einer Heil- und Pflegeanstalt bezieht sich sowohl auf die Behandlung wie die Versorgung. Dieser grammatikalischen Auslegung steht nicht entgegen, dass der französische Text am Schlusse des Satzes zwischen "ce traitement" und "cette hospitalisation" unterscheidet; dies erklärt sich dadurch, dass wegen der geschlechtlichen Verschiedenheit von traitement und hospitalisation die Wiederholung des Demonstrativpronomens notwendig war. Dem Sinn der eindeutigeren deutschen Fassung entspricht auch, dass in der parlamentarischen Beratung von einer Behandlung ausserhalb einer Anstalt nicht die Rede war. Schliesst Art. 15 Abs. 1 für sich allein die ambulante Behandlung nicht zwingend aus, wie der Beschwerdeführer einwendet, so ergibt sich dieser Ausschluss jedenfalls BGE 90 IV 57 S. 59 im Zusammenhang mit Art. 17 Ziff. 2 StGB . Diese Bestimmung bezeichnet den Behandelten und den Versorgten in gleicher Weise als Eingewiesenen, was voraussetzt, dass in allen Fällen eine Anstaltseinweisung stattgefunden hat, unter der nur eine solche in eine Heil- oder Pflegeanstalt verstanden werden kann. Das wird noch dadurch bestätigt, dass die Behörde den Eingewiesenen probeweise entlassen, dem Entlassenen Weisungen erteilen und ihn in die Heil- und Pflegeanstalt zurückversetzen kann. Aus diesem klaren Wortlaut folgt, dass der Gesetzgeber die Behandlung abschliessend geregelt hat und keine Ausnahmen zulassen wollte. Die Auslegung des Beschwerdeführers, wonach der Begriff der Behandlung sowohl die ambulante wie die Behandlung in einer Anstalt erfasse, Art. 17 aber nur den letztern Fall im Auge habe, verträgt sich nicht mit der in sich geschlossenen Ordnung des Gesetzes. Hätte der Ausdruck Behandlung tatsächlich diesen doppelten Sinn, so hätte sich aufgedrängt, dies in Art. 15 oder 17 StGB zum Ausdruck zu bringen. 2. Dass es Fälle geben kann, in denen der Erfolg der Behandlung grösser ist, wenn sie ambulant statt während eines Anstaltsaufenthaltes vorgenommen wird, ist nicht zu bestreiten. Die ambulante Behandlung einzig auf Grund dieses Bedürfnisses und des in Aussicht gestellten Heilerfolges zuzulassen mit der Folge, dass nach Art. 15 Abs. 2 StGB der Strafvollzug aufgeschoben und nach der Behandlung möglicherweise auf ihn verzichtet werden müsste (Art. 17 Ziff. 3), ginge jedoch zu weit. Das hiesse, die Strafe, die auch der vermindert Zurechnungsfähige verdient und grundsätzlich zu verbüssen hat, allgemein der Heilbehandlung unterzuordnen und es ausschliesslich von deren Erfolg abhangen zu lassen, ob die Strafe noch zu vollziehen sei oder nicht. Der Beschwerdeführer macht denn auch geltend, das Strafgesetzbuch räume der resozialisierenden Massnahme immer den Vorrang vor der Strafe ein. Ein Grundsatz von so allgemeiner Tragweite kann aber dem Gesetz nicht entnommen werden, auch nicht BGE 90 IV 57 S. 60 daraus, dass es in gewissen Fällen auf den Erfolg der Massnahme abstellt und zu dessen Gunsten auf den Vollzug der Strafe ganz oder teilweise verzichtet. Insbesondere ist das Jugendstrafrecht, das eine besondere Regelung erforderte, nicht geeignet, allgemein auf einen Vorrang der auf Erwachsene anwendbaren Massnahmen zu schliessen. Auch der bedingte Strafvollzug ( Art. 41 StGB ) taugt nicht dazu, da der Vollzug der Strafe nur unterbleibt, wenn der Verurteilte eine Reihe näher umschriebener Erfordernisse erfüllt, und ebenso wird bei der Erziehung Liederlicher und Arbeitsscheuer (Art. 43) und bei der Behandlung von Gewohnheitstrinkern (Art. 44) nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen auf den Vollzug der Strafe verzichtet. Strafen und Massnahmen sind an sich einander gleichgestellt, und nur wo es im Einzelfall das Gesetz vorsieht, darf vom Vorrang der Massnahme ausgegangen werden. In Art. 15 StGB trifft diese Voraussetzung nicht zu. Der Vollzug der Strafe wird hier aufgeschoben, weil die Bestimmung die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt vorschreibt und es schon mit Rücksicht auf den damit verbundenen Entzug der Freiheit gerechtfertigt sein kann, von einer Verbüssung der Strafe abzusehen ( BGE 77 IV 134 ). Massgebend für den Verzicht auf den Strafvollzug ist also nicht allein der Erfolg der Behandlung, sondern ebensosehr der Freiheitsentzug in der Anstalt. Die ambulante Behandlung, mag sie auch gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringen, kann der Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt nicht gleichgestellt werden; sie kann daher auch nicht wie die Massnahme des Art. 15 StGB gleichzeitig dem Sühne- und Abschreckungszweck der Strafe gerecht werden. Es wäre auch nach allgemeiner Rechtsanschauung schwer zu verstehen, wenn dem vermindert zurechnungsfähigen Rechtsbrecher, der durch die von Staates wegen angeordnete Heilbehandlung ohnehin begünstigt wird, dadurch, dass er der Strafverbüssung entgehen könnte, eine weitere Bevorzugung zuteil würde ( BGE 74 IV 2 ). BGE 90 IV 57 S. 61 3. Weil die ambulante Behandlung nicht ohne weiteres mit Art. 15 StGB vereinbar ist, könnte sie auch nicht schlechthin, sondern nur unter Einschränkungen zugelassen werden. Selbst Autoren, die diese Massnahme als zulässig betrachten, sehen sich zu Vorbehalten veranlasst, indem sie die ambulante Behandlung insbesondere dann, wenn sie mit einer Gefährdung Dritter verbunden wäre, was in der Regel bei längeren Gefängnisstrafen zutreffe, ablehnen und die Einstellung des Strafvollzuges einzig dort für angezeigt halten, wo dieser den Zweck der Behandlung vereiteln würde (GERMANN, ZStR 1953, S. 91 f.; WAIBLINGER, ZbJV, 1954, S. 429 f.). Dass die ambulante Behandlung dem Sinn und Zweck des Art. 15 StGB angepasst werden müsste und ihre Einführung daher einer einschränkenden Regelung bedürfte, ergibt sich auch aus dem Revisionsentwurf der Expertenkommission vom 8. April 1959. Art. 44 bis dieses Entwurfes sieht in Abweichung von Art. 15 Abs. 2 StGB vor, dass bei ambulanter Behandlung der Vollzug von Freiheitsstrafen von über drei Monaten nicht aufgeschoben werden dürfe, und dass bei kürzeren Strafen der Aufschub angeordnet werden könne, aber nicht müsse. Nach der gleichen Bestimmung kann sodann der Verurteilte, wenn sich die ambulante Behandlung als unzweckmässig erweist und sein Geisteszustand es erfordert, noch nachträglich in eine Heil- oder Pflegeanstalt eingewiesen werden. Der Entwurf regelt auch die probeweise Entlassung und die Voraussetzungen, unter denen nach der Behandlung die Strafe nicht mehr vollstreckt werden darf, alles Bestimmungen, die auch auf die ambulante Behandlung Anwendung finden sollen. Zur Erzielung einer befriedigenden Lösung wären also ins einzelne gehende Vorschriften unerlässlich. Solche können aber nicht auf dem Wege freier richterlicher Rechtsfindung, sondern nur vom Gesetzgeber erlassen werden.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 68 BGE 105 Ia 67 S. 68 Gemäss Art. 27 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 22. Oktober 1961 (VRPG) richtet sich die Befugnis, vor Verwaltungsjustizbehörden für andere als Rechtsbeistand zu handeln, nach den Vorschriften über die Anwälte. Art. 83 Abs. 2 der Zivilprozessordnung für den Kanton Bern bestimmt, dass die Fähigkeit, für einen anderen im Prozess als Rechtsbeistand zu verhandeln, nach den besonderen Gesetzen über die Befähigung zur Anwaltschaft zu beurteilen ist. Art. 12 des bernischen Gesetzes über die Advokaten vom 10. Dezember 1840 (AG) lautet: Rechte der Advokaten, Fürsprecher und Prokuratoren Art. 12 1 Die bereits bestehenden und die infolge dieses Gesetzes patentierten Advokaten haben ausschliessend das Recht, die schriftlichen Vorträge in Civil- und Administrativsachen anderer, welche zu den wesentlichen Bestandteilen der Verhandlungen gehören, zu verfassen und zu unterschreiben und können in allen Arten von Prozessen die erforderlichen Diktaturen zu Protokoll geben. 2 Ausser in den Fällen, wo das Gesetz es auch andern Personen ausdrücklich gestattet, steht ihnen einzig die Befugnis mündlicher Vorträge in Sachen anderer vor dem Richter und den Gerichten zu. Es werden aber nur die bisherigen und die infolge dieses Gesetzes patentierten Fürsprecher zu der mündlichen Verhandlung nicht eigener Civilsachen vor dem Obergerichte zugelassen. 3 Die Advokaten sind berechtigt, für die Geschäfte, welche sie in Aufträgen anderer besorgen, die in dem Tarife bestimmten Emolumente und Entschädigungen zu fordern. BGE 105 Ia 67 S. 69 Während diese Vorschriften von den bernischen Gerichten offenbar ausnahmslos angewendet werden, ist die Praxis im verwaltungsinternen Verfahren und auch vor der kantonalen Rekurskommission (untere Rechtspflegebehörde in Steuersachen) weniger streng. Peter Zürcher, Prokurist in Thierachern/BE, vertrat den in Spanien wohnhaften Kurt Maier in einer Steuerstreitsache vor den bernischen Behörden. Die kantonale Rekurskommission wies am 25. April 1978 einen von Zürcher im Namen Maiers erhobenen Rekurs ab. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Entscheides enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass eine allfällige Beschwerde an das Verwaltungsgericht entweder durch den Beschwerdeführer selbst oder durch einen zur Prozessführung vor bernischen Gerichten ermächtigten Anwalt verfasst und unterzeichnet sein müsse. Zürcher, der nicht Rechtsanwalt ist, erhob gegen den erwähnten Entscheid namens von Kurt Maier Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Der Präsident des Verwaltungsgerichts machte Zürcher drei Tage vor Ende der Rechtsmittelfrist brieflich darauf aufmerksam, dass vor Verwaltungsgericht nur Rechtsanwälte gültig für andere handeln können. Er gab Zürcher Gelegenheit, diesen Mangel bis zum Ablauf der Beschwerdefrist zu verbessern und drohte ihm an, im Unterlassungsfall nicht auf die Beschwerde einzutreten. Am letzten Tage der Frist reichte Peter Zürcher eine notariell beglaubigte Vollmacht ein, welche ihn unter anderem berechtigt, "...den Vollmachtgeber vor allen Behörden und Instanzen zu vertreten, Prozesse aller Art anzuheben, ...Anwälte zu bezeichnen und diese zur Prozessführung und allen damit verbundenen Vorkehren ... zu ermächtigen. ..." Der Präsident des Verwaltungsgerichtes des Kantons Bern als Einzelrichter lehnte am 13. Juni 1978 das Eintreten auf die von Peter Zürcher eingereichte Beschwerde Maiers ab. Mit fristgerechter staatsrechtlicher Beschwerde verlangt Zürcher im Namen Maiers die Aufhebung dieses Entscheides. Er rügt sinngemäss, Art. 12 AG verstosse gegen Art. 4, 31 und 33 BV . Die kantonale Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hat bei den obersten Steuerjustizbehörden aller Kantone Amtsberichte über die Frage eingeholt, wie vor BGE 105 Ia 67 S. 70 diesen Behörden die Parteivertretung gehandhabt wird. Alle Kantone haben sich vernehmen lassen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Aus Art. 29 Abs. 2 OG folgt e contrario, dass Nichtanwälte im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren als Parteivertreter zugelassen sind. Peter Zürcher ist von Kurt Maier zur Prozessführung ordnungsgemäss bevollmächtigt worden. b) Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, die gesetzliche Regelung, wonach zur Parteivertretung vor dem bernischen Verwaltungsgericht nur Rechtsanwälte berechtigt sind, verstosse gegen Art. 4, 31 und 33 BV . Die Beschwerde, wiewohl von Zürcher unterzeichnet, wird ausschliesslich im Namen Kurt Maiers erhoben. Die Nichtanerkennung als Prozessvertreter berührt zwar zunächst nur die Rechtsstellung Zürchers. In Fällen, in welchen ein Anwalt in einem anderen Kanton als in demjenigen, dessen Fähigkeitsausweis er besitzt, nicht als Prozessvertreter zugelassen wurde, hat das Bundesgericht indessen immer anerkannt, dass durch diese Verfügung auch die Partei in ihren Rechten betroffen ist. Es hat daher auch die Partei zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4, 31 und 33 BV sowie von Art. 5 der Übergangsbestimmungen als legitimiert erachtet ( BGE 95 I 410 mit Verweisungen; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 371; HINDEN, Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde, Zürich 1961, S. 160; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 3. Auflage, Basel 1977, N. 95). Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die interkantonale Anerkennung eines Anwaltes als Parteivertreter. Die Interessenlage ist im wesentlichen aber dieselbe. Durch den Nichteintretensentscheid wird dem Beschwerdeführer verunmöglicht, sein vermeintliches Recht durch das Verwaltungsgericht materiell überprüfen zu lassen. Er wird dadurch in seiner Rechtsstellung betroffen. Die erwähnte Rechtsprechung ist daher auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. 4. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Befugnis der Kantone, Regeln über die Parteivertretung aufzustellen, durch die Handels- und Gewerbefreiheit beschränkt wird, und dass insbesondere die Einrichtung eines Anwaltsmonopols vor diesem Freiheitsrecht nicht standhält. BGE 105 Ia 67 S. 71 a) In der Rechtslehre ist umstritten, ob und inwieweit die Handels- und Gewerbefreiheit im Zusammenhang mit der Ordnung der Parteivertretung, namentlich der Rechtsanwaltschaft, überhaupt zu berücksichtigen ist. Der überwiegende Teil der Lehre und auch das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung bejahen indessen ihre Geltung auch in diesem Bereich ( BGE 103 Ia 431 ; 100 Ia 166 ff. E. 3 mit Verweisungen, KÜNZLER, Das Anwaltsrecht des Kantons Appenzell-Ausserrhoden, St. Gallen 1976, S. 35 ff.; ZEMP, Das Luzerner Anwaltsrecht, Winterthur 1968, S. 15; HESS, Das Anwaltsmonopol, Stäfa 1957, S. 16; FIDEK, Das Berufsrecht der Anwälte und Rechtsagenten im Kanton St. Gallen, St. Gallen 1951, S. 6; HUBATKA, Thurgauisches Anwaltsrecht, Frauenfeld 1951, S. 74 f.; KELLER, Die Gewerbefreiheit und die Rechtsanwaltschaft als wissenschaftliche Berufsart, Uster 1951, S. 58 f.; anderer Meinung: SALZMANN, Das besondere Rechtsverhältnis zwischen Anwalt und Rechtsstaat, Thun 1976, S. 126 ff.; vgl. 244 ff. und 311 ff.; TRAUTWEILER, Aargauisches Anwaltsrecht, Muri/AG 1946, S. 14 f.). An dieser Rechtsprechung ist zumindest insoweit festzuhalten, als die Rechtsanwaltschaft in einem Kanton als Gewerbe und nicht als öffentliches Amt ausgestaltet ist. b) Die in Art. 31 Abs. 1 BV verankerte Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet dem Bürger die freie Wahl der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (MARTI, Die Wirtschaftsfreiheit der schweizerischen Bundesverfassung, Basel 1976, S. 51, N. 90). Gemäss Art. 31 Abs. 2 BV können die Kantone Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerben erlassen. Diese Bestimmungen dürfen jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit müssen auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit beachten ( BGE 103 Ia 596 E. 1a; 102 Ia 544 E. 11, beide mit Verweisungen; MARTI, a.a.O., S. 68 ff.). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt weiter, dass Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit nur aus polizeilichen oder sozialpolitischen Motiven vorgenommen werden dürfen. Verfassungswidrig sind dagegen alle wirtschaftspolitischen Massnahmen, die in die freie Konkurrenz zur Sicherung oder Förderung gewisser Erwerbszweige oder BGE 105 Ia 67 S. 72 Betriebsarten eingreifen und das wirtschaftliche Geschehen planmässig lenken ( BGE 103 Ia 596 E. 1a mit Verweisungen). c) Art. 33 Abs. 1 BV ermächtigt die Kantone, die wissenschaftlichen Berufe, zu welchen unbestrittenermassen auch die Rechtsanwaltschaft gehört ( BGE 103 Ia 50 E. 2c; KÜNZLER, a.a.O., S. 35; FEHLMANN, Die rechtliche Stellung der freien wissenschaftlichen Berufe, Affoltern a.A., 1946, S. 50 ff., 77 ff.), von einem Fähigkeitsausweis abhängig zu machen. Art. 33 Abs. 1 BV gilt in Lehre und Praxis überwiegend als Anwendungsfall von Art. 31 Abs. 2 BV ( BGE 95 I 335 E. 4; LARGIER, Der Fähigkeitsausweis im schweizerischen Wirtschaftsrecht; Uster 1951, S. 58 f.; KÜNZLER, a.a.O., S. 36; ZEMP, a.a.O., S. 15; HESS, a.a.O., S. 16; FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 306; BURCKHARDT, Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage, Bern 1931, S. 277). Damit ist noch nicht gesagt, welche Tätigkeiten im Bereich der Rechtspflege besonders befähigten Personen vorbehalten werden dürfen und wie der Kreis der Berechtigten und die Anforderungen, denen diese zu genügen haben, zu umschreiben sind. Wenn der Kanton gestützt auf die verfassungsrechtliche Kompetenzausscheidung im Interesse einer wohlgeordneten Rechtspflege über diese Fragen Rechtsregeln erlässt, kommt ihm ein erhebliches Ermessen zu. Er muss dabei aber den ebenfalls im öffentlichen Interesse liegenden Grundrechten Rechnung tragen. Allfällige Kollisionen zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen sind durch wertende Gegenüberstellung und Abwägung zu lösen ( BGE 104 Ia 97 E. 6 mit Verweisungen; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 57 B IV). Im Rahmen dieser Abwägung ist auch die Handels- und Gewerbefreiheit mitzuberücksichtigen. 5. a) Wer einen Streit um den Bestand von Rechten und Pflichten nicht selber führen, sondern einen Vertreter damit beauftragen will, hat ein eminentes Interesse an dessen Fachkenntnissen, an dessen Sorgfalt, Verantwortungsbewusstsein und Zutrauenswürdigkeit. Der Erfolg einer Klage oder eines anderen Rechtsmittels wird selbst dann, wenn die entscheidende Instanz das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat, nicht zuletzt von den Fähigkeiten des Vertreters abhängen. Die Partei muss sich darauf verlassen können, dass ihr BGE 105 Ia 67 S. 73 Vertreter im einschlägigen formellen und materiellen Recht bewandert ist. Andererseits braucht der Vertreter vollen, rückhaltlosen Einblick in alle erheblichen Verhältnisse des Klienten, um dessen Interessen wirksam vertreten zu können. Dazu muss er auf das unbedingte Vertrauen des Rechtssuchenden zählen können, was seinerseits bedingt, dass dieser voll auf die Verschwiegenheit des Vertreters rechnen darf( BGE 100 Ia 168 E. 3). Im weitern liegt es auch im Interesse der Funktionstüchtigkeit und Qualität der Rechtspflege - und somit letztlich ebenfalls im Interesse des rechtssuchenden Bürgers -, dass derjenige, welcher einen Rechtsstreit tatsächlich führt, ausreichende Rechtskenntnisse besitzt. Ein rechtskundiger Vertreter weiss die zu lösenden Fragen richtig zu stellen. Er kann dem Richter die Auffindung des richtigen Rechts wesentlich erleichtern und damit einen wertvollen Beitrag zur Verminderung des Arbeitsaufwandes der Rechtspflegebehörden aller Stufen leisten. Für eine Ordnung, welche die Parteivertretung gewissen fachlich und persönlich qualifizierten Personen vorbehält, sprechen daher durchaus beachtliche öffentliche Interessen. In der Literatur wurde sogar - namentlich mit Blick auf ausländische Beispiele - die Frage aufgeworfen, ob nicht die Einführung eines eigentlichen Anwaltszwanges ein geeignetes Mittel wäre, um der allgemein überhandnehmenden Überlastung namentlich höchster Gerichte zu steuern (ANDRE GRISEL, La surcharge des Cours suprêmes et les moyens d'y remédier; ZBl 1978, S. 373 ff., 383). b) Diese Gründe haben die meisten Kantone bewogen, die Parteivertretung und teilweise auch weitere Tätigkeiten im Bereich der Rechtspflege in unterschiedlichem Ausmass rechtlicher Ordnung zu unterwerfen und deren Ausübung ausschliesslich Personen, die sich über ihre Befähigung ausgewiesen haben, zu überlassen. Mit der Privilegierung dieser Personen sind regelmässig Anforderungen an ihre Befähigung und oft auch gewisse Berufspflichten und eine öffentlichrechtliche Aufsicht verbunden. aa) Am ausgeprägtesten zeigt sich dies bei den patentierten Rechtsanwälten. Diese sind schon von Bundesrechts wegen an das Berufsgeheimnis gebunden ( Art. 321 StGB ) und bieten daher volle Gewähr für Verschwiegenheit. Daneben bestehen kantonale Vorschriften über die Berufsausübung. Im Kanton Bern untersteht der patentierte Rechtsanwalt für seine Berufstätigkeit BGE 105 Ia 67 S. 74 der Aufsicht der Anwaltskammer (Art. 7 des Dekrets über die Anwaltskammer vom 28. Dezember 1919 i.V. mit Art. 420 Abs. 1 ZPO ), eines staatlichen Organs, welches die Aufgabe hat, Verstösse der Fürsprecher gegen ihre Berufspflichten gemäss Art. 17 AG zu ahnden. Die vom bernischen Anwaltsverband erlassenen Standesregeln sind auch von Anwälten, welche nicht dem Verband angehören, zu beachten, soweit sie die in den gesetzlichen Vorschriften allgemein umschriebenen Pflichten konkretisieren ( BGE 98 Ia 360 E. 3a). Der patentierte Fürsprecher ist für seine Mühewaltung an einen Gebührentarif gebunden (Dekret über die Anwaltsgebühren vom 6. November 1973) und kann verpflichtet werden, seine Dienste bedürftigen Personen zu einem ermässigten Tarif zur Verfügung zu stellen ( Art. 77 Abs. 6 ZPO i.V. mit Art. 17 ff. des Dekrets über die Anwaltsgebühren). In den meisten Kantonen bestehen ähnliche Regelungen. Viele Kantone, und insbesondere der Kanton Bern, stellen hohe Anforderungen an die Erlangung des Anwaltspatentes. Der Rechtsanwalt als "freier Diener am Recht" (Ziff. 1 der Standesregeln des Bernischen Anwaltsverbandes; vgl. BGE 103 Ia 431 ; BGE 96 I 528 ) bietet daher dank seiner Ausbildung und der über ihn ausgeübten strengen Aufsicht erhöhte Gewähr für den Schutz seiner Mandanten und für ein Verhalten, welches die Rechtspflege im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit und der Qualität der Rechtsprechung vor sachlich nicht gerechtfertigter Inanspruchnahme und Belastung bewahrt. bb) Soweit einzelne Kantone für gewisse Arten von Streitigkeiten weiteren Personen das Tätigwerden als Parteivertreter gestatten, sind die Regelungen hinsichtlich Zulassung und Aufsicht höchst unterschiedlich. Einzelne Kantone prüfen die Befähigung zur Parteivertretung in bestimmten Materien jeweilen im Einzelfall oder führen Listen über die in bestimmten Fällen nebst den Anwälten zur Parteivertretung berechtigten Personen. Andere Kantone unterwerfen auch solche Personen Prüfungen und öffentlichrechtlicher Aufsicht. Endlich kennen die meisten Kantone Bereiche, in welchen die Parteivertretung nicht geregelt und daher frei ist. 6. Im Kanton Bern ist - im Gegensatz zur Mehrzahl der schweizerischen Kantone (vgl. HESS, S. 26 ff., 53 ff.) - nicht nur die berufsmässige oder die entgeltliche, sondern jede Parteivertretung dem Anwaltsmonopol unterstellt (Art. 12 AG). Da BGE 105 Ia 67 S. 75 die Handels- und Gewerbefreiheit nur die Freiheit der Erwerbstätigkeit schützt, kann der Beschwerdeführer hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Er tut dies auch zu Recht nicht. Das bernische Anwaltsmonopol erstreckt sich nach dem Wortlaut von Art. 12 AG auf das gesamte Handeln in "Civil- und Administrativsachen anderer". Ob es sich rechtfertigt, die Vertretung vor Administrativbehörden vollumfänglich dem Anwaltsmonopol zu unterstellen, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen. Der Beschwerdeführer erwähnt selber, dass er im vorliegenden Steuerstreit im verwaltungsinternen Verfahren und vor der kantonalen Rekurskommission als vertraglicher Vertreter zugelassen wurde; er wäre daher nicht legitimiert, diesbezügliche Rügen zu erheben. Das bernische Anwaltsmonopol ist daher im vorliegenden Fall nur streitig, soweit es sich auf die Vertretung in Steuersachen vor Verwaltungsgericht bezieht. 7. Nicht jede Betätigung als Parteivertreter braucht nach der Bundesgerichtspraxis gleich hohen Ansprüchen zu genügen. Das Bundesgericht hat in BGE 95 I 330 ff. entschieden, es widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und damit der Handels- und Gewerbefreiheit, zur Gläubigervertretung vor Betreibungsamt nur patentierte Rechtsanwälte zuzulassen. Auch für die Vertretung vor betreibungsrechtlichen Aufsichtsbehörden gelten weniger strenge Anforderungen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 15. November 1978 i.S. I.). Auf der andern Seite hat das Bundesgericht den Kantonen stets die Befugnis zugestanden, das Verfahren vor dem Rechtsöffnungsrichter den im Kanton zugelassenen Anwälten vorzubehalten ( BGE 103 Ia 47 ff.). Es hat sodann eine Regelung als zulässig erachtet, welche die berufsmässige Rechtsberatung und Prozessvorbereitung patentpflichtig erklärte ( BGE 100 Ia 166 ff. E. 3). Wie es sich mit dem Recht der Parteivertretung vor Verwaltungsjustizbehörden in Steuersachen verhält, hatte das Bundesgericht bis anhin noch nicht zu entscheiden. a) Ein rechtsvergleichender Überblick über die geltenden Regelungen über die Parteivertretung vor den obersten kantonalen Steuerjustizbehörden zeigt folgendes: 15 Kantone kennen (abgesehen vom Erfordernis der Handlungsfähigkeit und unter Umständen von bestimmten Verbotsgründen) keinerlei Beschränkungen. Dies sind die BGE 105 Ia 67 S. 76 Kantone Zürich, Luzern, Obwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, beide Appenzell, Graubünden, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis und Neuenburg. Thurgau gedenkt allerdings, mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit den vom Obergericht zugelassenen Anwälten das alleinige Recht der berufsmässigen Parteivertretung vor Verwaltungsgericht einzuräumen. Neuenburg schlägt de lege ferenda ein allgemeines Anwaltsmonopol vor. Uri und Basel-Stadt behalten die berufsmässige Vertretung vor der obersten Steuerjustizbehörde allein den Rechtsanwälten vor; Schwyz, Basel-Landschaft, Schaffausen und St. Gallen lassen zur berufsmässigen Vertretung neben den Anwälten weitere Personen zu, nämlich Schwyz die Steuerberater, Basel-Landschaft und Schaffhausen Treuhandbüros, St. Gallen die Rechtsagenten. Ausser Bern behalten Nidwalden, Aargau, Genf und Jura jede gewillkürte Parteivertretung vor der obersten Steuerjustizbehörde besonders bezeichneten Personen vor. In Nidwalden sind dies wie in Bern lediglich die Anwälte. Nidwalden begründet diese Lösung damit, dass sich Treuhänder, Steuerberater, etc., erfahrungsgemäss um Verfahrensfragen wenig kümmern und damit ihren Klienten einen schlechten Dienst leisten und dem Gericht erhebliche Mehrarbeit zu verursachen pflegen. Im Aargau wird die Parteivertretung zusätzlich gewissen Familiengenossen und ausserdem Notaren und Steuerberatern gestattet. Die Befähigung der letztgenannten Personengruppe wird als Prozessvoraussetzung im Einzelfall geprüft; die Zulassung richtet sich nach ihrer Ausbildung und Praxis. In Genf und im Jura sind neben den Anwälten "personnes professionnellement qualifiées" als Vertreter zugelassen; über diese Personen sollen Listen geführt werden, die aber in beiden Kantonen noch nicht aufgestellt worden sind. Genf deutet an, dass bei nicht berufsmässiger Vertretung die Anforderungen gelockert werden könnten. Demnach beschränken immerhin elf Kantone die Parteivertretung vor der obersten Steuerjustizbehörde in der einen oder anderen Weise. Vor den unteren Instanzen der Steuerverwaltung und -rechtspflege ist die Parteivertretung - soweit ersichtlich - nur in den Kantonen Bern, Basel-Stadt, Schaffhausen und Genf Beschränkungen unterworfen. Im Kanton Bern hat die Praxis - wie erwähnt - die strenge Regel BGE 105 Ia 67 S. 77 des Art. 12 AG gelockert. In Basel-Stadt sind Berufsverbände zur Vertretung ihrer Mitglieder zugelassen. In Schaffhausen und in Genf gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften wie vor der obersten Behörde, wobei Genf darauf hinweist, dass die Praxis möglicherweise weniger streng sei. b) Verwaltungsgerichte sind - im Gegensatz zu übergeordneten Verwaltungsbehörden - wie Zivil- oder Strafgerichte reine Rechtspflegeorgane. Sie werden nur auf Parteiantrag tätig. Sie haben sich nicht mit der Aufsicht über den geordneten Gang der Verwaltung zu befassen, sondern entscheiden nur die ihnen unterbreiteten Einzelfälle, die in der Regel reine Rechtsfragen betreffen. Ihre Urteile sind - unter Vorbehalt der Revision - unabänderlich und können insbesondere durch das Gericht nicht von Amtes wegen in Wiedererwägung gezogen werden. Der Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes durch eine unabhängige Instanz steht im Vordergrund (vgl. GYGI/STUCKI, Handkommentar zum bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Bern 1962, S. 69 ff.; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Auflage, Bern 1974, S. 18 ff., 31 ff., 39 ff.). Diesen Gedanken entspricht die regelmässig grössere Formstrenge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und insbesondere die Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Verwaltungsgerichte sind häufig auf die Überprüfung bestimmter Beschwerdegründe beschränkt und geniessen, zumindest in Ermessensfragen, keine volle Kognitionsbefugnis (vgl. Art. 16 Abs. 2 VRPG; Art. 149 des bernischen Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern; im folgenden: StG; GYGI/STUCKI, a.a.O., zu Art. 16 Abs. 2 VRPG; GRUBER, Handkommentar zum bernischen StG, dritte Auflage, Bern und Frankfurt 1975, N. 2 und 3 zu Art. 149 StG ). Um die Interessen der Partei wirkungsvoll vertreten zu können, muss der Rechtsbeistand in der Lage sein, zu erkennen, welche Rügen seinem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen können und welche zum vorneherein unzulässig sind. Blosse Formfehler können unter Umständen dazu führen, dass auf eine Rechtsvorkehr nicht eingetreten wird und der Partei die materielle Überprüfung des behaupteten Rechts verwehrt bleibt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kanton Bern für den Rechtsschutz in Steuersachen mehrere Instanzen vorsieht. Gegen jede Veranlagung kann Einsprache geführt werden BGE 105 Ia 67 S. 78 ( Art. 134 ff. StG ). Der Einspracheentscheid kann bei der kantonalen Rekurskommission angefochten werden, welcher volle Überprüfungsbefugnis zusteht (Art. 141 