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de
Sachverhalt ab Seite 664 BGE 133 III 664 S. 664 A. Um das Jahr 1970 eröffnete der schwedische Staatsbürger E. (nachfolgend Erblasser) bei der Bank S. unter der Stamm-Nr. X ein Konto und ein Wertschriftendepot, über welche er in der Folge verschiedene Transaktionen abwickelte. Im Jahr 1993 verfügte er die Auflösung der Bankverbindung und die Übertragung aller Vermögenswerte auf ein Konto bzw. Depot, das auf die Foundation F. mit Sitz in Vaduz lautete. Im Jahr 2000 verstarb er in Stockholm und hinterliess vier Kinder (die heutigen Kläger) aus erster sowie zwei Kinder aus zweiter Ehe. Im Zuge der Nachlassabwicklung gelangten die Kläger an die Bank S. mit der Bitte um Auskunftserteilung über allfällige Vermögenswerte, welche mit dem Nachlass in Zusammenhang stehen könnten. Auf entsprechendes Ersuchen übergab die Bank S. den Klägern die BGE 133 III 664 S. 665 noch vorhandenen Unterlagen zu den im Jahr 1993 aufgelösten Konten. Auskünfte über allfällige Guthaben, an denen der Erblasser wirtschaftlich berechtigt gewesen sein könnte, verweigerte sie unter Hinweis auf Art. 47 des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0) . B. Hierauf erhoben die Kinder aus erster Ehe am 22. September 2005 Klage gegen die Bank S. und verlangten Auskunft über sämtliche Vorgänge und Verhältnisse bis zum Tod des Erblassers, welche den Nachlass beeinflussen könnten, insbesondere die Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X und aller Einzahlungs- bzw. Überweisungsunterlagen zu irgendwelchen Konten sowie die Bekanntgabe allfälliger weiterer direkt oder wirtschaftlich dem Erblasser gehörenden Vermögenswerte. Mit Urteil vom 12. Januar 2006 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab. Mit Beschluss und Urteil vom 21. November 2006 nahm das Obergericht des Kantons Zürich Vormerk, dass die Klageabweisung bezüglich der Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X in Rechtskraft erwachsen sei, und wies die weiteren Auskunftsbegehren ab. C. Dagegen haben die Kläger am 12. Januar 2007 eidgenössische Berufung erhoben mit den Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, sämtliche Einzahlungs- und Überweisungsbelege zu edieren, bzw. die entsprechenden Auskünfte zu erteilen, die bezüglich Einzahlungen und Überweisungen Aufschluss zu geben vermöchten, welche der Erblasser bis zu seinem Tod auf irgendein Konto oder Depot bei der Beklagten getätigt habe, insbesondere zugunsten der Stiftung R. und der Foundation F. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
1,063
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Kläger nehmen vorab vertragliche Auskunfts- und Einsichtsrechte für sich in Anspruch. 2.1 Das Obergericht hat erwogen, nachdem die Beklagte über die bekannten und saldierten Konten Auskunft erteilt habe, bleibe noch streitig, ob die Kläger hinsichtlich allfälliger Bareinzahlungen und Überweisungen des Erblassers auskunftsberechtigt seien. Bei einmaligen Bareinzahlungen entstehe jedoch keine Geschäftsbeziehung und die Bank sei diesbezüglich auch nicht buchführungspflichtig, sie sei BGE 133 III 664 S. 666 blosse Zahlstelle. Bei einer Überweisung am Bankschalter dürfte das Verhältnis zwischen Einzahler und Bank hingegen als Auftrag zu qualifizieren sein. Trotzdem verdiene die Forderung nach Auskunft keinen Rechtsschutz, wenn nicht einmal feststehe, ob überhaupt eine Überweisung durch den Erblasser erfolgt sei. Die Kläger hätten sich mit ihrem Auskunftsbegehren an die ihnen bekannten Stiftungen zu halten, ansonsten Erben bei beliebigen Banken nachforschen könnten, ob der Erblasser irgendwann irgendwelche Zahlungen abgewickelt habe, was nicht der Sinn des vertraglichen Auskunftsrechts sein könne. Bei der Überweisung ab einem Konto bei einer Drittbank schliesslich bestehe nur zwischen Überweiser und Senderbank, nicht aber zwischen Überweiser und Empfängerbank ein vertragliches Verhältnis. Zwar könne der Überweiser gegenüber der Empfängerbank allenfalls Schadenersatzansprüche geltend machen, aber diese sei mangels einer vertraglichen Beziehung weder auskunfts- noch rechenschaftspflichtig. 2.2 Was die letztgenannte Konstellation anbelangt, hat das Obergericht zu Recht festgehalten, dass bei Überweisungen von einem Konto bei einer Drittbank keine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Überweiser und der Empfängerbank besteht ( BGE 121 III 310 E. 3a S. 312 f. m.w.H.). Der von den Klägern angerufene BGE 124 III 253 E. 3b S. 256 betrifft denn auch das Verhältnis zwischen Sender- und Empfängerbank, nicht dasjenige zwischen Überweiser und Empfängerbank. Ohnehin ist angesichts der klägerseits akzeptierten Aussage der Bank S., es seien keine weiteren auf den Erblasser lautende Konten vorhanden (gewesen), nicht ersichtlich, inwiefern dieser bei Überweisungen von einer Drittbank gegenüber der Bank S. hätte auskunftsberechtigt sein können; entsprechend verfügen diesbezüglich auch die Kläger als seine Rechtsnachfolger über keine Informationsansprüche gegenüber der Bank S. (dazu E. 2.5). Näher zu prüfen ist hingegen die Konstellation der Einzahlung bzw. Überweisung direkt bei der Beklagten. 2.3 Diesbezüglich machen die Kläger geltend, solche Geschäfte würden im Rahmen eines von gegenseitigem Rechtsbindungswillen getragenen Auftragsverhältnisses erfolgen. Der Auftraggeber müsse die richtige Ausführung des Auftrags überprüfen können und habe deshalb ein Auskunftsrecht. Dies ergebe sich auch aus Billigkeitsüberlegungen, wären doch die Erben sonst oft gar nicht in der Lage, den Umfang des Nachlasses festzustellen. Im Übrigen diene das Auskunftsbegehren gerade dazu, Klarheit über allfällige BGE 133 III 664 S. 667 Einzahlungen zu erlangen, weshalb sich der Rechtsschutz nicht wegen Nichtwissens verneinen lasse, zumal das Begehren klar spezifiziert sei, hätten sie doch sogar den Namen des Kundenbetreuers genannt, der über die Verhältnisse des Erblassers umfassend im Bild sei. 2.4 Die Bank S. bestreitet das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses bei Einzahlungen bzw. Überweisungen am Bankschalter. Diesfalls leiste der Einzahlende nicht an den Empfänger direkt, sondern an die kontoführende Bank; insofern sei sie Zahlstelle im Rahmen der schuldnerischen Ermächtigung, die Zahlung erfüllungshalber durch eine Einzahlung auf das Konto zu leisten. Ein Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und kontoführender Bank entstehe nur dann, wenn dieser von sich aus, ohne entsprechende Ermächtigung des Gläubigers, seine Verbindlichkeit durch Zahlung an die Bank, verbunden mit der Anweisung zur entsprechenden Gutschrift auf dem Konto, tilge. In der Praxis komme dies aber kaum je vor, weil dem Schuldner ja die Kontonummer seines Gläubigers bekannt sein müsse. Im Sinn einer Arbeitshypothese sei deshalb davon auszugehen, dass vorliegend der Erblasser vom Zahlungsempfänger ermächtigt worden sei, auf dessen bei der Bank S. geführtes Konto zu zahlen, und sie (die Bank S.) deshalb blosse Zahlstelle sei. 2.5 Aus dem Wesen der Universalsukzession im Sinn von Art. 560 ZGB folgt, dass nicht nur sämtliche Vermögensrechte, sondern insbesondere auch die vertraglichen Auskunftsansprüche auf die Erben übergehen, soweit sie nicht höchstpersönliche Rechte des Erblassers beschlagen, wobei diese Ansprüche jedem Erben einzeln zustehen ( BGE 89 II 87 E. 6 S. 93; FELLMANN, Berner Kommentar, N. 103 ff. zu Art. 400 OR ; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, Zürich 2006, N. 40 ff. zu Art. 47 BankG ; STRATENWERTH, Basler Kommentar, N. 24 zu Art. 47 BankG ; ZOBL, Probleme im Spannungsfeld von Bank-, Erb- und Schuldrecht, AJP 2001 S. 1017; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Die Auskunftsrechte von Erben gegenüber Banken, Jusletter vom 8. September 2003, Rz. 21 ff.). Die Kläger haben mithin die Auskunftsberechtigung des Erblassers und deren Übergang kraft Universalsukzession darzutun. Als erbrechtlich erworben bestehen die vertraglichen Auskunftsansprüche in demjenigem Umfang, wie sie für den Erblasser gegolten haben. 2.6 Nach eigenem Zugeständnis der Bank S. in der Berufungsantwort besteht jedenfalls dort ein Vertragsverhältnis zwischen der BGE 133 III 664 S. 668 kontoführenden Bank und dem Einzahlenden, wo dieser nicht auf Weisung des Begünstigten handelt. Umso mehr muss von einem Auftragsverhältnis zwischen der einzahlenden Person und der Bank ausgegangen werden, wenn der Kontoinhaber nicht in Erfüllung einer Schuldpflicht, sondern aus freien Stücken begünstigt werden soll. Genau dies trifft aber im vorliegenden Einzelfall zu, ist doch Hintergrund des Auskunftsbegehrens die Vermutung der Kläger, dass der Erblasser mit verschiedenen Transaktionen Geld bei den beiden liechtensteinischen Stiftungen parkiert hat. Einzahlungen bzw. Überweisungen zugunsten der Stiftungen wären somit aus freiem Willensentschluss des Erblassers erfolgt. Bei solchen Transaktionen ist die Bank nicht Gehilfin des Kontoinhabers; vielmehr wird sie im Interesse des Einzahlenden tätig und verwendet das Geld gemäss dessen Weisungen im Rahmen eines Einzelauftragsverhältnisses. Verpflichtet sich die Bank bei solchen Vorgängen mit der Entgegennahme des Geldes, dieses entsprechend den Weisungen des Auftraggebers zu verwenden, ist sie diesem beschränkt auf die betreffende Transaktion rechenschafts- und auskunftspflichtig ( Art. 400 Abs. 1 OR ; FELLMANN, a.a.O., N. 23 zu Art. 400 OR ). Dass vorliegend nicht mit Sicherheit feststeht, ob überhaupt Einzahlungen durch den Erblasser erfolgt sind, sondern hierfür nur Anhaltspunkte bestehen, kann entgegen der Auffassung des Obergerichts keine Rolle spielen, wäre doch die Bank dem Erblasser hierüber auskunftspflichtig gewesen und liegt es in der Natur der Sache, dass es im Zusammenhang mit dem Erbgang zu Wissensdefiziten und zum Verlust von Belegen über die entsprechenden Vorgänge kommen kann. Ins Leere stösst sodann der Verweis auf das Bankgeheimnis gemäss Art. 47 BankG : Dieses gilt nur gegenüber Dritten, während es gegenüber dem Geheimnisherrn - und im Rahmen der Erbfolge auch gegenüber seinen Universalsukzessoren - von vornherein nicht greifen kann (KLEINER/SCHWOB/WINZELER, a.a.O., N. 14 zu Art. 47 BankG ). In diesem Sinn dürfte die Bank bei der Bareinzahlung oder Überweisung selbstverständlich keine Auskünfte über den Saldo des begünstigten Kontos erteilen oder gar Auszüge davon aushändigen. Soweit sie dem Einzahlenden aber Auskunft über die Einzahlung als solche erteilt, gibt sie ihm nichts bekannt, was er nicht bereits wusste, und insofern kann sie ihm begriffslogisch auch kein Geheimnis preisgeben. Ebenso wenig wird das Bankgeheimnis verletzt, wenn die Bank einem Kunden beispielsweise bestätigt, dass er kein Konto besitzt oder keine Transaktionen durchgeführt hat, woran er gegenüber BGE 133 III 664 S. 669 den Steuerbehörden oder in einem Scheidungsverfahren gegenüber dem Ehegatten interessiert sein kann. Vor diesem Hintergrund kann es im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis auch keine Rolle spielen, dass die Kläger kein gesichertes Wissen haben; mit der Auskunft über allfällige Einzahlungen oder mit der Information, es seien keine solchen erfolgt, wird nichts preisgegeben, wovon der Erblasser als Rechtsvorgänger der Kläger nicht Geheimnisherr gewesen wäre. Ebenso wenig wie der Verweis auf das Bankgeheimnis verfängt derjenige auf die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (Sorgfaltspflichtsvereinbarung, VSB 03), in deren Art. 2 sich die Banken bei der Entgegennahme von Beträgen über Fr. 25'000.- Identitifikations- und Abklärungspflichten auferlegt haben. Diese bleiben ohne Einfluss auf die Natur des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden. Einzige Auswirkung im interessierenden Kontext ist, dass infolge der Dokumentationspflicht die Bank einem Auskunftsbegehren eher wird nachleben können, steht und fällt doch die Auskunftserteilung in tatsächlicher Hinsicht damit, dass bei der Bank zum betreffenden Vorgang (noch) Unterlagen oder jedenfalls Kenntnisse greifbar sind.
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Erwägungen ab Seite 60 BGE 99 V 60 S. 60 Extrait des considérants: L'art. 104 lit. a OJ dispose que le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit fédéral, y compris l'excès et l'abus du pouvoir d'appréciation. a) La notion de droit fédéral au sens de cette disposition comprend les droits individuels établis par la constitution fédérale (cf. notamment art. 4 Cst.). La jurisprudence du Tribunal fédéral a reconnu que le recours de droit administratif assume le rôle du recours de droit public à l'égard de violations des droits constitutionnels commises par l'autorité cantonale dans les matières soumises au contrôle de l'autorité judiciaire fédérale statuant comme juge administratif (cf. p.ex. RO 96 I 184 ss, BGE 99 V 60 S. 61 ainsi que la jurisprudence y citée). C'est donc dans le cadre du recours de droit administratifque doit être examinée la violation de l'art. 4 Cst. invoquée par le recourant. Les art. 26-28 LPA ouvrent à la partie ou à son mandataire le droit de consulter le dossier et fixent les limites de ce droit, ainsi que les conséquences de sa violation. Certes ces dispositions ne sont-elles directement applicables ni aux caisses cantonales de compensation ni aux autorités judiciaires cantonales de première instance chargées de trancher les litiges en matière d'assurance-invalidité; elles n'en semblent pas moins refléter un principe général de la procédure administrative. Un refus du juge cantonal de donner connaissance du dossier à l'assuré ou à son mandataire peut donc, selon les circonstances, être considéré comme la violation d'un principe de droit fédéral au sens de l'art. 4 Cst. Point n'est toutefois besoin d'examiner ici plus avant la question, qui souffre de rester indécise en l'espèce. En effet, la jurisprudence a posé le principe que la violation du droit d'être entendu - domaine qui comprend celui en cause (cf. FRITZ GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, Berne 1969, pp. 44 ss, en particulier p. 46, et la jurisprudence qu'il cite) - est réparée lorsque le recourant, non entendu en première instance, a eu la faculté de s'exprimer devant une autorité cantonale de recours pouvant examiner librement le fait et le droit. Il y a lieu de se demander à ce sujet si une telle réparation peut également s'opérer dans la procédure de recours auprès du Tribunal fédéral des assurances. Dans les cas où ce dernier est lié par les constatations de fait de l'autorité inférieure, cette question doit à l'évidence être tranchée par la négative (cf. art. 105 al. 2 OJ et l'arrêt RO 96 I 184 ss déjà cité). En revanche, dans les cas où le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral des assurances est entier, il ne saurait en aller de même. En vertu de l'art. 132 OJ, le Tribunal fédéral des assurances revoit librement tant les faits que le droit dans les litiges portant sur l'octroi ou le refus de prestations d'assurance. b) En l'occurrence, pleine connaissance du dossier a été donnée au mandataire du recourant dans la procédure fédérale; il a eu également la faculté de faire valoir tous arguments nouveaux et d'invoquer tous moyens de preuves utiles. L'omission qui pourrait être reprochée au juge cantonal se trouve ainsi réparée.
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de
Sachverhalt ab Seite 496 BGE 130 III 495 S. 496 A. A. (Kläger) arbeitete seit dem 1. Dezember 1992 bei der Rechtsvorgängerin der X. Bank AG. Schon bald wurde er zum Prokuristen befördert, im Jahre 1995 zum Leiter der Abteilung "Investment Research" und im Januar 1996 zum Vizedirektor. Sein Jahresgehalt betrug anfänglich Fr. 75'000.-, im Jahre 1994 Fr. 90'000.- und ab BGE 130 III 495 S. 497 1996 Fr. 150'000.-. Mit Aufhebungsvertrag vom 25. März 1998 wurde das Arbeitsverhältnis per 31. März 1998 beendet. B. Die X. Bank AG wurde zu 100 % von der X. Holding AG (Beklagte) gehalten. Mit dieser Gesellschaft schloss der Kläger während seiner Anstellung bei der X. Bank AG folgende Verträge ab: Beteiligungsvertrag vom 29. Mai 1995, mit welchem die Beklagte dem Kläger 100 Optionen zum Kauf von 100 Inhaberaktien der Beklagten im Nennwert von je Fr. 50.- zu einem Preis von Fr. 1'000.- je Option verkaufte; Kaufvertrag vom 6./8. Juni 1995, mit welchem der Kläger von der Beklagten 25 Inhaberaktien der Beklagten zu je Fr. 4'200.-, insgesamt für Fr. 105'000.-, kaufte; Beteiligungsvertrag vom 15. November 1995, mit welchem der Kläger von der Beklagten 500 Optionen zum Kauf von 500 Inhaberaktien der Beklagten im Nennwert von je Fr. 50.- zu einem Preis von Fr. 500.- je Option, insgesamt für Fr. 250'000.-, kaufte; Optionsvertrag vom 30. Juli 1997, mit welchem der Kläger von der Beklagten 700 Optionen zum Kauf von 700 Namenaktien der Beklagten im Nennwert von je Fr. 10.- zu einem Preis von Fr. 150.- je Option, insgesamt für Fr. 105'000.-, kaufte. Am 25. März 1998, dem Tag, an welchem der Aufhebungsvertrag mit der X. Bank AG geschlossen wurde, übte der Kläger sein Optionsrecht aus dem Beteiligungsvertrag vom 15. November 1995 aus. Er kaufte die 500 Aktien auf der Basis des Ausübungspreises von Fr. 5'900.-, die er gleichentags zusammen mit den weiteren 25 von ihm gehaltenen Inhaberaktien der Beklagten für je Fr. 31'276.-, nach Abzug der eidgenössischen Umsatzabgabe für insgesamt Fr. 16'407'585.75 verkaufte. Sein Nettogewinn aus diesem Geschäft betrug rund Fr. 13'100'000.-. C. Über die Frage der Ausübungsrechte aus dem Beteiligungsvertrag vom 29. Mai 1995 und aus dem Optionsvertrag vom 30. Juli 1997 gerieten die Parteien in Streit. Beide Verträge sind als so genannte "europäische Optionen" ausgestaltet. Das bedeutet, dass sie - im Gegensatz zu "amerikanisch" ausgestalteten Optionen - nicht bis zu einem bestimmten Datum, sondern lediglich an einem bestimmten Verfalltag ausgeübt werden können, die mit Vertrag vom 29. Mai 1995 erworbenen Optionen am 31. Mai 2000 und die am 30. Juli 1997 erworbenen am 30. Juli 2002. Der erstgenannte Vertrag war ursprünglich amerikanisch ausgestaltet und wurde am 4. Dezember 1995 auf europäisch abgeändert (Ziffer 4 des Vertrages vom 29. Mai 1995). Ebenfalls je unter Ziffer 4 wird in beiden BGE 130 III 495 S. 498 Verträgen für die Ausübung der Optionen vorausgesetzt, dass der Berechtigte am Verfalltag in einem ungekündigten Arbeits- oder Auftragsverhältnis mit einer Gesellschaft der X. Gruppe steht, es sei denn, der Berechtigte sei vor dem Verfalltag aus gesundheitlichen Gründen aus der X. Gruppe ausgeschieden. D. Am 21. Juni 1999 belangte der Kläger die Beklagte vor Bezirksgericht Höfe auf Zahlung von Fr. 3'766'600.- nebst 5 % Zins seit dem 31. März 1998. Eventualiter sei festzustellen, dass seine Rechte gegen die Beklagte aus dem Beteiligungsvertrag vom 29. Mai 1995 und dem Optionsvertrag vom 30. Juli 1997 auf die entsprechenden Verfalltage vollumfänglich ausgeübt werden können. Gleichzeitig verkündete er der X. Bank AG den Streit. Den Eventualantrag modifizierte der Kläger mit Eingabe vom 19. Oktober 2000 dahin, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihm 100 Inhaberaktien an der Beklagten im Nennwert von je Fr. 50.- gegen Bezahlung des Ausübungspreises von Fr. 4'690.- pro Inhaberaktie zu liefern. Das Feststellungsbegehren betreffend den Optionsvertrag vom 30. Juni 1997 liess der Kläger unverändert. Mit seinem Hauptbegehren verlangte der Kläger eine angemessene Entschädigung dafür, dass er zufolge vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses die für insgesamt Fr. 205'000.- erworbenen Optionsrechte in der Höhe des inneren Werts der Optionen im Zeitpunkt seines Austritts aus der X. Bank AG nicht mehr ausüben könne. E. Das Bezirksgericht Höfe verpflichtete die Beklagte am 14. August 2001, dem Kläger Fr. 100'000.- zuzüglich 5 % Zins seit 1. April 1999 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wies es die Klage ab. Mit Urteil vom 21. Oktober 2003 wies das Kantonsgericht des Kantons Schwyz die Berufung des Klägers ab, hiess die Berufung der Beklagten gut und wies die Klage ab. F. Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz sei aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 205'000.- nebst 5 % Zins auf Fr. 100'000.- seit dem 29. Mai 1995 und 5 % Zins auf Fr. 105'000.- seit dem 30. Juli 1997 zu bezahlen. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Nichteintreten auf die Berufung, eventuell auf deren Abweisung und demzufolge auf Bestätigung des angefochtenen Urteils. BGE 130 III 495 S. 499
1,267
915
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Mit der Berufung macht der Kläger geltend, die streitigen Klauseln seien rechts- und sittenwidrig im Sinne von Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR . Die stipulierte Bedingung für die Ausübung der Optionsrechte, der Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Berechtigten und einer der X. Gesellschaften, führe zu ungleichen Kündigungsfristen in jenem Arbeitsverhältnis, auf welches in den Verträgen Bezug genommen werde. Aus wirtschaftlichen Gründen sei der Arbeitnehmer faktisch auf mehrere Jahre gebunden, wogegen für die Beklagte geradezu ein Anreiz bestehe, auf die von ihr kontrollierte Arbeitgeberin des Berechtigten hinzuwirken, damit diese das Arbeitsverhältnis vorzeitig beende. Darin liege eine Umgehung von Art. 335a OR , mithin eine Rechts- und Sittenwidrigkeit ( Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 OR ), was die Vorinstanz missachtet und dadurch gegen die genannte zwingende Bestimmung verstossen habe. Nach Auffassung des Klägers ist die Vorinstanz ferner zu Unrecht nicht darauf eingegangen, dass die in Ziffer 4 der beiden Verträge aufgenommene Regelung gegen das so genannte "Truck-Verbot" verstosse, weil der Kläger die Beteiligungsrechte, welche systemimmanent mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft gewesen seien, nicht etwa unentgeltlich erhalten habe, sondern von der Beklagten käuflich habe erwerben müssen. Die Auslegung von Ziffer 4 der Beteiligungsverträge durch die Vorinstanz habe zudem das Recht des Klägers auf Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des zwingenden Art. 337 Abs. 1 OR eingeschränkt, was die Vorinstanz von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen. 4. 4.1 Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte, welche mit dem Kläger die Beteiligungsverträge geschlossen hat, nicht die Arbeitgeberin des Klägers war, sondern deren Muttergesellschaft, wie die Vorinstanz zutreffend hervorhob. Andererseits ist den Verträgen die Besonderheit eigen, dass die übertragenen Optionen an das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Tochtergesellschaft der Beklagten gekoppelt und durch dessen Bestand bedingt sind. Damit charakterisieren sie sich als Verträge zur Mitarbeiterbeteiligung (plan d'intéressement, stock option plan), indem sie dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, sich am Erfolg des BGE 130 III 495 S. 500 Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe, zu welcher die Arbeitgeberin gehört, zu beteiligen. Dabei trägt der Arbeitnehmer auch das Risiko einer Wertverminderung (MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl., Bern 2002, Rz. 174). Die Statuten können die Einräumung von Optionen an einen bestimmten Kreis von Arbeitnehmern zum Bezug (call options) oder zur Veräusserung (put options) einer bestimmten Anzahl von Aktien der Arbeit gebenden oder einer dieser nahe stehenden Gesellschaft zu im Voraus festgelegten Bedingungen ( Art. 653b Abs. 1 Ziff. 3 OR ) während einer bestimmten Frist vorsehen. Die zur Ausübung der Optionen erforderlichen Aktien können - für die Gesellschaft kostenneutral - im Verfahren der bedingten Kapitalerhöhung nach Art. 653 OR unter Ausschluss der Bezugsrechte der Aktionäre ( Art. 652b Abs. 2 OR ) bereitgestellt werden (PETER R. ISLER/GAUDENZ G. ZINDEL, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 15 f. zu Art. 653 OR ; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Zürich 1996, Rz. 450; BGE 121 III 219 E. 5 S. 239 ff. betreffend BK Vision AG). Mit der Mitarbeiterbeteiligung werden mehrere Zwecke verfolgt: Erhöhung der Attraktivität der Gesellschaft als Arbeitgeberin für hoch qualifizierte Arbeitskräfte; Motivation der Mitarbeitenden, indem diese von dem durch sie geschaffenen Wert profitieren können; Bindung des Kaders an die Gesellschaft, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Option; Gleichschaltung der Ziele der Angestellten, der Aktionäre und des Managements (ANDREAS VON Planta, Les plans d'intéressement - Aspects du droit commercial, in: Grégoire Bovet [Hrsg.], Les plans d'intéressement - Stock Option Plans, Lausanne 2001, S. 43; HANS-JOACHIM JAEGER, Economic Aspects of Granting Employee Stock Options in Switzerland, in: Bovet [Hrsg.], a.a.O., S. 13; ANDREAS RISI, Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen - der Bericht der gemischten Arbeitsgruppe, in: IFF Forum für Steuerrecht 2002, S. 214; CHRISTOF HELBLING, Mitarbeiteraktien und Mitarbeiteroptionen in der Schweiz, 2. Aufl., Zürich 2003, S. 45; BEAT WALTI, Mitarbeiterbeteiligung, Diss. Zürich 1997, S. 17 ff.). Die Ausgestaltung im Einzelnen ist weitgehend den Gesellschaften überlassen und wird von den jeweils vorrangig verfolgten Zwecken geleitet. So kann die Option entgeltlich, vergünstigt oder unentgeltlich eingeräumt werden, bis zu einem bestimmten Verfalltag (American style option) oder nur an einem bestimmten Verfalltag (European style option) zur Ausübung berechtigen oder die Laufzeit kann mit einer Sperrfrist versehen BGE 130 III 495 S. 501 sein. Das Aufleben des Rechts zum Bezug (gegebenenfalls zum Verkauf) der Aktien wird gemeinhin als "vesting" bezeichnet (VON PLANTA, a.a.O., S. 47; HELBLING, a.a.O., S. 162). 4.2 4.2.1 Endet das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Datum für die Ausübung, kann die Option entschädigungslos verfallen (HELBLING, a.a.O., S. 15 f. und 161 f.). Daraus können sich aus arbeitsrechtlicher Sicht Probleme ergeben, namentlich dann, wenn die Aktien oder Optionen gratis oder unter dem Marktwert abgegeben wurden und Lohnbestandteil bilden (RÉMY WYLER, Droit du travail, Bern 2002, S. 626). In dieser Hinsicht kommt es nicht darauf an, wie das in Frage stehende Mitarbeiterbeteiligungsmodell gestaltet ist, ob die Mitarbeitenden an der Arbeitgebergesellschaft selbst, an einer mit dieser im gleichen Konzern verbundenen anderen, an einer eigens für die Beteiligung geschaffenen oder an der Muttergesellschaft beteiligt wurden. Steht die Arbeitgeberin wie vorliegend zu 100 % im Besitz einer Holding, bleibt für eine Beteiligung an dieser selbst kein Raum und drängt sich ein Modell unter Vergabe von Anrechten an der börsenkotierten Holding auf (vgl. zum Ganzen HELBLING, a.a.O., S. 253 ff.). Dass auch bei einer derartigen Konstellation die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts (Art. 361 f. OR) nicht unterlaufen werden dürfen, versteht sich von selbst. Wenn die Vorinstanz erklärt, im Verhältnis zur Beklagten, der Muttergesellschaft der Arbeitgeberin, kämen arbeitsrechtliche Bestimmungen von vornherein nicht zur Anwendung, erscheint dies angesichts des engen Bezugs zwischen den Optionsverträgen und dem Arbeitsverhältnis in dieser apodiktischen Formulierung zwar fragwürdig, unter den konkreten Umständen im Ergebnis jedoch zutreffend, wie nachstehend zu zeigen ist. 4.2.2 Wie WYLER, a.a.O., S. 629 f., zutreffend anführt, entfällt der Arbeitnehmerschutz, wenn der Arbeitnehmer beim Erwerb der Mitarbeiterbeteiligung vornehmlich als Anleger handelt, der das mit der Anlage verbundene Risiko in der Erwartung eines hohen Kapitalgewinns aus freien Stücken akzeptiert. Das kann auch der Fall sein, wenn sich die Beteiligung bei einem hoch dotierten Kader oder Angestellten als Bonus und damit als Gegenleistung für seine Tätigkeit darstellt. Diesfalls gelten die Bestimmungen der Beteiligungsvereinbarung ohne Rücksicht auf zwingende Vorschriften des Arbeitsrechts. Ob die Beteiligung sich als Bestandteil des Arbeitsvertrages oder als davon losgelöste Investition ausnimmt, ist BGE 130 III 495 S. 502 stets aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei erscheint insbesondere wesentlich, ob Beteiligungen bzw. Optionen Lohnbestandteil bilden, was sich aus verschiedenen Indizien ergeben kann. 4.2.3 Der Kläger hat die streitigen Optionen käuflich erworben und dafür einen Preis bezahlt, den er selbst nicht als besonders vorteilhaft ausgibt. Vielmehr ging er mit den Investitionen in die Optionen ein unternehmerisches Risiko ein, weil er die erfolgreiche Zukunft der Beklagten vor Augen hatte, wie er im kantonalen Verfahren dargelegt hat. Die zugeteilten Optionen stellen somit keinen Lohnbestandteil dar, was gegen die Anwendung der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften spricht. Hinzu kommt, dass der Kläger bei Abschluss des Beteiligungsvertrages vom 29. Mai 1995 bereits vom Prokuristen zum Leiter der Abteilung "Investment Research" befördert worden war und ein Jahresgehalt von Fr. 90'000.- bezog, bei Abschluss des Optionsvertrages vom 30. Juli 1997 im Alter von dreissig Jahren ein solches von Fr. 150'000.-, was der Stellung eines gut bezahlten höheren Angestellten entspricht. Sodann ist davon auszugehen, dass der Abschluss der Verträge seinem freien Willen entsprang. Aufgrund seiner Kenntnisse als Investitionsfachmann erwartete er einen hohen Gewinn unter Begrenzung des maximalen Verlustes auf den eingesetzten Kaufpreis. Die für die Optionen geleisteten Zahlungen charakterisieren sich damit klar als auf einem Anlageentscheid beruhende Investition, die dem Kläger aufgrund seiner Anstellung bei einer dem beklagtischen Konzern angehörenden Gesellschaft ermöglicht wurde. Dem Kläger bleibt aus den dargelegten Gründen insoweit die Anrufung der zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften und der aus deren Verletzung abgeleiteten Sittenwidrigkeit verwehrt. 4.2.4 Mit Bezug auf den Einwand des Klägers, die streitige Klausel in den Verträgen beraube ihn wegen der negativen wirtschaftlichen Konsequenzen seines Rechts auf Kündigung aus wichtigem Grund ( Art. 337 Abs. 1 OR ), ist anzufügen, dass dem Kläger unbenommen bliebe, für seinen wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Schaden von seiner früheren Arbeitgeberin vollen Ersatz zu fordern, sollte diese durch eine schuldhafte Vertragsverletzung den Kündigungsgrund gesetzt haben ( Art. 337b Abs. 1 OR ). Gegebenenfalls stünde ihm eine Entschädigung nach richterlichem Ermessen zu ( Art. 337b Abs. 2 OR ). Jedenfalls hätte die Liquidation des Schadens im Verhältnis zur BGE 130 III 495 S. 503 Arbeitgeberin, die den Schaden verursacht hat, zu erfolgen, und nicht im Verhältnis zur übergeordneten Konzerngesellschaft. Im vorliegenden Verfahren sind daher die vom Kläger ausführlich dargestellten Gründe dessen Austritts aus der X. Bank AG nicht rechtserheblich. Für einen Durchgriff auf die Muttergesellschaft, wie er dem Kläger in diesem Zusammenhang vorschwebt, bleibt kein Raum, ist dazu doch mehr erforderlich als der blosse Umstand, dass B. sowohl bei der Beklagten als auch bei der X. Bank AG Organstellung zukommt. Dass eine Berufung der Beklagten auf die rechtliche Selbständigkeit der X. Bank AG in dieser Hinsicht missbräuchlich wäre, zeigt der Kläger nicht auf und ist nicht ersichtlich (PETER FORSTMOSER/ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 62 Rz. 51 f.; ROLAND VON BÜREN, Der Konzern, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/6, Basel 1997, S. 171 ff.; vgl. auch THOMAS GEISER/KAI-PETER UHLIG, Arbeitsverhältnisse im Konzern, in: ZBJV 139/2003 S. 789 ff.). Deshalb haftet die Beklagte auch nicht für allfällige Verletzungen der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin des Klägers nach Art. 328 OR . Ebenso wenig kann vor diesem Hintergrund im Ernst davon die Rede sein, die umstrittene Regelung habe zu einer sittenwidrigen Konventionalstrafe geführt. Nicht zu prüfen - da ohne Bezug zum vorliegenden Fall - ist schliesslich die vom Kläger aufgeworfene Frage, welche Regelung Platz greifen müsste, sofern die X. Bank AG dem Beklagten grundlos gekündigt hätte. 5. Der Kläger leitet die behauptete Sittenwidrigkeit der streitigen Klauseln auch aus Art. 27 Abs. 2 ZGB ab, welcher vor rechtsgeschäftlichen Bindungen schützt, die gegen das in Art. 19 Abs. 2 OR enthaltene Recht der Persönlichkeit verstossen (CLAIRE HUGUENIN, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 8 f. zu Art. 27 ZGB ; ERNST A. KRAMER, Berner Kommentar, N. 208 zu Art. 19-20 OR ). Zur Begründung weist der Kläger einzig darauf hin, dass die Optionen erst fünf Jahre nach deren Erwerb ausübbar waren. Wie dargelegt (E. 4.1 hiervor) besteht einer der mit der Abgabe von Mitarbeiteroptionen verfolgten Zwecke gerade darin, das Arbeitsverhältnis auf eine gewisse Dauer zu stabilisieren. Den Mitarbeitenden verschaffen zeitlich limitierte Verfügungssperren zudem steuerliche Vorteile. In der Lehre wird denn auch erst bei Verfügungssperren von mehr als zwei bis fünf Jahren von "goldenen Fesseln" der Mitarbeiter gesprochen (WALTI, a.a.O., S. 83, mit Hinweisen). Nach der Art. 334 Abs. 3 OR zugrunde liegenden Wertung verletzt erst ein auf mehr BGE 130 III 495 S. 504 als zehn Jahre abgeschlossener Arbeitsvertrag die persönliche Freiheit im Sinne von Art. 27 ZGB (MANFRED REHBINDER/WOLFGANG PORTMANN, Basler Kommentar, 3. Aufl., N. 9 zu Art. 334 OR ). Von der in begründeter Erwartung eines hohen Gewinns freiwillig auf fünf Jahre eingegangenen Bindung des Klägers lässt sich demnach nicht sagen, sie überschreite jedes zulässige Mass, zumal der Kläger aus mehrjähriger Erfahrung die Perspektiven eines fünfjährigen Verbleibens bei der X. Bank AG abzuschätzen in der Lage war (allgemein zu den Beurteilungskriterien vgl. HUGUENIN, a.a.O., N. 10 und 15 zu Art. 27 ZGB , mit Hinweisen). Ein Verstoss gegen die guten Sitten ( Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 OR ) ist nicht gegeben. 6. Nach dem diesbezüglich unangefochtenen erstinstanzlichen Urteil, auf welches die Vorinstanz verweist, führt eine Auslegung von Ziffer 4 der Verträge nach dem Vertrauensprinzip zum Ergebnis, dass die Optionen entschädigungslos verfallen, wenn der Kläger vor dem Verfalltag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ausnahmen sind nur bei gesundheitlichen Problemen oder im Todesfall vorgesehen. Diese Regelung hat sich nach dem Gesagten weder als gesetzes- noch als sittenwidrig erwiesen und ist umzusetzen. Da der Kläger unstreitig vor den in den Verträgen festgesetzten Verfalltagen aus der X. Gruppe ausgeschieden war, hat er seine Optionsrechte verwirkt. Die gegenüber der Beklagten erhobenen Schadenersatzansprüche sind unbegründet. Die Berufung ist unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Klägers abzuweisen (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 1 und 2 OG).
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Sachverhalt ab Seite 79 BGE 124 III 79 S. 79 A.- Am 7. Oktober 1997 teilte das Betreibungsamt S. in den von der Basellandschaftlichen Kantonalbank gegen T. G.-D. eingeleiteten Betreibungen der Schuldnerin den Eingang der Verwertungsbegehren der Gläubigerin mit. Das veranlasste die Schuldnerin, vom Betreibungsamt zu verlangen, dass es die erwähnten Verwertungsbegehren zurückweise; denn diese seien verfrüht gestellt worden. Das Betreibungsamt wies den Antrag der Schuldnerin mit Verfügung vom 20. Oktober 1997 ab. Es hielt fest, dass die Gläubigerin die Mindestfrist von sechs Monaten, welche Art. 154 Abs. 1 SchKG für das Begehren um Verwertung eines Grundpfandes setzt, eingehalten habe. BGE 124 III 79 S. 80 B.- T. G.-D. beschwerte sich über die Verfügung des Betreibungsamtes bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft. Sie machte im wesentlichen geltend, die Minimalfrist von sechs Monaten für die Einreichung des Verwertungsbegehrens verlängere sich um die Zeit zwischen der Stellung des Rechtsöffnungsgesuches und der Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheides. Im vorliegenden Fall seien das Rechtsöffnungsgesuch am 3. März 1997 gestellt und die gerichtlichen Verfahren aufgrund des Appellationsrückzugs vom 4. August 1997 vom Obergericht mit Beschluss vom 5. August 1997 abgeschrieben worden. Die Minimalfrist für die Stellung des Verwertungsbegehrens, die mit der Zustellung des Zahlungsbefehls am 11. Februar 1997 zu laufen begangen habe, sei demzufolge vom 3. März bis 5. August 1997, also fünf Monate und zwei Tage, stillgestanden. Die Gläubigerin könne somit das Verwertungsbegehren frühestens am 16. Januar 1998 stellen. Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft wies die Beschwerde am 1. Dezember 1997 ab. Denselben Entscheid fällte am 9. Januar 1998 die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Im Beschwerdeverfahren vor der erkennenden Kammer ist nach wie vor die Anwendung von Art. 154 Abs. 1 SchKG (in der Fassung vom 16. Dezember 1994, in Kraft seit 1. Januar 1997) strittig, welcher lautet: "Der Gläubiger kann die Verwertung eines Faustpfandes frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr, die Verwertung eines Grundpfandes frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach der Zustellung des Zahlungsbefehls verlangen. Ist Rechtsvorschlag erhoben worden, so stehen diese Fristen zwischen der Einleitung und der Erledigung eines dadurch veranlassten gerichtlichen Verfahrens still." a) Im angefochtenen Entscheid ist die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft davon ausgegangen, dass nach Rechtsprechung und Lehre zum alten Art. 154 SchKG das Gerichtsverfahren nur die Maximalfrist, nicht aber die Minimalfrist unterbreche. Die Änderung von Art. 154 Abs. 1 SchKG begründe die Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs damit, dass die Regelung betreffend den Fristenstillstand an die neue Fassung von Art. 88 Abs. 2 BGE 124 III 79 S. 81 SchKG angepasst werde. Dieser betreffe klar die Verlängerung der Maximalfrist für das Fortsetzungsbegehren. Der Revisionsvorschlag habe weder an der Struktur von Art. 88 SchKG noch an derjenigen von Art. 154 SchKG etwas geändert; es sei dabei geblieben, dass Minimalfrist und Maximalfrist in Art. 88 SchKG in zwei Absätzen geregelt, in Art. 154 SchKG aber in einem Satz zusammengefasst wurden. Die Frage der Geltung des Fristenstillstandes auch für die Minimalfrist habe in der parlamentarischen Beratung nicht zur Diskussion gestanden. Die Verschiebung der Minimalfrist für die Stellung des Verwertungsbegehrens um fünf Monate und zwei Tage, welche die Schuldnerin im vorliegenden Fall anstrebt, hält die kantonale Aufsichtsbehörde als für die Gläubigerin unzumutbar. b) Die Beschwerdeführerin beharrt mit ihrer der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts eingereichten Rechtsschrift auf dem Standpunkt, dass das Verwertungsbegehren frühestens nach Ablauf der gesetzlichen Frist von sechs Monaten, verlängert um die Zeit zwischen der Stellung des Rechtsöffnungsgesuchs und der Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheides, gestellt werden könne. Sie betont, dass der revidierte Art. 154 SchKG die Schutzwirkung der Minimalfrist von sechs Monaten zugunsten des Schuldners ausdehne, und kommt aus dieser Sicht zum Schluss, dass die Gläubigerin das Verwertungsbegehren nicht schon am 6. Oktober 1997 hätte stellen können, sondern damit bis zum 16. Januar 1998 zuwarten müsse. 2. Art. 154 Abs. 1 SchKG hat in der Fassung vom 16. Dezember 1994 lediglich eine redaktionelle Änderung erfahren, indem er an die neue Fassung von Art. 88 SchKG angepasst worden ist. Diese beiden Bestimmungen - wie auch Art. 166 SchKG - unterliegen daher derselben Betrachtungsweise; und weil sich inhaltlich gegenüber dem früheren Recht nur insofern etwas geändert hat, als die Frist des Art. 166 Abs. 2 SchKG von einem Jahr auf 15 Monate verlängert wurde, kann auf die drei erwähnten Bestimmungen die bisher entwickelte Rechtsprechung zum Fristenstillstand unbedenklich übertragen werden (vgl. BBl 1991 III, S. 72, 107, 109; FRIDOLIN M.R. WALTHER, Neue und angepasste Fristen im revidierten Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), in: AJP/PJA 11/96, S. 1389; SIEGEN/BUSCHOR, Vom alten zum neuen SchKG, Zürich 1997, S. 103). Art. 154 Abs. 1 SchKG lässt nicht minder als Art. 88 Abs. 2 und Art. 166 Abs. 2 SchKG erkennen, dass es um einen Fristenstillstand geht BGE 124 III 79 S. 82 und dass dieser nur so verstanden werden kann, dass - bei der Verwertung eines Faustpfandes oder eines Grundpfandes - die Frist für die Stellung des Verwertungsbegehrens sich um die Dauer des Rechtsöffnungsverfahrens (oder um die Dauer eines Anerkennungs- oder Aberkennungsprozesses oder eines Verfahrens über die Feststellung neuen Vermögens wie auch um die Dauer einer gerichtlich verfügten Einstellung der Betreibung; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 22 N. 12; siehe auch die Änderung der Rechtsprechung in BGE 79 III 58 E. 1, S. 60 ff.) verlängert. Allerdings lassen die beiden letzteren Bestimmungen wegen der Gliederung in zwei Absätze besser erkennen, dass der Fristenstillstand sich nur auf die Maximalfrist bezieht. Das ändert indessen nichts daran, dass genau dasselbe auch bezüglich Art. 154 Abs. 1 SchKG gilt; denn nur wenn man davon ausgeht, dass das Rechtsöffnungs- oder ein anderes der genannten Verfahren den Lauf der Frist - nicht aber deren Beginn - für die Stellung des Verwertungsbegehrens hemmt, gelangt man zu einem richtigen Verständnis der Rahmenfrist, für welche es kein Wiederherstellungsrecht gibt (siehe dazu DOMINIK GASSER, Revidiertes SchKG - Hinweise auf kritische Punkte, in: ZbJV 132/1996, S. 636). So hat denn auch die Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 154 SchKG entschieden, dass nur der Lauf der Maximalfrist von zwei Jahren nach der Zustellung des Zahlungsbefehls, nicht aber auch der Lauf der Minimalfrist für die Stellung des Begehrens um Verwertung eines Grundpfandes gehemmt werde ( BGE 90 III 84 ; BGE 50 III 186 ). In der Rechtsprechung ist Sinn und Zweck der Maximalfrist erläutert worden: Der Gläubiger soll gezwungen werden, innert einer bestimmten Frist zu handeln - im Falle des Art. 154 Abs. 1 SchKG das Verwertungsbegehren zu stellen. Anderseits soll er keinen Nachteil dadurch erleiden, dass der Schuldner Rechtsvorschlag erhebt oder eines der genannten Verfahren einleitet; und aus diesem Grund fällt die Dauer eines solchen Prozesses bei der Berechnung der Maximalfrist nicht in Berechnung ( BGE 113 III 120 E. 3, S. 122f.; BGE 106 III 51 E. 3, S. 55; BGE 105 III 63 E. 2, S. 65f.). Für eine Auslegung im Sinne der Beschwerdeführerin, welche glaubt, der Fristenstillstand müsse sich zugunsten des Schuldners auswirken, besteht kein Raum.