ff., insbesondere 147 StG i.V. mit Art. 138 StG ). Dieser Entscheid endlich kann an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden ( Art. 149 StG ). Dieser gut ausgebaute unterinstanzliche Rechtsschutz hat nicht zuletzt die Funktion, die oberste kantonale Instanz in gewissem Sinne zu entlasten (vgl. GYGI, a.a.O., S. 33). In Anbetracht dieser Ordnung gewinnt das legitime Interesse der letzten kantonalen Instanz an der Einhaltung gewisser prozessualer Formen und namentlich daran, dass ihm die zu entscheidenden Rechtsfragen durch kundige Vertreter unterbreitet werden, erhöhtes Gewicht. c) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass neben dem Kanton Bern lediglich der Kanton Nidwalden jegliche Parteivertretung vor der obersten Steuerjustizbehörde den Anwälten vorbehält; in Uri und Basel-Stadt gilt dasselbe für die berufsmässige Vertretung. In allen anderen Kantonen ist die Parteivertretung vor diesen Instanzen entweder frei, oder es sind zumindest weitere qualifizierte Personen zugelassen. Zwar untermauert namentlich der Kanton Nidwalden seinen Standpunkt mit beachtenswerten Argumenten. Dennoch liesse sich im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit der bernischen Ordnung wohl die Frage aufwerfen, ob es in Steuersachen, wo es vor allem auf Spezialkenntnisse des Steuer- und allenfalls des Obligationenrechts ankommt, nicht gerechtfertigt wäre, auch Treuhänder, Revisoren und Personen mit ähnlicher Ausbildung als Parteivertreter zuzulassen, soweit sie sich über ihre Befähigung einwandfrei ausgewiesen haben (z.B. durch eine höhere Fachprüfung für Bücherexperten, vgl. das von der Schweizerischen Treuhand- und Revisionskammer am 11. Juni 1974 erlassene und vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement am 21. November 1974 genehmigte Prüfungsreglement; oder durch eine kantonale Prüfung, vgl. etwa Art. 3 und 4 sowie die Ausführungserlasse des Bündner Gesetzes über die Ausübung des Treuhänderberufes vom 28. Mai 1978). Allenfalls wäre eine geeignete Aufsicht über das Berufsgebaren dieser Personen zu schaffen. d) Peter Zürcher zeichnet als Prokurist. Er tut nicht dar, dass er durch Ausbildung oder auch nur durch Praxis sich auf dem Gebiete des Steuerrechts in besonderer Weise qualifiziert hat. BGE 105 Ia 67 S. 79 Wie zu entscheiden wäre, wenn es sich so verhielte, kann offen bleiben. Jedenfalls in der vorliegenden Situation kann aus der Handels- und Gewerbefreiheit und aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht abgeleitet werden, dass Peter Zürcher als Parteivertreter zuzulassen ist. Die Beschwerde ist daher, soweit mit ihr eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit gerügt wird, abzuweisen. 8. Bei diesem Ergebnis bleibt für die Prüfung unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV wenig Raum. Das bernische Anwaltsmonopol ist - wie sich erwiesen hat - keineswegs sinn- oder zwecklos. Im Umstand, dass das strenge System des alleinigen Vertretungsrechts der patentierten Anwälte im Verfahren vor den Steuerbehörden und vor der kantonalen Rekurskommission durch die Praxis (vgl. MBVR 12 458; 30 409) gelockert wurde, liegt keine willkürliche Unterscheidung. Das Verfahren vor den Steuerbehörden richtet sich nach dem Steuergesetz, und die kantonale Rekurskommission ist gestützt auf Art. 148 StG einer eigenen, wenig formalistischen Ordnung unterstellt (Dekret betreffend die kantonale Rekurskommission vom 6. September 1956). Wie die Veranlagungsbehörde im Einspracheverfahren kann die Rekurskommission den Einspracheentscheid vollumfänglich überprüfen und im Rahmen des Gesetzes frei entscheiden ( Art. 147 StG i.V. mit Art. 138 StG ). Jedenfalls folgt aus dieser Lockerung der Praxis auf der unteren Ebene nicht ohne weiteres, dass das Verwaltungsgericht als oberste bernische Steuerjustizbehörde ein Gleiches tun muss. Das Verwaltungsgericht betrachtete das Fehlen eines zulässigen Vertretungsverhältnis als mangelnde Prozessvoraussetzung und trat deshalb nicht auf die Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer rügt nicht, dass diese Sanktion gegen Art. 4 BV verstosse, so dass diese Frage nicht zu prüfen ist. Die Beschwerde ist daher auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 250 BGE 121 IV 249 S. 250 A.- Il 9 gennaio 1993, durante l'incontro di disco su ghiaccio, valido per il campionato di divisione nazionale A, fra l'HC D e l'HC E, si verificava nel corso dell'ottavo minuto del primo tempo uno scontro tra F., intento a proporre un'azione offensiva per la propria squadra, e A., che tentava di ostacolare tale azione. A., procedendo a gambe divaricate in direzione di F., urtava con il proprio ginocchio sinistro la gamba sinistra dell'avversario, che aveva tentato inutilmente di evitare l'impatto. F. cadeva sul ghiaccio senza poter riprendere il gioco a causa della rottura dei legamenti crociati nonché di altre ferite riportate al ginocchio sinistro. Trentadue-trentasei centesimi di secondo prima dello scontro in esame, l'arbitro aveva interrotto la partita a seguito delle reciproche scorrettezze di due altri giocatori. A. veniva sanzionato con una penalità di due minuti per sgambetto ai sensi dell' art. 636 lett. a del regolamento ufficiale di gioco della Federazione internazionale di disco su ghiaccio (edizione 1990). Il 26 gennaio 1993, F., giocatore professionista di nazionalità G., presentava querela penale per lesioni nei confronti di A. Contemporaneamente, egli faceva valere un pretesa civile di fr. 33'733.70. Dal canto suo, l'assicurazione La Ginevrina chiedeva fr. 83'234.40 a titolo di risarcimento. La Commissione di disciplina della Federazione svizzera di disco su ghiaccio abbandonava, con decisione del 15 febbraio 1993, il procedimento disciplinare contro A., giocatore professionista, alto circa 1,90 m e pesante 90/92 kg, che aveva precedentemente militato nella National Hockey League (NHL). Dagli atti non risulta quale esito abbia avuto il ricorso inoltrato da F. contro tale decisione. Allorché militava ancora nella compagine dell'HC D, A., conosciuto come uno dei giocatori più duri e penalizzati del campionato, era stato squalificato per cinque partite, per avere provocato una rissa unitamente ad un giocatore avversario. In una partita fra le squadre dell'HC H e dell'HC E, successiva a quella del 9 gennaio 1993, egli si è nuovamente scontrato con un giocatore avversario, che è rimasto ferito ai legamenti del ginocchio; per questo fatto la BGE 121 IV 249 S. 251 Commissione di disciplina della Federazione svizzera di disco su ghiaccio lo ha sospeso per tre partite. B.- Con decreto d'accusa del 1o giugno 1993 il Ministero pubblico del Cantone Ticino dichiarava A. colpevole di lesioni semplici ai sensi dell' art. 123 CP per avere ferito intenzionalmente F., e lo condannava alla pena di venti giorni di detenzione, sospesi condizionalmente con un periodo di prova di due anni. Le pretese di risarcimento erano rinviate al foro civile. C.- Chiamato a pronunciarsi sul caso per l'opposizione del prevenuto al decreto di accusa del Ministero pubblico, il Presidente delle assise correzionali della Leventina in Bellinzona confermava, con sentenza del 25 ottobre 1993, l'accusa di lesioni semplici e condannava A. al pagamento di una multa di fr. 3'000.-. Le richieste di risarcimento venivano rinviate, pure in quest'occasione, al foro civile. Nella misura in cui era ammissibile, il ricorso inoltrato da A. contro tale decisione è stato respinto dalla Corte di cassazione e di revisione penale (CCRP) del Cantone Ticino con sentenza del 14 giugno 1994. D.- A. è insorto con distinti tempestivi atti di ricorso di diritto pubblico e ricorso per cassazione, chiedendo l'annullamento della sentenza impugnata e il rinvio della causa all'autorità cantonale per un nuovo giudizio ai sensi dei considerandi. Sia il Ministero pubblico del Cantone Ticino sia F. propongono di respingere il ricorso. E.- Con decisione di data odierna la Corte di cassazione del Tribunale federale ha respinto, nella misura in cui era ammissibile, il parallelo ricorso di diritto pubblico.
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Erwägungen Considerando in diritto: 1. Il ricorso per cassazione può essere fondato unicamente sulla violazione del diritto federale; è riservato il ricorso di diritto pubblico per violazione di diritti costituzionali ( art. 269 PP ). La motivazione del ricorso non deve criticare accertamenti di fatto né addurre fatti nuovi né proporre eccezioni ed impugnazioni nuove ( art. 273 cpv. 1 lett. b PP ). La Corte di cassazione del Tribunale federale è vincolata dagli accertamenti di fatto dell'autorità cantonale ( art. 277bis cpv. 1 PP ). 2. Il ricorrente è stato condannato per lesioni personali semplici nella forma del dolo eventuale. BGE 121 IV 249 S. 252 a) Secondo gli accertamenti insindacabili dell'autorità cantonale, la volontà iniziale di A. era diretta ad impedire a F. di svolgere un'azione di gioco e, in particolare, di operare una manovra di aggiramento come aveva effettuato già in precedenza e come un giocatore della sua esperienza sapeva fare. Secondo l'autorità cantonale, il ricorrente era inizialmente intenzionato di bloccare F. con un "body-check", impiegando la forza della parte superiore del suo corpo, segnatamente della spalla sinistra; tuttavia, allorché si rendeva conto che tale manovra era destinata all'insuccesso, poiché F. si accingeva ad evitare questo intervento regolare, egli decideva di ricorrere ad un mezzo illecito, in seguito sanzionato dall'arbitro quale "sgambetto". A mente dell'autorità cantonale, il ricorrente aveva infatti allargato sempre più le proprie gambe ed allungato marcatamente e progressivamente il suo ginocchio sinistro, fino ad agganciare la gamba sinistra di F.; in tal modo, egli intendeva fermare l'avversario con ogni mezzo disponibile. L'autorità cantonale ha inoltre accertato che al momento dell'impatto il disco era ormai lontano da F., dato che quest'ultimo, avendo percepito il fischio dell'arbitro, se ne era disinteressato e, malgrado una velocità ancora elevata, aveva assunto una posizione più rilassata. D'altra parte, il ricorrente non voleva né poteva intervenire sul disco, dato che aveva il bastone alzato. L'autorità cantonale è così giunta alla conclusione che il ricorrente, violando gravemente le regole di gioco, ha sgambettato volontariamente l'avversario; essa ha tuttavia escluso, a proposito del ferimento di F., un suo dolo diretto e lo ha pertanto condannato per lesioni semplici nella forma del dolo eventuale. b) Il ricorrente chiede, innanzitutto, che l'azione incriminata venga esaminata alla luce delle regole di gioco che disciplinano il disco su ghiaccio. Al proposito, egli ritiene di aver commesso una lieve infrazione. A suo avviso, la probabilità di ferire, con il proprio comportamento, il giocatore avversario sarebbe stata, quindi, molto scarsa. Non sussisterebbe pertanto alcun dolo o dolo eventuale; pure una negligenza sarebbe esclusa. Anche se, nella circostanza, fosse ammesso un dolo eventuale o una negligenza, egli potrebbe invocare, a sua giustificazione, l'accettazione del rischio da parte del giocatore avversario. 3. Chiunque intenzionalmente cagiona un danno in altro modo al corpo o alla salute di una persona, è punito, a querela di parte, con la detenzione (art. 123 n. 1 primo periodo CP). È sufficiente il dolo eventuale. BGE 121 IV 249 S. 253 Nel caso in esame, è pacifico che il ricorrente ha causato la rottura dei legamenti crociati nonché le ulteriori ferite al ginocchio sinistro del resistente. Dato che tale ferimento è stato unanimemente giudicato come non grave, egli ha quindi realizzato, oggettivamente, il reato di lesioni personali semplici. Per ciò che concerne l'elemento soggettivo del reato, l'autorità cantonale ha escluso un dolo diretto; per contro, essa ha accertato che il ricorrente ha agito con dolo eventuale. a) Sussiste dolo eventuale laddove l'agente ritiene possibile che l'evento o il reato si produca, e, cionondimeno, agisce, poiché prende in considerazione l'evento nel caso che si realizzi, lo accetta pur non desiderandolo ( DTF 119 IV 1 consid. 5a; DTF 109 IV 147 consid. 4; DTF 104 IV 35 consid. 1; DTF 103 IV 65 consid. I 2; v. GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT I, § 9, n. 53 e seg. con rinvii). Chi prende in considerazione l'evento qualora si produca, ossia lo accetta, lo vuole ai sensi dell' art. 18 cpv. 2 CP . Non è necessario che l'agente desideri tale evento o lo approvi ( DTF 119 IV 193 consid. 2b cc; 103 IV 65 consid. I 2; DTF 96 IV 99 ). aa) Ciò che l'agente sapeva, voleva e ha preso in considerazione sono questioni di fatto che non possono, in linea di principio, essere riesaminate nel quadro di un ricorso per cassazione (art. 273 cpv. 1 lett. b; 277bis cpv. 1 PP). Tuttavia, il dolo (eventuale), quale fatto interiore, può essere accertato solo in base ad elementi esteriori; ne discende che in quest'ambito, le questioni di fatto e di diritto sono strettamente connesse tra di loro e coincidono parzialmente. Il quesito giuridico se l'autore abbia agito con dolo eventuale può essere risolto solo valutando i fatti accertati dall'autorità cantonale, da cui quest'ultima ha dedotto tale elemento soggettivo. Con riferimento al concetto giuridico di dolo eventuale, il Tribunale federale può pertanto esaminare se sono stati valutati correttamente gli elementi esteriori, in base ai quali è stato accertato che l'agente ha preso in considerazione, ossia ha accettato l'evento o il reato ( DTF 119 IV 1 consid. 5a; DTF 119 IV 242 consid. 2c e rinvii). Tra gli elementi esteriori da cui è possibile dedurre che l'agente ha accettato l'evento illecito nel caso che si produca figurano, in particolare, la gravità della violazione del dovere di diligenza e la probabilità, nota all'autore, della realizzazione del rischio. Quanto più grave è tale violazione e quanto più grande tale rischio, tanto più fondata risulterà la conclusione che l'agente, malgrado i suoi dinieghi, aveva accettato l'ipotesi che l'evento considerato si realizzasse ( DTF 119 IV 1 consid. 5a). Per determinare il comportamento, conforme al dovere di BGE 121 IV 249 S. 254 diligenza, da osservare in una determinata circostanza, segnatamente la diligenza cui soggiace un giocatore di disco su ghiaccio, vanno presi in considerazione i regolamenti concernenti la prevenzione degli incidenti e la sicurezza, come pure le regole di comportamento emanate da associazioni private o semipubbliche, che non costituiscono norme giuridiche ( DTF 120 IV 300 consid. 3d aa; DTF 118 IV 130 consid. 3a; DTF 115 IV 189 consid. 3a; DTF 106 IV 350 consid. 3). bb) Secondo l'articolo 636 lett. a del regolamento ufficiale dell'Associazione internazionale di disco su ghiaccio (edizione 1990), una penalità minore deve essere inflitta ad ogni giocatore che usi il bastone, il ginocchio, il piede, il braccio, la mano o il gomito in modo tale da far cadere l'avversario. Giusta l'art. 603 lett. a, una penalità di partita deve essere inflitta ad ogni giocatore che tenti di ferire o ferisca intenzionalmente un avversario. Ai sensi dell'art. 609 lett. b, una ferita causata ad un avversario usando scorrettamente i gomiti o le ginocchia deve comportare una penalità maggiore. Gli articoli menzionati mostrano che le regole di gioco non intendono semplicemente disciplinare lo svolgimento della partita, sanzionando la loro violazione con una penalità da scontare durante la partita stessa, bensì pure contribuire alla prevenzione degli incidenti e alla sicurezza dei giocatori, segnatamente proteggere i giocatori da eventuali ferimenti (v. MAX KUMMER, Spielregel und Rechtsregel, 1973, pagg. 23/24; JÖRG REHBERG, Verletzung beim Fussballspiel, Urteilsanmerkung zu BGE 109 IV 102, Recht 1984, pag. 60). In effetti, come testé esposto, lo sgambetto è punito più severamente se vi è stato un tentativo di ferimento del giocatore avversario o se ha causato tale ferimento. Inoltre, l'uso irregolare del ginocchio è considerato quale fonte di particolare pericolo, tant'è che è punito con una pena maggiore. Anche se l'Associazione internazionale di disco su ghiaccio fosse interessata a punire più severamente il ferimento di un giocatore avversario solo per compensare il vantaggio così ottenuto dall'altra squadra, le regole di gioco citate contribuiscono contemporaneamente alla prevenzione degli incidenti ed alla sicurezza dei giocatori, e possono pertanto essere prese in considerazione per stabilire il grado (del dovere) di diligenza cui soggiace un giocatore di disco su ghiaccio. Dalle regole di gioco illustrate risulta, oltre al precetto di tralasciare ogni sgambetto, un dovere particolare del giocatore di disco su ghiaccio di non effettuare sgambetti con il ginocchio in modo tale da ferire il giocatore avversario. Analogo dovere deriva dal principio generale "neminem BGE 121 IV 249 S. 255 laedere", secondo cui ciascuno deve comportarsi in modo da evitare di ferire terze persone; ne consegue che ogni pericolo, riconoscibile o prevedibile, di ferimento di un terzo, deve essere evitato o limitato in misura tale da non oltrepassare i limiti oltre i quali il rischio non è più ammissibile (v. GIUSEP NAY, Der Lawinenunfall aus der Sicht des Strafrichters, in: ZGRG 2/1994, pag. 51). Istituendo il reato di lesioni personali semplici (art. 123), anche il legislatore federale ha stabilito un tale dovere. Questa norma è di natura imperativa: essa vale per tutto il territorio statale ed è applicabile ad ogni attività che vi si svolge. Regole di gioco private possono sì completare e chiarire le norme penali statali, ma mai sostituirvisi (v. JÖRG REHBERG, op.cit., pag. 59; v. pure ANDREAS DONATSCH, Gedanken zum strafrechtlichen Schutz des Sportlers, RPS 107/1990, pagg. 409/410; JEAN-MARC SCHWENTER, De la faute sportive à la faute pénale, RPS 108/1991, pag. 334; PIERRE JOLIDON, La responsabilité civile et pénale des boxeurs en droit suisse, Mélanges Assista, 1989, pagg. 34/35). Nella misura in cui il ricorrente fa valere che la violazione delle regole di gioco va sanzionata (esclusivamente) in base al relativo regolamento sportivo, la sua censura è quindi infondata. b) La Corte di assise ha ritenuto che il ricorrente non poteva ignorare che, nelle circostanze concrete, con il suo comportamento avrebbe potuto ferire l'avversario, qui resistente; essa ne ha dedotto ch'egli ha preso in considerazione ed accettato il rischio, poi effettivamente realizzatosi, di ferire l'avversario. La CCRP ha confermato tale conclusione e negato una violazione del diritto federale. Facendo riferimento alla DTF 119 IV 1 consid. 5a, essa ha fondato la propria decisione sull'alta probabilità, nota al ricorrente, della realizzazione dell'evento dannoso e sulla grave violazione del dovere di diligenza da parte del medesimo. A suo avviso, il ricorrente, violando crassamente una regola di gioco, segnatamente affrontando l'avversario in maniera altamente fallosa - entrata con ginocchio avanzato e a velocità elevata sugli arti inferiori dell'avversario -, ha manifestato in modo sufficiente di aver preso in seria considerazione il possibile ferimento dell'avversario; secondo i giudici cantonali un simile atteggiamento non può essere interpretato né valutato diversamente. c) La CCRP ha accertato in modo sufficientemente chiaro che il ricorrente sapeva di poter ferire l'avversario e, ciononostante, ha accettato (implicitamente) che l'evento da lui considerato possibile si realizzasse. Tale conclusione non viola il diritto federale. Dalla sentenza impugnata BGE 121 IV 249 S. 256 non risulta, invero, perché l'autorità cantonale ha escluso che il ricorrente abbia confidato - tenuto conto, ad esempio, dell'equipaggiamento o dell'allenamento di cui beneficiano i giocatori di disco su ghiaccio - che l'evento incriminato non si producesse. Questa mancanza non è tuttavia suscettibile di inficiare l'accertamento compiuto. In effetti, il ricorrente ha effettuato, a velocità elevata di entrambi i giocatori, uno sgambetto con il ginocchio ai danni del ricorrente. Un tale sgambetto è certamente idoneo, secondo l'andamento generale delle cose e l'esperienza, a provocare una ferita al ginocchio simile a quella subita dal resistente. Il ricorrente, grazie alle sue conoscenze e capacità di sperimentato professionista di disco su ghiaccio, non poteva non sapere che, vista l'elevata velocità con cui i due giocatori si avvicinavano l'un l'altro, tentare di fermare l'avversario con uno sgambetto avrebbe verosimilmente condotto al ferimento di quest'ultimo. Sgambettando di proposito il proprio avversario, il ricorrente non ha unicamente infranto gravemente le regole di gioco citate, bensì pure il dovere di prudenza che tali regole gli imponevano nel frangente. Come correttamente evidenziato dalla CCRP, le circostanze del caso, in particolare la grave violazione del dovere di diligenza commessa nell'occasione e l'alta probabilità, nota al ricorrente, della realizzazione del rischio, non possono essere ragionevolmente interpretate che nel senso ch'egli, quale giocatore professionista, sapeva di poter ferire l'avversario e che, ciononostante, ha preso in considerazione, ossia accettato, il suo ferimento ( DTF 119 IV 1 consid. 5a; DTF 109 IV 137 consid. 2b). Il fatto, invocato dal ricorrente, ch'egli intendeva (in primo luogo) impedire al resistente di costruire un'azione di gioco pericolosa, è irrilevante. Perché sia dato il dolo eventuale non è infatti necessario che il ricorrente desiderasse o approvasse l'evento (secondario), ossia il ferimento del resistente, ma è bensì sufficiente ch'egli abbia considerato tale evento come la probabile conseguenza del suo intento (primario) e, nondimeno, l'abbia accettato nel caso, poi realmente verificatosi, che si realizzasse. 4. Un comportamento che adempie la fattispecie di un reato è illecito, e pertanto punibile, nella misura in cui non sussiste un motivo giustificativo legale o extralegale (v. ROBERT HAUSER/JÖRG REHBERG, Strafrecht I, 1993, pag. 123). Il ricorrente invoca, a sua discolpa, il principio "volenti non fit iniuria" nel senso dell'accettazione del rischio inerente alla disciplina del disco su ghiaccio. A suo avviso, ogni giocatore di disco su ghiaccio accetta (tacitamente) il rischio di essere ferito, (perlomeno) nella misura in cui il suo ferimento derivi da un BGE 121 IV 249 S. 257 comportamento conforme alle regole di gioco o da una loro lieve violazione. La questione se e quando, nell'ambito di una contesa sportiva, l'accettazione del rischio di essere ferito possa giustificare un comportamento che ha condotto al ferimento di un partecipante è dibattuta in dottrina. Alcuni autori ammettono (tutt'al più) l'accettazione tacita dei rischi che si realizzano usualmente durante la pratica sportiva conforme alle regole di gioco (MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 1. Band, 1982, art. 123, n. 29; PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 1983, pag. 52; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 1994, pag. 126 e seg.; v. pure BERNARD CORBOZ, L'homicide par négligence, in: SJ 1994, pag. 211). Altri ritengono, invece, che la violazione delle regole di gioco non impedisce di invocare il consenso della vittima (HANS FELIX VOEGELI, Strafrechtliche Aspekte von Sportverletzungen, insbesondere die Einwilligung des Verletzten im Sport, 1974, pag. 180 e seg., ove tale violazione sia dovuta a lieve negligenza; PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, 1993, pag. 151, nel caso in cui, malgrado la lesione intenzionale delle regole di gioco, il rischio di ferimento sia minimo). Comunque sia, l'accettazione tacita del rischio di essere feriti è esclusa se il giocatore che ha provocato il ferimento ha violato in modo intenzionale o grave, ossia involontario ma senz'altro evitabile, regole di gioco che mirano pure alla prevenzione degli incidenti (v. DTF 109 IV 102 consid. 2). Da tutti i partecipanti ad una competizione sportiva deve infatti essere preteso il rispetto di tali regole. Nel caso in esame, il ricorrente, sgambettando di proposito il resistente, ha infranto volontariamente e gravemente regole di gioco che, come illustrato, contribuiscono pure alla sicurezza dei giocatori. In simili circostanze, egli non può appellarsi al motivo giustificativo invocato, segnatamente pretendere che il resistente abbia accettato il rischio, inerente alla pratica regolare del disco su ghiaccio, di essere ferito. 5. Da quanto esposto discende che le censure sollevate dal ricorrente, volte a negare qualsiasi responsabilità penale, segnatamente la sussistenza del dolo eventuale, vanno respinte, e la decisione impugnata confermata. Il ricorso va pertanto disatteso. (Spese e ripetibili).
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Die Kostenüberbindung für Massnahmen der Behörden zum Schutz der Gewässer oder der Umwelt bestimmt sich nach den Vorschriften, die im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung in Kraft waren (E. 3). Der Art. 8 GSchG und der Art. 59 USG erlauben die Überbindung der Kosten für die Beseitigung von Klärschlamm, der infolge Behandlung von Industrie- und Gewerbeabwasser mit zu hohem Schwermetallgehalt verunreinigt ist und daher nicht als Dünger verwendet werden kann (E. 4). Die Forderung des Gemeinwesens verjährt mit Ablauf von fünf Jahren, nachdem die Sicherungs- und Behebungsmassnahmen durchgeführt worden und die Höhe der Kosten für diese Massnahmen bekannt geworden sind (E. 5). Sachverhalt ab Seite 27 BGE 122 II 26 S. 27 Par décision du 13 octobre 1992, le Syndicat de communes à mis à la charge de la fabrique de circuits imprimés et d'appareils électroniques Emile Hügi, à Corgémont, un montant de 7'619 fr. 50 relatif à des frais d'élimination de boues d'épuration. Cette décision était motivée comme suit: De mai 1988 à mars 1990, les boues produites par la station d'épuration de Sonceboz ont présenté une teneur en métaux lourds anormalement élevée, excluant leur utilisation agricole; il fallut dès lors les déshydrater et les éliminer par incinération ou stockage en décharge. Cela causa au Syndicat un dommage correspondant aux frais de transport, de déshydratation et d'élimination, et à la perte du revenu qui eût été autrement retiré de l'utilisation agricole. Les analyses révélaient que la contamination des boues avait son origine dans les eaux usées de sept entreprises raccordées à la station, ces eaux présentant une concentration excessive de métaux lourds. Les entreprises concernées étaient tenues pour responsables du dommage précité et appelées à supporter leur quote-part. Le même jour, le Syndicat a pris une décision analogue contre l'entreprise Polissages Gautier SA, à Cortébert, pour un montant de 22'930 fr. 90. Cette somme comprenait, outre une quote-part égale à celle de Hügi, le dommage consécutif à la pollution des boues d'épuration dans la nuit du 21 au 22 août 1990 et, encore, le 21 septembre 1990. Saisi de recours formés par Emile Hügi et Polissages Gautier SA, le Préfet du district de Courtelary a décidé de restreindre la procédure au problème BGE 122 II 26 S. 28 de la prescription des créances litigieuses. Statuant sur la base des 41 et 60 CO, il a retenu qu'à la date des décisions attaquées, la prescription d'une année était acquise aux recourants; il a dès lors annulé les décisions du Syndicat. Celui-ci a déféré la cause au Tribunal administratif du canton de Berne. Selon l'arrêt de cette juridiction, les prétentions du Syndicat sont, le cas échéant, fondées sur la législation fédérale en matière de protection des eaux; cependant, en vertu d'une disposition renvoyant à l' art. 60 CO relatif à la prescription, le délai d'un an est néanmoins déterminant. Le Tribunal administratif a ainsi confirmé les décisions du Préfet et débouté la collectivité recourante. Agissant par la voie du recours de droit administratif, le Syndicat a requis le Tribunal fédéral d'annuler les prononcés des autorités cantonales de recours et de renvoyer la cause au Tribunal administratif pour nouveau jugement. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Les boues produites par les stations d'épuration des eaux usées sont des déchets aux termes de l'art. 7 al. 6 de la loi fédérale sur la protection de l'environnement. Elles doivent être mises en valeur ou, si ce n'est pas possible, éliminées par incinération ou stockage en décharge (art. 11 de l'ordonnance sur le traitement des déchets, ci-après OTD, RS 814.015; ch. 3 al. 1 let. c de l'annexe 1 à l' art. 32 al. 1 OTD ). La mise en valeur des boues consiste essentiellement dans leur utilisation agricole comme engrais (art. 31c de l'ordonnance générale sur la protection des eaux, ci-après OGPEP, RS 814.201, en vigueur depuis 1er octobre 1992; auparavant, art. 1 al. 5 de l'ordonnance du 8 avril 1981 sur les boues d'épuration, ci-après OBEp, RO 1981 p. 408); l'autorité cantonale est habilitée à prévoir - si possible - une autre utilisation (cf. art. 31b al. 2 let. a, 31f, 31h let. d OGPEP). L'utilisation agricole est exclue lorsque les boues présentent une teneur en polluants trop élevée ( art. 31c al. 1 OGPEP ; art. 2 OBEp) au regard de l'annexe 4.5 de l'ordonnance sur les substances dangereuses pour l'environnement (RS 814.013). L'autorité cantonale doit alors déterminer les causes de la pollution et adapter, au besoin, les normes applicables au déversement des eaux usées industrielles ou artisanales à traiter par la station concernée ( art. 31f al. 1 OGPEP ; art. 14 al. 1 OBEp). Le BGE 122 II 26 S. 29 déversement d'eaux présentant une concentration de polluants trop élevée au regard de ces normes est interdit (art. 7 de l'ordonnance sur le déversement des eaux usées; RS 814.225.21). Dans la présente affaire, la collectivité recourante soutient que les entreprises intimées ont violé cette interdiction, qu'il en est résulté pour elle-même l'obligation d'éliminer les boues d'épuration au lieu de les mettre en valeur, et que ces entreprises sont dès lors responsables du préjudice correspondant. L'acte de recours se réfère exclusivement à la législation sur la protection des eaux; toutefois, saisi d'un recours de droit administratif, le Tribunal fédéral peut appliquer d'office d'autres dispositions de droit public fédéral ( ATF 115 Ib 55 consid. 