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Sachverhalt ab Seite 238 BGE 146 III 237 S. 238 Die E. AG betreibt A.-B.C.D. mit Zahlungsbefehl Nr. x des Betreibungsamtes U. für eine Forderung von Fr. 10'000.-. Als Forderungsurkunde wurden im Zahlungsbefehl drei Entscheide aus Deutschland genannt. A.-B.C.D. erhob Rechtsvorschlag. Mit Gesuch vom 10. August 2018 an das Bezirksgericht Muri verlangte die E. AG, die drei deutschen Entscheide für vollstreckbar zu erklären und ihr in der Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes U. die definitive Rechtsöffnung zu erteilen für Fr. 10'000.- samt Betreibungs- und Gerichtskosten. A.-B.C.D. nahm dazu am 28. August 2018 Stellung und beantragte die Abweisung des Begehrens um Vollstreckbarerklärung und des Rechtsöffnungsgesuchs. Die E. AG nahm dazu am 28. September 2018 Stellung und reichte weitere Unterlagen ein. Mit Entscheid vom 14. Februar 2019 anerkannte das Bezirksgericht die drei deutschen Entscheide und erklärte diese für in der Schweiz vollstreckbar. Der E. AG erteilte es in der Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes U. definitive Rechtsöffnung für Fr. 10'000.-. Gegen diesen Entscheid erhob A.-B.C.D. am 25. Februar 2019 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Er ersuchte um Aufhebung des angefochtenen Entscheids und vollumfängliche Abweisung des Gesuchs vom 10. August 2018. Allenfalls sei die Sache an das Bezirksgericht zurückzuweisen. Die E. AG schloss auf Abweisung der Beschwerde. Mit Entscheid vom 5. April 2019 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Gegen diesen Entscheid hat A.-B.C.D. (Beschwerdeführer) am 3. Mai 2019 Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids und die vollumfängliche Abweisung des Gesuchs vom 10. August 2018. Allenfalls sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen und Vernehmlassungen eingeholt. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Mit Beschwerdeantwort vom 27. Februar 2020 hat die E. AG (Beschwerdegegnerin) beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf diese einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hat am 16. März 2020 repliziert. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)
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Erwägungen BGE 146 III 237 S. 239 Aus den Erwägungen: 1. Der Streitwert erreicht den für eine Beschwerde in Zivilsachen erforderlichen Betrag von Fr. 30'000.- nicht ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nur zurückhaltend anzunehmen. Sie liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 144 III 164 E. 1 S. 165; BGE 141 III 159 E. 1.2 S. 161; BGE 137 III 580 E. 1.1 S. 582 f.). Der Beschwerdeführer wirft die Frage auf, bis zu welchem Zeitpunkt in einem Summarverfahren vor erster Instanz unechte Noven vorgebracht werden können. Das Bundesgericht habe die Frage in BGE 144 III 117 offengelassen. Ist die durch BGE 144 III 117 offengelassene Frage zu klären, so geht es präziser gefasst in erster Linie um die Frage, bis wann die Beschwerdegegnerin unbeschränkt Noven einbringen durfte, d.h. wann der Aktenschluss eintrat, und erst in zweiter Linie darum, bis wann sie ausnahmsweise unechte Noven im Sinne von Art. 229 Abs. 1 ZPO einbringen durfte. Das Bundesgericht hat die Beantwortung der Frage nach dem Aktenschluss in BGE 144 III 117 E. 2.2 S. 118 f. zwar vorgespurt (vgl. auch BGE 146 III 55 E. 2.3.1 S. 57), sie dann aber offengelassen. Da die Frage von grosser praktischer Bedeutung ist, besteht ein allgemeines und dringendes Interesse an ihrer Klärung. Da das Bundesgericht nur obiter auf sie eingegangen ist und sie nicht definitiv beantwortet hat, ist die Rechtsunsicherheit in diesem Bereich noch nicht vollständig beseitigt worden. Es rechtfertigt sich demnach, vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auszugehen und die Eingabe des Beschwerdeführers als Beschwerde in Zivilsachen zu behandeln. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen geben grundsätzlich zu keinen Bemerkungen Anlass (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG ). Auf weitere Eintretensfragen ist im Sachzusammenhang einzugehen. 2. Strittig war und ist die Passivlegitimation des Beschwerdeführers. Er hatte vor Bezirksgericht vorgebracht, nicht der in den zu vollstreckenden Urteilen genannte B.D. zu sein. Vor Bundesgericht stehen BGE 146 III 237 S. 240 in diesem Zusammenhang prozessuale Fragen im Vordergrund. Dabei geht es darum, ob die Beschwerdegegnerin Tatsachen zum Nachweis der Passivlegitimation rechtzeitig behauptet und belegt hat. Das Bezirksgericht hatte erwogen, die Passivlegitimation des Beschwerdeführers gehe zweifellos aus den von der Beschwerdegegnerin mit der Stellungnahme zur Klageantwort vom 28. September 2018 eingereichten Unterlagen hervor. Vor Obergericht hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, auf die mit der Stellungnahme vom 28. September 2018 eingereichten neuen Behauptungen und Beweismittel hinsichtlich seiner Passivlegitimation hätte nicht abgestellt werden dürfen. Das Obergericht ist stillschweigend davon ausgegangen, der Aktenschluss sei im bezirksgerichtlichen Verfahren nach einmaligem Schriftenwechsel eingetreten. Es sei jedoch unter den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO zulässig, auch nach Aktenschluss unechte Noven vorzubringen ( Art. 219 ZPO ). Das Obergericht hat es unter novenrechtlichen Gesichtspunkten als zulässig erachtet, dass die Beschwerdegegnerin Belege zur Passivlegitimation des Beschwerdeführers in ihrer Stellungnahme zur Gesuchsantwort nachgereicht hat. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, der Beschwerdegegnerin sei aufgrund einer aussergerichtlichen Äusserung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2015 bewusst gewesen, dass er sich nicht als Schuldner der streitgegenständlichen Forderung verstehe. Diese Behauptung habe er jedoch nicht belegt und die Beschwerdegegnerin habe den entsprechenden Sachverhalt auch nicht anerkannt. Somit sei die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet gewesen - quasi vorsorglich - Behauptungen und Belege betreffend die Identität des Betriebenen mit dem Schuldner aufzustellen bzw. einzureichen. Sie hätte nicht damit rechnen müssen, dass der Beschwerdeführer offensichtlich haltlose Einwände gegen seine Passivlegitimation vorbringen würde. Die Identität des Betriebenen und der in den Rechtsöffnungstiteln genannten Person ergebe sich ohne Weiteres aus den identischen Unterschriften auf der Anwaltsvollmacht vom 27. August 2018 und den von der Beschwerdegegnerin eingereichten Dokumenten. 3. 3.1 Das Bundesgericht hat für das ordentliche Verfahren erkannt, dass die Parteien zweimal die Möglichkeit haben, sich unbeschränkt zu äussern, während sie danach nur noch unter den eingeschränkten Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO gehört werden können. Dies gilt sinngemäss auch für das vereinfachte Verfahren. Im BGE 146 III 237 S. 241 summarischen Verfahren darf sich jedoch keine der Parteien darauf verlassen, dass das Gericht nach einmaliger Anhörung einen zweiten Schriftenwechsel oder eine mündliche Hauptverhandlung anordnet. Es besteht insofern kein Anspruch der Parteien darauf, sich zweimal zur Sache zu äussern. Grundsätzlich tritt der Aktenschluss nach einmaliger Äusserung ein ( BGE 144 III 117 E. 2.2 S. 118 mit Hinweisen). Nach dem Willen des Gesetzgebers findet im Summarverfahren grundsätzlich ohnehin nur ein Schriftenwechsel statt. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass mit der gebotenen Zurückhaltung ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werden kann, wenn er sich nach den Umständen als erforderlich erweist ( BGE 145 III 213 E. 6.1.3 S. 218; BGE 144 III 117 E. 2.1 S. 118; BGE 138 III 252 E. 2.1 S. 254). Wie es sich mit dem Aktenschluss im Summarverfahren verhält, wenn eine Verhandlung stattfindet oder ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wird, hat das Bundesgericht in BGE 144 III 117 E. 2.2 S. 118 f. offengelassen. Allerdings hat es diejenigen Ansichten in der Lehre als überzeugend erachtet, die in diesen Fällen eine analoge Anwendung von Art. 229 ZPO vorsehen (mit Hinweisen unter anderem auf DANIEL WILLISEGGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 58 zu Art. 229 ZPO ; MARTIN KAUFMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2016, N. 36 zu Art. 252 ZPO ). In diesem Fall wird nämlich das summarische Verfahren über die einmalige Anhörung hinaus erweitert. In sinngemässer Anwendung von Art. 229 ZPO sollten Noven zulässig sein, solange das Gericht die Beratung nicht aufgenommen hat ( BGE 144 III 117 E. 2.2 S. 118 f.). Mit anderen Worten hat sich das Bundesgericht im genannten Entscheid dafür ausgesprochen, im erstinstanzlichen Summarverfahren in einem zweiten Schriftenwechsel unbeschränkt Noven zuzulassen (vgl. Art. 229 Abs. 2 ZPO ). Der Aktenschluss tritt diesfalls erst nach dem zweiten Schriftenwechsel ein. Entsprechendes gilt bei einer anstelle eines zweiten Schriftenwechsels stattfindenden Verhandlung, wobei auf den genauen Ablauf vorliegend nicht eingegangen zu werden braucht. Von der Zulässigkeit unbeschränkten Novenvortrags in einem zweiten Schriftenwechsel ist das Bundesgericht bereits früher in einem unpublizierten Urteil ausgegangen (Urteil 5A_82/2015 vom 16. Juni 2015 E. 4.2.1). Die Lehre hat sich zur Richtung, die durch BGE 144 III 117 hinsichtlich der Zulässigkeit unbeschränkter Noven in einem zweiten Schriftenwechsel vorgegeben worden ist, teils zustimmend, BGE 146 III 237 S. 242 teils kritisch geäussert (zustimmend SOGO/BAECHLER, Aktenschluss im summarischen Verfahren, AJP 2020 S. 322; CHRISTOPH LEUENBERGER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Zivilprozessrecht im Jahr 2018, ZBJV 156/2020 S. 106; eher zustimmend auch FRANÇOIS BOHNET, Restriction de la possibilité d'alléguer en procédure sommaire, Newsletter bail.ch, April 2018, S. 4; ablehnend hingegen BRUNNER/BIERI, Zweiter Schriftenwechsel und Aktenschluss im summarischen Verfahren, Der digitale Rechtsprechungskommentar [dRSK] 28. März 2018 Rz. 15, 17; KÄGI/HERZOG/STÄHLI, Mietrecht [Entwicklungen 2018], 2019, S. 48; kritisch auch DENIS TAPPY, in: Commentaire Romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 30 zu Art. 229 ZPO ; aus der weiteren Lehre s. LEUENBERGER/ UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2016, Rz. 11.172a, die sich für die Möglichkeit aussprechen, in einem zweiten Schriftenwechsel Noven vorzubringen, und CHRISTOPH REUT, Noven nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2017, Rz. 309 f., der zunächst Gründe für die unbeschränkte Zulassung von Noven vorbringt, unbeschränkte Noven dann aber nur in einer Verhandlung, nicht jedoch in einem weiteren Schriftenwechsel gestatten will). Trotz der Kritik ist die in BGE 144 III 117 vorgespurte Lösung nunmehr zu bestätigen. Die zweimalige unbeschränkte Äusserungsmöglichkeit ist insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil eine mündliche Verhandlung oder ein zweiter Schriftenwechsel in erster Linie zur Klärung des Sachverhalts dient und sich in einem solchen Fall Noven geradezu aufdrängen werden (SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 319; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., Rz. 11.172a). Wesentliche Nachteile für das Summarverfahren ergeben sich daraus nicht. Einerseits soll ein zweiter Schriftenwechsel ohnehin nur zurückhaltend angeordnet werden. Andererseits mögen sich durch einen zweiten Schriftenwechsel zwar Verzögerungen ergeben. Diese sind jedoch nicht in erster Linie auf das Novenrecht zurückzuführen, sondern auf den Umstand, dass überhaupt ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt wird. Die Verzögerungen können sich im Übrigen auch aus dem Replikrecht (dazu BGE 139 I 189 E. 3.2 S. 191 f. mit Hinweisen) ergeben, das ohnehin gewährt werden muss (BOHNET, a.a.O., S. 4). Die vorliegend getroffene Lösung hat dabei gegenüber derjenigen, im zweiten Schriftenwechsel nur Noven nach Art. 229 Abs. 1 ZPO zuzulassen, sogar den Vorteil, dass Diskussionen über die Zulässigkeit der Noven entfallen (vgl. zum Ganzen SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 320 f., die zudem betonen, die Raschheit des Summarverfahrens BGE 146 III 237 S. 243 diene der gesuchstellenden Partei - z.B. in der Rechtsöffnung - und gerade diese sei auf die Möglichkeit, Noven vorzubringen, angewiesen, wenn in der Gesuchsantwort überraschende Einwände vorgebracht würden). Zugegebenermassen besteht der Nachteil, dass nicht von Beginn des Verfahrens an klar ist, wann der Aktenschluss eintritt. Für die Parteien entsteht dadurch jedoch keine unzumutbare Unsicherheit: Einerseits bleibt es dabei, dass sie zu Beginn des Verfahrens nicht mit einer zweiten unbeschränkten Äusserungsmöglichkeit rechnen dürfen. Andererseits liegt es im Interesse des Gesuchstellers, wenn ihm diese Möglichkeit ausnahmsweise gewährt wird. Der Gesuchsgegner wiederum kann anhand des ihm zugestellten Gesuchs und der von ihm vorgebrachten Einwände bereits zum Zeitpunkt seiner ersten Stellungnahme einschätzen, ob ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werden könnte. Nach dem zweiten Schriftenwechsel (oder nach der unbeschränkten Äusserungsmöglichkeit an der Verhandlung) können Noven nur noch unter den engen Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorgebracht werden (vgl. SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 319). Wenn eine zweite unbeschränkte Äusserung in analoger Anwendung von Art. 229 Abs. 2 ZPO zugelassen wird, dann ist danach auch Art. 229 Abs. 1 ZPO analog anzuwenden. Auch hier gilt, dass die Gefahr eines ewigen Schriftenwechsels nicht durch das Novenrecht verursacht wird, sondern durch das unbedingte Replikrecht. Es tritt somit nach zweimaligem Schriftenwechsel dieselbe Situation ein, wie sie im Normalfall bereits nach einmaligem Schriftenwechsel eintreten würde, d.h. dass echte und unechte Noven nur noch unter den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO eingebracht werden dürfen (vgl. RAFAEL KLINGLER, Die Eventualmaxime in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2010, Rz. 548; SÉBASTIEN MORET, Aktenschluss und Novenrecht nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2014, Rz. 336; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 21 zu Art. 257 ZPO ; REUT, a.a.O., Rz. 311; BRUNNER/BIERI, a.a.O., Rz. 17; SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 324). Nicht einzugehen ist an dieser Stelle auf die Konstellation von Art. 229 Abs. 3 ZPO (Sachverhaltsabklärung von Amtes wegen). 3.2 Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass die Beschwerdegegnerin die umstrittenen Noven ohne Weiteres in ihrer zweiten BGE 146 III 237 S. 244 Eingabe vorbringen durfte, sofern das Bezirksgericht einen formellen zweiten Schriftenwechsel angeordnet hat. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass das Bezirksgericht dies getan hat. Die Beschwerdegegnerin geht demgegenüber davon aus, sie sei zu einer Replik aufgefordert worden, in der sie unbeschränkt Noven vorbringen könne. Das Obergericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob ein formeller zweiter Schriftenwechsel stattgefunden hat, sondern ist ohne Weiteres von einem Anwendungsfall von Art. 229 Abs. 1 ZPO ausgegangen. Es drängt sich diesbezüglich ausnahmsweise auf, den Sachverhalt von Amtes wegen anhand der Akten zu ergänzen ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Aus ihnen ergibt sich, dass das Bezirksgericht der Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 30. August 2018 die Eingabe des Beschwerdeführers vom 28. August 2018 (d.h. die Gesuchsantwort) "zur Stellungnahme innert 10 Tagen seit Zustellung dieser Verfügung" zugestellt hat, unter Hinweis auf Art. 147 Abs. 2 ZPO (Säumnisfolgen). Der Beschwerdeführer erhielt diese Verfügung ebenfalls. Am 10. September 2018 ersuchte die Beschwerdegegnerin um Fristverlängerung, da die für eine Stellungnahme erforderlichen Belege noch nicht eingetroffen seien. Das Bezirksgericht erstreckte die Frist wunschgemäss. Mit Eingabe vom 28. September 2018 (Postaufgabe 1. Oktober 2018) nahm die Beschwerdegegnerin innert der erstreckten Frist Stellung. Mit Verfügung vom 2. Oktober 2018 stellte das Bezirksgericht die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin samt Belegen dem Beschwerdeführer "zur Kenntnisnahme" und ohne Fristansetzung zu. Der Beschwerdeführer liess sich nicht mehr vernehmen. Das Bezirksgericht bezeichnete in seinem Entscheid vom 14. Februar 2019 die Verfügung vom 30. August 2018 als Aufforderung zur "Erstattung der Replik" (E. 1.4), ohne sich im Übrigen zum Novenrecht zu äussern. Aufgrund der Umstände ist vorliegend davon auszugehen, dass das Bezirksgericht tatsächlich einen formellen zweiten Schriftenwechsel angeordnet hat bzw. sich die Beschwerdegegnerin darauf verlassen durfte, dass das Bezirksgericht dies getan hat. Zunächst hat das Bezirksgericht die Beschwerdegegnerin ausdrücklich zu einer Stellungnahme aufgefordert, und zwar unter Ansetzung einer Frist und mit Hinweis auf die Säumnisfolgen. Im Entscheid umschreibt es den Inhalt der Verfügung sogar als Aufforderung zur Erstattung der Replik. Die Verfügung enthält keinen Vorbehalt, wonach die Fristansetzung nur zur Wahrung des Replikrechts dienen soll. Sodann BGE 146 III 237 S. 245 kannte das Bezirksgericht zu diesem Zeitpunkt den Inhalt der Gesuchsantwort und wusste, dass die Beschwerdegegnerin voraussichtlich gezwungen sein würde, darauf mit Noven zu reagieren. Auch auf das Fristverlängerungsgesuch hin, in welchem ausdrücklich die Einreichung von Belegen angekündigt wurde, hat das Bezirksgericht keinen Vorbehalt angebracht. Problematisch ist allerdings, dass das Bezirksgericht der Beschwerdegegnerin im zweiten Umgang eine Frist angesetzt, dem Beschwerdeführer die darauf erfolgte Eingabe jedoch bloss zur Kenntnis zugestellt hat. Das Bezirksgericht hat die Parteien demnach in dieser Verfahrensphase ungleich behandelt. Der Beschwerdeführer wusste allerdings um diese Ungleichbehandlung und hat weder diese moniert noch sich zur zweiten Eingabe der Beschwerdegegnerin überhaupt geäussert. Der Beschwerdeführer bringt im Übrigen auch vor Bundesgericht nicht vor, ihm sei dadurch Unrecht geschehen und er hätte in einer formellen Duplik vor Bezirksgericht neue Tatsachen vorbringen wollen. Der Beschwerdegegnerin kann diese Ungleichbehandlung nicht angelastet werden. Selbst wenn man aus der Verfügung vom 2. Oktober 2018 den Rückschluss ziehen möchte, das Bezirksgericht habe von Anfang an im zweiten Umgang nur das Replikrecht gewähren wollen, so ändert diese Verfügung als nachträgliches Ereignis nichts daran, wie die Beschwerdegegnerin die an sie gerichtete Verfügung vom 30. August 2018 verstehen durfte. Da sie ihre Replik zum Zeitpunkt der Verfügung vom 2. Oktober 2018 bereits eingereicht hatte, hätte sie ihre Eingabe auch nicht mehr verbessern können, wenn sie neu davon hätte ausgehen müssen, es sei von Anfang an nur das Replikrecht gewährt worden. Unter Berücksichtigung all dessen ist darauf zu schliessen, dass das Bezirksgericht am 30. August 2018 einen formellen zweiten Schriftenwechsel angeordnet hat. Aus dem Gesagten erhellt, dass die Gerichte im Interesse der Rechtssicherheit eindeutig angeben sollten, ob sie einen zweiten Schriftenwechsel anordnen oder ob sie lediglich das Replikrecht gewähren (SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 322 f. mit Hinweis auch auf Zwischenformen). Dabei haben sie die Parteien gleich zu behandeln. Nur so lassen sich allfällige Zweifel bei den Parteien verhindern. Nur so lässt sich sodann vermeiden, dass die Gerichte das Angeordnete wie vorliegend nachträglich auslegen müssen und dabei gegebenenfalls sogar auf Auslegungsregeln zurückgreifen (vgl. zu letzterem Urteil 5A_82/2015 vom 16. Juni 2015 E. 4.2.1, wonach im Zweifel von der Gewährung nur des unbedingten Replikrechts auszugehen ist, BGE 146 III 237 S. 246 wobei diese Regel vorliegend aufgrund des eindeutigen Auslegungsergebnisses nicht anzuwenden ist; kritisch zu dieser Auslegungsregel SOGO/BAECHLER, a.a.O., S. 323). 3.3 Da ein formeller zweiter Schriftenwechsel angeordnet worden ist, durfte die Beschwerdegegnerin in ihrer Eingabe vom 28. September 2018 unbeschränkt Noven vorbringen. Der Beschwerdeführer bringt zu Recht nicht vor, dass das Bezirksgericht gar keinen zweiten Schriftenwechsel hätte anordnen dürfen. Die Frage, ob die Beschwerdegegnerin in der Eingabe vom 28. September 2018 Noven nach Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO vorbringen durfte, stellt sich nicht. Die entsprechenden Rügen des Beschwerdeführers sind gegenstandslos. Dies gilt insbesondere für seinen Vorwurf, das Obergericht habe den Verhandlungsgrundsatz verletzt ( Art. 55 Abs. 1 ZPO ). Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich geltend, er habe bereits in seiner Gesuchsantwort festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin vorprozessual über die fehlende Identität informiert worden sei. Dieses Vorbringen habe die Beschwerdegegnerin nicht bestritten, womit der Beschwerdeführer auch nicht gehalten gewesen sei, diesbezüglich Beweismittel vorzulegen. Da die Beschwerdegegnerin aber bereits vorprozessual um den Einwand wusste, hätte sie entsprechende Gegeneinwände bzw. entsprechende Beweismittel bereits mit dem Rechtsöffnungsgesuch einreichen müssen. Dieser Einwand zielt auf die Situation ab, dass es sich bei den nachträglich aufgestellten Behauptungen bzw. nachträglich eingereichten Beweismitteln um unechte Noven im Sinne von Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO handeln würde, die nur eingeschränkt zulässig sind. Da die Beschwerdegegnerin jedoch uneingeschränkt Noven vorbringen durfte und sich damit für das Vorbringen erst im zweiten Schriftenwechsel auch nicht zu rechtfertigen brauchte, ist es belanglos, wie es sich mit den angeblichen vorprozessualen Einwänden bzw. den entsprechenden Behauptungen in der Gesuchsantwort verhält. Es bleibt einzig die Frage nach dem Ergebnis der auf die nachträglich eingereichten Unterlagen gestützten Beweiswürdigung. Das Obergericht hat wesentlich auf diese Unterlagen abgestellt, um auf die Passivlegitimation des Beschwerdeführers zu schliessen (oben E. 2 a.E.). Vor Bundesgericht bestreitet der Beschwerdeführer seine Passivlegitimation nur noch am Rande und in rein appellatorischer Weise. Er setzt sich nicht ansatzweise in einer Art. 97 Abs. 1 BGG genügenden Weise mit dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der Identität des Betriebenen mit dem Schuldner gemäss BGE 146 III 237 S. 247 den zu vollstreckenden Urteilen auseinander (zu den Begründungsanforderungen BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18, BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Er bestreitet insbesondere die obergerichtliche Erwägung nicht, dass seine Einwände offensichtlich haltlos waren. Soweit diesbezüglich überhaupt Rügen erhoben werden, ist darauf mangels genügender Begründung nicht einzutreten. 3.4 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 234 BGE 135 I 233 S. 234 A. Le 10 novembre 2006, les communes de Crans-Montana, soit Chermignon, Icogne, Lens, Mollens, Montana et Randogne, ont mis à l'enquête un projet de règlement des quotas et du contingentement des résidences secondaires pour la station touristique de Crans-Montana (ci-après: RQC), sous la forme d'un avenant au règlement intercommunal sur les constructions (RIC). Cette réglementation avait pour but de favoriser la création et l'occupation de résidences principales, avec un contingentement annuel de résidences secondaires. Les oppositions formées notamment par A. et consorts, tous propriétaires d'immeubles dans les communes concernées (ci-après: les opposants), ont été écartées par les Conseils communaux de Chermignon, Lens, Montana et Randogne, les 24 et 25 janvier 2007, sous réserve de quelques modifications. Le 11 mars 2007, le RQC a été accepté en votation populaire, dans la teneur suivante: REGLEMENT DES QUOTAS ET DU CONTINGENTEMENT (RQC) CHAPITRE I - DISPOSITIONS GÉNÉRALES Article 1: Buts 1 Le règlement des quotas et du contingentement (RQC) est établi dans l'intérêt de la population locale et du tourisme, et pour assurer un développement harmonieux et durable compte tenu des réserves limitées en zone à bâtir des six communes de Crans-Montana. BGE 135 I 233 S. 235 Article 2: Bases légales 1 Les dispositions du présent règlement sont basées sur les prescriptions fédérales et cantonales en matière d'aménagement du territoire et autres domaines s'y rapportant. 2 Elles tiennent compte des prescriptions ressortant du plan d'affectation des zones et de son règlement. 3 Demeurent réservées les dispositions particulières édictées par la Confédération et le Canton, ainsi que le droit des tiers. Article 3: Secteur station 1 Le présent RQC s'applique aux zones à bâtir du "secteur station" des six communes de Crans-Montana, selon la délimitation précise figurant sur le plan annexé. Article 4: Définitions 1 Sont considérés comme résidences principales au sens du RQC les logements qui, sur la base d'une autorisation de construire en relation avec le RQC, doivent être utilisés par des personnes ayant leur domicile civil et fiscal (au sens de l'art. 23 du code civil) sur la commune. 2 Tous les logements qui ne comptent pas parmi les résidences principales sont considérés comme des résidences secondaires. 3 Les logements existants au 16.12.2005, ainsi que ceux dont les demandes d'autorisation de construire complètes et conformes ont été déposées avant le 16.12.2005 sont considérés comme logements de l'ancien droit. 4 Sont considérés comme appartements de location les logements dont la commercialisation et la location sont garanties et réalisées par une société de location professionnelle reconnue, avec exclusion des locations à l'année ou à la saison. La preuve de la location incombe au propriétaire. Un règlement d'application précisera ces modalités. Article 5: Portée du RQC 1 Le RQC s'applique à tous les nouveaux volumes habitables créés (résidences principales, résidences secondaires), aux agrandissements et changements d'affectation de bâtiments dont résultent des habitations (résidences principales, résidences secondaires), ainsi qu'aux changements d'affectation de résidence principale en résidence secondaire. 2 Ne sont pas concernés par le RQC: a Les changements d'affectation de logements de l'ancien droit, au sens de l'art. 4 al. 3 RQC. b Les agrandissements, pour autant que la nouvelle surface habitable créée ne peut pas servir comme logement autonome. Cas échéant, le logement créé ultérieurement est soumis au RQC. c Les projets présentant un intérêt public prépondérant, approuvés par l'assemblée primaire. BGE 135 I 233 S. 236 3 Les constructions réalisées dans le cadre des plans d'affectation spéciaux (PQ, PAD) ne sont pas concernées par le règlement de contingentement si ceux-ci doivent être homologués par le Conseil d'Etat ou si leur élaboration est exigée par les plans de zones en vigueur le 6.12.05. En matière de quotas, l'ensemble des plans d'affectation spéciaux (PQ, PAD), sauf ceux spécifiés dans l'alinéa 4, respecteront les principes du présent règlement. 4 Dans les secteurs qui n'étaient pas classés dans la zone réservée instaurée le 16 décembre 2005, les communes détermineront comment les quotas seront appliqués. 5 Sur des parcelles sises à l'intérieur du "secteur station" (art. 3) n'ayant pas changé de propriétaire durant les 35 ans précédant le dépôt de la demande d'autorisation, sauf par héritage, un logement de résidence secondaire à usage personnel (propriétaire et ses enfants) peut être construite, sans contingent ni taxe de remplacement. Dans le cas où ce logement change de propriétaire dans les 10 années suivant sa réalisation, une taxe de remplacement est due (selon art. 8 al. 1 et 2). CHAPITRE II - QUOTAS ET CONTINGENTEMENT Section 1 - Règlement des quotas Article 6: Part de résidence principale - règlement 1 Pour les constructions à plusieurs logements, la part de résidences principales doit correspondre, par parcelle et par lotissement, à 70 % de la surface brute de plancher utile (SBP) créée. 2 Dans les constructions à logement individuel, le 100 % de la SBP doit être utilisée comme résidence principale. 3 La part de résidences principales peut aussi être remplie par des affectations hôtelières, y compris les logements pour le personnel, commerciales, de bureaux, artisanales et par des appartements de location. Article 7: Obligation d'utilisation / location 1 Les résidences principales doivent réellement être utilisées en tant que telles. Lorsque ces logements ne sont pas utilisés par un propriétaire ayant son domicile sur la commune, ils doivent être mis à disposition contre un loyer convenable à des personnes qui remplissent cette condition. Ils peuvent également être utilisés par des personnes exerçant une activité économique annuelle ou saisonnière sur l'une des six communes, ou par des personnes en formation. 2 Un loyer est considéré convenable lorsqu'il correspond aux loyers versés pour des résidences principales similaires dans la région et qu'il n'est pas surfait. 3 Le propriétaire est garant de l'occupation du logement concerné en tant que résidence principale. 4 Les résidences principales peuvent être utilisées comme appartements de location pour des hôtes de passage aux conditions mentionnées (cf. art. 4 al. 4 RQC). BGE 135 I 233 S. 237 5 Pour les constructions situées dans les rues commerciales indiquées sur le plan annexé, l'affectation commerciale du niveau route (rez-de-chaussée) est obligatoire. 6 Dans des cas particuliers tels que changement de domicile pour des raisons professionnelles, de santé ou similaire, la commune peut autoriser des exceptions limitées dans le temps à l'obligation d'utilisation. Article 8: Taxe de remplacement 1 Pour les constructions à plusieurs logements non situés dans les rues commerciales, les 4/7 de la part de résidence principale exigée (70 %) peut être compensée par le versement d'une taxe de remplacement. Dans ce cas, la taxe de remplacement est de 20 % de la valeur du logement concerné. 2 Pour les constructions à logement individuel, la totalité de la résidence principale exigée peut être compensée par le versement d'une taxe de remplacement. Dans ce cas, la taxe de remplacement est de 15 % de la valeur de la construction du logement concerné. 3 La valeur de l'objet immobilier concerné (selon al. 1 ou 2) correspond au décompte des coûts de construction (y.c. des infrastructures annexes, places de parc ouvertes et couvertes, frais d'équipement et terrain), attesté par l'autorité fiscale cantonale et fourni par le requérant. Dans le cas d'une PPE, les coûts des surfaces et infrastructures non habitables sont répartis sur les logements concernés au pro rata de leurs surfaces habitables. 4 Pour les constructions situées dans les rues commerciales indiquées sur le plan annexé, le cinquième de la part de résidences principales exigée peut être compensé par le versement d'une taxe de remplacement. 5 Les résidences principales qui ont été utilisées comme telles pendant 10 ans au moins peuvent être libérées de l'obligation d'utilisation comme résidence principale moyennant le versement d'une taxe de remplacement dégressive de 10 % par an sur 10 ans, et moyennant l'attribution du contingent (art. 10 RQC). La durée d'utilisation de 10 ans est comptée à partir de l'obtention du permis d'habiter. 6 Si dans les dix ans suivant la perception de la taxe de remplacement, la résidence secondaire change d'affectation en résidence principale (avec inscription), le propriétaire qui produit une quittance pour la taxe versée aura droit à un remboursement dégressif de 10 % par an de la taxe. 7 La valeur du logement au moment de la création de la résidence secondaire fait foi. 8 L'encaissement de la taxe de remplacement est sous la responsabilité de la commune. A l'exception des cas spécifiés aux al. 4 et 5, les montants versés à l'administration lui sont définitivement acquis. BGE 135 I 233 S. 238 9 La taxe de remplacement doit servir à la promotion de la construction des résidences principales, des hôtels, des appartements de location, et pour couvrir les coûts engendrés par la création, le maintien et la rénovation des infrastructures touristiques. 10 L'affectation des fonds provenant des taxes sera régie par un règlement d'application. Article 9: Hôtels 1 Les changements d'affectation des hôtels, à des fins d'habitation non hôtelière, sont soumis au RQC (art. 5 al. 1 RQC). (...) Section 2 - Réglementation du contingentement de résidences secondaires Article 10: Contingentement - règlement 1 Le contingent de résidences secondaires annuel à réaliser dans le "secteur station" atteint 10'000 m 2 en 2006 (sans report sur 2007), 10'000 m 2 en 2007, 9'000 m 2 en 2008 et 8'000 m 2 pour les années suivantes (Icogne: 7,14 %; Lens: 22,79 %; Chermignon: 15,18 %; Montana: 11,99 %; Randogne: 30,49 %; Mollens: 12,40 %). 2 La répartition du contingent entre les catégories de projets est de la compétence du conseil communal. Il se répartit comme suit: - max. 50 % de SBP annuelle communale pour les grands projets (selon art. 20 al. 1 RQC) - max. 20 % de SBP annuelle communale pour les changements d'affectation de résidences principales en résidences secondaires (selon art. 5 al 1 RQC). 3 La démolition/reconstruction des bâtiments situés dans les rues commerciales selon plan annexé n'est pas soumise au règlement de contingentement. 4 L'autorité compétente peut décider de modifier la répartition des contingents entre les catégories si au 1 er octobre, certains contingents ne sont pas utilisés. 5 Le contingentement annuel intercommunal et sa répartition entre les six communes sera adapté selon les nécessités par l'autorité compétente. Article 11: Contingent par maître d'ouvrage 1 La définition d'un contingent annuel maximum par maître d'ouvrage pour les grands projets et autres est de la compétence du conseil communal. 2 Le conseil communal peut diverger de cette limitation lorsque le contingent annuel pour la catégorie correspondante n'a pas été épuisé au 1 er octobre. 3 Des maîtres d'ouvrage composés de plus de 50 % des mêmes membres sont considérés comme une seule et même entité. BGE 135 I 233 S. 239 Article 12: Contingents non sollicités 1 Les contingents annuels non sollicités peuvent être reportés sur l'année suivante. 2 Ces reports ne doivent pas dépasser le contingent annuel. CHAPITRE III - PROCÉDURES Section 1 - Procédures des quotas (...) Article 16: Exceptions - applications spéciales 1 En cas de décès du propriétaire d'une résidence principale, les héritiers légaux en ligne directe ont le droit d'utiliser l'appartement pour leurs propres besoins, en tant que résidence secondaire. (...) CHAPITRE IV - CONTRÔLE - CONSIDÉRATIONS FINALES - PÉRIODE DE TRANSITION (...) Article 23: Traitement des demandes déposées en 2006 1 Pour l'année 2006, un contingent annuel est à disposition, correspondant à ceux définis à l'art. 11 RQC. 2 Le RQC s'applique à toutes les demandes d'autorisation de construire qui n'ont pas été autorisées avant la mise en vigueur du RQC. 3 Les projets de construction qui ont été autorisés pendant la période des zones réservées moyennant l'établissement d'une part de résidence principale et/ou d'une taxe de remplacement provisoire, dépendent également du RQC. Le conseil communal édicte une décision définitive à leur propos en adaptant les conditions provisoires en fonction du RQC. B. Les six opposants ont saisi le Conseil d'Etat du canton du Valais qui, par arrêté du 19 décembre 2007, a rejeté les recours. (...) Le règlement a été homologué par décision du même jour. C. Par arrêt du 29 août 2008, la Cour de droit public du Tribunal cantonal valaisan a rejeté le recours des opposants. Le RQC faisait partie des dispositions sur le mode et le degré d'utilisation du sol pour lesquelles les communes disposaient d'une autonomie suffisante, sans qu'une base légale spécifique ne soit nécessaire. Certes élevé, le quota de 70 % de résidences principales était indispensable pour atteindre les objectifs visés. (...) Le secteur station était seul touché par le problème du déséquilibre entre résidences secondaires d'une part, résidences principales et activités hôtelières d'autre part, de sorte que le champ d'application du règlement était correctement délimité. La définition de la résidence principale au moyen BGE 135 I 233 S. 240 des notions, voisines, de domicile fiscal et civil, n'était pas contraire à la liberté d'établissement. Les modalités de l'obligation de louer constituaient des restrictions admissibles au droit de propriété. Les exceptions en faveur de projets d'utilité publique reconnue, des plans d'affectation antérieurs au 6 décembre 2005 ou des propriétaires de longue date étaient justifiées. La taxe prévue à l'art. 8 RQC était une contribution de remplacement, et non une taxe d'orientation ou un impôt; son montant était proche de celui des taxes similaires confirmées par la jurisprudence, et conforme au critère de l'avantage économique. Le contingentement annuel des résidences secondaires était également une mesure d'aménagement du territoire (...) que les communes pouvaient adopter dans le cadre du droit des constructions. (...) L'effet anticipé positif prévu à l'art. 23 RQC se rapportait aux mesures de blocage décidées en décembre 2005, et non aux mesures prévues par le RQC. D. Par acte du 9 octobre 2008, A. et consorts forment un recours en matière de droit public. Ils demandent l'annulation de l'arrêt cantonal, de l'arrêté d'homologation et du RQC. (...) Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (extrait)
5,349
2,714