2b, ATF 113 Ib 287 in fine, ATF 107 Ib 89 consid. 1). 3. Selon l'arrêt attaqué, les prétentions du Syndicat sont fondées, le cas échéant, sur l'art. 8 de la loi fédérale du 8 octobre 1971 sur la protection des eaux contre la pollution (LPEP; RO 1972 I 958). Cette disposition est demeurée en vigueur jusqu'au 31 octobre 1992. Elle prévoyait que les frais provoqués par des mesures prises par les autorités compétentes, destinées à empêcher une pollution imminente des eaux ou à déterminer l'existence d'une pollution et y remédier, pouvaient être mis à la charge de la personne qui en était la cause. Depuis le 1er novembre 1992, l' art. 8 LPEP est remplacé par l'art. 54 de la loi fédérale du 24 janvier 1991 sur la protection des eaux (LEaux; RS 814.20). Par ailleurs, depuis le 1er janvier 1985, l'art. 59 de la loi fédérale sur la protection de l'environnement (LPE; RS 814.01) s'applique aux frais d'intervention relatifs à des atteintes à l'environnement. Ces règles actuelles sont inspirées de l' art. 8 LPEP et étroitement analogues à celui-ci. Cependant, à la différence de l'ancienne disposition, l' art. 54 LEaux prévoit que l'imputation des frais à la personne qui en est la cause est en principe obligatoire, alors qu'elle était auparavant facultative. L' art. 59 LPE a également été révisé: dans sa nouvelle teneur, adoptée par l'Assemblée fédérale le 21 décembre 1995 mais non encore entrée en vigueur (FF 1996 I p. 255), il prévoit lui aussi l'imputation obligatoire des frais (PAUL-HENRI MOIX, La prévention ou la réduction d'un préjudice: les mesures prises par un tiers, l'Etat ou la victime, thèse, Fribourg 1995, ch. 654 p. 238 et 674 et ss p. 247; sur les critères à prendre en considération selon les anciennes dispositions, voir FELIX MATTER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 1986, ch. 25 et 26 ad art. 59 LPE , et ATF 114 Ib 44 consid. 3 in fine). BGE 122 II 26 S. 30 Les faits à l'origine des prétentions élevées contre Polissages Gautier SA et Emile Hügi sont antérieurs au 1er novembre 1992. L'existence et l'étendue de ces prétentions doivent être déterminées d'après les dispositions en vigueur à cette époque, conformément au principe selon lequel les lois ne sont pas rétroactives. En effet, les règles concernant l'imputation des frais n'impliquent pas de dérogation à celui-ci car, alors même qu'elles contribuent indirectement à la sauvegarde du milieu vital de l'homme, elles ne sont pas établies dans l'intérêt de l'ordre public ( ATF 101 Ib 410 consid. 3; arrêt du 15 juin 1994 dans la cause K., consid. 2a). L' art. 8 LPEP et l' art. 59 LPE , dans sa teneur d'origine, sont ainsi applicables. Vu leur similitude, il n'est pas nécessaire de rechercher si la présente affaire relève plutôt de l'une ou de l'autre de ces dispositions. 4. Le Tribunal fédéral doit par contre examiner si l'élimination des boues polluées constitue une intervention dont les frais puissent être recouvrés. a) Dès 1955, la législation fédérale a prévu que les cantons pourraient faire exécuter par voie de contrainte des mesures de protection des eaux ou, au besoin, exécuter eux-mêmes ces mesures aux frais des personnes qui en avaient la charge (art. 12 de la loi fédérale du 16 mars 1955 sur la protection des eaux contre la pollution, RO 1956 p. 1635, remplacé dès le 1er juillet 1972 par l' art. 7 LPEP et, actuellement, par l' art. 53 LEaux ). Elle fournissait ainsi une base légale à la perception des frais de l'exécution forcée dite par équivalent ou par substitution, à laquelle on procède lorsque l'obligé ne se soumet pas à une décision exécutoire prise contre lui. En 1971, l' art. 8 LPEP a été édicté dans le but de fournir une base légale incontestée aussi à la perception des frais de mesures à exécuter sans décision préalable, lorsqu'une injonction à la personne qui serait en principe tenue de prendre ces mesures est inadéquate, par exemple en raison de l'urgence, notamment parce que cette personne ne peut pas être identifiée à temps, ou, surtout, lorsque celle-ci n'a de toute manière pas les moyens techniques, économiques ou juridiques d'agir elle-même (CLAUDE ROUILLER, L'exécution anticipée d'une obligation par équivalent, in Mélanges André Grisel, p. 594 à 596; ELISABETH BÉTRIX, Les coûts d'intervention - difficultés de mise en oeuvre, in Le droit de l'environnement dans la pratique, 9/1995 p. 373). Le législateur n'avait aucun motif de limiter la perception des frais aux seules mesures d'urgence, et de l'exclure pour les autres interventions qui BGE 122 II 26 S. 31 ne peuvent pas non plus être précédées d'une décision. Contrairement à ce que semble indiquer le texte légal, l' art. 8 LPEP et l' art. 59 LPE inspiré de celui-ci ne s'appliquent donc pas seulement à la prévention des atteintes proprement "imminentes" aux eaux ou à l'environnement, nécessitant l'intervention de l'autorité dans un laps de temps très bref; selon leur sens véritable, ces règles visent l'ensemble des cas dans lesquels l'autorité doit agir et où, pour des motifs de fait ou de droit, une procédure administrative tendant à une décision exécutoire est impossible ou inadéquate. Leur portée n'est toutefois pas sans limite: conformément au principe selon lequel l'exécution forcée, notamment par substitution, est subsidiaire à l'application amiable du droit, l'autorité n'est pas autorisée à invoquer ces dispositions dans des cas où elle aurait raisonnablement pu intervenir d'abord par la voie d'une décision; en effet, dans le système de la loi fédérale de 1971, ces cas demeuraient visés par l' art. 7 LPEP . b) La perception des frais se justifie d'abord par des motifs de justice fiscale et de protection des finances publiques (ROUILLER, ibidem). De plus, avec le développement de la législation sur la protection de l'environnement, on considère que les art. 8 LPEP et 59 LPE concrétisent le principe de la causalité inscrit à l' art. 2 LPE , selon lequel la personne qui est à l'origine d'une mesure légale de protection de l'environnement doit en supporter les frais et être, de cette façon, incitée à tenir compte de toutes les conséquences écologiques de ses activités (BEATRICE WAGNER, Das Verursacherprinzip im schweizerischen Umweltschutzrecht, RDS 108/1989 II p. 365/366 et ss; ANNE PETITPIERRE-SAUVAIN, Le principe pollueur-payeur, RDS 108/1989 II p. 456; MATTER, op.cit. ch. 7 et 8 ad art. 59 LPE ). Cet objectif plus récent de la législation fédérale doit aussi être pris en considération pour déterminer le sens actuel des règles précitées: la perception des frais est elle-même, indirectement, un instrument de la protection du milieu vital, de sorte qu'elle doit recevoir l'application la plus étendue qui soit appropriée à cet objectif et compatible avec le texte dûment interprété. Cela confirme la portée qui pouvait être attribuée dès son origine à l' art. 8 LPEP . c) A titre de détenteur des boues polluées produites par la station de Sonceboz, le Syndicat avait l'obligation d'éliminer ces déchets ( art. 30 al. 1 LPE ). Pour ce motif déjà, il n'avait pas à enjoindre aux entreprises intimées, préalablement, de pourvoir elles-mêmes à cette tâche; au surplus, il est douteux que l'élimination eût pu être différée jusqu'à l'identification de toutes les entreprises concernées et, enfin, ces BGE 122 II 26 S. 32 dernières n'auraient guère pu collaborer dans ce but d'une façon simple et économique. En principe, sous réserve d'un examen complet de l'ensemble des questions de fait et de droit déterminantes, le Syndicat est donc autorisé à exiger le remboursement des frais sur la base des art. 8 LPEP ou 59 LPE. Selon la doctrine et les décisions cantonales auxquelles les auteurs se réfèrent, ces dispositions ne portent que sur les frais des mesures nécessaires à la sauvegarde des eaux ou de l'environnement, à l'exclusion du coût d'autres mesures de sécurité ou d'autres frais consécutifs à l'événement (BÉTRIX, op.cit. p. 380/381; MATTER, op.cit. ch. 15 ad art. 59 LPE ; voir aussi MOIX, op.cit. ch. 667 p. 244). Néanmoins, les frais ne sauraient être déterminés de façon trop restrictive; en particulier, les frais d'élimination de boues d'épuration polluées peuvent comprendre non seulement les débours nécessaires à cette fin, mais aussi le sacrifice des boues elles-mêmes, en tant que celles-ci, normalement, se prêtent à l'utilisation agricole et ont dès lors une valeur marchande. 5. La prescription des créances fondées sur l' art. 8 LPEP ou sur d'autres dispositions correspondantes n'est pas explicitement réglée par la loi. Selon l'arrêt attaqué, le renvoi de l' art. 36 al. 3 LPEP à l' art. 60 CO , concernant la responsabilité civile en matière de pollution des eaux, est déterminant. Or, dans son arrêt du 17 décembre 1980 en la cause X., le Tribunal fédéral a retenu que ces règles ne s'appliquent pas à une telle créance, et que celle-ci se prescrit seulement dans un délai de cinq ans dès le jour où l'intervention a été exécutée et que le montant des frais est connu de l'autorité (ZBl 82/1981 p. 370 consid. 2; voir aussi ATF 114 Ib 44 p. 54 consid. 4). Cette solution est issue des principes ordinairement appliqués, en l'absence de réglementation spéciale, à la prescription des créances de droit public ( ATF 116 Ia 461 p. 464/465); elle doit être confirmée dans la présente espèce et elle est pertinente aussi dans la mesure où l' art. 59 LPE est en cause. La jurisprudence concernant la restitution de prestations de droit public, à laquelle le Tribunal administratif se réfère dans ses observations, est inspirée de dispositions spécifiques et de l' art. 67 CO relatif à l'enrichissement illégitime ( ATF 108 Ib 150 p. 156 consid. cc); elle n'est donc pas concluante. Quelle que soit la date exacte à laquelle le Syndicat a connu le montant total des frais d'élimination censément imputables aux intimés, le délai de cinq ans n'était pas échu lors des décisions prises contre ces derniers, et il a été interrompu tant par ces prononcés que, en particulier, par les recours déposés devant le Tribunal administratif puis le Tribunal fédéral. BGE 122 II 26 S. 33 Le Syndicat est ainsi fondé à soutenir que la prescription lui est opposée en violation du droit fédéral. Il convient d'annuler l'arrêt attaqué et de renvoyer la cause au Tribunal administratif, afin que cette juridiction examine les points de fait et de droit qui n'ont pas encore été débattus en procédure cantonale.
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Sachverhalt ab Seite 239 BGE 81 I 239 S. 239 A.- G., qui est né en 1929, est entré au service des CFF le 1er avril 1946. Il a été tout d'abord apprenti de gare BGE 81 I 239 S. 240 dans diverses localités. Bien qu'il eût échoué aux examens de fin d'apprentissage en janvier 1948, il fut nommé aspirant, le 1er avril suivant. Il subit un second échec aux mêmes examens, en juillet 1948, puis finit par être reçu à sa troisième tentative, en septembre 1949. Le 1er septembre 1949, il fut nommé commis de gare 2 à Estavayer, puis, le 1er janvier 1953, commis de gare 1. Dès le début de son activité aux CFF, sa conduite donna lieu à des plaintes. Alors qu'il était aspirant, sa nomination au poste de commis fut retardée et il fut menacé de renvoi, notamment parce qu'on lui reprochait de manquer de politesse envers la clientèle et de travailler superficiellement. Du mois de septembre 1949, date de sa nomination comme commis de gare, et jusqu'au mois d'août 1953, il a été puni dix fois d'amendes allant de un à cinq francs pour des fautes disciplinaires. Il s'agissait de négligences dues à la légèreté et qui, dans sept cas, avaient mis en péril la sécurité de l'exploitation. En août 1953, l'Administration ouvrit contre lui une enquête disciplinaire. Le 23 octobre suivant, il reçut communication des charges retenues contre lui. Ces charges étaient les suivantes: 1) A quatre reprises et dans l'exercice de ses fonctions, les 29 juillet, 6 août et 3 novembre 1950 et le 23 août 1953, G. a expédié comme bagage accompagné son propre canoë en utilisant d'une manière abusive des permis de libre parcours établis à son nom et au nom de sa femme et en indiquant des poids inférieurs au poids réel. Il a ainsi bénéficié indûment d'une remise partielle des frais de transport. 2) Le 16 juillet 1952, il s'est endormi au bureau après avoir libéré la voie d'entrée en gare et a dû être réveillé pour l'expédition du train 1604. 3) Le 31 juillet 1953, il a fait preuve de négligence et de nonchalance lors de la réception du train 1613 à Estavayer. Il ne se trouvait pas, à l'arrivée, sur le quai de la gare. BGE 81 I 239 S. 241 4) En octobre 1953, au cours de l'enquête disciplinaire, il a porté contre un chef de gare de graves accusations reconnues injustifiées (escroqueries, abandon de service, mensonges, corruption de personnel, insultes à la clientèle) et l'a accusé en outre de "mauvais service se traduisant par de trop fréquentes irrégularités et état d'esprit déplorable et inadmissible". Le 3 novembre 1953, G. écrivit à l'Administration une lettre par laquelle il affirme qu'après avoir pris connaissance du dossier, il ne conteste pas les faits retenus à sa charge. Le 3 décembre 1953, le directeur du 1er arrondissement des CFF résilia les rapports de service de G. en vertu de l'art. 55 StF, à partir du 31 mars 1954 au soir et décida de lui allouer l'indemnité prévue à l'art. 34 des statuts de la Caisse de pensions et de secours des CFF. Cette décision est, en bref, motivée comme il suit: Comme apprenti déjà, G. a fait preuve de défauts de caractère graves et incompatibles avec la discipline de l'administration. Ses connaissances professionnelles sont insuffisantes. Il n'est parvenu au grade de commis qu'après trois examens. Depuis lors, il n'a cessé de se rendre coupable d'infractions aux prescriptions de service. Les accusations portées contre son chef manifestent son caractère agressif et insociable. Les défauts de caractère ainsi relevés constituent les justes motifs que vise l'art. 55 StF. B.- G. recourut à la Direction générale des CFF en concluant à l'annulation de la décision prise, le 3 décembre 1953, par la Direction du 1er arrondissement et au prononcé d'une sanction moins sévère.