Erwägungen Extrait des considérants: 2. Les recourants estiment que le RQC, qui comporte une atteinte grave au droit de propriété, devrait reposer sur une base légale formelle. Les buts du règlement sont de retrouver un équilibre entre résidences secondaires et principales, de freiner la surchauffe immobilière en station et d'assurer une partie des coûts générés par les résidences secondaires, et non de lutter contre la pénurie de logements. Il s'agirait d'une réglementation sans rapport avec la planification. La loi cantonale sur les constructions ne permettrait pas aux communes de limiter les résidences secondaires. Par le recours à des notions juridiques indéterminées, les imprécisions et inexactitudes qu'il contient, ainsi que l'ampleur et la complexité des mesures prévues, les pouvoirs conférés aux communes et les risques d'abus, le RQC consacrerait en réalité une politique économique sous couvert de gestion du sol. Une loi cantonale spécifique serait nécessaire. Les recourants se plaignent en particulier du défaut de base légale à propos de la taxe de remplacement prévue à l'art. 8 RQC. A l'instar de la taxe de remplacement pour les places de stationnement, cette disposition ne pourrait se fonder sur l' art. 13 let . g BGE 135 I 233 S. 241 de la loi cantonale du 23 janvier 1987 concernant l'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire (RS/VS 701.1; ci-après: LcAT). 2.1 Constituent une atteinte grave à la garantie de la propriété, nécessitant une base légale formelle, les mesures par lesquelles la propriété foncière se trouve enlevée de force, ou les interdictions et prescriptions qui rendent impossible ou beaucoup plus difficile une utilisation conforme à la destination ( ATF 115 Ia 365 ). En revanche, l'obligation de réserver une partie d'un bâtiment à une affectation déterminée ne constitue pas une atteinte grave ( ATF 115 Ia 378 consid. 3b/bb p. 380). En l'occurrence, la question de la gravité des atteintes portées au droit de propriété par le règlement attaqué peut demeurer indécise. En effet, en dépit de sa dénomination, le règlement attaqué constitue une base légale au sens tant matériel que formel. Il a en effet été adopté par les organes législatifs, soit les Assemblées primaires des communes concernées (art. 4 al. 1 let. a et art. 17 al. 1 let. a de la loi du canton du Valais du 5 février 2004 sur les communes [RS/VS 175.1; ci-après: LCom/VS]), soit l'assemblée de citoyens prévue aux art. 72 al. 1 ch. 1 et 78 al. 1 de la Constitution du canton du Valais du 8 mars 1907 (Cst./VS; RS 131.232), et a ainsi été soumis à un vote populaire. Dans ces conditions, l'acte législatif communal offre les mêmes garanties, du point de vue de la légitimité démocratique, qu'une loi cantonale, et constitue par conséquent une base légale suffisante, quelle que soit la gravité de l'atteinte invoquée ( ATF 131 I 333 consid. 4.3 p. 341; ATF 122 I 305 consid. 5a p. 312; ATF 120 Ia 265 consid. 2a p. 266-267 et les références citées). Il reste dès lors à examiner si les communes sont compétentes pour adopter une réglementation de ce genre. 2.2 La Constitution fédérale garantit l'autonomie communale dans les limites fixées par le droit cantonal ( art. 50 al. 1 Cst. ). Selon la jurisprudence, une commune est autonome dans les domaines que le droit cantonal ne règle pas de façon exhaustive, mais laisse en tout ou en partie dans la sphère communale en conférant aux autorités municipales une appréciable liberté de décision ( ATF 126 I 133 consid. 2 p. 136; ATF 124 I 223 consid. 2b p. 226 s. et les références citées). L'existence et l'étendue de l'autonomie communale dans une matière concrète sont déterminées essentiellement par la constitution et la législation cantonales, voire exceptionnellement par le droit cantonal non écrit et coutumier ( ATF 122 I 279 consid. 8b p. 290; ATF 116 Ia 285 consid. 3a p. 287; ATF 115 Ia 42 consid. 3 p. 44 et les arrêts BGE 135 I 233 S. 242 cités). Les communes bénéficient de compétences législatives lorsqu'elles disposent d'un pouvoir normatif dans un domaine que le législateur cantonal ou fédéral n'a pas réglé exhaustivement ( ATF 131 I 333 consid. 4.4.1 p. 341; ATF 115 Ia 42 ). 2.3 A teneur de l' art. 70 Cst./VS , les communes jouissent de leur autonomie en respectant le bien commun et l'intérêt des autres collectivités publiques (al. 1); elles accomplissent leurs tâches propres et celles que leur attribue la loi (al. 2); elles utilisent judicieusement et administrent avec soin le patrimoine communal (al. 3). Le droit cantonal distingue entre la sphère d'autonomie communale qui ressortit aux tâches originaires d'une part, et aux tâches déléguées d'autre part. Selon l'art. 6 LCom/VS, les communes ont notamment des attributions dans le domaine de l'aménagement local et de la police des constructions (let. c), de la protection de l'environnement (let. g) et de la promotion du bien-être social (let. i), ainsi que de la promotion de l'économie locale (let. l). Cette attribution de compétences est faite sous réserve des législations cantonale et fédérale. 2.4 Selon l'art. 3 LcAT, l'aménagement du territoire communal incombe aux communes (al. 1), lesquelles peuvent s'associer pour l'accomplissement de leurs tâches, notamment pour l'aménagement régional (al. 2). Ce sont les communes qui établissent les plans d'affectation pour l'ensemble de leur territoire en définissant les zones à bâtir, les zones agricoles et les zones à protéger, ainsi que d'autres zones réservées (art. 11 LcAT). Elles établissent les plans d'affectation spéciaux (art. 12 LcAT) et définissent les possibilités d'utilisation des différentes zones dans un règlement des zones et des constructions. Ce règlement définit notamment le mode et le degré d'utilisation du sol, les distances, l'aspect et le gabarit des constructions, ainsi que les contributions de remplacement et les taxes (art. 13 LcAT). En prévision de l'adoption ou de la modification d'un plan d'affectation, les communes peuvent créer des zones réservées pour une durée de deux ans (art. 19 LcAT), conformément à ce que prévoit l' art. 27 LAT (RS 700). 2.5 Le règlement attaqué fait suite au blocage des zones à bâtir, ordonné par les communes intimées en décembre 2005 et reconduit pour trois ans en décembre 2007. Les zones à bâtir situées dans le périmètre touristique jusqu'à la cote 1250, ont été déclarées zones réservées au sens de l'art. 19 LcAT, dans le but de permettre l'adaptation des plans d'affectation favorisant les résidences principales, BGE 135 I 233 S. 243 l'hôtellerie et la para-hôtellerie par rapport aux résidences secondaires. Il s'agit là manifestement d'une mesure d'aménagement du territoire, fondée sur l' art. 27 LAT , proche d'un effet anticipé négatif (cf. ZEN-RUFFINEN/GUY-ECABERT, Aménagement du territoire, constructions, expropriation, 2001, p. 199) et destinée à éviter qu'une planification prévue ne soit compromise par l'octroi d'autorisations accordées entretemps. Ces mesures ne sont toutefois pas l'objet de la présente procédure, et les compétences communales ne sauraient être contestées sur ce point. 2.6 Selon le rapport justificatif à l'appui du RQC, les deux tiers de la zone à bâtir de la station de Crans-Montana sont déjà construits. Sur l'ensemble des communes concernées, les résidences secondaires constituent en moyenne pour l'an 2000 63 % des logements; 150 à 200 appartements ou chalets de résidences secondaires sont construits chaque année. Il en résulte un affaiblissement du tourisme hôtelier classique - soit un facteur important de revenu des habitants - ainsi qu'une forte pression immobilière rendant toujours plus difficile l'accession à la propriété pour les habitants à l'année. La demande en résidence secondaire tend également à gagner les hameaux où le prix des terrains augmente à un niveau inaccessible pour les habitants. Le règlement a ainsi pour objectifs, en ce qui concerne la station, de diversifier l'affectation des nouvelles constructions, de modérer l'utilisation des zones à bâtir, de contribuer aux coûts de développement de la station et d'assurer une structure d'hébergement touristique du type hôtelier. Pour les villages, il s'agit de réserver suffisamment de terrains pour les résidences principales, et plus généralement d'assurer un développement durable. Ainsi, la réglementation litigieuse poursuit des buts relevant au premier chef de l'aménagement du territoire. A l'instar des buts et principes fixés aux art. 1 et 3 LAT , les objectifs du RQC relèvent certainement, sous certains aspects, de la politique économique ou sociale. Il n'en demeure pas moins que les moyens mis en oeuvre consistent à intervenir directement sur l'utilisation des zones à bâtir. 2.7 Selon la jurisprudence, les mesures de politique d'aménagement tendant à favoriser la construction de résidences principales et à limiter celle de résidences secondaires constituent des mesures d'aménagement du territoire car elles tendent, conformément à l'objectif visé à l' art. 75 Cst. , à une occupation judicieuse et mesurée du territoire ( ATF 117 Ia 141 ; ATF 112 Ia 65 consid. 3b; arrêts 1P.415/1998 du 1 er juin 1999, RDAT 2000 I n° 23 p. 397; 1P.404/1997 du BGE 135 I 233 S. 244 9 novembre 1998, RDAT 1999 I n° 20 p. 76). Ces mesures permettent de lutter, dans les régions touristiques, contre la prolifération des résidences secondaires dont les effets sont le gaspillage du territoire à bâtir, la pression sur les prix du terrain au détriment de la population locale et l'exode de cette dernière ( ATF 112 Ia 71 ). Cela permet également d'éviter la création d'infrastructures surdimensionnées et sous-utilisées ( ATF 117 Ia 141 consid. 2c; arrêt 1P.22/1995 du 1 er septembre 1995, Pra 1996 n° 164 p. 574). Ainsi, la fixation de contingents de logements secondaires, ou l'obligation de réserver un minimum de surfaces brutes de plancher aux résidences principales constituent bien des mesures d'aménagement du territoire (arrêt 1P.22/1995 précité, consid. 3b). En droit valaisan, celles-ci ressortissent aux autorités communales, dans le cadre de la définition du mode et du degré d'utilisation du sol (art. 13 al. 1 let. a LcAT). Contrairement à ce que soutiennent les recourants, l' ATF 116 Ia 207 se contente de relever que les restrictions applicables aux résidences secondaires ne résultent pas directement du plan d'affectation au point d'en faire partie intégrante et d'empêcher leur examen à titre préjudiciel. En revanche, cet arrêt ne revient pas sur le fait qu'il s'agit bien de prescriptions relevant de l'aménagement du territoire. Les recourants perdent de vue que les mesures d'aménagement du territoire ont nécessairement des effets sur la vie économique, sociale et culturelle; cela fait partie des buts poursuivis aux art. 1 al. 2 LAT et 3 LAT et n'en fait pas pour autant des mesures de politique économique. Les dispositions prises au niveau cantonal pour interdire l'instrumentation d'actes authentiques nécessitant un contingentement au sens de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41) ne signifient pas que le canton aurait voulu limiter les compétences des communes pour lutter contre le problème des résidences secondaires. 2.8 Dans son message du 4 juillet 2007 concernant la modification de la LAT (mesures d'accompagnement liées à l'abrogation de la LFAIE), le Conseil fédéral a estimé qu'il appartenait aux cantons de désigner, dans les plans directeurs, les territoires où des mesures particulières doivent être prises pour maintenir une proportion équilibrée de résidences principales et secondaires (FF 2007 5477). Il est notamment relevé que la multiplication des résidences secondaires entraîne une dégradation des paysages de valeur et, partant, de l'attrait des sites touristiques. Parmi les solutions préconisées, dont BGE 135 I 233 S. 245 le choix revient aux cantons, figurent les quotas et contingentements, la délimitation de zones spécialement destinées aux résidences principales ou secondaires, des coefficients minimums d'utilisation du sol, soit autant d'instruments relevant de l'aménagement du territoire et nécessitant une adaptation des plans directeurs cantonaux et des plans d'affectation, y compris communaux (FF 2007 5485 ch. 1.4.1), en fonction des circonstances régionales et locales (idem, p. 5487 ch. 1.7). Au contraire de ce que soutiennent les recourants, la lutte contre le développement excessif des résidences secondaires et ses effets constitue une obligation des autorités de planification qui trouve son fondement dans les dispositions générales des art. 1 à 3 LAT, et ne nécessite pas de base légale plus spécifique en droit fédéral ou cantonal (FF 2007 5492 ch. 5.1). 2.9 Selon la fiche de coordination D.1/3 du plan directeur cantonal, consacrée au tourisme intégré, il appartient aux communes de contrôler et de maîtriser la construction des résidences secondaires notamment lors de l'adaptation des plans d'affectation. Cela confirme que les mesures mises en oeuvre par le RQC relèvent de l'aménagement du territoire et que les communes sont bien compétentes en la matière, conformément à l'art. 13 LcAT. 2.10 Les compétences communales pour percevoir la taxe de remplacement prévue à l'art. 8 RQC sont, elles aussi, incontestables. Elles résultent clairement de l' art. 13 al. 2 let . g et h LcAT, qui autorise les communes à percevoir des contributions de remplacement et des taxes. La question de savoir si le montant de la taxe respecte le principe d'équivalence est sans rapport avec les questions de base légale et de compétence. 3. Les recourants invoquent ensuite le principe de la proportionnalité. Ils estiment que le quota de 70 % de résidences principales serait excessif. Un taux de 30 %, tel que pratiqué à Zermatt ou Saas- Fee, serait suffisant. La justification quant aux objectifs poursuivis par le règlement aurait été avancée tardivement, soit dans un rapport du 26 juillet 2007. Les recourants estiment que l'interdiction de vente à des étrangers - déjà concrétisée, notamment, par un règlement du Conseil d'Etat du 21 novembre 2007 - suffirait à atteindre le but recherché; la cour cantonale n'aurait pas démontré le contraire. 3.1 Une réglementation limitant la construction de résidences secondaires constitue une restriction au droit de propriété. Elle n'est BGE 135 I 233 S. 246 admissible que si elle repose sur un intérêt public suffisant et respecte le principe de la proportionnalité ( art. 36 al. 2 et 3 Cst. ). Ce dernier principe exige que les mesures mises en oeuvre soient propres à atteindre le but visé et que celui-ci ne puisse être atteint par une mesure moins contraignante; il doit en outre y avoir un rapport raisonnable entre ce but et les intérêts compromis ( ATF 134 I 221 consid. 3.3 p. 227; ATF 130 I 65 consid. 3.5.1 p. 69; ATF 128 II 292 consid. 5.1 p. 297 et les arrêts cités). 3.2 Dans le cadre d'un contrôle abstrait, le Tribunal fédéral s'impose une certaine retenue eu égard notamment aux principes découlant du fédéralisme et de la proportionnalité. Dans ce contexte, ce qui est décisif, c'est que la norme mise en cause puisse, d'après les principes d'interprétation reconnus, se voir attribuer un sens compatible avec les dispositions du droit supérieur. Pour en juger, il faut notamment tenir compte de la portée de l'atteinte aux droits en cause, de la possibilité d'obtenir ultérieurement, par un contrôle concret de la norme, une protection juridique suffisante, et des circonstances concrètes dans lesquelles ladite norme sera appliquée ( ATF 135 II 243 consid. 2 p. 248; ATF 129 I 12 consid. 3.2 p. 15; ATF 128 I 327 consid. 3.1 p. 334 s. et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral n'annule les dispositions attaquées que si elles ne se prêtent à aucune interprétation conforme au droit constitutionnel ou si, en raison des circonstances, leur teneur fait craindre avec une certaine vraisemblance qu'elles soient interprétées de façon contraire à la Constitution ( ATF 134 I 293 consid. 2 p. 295; ATF 130 I 82 consid. 2.1 p. 86; ATF 119 Ia 321 consid. 4 p. 325 s.). Le Tribunal fédéral fait aussi preuve de retenue lorsqu'il s'agit de tenir compte de circonstances locales ou de trancher de pures questions d'appréciation ( ATF 121 I 279 consid. 3d p. 284; ATF 120 Ia 74 consid. 5 p. 79). 3.3 Selon la jurisprudence, les mesures de politique d'aménagement tendant à favoriser la construction de résidences principales et à limiter celle de résidences secondaires sont compatibles avec la garantie de la propriété dans la mesure où elles tendent, conformément aux objectifs et principes fixés aux art. 1 al. 2 let. b et c et 3 LAT, à assurer une occupation rationnelle du territoire, à créer et maintenir les zones d'habitation, à favoriser la vie sociale, économique et culturelle des différentes régions du pays, ainsi qu'à promouvoir une décentralisation judicieuse de l'urbanisation ( ATF 117 Ia 143 consid. 2b; ATF 112 Ia 66 consid. 3b). La prolifération de résidences secondaires dans les régions touristiques produit des effets BGE 135 I 233 S. 247 indésirables du point de vue de l'aménagement du territoire: elle favorise un gaspillage du territoire à bâtir et exerce une pression sur les prix du terrain au détriment de la population locale dont elle entraîne l'exode ( ATF 112 Ia 71 ). Il existe ainsi un intérêt public important à prévenir la construction excessive de résidences secondaires inoccupées pendant la plus grande partie de l'année, évitant du même coup la création d'infrastructures surdimensionnées et sous-utilisées ( ATF 117 Ia 144 /145 consid. 2c). Dans ce cadre, la fixation de contingents de logements de grandes surfaces ou l'obligation de réserver une surface minimum des surfaces brutes de plancher aux résidences principales, constituent des mesures d'aménagement compatibles avec l' art. 26 Cst. ( ATF 117 Ia 141 ). 3.4 Le rapport justificatif du 26 juillet 2007 (dont les recourants se plaignent d'avoir eu tardivement connaissance, sans que cela ne constitue pour autant une violation de leur droit d'être entendus) fait ressortir l'urgence de la situation: selon le plan directeur intercommunal, la forte demande de résidences secondaires menace à moyen terme le tourisme ordinaire. Les habitants à l'année subissent directement ce manque à gagner et ne trouvent par ailleurs plus d'appartements pour se loger à des prix raisonnables. Alors que la population à l'année est de 6000 habitants (dont la moitié d'étrangers), on compte 33'000 lits en résidences secondaires et 2000 en hôtels. Cette urgence a conduit à l'adoption d'une zone réservée au mois de décembre 2005. Le quota de résidences principales est certes élevé, mais il devrait permettre, selon ce rapport, une diminution d'environ 30 % du nombre de nouvelles résidences secondaires et de 18,5 % de la surface habitable construite par année. Le contingentement des résidences secondaires, fixé à 8000 m 2 dès 2009, permettrait la construction obligatoire de 3'430 m 2 au minimum d'hôtels, appartements de location, bureaux, commerces et résidences principales. Les recourants ne contestent pas la pertinence des objectifs poursuivis. Ils se contentent d'affirmer que des mesures tendant à interdire la vente aux étrangers suffiraient à atteindre ces objectifs. Ils ne tentent toutefois nullement de démontrer que l'ensemble des résidences secondaires serait essentiellement destiné à des acheteurs étrangers. Or, une telle démonstration leur incombe, s'agissant d'un grief d'ordre constitutionnel ( art. 106 al. 2 LTF ). Les quotas et contingentements sont au demeurant, comme cela est relevé ci-dessous, BGE 135 I 233 S. 248 largement assortis d'exceptions, de sorte que le grief, d'ordre très général, doit être écarté dans la mesure où il est recevable. 4. Les recourants reprennent ensuite leurs critiques à l'égard des différentes dispositions du RQC. Dans la mesure où ils remettent en cause la compétence communale pour adopter divers aspects de la réglementation contestée, il y a lieu de se référer au consid. 2 ci-dessus. 4.1 Les recourants contestent l'application du RQC au seul "secteur station" (art. 3 RQC) alors que, selon eux, l'ensemble des villages des communes concernées serait touché par l'augmentation du nombre de résidences secondaires. Les recourants se plaignent à ce sujet d'une inégalité de traitement. 4.2 L'on ne saurait toutefois contester que la situation propre à la station de Montana-Crans se distingue de celle des villages situés en aval. C'est en effet dans le secteur station que le déséquilibre entre résidences secondaires et principales est le plus marqué. Ainsi, le rapport justificatif traite essentiellement du problème tel qu'il se présente dans ce secteur particulier. Les quatre objectifs principaux du RQC se rapportent à ce secteur. Les villages et hameaux ne sont que "progressivement" touchés par le phénomène; ils le seront davantage après la limitation des résidences secondaires en station, de sorte que la faculté est réservée aux communes concernées, selon l'art. 290.2 du RIC, d'adopter elles aussi un règlement de contingentement annexé au règlement, limitant la surface brute de plancher des résidences secondaires construites annuellement à 50 % de la moyenne des constructions durant les cinq années précédentes. Le problème des résidences secondaires ne se posant pas, en l'état, avec la même intensité ni la même urgence en station et dans les villages, il apparaît judicieux, et conforme au principe de la proportionnalité, de prévoir une réponse échelonnée et différenciée. 5. Les recourants critiquent la définition de la résidence principale, figurant à l'art. 4 RQC. Selon eux, les notions de domicile civil et fiscal ne coïncideraient pas toujours, ce qui pourrait empêcher l'établissement de personnes sur le territoire communal, en violation de l' art. 24 Cst. Le critère du domicile ne serait pas adéquat dans certaines situations (logements en copropriété ou en usufruit, multi-propriété). Dans la mesure où le but du règlement est d'éviter les logements vides, il devrait également favoriser BGE 135 I 233 S. 249 l'occupation par des personnes successives, sans création de domicile. Le règlement n'éviterait pas la vente ultérieure à des personnes non résidentes, et ne traiterait pas de la question des indigènes qui quittent la commune. 5.1 Selon l' art. 23 al. 1 CC , le domicile d'une personne est au lieu où elle réside avec l'intention de s'y établir. Cette disposition fait dépendre la constitution du domicile de deux conditions: d'une part, la résidence, soit un séjour d'une certaine durée dans un endroit donné et la création en ce lieu de rapports assez étroits et, d'autre part, l'intention de se fixer pour une certaine durée au lieu de sa résidence, intention qui doit être reconnaissable pour les tiers et donc ressortir de circonstances extérieures et objectives. Cette intention implique la volonté manifestée de faire d'un lieu le centre de ses relations personnelles et professionnelles. Le domicile d'une personne se trouve ainsi au lieu avec lequel elle a les relations les plus étroites, compte tenu de l'ensemble des circonstances ( ATF 132 I 29 consid. 4 p. 36). Quant au domicile fiscal, il se trouve à l'endroit où le contribuable a les relations les plus étroites, soit en principe le lieu de résidence de la famille et dans certains cas particuliers le lieu de travail ( ATF 132 I 29 consid. 4.2 p. 36). 5.2 L'une et l'autre de ces définitions correspondent au but du règlement, qui est non seulement de permettre l'occupation des logements construits dans la station, mais aussi d'assurer la résidence durable et effective par des personnes ayant leurs centres d'intérêts dans la région. Les notions de domicile civil et fiscal coïncident le plus souvent. Lorsque tel n'est pas le cas, ou dans les circonstances particulières énoncées par les recourants, il appartiendra à l'autorité de délivrance du permis de construire d'interpréter le règlement dans un sens raisonnable. Les recourants invoquent en vain la liberté d'établissement ( art. 24 Cst. ). La réglementation litigieuse n'empêche ni n'entrave l'établissement (sous la forme d'une prise de domicile ou d'un simple séjour) des personnes physiques sur le territoire des communes concernées, mais pose certaines conditions à la délivrance de permis de construire. L'argument est dès lors sans fondement. 5.3 Les recourants se plaignent aussi d'une inégalité de traitement à propos des logements construits ou transformés avant le 16 décembre 2005, date antérieure à l'homologation du règlement (art. 4 al. 3 RQC). La date en question est celle de l'instauration de la zone BGE 135 I 233 S. 250 réservée par laquelle les autorisations de construire ont été bloquées dans le secteur en cause. La situation de fait avant cette date était dès lors objectivement différente, ce qui justifie un traitement différent en vertu du principe de non-rétroactivité. 5.4 Les recourants soutiennent ensuite que les modalités relatives à la location des appartements, soit le recours à une société professionnelle, violeraient la liberté contractuelle découlant du droit fédéral ainsi que la garantie de la propriété puisqu'elle empêcherait les propriétaires de choisir librement leurs partenaires. L'argument doit être écarté. Le droit public peut en effet interdire, ou au contraire imposer la conclusion de contrats entre certaines personnes, sans que cela ne viole en soi le droit fédéral. La liberté contractuelle, énoncée à l' art. 1 CO , bénéficie certes de la protection assurée par le principe de primauté du droit fédéral ( ATF 102 Ia 533 consid. 10a p. 542). Elle n'est toutefois pas illimitée (cf. art. 19 et 20 CO ) et certaines dérogations à cette liberté peuvent aussi se justifier, notamment dans le domaine du logement ( ATF 113 Ia 126 consid. 8c p. 139). Faute de prétendre que la réglementation attaquée serait contraire aux dispositions spéciales régissant les contrats de mandat ou de bail à loyer, l'argumentation des recourants fondée sur le respect du droit fédéral n'a pas de portée propre par rapport à celle qui est tirée de la garantie de la propriété, respectivement de la liberté économique (cf. ATF 102 Ia 533 consid. 10a p. 542). L'obligation de recourir aux services d'une société professionnelle de location reconnue constitue une atteinte négligeable à la liberté économique, par comparaison avec l'obligation générale d'affectation qui résulte de la réglementation dans son ensemble. Elle a pour but évident d'éviter les abus: la réglementation pourrait facilement être contournée, notamment par la conclusion de baux fictifs ou par la location à des personnes ne résidant pas réellement sur la commune. L'intervention d'une agence sur place constitue un moyen de prévenir de telles manoeuvres et répond ainsi de manière proportionnée à un intérêt public incontestable. Les recourants se plaignent de la délégation à l'autorité exécutive pour l'adoption du règlement d'application, mais ne prétendent pas que les conditions posées à une telle délégation ne seraient pas remplies: la délégation figure dans une loi au sens formel, et son cadre est clairement défini ( ATF 132 I 7 consid. 2.2 p. 9). (...) BGE 135 I 233 S. 251 7. Les recourants estiment, en relation avec l'art. 6 RQC, que le quota de 70 % de résidences principales (al. 1) serait excessif, en comparaison avec les autres communes valaisannes ayant adopté des mesures analogues, mais dont les quotas sont fixés au tiers de la surface brute de plancher. Le quota de 100 % pour les logements individuels (al. 2) empêcherait toute construction de chalets individuels et violerait ainsi la garantie de la propriété. 7.1 Selon la jurisprudence, une réglementation interdisant de manière générale toute construction de résidences secondaires, ainsi que toute rénovation, agrandissement et transformation des résidences secondaires existantes, peut reposer sur un intérêt public. Toutefois, dans la mesure où les dérogations à la règle ne sont qu'exceptionnelles et ne confèrent pas à l'autorité d'application une marge d'appréciation suffisante, une telle réglementation ne respecte pas le principe de la proportionnalité (arrêt 1P.22/1995 du 1 er septembre 1995, in Pra 1996 n° 164 p. 574). En revanche, la fixation d'un pourcentage minimum de surface brute de plancher affecté à la résidence principale apparaît comme un moyen proportionné de lutter contre la multiplication incontrôlée du nombre de résidences secondaires. Des taux de résidences principales fixés à 25 % (avec une surface minimum de 80 m 2 ; ATF 117 Ia 141 ) ou à 35 % (arrêt 1P.586/2004 du 28 juin 2005 consid. 4.2.1, partiellement in RDAF 2007 I p. 573) ont été jugés admissibles (cf. également les exemples cités in: Construction de résidences secondaires: des solutions sur mesure, Raum & Umwelt 2006 p. 3 s), mais également des proportions inverses telles qu'une limitation des résidences secondaires à 30 % (arrêt 1P.415/1998 du 1 er juin 1999, in RDAT 2000 I n° 23 p. 397) voire 20 % (arrêt 1P.404/1997 du 9 novembre 1998, in RDAT 1999 I n° 20 p. 76). Il est également loisible aux autorités locales de prévoir des zones spécialement réservées aux résidences principales. 7.2 Le choix des mesures à adopter et du pourcentage admissible de résidences secondaires dépend avant tout de la gravité de la situation et de l'urgence à y remédier. Il s'agit de choix essentiellement politiques, dépendant des circonstances locales et du développement territorial souhaité, tel qu'il ressort de la planification directrice. En l'occurrence, la proportion de 70 % de résidences principales est certes élevée, mais n'a rien d'exceptionnel. Selon le rapport justificatif, la proportion de résidences secondaires atteignait 63 % de l'ensemble des logements en 2000. Avec 33'000 lits en BGE 135 I 233 S. 252 résidences secondaires et 2000 en hôtels, par rapport à une population de 6000 habitants à l'année, l'équilibre "démographique" serait actuellement fortement perturbé. Selon la simulation des effets du règlement sur le marché de la construction et la démographie, l'introduction des mesures de contingentement et de quotas est censée permettre la création de 1710 m 2 de surface habitable par année pour les habitants à l'année, soit environ pour 50 résidents. La création d'un tel marché parallèle pour les résidences principales constitue le premier résultat recherché; la surface habitable construite totale passera par ailleurs de 14'000 m 2 à 11'400 m 2 , soit une baisse de 18,5 %, compte non tenu des constructions faisant l'objet de plans de quartier. Les recourants ne contestent ni la pertinence des objectifs poursuivis, ni l'adéquation des moyens mis en oeuvre. Ils perdent également de vue que, moyennant paiement de la contribution de remplacement, 40 % supplémentaires de surface brute peuvent être affectés à la résidence secondaire pour les constructions à plusieurs logements (art. 8 al. 1 RQC), ce qui ramène à 30 % la part de résidence principale. Par ailleurs, après une utilisation pendant 10 ans comme résidence principale, l'affectation obligatoire peut être levée moyennant le versement d'une taxe de remplacement dégressive (art. 8 al. 5 RQC). 7.3 S'agissant des logements individuels, non susceptibles d'affectations différenciées, il n'y a d'autre choix que d'imposer une utilisation à 100 % comme résidence principale (cf. arrêt 1P.586/2004 consid. 4.2.1, in ZBl 107/2006 p. 369), sous peine de vider la réglementation de son contenu. Le propriétaire dispose de la possibilité d'obtenir une affectation différente en s'acquittant de la taxe de remplacement (art. 8 al. 2 RQC). Il peut également louer son immeuble aux conditions de l'art. 7 RQC. Il apparaît dès lors que les quotas fixés à l'art. 6 RQC apparaissent à la fois nécessaires et adéquats pour parvenir aux buts recherchés. Le principe de la proportionnalité est ainsi respecté. 8. Les recourants reprochent ensuite à la cour cantonale de ne pas avoir traité leur grief relatif à l'art. 7 RQC, dans lequel ils estimaient que l'obligation de louer était contraire à la garantie de la propriété et à la liberté contractuelle. Il s'agirait d'une mesure empiétant sur le droit civil fédéral. 8.1 Reprenant sans autre leur argumentation, les recourants ne se plaignent pas d'une violation de leur droit d'être entendus. L'arrêt BGE 135 I 233 S. 253 cantonal traite d'ailleurs du grief, en rapport avec l'art. 4 al. 4 RQC, en relevant que les contraintes de location ne sont que "la conséquence des options que le propriétaire aura librement faites au moment où il aura choisi de solliciter un permis de construire". Du point de vue formel du droit d'être entendu, une telle motivation apparaît suffisante. 8.2 Dans les domaines régis en principe par le droit civil fédéral, les cantons - et les communes - conservent la compétence d'édicter des règles de droit public en vertu de l' art. 6 CC , à condition que le législateur fédéral n'ait pas entendu régler une matière de façon exhaustive, que les règles cantonales ou communales soient motivées par un intérêt public pertinent et qu'elles n'éludent pas le droit civil, ni n'en contredisent le sens ou l'esprit ( ATF 130 I 169 consid. 2.1 p. 170; ATF 129 I 330 consid. 3.1 p. 334, ATF 129 I 402 consid. 2 p. 404, et les arrêts cités). S'il leur est interdit d'intervenir dans les rapports directs entre les parties au contrat de bail, réglés exhaustivement par le droit fédéral ( ATF 117 Ia 328 consid. 2b p. 331; ATF 113 Ia 126 consid. 9d p. 143), les cantons demeurent cependant libres d'édicter des mesures destinées à combattre la pénurie sur le marché locatif: les dispositions qui imposent un contrôle des loyers ne sont en principe pas contraires aux règles du droit civil fédéral qui régissent les rapports entre bailleurs et locataires ( ATF 101 Ia 502 ; ATF 89 I 178 ). Il n'est pas non plus contraire au droit fédéral de soumettre à autorisation la transformation ou l'aliénation d'appartements, si la réglementation permet une pesée suffisante des intérêts en présence ( ATF 113 Ia 126 ). La jurisprudence tient aussi pour conformes au droit fédéral et à la Constitution les normes imposant au propriétaire une réaffectation forcée de ses locaux à l'usage d'habitation, l'expropriation temporaire de l'usage des appartements locatifs laissés abusivement vides ou l'obligation de louer des logements subventionnés à certains locataires ( ATF 131 I 333 ; ATF 119 Ia 348 ; arrêt 1P.664/1999 du 1 er septembre 2000, in RDAF 2002 I p. 25). Ces normes poursuivent un but d'intérêt public évident, suffisamment important pour justifier des restrictions au droit de propriété, à la liberté économique et à l'application de certaines règles de droit civil fédéral ( ATF 131 I 333 consid. 2; ATF 116 Ia 401 consid. 9 p. 414/415; ATF 113 Ia 126 consid. 7a p. 133; ATF 111 Ia 23 consid. 3a p. 26). 8.3 En l'espèce, la réglementation attaquée repose sur un intérêt public suffisant tenant d'une part à une utilisation rationnelle et mesurée du territoire communal, et d'autre part à une offre suffisante de BGE 135 I 233 S. 254 logements pour les personnes résidant effectivement sur place. Le règlement n'instaure d'ailleurs pas une location forcée des résidences principales, mais prévoit une possibilité supplémentaire de réaliser de telles résidences lorsque le propriétaire n'entend pas résider lui-même sur place. Cette possibilité découle directement de l'affectation obligatoire posée à l'art. 6 RQC, en soi conforme au droit supérieur. Le contrôle des loyers repose lui aussi sur un intérêt public suffisant. Il constitue également la contrepartie à une dérogation accordée au propriétaire. Il n'y a dès lors pas de violation de la garantie de la propriété ou de la liberté économique. 9. Les recourants estiment que la taxe de remplacement prévue à l'art. 8 RQC constituerait un impôt d'orientation, dès lors qu'elle a pour but d'influencer le comportement des propriétaires concernés, que son taux est élevé et qu'il n'y a pas de contre-prestation équivalente de la part de l'Etat. Les communes auraient invoqué cette composante incitative dans leur justification. La taxe n'aurait pas d'effet dissuasif pour les acheteurs à forte capacité financière et pénaliserait les acheteurs Suisse ou domiciliés en Suisse. Une telle taxe ne pourrait se fonder sur l' art. 13 al. 2 let . g LcAT puisque son but est précisément de permettre la réalisation de résidences secondaires, contrairement à l'objectif poursuivi par le règlement. Elle serait, pour la même raison, incompatible avec les exigences de l' art. 1 al. 1 LAT . Les recourants critiquent également le montant de la taxe, et relèvent que celle-ci n'est pas intégralement affectée à la construction de résidences principales, mais aussi à la réalisation d'hôtels, favorisant ainsi une activité économique. Ils considèrent que le principe d'égalité devant l'impôt ( art. 127 al. 2 Cst. ) ne serait pas respecté, car le propriétaire séjournant dans une résidence secondaire se trouverait dans une situation comparable à celui qui loge en hôtel ou en location. 9.1 La taxe de remplacement apparaît en premier lieu comme la somme due non pas par l'ensemble des propriétaires de résidences secondaires, mais par ceux qui, en dérogation à la nouvelle réglementation, désirent réduire la part de résidence principale. Il s'agit bien d'une taxe compensatoire, soit une taxe causale, libérant celui qui la verse de l'obligation de fournir une prestation de nature primaire (arrêt 1P. 586/2004 du 28 juin 2005 consid. 4, in ZBl 107/2006 p. 369). L'exigence de légalité applicable à cet égard est en l'occurrence manifestement satisfaite puisque l'obligation primaire figure dans une loi formelle (consid. 2.7), de même que le cercle des BGE 135 I 233 S. 255 débiteurs de la taxe, son objet et son montant. Les recourants se contentent de prétendre que le montant de la taxe serait trop élevé, mais ils ne tentent pas de démontrer que le principe d'équivalence s'en trouverait violé. Cela n'est d'ailleurs pas déterminant, dans la mesure où la taxe est expressément prévue dans une base légale formelle (arrêt 1P.586/ 2004 précité consid. 4.1 in fine). 9.2 Compte tenu de la nature et du but de la taxe, celle-ci ne saurait concerner que les propriétaires désireux d'augmenter la part de résidence secondaire. L'argument tiré de l' art. 127 al. 2 Cst. tombe par conséquent à faux. La possibilité de remplacer l'affectation obligatoire par le versement d'une taxe est censée amoindrir la rigueur du système, conformément notamment au principe de la proportionnalité. On ne saurait pour autant considérer que la taxe de remplacement serait incompatible avec les exigences de l' art. 1 al. 1 LAT ou avec les buts de la réglementation elle-même. De même, s'il est certes vrai que la taxe, dans la mesure où elle poursuit dans une certaine mesure un but incitatif reconnu par les communes intimées, sera de peu d'efficacité pour les propriétaires les plus fortunés, cela ne permet pas de remettre en cause l'efficacité des mesures prévues par le RQC dans son ensemble. Pour les constructions à plusieurs logements, il existe un taux incompressible de 30 % de résidences principales. Par ailleurs, le système des contingentements demeure applicable et permet aux communes de gérer à long terme la demande de résidences secondaires. Les griefs dirigés contre la taxe de remplacement apparaissent ainsi sans fondement. (...) 15. Les recourants critiquent enfin les dispositions transitoires figurant à l'art. 23 RQC. L'application du règlement pour les périodes précédant son approbation par le Conseil d'Etat (soit pour l'année 2006 et la période des zones réservées, dès le 16 décembre 2005), constituerait un effet anticipé positif qui ne serait pas prévu par le droit cantonal et violerait l' art. 26 Cst. pour tous les propriétaires en créant des inégalités choquantes. L' art. 27 al. 1 LAT ne serait pas applicable puisque le RQC n'instituerait pas des mesures d'aménagement. 15.1 Le règlement attaqué a été homologué par le Conseil d'Etat le 19 décembre 2007. Toutefois, les mesures de contingentement doivent déjà s'appliquer pour l'année 2006 (10'000 m 2 au total selon BGE 135 I 233 S. 256 l'art. 10 al. 1 RQC). Par ailleurs, selon l'art. 23 al. 3 RQC, les projets autorisés durant la période de réserve - soit dès le 16 décembre 2005 - avec une part de résidence principale et/ou le versement d'une taxe compensatoire, sont également soumis au RQC. Le conseil communal rend une décision d'adaptation au RQC. 15.2 Il est douteux que les recourants aient qualité pour soulever un tel grief. En effet, dans la mesure où la disposition litigieuse est déjà censée avoir déployé ses effets contestés - application du nouveau droit aux demandes déposées avant l'entrée en vigueur du RQC -, les recourants devraient être à même d'indiquer en quoi ils sont touchés directement. Dans un tel cas, l'intérêt actuel et digne de protection se substitue à l'intérêt virtuel. Or, comme le relève la cour cantonale, les recourants ne prétendent pas que l'application du RQC aux autorisations obtenues durant la période des zones réservées viendrait péjorer la situation juridique des propriétaires concernés. Ils n'allèguent pas, en particulier, que le contingentement fixé dans le RQC pour 2006 aurait pour effet la révocation de certaines autorisations accordées à tort. Les recourants ne se plaignent pas non plus de décisions d'adaptations qui auraient été prises par le conseil communal. 15.3 Au demeurant, la disposition litigieuse ne crée pas d'effet anticipé: les restrictions aux permis de construire antérieurement à l'adoption du RQC découlent de la mesure de blocage instituée en décembre 2005. Quant à l'application rétroactive du règlement aux faits antérieurs à son entrée en vigueur, elle repose sur une base légale et un intérêt public suffisant. Elle est limitée dans le temps et vise à assurer une pratique uniforme. Les recourants n'expliquent pas en quoi elle porterait atteinte à des droits acquis. Pour le surplus, les logements existants avant le 16 décembre 2005 et les demandes d'autorisation complètes et conformes déposées avant cette date sont soustraits à la réglementation selon l'art. 4 al. 3 RQC, conformément à l'interdiction générale de la rétroactivité.
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Sachverhalt ab Seite 291 BGE 111 II 291 S. 291 A.- Dame R., qui exploitait sous une raison individuelle la fabrique Higyne, à Fiaugères, a obtenu en sa faveur l'inscription des marques Higyne et Higynodor. Le 19 août 1977, une société anonyme a été créée sous la raison Higyne S.A. Dame R. en était l'une des actionnaires. Selon l'art. 3 al. 1 des statuts, la société avait notamment pour but "la diffusion des procédés de la marque Higyne et Higynodor déposée auprès du Service fédéral de l'hygiène publique et la propriété intellectuelle à Berne par dame R.". Selon l'al. 2 du même article, la société reprenait "l'actif et le passif de la raison individuelle (...) Fabrique Higyne, à F., selon bilan établi ...". Toutefois, les marques précitées ne figuraient pas comme actifs dans le bilan. Ce problème des marques a été évoqué à l'époque du transfert de l'entreprise, mais il n'a pas été réglé expressément. Dame R. a été administratrice unique de la société jusqu'en 1981; elle se comportait comme si les marques en question avaient été cédées à cette dernière. Après avoir cessé ses fonctions BGE 111 II 291 S. 292 d'administratrice, elle a vendu ses actions et quitté définitivement la société. Higyne S.A. a alors requis et obtenu l'inscription à son nom des marques Higyne et Higynodor. Les époux R. ont continué, de leur côté, à exercer une activité liée à la distribution de produits fabriqués notamment sous ces deux marques; dame R. a prétendu, à cet égard, qu'elle n'avait pas transféré les marques en question à la société Higyne S.A. B.- Higyne S.A. a ouvert action contre les époux R., concluant notamment à ce qu'il soit constaté qu'Higyne S.A. est le seul ayant droit aux marques Higyne et Higynodor et à ce que les époux R. soient condamnés solidairement à lui verser, à titre de dommages-intérêts, 252'261 francs "plus la somme déterminée par expertise". La Cour civile du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a décidé de limiter les débats à la question du transfert des marques. Par arrêt du 17 avril 1985, elle a, en bref, constaté la titularité de la demanderesse sur les marques litigieuses; elle a en outre interdit aux défendeurs d'utiliser lesdites marques et les a condamnés tous deux à détruire les documents et emballages sur lesquels figuraient celles-ci. C.- Dame R. interjette un recours en réforme contre cet arrêt. Elle demande qu'il soit prononcé qu'elle est le seul ayant droit aux marques Higyne et Higynodor. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des motifs: 2. a) La cour cantonale a, en bref, considéré que, lors du transfert de l'entreprise, le transfert des marques avait été évoqué, sans faire l'objet d'un accord exprès; l'attitude ultérieure des parties permet cependant de retenir que les marques ont effectivement été cédées à la demanderesse; à supposer cependant qu'il n'y ait pas eu de transfert et à défaut de contrat de licence, dame R. serait déchue du droit aux marques litigieuses, faute d'en avoir fait usage pendant plus de trois ans ( art. 9 al. 1 LMF ). b) Comme l'indique à juste titre la cour cantonale, étant donné que la marque n'est pas séparable de l'entreprise ( art. 11 LMF ), on présume, dans le silence du contrat, que le transfert de l'entreprise comprend le transfert de la marque (cf. arrêt non publié K. V. S.A. et cons. du 24 septembre 1982; cf. également DAVID, Markenschutzgesetz, 2e éd., n. 4 ad art. 11; MARTIN-ACHARD, BGE 111 II 291 S. 293 La cession libre de la marque, p. 79; MATTER, Kommentar, n. III 3 ad art. 11, p. 158; TROLLER, Immaterialgüterrecht, I, p. 930). Faute de constatation quant à la volonté interne des parties, leur contrat doit être interprété selon les règles de la bonne foi ( ATF 109 II 329 et les arrêts cités). La manière peu précise dont elles ont évoqué le problème du transfert des marques ne permet pas, en l'occurrence, d'y voir une clause contractuelle aux termes de laquelle elles seraient convenues de réserver à un accord ultérieur le règlement de ce point tenu pour secondaire ( art. 2 CO ); il n'y a donc pas lieu de compléter le contrat en application de l' art. 2 al. 2 CO , mais seulement de l'interpréter. Il ressort de l'ensemble des circonstances que, pour que l'objectif des parties fût atteint, il était nécessaire que les marques Higyne et Higynodor puissent être utilisées par la nouvelle société, puisque celle-ci reprenait la "Fabrique Higyne", qu'elle adoptait comme raison sociale Higyne S.A. et que son but social était notamment "la diffusion des procédés de la marque Higyne et Higynodor". Cette utilisation supposait un transfert de la marque ou, à tout le moins, une licence en autorisant l'usage. Or, du moment que l'entreprise personnelle de la défenderesse cessait d'exister, qu'il n'était prévu aucune limitation dans le temps quant à l'activité de la nouvelle société - en particulier pour l'exploitation des marques - et qu'il ne ressort pas des constatations de l'arrêt cantonal qu'on aurait envisagé un usage quelconque des marques litigieuses par des tiers, on doit raisonnablement comprendre l'accord des parties comme impliquant une autorisation sans limite et définitive d'utiliser les marques litigieuses, soit comme un transfert de celles-ci. Dans l'arrêt susmentionné du 24 septembre 1982, le Tribunal fédéral en a jugé de même, à propos de faits presque semblables. Les éléments invoqués en sens contraire par la recourante n'apparaissent point déterminants. Si les marques ne figuraient pas à l'actif du bilan, avec une estimation pécuniaire, cela peut fort bien s'expliquer par le fait que les parties n'ont pas pensé à lui attribuer une valeur séparée; cela n'empêche toutefois point que l'opération commerciale désirée impliquait le transfert des marques. De même, si les statuts mentionnent que les marques avaient été "déposée(s...) par dame R.", cette mention a trait uniquement à l'inscription, mais n'implique nullement que dame R. aurait dû en rester l'ayant droit. Enfin, si le problème du transfert des marques a seulement été évoqué, sans faire l'objet BGE 111 II 291 S. 294 d'une clause expresse du contrat, au moment du transfert de l'entreprise, cette circonstance peut éventuellement s'expliquer par le fait que la défenderesse devenait administratrice de la nouvelle société et que les formalités d'enregistrement étaient remises à plus tard; une telle circonstance ne saurait cependant faire obstacle à un transfert qu'exigeait le but choisi par les parties. Loin d'être infirmée, la présomption susmentionnée est donc confirmée. Au demeurant, l'attitude ultérieure des parties montre qu'elles ne devaient sans doute pas comprendre le contrat différemment. c) Vu ce qui précède, il n'est point nécessaire d'examiner le bien-fondé de la motivation subsidiaire retenue par la cour cantonale.
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Sachverhalt ab Seite 260 BGE 133 I 259 S. 260 Gegen das vom Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt am 18. Januar 2006 beschlossene neue Notariatsgesetz (nNotG) reichten die Notare Dr. Beat Schultheiss und Dr. Peter Eulau am 15. März 2006 gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht ein; sie verlangten die Aufhebung verschiedener Bestimmungen des Erlasses (§ 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1 und 2, § 10, § 26 Satz 2 und § 56 Abs. 2). Der Kanton Basel-Stadt beantragte zwar die Abweisung der Beschwerde, formulierte aber in einem Eventualbegehren eine sprachlich präzisierte Version des Aufhebungsantrags der Beschwerdeführer. Letztere schlossen sich im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels diesem Eventualbegehren des Kantons an. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Obschon der materielle Begriff der öffentlichen Beurkundung dem Bundesrecht angehört, liegt die Kompetenz zu deren gesetzlichen Regelung grundsätzlich bei den Kantonen. Diesen wird durch Art. 55 SchlT ZGB die Aufgabe übertragen, zu bestimmen, wer auf dem Kantonsgebiet zur Errichtung öffentlicher Urkunden befugt und wie dabei vorzugehen ist. Neben Zuständigkeit und Form des Verfahrens sind insbesondere die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Urkundsperson, die Aufgaben und Berufspflichten der Urkundspersonen sowie das Gebühren- und Aufsichtswesen zu regeln ( BGE 131 II 639 E. 6.1 S. 645; vgl. auch LOUIS CARLEN, Notariatsrecht der Schweiz, Zürich 1976, S. 35; CHRISTIAN BRÜCKNER, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993, S. 3 f. N. 5; PETER RUF, Notariatsrecht, Langenthal 1995, S. 34 N. 130 und S. 37 N. 140). 2.2 Diese Normierungsfreiheit der Kantone wird immerhin in zweierlei Hinsicht beschränkt, einerseits durch die bundesrechtlichen Mindestanforderungen, die sich aus dem materiellrechtlichen Zweck des Instituts ergeben ( BGE 106 II 146 E. 1 S. 147; zu deren Umfang vgl. RUF, a.a.O., S. 46 ff. N. 162-164), und andererseits durch die punktuellen Regelungen, welche die Beurkundungsgeschäfte im Gesetzesrecht des Bundes erfahren (vgl. hierzu HANS MARTI, Notariatsprozess, Bern 1989, S. 35 f.). Keinerlei Einschränkung durch das Bundesrecht erfährt die kantonale Gesetzgebungskompetenz jedoch bezüglich der Zulassung der Notare zur BGE 133 I 259 S. 261 Berufsausübung. In der Ausgestaltung der entsprechenden Regelung sind die Kantone deshalb weitgehend frei ( BGE 131 II 639 E. 7.3 S. 646 f.), zumal die Notare aufgrund der ihnen verliehenen Beurkundungsbefugnis Träger einer hoheitlichen Funktion sind und sich - weil sie an der Staatsgewalt teilhaben - nicht auf die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV berufen können ( BGE 131 II 639 E. 6.1 S. 645; BGE 128 I 280 E. 3 S. 281 f.; vgl. auch CARLEN, a.a.O., S. 37; BRÜCKNER, a.a.O., S. 152 N. 481 und S. 153 N. 485 ff.; RUF, a.a.O., S. 74 f. N. 251). Dementsprechend behalten verschiedene Kantone das Beurkundungswesen Beamten vor, indem sie dieses durch die Schaffung des Amtsnotariats gänzlich dem wirtschaftlichen Wettbewerb entziehen. Andere haben Höchst- oder Mindestgrenzen für die Zahl der (freien) Notare festgelegt, wodurch sie lenkend auf die Anzahl der praktizierenden Urkundspersonen Einfluss nehmen (vgl. CARLEN, a.a.O., S. 36 ff.). 2.3 Das neue Notariatsgesetz des Kantons Basel-Stadt kennt das freie Notariat: Die Notare sind auf dem Kantonsgebiet für die Beurkundung aller Geschäfte und Tatsachen zuständig, welche von Gesetzes wegen oder nach dem Willen der Parteien in Form einer öffentlichen Urkunde festzuhalten sind (§ 2 nNotG). Zur Erlangung des beruflichen Fähigkeitsausweises haben die Bewerber eine Prüfung zu bestehen (§ 3 ff. nNotG), während die Erteilung der Beurkundungsbefugnis anschliessend von zusätzlichen persönlichen Voraussetzungen abhängig ist (vgl. § 7 nNotG). Insbesondere wird die "berufliche Selbständigkeit" des Notars verlangt, wobei § 7 Abs. 2 nNotG näher regelt, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. 3. 3.1 Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde richtet sich unter anderem gegen diese Umschreibung der beruflichen Selbständigkeit, nämlich gegen die vorgesehene Unvereinbarkeit von Beurkundungsbefugnis und Organstellung bei einer Immobiliengesellschaft. Der Gesetzestext von § 7 Abs. 2 nNotG lautet wie folgt: "Als beruflich selbständig gilt, wer als selbständigerwerbende Notarin oder als selbständigerwerbender Notar tätig oder bei einer Notarin oder einem Notar angestellt ist. Die Anstellung bei anderen Unternehmungen ist mit der Beurkundungsbefugnis unvereinbar, desgleichen die Ausübung von Handels- und Vermittlungstätigkeiten im Liegenschaftsbereich und die Ausübung von Organfunktionen oder die anderweitige Kontrolle von Unternehmungen, deren Zweck oder Haupttätigkeit der Handel mit Liegenschaften ist. Die Justizkommission kann Ausnahmen bewilligen für Anstellungsverhältnisse, die aufgrund ihres geringen BGE 133 I 259 S. 262 zeitlichen Umfangs und der Art der Beanspruchung die notarielle Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen können." Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird vorliegend die Streichung des letzten Teils des zweiten Satzes von § 7 Abs. 2 nNotG verlangt ("... und die Ausübung von Organfunktionen oder die anderweitige Kontrolle von Unternehmungen, deren Zweck oder Haupttätigkeit der Handel mit Liegenschaften ist"). Zur Begründung tragen die Beschwerdeführer vor, die Ausstandsvorschriften des neuen Notariatsgesetzes (vgl. § 23 ff.) seien ausreichend, um Interessenkollisionen bei den Notaren auszuschliessen. Es sei deshalb überflüssig, gesetzlich eine generelle Unvereinbarkeit der Beurkundungsbefugnis mit der Organstellung bei einer Immobiliengesellschaft vorzusehen. Für die streitige Regelung fehle jeglicher sachliche Grund, weshalb sie gegen das Willkürverbot von Art. 9 BV (vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70) verstosse. 3.2 Das Justizdepartement führt demgegenüber aus, die Rechtsuchenden seien nicht frei in ihrem Entschluss, die Dienstleistungen einer Urkundsperson in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen der beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäfte bestehe ein staatlicher Zwang, dem Notar Geheimnisse anzuvertrauen. Deshalb müsse verhindert werden, dass dieser privaten Nutzen aus den anvertrauten Informationen ziehen könne. Das gelte besonders für das Marktgeschehen im Bereich des Immobilienhandels, so dass die streitige Bestimmung sachlich gerechtfertig sei. 3.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer erscheint die Unvereinbarkeitsbestimmung ohne weiteres als haltbar: Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist die Unabhängigkeit und Neutralität des freiberuflich tätigen Notars von herausragender Bedeutung. Mit Blick hierauf hat das Bundesgericht eine Regelung des Kantons Genf für verfassungsmässig erklärt, welche den dortigen Notaren (fast) alle Formen von Nebenerwerbstätigkeiten verbietet (Urteil 2P.62/1989 vom 10. November 1989, publ. in: SJ 1990 S. 97). Es hat diesbezüglich erwogen, jegliche Beteiligung am Wirtschaftsleben führe zu einer gewissen Gefährdung der Unabhängigkeit des Notars. Es sei deshalb Sache des kantonalen Gesetzgebers, abzuwägen, in welchem Ausmass er Nebenbeschäftigungen seiner Notare gestatten oder deren Neutralität absichern wolle (vgl. auch Urteil 2P.151/1995 vom 12. Dezember 1996, publ. in: RDAT 1997 BGE 133 I 259 S. 263 II N. 10 S. 14, E. 3c; Urteil 2P.226/2006 vom 8. Dezember 2006, E. 4.2). Abgesehen von den unselbständigen Nebenerwerbstätigkeiten hat der Kanton Basel-Stadt seinen Urkundspersonen im Wesentlichen bloss die Beteiligung am Liegenschaftenhandel untersagt, so dass es sich bei § 7 Abs. 2 nNotG keinesfalls um eine restriktive Bestimmung handelt: Der (gewerbsmässige) Liegenschaftenhandel wird gemeinhin als mit dem Ansehen des Notariatsberufs unvereinbar betrachtet (vgl. RUF, a.a.O., S. 123 N. 448; BRÜCKNER, a.a.O., S. 982 N. 3482; CARLEN, a.a.O., S. 64). Dies scheinen auch die Beschwerdeführer nicht zu verkennen, zumal sie gegen die in § 7 Abs. 2 nNotG vorgesehene Unvereinbarkeit von Beurkundungsbefugnis und "Handels- und Vermittlungstätigkeiten im Liegenschaftsbereich" nichts einzuwenden haben. Dabei übersehen sie aber, dass sich eine Beteiligung am Liegenschaftenhandel als Organ einer Immobiliengesellschaft letztlich nicht von einer selbständigen Betätigung des Notars als Liegenschaftenhändler unterscheidet. Nach dem Gesagten kann hier jedenfalls zum Vornherein nicht von einer unsachlichen und willkürlichen Beschränkung der beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten der Basler Notare die Rede sein. Mithin kann offenbleiben, ob auch eine Regelung denkbar wäre, gemäss welcher der Notar die Erstellung der Urkunde immer nur dann einem Berufskollegen zu überlassen hätte, wenn er sich als Organ einer Immobiliengesellschaft bezüglich des konkreten Geschäfts tatsächlich in einem Interessenkonflikt befinden würde. 3.4 Nichts zugunsten der Beschwerdeführer lässt sich schliesslich aus dem Umstand ableiten, dass ein Rechtsanwalt, welcher die Interessen von Immobiliengesellschaften vertritt, dabei teilweise die gleichen Geheimnisse erfahren kann wie der Notar anlässlich einer Verurkundung von Rechtsgeschäften. Zum einen ist die Stellung des Rechtsanwalts - auch wenn dieser eine gewisse Mitverantwortung für das korrekte Funktionieren des Rechtsstaats trägt (vgl. BGE 130 II 270 E. 3.2.2 S. 277) und besonderen (bundesrechtlichen) Berufsregeln untersteht (vgl. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA; SR 935.61] ) - nicht mit jener eines Notars zu vergleichen, welcher an der Staatsgewalt als solcher teilhat. Zum anderen untersagt § 7 Abs. 2 nNotG dem Notar nur die aktive (eigennützige) Teilnahme am Liegenschaftenhandel, so dass er, gleich wie ein Rechtsanwalt, Beratungsmandate von Immobiliengesellschaften grundsätzlich annehmen darf. Schliesslich versteht sich BGE 133 I 259 S. 264 von selbst, dass jene Notare, welche gleichzeitig als Rechtsanwalt tätig sind, ohne weiteres auch als solche gehalten sind, die einschlägigen Unvereinbarkeitsbestimmungen des Notariatsrechts zu respektieren. 4. Das neue Notariatsgesetz sieht - der bisherigen (auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhenden) kantonalen Praxis entsprechend - ein Höchstalter für Notare vor, ab dessen Erreichen der Regierungsrat die Beurkundungsbefugnis nicht mehr verlängert; gemäss § 8 Abs. 1 nNotG liegt diese Altersgrenze bei 75 Jahren (anstatt wie bis anhin bei 80 Jahren). Die Beschwerdeführer rügen insoweit eine Verletzung des Willkürverbots ( Art. 9 BV ) und verlangen die teilweise Aufhebung sowohl der Absätze 1 und 2 von § 8 als auch von § 10 nNotG. 4.1 § 8 nNotG hat folgenden Wortlaut: " 1 Das Gesuch um Verleihung der Beurkundungsbefugnis ist an die Justizkommission zuhanden des Regierungsrates zu stellen. Der Regierungsrat verleiht die Beurkundungsbefugnis auf Antrag der Justizkommission in der Regel auf die Dauer von sechs Jahren und erneuert sie vor Ablauf der Amtszeit ohne weiteres, längstens jedoch bis zum Erreichen des 75. Altersjahrs der Notarin oder des Notars. Ist die Ablehnung des Gesuchs oder die Nichterneuerung der Amtsdauer aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze beabsichtigt, so ist die Notarin oder der Notar anzuhören. 2 Die Ablehnung des Gesuchs sowie die Nichterneuerung der Amtsdauer aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze unterliegt dem Rekurs an das Verwaltungsgericht. 3 (...)" Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird zum einen in § 8 Abs. 1 die Streichung des letzten Teils von Satz 2 ("... längstens jedoch bis zum Erreichen des 75. Altersjahrs der Notarin oder des Notars") verlangt. Zum anderen wird - sowohl in Satz 3 von § 8 Abs. 1 als auch in § 8 Abs. 2 - die Streichung des Passus "... aus einem anderen Grund als demjenigen der Altersgrenze ..." beantragt. Während § 8 die Verleihung der Beurkundungsbefugnis regelt, betrifft § 10 nNotG deren Erlöschen: "Die Beurkundungsbefugnis erlischt durch schriftliche Verzichtserklärung, Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze, Tod, Nichterneuerung der Amtsdauer, Konkurseröffnung, Ausstellung von Verlustscheinen und Entzug." BGE 133 I 259 S. 265 Entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt wird insoweit die Löschung der Worte "Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze" beantragt. 4.2 Vor einiger Zeit hatte das Bundesgericht eine ähnliche Regelung zu überprüfen, mit welcher der Kanton Neuenburg für seine (freien) Notare die Altersgrenze von 70 Jahren einführte ( BGE 124 I 297 ). Das Bundesgericht erwog, die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Menschen nähmen im Alter ab, so dass für jeden Notar der Zeitpunkt komme, ab dem er gesundheitsbedingt nicht mehr Gewähr für eine tadellose Ausübung der ihm übertragenen Funktion bieten könne. Obschon sich dieser Moment durch eine periodische Überprüfung des körperlichen und geistigen Gesundheitszustands für jeden betagten Notar individuell bestimmen liesse, erachtete das Bundesgericht die Einführung einer einheitlichen Altersgrenze für alle praktizierenden Notare als zulässig. Es entschied weiter, die vom Kanton Neuenburg gewählte Altersgrenze von 70 Jahren lasse den Notaren genügend Zeit, ihren Ruhestand finanziell abzusichern. Auch mit Blick auf das Pensionierungsalter von Schweizer Beamten und Magistraten, welches gemeinhin im Bereich von 65 bis maximal 70 Jahren liegt, erwies sich die Altersgrenze als mit dem Rechtsgleichheitsgebot und dem Willkürverbot vereinbar (E. 4c/d S. 301 ff.). An dieser Rechtsprechung ist vorliegend ohne Einschränkungen festzuhalten, weshalb die - mit 75 Jahren höhere - Altersgrenze für basel-städtische Notare verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. 4.3 Im Übrigen gehen die Vorbringen der Beschwerdeführer ohnehin an der Sache vorbei: Eine Regelung verstösst nur dann gegen das Willkürverbot, wenn sie sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist ( BGE 129 I 1 E. 3 S. 3). Deshalb ist unerheblich, ob - angesichts einer relativ geringen Anzahl von älteren in der Stadt Basel praktizierenden Notaren - die Entwicklung von deren beruflichen Fähigkeiten mit mehr oder weniger Aufwand individuell überwacht werden könnte. Selbst wenn feststehen würde, dass ein derartiges System zu einer besseren Verwirklichung jener Ziele führen würde, welche mit der streitigen Altersgrenze verfolgt werden, wäre die Verfassungswidrigkeit der Altersgrenze damit noch nicht dargetan, zumal Letztere nach dem Gesagten weder sinn- noch zwecklos ist. Geradezu abwegig erscheint weiter der Vorschlag, der Staat könnte und müsste betagten Notaren die Beurkundungsbefugnis erst dann BGE 133 I 259 S. 266 entziehen, wenn diese nachweislich mangelhafte Urkunden hergestellt hätten. Ein entsprechendes Zuwarten des Kantons, bis sich seine Notare derart gravierende Fehler leisten, dass auf ihre Berufsunfähigkeit geschlossen werden muss, würde zu inakzeptablen Risiken für das Publikum und für die Rechtssicherheit führen (vgl. BGE 124 I 297 E. 4c S. 301); ob allenfalls die Berufshaftpflichtversicherung des betroffenen Notars für verursachte Schäden einzustehen hätte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. 4.4 Schliesslich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit im vorliegenden Zusammenhang auch eine Verletzung von Art. 27 BV gerügt wird (vgl. E. 2.2): Zwar stehen Rechtsanwälte anders als Urkundspersonen im Genuss der Wirtschaftsfreiheit (vgl. etwa BGE 132 I 201 E. 7.1 S. 205); die Beschwerdeführer können sich jedoch auch als Advokaten nicht auf dieses Freiheitsrecht berufen, wenn sie daraus mittelbar etwas für ihre Tätigkeit als Notare des Kantons Basel-Stadt ableiten wollen. 5. Für letztwillige Verfügungen, welche unter anderem in die Form einer öffentlichen Urkunde gekleidet werden können ( Art. 498 ZGB ), hat der Bundesgesetzgeber materielle Bestimmungen über die Art und Weise der Verurkundung erlassen. Verlangt wird insbesondere die Mitwirkung zweier Zeugen ( Art. 499 ZGB ), welche gewissen persönlichen Voraussetzungen zu genügen haben: Gemäss Art. 503 ZGB müssen sie handlungsfähig sein sowie lesen und schreiben können; nicht als Zeugen zugelassen sind neben dem überlebenden Ehegatten auch die Geschwister des Erblassers und dessen Verwandte in gerader Linie sowie die Ehegatten der Genannten. 5.1 Angefochten ist vorliegend § 26 nNotG, welcher die bundesrechtliche Zeugenregelung für den Kanton Basel-Stadt wie folgt konkretisiert: "Zeuginnen und Zeugen der Beurkundung müssen die Anforderungen von Art. 503 ZGB erfüllen und dürfen der Notarin oder dem Notar nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 nahestehen. Sie dürfen nicht Mitarbeitende des gleichen Büros sein." Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung von Satz 2 dieser Bestimmung. Zur Begründung führen sie aus, die bundesrechtliche Regelung zur Unabhängigkeit der Zeugen sei abschliessender Natur, weshalb der in § 26 Satz 2 nNotG vorgesehene Ausschluss von Zeugen, welche im gleichen Büro wie der beurkundende Notar tätig seien, den Vorrang des Bundesrechts ( Art. 49 BV ) verletze. Die BGE 133 I 259 S. 267 Beschwerdeführer machen weiter geltend, die fragliche Regelung verletze sowohl das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) als auch das Rechtsgleichheitsgebot ( Art. 8 BV ). Weil diese letzteren Verfassungsrügen den gesetzlichen Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG (vgl. BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201) offensichtlich nicht zu genügen vermögen, ist auf diese Vorbringen jedoch nicht weiter einzugehen. 5.2 Die Einhaltung jener Formvorschriften, welche das Bundesrecht für öffentlich beurkundete letztwillige Verfügungen statuiert, stellt ein Gültigkeitserfordernis dar (PETER TUOR, in: Berner Kommentar, N. 4 ff. vor Art. 498 ZGB ; ARNOLD ESCHER, in: Zürcher Kommentar, N. 5 vor Art. 498 ZGB ; PETER BREITSCHMID, in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, N. 8 zu Art. 498 ZGB ), so dass ein Formverstoss grundsätzlich zur Ungültigkeit des betroffenen Testaments führt. Den Beschwerdeführern ist insoweit zuzustimmen, als diese Regelung des Bundeszivilrechts abschliessender Natur ist (BREITSCHMID, a.a.O., N. 16 zu Art. 503 ZGB ; vgl. auch RUF, a.a.O., S. 348 N. 1321 und S. 202 N. 739), weshalb der kantonale Gesetzgeber keine zusätzlichen Gültigkeitsvorschriften erlassen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es den Kantonen untersagt wäre, im Rahmen ihrer Kompetenz zur Regelung der öffentlichen Beurkundung (vgl. E. 2) weitere Ausschliessungsgründe für Zeugen vorzusehen. Solche zusätzlichen kantonalen "Unfähigkeitsgründe" stellen gegebenenfalls blosse Ordnungsvorschriften dar (TUOR, a.a.O., N. 2 zu Art. 503 ZGB ; ESCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 503 und N. 7 vor Art. 498 ZGB ), deren Missachtung lediglich von disziplinarrechtlicher Bedeutung ist und die Gültigkeit der Urkunde nicht zu beeinträchtigen vermag. Um eine derartige dem autonomen kantonalen Beurkundungsrecht zugehörige Ordnungsvorschrift handelt es sich beim hier streitigen § 26 Satz 2 nNotG. Diese Bestimmung soll als Unabhängigkeitsregel im Verhältnis zwischen Notar und Zeugen dazu beitragen, dass Letztere die ihnen gemäss einem Teil der Lehre zukommende Kontrollfunktion besser wahrnehmen können (vgl. hierzu BRÜCKNER, a.a.O., S. 131 f. N. 391 ff.; anderer Meinung sind die Berner Autoren, welche die Zeugen als blosse Hilfspersonen des Notars betrachten, die keiner Unabhängigkeit bedürfen: vgl. RUF, a.a.O., S. 348 f. N. 1321 ff.; DANIEL SANTSCHI, Die Ausstandspflicht des Notars, Langenthal 1992, S. 57 f. N. 167 ff.; vgl. auch MARTI, a.a.O., S. 70 f.). Dementsprechend gehen weder der BGE 133 I 259 S. 268 Kanton Basel-Stadt (vgl. § 55 nNotG) noch das Eidgenössische Polizei- und Justizdepartement (vgl. dessen Genehmigungsverfügung vom 11. Mai 2006) davon aus, dass ein Verstoss gegen § 26 Satz 2 nNotG bei der betroffenen Urkunde zu einem Mangel führen würde. Es liegt daher - ungeachtet der hinsichtlich der formellen Gültigkeitserfordernisse abschliessenden Natur der Regelung des Bundeszivilrechts - kein Verstoss gegen den Vorrang des Bundesrechts vor. 6. 6.1 Die Notare des Kantons Basel-Stadt sind gehalten, die von ihnen hergestellten Urkunden zu registrieren und aufzubewahren. Ihre entsprechenden Pflichten werden durch § 56 nNotG folgendermassen geregelt: " 1 Die Notarin oder der Notar registriert alle Beurkundungen chronologisch und bewahrt von jeder Urkunde samt ihren Beilagen eine vollständige Kopie, auf Begehren der Klientschaft das Original, in der Urkundensammlung dauerhaft auf. § 54 Abs. 2 bleibt vorbehalten. 2 Die Register und Urkundensammlungen stehen im Eigentum des Kantons. Sie sind bei Erlöschen der Beurkundungsbefugnis an das Notariatsarchiv abzuliefern, sofern nicht gemäss § 11 Abs. 4 vorgegangen wird. 3 Der Regierungsrat ordnet das Nähere auf dem Verordnungswege." Nachdem die Beschwerdeführer ihren Antrag entsprechend dem Eventualbegehren des Justizdepartements des Kantons Basel-Stadt präzisiert haben, wird vorliegend die Streichung des zweiten Teils des ersten Satzes von § 56 Abs. 2 nNotG ("... stehen im Eigentum des Kantons") verlangt. Zur Begründung dieses Antrags bringen die Beschwerdeführer vor, gemäss der abschliessenden Regelung des Bundeszivilrechts stünden die Urkunden im Eigentum des Notars, welcher die für ihre Herstellung notwendigen Materialien kaufe und anschliessend den Text verfasse; für eine "anderslautende kantonale Regelung", welche das Eigentum an Registern und Urkundensammlungen dem Kanton zuspreche, verbleibe kein Raum. Der Notar sei zudem als "Hüter der ihm anvertrauten Informationen" auf den Schutz angewiesen, welcher ihm die Stellung als Eigentümer der Urkundensammlung verleihe. Sinngemäss machen die Beschwerdeführer damit eine Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts ( Art. 49 BV ) geltend. 6.2 Die streitbetroffenen Register und Urkundensammlungen werden zu ausschliesslich öffentlichen Zwecken erstellt und sind deshalb als öffentliche Sachen zu qualifizieren. Bei diesen Gegebenheiten ist der Kanton, welcher ohnehin zur Regelung der öffentlichen BGE 133 I 259 S. 269 Beurkundung berufen ist (vgl. E. 2), auch kompetent, die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse an den Registern und Urkundensammlungen zu bestimmen. Namentlich kann er festlegen, inwieweit auf Letztere überhaupt Zivilrecht zur Anwendung kommen soll und - wenn dieses Geltung erlangt - wem das Eigentum an der öffentlichen Sache zustehen soll. Deshalb ist unbehelflich, wenn sich die Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang auf die Eigentumsregelung des Zivilgesetzbuchs berufen. Im Übrigen anerkennen die Beschwerdeführer neben der Aufbewahrungspflicht gemäss § 56 Abs. 1 nNotG ausdrücklich auch die in § 56 Abs. 2 Satz 2 nNotG statuierte Verpflichtung der Notare, bei Erlöschen der Beurkundungsbefugnis Register und Urkundensammlung dem Staat abzuliefern. Sie wenden sich einzig gegen die Regelung, wonach nicht der Notar selber, sondern der Kanton Eigentümer der von Ersterem verwahrten Urkunden ist. Dabei scheinen sie zu verkennen, dass die tatsächlichen Befugnisse des Notars in der vorliegenden Konstellation gar nicht von den Eigentumsverhältnissen abhängen. Selbst wenn der Notar - wie die Beschwerdeführer annehmen - zivilrechtlicher Eigentümer der Urkundensammlung wäre, würde er über keine der üblichen (materiellen) Befugnisse eines Eigentümers verfügen, zumal er die Urkunden sicher verwahren muss und weder verändern noch veräussern, verbrauchen oder vernichten darf. Seine tatsächliche Rechtsstellung unterscheidet sich insoweit nicht von jener eines blossen Besitzers. Ferner kommen dem Notar als Besitzer gegenüber Dritten grundsätzlich die gleichen Abwehrrechte zu wie einem Eigentümer (vgl. Art. 926 ff. ZGB ).
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Sachverhalt ab Seite 405 BGE 134 V 405 S. 405 A. Il 4 ottobre 2004 la Cassa di compensazione del Cantone Ticino ha emesso il conguaglio (fr. 16'776.15, quale differenza tra l'importo totale [fr. 18'272.55] e gli acconti versati [fr. 1'496.40]) dei contributi personali dovuti da G. in qualità di indipendente per l'anno 2001. Allo stesso modo, la Cassa ha proceduto il 28 giugno 2005 a fissare in fr. 6'474.50 i contributi personali e le spese per il 2002. Da questo importo ha poi dedotto l'acconto di fr. 1'496.40 e chiesto all'interessato il pagamento del saldo di fr. 4'978.10. I chiesti importi sono stati accreditati all'amministrazione il 10 novembre 2004 (per il saldo contributivo 2001) e il 12 luglio 2005 (per il saldo contributivo 2002). BGE 134 V 405 S. 406 Con separate decisioni del 5 dicembre 2006, sostanzialmente confermate il 13 marzo 2007 anche in seguito all'opposizione dell'interessato, la Cassa ha quindi provveduto a conteggiare gli interessi di mora e chiesto a G. il pagamento di fr. 1'561.10 sui contributi del 2001 (5 % su fr. 16'776.15 per 670 giorni, vale a dire per il periodo dal 1° gennaio 2003 al 10 novembre 2004) e di fr. 381.65 sui contributi del 2002 (5 % su fr. 4'978.10 per 552 giorni, e più precisamente per il periodo dal 1° gennaio 2004 al 12 luglio 2005). B. Per pronuncia del 17 settembre 2007 il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino ha respinto il ricorso dell'interessato. C. L'assicurato ha presentato al Tribunale federale un ricorso in materia di diritto pubblico, con il quale ha chiesto di annullare il giudizio cantonale. Dei motivi si dirà, per quanto occorra, nei considerandi. La Cassa ha proposto la reiezione del gravame, al pari dell'Ufficio federale delle assicurazioni sociali (UFAS). Il ricorso è stato respinto.
680
355
Erwägungen Dai considerandi: 4. 4.1 Gli interessi di mora in lite riguardano il periodo dal 1° gennaio 2003 al 10 novembre 2004, rispettivamente dal 1° gennaio 2004 al 12 luglio 2005, e concernono pertanto un periodo successivo all'entrata in vigore della LPGA (RS 830.1). Contrariamente a quanto ritenuto dalla Corte cantonale, non è di conseguenza più l'art. 14 cpv. 4 lett. e LAVS, abrogato il 31 dicembre 2002, a costituire la base legale formale per la riscossione degli interessi di mora in ambito AVS. Dal 1° gennaio 2003, la competenza, per l'autore dell'ordinanza, di disciplinare la questione degli interessi di mora in ambito AVS deriva dall' art. 26 cpv. 1 LPGA . Da allora, le disposizioni sugli interessi di mora si fondano direttamente su quest'ultimo articolo. Questa novità non ha tuttavia provocato effetti particolari sulla regolamentazione specifica degli art. 41 bis segg. OAVS (RS 831.101), sicché i principi sviluppati in relazione ad essi mantengono la loro validità (sentenze del Tribunale federale delle assicurazioni H 20/04 del 19 agosto 2004, pubblicata in: VSI 2004 pag. 257, consid. 1; H 157/04 del 14 dicembre 2004, consid. 2; v. pure UELI KIESER, ATSG-Kommentar, Zurigo 2003, n. 6 seg. e n. 27 all' art. 26 LPGA ). 4.2 Giusta l' art. 26 cpv. 1 LPGA , i crediti di contributi dovuti o di contributi indebitamente riscossi sottostanno rispettivamente a BGE 134 V 405 S. 407 interessi di mora o rimunerativi. Per l'art. 41 bis cpv. 1 lett. f OAVS - in vigore dal 1° gennaio 2001 e applicabile per i contributi che sono dovuti dopo questa data (v. cpv. 5 disposizioni finali della modifica del 1° marzo 2000 OAVS), come si avvera in concreto -, devono segnatamente pagare gli interessi di mora le persone che esercitano un'attività lucrativa indipendente sui contributi da compensare, qualora i contributi d'acconto siano almeno il 25 per cento inferiori ai contributi effettivamente dovuti e non vengano versati fino al 1° gennaio dopo il termine dell'anno civile seguente l'anno di contribuzione, a partire dal 1° gennaio dopo tale termine. Gli interessi cessano di decorrere in tale evenienza con il pagamento completo dei contributi ( art. 41 bis cpv. 2 OAVS ; v. sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni H 106/04 del 30 dicembre 2004, consid. 3; cfr. inoltre cifra 2032 del supplemento 4 alla Circolare dell'UFAS sugli interessi di mora e compensativi [CIM] nell'AVS, AI e IPG, valida dal 1° gennaio 2006). A norma dell' art. 42 OAVS i contributi sono considerati pagati con la ricezione del pagamento da parte della cassa di compensazione (cpv. 1; v. pure VSI 2003 pag. 143, consid. 3.3, H 93/02, che ha decretato la legalità e la costituzionalità del disposto). Il tasso per gli interessi di mora e per gli interessi compensativi è del 5 per cento all'anno (cpv. 2). Gli interessi sono calcolati in giorni, ritenuto che i mesi interi sono calcolati come 30 giorni (cpv. 3). 5. 5.1 Per quanto concerne la pretesa violazione del principio di legalità, ravvisata dal ricorrente nel fatto che la regolamentazione dell'art. 41 bis cpv. 1 lett. f OAVS non sarebbe sorretta da una sufficiente base legale, di natura formale, la censura si dimostra infondata. 5.2 Proprio recentemente il Tribunale federale si è occupato del tema. In DTF 134 V 202 questa Corte ha infatti statuito, a conferma della precedente prassi (VSI 2004 pag. 257, H 20/04), che l' art. 41 bis cpv. 1 OAVS è conforme alla legge e rimane applicabile anche in seguito all'entrata in vigore dell' art. 26 cpv. 1 LPGA . Ha ricordato a tal proposito che già prima dell'entrata in vigore, il 1° gennaio 2003, della LPGA esisteva, grazie all'abrogato art. 14 cpv. 4 lett. e LAVS, una base legale formale per la percezione di interessi di mora. Per il periodo successivo, ha osservato che la LPGA non si pronuncia in nessun modo sulla scadenza dei crediti contributivi e che pertanto questo momento va determinato come prima sulla base dell' art. 41 bis OAVS poiché le disposizioni esecutive della OAVS sono BGE 134 V 405 S. 408 rimaste in vigore anche dopo il 1° gennaio 2003 (sentenza citata, consid. 3.1). 5.3 Per rispondere alle varie censure e perplessità espresse nel presente come peraltro pure in altri ricorsi, tuttora pendenti dinanzi a questa Corte e presentati - con argomentazioni analoghe - da alcuni liberi professionisti contro l'agire della Cassa cantonale di compensazione (procedure 9C_623/2007, 9C_632/2007 e 9C_709/2007), occorre poi ricordare che, come in passato, la funzione degli interessi di mora e compensativi consiste nel compensare il fatto che in caso di pagamento tardivo il debitore può trarre un beneficio d'interesse mentre il creditore subisce uno svantaggio. 5.3.1 L'UFAS rileva giustamente che lo scopo dell'art. 41 bis cpv. 1 lett. f OAVS consiste nel prevenire possibili abusi e nell'evitare che alcuni assicurati sottovalutino deliberatamente il loro reddito oppure non informino la cassa sulle variazioni considerevoli di quest'ultimo allo scopo di ridurre gli acconti da pagare e per trattenere così importi considerevoli fino al momento in cui le casse di compensazione sono finalmente in grado, sulla base delle comunicazioni fiscali, di stabilire i contributi definitivi e di chiedere quindi il pagamento della differenza. Intervallo di tempo che a seconda delle situazioni può del resto anche essere di qualche anno, come dimostra il caso - accertato in maniera vincolante dalla Corte cantonale - del Cantone Ticino durante la fase di transizione dalla tassazione fiscale biennale a quella annuale. Motivo per cui, sebbene in generale non vengano riscossi interessi moratori sulla differenza tra gli acconti e i contributi effettivi, il Consiglio federale ha introdotto la soglia del 25 % per garantire agli interessi moratori la loro funzione compensatrice laddove la differenza del saldo è troppo grande. Soglia che se viene superata obbliga l'amministrazione a riscuotere gli interessi di mora in virtù della lett. f dell' art. 41 bis cpv. 1 OAVS e a non applicare per contro la sua lett. e, che impone sì anche segnatamente al lavoratore indipendente il pagamento di interessi sui contributi personali da compensare, ma solo se non paga entro 30 giorni dalla fatturazione, e comunque solo a partire da tale fatturazione (cfr. il commento alle modifiche in esame della OAVS, pubblicato in: VSI 2000 pag. 107 segg., nonché CIM cifra 2031; sul significato e la portata, non vincolante per il giudice, delle direttive amministrative cfr. DTF 132 V 200 consid. 5.1.2 pag. 203; DTF 131 V 42 consid. 2.3 pag. 45 e sentenze ivi citate). BGE 134 V 405 S. 409 5.3.2 Per quanto concerne poi la decorrenza degli interessi, l'UFAS fa pure giustamente notare che, contrariamente ai datori di lavoro, gli indipendenti non possono generalmente fissare con precisione il loro reddito durante l'anno di contribuzione in corso e fino alla chiusura dell'esercizio (che si effettua normalmente soltanto l'anno seguente quello di contribuzione). Da qui la decisione di fare decorrere gli interessi moratori solo a partire dal 1° gennaio dopo la fine dell'anno civile seguente l'anno di contribuzione per permettere ai debitori di versare i contributi supplementari dopo la chiusura dell'esercizio (VSI 2000 pag. 132). 5.3.3 Il ricorrente critica tra le altre cose che il sistema creato dall' art. 41 bis OAVS , introducendo l'"innovazione giuridica del conteggio degli interessi moratori con decorrenza retroattiva", differirebbe radicalmente dal sistema generale dell'ordinamento giuridico svizzero che fissa la data d'inizio per la decorrenza degli interessi di mora dal momento in cui il debito diventa esigibile e che subordina tale obbligo anche alla messa in mora del debitore. Orbene, aggiunge l'interessato, in virtù di questi principi la differenza tra l'importo dei contributi d'acconto e il contributo definitivo sarebbe unicamente esigibile nel momento in cui essa viene determinata e diviene oggetto di una decisione formale. A sostegno della sua tesi invoca l'applicazione dei principi della parte generale del Codice delle obbligazioni. A prescindere dal fatto che le condizioni per obbligare un assicurato al versamento di interessi moratori sui contributi AVS da compensare sono sufficientemente regolate dalle specifiche norme in materia e non giustificano, in assenza di lacune (che sono per contro state rilevate e colmate in DTF 129 V 345 per stabilire il termine di perenzione degli interessi di mora su contributi AVS/AI/IPG non pagati), il richiamo e l'applicazione per analogia dei principi di diritto privato (cfr. pure KIESER, op. cit., n. 8 all' art. 26 LPGA , che ricorda come l'obbligo di versare interessi di mora sulla base dell' art. 26 LPGA non è in particolare subordinato alla messa in mora del debitore), l'insorgente sembra misconoscere, da un lato, che la riscossione retroattiva di interessi moratori non costituisce una novità (v. VSI 2004 pag. 56, consid. 5.2, H 268/02) e, dall'altro, che in realtà né il debito contributivo né l'esigibilità dipendono dalla notifica di una fattura o da una decisione di tassazione della cassa. Il debito contributivo nasce piuttosto per legge con la realizzazione del reddito da lavoro e diventa esigibile alla scadenza BGE 134 V 405 S. 410 del periodo di pagamento, anche se i contributi possono essere richiesti solo dopo l'assegnazione di un termine di pagamento (sentenza H 154/06 del 5 aprile 2007, consid. 6.1.1; cfr. inoltre pure la sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni H 52/05 dell'8 agosto 2005, consid. 3.2 e 3.3). (...) 7. Né egli può validamente liberarsi dal suo obbligo di pagamento tentando di invocare l'irreprensibilità del suo agire e addebitando all'amministrazione un comportamento negligente. 7.1 Innanzitutto va precisato che l'interesse moratorio non ha carattere penale e matura indipendentemente da ogni colpa. Per l'obbligo di prestare interessi di mora in ambito contributivo non è pertanto decisivo se il ritardo nella fissazione o nel pagamento dei contributi sia imputabile al contribuente oppure alla cassa di compensazione ( DTF 134 V 202 consid. 3.3.1 pag. 206 con riferimenti). Alla luce di questa giurisprudenza, gli argomenti proposti con il ri corso sono irrilevanti. Dal momento che l'obbligo di versamento degli interessi moratori è indipendente dall'esistenza o meno di una colpa, esso si giustificherebbe anche qualora la Cassa (o l'autorità fiscale) dovesse avere - per ipotesi - trascinato in maniera dilatoria la fissazione definitiva dei contributi ( DTF 134 V 202 consid. 3.3.2 pag. 206; v. inoltre sentenza citata H 157/04, consid. 3.4.2 con riferimento a RCC 1992 pag. 177, consid. 4c, H 221/90). Il ricorrente avrebbe infatti potuto, durante questa attesa, fare fruttare il debito contributivo non ancora fatturato né saldato. È per contro irrilevante il fatto che durante questo tempo egli abbia effettivamente o meno tratto vantaggio in misura equivalente al tasso di interesse moratorio di legge. L'obbligo di pagamento dell'interesse si fonda infatti sulla finzione di un guadagno di interessi del contribuente e di una perdita corrispondente della Cassa. Finzione che del resto si ritrova ugualmente nell'evenienza contraria del versamento di interessi compensativi per contributi non dovuti che vengono restituiti o compensati dalle casse di compensazione (art. 41 ter cpv. 1 OAVS). 7.2 Inoltre si osserva che per il chiaro tenore dell' art. 24 cpv. 4 OAVS (desumibile in tutte e tre le versioni linguistiche), i contribuenti devono - e non soltanto su richiesta come erroneamente sostenuto dall'interessato - tra le altre cose segnalare alle casse di BGE 134 V 405 S. 411 compensazione le divergenze sostanziali dal reddito presumibile. Pertanto, se risulta che il reddito diverge sostanzialmente dal reddito presumibile, i contribuenti sono tenuti a segnalarlo alle casse di compensazione, le quali adeguano poi i contributi d'acconto ( art. 24 cpv. 3 OAVS ). In questo modo si registra una stretta relazione tra questo disposto e l'art. 41 bis cpv. 1 lett. f OAVS. Gli interessi iniziano a decorrere relativamente tardi, sicché le persone tenute a pagare i contributi possono valutare il loro reddito effettivo sulla base del bilancio di esercizio e segnalare un'eventuale divergenza alle casse di compensazione. In questo modo, i contribuenti dispongono del tempo necessario per pagare un'eventuale differenza prima ancora che inizino a decorrere gli interessi moratori (VSI 2000 pag. 119). 7.3 Giustificata, poiché tiene adeguatamente conto dei contrapposti interessi e obblighi delle parti in causa, appare in questo contesto anche la decisione di subordinare l'obbligo di pagamento degli interessi moratori a un superamento sostanziale del 25 %, limitandolo così alle situazioni in cui la persona interessata, come il ricorrente in concreto, deve rendersi conto della divergenza e deve quindi anche assumersi le conseguenze se, ciò malgrado, non segnala la differenza o non procede a un adeguato versamento supplementare di acconti nei termini di rispetto concessigli dall'ordinanza. Questa normativa non crea, contrariamente a quanto pretende il ricorrente, un'inammissibile disparità di trattamento. Anzi, come giustamente osservato dal Tribunale cantonale, proprio la percezione di interessi moratori a fronte di situazioni come quelle in discussione tende a ristabilire la parità di trattamento tra gli assicurati e ad evitare che alcuni possano trarre ingiustificati benefici dal sistema di fissazione dei contributi. 7.4 L'obbligo di prestare (retroattivamente) interessi moratori ai sensi dell'art. 41 bis lett. f OAVS interviene così, per quanto detto, soltanto se il contribuente - come nel caso concreto - ha mancato di segnalare tempestivamente il maggior reddito all'amministrazione ( DTF 134 V 202 consid. 3.4 pag. 206). Per contro, come ha segnalato il 28 febbraio 2007 il Consiglio federale in risposta al postulato, poi ritirato, del 18 dicembre 2006 del Consigliere agli Stati Maximilian Reimann (06.3736) - con il quale si chiedeva di verificare se le casse di compensazione non dovessero condonare gli interessi di mora in caso di ritardo non imputabile al contribuente -, se il contribuente adempie ai suoi obblighi legali, la riscossione di interessi di mora è praticamente esclusa. BGE 134 V 405 S. 412 Va pertanto prestata piena adesione al giudice cantonale laddove, dopo avere osservato che il ricorrente doveva disporre dei dati necessari e della possibilità concreta di trasmettere alla Cassa le indicazioni relative ai redditi definitivi conseguiti nel 2001 e nel 2002 (ben) prima che venissero emesse le due decisioni di conguaglio, ha pertinentemente concluso che se egli avesse provveduto alla loro tempestiva segnalazione, avrebbe certamente evitato di trovarsi in una situazione di mora.