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Le 18 octobre 1954, cependant, la Direction générale rejeta le recours, en bref par les motifs suivants: Les défauts de caractère du recourant sont manifestes. Il avait été nommé dans l'espoir que l'âge apporterait une amélioration, mais cette attente a été déçue. La situation a au contraire empiré, malgré les nombreux avertissements que G. a reçus pendant les huit années BGE 81 I 239 S. 242 qu'il a passées dans les gares. On ne saurait, dans ces conditions, obliger la direction du 1er arrondissement à conserver un agent qui est incapable de s'adapter aux exigences de l'exploitation et en qui elle n'a plus confiance. C.- Contre cette décision, G. a formé un recours par lequel il conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral: "principalement, annuler la décision dont est recours, ordonner un complément d'enquête dans le sens des motifs invoqués et prendre une nouvelle décision impliquant une sanction disciplinaire, à l'exclusion de la révocation ou de la mise au provisoire; "subsidiairement, réformer la décision dont est recours et, statuant en l'état, prendre une nouvelle décision impliquant sanction disciplinaire à l'exclusion de la révocation ou de la mise au provisoire." Il allègue en résumé: Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral (RO 56 I 494, consid. 1), la décision entreprise constitue en réalité non pas une résiliation des rapports de service fondée sur l'art. 55 StF, mais une révocation disciplinaire, car elle est justifiée effectivement par des fautes de discipline. Le recourant critique longuement l'esprit dans lequel l'enquête administrative aurait été faite. Il affirme que même si tous les faits invoqués par l'Administration étaient indiscutablement établis, ils ne permettraient pas de conclure à l'existence, chez le recourant, de défauts de caractère incompatibles avec ses fonctions; qu'enfin, ces faits ne justifieraient qu'une sanction disciplinaire d'une gravité moyenne. D.- Dans sa réponse, la Direction générale des CFF conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral prononcer: - principalement que le recours est irrecevable, - subsidiairement qu'il est rejeté, la décision attaquée étant confirmée. E.- Après le dépôt de la réplique, où le recourant a maintenu que l'art. 55 StF n'est pas applicable et que la révocation ni même la mise au provisoire ne se justifient en l'espèce, le Tribunal fédéral a délibéré, le 1er avril 1955, sur la recevabilité du recours, en tant que recours disciplinaire. Il a tranché cette question par l'affirmative. BGE 81 I 239 S. 243 F.- Le dépôt d'un état récapitulatif des violations des devoirs de service commises par G. a été requis de l'Administration. Cette pièce a été produite, le 30 avril 1955 et le recourant a présenté des observations complémentaires à ce sujet. G.- A l'audience de ce jour, les représentants des parties ont plaidé. Le recourant lui-même a eu la parole après les plaidoiries. H.- Devant le Tribunal fédéral, le recourant a requis un complément d'enquête. La Cour n'a pas jugé utile de donner suite à cette requête. Car les faits constitutifs des sept infractions disciplinaires retenues dans la communication faite à G., le 23 octobre 1953, doivent être tenus pour constants, vu en particulier les aveux consignés dans la lettre qu'il a adressée à l'Administration, le 3 novembre 1953. Les faits qui ont donné lieu aux dix sanctions disciplinaires précédemment encourues sont constants, eux aussi, le recourant ne les ayant pas contestés par la voie du recours que lui ouvrait l'art. 33 StF et les preuves réunies au cours des enquêtes étant concluantes. L'état récapitulatif produit, le 30 avril 1955, mentionne enfin un certain nombre d'autres infractions aux devoirs de service qui n'ont pas été sanctionnées par des peines disciplinaires. Parmi ces faits, le Tribunal fédéral retient ceux qui sont prouvés à satisfaction de droit et constituent en même temps des fautes du même genre que celles qui font l'objet du présent litige. Ce sont: a) Le 12 juin 1950, un court-circuit provoqué sur la ligne à haute tension; b) Le 29 avril 1951, un rapport mensonger au sujet de l'endroit où s'était arrêté un train, ce qui risquait de nuire à des collègues; de fausses accusations portées, auprès de collègues, contre un chef de gare, qui aurait prétendument donné l'ordre d'établir le rapport controuvé; c) Le 3 décembre 1952, l'arrêt intempestif d'un train, provoqué par le défaut de transmission d'un télégramme; d) Le 31 juillet 1953, contestation mensongère, pour BGE 81 I 239 S. 244 se disculper, de déclarations faites par le chef du bureau de la circulation des trains. Les autres cas mentionnés dans l'état récapitulatif, ou bien sont sans conséquence dans la présente affaire, ou bien ne sont pas établis à satisfaction de droit. Erwägungen Considérant en droit: 1. L'art. 117 OJ permet de déférer au Tribunal fédéral les décisions par lesquelles l'Administration fédérale prononce, contre ses fonctionnaires, l'une des deux peines disciplinaires les plus graves, à savoir la révocation ou la mise au provisoire (art. 31 StF). La même voie de droit n'est pas ouverte dans le cas de résiliation des rapports de service pour de justes motifs (art. 55 StF). Dans la présente espèce, l'Administration, se fondant sur l'art. 55 StF, a résilié les rapports de service de G. Elle conteste par conséquent la recevabilité du présent recours. Mais le Tribunal a constamment jugé que le recours est recevable, alors même que l'Administration fonde le renvoi sur l'art. 55 StF, dès lors que les motifs invoqués consistent dans des fautes disciplinaires. Car on ne saurait priver le fonctionnaire de son recours au Tribunal fédéral en considérant le renvoi comme une résiliation des rapports de service pour de justes motifs, alors qu'il s'agit en réalité d'une révocation, vu les faits sur lesquels la décision se fonde (RO 56 I 494; 59 I 299 ; 80 I 84 ). Les charges retenues contre G. à la clôture de l'enquête administrative constituent toutes des violations manifestes des devoirs de service (art. 22, 24 et 25 StF). La décision de renvoi prise, le 3 décembre 1953, par la Direction du 1er arrondissement invoque sans doute de graves défauts de caractère, incompatibles avec la discipline de l'Administration. Mais elle n'indique, comme manifestation de ces défauts, que des violations des devoirs de service, à l'exception toutefois d'une certaine lenteur dans l'assimilation des connaissances professionnelles, grief formulé, BGE 81 I 239 S. 245 du reste, d'une façon tout accessoire. De même, la Direction générale, dans la décision attaquée, justifie la résiliation des rapports de service par le caractère de G., mais se réfère exclusivement à l'incompatibilité de ce caractère avec la discipline de l'Administration. Ce sont donc bien aussi les fautes disciplinaires qu'elle vise, fautes qui, dit-elle, se sont multipliées malgré les nombreux avertissements reçus. L'argumentation, dans la réponse au recours, est essentiellement la même. Il suit de là que tous les faits reprochés à G. constituent essentiellement des infractions aux devoirs de service qui appellent des sanctions disciplinaires au sens des art. 30 ss. StF. Sans doute les infractions commises par le recourant, dans la mesure surtout où elles ont été nombreuses et se sont accumulées dans une période relativement courte, dénotent-elles avec certitude des défauts de caractère. Mais cela est le cas de toutes les violations des devoirs de service graves ou répétées, fussent-elles commises sans intention, par simple négligence. On ne saurait pour autant admettre que l'Administration les considère comme de justes motifs au sens de l'art. 55 StF et les sanctionne par la résiliation des rapports de service. Elles appellent le prononcé de peines disciplinaires que prévoit l'art. 31 StF. L'Administration ne peut appliquer à son gré soit cette disposition légale, soit l'art. 55 StF. Cela découle déjà du texte même de l'art. 30 al. 1 StF. Enfin, l'Administration ne prétend pas elle-même que G. ne serait pas responsable des fautes qu'il a commises et que, par conséquent, elles ne pourraient donner lieu à des sanctions disciplinaires contre lui. Au contraire, elle insiste sur l'existence de fraudes, de dol et de négligences coupables. L'examen psychotechnique qu'elle a ordonné dans l'instruction du recours devant la Direction générale n'autorise du reste aucune autre conclusion. Il n'y a donc pas lieu de rechercher si le recours serait recevable dans le cas où, en plus de violations des devoirs BGE 81 I 239 S. 246 de service selon les art. 30 ss. StF, il existerait de justes motifs de résiliation au sens de l'art. 55 StF, question que le Tribunal fédéral avait déjà laissée ouverte dans son arrêt B., du 22 décembre 1930 (RO 56 I 494, consid. 1). Il n'est pas non plus nécessaire d'examiner si une résiliation des rapports de service pourrait être justifiée par l'incompatibilité du caractère de l'agent avec les exigences de l'Administration, alors même que cette incompatibilité aurait été révélée par une faute entraînant une peine disciplinaire dans le cas normal. Car il ne pourrait en aller ainsi que s'il s'était agi d'une faute peu grave et que la résiliation ait été prononcée au début de l'engagement. Ces conditions ne sont pas remplies dans la présente espèce. Il suit de là que la décision entreprise doit être assimilée à une révocation disciplinaire et que le recours est recevable. L'enquête administrative satisfait du reste aux exigences de forme de l'art. 32 StF. Le Tribunal fédéral doit donc rechercher si la révocation se justifie en l'espèce et, dans la négative, s'il y a lieu de prononcer la mise au provisoire comme peine principale ou une autre peine, moins sévère encore. 2. Selon l'art. 31 al. 4 StF, la mise au provisoire et la révocation ne peuvent être prononcées que si le fonctionnaire s'est rendu coupable d'infractions graves ou continues aux devoirs de service. Cependant, le Tribunal fédéral a jugé qu'une faute unique peut parfois être assez lourde pour justifier à elle seule l'application de l'une de ces peines et que celles-ci, par conséquent, supposent soit une seule infraction grave, soit un ensemble d'infractions qui ne seront pas nécessairement graves, considérées séparément. Dans ce dernier cas, ce sont la répétition et la fréquence des fautes qui - lorsqu'elles portent manifestement atteinte aux intérêts de l'Administration - confèrent au cas le caractère de gravité qu'exige l'art. 31 al. 4 StF. Sont graves, au sens de cette disposition légale, en BGE 81 I 239 S. 247 particulier les infractions qui constituent des délits de droit commun (RO 77 I 88). La gravité de la faute se mesure, d'une part, à des éléments objectifs, c'est-à-dire à l'importance de l'atteinte portée aux intérêts administratifs (RO 76 I 257). De ce point de vue, la peine sert essentiellement à la prévention générale. On tiendra compte, d'autre part, d'éléments subjectifs, c'est-à-dire des penchants révélés par l'infraction et qui inclinent le fonctionnaire à enfreindre les devoirs de sa fonction. A cet égard, la gravité de la faute est plus caractérisée lorsque le fonctionnaire a agi intentionnellement (RO 76 I 259 s.). Enfin, on considérera comme continues les infractions qui constituent une unité en ce sens qu'elles violent le même devoir de service et qu'elles procèdent du même défaut dans le caractère de l'agent ou dans la manière dont il conçoit ses devoirs professionnels (arrêt Koeferli, du 25 janvier 1934). 3. Appliquant ces principes, la Cour apprécie comme il suit les diverses infractions qui font l'objet de la présente procédure disciplinaire. a) Par quatre fois, G. s'est procuré un avantage illégitime en expédiant son propre canoë. Il s'agit là d'incorrections intentionnelles, qui se caractérisent même comme des délits de droit commun. Elles sont graves en elles-mêmes et par leur répétition. Elles le sont plus encore du fait que G., touchant le poids de l'objet à transporter, a fait, en sa qualité de fonctionnaire, de fausses inscriptions sur les titres de transport. Le recourant allègue que les Chemins de fer fédéraux ne sanctionneraient en général de telles infractions que par des peines légères. Mais, supposé même qu'il en soit bien ainsi, le Tribunal fédéral n'aurait pas à apprécier, sur ce point, les motifs d'opportunité que pourrait avoir l'Administration. Le recourant, toutefois, ne s'est ainsi procuré qu'un avantage pécuniaire peu considérable et n'a pas causé à l'Administration un préjudice important ou grave. La gravité des faits réside surtout dans l'absence de scrupules BGE 81 I 239 S. 248 et la cupidité que de tels procédés révèlent chez l'agent. (RO 74 I 93.) b) Par deux fois, les 16 juillet 1952 et 31 juillet 1953, parce qu'il était resté dans le bureau, où il s'était endormi, assoupi ou simplement assis, G., qui avait la responsabilité de la réception d'un train, ne s'est pas trouvé sur le quai lors de l'entrée en gare, de sorte que le train est arrivé sans surveillance. De telles défaillances créent un danger manifeste pour les voyageurs, surtout lorsque, comme c'était le cas le 31 juillet 1953, des enfants se trouvent sur le quai d'arrivée. Ces manquements présentent une certaine gravité en eux-mêmes, du fait qu'ils intéressent la sécurité du trafic. Cette gravité est augmentée en l'espèce, parce que avant l'ouverture de l'enquête administrative, le recourant avait été puni sept fois de légères amendes pour des fautes du même ordre et que, parmi les infractions établies, mais non sanctionnées disciplinairement, on en trouve encore deux du même genre. Cela fait onze cas semblables en quatre ans. Il ne s'agit pas, cependant, d'infractions intentionnelles, mais de négligences qui trahissent une grande légèreté de caractère. Bien que les fonctionnaires qui s'occupent directement du trafic soient particulièrement exposés à ce genre de fautes, il faut admettre que, sur ce point, G. s'est rendu coupable d'infractions continues à ses devoirs de service. c) Enfin, les accusations que le recourant a portées, au cours de l'enquête administrative, contre un chef de gare étaient d'une extrême gravité, elles portaient sur des faits constitutifs de délits divers. Or elles se sont révélées tout à fait fausses ou complètement outrées. G. a dû le reconnaître lui-même et présenter ses excuses à sa victime. Précédemment, G. n'avait pas été puni pour des faits semblables. Mais il est constant que, par deux fois déjà, en avril 1951 et en juillet 1953, il n'avait pas hésité, pour se défendre, à mentir à ses chefs et à des collègues, faisant BGE 81 I 239 S. 249 ainsi porter sur d'autres fonctionnaires des fautes qu'il avait commises lui-même. Dans ces circonstances, les accusations portées contre Bersot constituaient une grave violation des devoirs de service. Le recourant aurait pu être appelé à en répondre pénalement. Elles étaient objectivement très préjudiciables à la bonne marche de l'Administration. Subjectivement, elles sont intentionnelles et révèlent un défaut à la fois de jugement et de droiture qui a poussé G. à des actes d'une bassesse manifeste. La faute, cependant, est quelque peu atténuée, parce qu'elle a été commise au cours d'une enquête disciplinaire et d'interrogatoires qui pouvaient troubler profondément un homme jeune encore. 4. Les infractions qui doivent être aujourd'hui sanctionnées disciplinairement portent donc sur la violation de trois des principaux devoirs de service: obligation du fonctionnaire d'accomplir consciencieusement et fidèlement les tâches qui intéressent la sécurité du trafic, de s'abstenir de tout ce qui porte préjudice aux intérêts de la Confédération et de se comporter avec tact et politesse envers ses supérieurs et ses collègues (art. 22, 24 al. 1 et 25 StF). Il n'est pas nécessaire, cependant, de rechercher si ces manquements justifiaient en eux-mêmes la révocation. En effet, le Tribunal fédéral a jugé que cette peine devait, en principe, avoir été précédée d'une mise en garde consistant dans une peine moins grave accompagnée d'une menace de révocation (art. 31 al. 2 StF). Exceptionnellement toutefois, il a admis que la révocation pouvait être prononcée, même sans avertissement préalable, lorsque l'infraction commise était si grave qu'elle révélait, chez son auteur, une mentalité absolument inconciliable avec la qualité de fonctionnaire (RO 74 I 91). Ce cas exceptionnel n'est pas donné en l'espèce. Les négligences dont le recourant s'est rendu coupable, ne le rendaient pas immédiatement impropre à tout service dans les chemins de fer. Il en allait de même soit des indélicatesses BGE 81 I 239 S. 250 qui ont lésé l'Administration, soit des accusations portées contre un collègue. L'autorité administrative elle-même était de cet avis, puisque ayant décidé la résiliation des rapports de service, le 3 décembre 1953, pour le 31 mars 1954, elle a laissé à G. la faculté de continuer son travail jusqu'à cette date ou de le quitter plus tôt à son gré. La révocation n'aurait donc pu être prononcée en l'espèce que si, précédemment, G. avait été menacé de cette peine à l'occasion d'un prononcé disciplinaire. Or cette condition n'est pas remplie. Les sanctions disciplinaires prises contre le recourant avant la décision du 3 décembre 1953 n'ont jamais été accompagnées d'une menace de révocation. Au contraire, l'Administration a nommé G. aspirant, le 1er avril 1948, bien qu'il eût échoué à l'examen de fin d'apprentissage, puis commis de gare 2, le 1er septembre 1949, malgré un second échec aux mêmes examens. Enfin, elle l'a promu au rang de commis de gare 1, le 1er janvier 1953, quoique, dans l'intervalle, il eût été puni de huit amendes disciplinaires pour des infractions aux devoirs de service, dont six mettaient en danger la sécurité du trafic. Il suit de là que la révocation ne se justifie pas dans la présente espèce. 5. En revanche, la mise au provisoire s'impose. G., comme on l'a relevé plus haut, a commis des infractions soit graves, soit continues, non seulement à l'un, mais à trois de ses devoirs de service essentiels, malgré la mansuétude dont on a longuement fait preuve à son égard. Il est indispensable notamment que le maintien de ses rapports de service ne dépende désormais que de sa conduite et de son zèle (art. 20 al. 1 RF II) et que l'Administration puisse le renvoyer dès le moment où il donnerait lieu à de nouvelles plaintes justi fiées. De même, il est juste de lui imposer les autres conséquences que la mise au provisoire entraîne, pour le traitement en particulier. De plus, le nombre des infractions graves ou continues qu'il s'agit de sanctionner appelle le prononcé d'une seconde peine disciplinaire (art. 31 al. 3 StF). Etant donné BGE 81 I 239 S. 251 que G. a particulièrement manqué d'exactitude et de conscience dans l'accomplissement des actes qui intéressent la sécurité du trafic, il convient de le déplacer disciplinairement (art. 31 al. 1 ch. 5 StF). Il faut que l'Administration puisse l'écarter d'un poste où il doit prendre la responsabilité de tels actes.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours, annule la décision attaquée; prononce contre G. la mise au provisoire avec déplacement dans une autre fonction.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 84 III 1 S. 2 A.- Mit Urteil vom 5. Oktober 1956 wies das Bezirksgericht die Scheidungsklage des O. ab. Nachdem O. die Berufung gegen dieses Urteil zurückgezogen hatte, schrieb das Obergericht des Kantons Zürich den Prozess am 21. Januar 1957 als erledigt ab und verpflichtete O., die Anwaltsrechnung der Ehefrau für das Berufungsverfahren bis zum Betrage von Fr. 200.-- zu bezahlen. Am 5. Februar 1957 verliess O. die eheliche Wohnung unter Mitnahme von Mobiliar. Hierauf forderte ihn der Eheschutzrichter mit Verfügung vom 23. Februar 1957 auf, in die eheliche Wohnung zurückzukehren und die von ihm weggeschafften Gegenstände zurückzubringen, und verpflichtete ihn, seine Ehefrau für Umtriebe mit Fr. 50.- zu entschädigen. Da O. der an ihn ergangenen Aufforderung keine Folge leistete und für den Unterhalt der Ehefrau nicht mehr aufkam, befahl ihm der Eheschutzrichter am 27. April 1957 unter Androhung der Zwangsvollstreckung, die weggenommenen Gegenstände in die eheliche Wohnung zurückzubringen, verpflichtete ihn, der Ehefrau mit Wirkung ab 1. März 1957 Unterhaltsbeiträge von Fr. 110.-- pro 14tägige Zahltagsperiode zu bezahlen, und wies seine Arbeitgeberin an, diesen Betrag jeweilen der Ehefrau zu BGE 84 III 1 S. 3 überweisen. Gleichzeitig wurde O. verpflichtet, dem Vertreter der Ehefrau eine Prozessentschädigung von Fr. 30.- zu bezahlen. B.- In der Betreibung Nr. 493, mit welcher die Ehefrau vom Ehemann die Bezahlung der im obergerichtlichen Abschreibungsbeschluss vom 21. Januar 1957 festgesetzten Prozessentschädigung verlangte, pfändete das Betreibungsamt am 4. März 1957 vom Lohn des Schuldners Fr. 90.- pro Monat. Die gleiche Lohnpfändung verfügte es in der Folge auch in den Betreibungen Nr. 2230 und 2643, mit denen die Ehefrau die Prozessentschädigungen gemäss den Verfügungen des Eheschutzrichters vom 23. Februar bzw. 27. April 1957 geltend machte. C.- Mit einem Revisionsgesuch, das er am 3. Juli 1957 an das Betreibungsamt richtete, verlangte O. die Aufhebung der Lohnpfändung. Zur Begründung berief er sich auf den Lohnabzug gemäss Verfügung des Eheschutzrichters vom 27. April 1957 sowie darauf, dass er für unter Eigentumsvorbehalt gelieferte notwendige Einrichtungsgegenstände, die er nach Rückschaffung des aus der ehelichen Wohnung mitgenommenen Mobiliars zur Ausstattung seiner eigenen Kleinwohnung habe kaufen müssen, monatlich Fr. 90.- abzuzahlen habe. Das Betreibungsamt berechnete seinen Notbedarf unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Aufwendungen neu auf Fr. 694.-- und hob, da sein Verdienst diesen Betrag nicht erreichte, mit Verfügung vom 5. Juli 1957 die Lohnpfändung in allen drei Betreibungen mit sofortiger Wirkung auf. D.- Gegen diese Verfügung führte die Ehefrau Beschwerde, mit der sie vor allem geltend machte, bei der Festsetzung des Notbedarfs des Ehemannes dürfe nicht berücksichtigt werden, dass er einen selbständigen Haushalt führe, weil er nach den ergangenen Gerichtsentscheiden nicht zum Getrenntleben berechtigt, sondern im Gegenteil zur Rückkehr in die eheliche Wohnung und zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft verpflichtet sei. Die untere und die obere kantonale Aufsichtsbehörde haben BGE 84 III 1 S. 4 die Beschwerde, der sie aufschiebende Wirkung erteilten, abgewiesen, die obere mit Entscheid vom 7. März 1958. E.- Diesen Entscheid hat die Ehefrau an das Bundesgericht weitergezogen.