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Sachverhalt ab Seite 362 BGE 134 III 361 S. 362 A. Intenzionato a edificare una palazzina con appartamenti di lusso ad Ascona, su di un fondo di sua proprietà e due fondi confinanti che avrebbe ancora dovuto comperare, nell'estate 1999 B. ha incaricato l'architetto A. di allestire un progetto di costruzione e un preventivo. Nel novembre 1999 l'architetto ha presentato un primo preventivo, che indicava un costo di costruzione, terreno escluso, di fr. 6'226'045.-; nel febbraio 2000 ne ha poi consegnato un secondo di fr. 6'696'358.-. Preso atto di questi importi, B. ha acquistato le due particelle e si è attivato per ottenere i necessari crediti di costruzione e trovare degli acquirenti per gli appartamenti. Prima ancora dell'inizio dei lavori, nel settembre 2000, egli ha scoperto che i preventivi contenevano un errore di somma di fr. 1'126'009.-, ciò che lo ha per finire indotto a rinunciare all'intera operazione e a rivendere le tre particelle destinate a tale progetto. B. Il 10 novembre 2004 B. ha adito la Pretura della Giurisdizione di Locarno-Campagna chiedendo la condanna dell'architetto A. al pagamento di fr. 1'228'186.55, oltre interessi, a titolo di risarcimento del danno patito a causa del grave errore di calcolo commesso nell'elaborazione del preventivo. Il convenuto ha avversato la petizione. Egli ha tra l'altro sollevato l'eccezione di prescrizione, essendo trascorso più di un anno tra la consegna del preventivo difettoso (risalente al 26 novembre 1999) e l'introduzione della causa, rispettivamente tra la rescissione del contratto da parte di B. (avvenuta al più tardi il 27 settembre 2001, quando ha rivenduto i fondi) e l'introduzione della causa. Con il consenso delle parti la procedura è continuata limitatamente all'eccezione di prescrizione, giusta l' art. 181 CPC /TI. Aderendo alla tesi del convenuto circa l'applicabilità delle norme sul contratto d'appalto e quindi, per la prescrizione, dell' art. 210 CO - applicabile in virtù del rinvio contenuto nell' art. 371 cpv. 1 CO - il 24 maggio 2006 il Pretore ha accolto l'eccezione di prescrizione e, di conseguenza, ha respinto la petizione. BGE 134 III 361 S. 363 C. Di diverso avviso la II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino, la quale, a prescindere dalla qualificazione giuridica dell'accordo intervenuto fra le parti, ha ritenuto applicabile il termine di prescrizione decennale di cui all' art. 127 CO . Con sentenza del 20 luglio 2007 la massima Corte ticinese ha quindi accolto l'appello di B. e riformato il giudizio di primo grado nel senso della reiezione dell'eccezione di prescrizione. D. Prevalendosi della violazione di varie norme del diritto federale, l'architetto A. è tempestivamente insorto dinanzi al Tribunale federale con un ricorso in materia civile volto a ottenere la modifica della sentenza impugnata nel senso di respingere l'appello e confermare la pronunzia pretorile. Nelle osservazioni del 25 ottobre 2007 B. ha proposto di dichiarare il gravame irricevibile. L'autorità cantonale ha invece rinunciato a determinarsi. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso.
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Erwägungen Dai considerandi: 5. La critica ricorsuale è pertinente nella misura in cui verte sulla necessità di qualificare la relazione contrattuale instauratasi fra le parti. 5.1 La qualifica del contratto d'architetto - e, di conseguenza, la responsabilità per eventuali inadempienze - varia a dipendenza delle prestazioni affidate al professionista nel caso specifico, che portano a qualificarlo quale appalto, se gli viene affidata solo l'esecuzione dei piani, o quale mandato, se gli viene affidata solo la direzione dei lavori, oppure, se gli vengono affidate entrambe le mansioni, quale contratto di natura mista (cosiddetto contratto d'architetto globale), nel qual caso è possibile un'applicazione differenziata del diritto a seconda dell'oggetto del litigio (cfr. DTF 127 III 543 consid. 2a pag. 545 con rinvii). 5.2 E dalla qualifica del contratto dipende il termine di prescrizione applicabile alla responsabilità dell'architetto. Come rettamente ricordato nel gravame, nella DTF 130 III 362 consid. 4.1 e 4.2 il Tribunale federale ha infatti per esempio già stabilito che, qualora l'architetto sia stato incaricato solo dell'elaborazione dei piani, la sua responsabilità per eventuali difetti si prescrive nel termine di un anno ( art. 371 cpv. 1 CO , con rinvio all' art. 210 cpv. 1 CO ). Diverso è il caso se a causa dei piani difettosi si è verificato un BGE 134 III 361 S. 364 difetto nella costruzione immobiliare, poiché in tale eventualità la prescrizione è disciplinata dall' art. 371 cpv. 2 CO ; se invece l'agire dell'architetto ha per altre ragioni delle ripercussioni negative sulla realizzazione della costruzione immobiliare (ad esempio per carente controllo dei lavori, superamento dei costi o ritardo nella consegna), la prescrizione è di regola quella decennale di cui all' art. 127 CO , come ben ricordato anche dalla Corte cantonale (cfr. DTF 102 II 413 consid. 3 pag. 418 seg.). Sennonché nella fattispecie in esame la costruzione immobiliare non è nemmeno iniziata. 6. A mente del ricorrente, il contratto avente per oggetto l'allestimento dei piani e/o del preventivo dev'essere qualificato come contratto d'appalto relativo a opere mobiliari, di modo che la sua responsabilità per eventuali difetti si prescrive in un anno ( art. 371 cpv. 1 CO , con rinvio all' art. 210 cpv. 1 CO ). 6.1 La sua affermazione può senz'altro essere condivisa in quanto riferita all'allestimento dei piani, trattandosi del risultato del lavoro intellettuale proprio dell'architetto, ch'egli è in grado di garantire ( DTF 130 III 362 consid. 4.1 e 4.2; cfr. anche, fra tutti, PIERRE TERCIER, Les contrats spéciaux, 3 a ed., Zurigo/Basilea/Ginevra 2003, n. 4849). In caso di difetti dei piani o, eventualmente, di un errore nel preventivo riconducibile esclusivamente ai difetti dei piani la prescrizione è dunque regolata dall' art. 371 CO . 6.2 In concreto, tuttavia, nessuno ha mai preteso che l'asserito errore nel preventivo sarebbe imputabile a un difetto di progettazione. Stando a quanto accertato nella sentenza impugnata, all'architetto viene rimproverato un "errore di somma". Il litigio è quindi limitato al contratto relativo all'allestimento del preventivo. 6.2.1 Il ricorrente sostiene che, come per i piani, anche all'elaborazione del preventivo tornano applicabili le norme sul contratto d'appalto e a sostegno di tale tesi cita ROLF H. WEBER (in: Basler Kommentar, 4 a ed., Basilea 2007, n. 31 ad art. 394 CO ), PIERRE ENGEL (Contrats de droit suisse, 2 a ed., Berna 2000, n. 2a pag. 497) e PETER GAUCH (Le contrat d'entreprise, adaptation française par Benoît Carron, Zurigo 1999, n. 52); richiama inoltre una sentenza del Tribunale federale del 12 giugno 1984 ( DTF 110 II 380 consid. 2). 6.2.2 I richiami sono corretti. Il ricorrente trascura tuttavia il fatto che nella sua giurisprudenza più recente il Tribunale federale ha ripetutamente stabilito che la responsabilità dell'architetto per una valutazione sbagliata dei costi di costruzione soggiace di principio alle BGE 134 III 361 S. 365 regole del mandato ( DTF 127 III 543 consid. 2a pag. 545; DTF 119 II 249 consid. 3b; cfr. anche la sentenza 4C.424/2004 del 15 marzo 2005, consid. 2 e 3). Poco importa che nelle sentenze citate l'esecuzione dell'opera fosse già iniziata o addirittura terminata: l'errore di valutazione dei costi di costruzione risale in ogni caso alla fase precedente l'inizio dei lavori, come nella fattispecie in esame. 6.2.3 L'elaborazione di un preventivo non può essere considerata alla stessa stregua dei piani, giacché il preventivo non è il prodotto del lavoro intellettuale dell'architetto. Con il preventivo egli fornisce al committente informazioni circa i presumibili costi della costruzione (WALTER FELLMANN, Haftung für falsche Kostenschätzung, in: Recht der Architekten und Ingenieure, San Gallo 2002, pag. 211-245, in particolare n. 1 pag. 215). Non si tratta dei costi derivanti dalla sua attività di architetto - ciò che differenzia questo preventivo dal "computo approssimativo" fornito dall'appaltatore (cfr. art. 375 CO ) - bensì dei costi connessi all'attività dei terzi che interverranno sul cantiere (fornitori di materiali, artigiani, ecc.), indi per cui egli non è in grado di "garantire" un risultato misurabile secondo criteri oggettivi (cfr. PIERRE TERCIER, op. cit., n. 3856), rimane un certo margine di incertezza (WALTER FELLMANN, op. cit., n. 1 e 2 pag. 215). Questo impedisce di poter considerare il preventivo da lui allestito come un "opera", suscettibile di fare l'oggetto di un contratto d'appalto (WALTER FELLMANN, op. cit., n. 4 pag. 226 e 227). Il preventivo configura piuttosto un pronostico, una valutazione che l'architetto è tenuto ad eseguire con la massima diligenza, visto l'influsso che l'informazione da lui fornita avrà sulle successive scelte del committente (WALTER FELLMANN, op. cit., n. 2 pag. 215). Egli è quindi chiamato a garantire - non il risultato ma - la qualità del proprio lavoro (cfr. PIERRE TERCIER, op. cit., n. 3856), di modo che il margine d'incertezza accettabile è comunque limitato (WALTER FELLMANN, op. cit., n. 2 pag. 215). 6.2.4 L'attività svolta dall'architetto chiamato ad allestire un preventivo sui costi di una costruzione immobiliare può essere equiparata a quella di un perito (WALTER FELLMANN, op. cit., n. 4 pag. 226 seg.). Nella DTF 127 III 328 consid. 2, in cui si trattava di valutare la responsabilità di un perito incaricato di effettuare la stima di un immobile, il Tribunale federale, sulla base di considerazioni analoghe a quelle appena esposte, è giunto alla conclusione che poiché il perito BGE 134 III 361 S. 366 non poteva garantire l'esattezza del risultato del suo lavoro, trattandosi di una questione di apprezzamento, la sua responsabilità andava giudicata secondo le regole del mandato (DTF citata consid. 2c). Lo stesso vale per l'architetto incaricato di elaborare il preventivo sui costi presumibili di costruzione (DTF citata consid. 2d pag. 331). 6.3 Ne discende che le pretese di risarcimento nei confronti dell'architetto per l'errore commesso nell'allestimento del preventivo si prescrivono nel termine di dieci anni previsto dall' art. 127 CO .
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Erwägungen ab Seite 454 BGE 138 III 453 S. 454 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Wie bereits vor dem Kantonsgericht bestritt der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz nicht den Bestand der betriebenen Bürgschaftsforderung in der Höhe von insgesamt Fr. 2'183'805.55. Er machte jedoch geltend, die Beschwerdegegnerin habe durch ihr Geschäftsgebaren die Hauptschuldnerin geschädigt, weshalb er als Bürge die daraus resultierenden Schadenersatzansprüche verrechnungsweise geltend machen könne. Die Beschwerdegegnerin verwies demgegenüber darauf, dass die Hauptschuldnerin im Darlehensvertrag vom 13. Dezember 2004 auf die Verrechnung ausdrücklich verzichtet und der Beschwerdeführer den betreffenden Vertrag einerseits als Organ der Hauptschuldnerin und andererseits als Bürge unterzeichnet habe. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe bei Abschluss der Bürgschaft vom Verrechnungsverzicht der Hauptschuldnerin gegenüber der Beschwerdegegnerin Kenntnis gehabt. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin folgend, erwog sie, der Beschwerdeführer müsse sich als Bürge den entsprechenden Verzicht entgegenhalten lassen, und es sei ihm demzufolge nach sachgerechter Auslegung von Art. 502 Abs. 2 OR verwehrt, seine Bürgschaftsschuld gegenüber der Beschwerdegegnerin mit angeblichen Forderungen der Hauptschuldnerin gegenüber der Beschwerdegegnerin "zu verrechnen". Daraus schloss sie, die Verrechnungseinrede des Beschwerdeführers sei unzulässig. 2.2 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, diese Auffassung verletze Art. 502 Abs. 2 und Art. 121 OR . 2.2.1 Durch den Bürgschaftsvertrag übernimmt der Bürge gegenüber dem Gläubiger die Pflicht, für die Erfüllung der Schuld eines Dritten, des Hauptschuldners, einzustehen ( Art. 492 Abs. 1 OR ). Die Bürgschaftsverpflichtung setzt den Bestand der sicherzustellenden Verpflichtung voraus. Sie ist dieser beigeordnet und hängt in Bestand und BGE 138 III 453 S. 455 Inhalt notwendigerweise von ihr ab; die Bürgschaft ist akzessorisch. Sie sichert die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder die Erfüllung eines Vertrages ( BGE 129 III 702 E. 2.1 S. 704; BGE 125 III 305 E. 2b S. 307; BGE 113 II 434 E. 2a; BGE 111 II 276 E. 2b S. 279). Entsprechend dem Grundsatz der Akzessorietät stehen dem Bürgen die Einreden des Hauptschuldners zu, die sich nicht auf dessen Zahlungsunfähigkeit stützen ( Art. 502 Abs. 1 OR ). Art. 502 Abs. 2 OR erweitert diesen Schutz, indem er den Bürgen ermächtigt, eine Einrede des Hauptschuldners auch geltend zu machen, wenn dieser darauf verzichtet hat. Gemäss Art. 121 OR kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, soweit dem Hauptschuldner das Recht zur Verrechnung zusteht. Diese Bestimmung schützt den Bürgen dann, wenn der Hauptschuldner die Verrechnung erklären könnte, dies aber nicht tut. Diesfalls fehlt es an der Gestaltungserklärung des Hauptschuldners für die Tilgung der Hauptschuld durch Verrechnung, und nach dem Akzessorietätsprinzip müsste auch der Bürge weiterhaften. Denn dieser kann nicht selbst eine Forderung des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger zur Verrechnung bringen und damit den Untergang seiner Bürgschaftsschuld bewirken ( BGE 126 III 25 E. 3b). Hier greift Art. 121 OR , der dem Bürgen in derartigen Konstellationen eine aufschiebende Einrede gegen die Durchsetzung der Bürgschaftsschuld gewährt (AEPLI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1991, N. 45 zu Art. 121 OR ; KILLIAS, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 7 zu Art. 121 OR ; MÜLLER, Der Schutz des Bürgen im schweizerischen Privatrecht, 2010, S. 171 f.; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1945, N. 11 zu Art. 502 OR ; PETER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 1 f. zu Art. 121 OR ; SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2009, S. 508; SCYBOZ, Garantievertrag und Bürgschaft, in: Obligationenrecht, Besondere Vertragsverhältnisse, SPR Bd. VII/2, 1979, S. 384; vgl. auch ENGEL, Contrats de droit suisse, 2. Aufl. 2000, S. 651). Im Gegensatz zur Verrechnungserklärung des Hauptschuldners lässt die auf Art. 121 OR gestützte Einrede des Bürgen den Bestand von Haupt- und Bürgschaftsforderung unberührt (AEPLI, a.a.O., N. 45 zu Art. 121 OR ). 2.2.2 Bislang vom Bundesgericht noch nicht entschieden ist die Frage, welche Rechtsfolgen es für den Bürgen nach sich zieht, wenn der Hauptschuldner auf seinen Verrechnungsanspruch verzichtet und damit sein Recht verliert, durch Verrechnungserklärung die BGE 138 III 453 S. 456 Hauptforderung (im Umfang der Verrechnung) zum Untergang zu bringen. Namentlich fragt sich, ob in diesem Fall die Regelung von Art. 502 Abs. 2 OR Anwendung findet. In BGE 126 III 25 liess das Bundesgericht die Frage offen, ob der Bürge seine Leistung in analoger Anwendung von Art. 502 Abs. 2 und Art. 121 OR verweigern kann, wenn der Hauptschuldner, nach Abschluss des Bürgschaftsvertrags und ohne Zustimmung des Bürgen, auf eine Verrechnungsforderung verzichtet hat, da der Bürge im zu beurteilenden Fall dem Verzicht des Hauptschuldners zugestimmt hatte (E. 3b). Das Bundesgericht wies in diesem Entscheid aber immerhin auf die Lehrmeinung hin, gemäss der sich der Bürge gestützt auf Art. 502 Abs. 2 OR einen nach Abschluss der Bürgschaft und ohne seine Zustimmung ergangenen Verrechnungsverzicht nicht entgenhalten lassen müsse (AEPLI, a.a.O., N. 29 zu Art. 121 OR ; BECKER, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1941, N. 3 zu Art. 121 OR ; GIOVANOLI, in: Berner Kommentar, 2. Aufl. 1978, N. 5b zu Art. 502 OR ; PETER, a.a.O., N. 3 zu Art. 121 OR ; SCYBOZ, a.a.O., S. 384). Die entsprechende Auffassung machte sich vorliegend die Vorinstanz zu eigen. Die zitierte Lehrmeinung geht von der Prämisse aus, dass Art. 502 Abs. 2 OR - obwohl die Bestimmung den Verzicht des Hauptschuldners auf Einreden und nicht den Verzicht auf Gestaltungsrechte zum Gegenstand hat - auch auf den Fall von Art. 121 OR Anwendung findet. Für diese Ansicht bestehen denn auch gute Gründe, da Art. 121 OR die akzessorischen Einredemöglichkeiten gemäss Art. 502 Abs. 1 OR ergänzt und beide Normen den Bürgen schützen, indem sie ihm ein im Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner begründetes Leistungsverweigerungsrecht einräumen. Es rechtfertigt sich daher, Art. 502 Abs. 2 OR , der den Schutz des Bürgen im Falle eines Verzichts des Hauptschuldners auf eine ihm zustehende Einrede erweitert, auf den von Art. 121 OR erfassten Verrechnungstatbestand anzuwenden. Dem Bürgen verbleibt somit in analoger Anwendung von Art. 502 Abs. 2 OR die Einrede gemäss Art. 121 OR , auch wenn der Hauptschuldner auf das ihm zustehende Verrechnungsrecht verzichtet. Noch nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage nach der inhaltlichen Tragweite von Art. 502 Abs. 2 OR . Diese Bestimmung beruht auf dem Grundgedanken, dass die Stellung des Bürgen nicht einseitig durch eine nachträgliche Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner soll verschlechtert werden können (AEPLI, BGE 138 III 453 S. 457 a.a.O., N. 15 zu Art. 121 OR ; BECK, Das neue Bürgschaftsrecht, 1942, N. 44 zu Art. 502 OR ; GUHL UND ANDERE, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 637 f. N. 55; KILLIAS, a.a.O., N. 4 zu Art. 121 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 170 f.; OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 26 zu Art. 502 OR ; PESTALOZZI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 11 zu Art. 502 OR ; SCYBOZ, a.a.O., S. 385). Sie erfasst demnach nicht den hier zu beurteilenden Fall, dass der Hauptschuldner vor Abschluss der Bürgschaft und mit Zustimmung des Bürgen auf Einreden verzichtet hat. Daraus folgt, dass sich der Bürge jedenfalls dann nicht auf Art. 502 Abs. 2 OR berufen kann, wenn er die Bürgschaft im Wissen darum eingegangen ist, dass der Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger auf die Verrechnung verzichtet hat. Dieser Fall ist wertungsmässig ähnlich gelagert wie der in BGE 126 III 25 entschiedene. Verzichtet der Hauptschuldner demgegenüber nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages und ohne Zustimmung des Bürgen auf die Verrechnung, so ist dem Bürgen mit der insofern einhelligen Lehre ein Leistungsverweigerungsrecht zuzugestehen (AEPLI, a.a.O., N. 29 zu Art. 121 OR ; BECKER, a.a.O., N. 3 zu Art. 121 OR ; GIOVANOLI, a.a.O., N. 5b zu Art. 502 OR ; JEANDIN, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 2 zu Art. 121 OR ; MEIER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 11 zu Art. 502 OR ; PETER, a.a.O., N. 3 zu Art. 121 OR ; vgl. auch HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl. 2010, S. 418). 2.2.3 Vorliegend steht fest und bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht, dass die Hauptschuldnerin im Darlehensvertrag vom 13. Dezember 2004 bezüglich der Darlehensforderung auf die Geltendmachung der Verrechnung verzichtete. Dieser Verzicht war auch ohne Weiteres zulässig, und zwar sowohl mit Bezug auf bestehende als auch betreffend zukünftige Verrechnungsforderungen ( Art. 126 OR ). Gemäss den bindenden Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz hatte der Beschwerdeführer als Bürge beim Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung Kenntnis von der erwähnten Verzichtsklausel. Nach dem eben Ausgeführten kann er sich somit nicht auf Art. 502 Abs. 2 OR berufen, um gestützt auf die Verrechnungsmöglichkeit, wie sie der Hauptschuldnerin ohne Verzicht zustehen würde, die Leistung zu verweigern. 2.3 Der Beschwerdeführer sieht durch die vorinstanzliche Rechtsauffassung, er könne der Bürgschaftsforderung der Beschwerdegegnerin die behaupteten Verrechnungsansprüche der BGE 138 III 453 S. 458 Hauptschuldnerin nicht entgegenhalten, weiter auch Art. 492 Abs. 4 und Art. 493 Abs. 2 OR verletzt. Er macht geltend, gemäss Art. 492 Abs. 4 OR könne der Bürge, abgesehen von den im Gesetz vorgesehenen Fällen, auf die ihm im Zwanzigsten Titel des Obligationenrechts eingeräumten Rechte nicht zum Voraus verzichten. Zu den entsprechenden Rechten zähle der Anspruch des Bürgen, nach Art. 502 Abs. 2 OR Einreden des Hauptschuldners geltend zu machen, auch wenn dieser darauf verzichtet habe. Ein vorgängiger Verzicht des Bürgen auf dieses Recht sei im Gesetz nicht vorgesehen und daher gemäss Art. 492 Abs. 4 OR nicht zulässig. Gehe man hingegen - so der Beschwerdeführer weiter - von der Möglichkeit eines entsprechenden vorgängigen Verzichts aus, müssten dafür jedenfalls die qualifizierten Formvorschriften gemäss Art. 493 Abs. 2 OR gelten. Ein formgültiger Verzicht auf das Verrechnungsrecht liege - im Gegensatz etwa zu dem in der Bürgschaftserklärung enthaltenen Verzicht des Beschwerdeführers auf das beneficium excussionis realis - nicht vor. 2.3.1 Die Hauptschuldnerin hat vorliegend wie gesehen nicht nach Abschluss der Bürgschaft und ohne Zustimmung des Beschwerdeführers auf ihre Verrechnungseinrede verzichtet. Damit liegt kein Fall von Art. 502 Abs. 2 OR vor (E. 2.2.2), und es hilft dem Beschwerdeführer somit von vornherein nicht weiter, wenn er sich auf die Unverzichtbarkeit des in dieser Bestimmung normierten Rechts des Bürgen beruft. 2.3.2 Soweit der Beschwerdeführer dagegen annimmt, der Verrechnungsverzicht der Hauptschuldnerin sei ihm gegenüber schon alleine gestützt auf Art. 121 OR in Verbindung mit Art. 492 Abs. 4 OR unwirksam, da Art. 121 OR eine unverzichtbare Einrede des Bürgschaftsrechts statuiere, verkennt er den Gehalt von Art. 492 Abs. 4 OR : Diese Bestimmung verbietet lediglich, dass der Bürge auf eigene Rechte , d.h. auf die seinem Schutze dienenden gesetzlichen Regeln, im Voraus verzichtet (vgl. BECK, a.a.O., N. 134 f. zu Art. 492 OR ; PESTALOZZI, a.a.O., N. 8 zu Art. 493 OR ). Mit anderen Worten untersagt sie ausschliesslich den Vorausverzicht des Bürgen selbst auf die ihm von Gesetzes wegen im Verhältnis zum Gläubiger und zum Hauptschuldner zustehenden Rechte. Der Bürge kann demnach zwar nicht im Voraus darauf verzichten, dem Gläubiger die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden und Einwendungen entgegenzusetzen. Diese Befugnis ergibt sich bereits aus der Akzessorietät der Bürgschaft, der es grundsätzlich widersprechen würde, wenn der BGE 138 III 453 S. 459 Bürge eine strengere Verpflichtung eingehen würde als der Hauptschuldner (vgl. BGE 129 III 702 E. 2.1 S. 704; BECK, a.a.O., N. 93 zu Art. 492 sowie N. 47 zu Art. 502 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 33 zu Art. 502 OR ). Sie steht dem Bürgen jedenfalls aus eigenem Recht zu (SCYBOZ, a.a.O., S. 382), weshalb er gemäss Art. 492 Abs. 4 OR nicht von vornherein darauf verzichten kann (PESTALOZZI, a.a.O., N. 4 zu Art. 502 OR ; vgl. auch GIOVANOLI, a.a.O., N. 88 zu Art. 492 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 46). Art. 492 Abs. 4 OR hindert den Bürgen demgegenüber nicht daran, für die Erfüllung einer Schuld einzustehen, bezüglich welcher der Hauptschuldner in Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht auf Einwendungen oder Einreden verzichtet hat (anders wohl BECK, a.a.O., N. 47 zu Art. 502 OR ). Dieses Ergebnis ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Zwanzigste Titel des Obligationenrechts keine Regeln zum möglichen Inhalt der zu sichernden Hauptforderung respektive zu den Einwendungen und Einreden des Hauptschuldners enthält, sondern lediglich in Art. 492 Abs. 2 OR festhält, dass die Bürgschaft eine zu Recht bestehende Hauptschuld voraussetzt. Damit fehlt es an einer Bestimmung im Zwanzigsten Titel des Obligationenrechts, die es dem Hauptschuldner zum Schutz des Bürgen verbietet, im Rahmen des Hauptschuldverhältnisses auf Einreden und Einwendungen gegen die verbürgte Forderung zu verzichten, weil dadurch indirekt auch der Bürge betroffen wäre, oder die es dem Bürgen selbst untersagt, für eine mit einem solchen Verzicht belastete Schuld einzustehen. Dieses Verständnis steht denn auch im Einklang mit dem durch Art. 492 Abs. 4 OR verfolgten Zweck: Mit dieser Bestimmung, die auf die Revision des Bürgschaftsrechts von 1941 zurückgeht, sollte verhindert werden, dass Bürgen durch die Unterzeichnung von vorgedruckten Formularen auf ihre gesetzlichen Rechte verzichten und später von der Tragweite dieses Verzichts überrascht werden (Botschaft vom 20. Dezember 1939 zur Revision des Bürgschaftsrechts, BBl 1939 II 873 f.; vgl. auch BECK, a.a.O., N. 134 zu Art. 492 OR ). Mit anderen Worten wollte der Gesetzgeber mit dem Verbot des Vorausverzichts verhindern, dass der Bürge in der Bürgschaftsvereinbarung auf die zu seinem Schutz eingeräumten bürgschaftsrechtlichen Einreden verzichtet; es war hingegen nicht seine Absicht, den Inhalt und die Modalitäten der zu verbürgenden Hauptforderung festzulegen. Dies ist auch nachvollziehbar: Hätte der Gesetzgeber dem Bürgen nämlich verboten, für eine mit einem Einrede- oder Einwendungsverzicht belastete Schuld einzustehen, hätte er in Kauf nehmen müssen, dass mit der BGE 138 III 453 S. 460 Bürgschaft solche - vom dispositiven gesetzlichen Recht abweichende - schuldrechtliche Verpflichtungen in vielen Fällen nicht mehr hätten gesichert werden können. Es bleibt somit insofern beim Grundsatz, dass der Bürge für die Verpflichtung einsteht, so wie sie der Hauptschuldner eingegangen ist (vgl. E. 2.2.1). Ein Verrechnungsverzicht des Hauptschuldners wie der vorliegende, der das Schuldverhältnis zwischen diesem und dem Gläubiger betrifft, gilt demnach auch für den Bürgen. Ob die - das Verhältnis zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger betreffende - Einrede gemäss Art. 121 OR zu den gemäss Art. 492 Abs. 4 OR unverzichtbaren Rechten des Bürgen gehört, obwohl sie nicht im Zwanzigsten Titel des Obligationenrechts eingeräumt wird, braucht unter diesen Umständen nicht beurteilt zu werden (zu dieser Frage AEPLI, a.a.O., N. 10 zu Art. 121 OR ; BECKER, a.a.O., N. 3 zu Art. 121 OR ). Soweit die Argumentation des Beschwerdeführers auf der Prämisse aufbaut, dass er sich als Bürge nicht für eine durch einen Verrechnungsverzicht der Hauptschuldnerin erschwerte Hauptpflicht verbürgen konnte, kann ihr demnach nicht gefolgt werden. 2.3.3 Schliesslich finden auch die vom Beschwerdeführer geforderten qualifizierten Formerfordernisse für den Verrechnungsverzicht im Gesetz keine Stütze. Nachdem es sich beim Verrechnungsverzicht des Hauptschuldners wie gesehen nicht um einen von Art. 492 Abs. 4 OR erfassten Eingriff in die gesetzliche Bürgenstellung handelt, sondern um eine Eigenschaft des verbürgten (Haupt-) Schuldverhältnisses, kann auch aus dem Umstand, dass dieser Verzicht nicht in der Bürgschaftserklärung enthalten war, von vornherein nichts abgeleitet werden (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 27 zu Art. 493 OR ; PESTALOZZI, a.a.O., N. 8 zu Art. 493 OR ). Das Gesetz enthält keine Regel, wonach sich die für die Bürgschaftserklärung geltende Formpflicht auch auf die inhaltlichen Eigenschaften der Hauptschuld bezieht (vgl. PESTALOZZI, a.a.O., N. 7 f. zu Art. 493 OR ). 2.4 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin keine Verrechnungsforderungen der Hauptschuldnerin entgegenhalten kann.
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Erwägungen ab Seite 222 BGE 136 III 222 S. 222 Extrait des considérants: 4. Le recourant se prévaut d'une transgression de l' art. 46 CO . Se basant sur une jurisprudence récente du Tribunal fédéral (arrêt 4A_227/2007 du 26 septembre 2007 consid. 3.6.2, in SJ 2008 I p. 177), postérieure à l'arrêt de principe publié à l' ATF 129 III 135 , il affirme que la perte de gain temporaire doit se calculer sur le salaire brut, et non sur le salaire net comme l'aurait fait erronément la Cour de justice dans l'arrêt déféré. 4.1 4.1.1 Il est définitivement établi que le recourant aurait été à même de reprendre son activité antérieure d'aide-jardinier à partir du 1 er juillet 2003. La perte de gain indemnisable, à savoir celle qu'il a subie du 5 juillet 1995 (date de l'accident) au 30 juin 2003, n'est BGE 136 III 222 S. 223 donc que temporaire , aucun préjudice futur ni dommage de rente n'entrant plus en considération. La perte de gain que le lésé peut réclamer au tiers responsable correspond à la différence entre le revenu de valide du premier (revenu hypothétique sans l'accident) et son revenu d'invalide (revenu qui peut probablement être réalisé après l'accident) (arrêt du Tribunal fédéral 4A_481/2009 du 26 janvier 2010 consid. 3.2; SCHAETZLE/WEBER, Manuel de capitalisation, 5 e éd. 2001, n° 3.242 p. 403). Pour évaluer la perte de gain en question, il convient de prendre comme base de calcul le salaire net de la victime, ce qui signifie que la totalité des cotisations aux assurances sociales doivent être déduites du salaire brut déterminant, soit celles à l'AVS, à l'AI, au régime des APG et à l'assurance-chômage (AC); la déduction doit également porter sur les contributions du travailleur au deuxième pilier (cotisations LPP; cf. ATF 129 III 135 consid. 2.2). 4.1.2 Le considérant 3.6.2 de l'arrêt 4A_227/2007, cité in extenso par le recourant, a la teneur suivante: "La jurisprudence invoquée par la défenderesse sur la prise en compte du revenu net, toutes les cotisations aux assurances sociales devant être déduites, n'est pas applicable au cas d'espèce. Elle se rapporte en effet à l'hypothèse où il s'agit de calculer l'atteinte à l'avenir économique résultant d'une invalidité permanente: dans ce cas, la perte de gain pendant la période active - c'est-à-dire du jour de l'accident à celui où le lésé aurait cessé d'exercer une activité lucrative - se calcule sur la base du salaire net de toute cotisation sociale, parce que le dommage de rente de vieillesse est indemnisé selon un calcul distinct ( ATF 129 III 135 consid. 2.2). Dans le cas d'espèce, s'agissant d'indemniser une perte de gain temporaire sans calculer un dommage de rente, il n'y a pas lieu de prendre en compte le revenu net du demandeur pour calculer la perte de gain indemnisable." Ce considérant, qui n'est étayé par aucune référence hormis celle à l' ATF 129 III 135 , précédent auquel il veut faire exception, a récemment fait l'objet de critiques de doctrine. BRUNO SCHATZMANN (Einige Gedanken zum massgeblichen Einkommen, in REAS 2008 p. 286 ss, spéc. p. 288/289) affirme qu'il est manifestement faux de calculer la perte de gain temporaire à partir du salaire brut si le préjudice ne réside pas dans des cotisations aux assurances sociales perdues, mais dans l'octroi futur de prestations de vieillesse réduites. De fait, pour cet auteur, la diminution de rentes de vieillesse et la réduction de contributions d'assurance sociale ne coïncident pas en chiffres. Tout d'abord, seules les contributions à l'AVS et à la prévoyance professionnelle sont formatrices BGE 136 III 222 S. 224 de rentes, à l'inverse des contributions de risque à l'AI, à l'assurance- chômage, au régime des APG, ainsi que les primes pertes de gain à l'assurance maladie et à l'assurance-accidents non professionnel. Ensuite, si le revenu annuel moyen dépasse un certain montant, les contributions à l'AVS ne tendent plus à financer les rentes (principe de solidarité qui veut que les riches paient davantage de cotisations que ne l'exigerait le financement de leur rente). A l'inverse, si le revenu annuel moyen est inférieur à un montant donné, la rente minimale est servie, la hauteur des contributions à l'AVS n'ayant alors aucune influence sur la quotité de la rente de vieillesse. Pour SCHATZMANN, ce manque de synchronisme entre cotisations aux assurances sociales et rentes de vieillesse commande, en cas d'incapacité de gain limitée dans le temps, de procéder au calcul sur la base du salaire net et, le cas échéant, de calculer séparément un éventuel dommage de rente pour autant qu'il ne faille pas admettre que le salaire annuel moyen futur dépasse le montant donnant déjà droit à l'allocation de la rente de vieillesse maximale. WEBER/SCHAETZLE (Die Berechnung des Personenschadens im Rück- und Ausblick - Eine kritische Standortbestimmung, in Personen-Schaden-Forum 2010, p. 281 ss, spéc. p. 320 et la note 68) écrivent que le dommage actuel se détermine, que ce soit pour le salaire de valide ou pour celui d'invalide, après déduction de toutes les cotisations aux assurances sociales, car seul le salaire net entre dans le calcul de la perte de gain dans la phase active. Ces auteurs exposent qu'il faut procéder ainsi même si la perte de gain n'est que temporaire. A cela s'ajoute que dans leur "Recommandation relative au calcul du dommage de rente" du 20 mars 2001, n° 1/2001, révisée le 10 février 2004, l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), la SUVA et l'Association Suisse d'Assurances (ASA) prônaient, dans les cas d'incapacité de travail temporaires ne générant pas d'invalidité, de déterminer la perte de gain en fonction du revenu net, suggérant toutefois alors de renoncer, pour des raisons de praticabilité, au calcul du dommage de rente. 4.1.3 Ces réflexions convaincantes amènent le Tribunal fédéral à considérer que le régime exceptionnel qui résulte du consid. 3.6.2 de l'arrêt 4A_227/2007 du 26 septembre 2007, selon lequel l'indemnisation d'une perte de gain temporaire se calcule sur le salaire brut, ne peut plus être maintenu. Ce précédent a perdu de vue que la solidarité dans l'AVS se manifeste en particulier entre les assurés qui disposent d'un revenu élevé et ceux qui ont un revenu moindre. En effet, les assurés aisés versent des cotisations largement supérieures BGE 136 III 222 S. 225 à celles que nécessiterait le financement de leurs rentes de vieillesse - dont le montant est plafonné au double de la rente minimale -, alors que les assurés dont les revenus sont modestes reçoivent des prestations qui dépassent celles formées par les cotisations paritaires payées au cours de leur vie active. Autrement dit, il n'y a pas inévitablement de corrélations entre la perte de cotisations versées aux assurances sociales sur une période limitée et la réduction des rentes de vieillesse qui seront servies à l'âge terme. Or cette manière de voir, incorrecte, sous-tendait le raisonnement tenu dans l'arrêt susrappelé. Il suit de là que c'est le salaire net qui est déterminant pour arrêter le préjudice actuel, même si la perte de gain n'est que temporaire . Le grief doit être rejeté.
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Sachverhalt ab Seite 136 BGE 102 II 136 S. 136 A.- Am 20. Juni 1973 starb in Zürich der britische Staatsangehörige Albert Cohen (nachfolgend als Erblasser bezeichnet). Er war 1886 in Deutschland geboren worden und im Jahre 1936 nach Grossbritannien ausgewandert, weil er sich wegen seiner jüdischen Abstammung in Deutschland gefährdet fühlte. An seinem neuen Wohnort entfaltete er während vielen Jahren eine rege geschäftliche Tätigkeit. Im Jahre 1947 erwarb er die britische Staatsangehörigkeit. Nachdem er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hatte, übersiedelte er 1953 in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Er war in zweiter Ehe mit Elisabeth Bahr verheiratet. Als einziges Kind hinterliess er eine Tochter aus erster Ehe, Evelyn Hirsch-Leapman, die in Genf lebt. Am 5. März 1970 hatte der Erblasser in Zürich eine öffentliche letztwillige Verfügung errichtet und darin seinen Nachlass dem englischen Recht unterstellt; die Nachlassverwaltung und die Abwicklung des Erbganges sollten sich hingegen nach schweizerischem Recht richten. In materieller Hinsicht setzte BGE 102 II 136 S. 137 der Erblasser seine zweite Ehefrau als Alleinerbin ein, sofern diese ihn um mindestens einen Monat überlebe. Im übrigen erklärte er in seinem Testament, dass er seit dem 27. September 1953 in der Schweiz wohne und seinen englischen Wohnsitz aufgegeben habe, dass er beabsichtige, in der Schweiz zu leben und zu sterben, dieses Land als seine dauernde Heimat betrachte und nicht die Absicht habe, sich jemals wieder in Grossbritannien oder Nordirland dauernd niederzulassen. B.- Knapp vor Ablauf eines Jahres seit Eröffnung des Testaments reichte die Tochter des Erblassers gegen dessen zweite Ehefrau beim Bezirksgericht Zürich Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass sie rechtmässige Erbin des Erblassers sei, und es sei das Testament vom 5. März 1970 als ungültig zu erklären; eventuell habe das Gericht ihren Pflichtteil zu ermitteln und die Begünstigung der Beklagten entsprechend herabzusetzen. Mit Urteil vom 14. November 1975 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab. C.- Die Klägerin erhob hiegegen Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 1. März 1976 wies dieses das Rechtsmittel ab und bestätigte das bezirksgerichtliche Urteil. Das Obergericht ging in Übereinstimmung mit der ersten Instanz davon aus, dass das vom Erblasser als anwendbar erklärte englische Recht uneingeschränkte Testierfreiheit gewähre und keinen Pflichtteilsschutz kenne. Es verneinte im übrigen, dass die Unterstellung des Erbganges unter das Heimatrecht des Erblassers rechtsmissbräuchlich und das Testament demzufolge ungültig sei. Ebenso lehnte es die von der Klägerin vertretene Auffassung ab, das Fehlen eines Pflichtteilsschutzes im englischen Recht verstosse gegen den schweizerischen Ordre public. D.- Die Klägerin hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie stellt darin sinngemäss den Antrag, es sei ihr am väterlichen Nachlass ein Pflichtteilsanspruch gemäss schweizerischem Recht zuzusprechen.
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500
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zur Begründung des Vorwurfs, das englische Recht sei missbräuchlich gewählt worden, macht die Klägerin geltend, BGE 102 II 136 S. 138 der Erblasser habe seit mehr als zwanzig Jahren in der Schweiz gewohnt und sei hier völlig heimisch gewesen. Die im schweizerischen Recht vorgesehene Möglichkeit der Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht sei auf Ausländer zugeschnitten, die ungeachtet ihres Wohnsitzes in der Schweiz echte Beziehungen zum Heimatstaat aufrecht erhielten. Diese Voraussetzung treffe im Falle des Erblassers nicht zu, denn dieser habe ausser seinem englischen Pass keinerlei Verbindung mit Grossbritannien mehr gehabt; er habe vielmehr so gelebt, wie wenn er Schweizer geworden wäre. Der Erblasser habe das englische Recht somit nicht etwa deshalb als anwendbar erklärt, weil er mit der schweizerischen Rechtsordnung nicht genügend vertraut gewesen wäre, sondern einzig und allein zu dem Zweck, sie, die Klägerin, um ihr Erbrecht zu bringen. Sein Verhalten verstosse unter diesen Umständen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. a) Art. 22 Abs. 2 NAG ermöglicht in Verbindung mit Art. 32 NAG den in der Schweiz wohnhaften Ausländern, ihre Erbfolge durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag dem Heimatrecht zu unterstellen. Es bedarf hiefür keiner anderen Voraussetzung als der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der das Wahlrecht ausübende Ausländer Verbindungen mit seinem Heimatstaat aufrecht erhalten hat. Ein solches Erfordernis wäre übrigens ausserordentlich schwer zu überprüfen und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Für eine einschränkende Auslegung von Art. 22 Abs. 2 NAG , zu welcher die von der Klägerin vertretene Auffassung führen würde, ist somit kein Platz. Auch wenn der Erblasser zu seinem Heimatstaat keinerlei Beziehungen mehr unterhalten haben sollte, wie in der Berufungsschrift geltend gemacht wird, könnte die Unterstellung der Erbfolge unter das englische Recht daher nicht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden. b) Auf Grund der unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zum Leben des Erblassers in Grossbritannien, die für das Bundesgericht verbindlich sind, kann im übrigen auch keine Rede davon sein, dass dieser die britische Staatsangehörigkeit nur deshalb erworben oder beibehalten hätte, um über die grosse Testierfreiheit verfügen zu können, die das englische Recht gewährt. Rechtsmissbrauch liegt somit BGE 102 II 136 S. 139 auch aus dieser Sicht nicht vor. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung lässt es Art. 22 Abs. 2 NAG durchaus zu, dass ein in der Schweiz wohnhafter Ausländer das Erbrecht seines Heimatstaates ausschliesslich deshalb als anwendbar erklärt, weil er in den Genuss einer möglichst grossen Verfügungsfreiheit gelangen will. c) Die Klägerin hat auch nicht etwa geltend gemacht, dass der Erblasser in ihr das Vertrauen erweckt habe, sie werde einmal den ihr nach schweizerischem Recht zustehenden Pflichtteil erhalten. Ein Verstoss gegen berechtigtes Vertrauen, der allenfalls eine Verletzung von Art. 2 ZGB darstellen könnte (vgl. MERZ, N. 431 ff. zu Art. 2 ZGB ), fällt somit ausser Betracht. Die Angehörigen eines in der Schweiz wohnhaften Ausländers müssen grundsätzlich damit rechnen, dass dieser von der Möglichkeit der Unterstellung der Erbfolge unter sein Heimatrecht Gebrauch macht. d) Wenn die Klägerin darin, dass der Erblasser trotz der Unterstellung der Erbfolge unter das englische Recht für die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses dann doch die Anwendung des schweizerischen Rechts vorbehalten hat, ein widersprüchliches Verhalten erblickt, so übersieht sie, dass die Unterstellung unter das Heimatrecht gemäss Art. 22 Abs. 2 NAG die formelle Nachlassbehandlung auch ohne entsprechende Anordnung des Erblassers nicht berührt (so STAUFFER, Praxis zum NAG, Anm. 11 zu Art. 22 und Anm. 1 zu Art. 23 NAG ; HOTZ, Die Rechtswahl im Erbrecht, Zürch. Diss. 1969, S. 44 ff.; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweizerisches Privatrecht, I. Bd., S. 641; BGE 32 I 489 ; VPB 1974, Heft 38/II, Nr. 42, S. 28). e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Vorwurf, der Erblasser habe ein ihm zustehendes Recht missbraucht, indem er die Erbfolge dem englischen Recht unterstellt und dadurch den schweizerischen Pflichtteilsschutz umgangen habe, unbegründet ist. 4. Die andere Rüge richtet sich gegen die vorinstanzliche Auffassung, das Ausschalten des in den Art. 470 f. ZGB zugunsten der Nachkommen vorbehaltenen Pflichtteilsrechtes verstosse nicht gegen den schweizerischen Ordre public. Die Klägerin macht geltend, es sei mit den Grundsätzen und dem Geist des schweizerischen Rechts nicht vereinbar, dass das Nachlassvermögen den Nachkommen des Erblassers völlig BGE 102 II 136 S. 140 entzogen werden könne. Dies müsse in einem Fall wie dem vorliegenden umso mehr gelten, als sie, die Klägerin, Schweizerin und Mutter von drei schweizerischen Kindern sei, während die Beklagte, an welche das ganze Nachlassvermögen laut Testament fallen solle, Ausländerin sei und keine eigenen Kinder habe. Das Bundesgericht hatte bisher noch nie Gelegenheit, die Frage, inwiefern dem schweizerischen Pflichtteilsrecht Ordre public-Charakter zukomme, eingehender zu prüfen. Einzig in BGE 72 III 104 E. 2 nahm es dazu Stellung, ob in der Berechnung der Pflichtteilsansprüche von Nachkommen eines deutschen Erblassers nach den Grundsätzen des deutschen Rechts ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz zu erblicken sei. Es verneinte diese Frage, indem es darauf hinwies, dass die schweizerische Rechtsordnung durch die Erbrechtsverhältnisse der Parteien überhaupt nicht berührt werde. Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte hatte sich nämlich dort lediglich daraus ergeben, dass in der Schweiz gelegenes Vermögen des in Deutschland wohnhaft gewesenen deutschen Erblassers mit Arrest belegt worden war; keine der Prozessparteien hatte ihren Wohnsitz in der Schweiz. Im Unterschied zu jenem Fall ist der hier zu beurteilende Sachverhalt eng mit der Schweiz verknüpft, da nicht nur der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte, sondern auch beide Prozessparteien hier wohnen (vgl. zur Frage der sog. Binnenbeziehung: NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, 3. Aufl., S. 296/297). Die Frage, ob die vom Erblasser getroffene Lösung mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar sei, muss deshalb näher geprüft werden. a) Wenn Art. 22 Abs. 2 NAG in Verbindung mit Art. 32 NAG einem in der Schweiz wohnhaften Ausländer gestattet, die Erbfolge in seinen Nachlass dem Recht seines Heimatstaates zu unterstellen, werden durch eine solche Rechtswahl nicht nur die dispositiven Bestimmungen des schweizerischen Erbrechts wegbedungen (bezüglich dieser wäre die Möglichkeit einer Rechtswahl gar nicht erforderlich), sondern grundsätzlich auch die Vorschriften zwingender Natur. Soll aber die Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht überhaupt einen Sinn haben, so darf die Anwendung des massgebenden ausländischen Rechts nicht durch Berufung auf den inländischen BGE 102 II 136 S. 141 Ordre public weitgehend wirkungslos gemacht werden. Dies wäre indessen der Fall, wenn dem schweizerischen Pflichtteilsrecht Ordre public-Charakter beigemessen würde. Die Erbfolge-Ordnung des Heimatrechts des ausländischen Erblassers wäre dann nämlich regelmässig dort nicht uneingeschränkt anwendbar, wo ein nach schweizerischem Recht pflichtteilsgeschützter Erbe nicht mindestens soviel erhalten würde, wie seinem (schweizerischen) Pflichtteil entspräche. Es liesse sich freilich denken, eine Verletzung des schweizerischen Ordre public erst dann zu bejahen, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe völlig leer ausgeht. Auch dies ist indessen abzulehnen, würde es doch in diesem Fall für die uneingeschränkte Beachtung des ausländischen Rechts genügen, dass der geschützte Erbe auch nur einen kleinen Bruchteil des Schweizerischen Pflichtteils erhielte. Ebensowenig kann schliesslich eine Zwischenlösung in Betracht fallen, da sich bei ihr die Schwierigkeit böte, die Grenze festzulegen, jenseits welcher der vom fremden Recht gewährte Pflichtteilsschutz als quantitativ zu gering und daher mit dem Ordre public unvereinbar zu werten wäre. Eine rechtlich befriedigende, der Rechtssicherheit Rechnung tragende Ordnung lässt sich vielmehr nur dann verwirklichen, wenn die Frage nach dem Bestand und dem Umfang allfälliger Pflichtteilsansprüche ausschliesslich dem massgebenden ausländischen Recht überlassen bleibt. Die Auffassung, dass das gestützt auf Art. 22 Abs. 2 NAG gewählte Heimatrecht nicht nur für die Bestimmung der Erben und der Erbquoten, sondern ebenfalls bezüglich der Frage des Pflichtteilsschutzes Anwendung finden muss, entspricht übrigens auch jener der herrschenden Lehre (vgl. STAUFFER, a.a.O. Anm. 11 zu Art. 22 NAG ; VISCHER, a.a.O. S. 641 sub Ziff. II/2; VISCHER, Die erbrechtliche professio iuris und der schweizerisch-amerikanische Staatsvertrag von 1850, in Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht 22/1965, S. 52 und 71; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. Aufl., II. Bd., S. 513; MAX PETITPIERRE, Le droit applicable à la succession des étrangers domiciliés en Suisse, in Recueil de travaux offert par la Faculté de droit de l'Université de Neuchâtel à la Société suisse des juristes, 1929, S. 255; ANLIKER, Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, BGE 102 II 136 S. 142 S. 231; HOTZ, a.a.O. S. 63, 111 und 122; FRAEFEL, Die Durchführung der anglo-amerikanischen "administration" im Bereich des schweizerischen Rechts, Freiburger Diss. 1966, S. 71 f.; FERID-FIRSCHING, Internationales Erbrecht, Schweiz, Grdz. C III S. 13 f.). b) Der hier vertretenen Ansicht kann auch nicht entgegengehalten werden, das Bundesgericht habe in zwei älteren Entscheiden die Unterstützungspflicht zwischen Blutsverwandten gemäss Art. 328/329 ZGB als zur öffentlichen Ordnung gehörig bezeichnet (so BGE 39 II 20 ; BGE 59 II 415 /416). Abgesehen davon, dass die Unterstützungspflicht mit dem Tode des Pflichtigen dahinfällt und nicht einfach durch den erbrechtlichen Pflichtteilsschutz abgelöst wird, steht einer Ausdehnung des Ordre public auf das Pflichtteilsrecht die Vorschrift des Art. 22 Abs. 2 NAG entgegen. Diese lässt eine nur teilweise Beachtung des vom Erblasser gewählten Heimatrechts aus den bereits dargelegten Gründen nicht zu. Die Frage des Pflichtteilsschutzes ist im übrigen mit der gesamten Ordnung der Erbfolge derart eng verflochten, dass es dem Ausnahmecharakter der Ordre public-Klausel (vgl. dazu VISCHER in Schweiz. Privatrecht, I. Bd., S. 533) widerspräche, die uneingeschränkte Anwendung des ausländischen Erbrechts in der Schweiz vom Grad seiner Übereinstimmung mit dem schweizerischen Pflichtteilsrecht abhängig machen zu wollen. c) Die Schweiz hat eine Reihe von Staatsverträgen abgeschlossen, nach denen für die Beerbung der Angehörigen der Vertragsstaaten, die ihren letzten Wohnsitz im Gebiet des andern Staates hatten, ganz oder teilweise das Heimatrecht gilt (vgl. SCHNITZER, a.a.O. II. Bd., S. 550 ff.; STAUFFER, a.a.O., Anm. 23-27 zu Art. 34 NAG ; HOTZ, a.a.O., S. 54 ff.). In diesen Fällen richtet sich auch die Frage des Pflichtteilsschutzes bei einem in der Schweiz verstorbenen Ausländer nach dessen Heimatrecht, was im Vertrag mit Griechenland sogar ausdrücklich hervorgehoben wird (vgl. hiezu BGE 94 II 11 E. 2). Es ist nicht anzunehmen, dass die Schweiz in diesen Staatsverträgen auf die Durchsetzung ihres eigenen Pflichtteilsrechtes verzichtet hätte, wenn dieses als zur öffentlichen Ordnung gehörend betrachtet worden wäre.
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2,008
de
Sachverhalt ab Seite 50 BGE 134 V 49 S. 50 A. Mit Entscheid vom 9. Juli 2007 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die von V. gegen die rentenablehnende Verfügung der IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IV-Stelle) vom 2. Februar 2007 erhobene Beschwerde wegen Fristversäumnisses nicht ein. B. V. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid sei aufzuheben und das Bundesverwaltungsgericht sei zu verpflichten, auf das rechtzeitig erhobene Rechtsmittel einzutreten. Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
280
112
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG ist die Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen. Diese Frist kann nicht erstreckt werden ( Art. 40 Abs. 1 ATSG ). Nach Art. 39 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 BGE 134 V 49 S. 51 ATSG ist die 30-tägige Frist nur gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim erstinstanzlichen Versicherungsgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird. Läuft die Frist unbenützt ab, so erwächst der Verwaltungsentscheid in (formelle) Rechtskraft mit der Wirkung, dass das erstinstanzliche Gericht auf eine verspätet eingereichte Beschwerde nicht eintreten darf (vgl. BGE 124 V 400 E. 1a S. 401). Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten beziehungsweise der Adressatin oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt laut Art. 38 Abs. 2 bis ATSG spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt. 3. Die einen Rentenanspruch verneinende Verfügung der IV-Stelle vom 2. Februar 2007 wurde unbestrittenermassen am 6. Februar 2007 als Postsendung mit Zustellnachweis an die Adresse des Rechtsvertreters des Versicherten versandt und ging am 7. Februar 2007 bei der Poststelle am Ort des Empfängers (in Y.) ein. Ebenfalls nicht streitig ist die Tatsache, dass die Post die Sendung aufgrund eines Rückbehaltungsauftrags des Rechtsvertreters bis zum 26. Februar 2007 zurückbehielt. Dieser nahm die Verfügung am letztgenannten Datum zusammen mit der übrigen zurückbehaltenen Post am Schalter in Empfang. Aus dem vom Beschwerdeführer eingereichten Schreiben der Schweizerischen Post vom 9. August 2007 ergibt sich überdies, dass - entgegen deren versehentlichen früheren Zustellinformation ("Track & Trace") - mit Bezug auf die streitige Verfügung nie ein (erfolgloser) Zustellversuch an der Adresse des Rechtsvertreters unternommen worden ist. Insofern hat die Vorinstanz auf einen offensichtlich unrichtigen Sachverhalt abgestellt. Dieser Umstand ist indessen, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht entscheidend (vgl. Art. 97 Abs. 1 in fine BGG). 4. Mit dem hievor (E. 2 in fine) zitierten Art. 38 Abs. 2 bis ATSG (wie auch mit Art. 44 Abs. 2 BGG und Art. 20 Abs. 2 bis VwVG ) wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2007 die von der Gerichtspraxis für eingeschriebene Sendungen entwickelte Zustellungsfiktion ( BGE 127 I 31 ; BGE 123 III 492 ; BGE 119 II 147 E. 2 S. 149; BGE 119 V 89 E. 4b/aa S. 94, je mit Hinweisen) in Gesetzesrecht überführt, nach dem Wortlaut BGE 134 V 49 S. 52 der Norm allerdings nur hinsichtlich der Fälle eines tatsächlich unternommenen erfolglosen (Briefkasten- oder Postfach-)Zustellungsversuchs (mit entsprechender Abholungseinladung). Im hier zu beurteilenden Fall stellt sich daher die Frage, ob die früher in analoger Anwendung der Rechtsprechung zur Briefkasten- und Postfachzustellung auch beim Postrückbehaltungsauftrag beachtete Fiktion, wonach eine eingeschriebene Sendung spätestens am letzten Tag einer Frist von sieben Tagen ab Eingang bei der Poststelle am Ort des Empfängers als zugestellt zu betrachten ist ( BGE 123 III 492 ), unter neuem Recht - nunmehr in Analogie zu Art. 38 Abs. 2 bis ATSG (sowie Art. 44 Abs. 2 BGG und Art. 20 Abs. 2 bis VwVG ) - weiterhin Geltung beansprucht. Gleichbehandlungs-, Missbrauchs- und Praktikabilitätsüberlegungen gebieten die Bejahung der Frage. Nach wie vor setzt die Zustellungsfiktion immerhin voraus, dass der Adressat mit der fraglichen Zustellung hatte rechnen müssen ( BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; BGE 127 I 31 E. 2a/aa S. 34, je mit Hinweisen; KATHRIN AMSTUTZ/PETER ARNOLD, Basler Kommentar, N. 25 f. zu Art. 44 BGG ). Dieser Rechtsauffassung haben sämtliche Abteilungen im Verfahren nach Art. 23 Abs. 2 BGG zugestimmt. 5. Der Rechtsvertreter des Versicherten hatte sich mit Eingaben vom 20. und 29. November 2006 gegen den Vorbescheid der IV-Stelle vom 17. November 2006 gewandt und musste deshalb zweifellos mit der Zustellung der in der Folge erlassenen Verwaltungsverfügung vom 2. Februar 2007 rechnen. Hat nach dem hievor Gesagten als Zustellungsdatum der rentenablehnenden Verfügung der 14. Februar 2007 zu gelten (d.h. der siebte Tag nach Eingang bei der Poststelle am Ort des Rechtsvertreters vom 7. Februar 2007), begann die 30-tägige Beschwerdefrist am 15. Februar 2007 zu laufen ( Art. 38 Abs. 1 ATSG ) und endete am 16. März 2007. Die unbestrittenermassen erst am 23. März 2007 erhobene Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht war demnach verspätet.
2,004
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2,024
de
Sachverhalt ab Seite 232 BGE 108 Ib 231 S. 232 Die Nidwaldner Wehrsteuerbehörden erfuhren über Zeitungsmeldungen von einem Strafverfahren gegen X. und Y. wegen verschiedenen Unredlichkeiten, die die Beiden im Zusammenhang mit dem von ihnen betriebenen Heizölhandel begangen haben sollen; im Laufe der Untersuchung hat das Verhöramt Nidwalden verschiedene Bankkontoauszüge beschlagnahmt. Aufgrund von Zeitungsmeldungen entstand bei den BGE 108 Ib 231 S. 233 Wehrsteuerbehörden der Verdacht, dass die beiden Angeschuldigten eventuell auch Steuerwiderhandlungen begangen haben könnten. Die Wehrsteuerverwaltung wandte sich deshalb an die Untersuchungsbehörden und ersuchte diese, ihr im Zusammenhang mit der Veranlagung der beiden Angeschuldigten Einsicht in die Untersuchungsakten, insbesondere aber in die sichergestellten Bankkontoauszüge zu gewähren. Mit Verfügung vom 12. März 1981 wies das Verhöramt Nidwalden das Gesuch der kantonalen Wehrsteuerverwaltung ab. Auch die Kassationsabteilung des Nidwaldner Obergerichtes, bei welcher die kantonale Wehrsteuerverwaltung das erstinstanzliche Erkenntnis anfocht, verweigerte der Steuerbehörde mit Entscheid vom 4. Februar 1982 die anbegehrte Einsichtnahme. Mit fristgemässer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Eidgenössische Steuerverwaltung dem Bundesgericht: "Der angefochtene Entscheid des Obergerichtes des Kantons Nidwalden (Kassationsabteilung) sei aufzuheben und es sei den Wehrsteuerbehörden des Kantons Nidwalden und der Beschwerdeführerin zu gestatten, die Akten der Strafuntersuchung gegen X. und Y. einzusehen. Insbesondere seien den Wehrsteuerbehörden des Kantons Nidwalden und des Bundes die beschlagnahmten Auszüge und sonstigen Akten über Bankkonten mit ihrem detaillierten Inhalt zur Kenntnis zu bringen; alles unter Kostenfolge."
378
253
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Bundesrecht. Auf ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Das kantonale Steueramt Nidwalden beantragt die Gutheissung der Beschwerde. Dagegen beantragen X. und Y. sowie das Obergericht des Kantons Nidwalden die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 2.
92
67
a) Das Verhöramt Nidwalden hat das Akteneinsichtsgesuch der kantonalen Wehrsteuerverwaltung vollumfänglich abgewiesen. Es hat der Wehrsteuerverwaltung somit nicht nur die Einsicht in die beschlagnahmten Bankakten, sondern auch in die übrigen Untersuchungsakten verweigert. Das Dispositiv der zweiten kantonalen Instanz, des Obergerichtes, lautet sodann: "Die Beschwerde wird abgewiesen." Daraus müsste an sich der Schluss gezogen werden, auch das Obergericht habe der Wehrsteuerbehörde die Akteneinsicht vollständig verweigern wollen. Andererseits BGE 108 Ib 231 S. 234 hat das Obergericht in Erwägung 3 seines Entscheides erklärt, die Steuerbehörde könne sich direkt auf Art. 90 Abs. 1 WStB über die Akteneditionspflicht der Gerichts- und Verwaltungsbehörden stützen, ohne vorgängig die "übrigen Möglichkeiten gegenüber den Steuerpflichtigen und Dritten" auszuschöpfen. In der Folge prüfte dann das Obergericht nur noch, welche Gründe der Herausgabe der Bankakten entgegenstehen könnten. Mit keinem Wort erläuterte es jedoch, aus welchen Gründen es auch die Einsicht in die übrigen Untersuchungsakten verweigern wolle. Es muss daraus der Schluss gezogen werden, dass das Dispositiv entweder auf einem Irrtum beruht oder dass das Obergericht davon ausging, das Akteneinsichtsgesuch in die übrigen Akten könne ohne Begründung abgewiesen werden; in beiden Fällen ist der angefochtene Entscheid zu beanstanden. b) Art. 90 Abs. 1 WStB bestimmt: "Die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden des Bundes, der Kantone und Gemeinden haben, ungeachtet einer allfälligen Geheimhaltungspflicht, der Veranlagungsbehörde auf deren Verlangen aus den amtlichen Registern sowie aus sonstigen Akten, die für die Veranlagung eines Wehrsteuerpflichtigen von Bedeutung sein können, kostenlos Auskunft zu erteilen. Das Post- und Telegraphengeheimnis bleibt gewährleistet." Nach der Rechtsprechung verleiht Art. 90 Abs. 1 WStB den Steuerbehörden keinen allgemeinen Konsultations- und Editionsanspruch von Akten anderer Behörden. Den Wehrsteuerbehörden sind somit "allgemeine Suchaktionen" verboten (vgl. den Entscheid des Bundesgerichtes vom 29. September 1978 E. 3b/cc i.S. Amministrazione cantonale dell'imposta per la difesa nazionale del cantone Ticino, publiziert in ASA 48, S. 483, deutsche Übersetzung in Steuer-Revue 1980, S. 373 ff.). Von einer solchermassen verpönten Suchaktion in behördlichen Akten kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, stellten doch die Steuerbehörden ihr Akteneinsichtsgesuch aufgrund eines konkreten Verdachtes: In Zeitungsmeldungen war im Zusammenhang mit den, den Beschwerdegegnern vorgeworfenen Straftaten unter anderem von einem "Schwarzkonto" die Rede, auf welches die Angeschuldigten "in den Jahren 1976 und 1977 etwa 1,8 Mio. Franken einbezahlt" haben sollen. Weder das Verhöramt Nidwalden noch die Vorinstanz machen geltend, dass diese Zeitungsberichte haltlos seien; nur die Beschwerdegegner behaupten, die Zeitungsmeldung habe "sich punkto Höhe der Einzahlungen an die Bank (als) nicht exakt" erwiesen - sie unterlassen jedoch jede Substantiierung BGE 108 Ib 231 S. 235 dieser Behauptung, weshalb auf sie nicht eingegangen zu werden braucht. Aufgrund dieser Meldungen mussten die Steuerbehörden aber einen massiven Verdacht auf das Vorliegen steuerrechtswidriger Tatbestände haben. Dass schliesslich das in Art. 90 Abs. 1 WStB vorbehaltene Post- und Telegraphengeheimnis durch das Akteneinsichtsgesuch verletzt würde, wird zu Recht von keiner Seite geltend gemacht. Es war daher nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht der Steuerbehörden, die Sache näher zu untersuchen. Unter diesen Umständen ist es unverständlich, weshalb der Steuerbehörde die Akteneinsicht verweigert wurde. Gesonderte Betrachtungen sind allerdings noch mit Bezug auf die beschlagnahmten Bankakten anzustellen. Hier kann aber festgehalten werden, dass die Steuerbehörden jedenfalls berechtigt sind, alle übrigen Untersuchungsakten einzusehen. 3. a) Wollen die Steuerbehörden in einem Veranlagungsverfahren Bankakten eines Wehrsteuerpflichtigen einsehen, so haben sie sich nach Art. 90 Abs. 5 WStB an den Pflichtigen selbst zu wenden; diesem gegenüber hat die Bank zuhanden der Steuerbehörden "auf Verlangen eine Bescheinigung über das gemeinsame Vertragsverhältnis und die beidseitigen Ansprüche und Leistungen auszustellen." Unterlässt es der Steuerpflichtige, die Bescheinigung nach Art. 90 Abs. 5 WStB beizubringen, so stehe der Veranlagungsbehörde kein Zwangsmittel gegenüber dem Steuerpflichtigen zur Verfügung, um ihn zur Herausgabe der anbegehrten Bankakten zu veranlassen. Der Steuerbehörde bleibt jedoch in solchen Fällen die Ermessenstaxation vorbehalten (Art. 92 WStB). Aufgrund des Bankgeheimnisses kann die Steuerbehörde die strittigen Bankakten auch nicht direkt von der Bank einfordern. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerbehörden ein Steuerstrafverfahren wegen einfachen Steuerwiderhandlungen gegen den Pflichtigen durchführen; solche Widerhandlungen sind gegeben, wenn der Steuerpflichtige Verfahrensvorschriften nicht einhält (Art. 129 Abs. 2 lit. a WStB) oder wenn er dem Staate einen Wehrsteuerbetrag im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b WStB dadurch vorenthält, dass er Tatsachen, die für den Bestand oder den Umfang der Wehrsteuerpflicht wesentlich sind, verschweigt oder über sie vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige Angaben macht (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum Schweizerischen Bankgesetz, 2. Nachlieferung 1982, N. 49 zu Art. 47 BankG ; AUBERT/KERNEN/SCHÖNLE, Le secret bancaire suisse, 2. A., Bern 1982, S. 147 ff., insbesondere S. 154 lit. cc). BGE 108 Ib 231 S. 236 b) Der Schutz des Bankgeheimnisses versagt jedoch nach Lehre und Praxis dann, wenn ein nach strafprozessualen Grundsätzen von den in Art. 133bis WStB genannten Behörden zu verfolgender Steuer- oder Inventarbetrug im Sinne von Art. 130bis WStB vorliegt. In solchen Fällen ist die Bank zeugnis- und editionspflichtig, womit das in Art. 89 Abs. 2 und 90 Abs. 6 WStB vorbehaltene Berufsgeheimnis entfällt (BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O., N. 49 zu Art. 47 BankG ; AUBERT/KERNEN/SCHÖNLE, a.a.O., S. 161). Das Bankgeheimnis entfällt auch in gemeinrechtlichen Strafverfahren, wenn nicht die anwendbare kantonale Strafprozessordnung wie etwa Art. 196 Abs. 1 des Code de procédure pénale vaudois vom 12. September 1967 das Gegenteil anordnet: Falls eine Strafprozessordnung für Personen, welche das Bankgeheimnis zu wahren haben, keine besonderen Regeln schafft, haben sie als Zeugen auch über solche Tatsachen Aussagen zu machen, die unter das Bankgeheimnis fallen und es können entsprechende Bankdokumente mit Beschlag belegt werden. Das Bankgeheimnis entbindet demnach in solchen Fällen weder von der Aussagepflicht, noch steht es prozessualen Zwangsmassnahmen entgegen ( BGE 95 I 444 E. 2b mit zahlreichen Hinweisen). In seinem bereits zitierten Entscheid vom 29. September 1978, neuerdings bestätigt im Entscheid vom 15. Juli 1982 in Sachen Nadia Andrino, hat das Bundesgericht ausserdem entschieden, dass die zuständige Steuerbehörde gestützt auf Art. 90 Abs. 1 WStB unter Umständen sogar in Bankakten Einsicht nehmen kann, die sich nicht nur auf den Angeschuldigten, sondern auf Dritte beziehen. Findet nämlich die Steuerbehörde beim Studium der Bankakten des Angeschuldigten belastende Indizien dafür, dass auch Dritte, am Strafverfahren nicht beteiligte Personen Steuerwiderhandlungen begangen haben, so kann die Steuerbehörde gestützt auf Art. 90 Abs. 1 WStB die herausgegebenen Akten auch im Hinblick auf die Steuerbelange dieser Dritten verwenden. Schliesslich kann die Steuerbehörde in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 WStB und unter der Voraussetzung, dass sie einen konkreten Verdacht auf das Vorliegen steuerrechtswidriger Tatbestände hat, Akten einer laufenden Strafuntersuchung auch dann einsehen, wenn dies nicht für die Steuerbelange des Angeschuldigten geschehen soll, sondern ausschliesslich im Hinblick auf die Steuerverhältnisse Dritter, nicht direkt in das Strafverfahren verwickelter Personen: Akten, die rechtmässig in den Besitz von Verwaltungs- und Gerichtsbehörden im Sinne von Art. 90 Abs. 1 BGE 108 Ib 231 S. 237 WStB gelangt sind, stehen dem Fiskus unter dem Vorbehalt des Post- und Telegraphengeheimnisses sowie dem Verbot der Veranstaltung "allgemeiner Suchaktionen" (daher das Erfordernis eines konkreten Verdachts auf das Vorliegen steuerrechtswidriger Tatbestände) generell zur Einsichtnahme zur Verfügung. Deshalb muss ein unredlicher Steuerpflichtiger stets damit rechnen, dass ihn betreffende Tatsachen, die Dritte, namentlich Banken, geheim halten müssten, ohne Fahrlässigkeit seinerseits eines Tages zur Kenntnis der Steuerbehörden gelangen. Dieser Umstand vermag jedoch an der klaren Rechtslage nichts zu ändern. Dieser Rechtslage stehen auch die in BGE 104 IV 125 ff. gemachten Erwägungen nicht entgegen: Bei jenem Fall ging es um ein Akteneinsichtsersuchen gegenüber einer Bank und nicht gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde; diese Akten fielen daher unter das Bankgeheimnis (Art. 90 Abs. 6 WStB i.V.m. Art. 47 BankG ). Zu prüfen war damals, inwieweit und gegenüber welchen Personen die zur Diskussion stehenden strafbaren Handlungen die Durchbrechung des Bankgeheimnisses rechtfertigten: Bei einem direkten Vorgehen gegen den Geheimnisträger, die Bank, muss der Geheimnisschutz Dritter, nicht in das Strafverfahren verwickelter Personen, gewahrt bleiben, würde sonst doch das Bankgeheimnis überhaupt illusorisch. Sind die Akten aber rechtmässig in den Besitz einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde gelangt, so braucht überhaupt nicht mehr auf das Bankgeheimnis Rücksicht genommen zu werden, ist es doch auf dieser Stufe auch gar nicht mehr geschützt (Art. 90 Abs. 1 WStB).
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Erwägungen ab Seite 51 BGE 84 II 50 S. 51 Auf dem Landwirtschaftsgut des M. Schnyder in Müllheim war am 5. Oktober 1953 in einem offenen Schopfe die fahrbare, elektrisch betriebene 12-PS-Dreschmaschine der Beklagten aufgestellt. Die Stromzufuhr erfolgte durch das auf der Kabelrolle der Maschine befindliche 3 cm dicke Kabel, das durch ein Verlängerungskabel am Freileitungsnetz auf der Strasse angeschlossen war. Im Verlauf der Drescharbeit geriet das am Boden liegende Kabel unter den an der Hinterseite des Wagenkastens befindlichen Sackheber und wurde an der Isolation beschädigt, so dass die Eisenteile des Sackhebers unter Strom gerieten und der den Heber bedienende Sohn Schnyder getötet wurde. Über das für die Haftpflicht anwendbare Recht führt das Bundesgericht aus: Die Parteien sind heute darüber einig, dass die Vorinstanzen die Frage der Haftbarkeit mit Recht nach dem Elektrizitätsgesetz beurteilt haben. Dieser Ausgangspunkt des anwendbaren Rechts ist vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen; es ist an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung nicht gebunden und in Bezug auf die rechtliche Würdigung der Tatsachen frei ( Art. 63 Abs. 1 und 3 OG ; BGE 81 II 561 ). Die Anwendbarkeit der Haftpflichtbestimmungen des ElG kann jedoch BGE 84 II 50 S. 52 keinem Zweifel unterliegen. Nach Art. 41 ElG finden diese keine Anwendung auf elektrische Hausinstallationen. Solche sind nach Art. 16 ElG elektrische Einrichtungen "in Häusern, Nebengebäuden und andern zugehörigen Räumen" mit den zulässigen Spannungen, sowie, nach Art. 118 Abs. 1 lit. c der Starkstromverordnung, ortsveränderliche und provisorische Anlagen, die an Anlagen gemäss lit. a und b angeschlossen werden. Die fahrbare Dreschmaschine der Beklagten ist zwar eine ortsveränderliche Anlage, aber sie war nicht an eine Hausinstallation gemäss lit. a und b, sondern direkt an die Freileitung angeschlossen. Weiter stellt Art. 118 Abs. 2 Starkstrom-VO den Hausinstallationen gleich "an Niederspannungsnetze angeschlossene Stromverbrauchsanlagen im Freien, in landwirtschaftlichen Betrieben, auf Bau- und Werkplätzen, in Bergwerken, Schaubuden und dergleichen". Hierunter würde die Wanderdreschmaschine trotz Anschluss an die öffentliche Freileitung offenbar fallen. Mit Bezug auf die Haftpflicht hat jedoch das Bundesgericht dieser den Begriff der Hausinstallation im Sinne des ElG (Art. 13 Abs. 2, 16, 41) erweiternden Bestimmung die Anwendung versagt ( BGE 63 II 114 ff.). Wie dort ausgeführt wurde, trifft die ratio legis der Exemption der Hausinstallationen im engern Sinne ( Art. 16 ElG ) von der Kausalhaftung auf die ihnen gleichgestellten Einzelanlagen auf eigenem Grund und Boden zu, nicht aber auf Stromverbrauchsanlagen im Freien und in landwirtschaftlichen Betrieben schlechthin, selbst wenn eine solche nicht stationäre Anlage gerade auf dem eigenen Boden des Verunfallten aufgestellt ist. Die Anlage der Beklagten untersteht mithin der Kausalhaftpflicht gemäss ElG.
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Sachverhalt ab Seite 45 BGE 100 V 45 S. 45 Aus dem Tatbestand: A.- Markus Frey (geb. 1957) ist wegen Skoliose bei Muskeldystrophie Werdnig-Hoffmann an den Fahrstuhl gebunden und weilt im Schulungs- und Wohnheim R. Im Februar 1973 gelangte der Chefarzt des Heims wie folgt an die Invalidenversicherungs-Kommission: "Dieser schwerstbehinderte Patient wird nach Abschluss seiner Schulzeit im Schulheim ... in unsere Abteilung Ausbildung (Fortbildungsklasse) übertreten. Da er in seinen sämtlichen täglichen Verrichtungen weitgehendst auf die Hilfe dritter Personen angewiesen ist, möchten wir als Hilfsmittel für den Patienten ein Elektrobett Typ Sacon beantragen, welches dazu beitragen wird, dass der Patient etwas selbständiger werden kann. Das Hilfsmittel kostet ca. Fr. 2100.--." Laut Kommissionsbeschluss lehnte die Ausgleichskasse das Gesuch mit der Begründung ab, Spezialbetten gehörten zur Ausrüstung eines Schulungsheims für Schwerbehinderte. B.- Der Direktor des Heims rekurrierte und verlangte für den Versicherten ein Elektrobett mit einem Selbstbehalt von Fr. 600.--. Doch wies das Versicherungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 11. Juli 1973 die Beschwerde hauptsäch lich aus folgenden Gründen ab: BGE 100 V 45 S. 46 "Ein Elektrobett ... fällt nicht unter Art. 6 HV, welcher über den Krankenheber handelt... Gemäss der ausdrücklichen übergeordneten Bestimmung des Art. 21 Abs. 1 IVG genügt jedoch die Erleichterung, die ein solches Hilfsmittel im Alltag bringt, noch nicht: Das Hilfsmittel muss sich zugleich noch für die Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Schulung als unentbehrlich erweisen..." Zur Ausbildung benötige der Versicherte kein Elektrobett, da er seinen Unterricht vom Fahrstuhl aus erhalte. Im übrigen befinde er sich in einem geschlossenen Heim, zu dessen Ausrüstung Krankenheber und Elektrobetten gehörten. C.- Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde fordert der Direktor des Heims ein Elektrobett Sacon, obwohl Markus Frey seine Ausbildung nicht im Bett erhalte, oder eventuell ein Elektrobett mit Fr. 600.-- Selbstbehalt anstelle eines Krankenhebers. Im einzelnen wird namentlich folgendes vorgebracht: "Meines Erachtens gehört es ... zu den Aufgaben des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, abzuklären, ob sich eine Ergänzung oder Änderung einer Liste aufdrängt... Da der Krankenheber bei schwerer Behinderten immer von einer zusätzlichen Hilfsperson bedient werden muss, bedeutet das, dass er praktisch ausschliesslich der Erleichterung der Pflege dient. Dieser Nachteil des Krankenhebers fällt nun aber beim Elektrobett weitgehend dahin, weil der Invalide in sehr vielen Fällen die notwendigen Manipulationen ... selbst vornehmen kann." Während die Ausgleichskasse nicht Stellung nimmt, erachtet das Bundesamt für Sozialversicherung die Beschwerde als unbegründet.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 lit. f IVV müsste die Invalidenversicherung dem Beschwerdeführer ein Elektrobett abgeben, wenn dieser für seine Schulung oder Ausbildung auf ein solches Spezialbett angewiesen wäre. Dies träfe nach der Rechtsprechung zu, wenn ein Elektrobett unmittelbar der Schulung oder Ausbildung des Versicherten zu dienen geeignet wäre ( BGE 98 V 50 Erw. 2 und BGE 99 V 156 f.). Allein so verhält es sich nicht. Markus Frey erhält im Schulungs- und Wohnheim R. seine Schulung bzw. Ausbildung nicht vom Bett, sondern vom Fahrstuhl aus, wie der kantonale Richter darlegt und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zugegeben wird. BGE 100 V 45 S. 47 2. Ein Elektrobett zählt auch nicht zu den Hilfsmitteln, die ein Invalider gestützt auf Art. 21 Abs. 2 IVG von der Invalidenversicherung verlangen kann. Dieses Gerät figuriert nicht auf den einschlägigen Hilfsmittellisten vom 15. Januar 1968 ( Art. 14 Abs. 2 lit. a-g IVV ) und 4. August 1972 (Art. 2-7 HV), die nach dem klaren Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 IVG als vollständige Verzeichnisse der zu Lasten der Invalidenversicherung gehenden Hilfsmittelkategorien zu betrachten sind (EVGE 1968 S. 211 lit. c und 212 lit. e; BGE 98 V 51 Erw. 3). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat das Eidg. Versicherungsgericht keinen Anlass, dem Eidg. Departement des Innern eine entsprechende Ergänzung seiner Hilfsmittelverordnung nahezulegen. Der vorliegende Sachverhalt zeugt nicht dafür, dass das Fehlen der Elektrobetten in der Hilfsmittelverordnung vom 4. August 1972 unbefriedigend ist und einer entsprechenden Revision der in jener Verordnung enthaltenen Hilfsmittelliste ruft. In diesem Zusammenhang ist auf BGE 99 V 23 Erw. 4 zu verweisen. 3. Eventualiter verlangt der Beschwerdeführer von der Invalidenversicherung "einen Krankenheber resp. ein Elektrobett mit einem Selbstbehalt von Fr. 600.--". Auch diesem Begehren kann nicht entsprochen werden, wie sich aus folgendem ergibt: a) Den an den Fahrstuhl gebundenen Invaliden erleichtert ein Krankenheber das Umsteigen vom Bett in den Fahrstuhl und umgekehrt. Ein solches Gerät muss die Invalidenversicherung gemäss Art. 6 HV zum Beispiel dann als individuelles Hilfsmittel abgeben, wenn ein an den Fahrstuhl gebundener Invalider ausserhalb seiner Wohnung einer Erwerbstätigkeit nachgeht (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 12. März 1974 i.S. Schnitzler, Erw. 2). b) Anders verhält es sich, wenn der an den Fahrstuhl gebundene Invalide zur Schulung oder Ausbildung in einem Heim für körperlich behinderte Personen untergebracht ist. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, gehören Krankenheber zur notwendigen Ausrüstung eines solchen Invalidenheims, und ist es deswegen nicht Aufgabe der Invalidenversicherung, den Insassen einen Krankenheber als individuelles Hilfsmittel abzugeben. Auch das Schulungs- und Wohnheim R. verfügt über eine Anzahl Krankenheber, wie sein Direktor in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einräumt. BGE 100 V 45 S. 48 Solange Markus Frey im erwähnten Invalidenheim weilt, gebührt ihm also kein persönlicher Krankenheber auf Kosten der Invalidenversicherung und stellt sich auch nicht die Frage, ob ihm diese unter Belastung der Mehrkosten ein Elektrobett abgeben dürfte.