753
555
Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. (Prozessuales.) 2. Die Vorinstanz hat mit Recht von Amtes wegen geprüft, ob die in Frage stehenden Betreibungen vor den Bestimmungen des ZGB über die Beschränkung der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten Bestand haben; denn diese Bestimmungen sind, da im öffentlichen Interesse erlassen, zwingender Natur, so dass die dagegen verstossenden Betreibungen nichtig sind ( BGE 77 III 55 , BGE 80 III 147 ). Die streitigen Betreibungen sind nach Art. 173 ff. ZGB nur dann zulässig, wenn Art. 176 Abs. 2 ZGB auf sie zutrifft, d.h. wenn sie für Beiträge angehoben wurden, die dem einen Ehegatten gegenüber dem andern durch den Richter auferlegt worden sind. Im Entscheide BGE 82 III 1 ff., an den die Erwägungen der Vorinstanz anknüpfen, hat das Bundesgericht erklärt, es rechtfertige sich allgemein, die Prozessentschädigung, die einem Ehegatten gegenüber dem andern ausser (d.h. neben) Unterhaltsbeiträgen vom Richter zugesprochen wird - sei es in einem Verfahren gemäss Art. 145 oder 170 ZGB oder auch bei gerichtlicher Trennung der Ehe -, als vom Betreibungsverbot ausgenommenen Beitrag im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB gelten zu lassen. Die Frage, ob noch weitergehend jede einem Ehegatten vom andern geschuldete Prozessentschädigung zu den Beiträgen in diesem Sinne zu rechnen sei, hat das Bundesgericht damals ausdrücklich offen gelassen (S. 6). Im angefochtenen Entscheid ist die Vorinstanz dazu gelangt, diese Frage wenigstens für den Fall zu bejahen, dass die Ehegatten tatsächlich getrennt leben und dem betreibenden BGE 84 III 1 S. 5 Ehegatten nicht etwa entgegengehalten werden kann, er selber lehne das Zusammenleben pflichtwidrig ab. (Ob die Betreibung eines so handelnden Ehegatten wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig wäre, liess die Vorinstanz als im vorliegenden Falle unerheblich dahingestellt.) Das Bundesgericht hat jedoch in dem bei Erlass des angefochtenen Urteils bereits veröffentlichten Entscheide BGE 83 III 89 ff. die in BGE 82 III 1 ff. offen gelassene Frage in klarer Weise verneint, indem es feststellte, nach geltendem Recht lasse sich die in Art. 176 Abs. 2 ZGB für Beiträge, d.h. Unterhaltsbeihilfen, vorgesehene Befreiung vom Betreibungsverbot nur auf Prozessentschädigungen ausdehnen, die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten als Nebenfolge des (u.a.) den Unterhaltsanspruch bestimmenden Urteils gewährt werden und sich damit (ganz oder doch teilweise) als Aufwand zur Erwirkung eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs erweisen; dagegen sei es unzulässig, zu den Beiträgen des Art. 176 Abs. 2 ZGB auch solche Prozessentschädigungen zu rechnen, die nicht mit der Zuerkennung von Unterhaltsansprüchen zusammenhängen (S. 91/92). An diesem Entscheide, mit dem die Vorinstanz sich nicht auseinandergesetzt hat, ist festzuhalten. Der kantonale Entscheid, den das Bundesgericht damals aufgehoben hat, war ähnlich begründet wie der heute angefochtene Entscheid, so dass zur Widerlegung der Auffassung der Vorinstanz auf die damaligen Erwägungen des Bundesgerichts verwiesen werden kann. Die Betreibungen Nr. 493 und 2230 betreffen Prozessentschädigungen, die nicht mit der Zuerkennung von Unterhaltsansprüchen zusammenhängen (vgl. oben A u. B). Sie sind daher nichtig, was ohne weiteres zur Abweisung des Rekurses mit Bezug auf diese beiden Betreibungen führt. 3. Mit Betreibung Nr. 2643 wird dagegen eine Prozessentschädigung eingefordert, die der Rekurrentin in einer Verfügung zugesprochen wurde, mit welcher ihr Ehemann u.a. zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet BGE 84 III 1 S. 6 und seine Arbeitgeberin angewiesen wurde, jeweilen den entsprechenden Betrag vom Lohn des Ehemannes abzuziehen und der Rekurrentin zu überweisen. Wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, handelt es sich bei diesen dem Ehemann auferlegten Leistungen um Beiträge (Unterhaltsbeihilfen) im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB , so dass die der Rekurrentin im gleichen Entscheid zugesprochene Prozessentschädigung nach der Rechtsprechung auf dem Betreibungsweg geltend gemacht werden kann. Die Rekurrentin hatte freilich nicht behauptet, dass der eine oder andere Ehegatte zum Getrenntleben berechtigt sei, und die ihr zugesprochenen periodischen Leistungen nicht als Unterhaltsbeiträge, sondern als Beiträge an die Haushaltskosten bezeichnet, wobei ihr nach den Feststellungen der Vorinstanz vorschwebte, es handle sich um das ihr als Führerin des ehelichen Haushalts gebührende Haushaltungsgeld. Hieraus hat jedoch die Vorinstanz mit Recht nicht geschlossen, man habe es bei den fraglichen Leistungen nicht mit wirrklichen Unterhaltsbeiträgen, sondern mit einem Haushaltungsgeld, d.h. mit Geldbeträgen zu tun, die der Ehemann der Ehefrau zur Bestreitung der Kosten des gemeinsamen Haushalts zur Verfügung zu stellen hätte, wofür die Zwangsvollstreckung nach BGE 81 III 1 ff. nicht zulässig wäre. Der Eheschutzrichter hat der Rekurrentin die erwähnten Leistungen in der Verfügung vom 27. April 1957 unter Berufung auf Art. 170 ZGB zugesprochen. Vor allem aber ist ein gemeinsamer Haushalt der Eheleute O. zur Zeit tatsächlich nicht vorhanden. Auf diesen Sachverhalt, der es ausschliesst, die streitigen Leistungen als Haushaltungsgeld zu betrachten, haben die Betreibungsbehörden abzustellen. Es kann nicht ihre Sache sein, darüber zu befinden, ob ein Ehepaar zu Recht oder zu Unrecht getrennt lebe. Selbst wenn gerichtliche Urteile und Verfügungen vorliegen, die bezügliche Ausführungen enthalten, lässt sich diese Frage im Betreibungsverfahren nicht so zuverlässig abklären, dass es BGE 84 III 1 S. 7 anginge, die Zulässigkeit der Betreibung vom Ergebnis dieser Untersuchung abhängig zu machen. So beweist die Abweisung einer Scheidungsklage an sich (entgegen der in BGE 80 I 308 Erw. 3 geäusserten, für die damals getroffene Entscheidung aber nicht ausschlaggebenden Auffassung) noch nicht, dass die Ehegatten zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft verpflichtet seien. Die Voraussetzungen für das Getrenntleben gemäss Art. 170 Abs. 1 ZGB können sehr wohl auch beim Fehlen eines Scheidungsgrundes gegeben sein (z.B. ernstliche Gefährdung der Gesundheit infolge ansteckender schwerer Krankheit des andern Ehegatten). Aber auch eine auf Wiederherstellung der Gemeinschaft gerichtete Massnahme des Eheschutzrichters erlaubt in der Folge nicht ohne weiteres den Schluss, dass das Getrenntleben unrechtmässig sei. Die Verhältnisse können sich von einem Tag auf den andern ändern, sei es, dass ein Grund zum Getrenntleben entsteht, sei es, dass ein solcher nunmehr bewiesen werden kann. Angesichts solcher Möglichkeiten könnten die Betreibungsbehörden auch beim Vorliegen gerichtlicher Urteile und Verfügungen nicht zuverlässig feststellen, ob das als Tatsache gegebene Getrenntleben rechtlich begründet sei oder nicht. Es bleibt ihnen daher gar nichts anderes übrig, als sich in dieser Beziehung an die tatsächlichen Verhältnisse zu halten, wie die Vorinstanz es getan hat, und diese Verhältnisse lassen die Betreibung Nr. 2643 wie gesagt als zulässig erscheinen. 4. Ist diese Betreibung mit Rücksicht darauf, dass die in der Verfügung vom 27. April 1957 festgesetzten periodischen Leistungen nach der tatsächlichen Lage nicht als Haushaltungsgeld, sondern als Unterhaltsbeihilfen gelten müssen, zu gestatten, so können nach Vernunft und Billigkeit für die Berechnung des Notbedarfs auch nur die tatsächlich vorhandenen Verhältnisse massgebend sein und kann auch in diesem Punkte nichts darauf ankommen, ob der Ehemann der Rekurrentin zum Getrenntleben berechtigt sei oder nicht. BGE 84 III 1 S. 8 Das Begehren der Rekurrentin, der Notbedarf ihres Ehemannes sei ohne Rücksicht auf die aus dem Getrenntleben sich ergebenden erhöhten Bedürfnisse festzusetzen, läuft darauf hinaus, dass auf den Ehemann durch Entzug von Mitteln, die er wirklich benötigt, um als alleinstehender Mann sein Leben zu fristen, ein Druck ausgeübt werden soll, um ihn zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu bestimmen. Einen derartigen Zwang erlaubt das Gesetz ebensowenig wie einen solchen durch Verpflichtung des widerspenstigen Ehegatten zu Schadenersatzleistungen ( BGE 80 I 309 Erw. 4). Dass der Notbedarf des Ehemannes seinen Verdienst auch bei Berücksichtigung der Bedürfnisse eines alleinstehenden Mannes nicht erreiche, wird von der Rekurrentin nicht behauptet. Aus diesen Gründen ist der Rekurs auch mit Bezug auf die Betreibung Nr. 2643 abzuweisen.