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Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 89 BGE 104 Ia 88 S. 89 Am 12. Juli 1976 erliess die Regierung des Kantons Graubünden die folgenden "Richtlinien für die Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung" (Richtlinien): "I. Allgemeines Grundsatz Art. 1. Die Öffentlichkeit ist nach Massgabe des allgemeinen Interesses über die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit zu orientieren. Besondere Fälle Art. 2. Für die Information über das Gerichtswesen sind die Gerichte zuständig. Die Information im Bereich der Staatsanwaltschaft und der Polizei richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen und den Weisungen des vorgesetzten Departementes. Grenzen der Information Art. 3. Die Informationstätigkeit gemäss Art. 1 wird begrenzt durch a) entgegenstehende öffentliche Interessen; b) schutzwürdige private Interessen, namentlich den Persönlichkeitsschutz; c) die Pflicht zur Geheimhaltung. Verzeichnis der Informationsempfänger Art. 4. Die Standeskanzlei führt ein Verzeichnis der Informationsempfänger. Im Zweifelsfall entscheidet die Regierung über die Aufnahme in das Verzeichnis. II. Informationsstellen Standeskanzlei a) Informationsdienst der Regierung Art. 5. Die Standeskanzlei besorgt den Informationsdienst der Regierung. Sie ist insbesondere beauftragt und ermächtigt; a) den Informationsempfängern gemäss offiziellem Verzeichnis die im Druck erscheinenden Botschaften und Berichte an den Grossen Rat sowie allfällige weitere für den Grossen Rat bestimmte Unterlagen zuzustellen; b) unter Berücksichtigung von Art. 1 und 3 dieser Richtlinien nach jeder Sitzung eine schriftliche Mitteilung über die Verhandlungen BGE 104 Ia 88 S. 90 der Regierung herauszugeben, wobei in wichtigen Angelegenheiten dem zuständigen Departementsvorsteher ein Textvorschlag zu unterbreiten ist; c) im Einvernehmen mit der Regierung beziehungsweise mit dem zuständigen Departementsvorsteher den Informationsempfängern Beschlüsse, Stellungnahmen und allfällige weitere Unterlagen zuzustellen; d) in bezug auf die Mitteilungen und Unterlagen im Sinne von lit. b und lit. c Auskunft zu erteilen beziehungsweise beim zuständigen Departement zu vermitteln. b) Koordination Art. 6. Die Standeskanzlei koordiniert die Zustellung von Informationsunterlagen der kantonalen Verwaltung. Schriftliche Informationsunterlagen der Departemente und Abteilungen, die nicht die Staatsanwaltschaft und das Polizeikommando betreffen, sind in der Regel der Standeskanzlei zur Weiterleitung an die Informationsempfänger abzuliefern. In besonderen Fällen kann die Standeskanzlei das offizielle Verzeichnis der Informationsempfänger den Departementen zur direkten Zustellung von Unterlagen zur Verfügung stellen. Information im Departementsbereich Art. 7. In den Zuständigkeitsbereichen der Departemente bestimmen die Departementsvorsteher, ob und welche Informationen erteilt werden. Die Erteilung von Auskünften durch Mitarbeiter des Departementes etzt das Einverständnis des Departementsvorstehers voraus. Pressekonferenzen Art. 8. Über die Durchführung von Pressekonferenzen und -besichtigungen entscheiden die Departementsvorsteher. Pressekonferenzen, die den Bereich mehrerer Departemente betreffen, werden von der Regierung einberufen. Die Koordination der Pressekonferenzen erfolgt jeweils vor der Einladung durch gegenseitige Orientierung in der wöchentlichen Regierungssitzung. Pressezusammenkunft Art. 9. Die monatliche Zusammenkunft mit den Vertretern der bündnerischen Presse einschliesslich Radio und Fernsehen dient in erster Linie der gegenseitigen Information und gemeinsamen Aussprache. III. Weitere Bestimmungen Anfragen a) Allgemeines Art. 10. Die Information auf Anfrage hin erhält nur der Fragesteller. Bei Anfragen ist jeweils zu prüfen, ob im Hinblick auf das allgemeine Interesse, die Bedeutung der Sache oder den Grundsatz der gleichzeitigen Information eine allgemeine Mitteilung im Sinne von Art. 5 lit. b oder Art. 6 Abs. 2 zweckmässig ist. BGE 104 Ia 88 S. 91 b) Abklärung Art. 11. Vor der Erteilung mündlicher Auskünfte auf Anfrage hin hat sich die Informationsstelle allenfalls über Namen und Adresse eines unbekannten Fragestellers sowie über das Informationsorgan zu vergewissern, in dessen Auftrag er handelt. c) Auschluss von der Information Art. 12. Presseorgane, Agenturen oder Einzelpersonen, welche unter Umgehung dieser Richtlinien Informationen erschleichen, erhaltene Informationen missbräuchlich verwenden, die Wahrheitspflicht bei der Berichterstattung vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzen oder der Berichtigungspflicht nicht nachkommen, kann die Regierung von der Bedienung mit Informationen zeitweise oder dauernd ausschliessen. IV. Schlussbestimmungen Inkrafttreten und Mitteilung Diese Richtlinien treten am 1. August 1976 in Kraft. Sie sind allen Departementen und Abteilungen der kantonalen Verwaltung mit Einschluss der Anstalten und Betriebe sowie an die Empfänger der Pressemitteilungen zuzustellen." Die Schweizerische Journalisten-Union und Hanspeter Bürgin (Beschwerdeführer I) sowie die Gasser AG, Druck und Verlag, Chur, Hanspeter Lebrument und Dr. Daniel Witzig (Beschwerdeführer II) erheben je staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit, von Art. 10 EMRK , der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit, der Handels- und Gewerbefreiheit, des Gewaltenteilungsprinzips sowie von Art. 4 BV . Sie verlangen insbesondere die Aufhebung der Art. 1, 3, 4, 7, 10, 11 und 12 der Richtlinien. Die Regierung des Kantons Graubünden schliesst auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der Beschwerden. Das Bundesgericht weist sie ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Verfassungsmässigkeit der Richtlinien beurteilt sich vorab nach Massgabe der Meinungsäusserungsfreiheit und, soweit sie die Presse betreffen, nach Massgabe der Pressefreiheit. Der Anspruch auf freie Meinungsäusserung wird auch in Art. 10 EMRK gewährleistet. Wie das Bundesgericht in BGE 101 Ia 69 (vgl. auch BGE 102 Ia 381 ) ausgeführt hat, übernimmt und entwickelt die EMRK Bestimmungen weiter, die zahlreiche Staatsverfassungen im Rahmen der Freiheitsrechte gewährleisten oder die die Vertragsstaaten als ungeschriebene Verfassungsrechte anerkennen. Das bedeutet, dass BGE 104 Ia 88 S. 92 die von der Konvention geschützten Rechte in Verbindung mit den entsprechenden Individualrechten unseres geschriebenen und ungeschriebenen Verfassungsrechts zu bestimmen sind. Die Frage, ob die Richtlinien vor der Verfassung und der EMRK standhalten, ist demnach im folgenden grundsätzlich nach der im ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes garantierten Meinungsäusserungsfreiheit, beziehungsweise nach der in Art. 55 BV gewährleisteten Pressefreiheit zu beurteilen, für deren Konkretisierung die angerufene Garantie der EMRK beizuziehen ist ( BGE 102 Ia 381 E. 2 mit Hinweis). In diesem Zusammenhang wird auch der Bestand und Inhalt der von den Beschwerdeführern angerufenen Informationsfreiheit zu prüfen sein. a) Art. 10 Ziff. 1 EMRK lautet: "Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang (receive, recevoir) und zur Mitteilung (impart, communiquer) von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein..." Die EMRK enthält demnach eine Gewährleistung der Informationsfreiheit, die darin besteht, dass jedermann ein Recht auf freien Empfang von Nachrichten oder Ideen hat. Welches die nähere Bedeutung der Gewährleistung ist, lässt sich unter Heranziehung der am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen verkündeten "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" bestimmen. Diese schützt in Art. 19 die Freiheit, Informationen zu empfangen (receive, recevoir) und zu verbreiten (impart, répandre). Sie schliesst indes auch die Freiheit, Informationen zu beschaffen (seek, chercher, wörtlich: suchen) in ihren Schutzbereich ein. Bei der Ausarbeitung der EMRK stellte sich die Frage, ob die Freiheit, Nachrichten und Meinungen zu beschaffen, ebenfalls in die Konvention aufgenommen werden sollte. Die juristische Expertenkommission arbeitete gleichzeitig zwei Entwürfe aus: Während die Variante A, welche sich stark an den Wortlaut der programmatisch abgefassten UNO-Menschenrechtserklärung anschloss, die Informationsbeschaffungsfreiheit einbezog, beschränkte sich die Variante B auf die Gewährleistung des freien Empfangs und der freien Verbreitung von Nachrichten oder Ideen (Recueil des Travaux Préparatoires de la CEDH, Bd. IV, S. 53, 63). In der Folge wurde von einer Kommission hoher Regierungsbeamter BGE 104 Ia 88 S. 93 ein neuer Vorschlag eingebracht, der von der Variante B ausging, jedoch verschiedene Elemente der Variante A aufnahm. Die freie Nachrichtenbeschaffung (das heisst das Wort "seek, chercher") blieb vom Grundrechtsschutz ausgeschlossen (Recueil des Travaux Préparatoires de la CEDH, Bd. IV, S. 281). Daraus kann freilich nicht abgeleitet werden, man habe mit der Streichung des Wortes "seek, chercher" den Schutzbereich der Informationsfreiheit auf ein ausschliesslich passives Verhalten einschränken und die aktive Erschliessung von Informationsquellen vom Grundrechtsschutz vollständig ausnehmen wollen. Vielmehr sollte wohl lediglich der Diskussion ein Ende gesetzt werden, ob und wieweit das Recht auf Informationsbeschaffung die Verpflichtung der Behörden nach sich ziehe, die Öffentlichkeit mit Informationen zu versehen (vgl. ROBERTSON, Human rights in Europe, Manchester 1977, S. 95; und zur Frage der Informationspflicht hinten E. 5). Die herrschende Lehre nimmt denn auch ohne weiteres an, die Freiheit, Nachrichten und Meinungen ohne Eingriffe der Behörden zu empfangen, schliesse das Recht ein, sich zu diesem Zweck aus allgemein zugänglichen Quellen aktiv zu unterrichten (ERMACORA, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, Wien 1963, S. 328, 341; GURADZE, Die EMRK, 1968, S. 143; HOFFMANN-REMY, Die Möglichkeiten der Grundrechtseinschränkungen nach den Art. 8-11 Abs. 2 EMRK , 1976, S. 165; MOSER, Die EMRK und das Bürgerliche Recht, 1972, S. 229 f.; SCHORN, Die EMRK, 1965, S. 254, 258; anders: BARRELET, La liberté de l'information, Diss. Neuchâtel 1972, S. 60; PARTSCH, Die Rechte und Freiheiten der EMRK, in: Die Grundrechte, Bd I/1, 1966, S. 435). b) Was die schweizerische Bundesverfassung betrifft, so wird in der Lehre mehrheitlich die Ansicht vertreten, sie gewährleiste die Informationsfreiheit zumindest als Recht, Informationen zu empfangen und sich aus allgemein zugänglichen oder verfügbaren Quellen zu unterrichten (AUBERT, La liberté d'opinion ZSR 92/1973, S. 433; BARRELET, a.a.O., S. 97; FISCHER, Über den Geltungsbereich der Pressefreiheit, Diss. Zürich 1973, S. 82; dort zit.: HUBER, Gutachten über Radio und Fernsehen vom 4. September 1967, S. 53; FLEINER Th., Demokratie und Informationsfreiheit, ZSR 89/1970 I. S. 382; MORAND, Tendances récentes dans le domaine de la liberté d'expression, 12e journée juridique (1972) de la faculté de droit BGE 104 Ia 88 S. 94 de Genève S. 44 ff.; REHBINDER, Schweizerisches Presserecht, 1975 S. 19; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 1975, S. 85). Das Bundesgericht selber führte in BGE 80 II 42 aus, die Informationsfreiheit bestehe darin dass der Staat die Presse in der Beschaffung des zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigten Materials nicht behindern dürfe. Es äusserte sich indes nicht ausdrücklich darüber, ob die Informationsfreiheit als Bestandteil der Pressefreiheit gewährleistet sei oder nicht (vgl. auch BGE 98 Ia 413 ). Der Inhalt der Meinungsäusserungsfreiheit wurde vom Bundesgericht jedoch in BGE 97 I 896 in allgemeiner Weise als "faculté de faire connaître librement ses opinions et de les répandre en usant des moyens légaux" umschrieben. Es hielt deshalb in BGE 101 IV 172 E. 5 fest, die Fähigkeit, seine Meinung bekanntzugeben, setze auf der andern Seite die Fähigkeit des Publikums voraus, die Ansicht eines andern zur Kenntnis zu nehmen. Tatsächlich wäre der rechtliche Schutz einer ins Leere geäusserten Meinung sinnlos. Es ergibt sich demnach, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes der freie Empfang von Informationen gewährleistet ist. Diese Rechtsprechung ist dahin zu verdeutlichen, dass die Informationsfreiheit als Bestandteil der Meinungsäusserungsfreiheit und der Pressefreiheit das Recht gewährleistet, Nachrichten und Meinungen ( BGE 101 Ia 150 ) ohne Eingriffe der Behörden zu empfangen und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. 5. Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die EMRK und die Bundesverfassung gewährleisteten auch die Informationsfreiheit des Inhalts, dass die Behörden verpflichtet seien, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu informieren. a) Art. 10 EMRK begründet keine Informationspflicht der Behörden. Das ergibt sich einerseits daraus, dass das Recht, Informationen zu "suchen", vom Grundrechtsschutz ausdrücklich ausgeschlossen wurde (vgl. E. 4a), und andererseits aus dem Umstand, dass seit dem Abschluss der EMRK verschiedene Vorstösse mit dem Zweck unternommen wurden, den durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Schutz zu verstärken und die Informationspflicht in den Schutzbereich aufzunehmen (vgl. Empfehlung 582 (1970), Ziff. 8 lit. e (i); Resolution 428 (1970) Ziff. 3; Actes du Colloque du Conseil de l'Europe sur la liberté d'information et l'obligation pour les pouvoirs publics de communiquer les informations à Graz, Strasbourg 1977, insb. S. 62; Activités du Conseil de l'Europe au cours de l'année BGE 104 Ia 88 S. 95 1977 H. (78) 3). In der geltenden Fassung sieht die EMRK demnach keine Informationspflicht vor (BARRELET, a.a.O., S. 60; HOFFMANN-REMY, a.a.O., S. 164; MOSER, a.a.O., S. 230; PARTSCH, a.a.O., S. 435). b) Was die schweizerische Bundesverfassung anbelangt, so wurde die Forderung nach Aufnahme der Informationsfreiheit nach dem 2. Weltkrieg, unter dem Einfluss der internationalen Diskussion, aufgestellt. Die Forderung beschränkte sich zunächst auf die Einführung der Informationsempfangs- und Informationsbeschaffungsfreiheit (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Revision von Art. 55 BV vom 19. Oktober 1951, BBl. 1951 III S. 141 ff. insb. 247; zu diesem Aspekt der Informationsfreiheit vgl. oben E. 4b). Die vom Eidgenössischen Justiz- und polizeidepartement eingesetzte Expertenkommission sah indes in ihrem Bericht vom 1. Mai 1975 (Presserecht, Presseförderung, Bern 1975, S. 47) neben der Informationsfreiheit als Abwehrrecht auch die Pflicht der Behörden von Bund und Kantonen vor, Informationen von allgemeinem Interesse bekanntzugeben, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Die Kommission vertrat die Ansicht (a.a.O. S. 53), eine Informationsfreiheit, die keinerlei Anspruch auf Lieferung von Informationen durch die Behörden einschliesse, wäre eines wesentlichen Teils ihres Gehalts beraubt. Auch der Verfassungsentwurf der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung bestimmt in Art. 7, die Behörden müssten über ihre Tätigkeit ausreichend informieren, wenn nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstünden. Diese Bestrebung in Richtung einer Revision von Art. 55 BV und einer Totalrevision der Bundesverfassung zeigen, dass jedenfalls das geltende Verfassungsrecht keine Informationsfreiheit des Inhalts gewährleistet, dass die Behörden über ihre Tätigkeit zu informieren hätten. Eine solche Pflicht kann zudem weder aus der Meinungsäusserungsfreiheit noch aus der Pressefreiheit, bei der es sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um einen Teilbereich der Meinungsäusserungsfreiheit handelt ( BGE 98 Ia 421 mit Hinweisen), abgeleitet werden. Wie das Bundesgericht wiederholt erkannte, gewährleisten diese Grundrechte die freie vom Staate nicht behinderte Betätigung in den betreffenden Bereichen des Lebens; sie vermitteln keinen Anspruch auf positive Leistungen des Staates ( BGE 98 Ia 367 E. 5a; BGE 97 I 896 E. 4; BGE 80 II 42 ). BGE 104 Ia 88 S. 96 c) Es kann sich demnach einzig noch die Frage stellen, ob der positive Anspruch des Bürgers auf Information durch die staatlichen Behörden als ungeschriebenes Grundrecht anzuerkennen sei. Das Bundesgericht hat die Frage in BGE 80 II 42 verneint. Diese Auffassung wird in der Lehre teils unterstützt (FISCHER, a.a.O., S. 82; LUDWIG, Schweizerisches Presserecht, 1964, S. 113; REHBINDER, a.a.O., S. 19), teils aber auch abgelehnt (BARRELET, a.a.O., S. 111; SALADIN, a.a.O., S. 83 ff., 416); teils wird die Meinung vertreten, eine Informationspflicht könne nur de lege ferenda eingeführt werden (AUBERT, a.a.O., S. 440; vgl. TH. FLEINER, a.a.O., S. 390/91). Eine Gewährleistung von in der Verfassung nicht genannten Freiheitsrechten durch ungeschriebenes Verfassungsrecht wurde vom Bundesgericht bisher nur in bezug auf solche Befugnisse angenommen, welche die Voraussetzung für die Ausübung anderer (in der Verfassung genannter) Freiheitsrechte bilden oder sonst als unentbehrliche Bestandteile der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes erscheinen ( BGE 100 Ia 400 E. 4c mit Hinweisen). Um die dem Verfassungsrichter gesetzten Schranken nicht zu überschreiten, hat das Bundesgericht stets auch geprüft, ob die in Frage stehende Gewährleistung bereits einer weitverbreiteten Verfassungswirklichkeit in den Kantonen entspreche und von einem allgemeinen Konsens getragen sei (vgl. BGE 100 Ia 400 /401; GRISEL, La liberté personnelle et les limites du pouvoir judiciaire, in: Revue internationale de droit comparé 27/1975, S. 566). Es kann wohl nicht bestritten werden, dass eine sinnvolle Ausübung der Volksrechte im demokratischen Staat eine gutinformierte öffentliche Meinung voraussetzt, und dass der Rechtsstaat seine Legitimation auch aus der steten Rechtfertigung seiner Tätigkeit vor dem Bürger schöpft. Der Anspruch auf Information durch die Behörden wird indes, im Gegensatz zur Meinungsäusserungsfreiheit, zur persönlichen Freiheit und zur lange Zeit als ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes anerkannten Eigentumsgarantie durch die kantonalen Verfassungen nicht gewährleistet (vgl. aber Art. 33 KV von Solothurn); die wenigsten Kantone kennen überhaupt eine rechtliche Regelung der Information durch die Behörden (vgl. aber Genf, Luzern, Obwalden). Es verhält sich hier nicht wesentlich anders als bezüglich der Demonstrationsfreiheit, die vom Bundesgericht in BGE 100 Ia 400 nicht als ungeschriebenes Verfassungsrecht BGE 104 Ia 88 S. 97 anerkannt wurde. Bei dieser Sachlage muss die Einführung des in Frage stehenden Grundrechts in dem für Verfassungsänderungen vorgesehenen Verfahren erfolgen. Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten nach dem geltenden Verfassungsrecht demnach die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden indessen nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich über ihre Tätigkeit informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden. 6. Die Beschwerdeführer II verlangen die Aufhebung von Art. 1 und 3 der Richtlinien. Nach Art. 1 ist die Öffentlichkeit nach Massgabe des allgemeinen Interesses über die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit zu orientieren und nach Art. 3 wird die Informationstätigkeit begrenzt durch entgegenstehende öffentliche sowie schutzwürdige private Interessen, namentlich den Persönlichkeitsschutz, sowie durch die Pflicht zur Geheimhaltung. Die Legitimation der Beschwerdeführer zur Anfechtung dieser Bestimmungen erscheint fraglich (vgl. E. 2a) braucht aber nicht abschliessend beurteilt zu werden, weil die Rüge offensichtlich unbegründet ist. Die Abgrenzungskriterien sind weder unhaltbar noch verletzen sie das Rechtsgleichheitsgebot. Gegenteils entspricht es einem das gesamte Staats- und Verwaltungsrecht beherrschenden Grundsatz, dass Kollisionen zwischen verschiedenen öffentlichen oder zwischen öffentlichen und privaten Interessen durch wertende Gegenüberstellung und Interessenabwägung zu lösen sind ( BGE 94 I 548 E. 5; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 172; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Nr. 57 IV, S. 335 f.). Dieselbe Interessenabwägung verlangt sowohl die von der Expertenkommission für die Revision des Art. 55 BV vorgeschlagene Bestimmung, als auch der Vorentwurf der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung (vgl. E. 5b). 7. In beiden Beschwerden wird die Aufhebung von Art. 4 der Richtlinien verlangt, der bestimmt, dass die Standeskanzlei ein Verzeichnis der Informationsempfänger führt. Im Zweifelsfall BGE 104 Ia 88 S. 98 entscheidet die Regierung über die Aufnahme in das Verzeichnis. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Bestimmung verletze die Verfassung, weil sie die Kriterien für die Aufnahme in das Register nicht angebe. Die Rüge ist offensichtlich unbegründet. Wenn im Reglement selber Kriterien fehlen, bedeutet das nicht, dass die Regierung die Aufnahme in das Register im Einzelfall aus unhaltbaren Gründen verweigern darf. Soweit es sich bei den Gesuchstellern um Gewerbegenossen handelt, muss auch das aus Art. 31 BV abgeleitete Gleichheitsgebot berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführer machen zu Recht nicht geltend, das Fehlen eines Reglements verletze an sich die Verfassung; tatsächlich kennen die wenigsten Kantone Informationsrichtlinien. Daraus ist zu schliessen, dass auch derjenige Kanton die Verfassung nicht verletzt, der zwar Richtlinien erlässt, dort aber die Kriterien für die Aufnahme in das Verzeichnis der Informationsempfänger nicht aufführt. Die durch keine Anwendungsfälle erhärtete Befürchtung, eine Vorschrift könnte rechtsungleich angewendet werden, kann nicht deren Aufhebung zur Folge haben. Die Beschwerdeführer verlangen, dass nicht nur die Pressevertreter, sondern alle Personen, die ein Gesuch stellen, in das Register aufgenommen werden. Da Art. 4 der Richtlinien keine Kriterien über die Aufnahme, beziehungsweise Verweigerung der Aufnahme enthält, ist vorerst offen, nach welchen Kriterien die Regierung die Aufnahme gewähren oder verweigern wird und das Bundesgericht hat keine Veranlassung, im vorliegenden abstrakten Normkontrollverfahren die von den Beschwerdeführern angeführten Ausscheidungskriterien auf ihre Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen. Sollte ihnen die Aufnahme in das Register unter Anwendung von Kriterien verweigert werden, die nach ihrer Ansicht vor der Verfassung nicht standhalten, wird es ihnen unbenommen sein, den Anwendungsakt mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten. 8. Gemäss Art. 7 der Richtlinien bestimmen in den Zuständigkeitsbereichen der Departemente die Departementsvorsteher, ob und welche Informationen erteilt werden. Die Erteilung von Auskünften durch Mitarbeiter des Departementes setzt das Einverständnis des Departementsvorstehers voraus. Kurz nach Erlass der Richtlinien stellte die Standeskanzlei den Informationsempfängern in Anwendung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinien ein Verzeichnis der Auskunftspersonen zu. In diesem BGE 104 Ia 88 S. 99 Verzeichnis sind 77 Personen aufgeführt, die in den einzelnen Departementen im Rahmen von Art. 3 der Richtlinien zur Erteilung von Auskünften berechtigt sind. Daraus und aus der Vernehmlassung der Regierung ist zu schliessen, dass nicht in jedem einzelnen Fall das Einverständnis des Departementsvorstehers eingeholt werden muss. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Pressefreiheit, der Meinungsfreiheit, der Informationsfreiheit sowie von Art. 10 EMRK und machen geltend, alle Beamten seien im Rahmen der Geheimhaltungspflicht befugt, die Journalisten mit Auskünften zu versehen. Wie dargetan, vermittelt keines der angeführten verfassungsmässigen Rechte einen positiven Anspruch des Einzelnen auf Information durch die Behörden, so dass die Rügen unbegründet sind. Die generelle Beschränkung der Zahl der für Auskünfte zuständigen Beamten verletzt auch das in Art. 4 BV enthaltene Gleichheitsgebot nicht, werden doch alle Informationsempfänger gleichermassen von der Einschränkung betroffen. Die Beschwerdeführer haben die Rüge, die Richtlinien verletzten die Meinungsäusserungsfreiheit des Staatspersonals jedenfalls nicht ausdrücklich erhoben und auch nicht genügend begründet, sondern die Richtlinien ausschliesslich vom Standpunkt des Journalisten und Bürgers her angefochten. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob eine derartige Aufzählung der zur Auskunft zuständigen Personen die Meinungsäusserungsfreiheit derjenigen Beamten verletze, die keine Auskunft erteilen dürfen, und es kann ebenso dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführer zur Erhebung dieser Rüge befugt sind. 9. Gemäss Art. 9 der Richtlinien findet monatlich eine Zusammenkunft mit den Vertretern der bündnerischen Presse einschliesslich Radio und Fernsehen statt; diese dient in erster Linie der gegenseitigen Information und gemeinsamen Aussprache. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Rechtsgleichheit, der Handels- und Gewerbefreiheit, der Pressefreiheit und von Art. 10 EMRK , weil die Bestimmung die Zulassung zur monatlichen Zusammenkunft auf Vertreter der bündnerischen Presse beschränke, während Vertreter der ausserkantonalen Presse ausgeschlossen seien. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit von gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist BGE 104 Ia 88 S. 100 massgebend, ob der betreffenden Norm nach den anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit dem angerufenen Grundrecht vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die angefochtene kantonale Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist ( BGE 102 Ia 109 E. 1b mit Hinweisen). Tatsächlich gibt der Wortlaut der Bestimmung zu Zweifeln Anlass. Die Regierung führt in ihrer Vernehmlassung aus, an der Pressezusammenkunft beteiligten sich regelmässig auch Korrespondenten, die vor allem für Zeitungen ausserhalb des Kantons schreiben, zum Beispiel auch Vertreter der Schweizerischen Depeschenagentur. Es seien bisher keine Gesuche um Teilnahme an der Pressezusammenkunft abgelehnt worden, so dass auch niemand diskriminiert worden sei. Das Bundesgericht nimmt Kenntnis von den Ausführungen der Regierung und stellt fest, dass die Auslegung, welche sie der Bestimmung beilegt, die Rechtsgleichheit und die andern angerufenen Verfassungsbestimmungen nicht verletzt. Sofern unter dem Begriff der bündnerischen Presse diejenigen Medien verstanden werden, die regelmässig über die wesentlichen Ereignisse im Kanton Graubünden berichten, ist die Vorschrift nicht verfassungswidrig. 10. Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinien erhält nur der Fragesteller die Information auf Anfrage hin. Nach Art. 10 Abs. 3 ist bei Anfragen jeweils zu prüfen, ob im Hinblick auf das allgemeine Interesse, die Bedeutung der Sache oder den Grundsatz der gleichzeitigen Information eine allgemeine Mitteilung im Sinne von Art. 5 lit. b oder 6 der Richtlinien zweckmässig sei. Die Beschwerdeführer legen die Bestimmung in der Weise aus, dass dem Fragesteller die gewünschte Information erst anlässlich der allgemeinen Mitteilung zugestellt werde. Die Regierung führt demgegenüber aus, dass stets dann, wenn die allgemeine Mitteilung im Hinblick auf das öffentliche Interesse oder die Bedeutung der Sache geprüft werden müsse, dem Fragesteller die die Information sofort erteilt werden könne. Die allgemeine Mitteilung werde in diesem Falle erst nachträglich an alle Informationsempfänger zugestellt. Lediglich dann, wenn die allgemeine Mitteilung im Hinblick auf den Grundsatz der gleichzeitigen Information geprüft werden müsse, habe der Fragesteller zuzuwarten. Dieser Fall bilde indessen die Ausnahme BGE 104 Ia 88 S. 101 und trete nur beim Vorliegen besonderer Umstände ein. Die Beschwerdeführer anerkennen, dass ihre Rüge bei der genannten Auslegung gegenstandslos werde. Das Bundesgericht nimmt Kenntnis von der Auslegung, die die Regierung der angefochtenen Bestimmung beilegen will, und stellt fest, dass diese die Verfassung nicht verletzt. Es wäre im übrigen kaum anzunehmen, dass die gleichzeitige Information aller Informationsempfänger Art. 4 BV oder das Gleichbehandlungsgebot der Gewerbegenossen verletzen könnte. Dass die weiteren von den Beschwerdeführern angerufenen Verfassungsrechte (Meinungsäusserungsfreiheit, Pressefreiheit, Informationsfreiheit) angesichts des Umstandes, dass sie keine positive Leistungspflicht des Staates vermitteln, nicht verletzt sein können, wurde bereits wiederholt festgestellt. 11. Art. 11 der Richtlinien bestimmt, dass sich die Informationsstelle vor der Erteilung mündlicher Auskünfte auf Anfrage hin allenfalls über Namen und Adresse eines unbekannten Fragestellers sowie über das Informationsorgan, in dessen Auftrag er handelt, zu vergewissern hat. In der Beschwerde I wird geltend gemacht, die Bestimmung gehe darauf aus, Unterschiede je nach der Person oder dem Auftraggeber des Fragestellers zu machen. Die Regierung bestreitet in ihrer Vernehmlassung diese Auslegung. Art. 11 und die Richtlinien überhaupt wollen nach ihrer Auffassung die Arbeit der Journalisten nicht verhindern oder erschweren, sondern in geordnete Bahnen lenken und die Informationstätigkeit verbessern. Die Identitätsangabe sei nötig, um einem Missbrauch mit der Antwort vorzubeugen. Tatsächlich entspricht es bereits dem Gebot des Anstandes, dass sich ein Fragesteller vorstellt, wenn er mit der Verwaltung in Kontakt tritt. Aus der Bestimmung selber lässt sich, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer, nicht ableiten, dass die Behörden eine rechtsungleiche Behandlung der Fragesteller beabsichtigen. Mit ihrer Verfassungsrüge legen sie der Bestimmung einen Sinn bei, der sich aus ihrem Wortlaut nicht ergibt. Die Rüge ist daher unbegründet. 12. Gemäss Art. 12 der Richtlinien kann die Regierung die Presseorgane, Agenturen oder Einzelpersonen von der Bedienung mit Informationen zeitweise oder dauernd ausschliessen, welche unter Umgehung der Richtlinien Informationen erschleichen, erhaltene Informationen missbräuchlich verwenden, BGE 104 Ia 88 S. 102 die Wahrheitspflicht bei der Berichterstattung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen oder der Berichtigungspflicht nicht nachkommen. Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung der Vorschrift. a) Diese Bestimmung bedroht zunächst diejenigen Personen mit der Sanktion des Informationsentzuges, welche unter Umgehung der Richtlinien Informationen erschleichen. Damit wird zwar die Freiheit, sich Informationen zu beschaffen, beschränkt, doch gewährleistet die Informationsfreiheit lediglich das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Verwaltung gehört grundsätzlich nicht zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen. Deren Tätigkeit und die Verhandlungen der exekutiven Behörden sind im allgemeinen und insbesondere im Kanton Graubünden nicht öffentlich (BUSER, Information und Amtsverschwiegenheit, ZBJV 103/1967, S. 213 f.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 253; IMBODEN/RHINOW, a.a.O. S. 519), so dass der Bürger und die Presse lediglich geltend machen können, mit dem angedrohten Informationsentzug werde eine Ungleichbehandlung in Aussicht gestellt, die sich auf keinen genügenden sachlichen Grund stützen lasse und deshalb Art. 4 BV verletze. Das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) verwendet den Begriff des Erschleichens in Art. 151 StGB (Erschleichen einer Leistung, obtention frauduleuse d'une prestation), in Art. 170 StGB (Erschleichen eines gerichtlichen Nachlassvertrages, obtention frauduleuse d'un concordat judiciaire) und in Art. 253 StGB (Erschleichen einer falschen Beurkundung, obtention frauduleuse d'une constatation fausse). Insbesondere der französische Text macht deutlich, dass mit dem Begriff des Erschleichens stets auf ein unlauteres Verhalten hingewiesen wird. Die strafrechtliche Begriffsbestimmung ist zwar nicht massgebend, aber sie kann zur Auslegung der Richtlinien beigezogen werden. Das bedeutet, dass eine Sanktion nicht schon dann ergriffen werden darf, wenn ein Informationsempfänger die Richtlinien in irgendeiner Weise verletzt, sich zum Beispiel an einen Beamten wendet, der nicht im Verzeichnis der Auskunftspersonen aufgeführt ist, jedenfalls dann nicht, wenn ihm die gewünschte Auskunft nicht vorher von zuständigen Behördemitgliedern oder Chefbeamten ausdrücklich verweigert worden ist. Eine Sanktion darf vielmehr nur dann Platz greifen, wenn unlauteres Verhalten vorliegt. Ein solches Verhalten ist BGE 104 Ia 88 S. 103 insbesondere dann anzunehmen, wenn der Informationsempfänger zum Zwecke der Informationsbeschaffung einen Vertrauensbruch oder einen Rechtsmissbrauch begeht. Wird Art. 12 der Richtlinien in diesem engen Sinne ausgelegt, ist er nicht verfassungswidrig, denn die Verfassung gewährleistet nicht treuwidrige oder rechtsmissbräuchliche Informationsbeschaffung. b) Art. 12 der Richtlinien bedroht auch den Informationsempfänger mit dem Informationsentzug, der erhaltene Informationen missbräuchlich verwendet oder die Wahrheits- und Berichtigungspflicht verletzt. In diesen Fällen wird von den Informationsempfängern ein Verhalten gefordert, das sie in ihrer Meinungsäusserungs- beziehungsweise Pressefreiheit beschränkt. Die Freiheitsrechte können nach dem Verfassungsrecht des Bundes gestützt auf eine genügende gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden, sofern der Eingriff zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Sittlichkeit oder Gesundheit sowie der Lauterkeit im Geschäftsverkehr erforderlich ist und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht ( BGE 96 I 589 mit Hinweisen). Art. 10 Ziff. 2 EMRK umschreibt die Schranken der Meinungsäusserungsfreiheit wie folgt: "Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer notwendig sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten." Dass die Richtlinien eine genügende gesetzliche Grundlage darstellen, wurde bereits erkannt. In diesem Zusammenhang ist lediglich einschränkend festzustellen, dass die Sanktion des Informationsentzugs nur bei Pflichtverletzungen gegenüber der informierenden Behörde ausgesprochen werden darf. Weitergehende Aussenwirkungen vermag die Verwaltungsverordnung nicht abzudecken. Die Verhinderung von Rechtsmissbräuchen und Unwahrheiten bei der Verbreitung von Informationen sowie die Durchsetzung der gesetzlich vorgesehenen Berichtigungspflicht (§ 12 des Gesetzes wider den Missbrauch der Pressefreiheit BGE 104 Ia 88 S. 104 vom 13. Juli 1839) ist in ihrer abstrakten Formulierung nicht zu beanstanden; doch wird in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff in die Meinungsäusserungs- oder Pressefreiheit gegeben sind, und ob der Verhältnismässigkeitsgrundsatz die Massnahme zulässt. Die Regierung hat diesbezüglich in ihrer Vernehmlassung dem Willen Ausdruck verliehen, die Bestimmung nicht extensiv zu verstehen und auszulegen. Es sei selbstverständlich, dass die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und der Verhältnismässigkeit im Einzelfall beachtet würden.
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Sachverhalt ab Seite 46 BGE 134 III 45 S. 46 A. A.a Le 30 mars 1994, la commune de X. a conclu avec U. une promesse d'échange immobilier en ce sens que ce dernier céderait à la commune la parcelle n° a, située en zone à bâtir, et recevrait une partie de la parcelle n° x, propriété de la commune et située en zone agricole. U. est décédé le 8 août 1994. A.b Par arrêt du 21 février 2002 (4C.308/2001), le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme interjeté par les héritières de U. - à savoir A., B., C. et D. - contre le jugement de la Cour civile du Tribunal cantonal du 22 février 2001 qui leur ordonnait, sous la menace des peines prévues par l' art. 292 CP , de signer les actes nécessaires aux transferts immobiliers. A.c Par arrêt du 25 mai 2005 (5P.19/2005), le Tribunal fédéral a rejeté le recours de droit public formé par A., B. et C. - D. ayant, dans l'intervalle, renoncé à son usufruit sur la parcelle n° a - contre l'arrêt de la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois du 8 octobre 2004, lequel prévoyait que, malgré leur refus de s'exécuter, elles étaient réputées avoir signé les actes notariés nécessaires aux transferts immobiliers. Les mutations sont intervenues au registre foncier dans le courant du second semestre 2005. B. B.a Le 3 avril 2006, A., B. et C. ont formé une demande de révision au sens de l' art. 137 let. b OJ contre l'arrêt du Tribunal fédéral du 21 février 2002 (4C.308/2001); à l'appui de cette demande, elles ont produit un certificat établi le 3 février 2006 par le médecin traitant de feu leur père, lequel tendait à démontrer l'absence de discernement de ce dernier lors de la signature de la promesse d'échange le 30 mars 1994. B.b Par arrêt du 7 novembre 2006 (4C.111/2006), le Tribunal fédéral a admis la demande de révision, annulé son jugement du 21 février 2002 et renvoyé la cause à la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud pour qu'elle la reprenne au stade où elle se trouvait avant le prononcé de son jugement du 22 février 2001; il lui a en particulier enjoint de verser au dossier le rapport du médecin BGE 134 III 45 S. 47 du 3 février 2006 ainsi que d'entendre des témoignages relatifs à la capacité de discernement de U. en date du 30 mars 1994. C. A., B. et C. forment une demande de révision contre l'arrêt du Tribunal fédéral du 25 mai 2005 (5P.19/2005); elles concluent à son annulation, à l'admission du recours de droit public qu'elles ont interjeté le 17 janvier 2005 et au renvoi de la cause au Tribunal cantonal pour nouvelle décision. La commune de X. conclut principalement à la constatation de l'irrecevabilité de la demande, subsidiairement à son rejet.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. La demande de révision ayant été introduite après l'entrée en vigueur, le 1 er janvier 2007 (RO 2006 p. 1242), de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110), la procédure est régie par le nouveau droit ( art. 132 al. 1 LTF ; arrêt 6F_1/2007 du 9 mai 2007, consid. 1.2 non publié à l' ATF 133 IV 142 ). 2. 2.1 La jurisprudence rendue à propos de l' art. 137 let. b OJ a apporté d'importantes restrictions à la recevabilité de la demande de révision pour faits et moyens de preuve nouveaux des arrêts du Tribunal fédéral rendus sur recours de droit public ( ATF 118 Ia 366 consid. 2; ATF 107 Ia 187 consid. 2). Cette jurisprudence garde toute sa portée sous le nouveau droit, l' art. 123 al. 2 let. a LTF ayant repris la règle consacrée à l' art. 137 let. b OJ , sans la modifier autrement que par des précisions d'ordre rédactionnel relatives à la notion de "faits nouveaux" (FF 2001 p. 4149; arrêt 4F_3/2007 du 27 juin 2007, consid. 3.1). A cet égard, les requérantes se réfèrent en particulier à l'arrêt paru à l' ATF 107 Ia 187 ; elles prétendent que leur demande de révision est recevable du fait que, dans son arrêt du 25 mai 2005, le Tribunal fédéral aurait pu admettre des faits et moyens de preuve nouveaux en relation avec les nouveaux moyens de droit tirés des art. 26 et 29 Cst. 2.2 Dans un arrêt postérieur, le Tribunal fédéral a toutefois précisé cette jurisprudence, en ce sens que la recevabilité ou l'irrecevabilité des nova dans l'arrêt dont la révision est demandée n'est pas le critère décisif, ou du moins pas le seul, pour décider de la recevabilité de la demande de révision d'un arrêt du Tribunal fédéral. Il a considéré en particulier que, lorsque - comme en l'espèce - le Tribunal fédéral rejette un recours de droit public, son arrêt ne se substitue pas à la décision attaquée, laquelle demeure en force et peut dès lors faire BGE 134 III 45 S. 48 l'objet d'une demande de révision, aux conditions du droit de procédure cantonal, pour les motifs qui affectent l'état de fait qu'elle constate; en effet, selon un principe général, la demande de révision, sur le fond, doit être formée devant l'autorité qui, en dernière instance, a statué au fond. Or, lorsque l'autorité s'est prononcée à l'occasion d'un recours extraordinaire - à l'instar du recours de droit public -, la demande de révision n'est recevable que pour les motifs qui affectent son arrêt ( ATF 118 Ia 366 consid. 2 p. 367/368 et les références; arrêt 5P.510/2006 du 6 février 2007, consid. 3.1 et 3.2; également, à propos du pourvoi en nullité: ATF 124 IV 92 consid. 1). La demande de révision d'un tel arrêt en raison de la découverte de faits pertinents ou de moyens de preuve concluants qui n'avaient pas pu être invoqués dans la procédure précédente ( art. 123 al. 2 let. a LTF ) n'est donc recevable que dans la mesure où le motif invoqué affecte les constatations de fait du Tribunal fédéral, en particulier au sujet de la recevabilité du recours ou lorsque celui-ci a tenu compte de faits ou moyens de preuve nouveaux à l'appui de son recours (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. V, n. 2.2 ad Titre VII et n. 2.1 ad art. 137 OJ ), ce qui n'est possible qu'exceptionnellement pour le recours de droit public (cf. ATF 128 I 354 consid. 6c p. 357; ATF 107 Ia 187 consid. 2b p. 191). 2.3 En l'espèce, les motifs de l'arrêt dont la révision est demandée ont trait à l'application arbitraire des règles de procédure cantonale relatives à l'exécution forcée (...), à la violation du droit d'être entendu s'agissant de la portée de la procédure cantonale, à l'interdiction de statuer extra petita (...), ainsi qu'à la sécurité du droit à propos du manque de précision du dispositif de l'arrêt cantonal (...). Pour aucun de ces motifs, le Tribunal fédéral n'a tenu compte de faits ou moyens de preuve nouveaux; même s'il avait pu le faire, le moyen de révision invoqué - l'expertise médicale relative à la capacité de discernement de U. - ne concerne aucun des griefs soulevés dans le recours de droit public, et ne peut donc affecter les motifs de l'arrêt rendu sur ce recours. La demande de révision est ainsi irrecevable, seul l'arrêt cantonal sur le fond, demeuré en force, étant susceptible de révision, selon les conditions posées par le droit de procédure cantonal. 2.4 L'irrecevabilité de la demande étant ainsi établie, la question de l'existence d'un intérêt actuel des requérantes à obtenir la révision peut demeurer ouverte.