1,813
1,409
Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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2,013
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Sachverhalt ab Seite 571 BGE 139 V 570 S. 571 A. A. bezog ab 1. September 2010 Ergänzungsleistungen (EL) zur Altersrente der AHV (Verfügung vom 29. Oktober 2010), welche in der Folge mehrmals neu berechnet wurde. Im November 2012 nahm das Amt für AHV und IV, Ausgleichskasse, des Kantons Thurgau im Rahmen der periodischen Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Neuberechnung der EL vor. Diese ergab für die Zeit vom 1. September 2010 bis 30. November 2012 zu viel ausbezahlte Leistungen in der Höhe von Fr. 29'822.-. Mit Verfügung vom 14. November 2012 forderte die Ausgleichskasse diesen Betrag zurück und setzte den Anspruch für Dezember 2012 auf Fr. 1'728.- fest. Die dagegen erhobene Einsprache wies das Amt für AHV und IV, Rechts- und Einsprachedienst, mit Entscheid vom 13. März 2013 ab. B. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der A. änderte das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht mit Entscheid vom 17. Juli 2013 den angefochtenen Einspracheentscheid dahingehend ab, dass es den Rückforderungsbetrag (für die Monate Dezember 2010 bis November 2012) auf Fr. 28'850.- festsetzte. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., der Entscheid vom 17. Juli 2013 sei aufzuheben und von der Rückforderung über Fr. 28'850.- sei abzusehen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
321
234
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Nach verbindlicher, im Übrigen unbestrittener Feststellung der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ) war bei der ursprünglichen EL-Berechnung ein zu hoher Mietzins als Ausgabe anerkannt worden, indem unberücksichtigt blieb, dass die 1980 geborene Tochter der Beschwerdeführerin im selben Haushalt wohnte (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b ELG [SR 831.30] und Art. 16c ELV [SR 831.301]). Ebenfalls erfolgte keine Anrechnung des Freizügigkeitsguthabens des Ehemannes samt Zins ab dem frühestmöglichen Bezugszeitpunkt nach Vollendung des 60. Altersjahres am 6. April 2011 ( Art. 16 Abs. 1 FZV [SR 831.425]; vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. b und c ELG ). 2. Mit Bezug auf die einzig streitige Frage, ob der Rückforderungsanspruch bei Erlass der Verfügung vom 14. November 2012 verwirkt war ( Art. 25 Abs. 2 ATSG [SR 830.1]; BGE 138 V 74 E. 4 S. 77), steht sodann fest, dass die Beschwerdeführerin im BGE 139 V 570 S. 572 Anmeldeformular angegeben hatte, dass drei Personen - ausser ihr und ihrem Ehemann auch die Tochter - in ihrem Haushalt lebten. Das Freizügigkeitskonto ihres Ehegatten wurde nicht erwähnt und auch später nicht mitgeteilt, als das Guthaben hätte bezogen werden können. Erst im Rahmen der Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse per September 2012 wurde - auf dem Beiblatt 6 (BVG-Leistungen) - das Freizügigkeitskonto samt derzeitigem Kontostand angegeben. 3. 3.1 Es ist - zu Recht - unbestritten, dass die versehentliche Nichtberücksichtigung des Umstandes der im Haushalt der Beschwerdeführerin wohnenden Tochter bei der Festsetzung des Mietzinses als anerkannte Ausgabe bei der EL-Berechnung in der Verfügung vom 29. Oktober 2010 die relative einjährige Verwirkungsfrist für die Geltendmachung einer Rückforderung nicht auszulösen vermochte. Diesbezüglich massgebend ist jener Zeitpunkt, in dem die Beschwerdegegnerin später bei der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit, etwa aufgrund eines zusätzlichen Indizes, den Fehler hätte erkennen können und dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung gegeben sind (Urteil 9C_877/2010 vom 28. März 2011 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Dieser Rechtsprechung liegt u.a. die Überlegung zugrunde, dass bei einer Neuberechnung der EL grundsätzlich bloss die dazu Anlass gebenden Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur zu beachten und zu berücksichtigen sind. Dagegen ist nicht jedes Mal bzw. lediglich bei entsprechenden Anhaltspunkten zu prüfen, ob die Angaben im Anmeldeformular seinerzeit auch richtig umgesetzt worden waren. Anders verhält es sich bei der periodischen, mindestens alle vier Jahre vorzunehmenden Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Spätestens in diesem Zeitpunkt gilt eine allenfalls unrechtmässige Leistungsausrichtung als erkennbar, sodass die relative einjährige Verwirkungsfrist zu laufen beginnt, sobald der Rückforderungsanspruch als solcher und betragsmässig feststeht ( Art. 30 ELV ; SVR 2011 EL Nr. 7 S. 21, 9C_999/2009 E. 3.2.1 mit Hinweis). Darüber hinaus ist jedoch nicht - mit Blick darauf, dass die Ergänzungsleistung in der Regel für die Dauer eines Jahres festgesetzt wird ( Art. 9 Abs. 1 ELG ; BGE 128 V 39 ), somit jährlich neu zu berechnen ist - von einer zumutbaren Kenntnis der EL-Durchführungsstelle von einer allfälligen fehlerhaften erstmaligen Anspruchsberechnung und Leistungsfestsetzung von Gesetzes wegen auszugehen (offengelassen im Urteil 9C_999/2009 vom 7. Juni 2010 E. 3.2.1). Eine jährliche Verifizierung jeder einzelnen BGE 139 V 570 S. 573 Position in der EL-Berechnung stellte einen im Rahmen der Massenverwaltung kaum zu bewältigenden Aufwand dar, welchem Umstand der Verordnungsgeber mit Art. 30 ELV , wonach die wirtschaftlichen Verhältnisse periodisch, mindestens alle vier Jahre zu überprüfen sind, in gesetzeskonformer Weise Rechnung getragen hat. 3.2 3.2.1 Die Vorinstanz hat festgestellt, die Frage nach der Anzahl der mit der Beschwerdeführerin im selben Haushalt wohnenden Personen sei auch anlässlich der folgenden EL-Berechnungen (Verfügungen vom 23. Dezember 2010, 21. Februar, 12. und 31. Mai 2011) nicht thematisiert worden. Das Zusammenleben mit der Tochter ergebe sich denn auch nicht aus den vorliegenden Akten. Erst anlässlich der im September 2012 eingeleiteten Revision sei diese Tatsache festgestellt worden. Mit Erlass der Rückerstattungsverfügung vom 14. November 2012 sei somit die einjährige Verwirkungsfrist gewahrt. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass der Mietzins nicht der Grund für die verschiedenen EL-Neuberechnungen im Zeitraum Dezember 2010 bis Mai 2011 war. Umstände, welche die Beschwerdegegnerin bei der gebotenen Aufmerksamkeit hätten veranlassen müssen, auch diese Berechnungsposition zu überprüfen, und zwar anhand der Akten, welche der erstmaligen EL-Zusprechung zugrunde lagen, insbesondere der Angaben im Anmeldeformular, bringt sie jedoch nicht vor. Die erwähnten Berechnungen waren auch nicht anlässlich einer Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gestützt auf Art. 30 ELV erfolgt. 3.2.2 Mit Bezug auf das erstmals im Oktober 2012 erwähnte Freizügigkeitskonto bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe bei der Erstanmeldung das Beiblatt 6 (BVG-Leistungen) nicht erhalten. Dieses habe somit bei den eingereichten Unterlagen gefehlt und hätte von der Beschwerdegegnerin nachgefordert bzw. eingeholt werden müssen. Bei diesem Vorgehen hätte das Freizügigkeitsguthaben rechtzeitig bei der Berechnung des Vermögensverzehrs berücksichtigt werden können. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Unter Ziff. 19 "Erhalten Sie eine BVG-Rente?" im Anmeldeformular vom 30. August 2010 fand sich fett gedruckt der Vermerk "Bitte Beiblatt 6 (BVG Leistungen) ausfüllen". Fehlte das betreffende Formular tatsächlich, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, dies der Beschwerdegegnerin zu melden. Es kommt dazu, dass Ziff. 10 des BGE 139 V 570 S. 574 Anmeldeformulars nach sonstigem Vermögen der EL-Ansprecherin und ihres Ehemannes fragte, was verneint wurde. Es wären somit sämtliche Aktiven anzugeben gewesen, wozu unzweifelhaft auch ein Freizügigkeitskonto gehört (Urteil 9C_112/2011 vom 5. August 2011 E. 2). Im Übrigen gilt das im Zusammenhang mit dem Mietzins Gesagte. 3.3 Der masslich nicht bestrittene Rückforderungsanspruch ist somit nicht verwirkt. Die Beschwerde ist unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 132 BGE 131 II 132 S. 132 A. et K., ressortissants turcs, ont été extradés à l'Inde pour les besoins d'une procédure pénale relative à des délits d'escroquerie, abus de confiance et corruption. L'extradition, accordée le 9 mai 1997 et confirmée par arrêt du Tribunal fédéral du 16 septembre 1997, ne s'étendait pas aux actes de corruption, et était assortie de diverses conditions relatives au respect du Pacte ONU II, s'agissant notamment des droits de la défense et des conditions de détention, ainsi que du principe de la spécialité. La Suisse a également transmis à l'autorité indienne, par la voie de l'entraide judiciaire, la documentation relative notamment à des BGE 131 II 132 S. 133 comptes bancaires détenus par A., K. et leur société auprès des banques X. et Y. Le 24 septembre 2003, l'Ambassade d'Inde à Berne a présenté à l'Office fédéral de la justice (OFJ) une demande tendant à l'audition en vidéoconférence, par un tribunal de Delhi, de responsables des deux banques précitées. Le représentant de la banque Y. devait expliquer dans quelles circonstances un montant de 37.62 millions d'US$ avait été reçu par cet établissement, puis renvoyé en Inde après que l'ouverture d'un compte ait été refusée. Le représentant de la banque X. devait confirmer la date d'ouverture de trois comptes, le versement sur l'un d'eux du montant précité, ainsi que différentes opérations effectuées sur instructions de A.; la preuve par pièces de ces opérations était requise. La demande a été transmise au Ministère public de la Confédération (MPC). Le 3 septembre 2004, après plusieurs échanges de lettres avec l'autorité requérante, le MPC a décidé d'admettre la demande. Les représentants des deux banques seraient cités à comparaître ultérieurement pour déposer par vidéoconférence à l'Ambassade d'Inde à Berne; ils pourraient être assistés d'un conseiller juridique. Le MPC autorisait aussi la présence des fonctionnaires et techniciens étrangers nécessaires au bon déroulement de l'audition. Le principe de la spécialité était également rappelé. Saisi d'un recours de droit administratif formé par A. et K., le Tribunal fédéral a annulé cette dernière décision.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Pour les recourants, l'audition par vidéoconférence ne serait prévue ni par l'échange de lettres, ni par la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP; RS 351.1). Le deuxième protocole additionnel à la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale du 20 avril 1959 (CEEJ; RS 0.351.1), non encore en vigueur pour la Suisse, ne saurait de toute façon profiter à l'Etat requérant. Les autorités indiennes ne seraient pas non plus en droit d'obtenir la mesure requise selon leur propre législation, car le juge spécial compétent a déjà ordonné la clôture de la procédure probatoire dans le procès. Selon le MPC, la mesure d'entraide serait prévue dans l'échange de lettres du 20 février 1989 entre l'Inde et la Suisse, au titre des "autres modes de coopération" dont sont convenus les deux Etats. BGE 131 II 132 S. 134 Il ne s'agirait que d'une simple modalité d'une audition de témoins. Ces derniers ayant refusé de se déplacer en Inde, il ne resterait plus au tribunal compétent que de se rendre in corpore en Suisse, ou d'autoriser une vidéoconférence. 2.1 L'échange de lettres du 20 février 1989 entre l'Inde et la Suisse concernant l'entraide judiciaire en matière pénale (RS 0.351.942.3) doit être considéré comme un véritable traité constituant la base de la coopération entre les deux Etats ( ATF 122 II 140 consid. 2 p. 141). Aux termes de cet accord, les parties s'octroient, sur la base de la réciprocité et conformément à leur loi nationale, l'entraide la plus large possible, selon les modes énumérés aux points 1 à 7 de l'échange. Cela comprend l'obtention de moyens de preuve par l'application de mesures de contrainte - moyennant le respect de la condition de la double incrimination - et l'audition de personnes sans application de moyens de contrainte. Selon le ch. 7, d'autres formes d'entraide peuvent se présenter, les deux Etats se déclarant prêts à envisager, sur demande et dans des cas particuliers, d'autres modes de coopération. 2.2 L' art. 63 EIMP définit les différents actes d'entraide qui peuvent être effectués par la Suisse à la demande d'une autorité étrangère; il précise que ces actes doivent être "admis en droit suisse". Les mesures d'audition et de confrontation sont certes prévues ( art. 63 al. 2 let. b EIMP ), mais pas selon les modalités de la vidéoconférence. Dans son message relatif au deuxième protocole additionnel à la CEEJ, le Conseil fédéral admet que ce moyen n'est pas explicitement prévu par le droit de procédure suisse; il estime que les art. 65 et 65a EIMP pourraient autoriser le recours à un tel moyen de preuve (FF 2003 p. 2887). Toutefois, comme le relève ZIMMERMANN (La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Berne 2004, n. 246-1), l' art. 65 EIMP permet uniquement de confirmer les dépositions selon les exigences du droit de l'Etat requérant, mais non d'effectuer des actes qui ne sont pas prévus par le droit suisse. La forme applicable à la confirmation des dépositions doit de toute façon respecter le droit suisse (al. 2). Quant à l' art. 65a EIMP , s'il permet aux enquêteurs étrangers de participer en Suisse à l'exécution des actes d'entraide, cette participation ne doit pas avoir pour conséquence que des informations confidentielles ne parviennent à l'autorité requérante avant qu'il ne soit statué sur l'octroi et l'étendue de l'entraide ( art. 65a al. 3 BGE 131 II 132 S. 135 EIMP ). La pratique a dégagé une série de principes à respecter dans ce cadre: l'autorité d'exécution doit contrôler strictement la participation des enquêteurs étrangers en dirigeant les investigations (art. 26 al. 2 de l'ordonnance du 24 février 1982 sur l'entraide pénale internationale [OEIMP; RS 351.11]), et en obtenant au besoin l'assurance de l'Etat requérant que les renseignements ne seront pas utilisés avant l'octroi définitif de l'entraide ( ATF 118 Ib 547 consid. 6c p. 562 et les arrêts cités; ATF 113 Ib 157 consid. 7c p. 169). Comme il l'a déjà été relevé ci-dessus, la transmission immédiate au juge étranger de la déposition de témoins apparaît incompatible avec ces exigences. Selon l'ordonnance attaquée, le juge de Delhi, ainsi que les parties, pourront poser librement leurs questions, auxquelles les témoins devront immédiatement répondre, sans qu'aucun contrôle préalable ne soit prévu par l'autorité d'exécution suisse. Toutes les personnes présentes dans la salle du Tribunal pourront ainsi prendre directement connaissance des déclarations des témoins. Il en résulte un risque évident de diffusion non contrôlée de ces informations à l'étranger, contrairement notamment au principe de la spécialité. On ne saurait par conséquent soutenir que l'audition par vidéoconférence ne serait qu'une modalité d'application de l' art. 65a EIMP . 2.3 Dès l'entrée en vigueur du Protocole II à la CEEJ, la Suisse ne pourra plus refuser à un Etat partie l'exécution d'une vidéoconférence au motif que celle-ci ne peut trouver son fondement dans le droit interne. En effet, selon l'art. 9 par. 2 du protocole, à défaut de déclaration inverse, la partie requise consent à un tel moyen de preuve, pour autant que le recours à cette méthode ne soit pas contraire aux principes fondamentaux de son droit. Cette dernière mention ne permet pas de rejeter une demande d'entraide judiciaire au motif que le droit interne ne prévoit pas ce moyen (FF 2003 p. 2885). L'obligation d'aménager une vidéoconférence découlera, dans ce cas, de l'engagement international exprès de la Suisse (ZIMMERMANN, op. cit., n. 246-1). Or, rien de tel n'a été convenu dans l'échange de lettres avec l'Inde. 2.4 Non prévue par le droit conventionnel et interne, l'audition par vidéoconférence se heurterait également à d'autres principes fondamentaux fixés dans l'EIMP. Sous réserve des règles de procédure particulières figurant dans la convention, et qui pourraient s'appliquer dans la mesure où elles BGE 131 II 132 S. 136 rendent plus aisée la collaboration internationale (principe de faveur), la procédure à suivre en Suisse est exclusivement régie par l'EIMP, soit, pour les demandes d'entraide, les art. 75 ss EIMP . La référence conventionnelle à la loi nationale se rapporte en effet à la procédure d'entraide judiciaire à suivre dans l'Etat requis ( ATF 122 II 140 consid. 5b p. 142 concernant l'échange de lettres avec l'Inde; ATF 124 II 120 consid. 4b p. 11 concernant l' art. 3 CEEJ ). Après un examen préliminaire d'admissibilité, l'autorité compétente rend une décision d'entrée en matière sommairement motivée et procède aux actes d'entraide requis ( art. 80a EIMP ). Elle doit ensuite procéder au tri des renseignements obtenus et écarter, avec la participation des ayants droit, ceux qui n'ont aucun intérêt potentiel pour l'enquête ( ATF 130 II 14 consid. 4.3 et 4.4 p. 16 ss). Elle rend ensuite sa décision de clôture motivée ( art. 80d EIMP ), contre laquelle les personnes touchées peuvent recourir ( art. 80e ss EIMP ). Ces principes sont évidemment applicables aux dépositions de témoins devant l'autorité d'exécution: aucun renseignement utilisable par l'autorité requérante ne doit en principe lui parvenir avant l'entrée en force de la décision de clôture. 2.5 En l'occurrence, la vidéoconférence telle qu'envisagée par le MPC ne satisfait pas à ces exigences procédurales. Les témoins seront directement entendus par le juge étranger, sans aucun droit de contrôle et d'intervention de l'autorité d'exécution. Les réponses des témoins seront transmises au Tribunal de Delhi, sans que l'autorité d'exécution ne puisse vérifier au préalable le respect du principe de la proportionnalité; toute procédure de tri est exclue, et aucune protection juridique n'est prévue pour les éventuels ayants droit - dont le cercle ne peut être définitivement fixé qu'à l'issue de l'audition, en fonction des renseignements donnés par les témoins. La procédure suivie n'offre également aucune garantie du point de vue du principe de la spécialité, puisque les informations transmises seront accessibles à toutes les personnes présentes au procès.
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