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Sachverhalt ab Seite 45 BGE 117 IV 45 S. 45 Les époux H. ont été déclarés coupables d'infraction à la LMF (RS 232.11). Il leur est reproché d'avoir fait fabriquer 19 000 montres, d'y avoir apposé sans autorisation une marque et de les avoir vendues (art. 24 let. a et c ainsi que 25 LMF). La peine a été fixée à 6 mois d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans. Les accusés ont été acquittés des préventions d'escroquerie, de falsification de marchandises, de mise en circulation de marchandises falsifiées, de faux dans les titres et d'infraction à la BGE 117 IV 45 S. 46 LCD (art. 13 let. d de la Loi sur la concurrence déloyale, du 30 septembre 1943, aLCD, remplacée par celle du 19 décembre 1986, RS 241). Le Procureur général du canton de Genève s'en prend aux acquittements prononcés et demande la destruction des montres (dont la restitution après enlèvement de toute référence à la marque avait été ordonnée). Le pourvoi a été rejeté dans la mesure où il était recevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. c) Selon le recourant, les accusés se sont rendus coupables d'infraction à l'art. 13 let. d aLCD. Il n'examine cependant pas si cette disposition peut être appliquée en concours avec celles de la LMF, pour les mêmes faits. TROLLER (Immaterialgüterrecht, vol. II 3e éd., Bâle 1985 p. 1005 ch. V) se prononce contre l'application cumulative sur le plan pénal de la LMF et de la LCD, la LCD cédant le pas à la LMF qui constitue une loi spéciale. Si, comme en l'espèce, on reproche à l'accusé exclusivement d'avoir apposé une marque sans autorisation, on doit admettre que la LMF réglemente cette branche de la propriété intellectuelle de façon plus détaillée que la LCD, dont la portée est plus générale. Il se justifie dès lors d'écarter ici la LCD en tant que loi plus générale donc subsidiaire (voir BESSE, La répression pénale de la contrefaçon en droit suisse, thèse Lausanne 1990 p. 245). Ainsi, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en n'appliquant pas la LCD, ce qui entraîne le rejet du pourvoi sur ce point également. d) Il convient de préciser que dans l'hypothèse où la LMF ne serait pas applicable, par exemple si la marque n'était en réalité pas protégée, il ne serait nullement exclu que l'apposition d'une marque puisse, selon les circonstances, tomber sous le coup de l'art. 13 let. d aLCD; d'après cette disposition, en effet, se rend coupable de concurrence déloyale celui qui, intentionnellement, prend des mesures pour faire naître une confusion avec les marchandises d'autrui. Ce problème ne se pose toutefois pas ici car l'autorité cantonale a appliqué la LMF en tant que lex specialis.
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Sachverhalt ab Seite 296 BGE 135 III 295 S. 296 A. Les époux H.X. et F.X. possèdent un domaine agricole sis à S., comprenant des immeubles de cette commune, propriétés de l'épouse, et d'autres immeubles de la commune de F., au-delà de la frontière française, propriétés de l'époux. Le domaine comprend encore des machines et installations selon un inventaire établi au mois de mai 2001, et un stock de fourrage et de paille. Selon acte authentique du 5 juin 2003, dressé par un notaire du canton du Jura, les époux X. ont promis de vendre l'ensemble de ces biens à Y., neveu de H.X., pour le prix global de 1'600'000 francs. La promesse de vendre et d'acheter était irrévocable pour toutes les parties. Ses effets étaient toutefois, à lire le texte, subordonnés à trois conditions spécifiées comme suit: BGE 135 III 295 S. 297 A) L'obtention des autorisations définitives émanant des autorités compétentes en matière de droit foncier rural; B) La vente des immeubles [sis] sur le territoire français au prix qui sera arrêté par les parties dans le cadre du prix global de 1'600'000 fr.; C) L'accord des parties s'agissant du traitement fiscal de leur dossier par les autorités jurassiennes et françaises. Traitement dont les conclusions sont à obtenir jusqu'à l'inscription de l'acte au registre foncier des immeubles sis en Suisse. Le prix serait payé, d'abord, par reprise de la dette hypothécaire qui s'élevait alors à 500'000 fr.; ensuite, par le versement d'une rente viagère jusqu'aux décès de l'un puis de l'autre des deux vendeurs, au montant de 60'000 fr. par an pendant vingt ans et de 30'000 fr. dès la vingt-et-unième année; enfin, par la constitution, en faveur des vendeurs, d'un droit d'habitation dans l'appartement est du bâtiment de S. assuré sous le n° x. Pour garantir le versement de la rente en cas de décès du promettant-acquéreur, celui-ci conclurait une assurance au décès dont la somme serait convenue entre les parties. L'entrée en jouissance des biens à vendre était fixée au 1 er janvier 2004. B. Le 24 février 2004, Y. a ouvert action contre les époux X. devant la Cour civile du Tribunal cantonal du canton du Jura. Sa demande tendait principalement à faire condamner les défendeurs à conclure les contrats promis par eux le 5 juin 2003. Les défendeurs ont contesté la validité de la promesse de vente et conclu au rejet de l'action; ils ont pris des conclusions reconventionnelles tendant à faire condamner le demandeur à évacuer les immeubles de leur domaine, dont il avait déjà entrepris l'exploitation, et à payer des dommages-intérêts au montant de 699'082 francs. La Cour civile du Tribunal cantonal a rendu un arrêt partiel le 29 mars 2006, dont le dispositif constate "que la promesse de vente notariée [du] 5 juin 2003 est valable". Elle a rendu un arrêt final le 13 novembre 2008. Celui-ci donne également gain de cause au demandeur; son dispositif se lit comme suit: La Cour civile condamne les défendeurs à conclure avec le demandeur les contrats principaux découlant de la promesse de vente [...]; condamne les défendeurs à prêter leur concours, à collaborer et à entreprendre toute démarche nécessaire et utile aux fins de respecter, réaliser BGE 135 III 295 S. 298 et remplir les conditions qui assortissent la promesse de vente du 5 juin 2003, en particulier à entreprendre toutes les démarches nécessaires auprès des autorités compétentes suisses et françaises en matière de droit foncier rural, auprès de toutes les instances concernées, notamment administrative, de même qu'auprès du notaire, sous menace des sanctions prévues par les art. 292 CP , 395 CPC jur., en particulier 397 CPC jur.; dit qu'en cas de refus des défendeurs de s'exécuter, le présent arrêt tiendra lieu des déclarations nécessaires à la conclusion des contrats découlant de la promesse du 5 juin 2003; ... C. Les défendeurs ont saisi le Tribunal fédéral d'un recours en matière civile tendant à la réforme de ces deux arrêts. Selon leurs conclusions principales, le tribunal devait prononcer que la promesse de vente est nulle ou, sinon, qu'elle ne lie pas les défendeurs; le tribunal devait aussi interdire au demandeur d'exploiter les immeubles du domaine agricole, et lui ordonner, sous menace des sanctions de l' art. 292 CP , d'évacuer immédiatement ces immeubles. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. La promesse de vente conclue le 5 juin 2003 est un contrat relatif aux immeubles, aux termes de l'art. 119 de la loi fédérale du 18 décembre 1987 sur le droit international privé (LDIP; RS 291). La forme de ce contrat est impérativement régie par le droit suisse pour les immeubles de S. selon l' art. 119 al. 3 LDIP ; il s'agit de la forme authentique qui est imposée, pour une promesse de vente, par l' art. 216 al. 2 CO . La forme est régie par le droit français pour les immeubles de F., à moins que ce droit n'admette l'application d'un autre droit ( art. 119 al. 3 LDIP ); au surplus, sur tous points autres que la forme, le droit du lieu de situation est aussi applicable, sous réserve d'une éventuelle élection de droit ( art. 119 al. 1 et 2 LDIP ). La Cour civile a examiné la validité et les effets de la promesse de vente au regard du droit suisse pour les immeubles de S. et du droit français pour ceux de F. Elle est parvenue à la conclusion que la promesse de vente passée devant un notaire jurassien est en principe valable, à la forme, aussi pour ces immeubles-ci. Cette approche et ce dernier point sont incontestés, de sorte qu'il n'y a pas lieu d'y revenir. BGE 135 III 295 S. 299 3. 3.1 Les défendeurs contestent que la forme authentique de l' art. 216 al. 2 CO soit respectée. Ils tiennent pour insuffisant d'avoir spécifié un prix global, dans la promesse de vente, au montant de 1'600'000 fr., pour des immeubles et des choses mobilières; ils affirment que le prix des immeubles aurait dû être indiqué séparément. La Cour civile a jugé que, sur la base des preuves disponibles, le prix des diverses catégories de biens était déterminable de manière objective; elle a constaté un prix de 650'000 fr. pour les immeubles de S. et un prix de 300'000 fr. pour ceux de F. Sur ces constatations, les demandeurs se plaignent d'un jugement arbitraire, donc contraire à l' art. 9 Cst. 3.2 Selon la jurisprudence concernant l' art. 216 CO , la forme authentique doit porter sur tous les éléments objectivement essentiels du contrat, et aussi sur les points objectivement secondaires mais subjectivement essentiels, pour autant que ces derniers, de par leur nature, constituent un élément du contrat de vente; il s'agit de tous les éléments qui affectent le rapport entre la prestation et la contre- prestation issues de la vente ( ATF 113 II 402 consid. 2a p. 403; voir aussi ATF 119 II 135 consid. 2a p. 138). L'acte authentique doit donc énoncer toutes les contre-prestations promises en échange du bien immobilier ( ATF 101 II 329 consid. 3a p. 331), et le prix indiqué doit correspondre à celui réellement convenu; à défaut, l'acte est nul parce que simulé ( ATF 94 II 270 p. 273). En cas de contrat mixte, cumulant la vente d'un immeuble et d'autres prestations du vendeur, il est loisible aux parties de convenir d'un prix global qui sera la contrepartie de ce bien et de ces autres prestations. Certes, il faut alors que ces dernières soient également spécifiées dans l'acte authentique, car c'est à cette condition, seulement, que l'acte satisfait à l'exigence de l'indication exacte et complète de tous les éléments affectant le rapport entre les prestations qui incluent une vente d'immeuble, d'une part, et la contre-prestation d'autre part. Cela concerne, en particulier, le contrat mixte de vente et d'entreprise, où la vente d'un bien-fonds est combinée avec la promesse d'y réaliser une construction, et cela concerne aussi le contrat cumulant, comme en l'espèce, la vente d'immeubles et de choses mobilières (MARKUS REBER, Der Umfang des Formzwangs beim Grundstückkauf, Jusletter 9 mai 2005 n os 113 et 129 < http://www.weblaw.ch sous jusletter; CHRISTOPH LEUENBERGER, Abschluss des BGE 135 III 295 S. 300 Grundstückkaufvertrages, in Der Grundstückkauf, 2 e éd. 2001, p. 27 et ss, n os 118 et 132; HERMANN LAIM, in Commentaire bâlois, CC, vol. II, 3 e éd. 2007, n° 56 ad art. 657 CC ; HANS GIGER, Commentaire bernois, 2 e éd. 1997, n° 276 ad art. 216 CO ). Les défendeurs se réfèrent à un arrêt du Tribunal fédéral du 9 juillet 1991 ( ATF 117 II 259 ). Cette décision, qui avait pour objet des prétentions fondées sur un contrat d'entreprise, contient le passage ci-après (p. 264/265): Der für den Grundstückkauf geltende Formzwang erstreckt sich bloss auf Abmachungen im Rahmen des Kaufvertrages, nicht aber auf sonstige Übereinkünfte, selbst wenn für die Parteien der Bestand der einen Abrede conditio sine qua non für die Zustimmung zur zweiten darstellt (BGE 113 II 404 mit Hinweisen). Auch bei einem gemischten Vertragsverhältnis unterstehen deshalb die werkvertraglichen Abreden nicht der Formpflicht, wenn sie ein selbständiges Leistungspaar bilden (BGE 107 II 215 f. E. 4; GAUCH, a.a.O., S. 87/8 Rz. 302; LEUENBERGER, Abschluss des Grundstückkaufvertrages, in: Der Grundstückkauf, S. 83/4 Rz. 153). Das setzt jedoch voraus, dass für den Erwerb des unüberbauten Grundstückes und die Erstellung des Bauwerks getrennte Vergütungen festgesetzt werden (GAUCH, a.a.O., S. 88 Rz. 303). Sur la base de cette dernière phrase, les défendeurs affirment que lorsque les parties concluent simultanément une vente d'immeuble et un autre contrat, tel qu'un contrat d'entreprise ou une vente de choses mobilières, un prix spécifique, propre à l'immeuble vendu, doit obligatoirement ressortir de l'acte authentique. Or, dans la décision précitée, le Tribunal fédéral a seulement rappelé que des prix distincts doivent être déterminables pour l'immeuble, d'une part, et pour les prestations d'entrepreneur, d'autre part, dans le cas où ces dernières ne sont pas énoncées dans l'acte authentique; pour le surplus, il n'a pas exclu que l'indication d'un prix global soit suffisante, au regard de l' art. 216 CO , lorsque, au contraire, toutes les prestations destinées à accompagner la vente d'un immeuble sont aussi énoncées dans l'acte. Les défendeurs fondent leur argumentation sur une lecture erronée et incomplète de cet arrêt de 1991. Il est vrai que ce même arrêt est cité de façon semblablement erronée dans l'arrêt du Tribunal fédéral du 23 juin 2004 (4P.97/2004 consid. 4.4), mais cette méprise n'influence pas la portée de l' art. 216 al. 2 CO . 3.3 Le prix global de 1'600'000 fr. est exempt de toute ambiguïté. La Cour civile a jugé que tous les biens promis en échange, mobiliers ou immobiliers, tant à S. qu'à F., sont objectivement BGE 135 III 295 S. 301 déterminables sur la base de l'acte authentique (cf. ATF 127 III 248 consid. 3d p. 254), et cela n'est pas contesté par les défendeurs. Le moyen tiré de cette dernière disposition est donc privé de fondement. La Cour civile aurait pu se dispenser de rechercher si un prix distinct, pour les immeubles, était convenu entre les parties et déterminable d'après l'acte, car ce point n'est d'aucune importance du point de vue de ladite disposition. Selon les défendeurs, faute d'une détermination spécifique du prix des immeubles, la promesse de vente contrevient aussi, en ce qui concerne le droit suisse, à l' art. 184 CO définissant le contrat de vente. Cette argumentation est difficilement intelligible; elle semble plutôt mettre en cause l' art. 2 al. 1 CO selon lequel tout contrat nécessite l'accord des parties sur ses éléments essentiels. Il demeure que, comme on l'a vu, la prestation et la contre-prestation sont définies de manière suffisante dans la promesse du 5 juin 2003. (...) 5. 5.1 Les défendeurs soutiennent que la promesse de vente est conditionnelle aux termes de l' art. 151 CO , et qu'elle ne les oblige pas parce que les conditions demeurent et demeureront inaccomplies. Ils insistent sur la grave mésentente qui s'est élevée entre eux et leur neveu, et ils considèrent que les démarches et accords auxquels la promesse est subordonnée sont devenus impossibles. Ils font aussi état de diverses incertitudes concernant l'exécution et les effets de la promesse. Dans le texte de l'acte authentique, les clauses concernant les autorisations en matière de droit foncier rural, la vente des immeubles de F. et les accords à trouver avec les autorités fiscales sont effectivement présentées sous l'aspect de conditions suspensives, introduites par le libellé "la validité du présent acte et de l'acte de vente définitif est conditionnée par ...". Il s'agit de conditions potestatives dans la mesure où, comme les défendeurs le soulignent, leur accomplissement dépend de la diligence des parties et de leurs manifestations de volonté. Mais on lit aussi, dans l'acte, que "Monsieur Y. s'engage irrévocablement à acheter" l'ensemble des biens concernés, y compris les immeubles de F., et que ses deux cocontractants "s'engagent à leur tour et réciproquement" à lui vendre ces mêmes biens. 5.2 Il peut advenir que telle clause d'un contrat soit ambiguë et que, ayant apparemment pour objet de subordonner les obligations des BGE 135 III 295 S. 302 parties à une condition, elle puisse aussi être comprise comme introduisant une obligation supplémentaire; il est alors nécessaire d'interpréter la convention (FELIX EHRAT, in Commentaire bâlois, CO, vol. I, 4 e éd. 2007, n° 11 ad art. 151-157 CO ). Si une condition est convenue et que son accomplissement dépend, dans une certaine mesure, de la volonté de l'une des parties auxquelles le contrat impose des obligations, cette partie n'a en principe pas une liberté entière de refuser cet accomplissement et de se dégager, ainsi, de ses obligations contractuelles. Elle doit, au contraire, agir de manière loyale et conforme aux règles de la bonne foi; en cas de violation de ces exigences, la condition est censée accomplie selon l' art. 156 CO . Le degré de liberté subsistant pour la partie concernée, d'une part, et les devoirs à elle imposés par les règles de la bonne foi, d'autre part, doivent être déterminés dans chaque cas d'espèce en tenant compte de l'ensemble des circonstances et, en particulier, de l'objet et du but du contrat, dûment interprété selon le principe de la confiance ( ATF 117 II 273 consid. 4c p. 280/281; voir aussi ATF 133 III 527 consid. 3.3.3 p. 535). L'interprétation selon le principe de la confiance - y compris celle d'un contrat dont la validité dépend d'une forme particulière ( ATF 127 III 248 consid. 3c p. 254) - consiste en rechercher comment les parties, lorsque leur accord s'est formé, pouvaient comprendre de bonne foi les clauses adoptées par elles, en fonction du contexte dans lequel elles ont traité ( ATF 132 III 24 consid. 4 p. 27/28). Même s'il est apparemment clair, le sens d'un texte souscrit par les parties n'est pas forcément déterminant, de sorte que l'interprétation purement littérale est prohibée ( art. 18 al. 1 CO ). Lorsque la teneur d'une clause contractuelle paraît limpide à première vue, il peut résulter d'autres éléments du contrat, du but poursuivi par les parties ou d'autres circonstances que le texte de cette clause ne restitue pas exactement le sens de l'accord conclu. Il n'y a cependant pas lieu de s'écarter du sens littéral du texte adopté par les cocontractants lorsqu'il n'y a aucune raison sérieuse de penser que celui-ci ne corresponde pas à leur volonté ( ATF 131 III 606 consid. 4.2 p. 611; ATF 130 III 417 consid. 3.2; ATF 129 III 118 consid. 2.5). 5.3 En l'occurrence, les parties se sont promis "irrévocablement" la vente du domaine agricole. Rien, dans l'acte authentique, n'autorise à retenir que l'un ou l'autre des cocontractants doit pouvoir, même sans motif sérieux et objectif, se dédire de cette promesse. BGE 135 III 295 S. 303 Par conséquent, les clauses concernant les autorisations en matière de droit foncier rural, la vente des immeubles de F. et les accords à trouver avec les autorités fiscales ne sont réellement des conditions suspensives, aux termes de l' art. 151 CO , que dans la mesure où elles portent sur l'obligation de conclure le ou les contrats finals, à l'issue des préparatifs encore nécessaires, et où leur accomplissement dépendra des autorités administratives et fiscales compétentes. Pour le surplus, contrairement à l'opinion des défendeurs, ces clauses ne suspendent pas les effets de la promesse de vente; celle-ci, depuis la clôture de l'acte, oblige toutes les parties à entreprendre les démarches prévues et à favoriser leur aboutissement. C'est exactement ce à quoi les défendeurs sont condamnés par l'arrêt attaqué du 13 novembre 2008. On ne saurait admettre aisément que les parties aient fait dresser un acte authentique à la seule fin de consigner de simples projets ou intentions, dépourvus d'incidence sur leur situation juridique. En tant que les démarches prévues nécessitent de nouvelles conventions entre les cocontractants, par exemple sur le prix de vente particulier aux immeubles de F., dans le cadre du prix global déjà convenu, il s'agit de points secondaires que les parties ont réservé conformément à l' art. 2 al. 1 CO . La somme de l'assurance au décès, à contracter par le demandeur pour garantir le versement de la rente viagère, est aussi l'un de ces points secondaires. Au besoin, ils seront réglés par le juge en application de l' art. 2 al. 2 CO . Les propriétaires du domaine insistent vainement sur ce fait qu'il n'existe actuellement, sur les points en suspens, aucune perspective d'accord entre les parties; on ne pourrait guère espérer une situation différente compte tenu qu'eux-mêmes, jusqu'à présent, se sont efforcés de se délier de la promesse plutôt que de concourir à son exécution. 5.4 Les défendeurs font valoir que l'autre partie se trouvera peut-être hors d'état de reprendre la dette hypothécaire existante et de contracter l'assurance au décès. Dans l'une ou l'autre de ces éventualités, eux-mêmes pourront, sur la base de l' art. 82 CO , refuser les ventes promises; ensuite, si la demeure de leur cocontractant se prolonge, ils pourront résoudre la promesse de vente conformément à l' art. 107 CO . En revanche, l' art. 151 CO est hors de cause. Ces plaideurs disent aussi redouter les suites fiscales de la vente de leur domaine selon les modalités convenues, comportant le versement d'une rente viagère. Il est possible qu'à l'issue des BGE 135 III 295 S. 304 pourparlers prévus avec les autorités concernées, ces modalités se révèlent gravement désavantageuses sur le plan fiscal. Il n'est cependant pas nécessaire d'examiner dès maintenant si, dans cette hypothèse particulière, au regard des règles de la bonne foi, les défendeurs pourraient faire valoir que l'une des conditions de la promesse ne s'est pas accomplie, et se dédire de l'affaire pour ce motif. En l'état, ils invoquent prématurément l' art. 151 CO , et ils doivent plutôt entreprendre loyalement, avec le demandeur et les autorités fiscales, la recherche d'une solution convenable. Les défendeurs ne sauraient, non plus, se dédire de la promesse au motif que ce contrat ne leur assure aucune garantie en prévision du cas où l'autre partie deviendrait insolvable et suspendrait le service de la rente.
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Sachverhalt ab Seite 52 BGE 90 I 51 S. 52 A.- Am 29. Mai 1963 reichte Patentanwalt X als Vertreter von E. Buban in München und der holländischen Firma N.V.Motorenfabriek Thomassen dem Eidgen. Amt für geistiges Eigentum ein Patentgesuch ein, für das die Priorität einer holländischen Erstanmeldung vom 25. Mai 1962 beansprucht wurde. Da die Prioritätsfrist gemäss Art. 17 PatG und Art. 3 Abs. 3 PatV I bereits am 27. Mai 1963 abgelaufen war, stellte Patentanwalt X gleichzeitig das Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand gemäss Art. 47 PatG . Zur Begründung brachte er vor, er habe den am 9. Mai 1963 erhaltenen Auftrag zur Einreichung des Patentgesuches noch am gleichen Tage bearbeitet und seiner Sekretärin übergeben mit der Weisung, das Gesuch nach sofortiger Ergänzung der Unterlagen dem Amt einzureichen. Infolge eines durch schwere Schicksalsschläge verursachten Zustandes psychischer und physischer Erschöpfung habe diese sonst zuverlässige Angestellte vergessen, den ihr übergebenen Auftrag auszuführen, was er erst am 29. Mai 1963 entdeckt habe. B.- Das Amt hat mit Verfügung vom 29. Oktober 1963 das Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt. C.- Gegen diese Verfügung hat Patentanwalt X namens der Patentbewerber beim Bundesgericht die vorliegende verwaltungsgerichtliche Beschwerde erhoben mit dem Begehren auf Gutheissung des Wiedereinsetzungsgesuches. BGE 90 I 51 S. 53 D.- Das Amt beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung 1. Nach Art. 47 Abs. 1 PatG kann einem Patentbewerber Wiedereinsetzung in den früheren Stand gewährt werden, wenn er glaubhaft zu machen vermag, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer durch das Gesetz oder die Vollziehungsverordnung vorgeschriebenen oder durch das Amt angesetzten Frist verhindert wurde. Bei der Prüfung der Frage, ob Schuldlosigkeit im Sinne dieser Bestimmung vorliege, ist nach der Rechtsprechung ( BGE 87 I 219 ff.) dem Gesuchsteller in analoger Anwendung von Art. 101 OR ein Verschulden seiner Hilfspersonen, wie z.B. des von ihm beigezogenen Patentanwalts, wie auch ein Verschulden von Angestellten und anderen Hilfspersonen desselben, ebenfalls anzurechnen. 2. Die Beschwerdeführer erblicken in der Heranziehung von Art. 101 OR zur Ergänzung bezw. Auslegung des Art. 47 PatG eine unrichtige Anwendung von Bundesrecht. a) Sie weisen einmal darauf hin, dass Art. 101 OR nicht bestimme, der Beauftragte müsse sich die von seinem Angestellten begangenen Fehler in jeder Hinsicht anrechnen lassen; Art. 101 OR regle vielmehr nur die vermögensrechtliche Seite der Haftung für solche Fehler. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Der Ordnung von Art. 101 OR liegt, wie in BGE 87 I 220 dargelegt wurde, der Gedanke zu Grunde, wer zur Erfüllung von Pflichten oder zur Ausübung von Rechten Hilfspersonen beiziehe, statt selber zu handeln, habe auch die Folgen fehlerhaften Verhaltens solcher Hilfspersonen auf sich zu nehmen. Dieser Grundgedanke trifft auch dort zu, wo die Folgen nicht in einer Schadenersatzpflicht des Dienstherrn (hier also des Patentbewerbers) bestehen, sondern in einem Rechtsnachteil anderer Art, den er infolge der Beiziehung von Hilfspersonen erleidet, wie z.B. im Verluste eines Rechtes wegen nicht fristgerechter Ausübung. BGE 90 I 51 S. 54 b) Die Beschwerdeführer haben gegen die Heranziehung von Art. 101 OR ferner Bedenken wegen der Auswirkungen, die eine Wegbedingung der Haftung für Versehen von Angestellten, wozu ein Patentanwalt nach Art. 101 Abs. 2 OR berechtigt wäre, auf Art. 47 PatG hätte; es wäre ihres Erachtens nicht gerecht, das gleiche Versehen verschieden zu beurteilen, je nachdem ob die Haftung nach Art. 101 OR wegbedungen wurde oder nicht. Wie aus dieser Begründung ersichtlich ist, hat die Beschwerde dabei das Auftragsverhältnis zwischen dem Patentbewerber und dem von ihm beigezogenen Patentanwalt im Auge. Denn nur bei dessen Gestaltung besteht für den Patentanwalt die Möglichkeit, seine Haftung für Fehler seiner Angestellten gemäss Art. 101 Abs. 2 OR dem Auftraggeber gegenüber wegzubedingen. Art. 47 PatG jedoch betrifft ausschliesslich die Beziehungen zwischen dem Patentbewerber und dem Amt. Für dieses Rechtsverhältnis ist eine analoge Heranziehung von Abs. 2 des Art. 101 OR , im Gegensatz zu dessen Abs. 1, von vorneherein nicht denkbar. Denn es handelt sich dabei nicht um ein Vertragsverhältnis, bei dem der Patentbewerber das Einstehen für die von ihm beigezogenen Hilfspersonen (d.h. für den Patentanwalt und dessen Personal) dem Amt gegenüber wegbedingen könnte. Ein im Sinne der Ausführungen der Beschwerde zwischen dem Patentbewerber und dem Patentanwalt vereinbarter Ausschluss der Haftung des letztern für sein Personal wäre auf die Rechtsstellung des Patentbewerbers dem Amt gegenüber ohne jeden Einfluss und würde somit nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung ein und desselben Versehens eines Angestellten des Patentanwalts durch das Amt führen, wie die Beschwerdeführer irrtümlich annehmen. Es besteht daher kein Anlass, von der durch BGE 87 I 219 ff. begründeten Rechtsprechung abzuweichen. 3. Die Beschwerdeführer werfen dem Amt vor, die Begründung des angefochtenen Entscheides sei "eigenartig BGE 90 I 51 S. 55 widersprüchlich", weil es einerseits das Vorliegen von Exkulpationsgründen verneine, aber anderseits annehme, es lasse sich zur Not entschuldigen, dass die Sekretärin in ihrem Krankheitszustand den ihr erteilten Auftrag vergessen habe. Diese Rüge geht an der Sache vorbei. Wie aus der Begründung des angefochtenen Entscheides klar ersichtlich ist, hat das Amt die Wiedereinsetzung nicht wegen Unentschuldbarkeit des der Sekretärin unterlaufenen Fehlers verweigert, sondern weil Patentanwalt X die Erledigung des seiner Angestellten erteilten Auftrages nicht mit der gebotenen Sorgfalt überwacht habe. 4. Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, das Amt stelle zu strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Patentanwalts. Dieser sei nicht verpflichtet gewesen, die Erledigung des seiner Sekretärin erteilten Auftrags persönlich zu überwachen. Er habe sich darauf verlassen dürfen, dass diese sonst zuverlässige Angestellte den ihr erteilten, ausdrücklich als dringlich bezeichneten Auftrag auch ausführen werde. Die Überwachung von Fristen sei eine administrative Arbeit, von der ein Patentanwalt sich zugunsten der eigentlich technischen und patentrechtlichen Arbeiten müsse entlasten können. Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Patentanwalt X musste die Möglichkeit erwägen und berücksichtigen, dass seine Sekretärin trotz ihrer Zuverlässigkeit aus irgendwelchen Gründen - Krankheit oder menschliches Versagen - verhindert sein könnte, das ihr übergebene Gesuch innert der zum grössten Teil bereits abgelaufenen Frist an das Amt weiterzuleiten. Dieser Gefahr hatte Patentanwalt X, der sich berufsmässig mit der Ausführung solcher fristgebundener Aufträge befasst, durch eine geeignete Fristenkontrolle zu begegnen. Er wäre daher nach den zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Entscheides mindestens verpflichtet gewesen, die Prioritätsfrist zu notieren und sich spätestens am letzten Tage derselben durch eine Befragung der Sekretärin über die Einreichung BGE 90 I 51 S. 56 des Patentgesuches zu vergewissern. Die Unterlassung jeglicher rechtzeitiger Kontrollmassnahme gereicht ihm zum Verschulden. 5. Die Beschwerde wirft schliesslich dem Amt Willkür im Sinne von Art. 4 BV vor, weil es das in Frage stehende "Büro-Versehen" wesentlich strenger beurteilt habe als ähnliche Versehen in früheren, in den Jahren 1957/58 entschiedenen Fällen. Diese Rüge ist offensichtlich haltlos. Die Entscheidung des Amtes steht, wie oben dargelegt wurde, mit den massgebenden Gesetzesvorschriften in Einklang. Sie kann deshalb nicht willkürlich sein. Ob das Amt in früheren Fällen Art. 47 PatG für den Gesuchsteller günstiger ausgelegt und angewendet hat, ist unerheblich. Es kann einer Behörde nicht verwehrt sein, eine Praxis aufzugeben, die sie in der Folge aus stichhaltigen Gründen als unzutreffend erkennt.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 78 BGE 94 III 78 S. 78 Aus dem Tatbestand: A.- Kurt und Robert Randegger betreiben ihren Vater Julius Randegger gemeinsam für rückständige Unterhaltsbeiträge (Betreibungen Nr. 9675 und 2110). Am 13./23. Juni 1967 pfändete das Betreibungsamt Zürich 2 in diesen (zur Gruppe Nr. 59 zusammengefassten) Betreibungen vom Lohn des Schuldners Fr. 3.80 pro Arbeitsstunde. Nachdem der Schuldner regelmässige Zahlungen an die Gläubigervertreter versprochen hatte, gaben diese am 7./8. Juli 1967 gegenüber dem Betreibungsamte folgende "Erklärung" ab: BGE 94 III 78 S. 79 "Auf Zusehen hin sind wir damit einverstanden, dass a) die verfügte Lohnpfändung mit sofortiger Wirkung sistiert wird, b) die Anzeige an den Arbeitgeber unterbleibt oder widerrufen wird, c) der Einzug der Lohngelder durch das Betreibungsamt unterbleibt. Wir haben davon Kenntnis, dass nach Ablauf der Lohnpfändungsdauer für einen allfällig ungedeckten Betrag kein Verlustschein ausgestellt wird. Wir behalten uns das Recht des Widerrufs dieser Erklärung vor und sind damit einverstanden, dass die Lohnpfändung sofort dann von Amtes wegen angeordnet wird, wenn andere Gläubiger auf der Durchführung der Lohnpfändung bestehen. Allfällig noch eingehende Lohngelder können dem Schuldner ausbezahlt werden." Die Pfändungsurkunde, die auf diese Erklärung hinwies, wurde am 17. Juli 1967 versandt. B.- Am 27. November 1967 pfändete das Betreibungsamt Zürich 2 zugunsten der Gläubiger der Gruppe Nr. 129 "im Anschluss" an die Pfändung zugunsten der Gruppe Nr. 59 vom Lohn des Schuldners wiederum Fr. 3.80 pro Arbeitsstunde. Am 7. Dezember 1967 teilte das Betreibungsamt dem Schuldner mit, diese neue Lohnpfändung bedinge die Wiederaufnahme der einstweilen sistiert gewesenen Lohnpfändung in der Gruppe Nr. 59, und verfügte: "Vom Lohn des Schuldners ... werden mit Wirkung ab 27. November 1967 Fr. 3.80 pro Arbeitsstunde gepfändet, für die Pfändungsgläubiger in Gruppe Nr. 59 längstens bis 13. Juni 1968." C.- Am 17. Dezember 1967 führte der Schuldner gegen die Verfügung vom 7. Dezember 1967 Beschwerde. Er machte u.a. geltend, die Pfändung zugunsten der Gruppe Nr. 59 habe mit dem Einverständnis der Gläubigervertreter "aufgehört" und sei folglich "nicht gültig". Die kantonalen Aufsichtsbehörden und das Bundesgericht weisen die Beschwerde ab.
548
404
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Bedingte Fortsetzungs- und Verwertungsbegehren sind unwirksam ( BGE 85 III 70 f.). Indem ein Gläubiger ein ohne Bedingung gestelltes Begehren unter einer Bedingung, z.B. für BGE 94 III 78 S. 80 den Fall der Leistung einer bestimmten Teilzahlung durch den Schuldner zurückzieht, verwandelt er sein Begehren nachträglich in ein bedingtes, d.h. in ein Begehren, das nur beim Nichteintritt der fraglichen Bedingung, also z.B. bei Nichtleistung der Teilzahlung, gelten soll und deshalb unzulässig ist. Der bedingte Rückzug eines Fortsetzungs- oder Verwertungsbegehrens macht dieses also unwirksam, m.a.W. der bedingte Rückzug eines solchen Begehrens hat die gleichen Folgen wie ein unbedingter Rückzug ( BGE 85 III 71 /72; vgl. BGE 41 III 431 und Ziff. 4 der Erläuterungen auf den obligatorischen Formularen Nr. 4 und 27 für das Fortsetzungs- bzw. Verwertungsbegehren). Ziff. 104 Abs. 3 der vom Obergericht des Kantons Zürich am 11. Februar 1952 erlassenen Anweisung zum SchKG sowie zum GebT, wo "einstweilige Rückzüge von Fortsetzungs- und Verwertungsbegehren, die an die Bedingung einer vom Gläubiger bestimmten Zahlung an das Betreibungsamt geknüpft sind", als zulässig erklärt werden (vgl. BGE 85 III 69 ), ist daher bundesrechtswidrig. 3. Das Verfahren, das im vorliegenden Falle eingeschlagen wurde, weicht vom gesetzlichen Gang des Betreibungsverfahrens noch stärker ab als die Zulassung eines bedingten Rückzugs des Fortsetzungs- oder Verwertungsbegehrens. a) Auf Grund des Fortsetzungsbegehrens in der Betreibung Nr. 9675 ordnete das Betreibungsamt am 13. Juni 1967 eine Lohnpfändung von Fr. 3.80 pro Arbeitsstunde an. Nach Eingang des Fortsetzungsbegehrens in der Betreibung Nr. 21 10 verfügte es am 23. Juni 1967 den Anschluss der Gläubiger dieser Betreibung an die erfolgte Lohnpfändung. Diese war damit vollzogen, dass der Beamte dem Schuldner unter Hinweis auf das Verbot und die Straffolgen einer von Amte nicht bewilligten Verfügung ausdrücklich erklärte, der erwähnte Lohnbetrag sei gepfändet ( BGE 93 III 36 ). Die Eintragung dieser Erklärung ins Pfändungsprotokoll, die nachBGE 74 III 4auch noch zum Pfändungsvollzug zu rechnen wäre und die im vorliegenden Falle übrigens zweifellos erfolgt ist, dient nur der urkundlichen Feststellung und damit dem Beweis der massgebenden Erklärung (vgl. Art. 8 SchKG undBGE 50 III 49). Die Anzeige an den Arbeitgeber, die gemäss Art. 99 SchKG womöglich zu erlassen ist, wenn der Schuldner eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt (obligatorisches Formular Nr. 10), ist kein wesentlicher Bestandteil des Pfändungsvollzugs, sondern es BGE 94 III 78 S. 81 handelt sich dabei wie bei der in Art. 98 SchKG vorgesehenen amtlichen Verwahrung im Falle der Pfändung von Geld, Banknoten usw. ( BGE 63 III 67 , BGE 75 III 108 ) um eine Sicherungsmassnahme, die zum Pfändungsvollzug hinzutritt ( BGE 93 III 36 mit Hinweisen). Eine solche Anzeige ist übrigens im vorliegenden Falle laut Pfändungsurkunde am 14. Juni 1967 erlassen worden. Wurde die von den Gläubigern verlangte Pfändung am 13./23. Juni 1967 vollzogen, so kann die Erklärung betreffend Sistierung der Lohnpfändung, welche die Gläubiger am 7./8. Juli 1967 im Hinblick auf die vom Schuldner versprochenen Zahlungen an sie abgaben, nicht etwa als Rückzug eines noch nicht befolgten Fortsetzungsbegehrens aufgefasst werden. Vielmehr stimmten die Gläubiger mit ihrer Erklärung der Einstellung einer bereits erfolgten Lohnpfändung zu (vgl. lit. a der Erklärung, wo ausdrücklich von Sistierung der "verfügten" Lohnpfändung die Rede ist). b) Die Sistierung der vollzogenen Lohnpfändung, der die Gläubiger zustimmten, war nicht bloss so gemeint, dass lediglich die Anzeige an den Arbeitgeber zu widerrufen sei und der Schuldner die gepfändete Lohnquote selbst an das Betreibungsamt abzuliefern habe, wie es bei der Pfändung von Trinkgeldern und von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu geschehen hat ( BGE 79 III 158 , BGE 93 III 36 /37). Vielmehr erklärten sich die Gläubiger ausdrücklich damit einverstanden, dass der Einzug der Lohngelder durch das Betreibungsamt unterbleibe und dass allfällig noch eingehende Lohngelder dem Schuldner ausbezahlt werden. Damit stimmten die Gläubiger der Aufhebung der Lohnpfändung selbst zu. Die Gläubiger taten das freilich nur auf Zusehen hin und behielten sich ausdrücklich den Widerruf ihrer Erklärung vor. Diese Befugnis wollten sie sich offenbar vor allem für den Fall wahren, dass der Schuldner die versprochenen Zahlungen an sie nicht leisten sollte. Ausserdem sollte die Sistierung nach der Erklärung vom 7./8. Juli 1967 ausser Kraft treten, wenn andere Gläubiger eine Lohnpfändung verlangen sollten. Das Gesetz gestattet dem betreibenden Gläubiger jedoch nicht, unter Vorbehalt des Widerrufs oder des Eintritts einer bestimmten äussern Tatsache auf eine vom Betreibungsamt auf sein Begehren bereits vollzogene Pfändung zu verzichten. Er kann den gesetzlich geregelten Gang des Betreibungsverfahrens nur durch BGE 94 III 78 S. 82 die Stellung der im Gesetz vorgesehenen Begehren und durch den (unbedingten) Rückzug noch nicht befolgter Begehren oder der Betreibung als solcher unmittelbar beeinflussen. Wo das Gesetz einen Aufschub von Betreibungshandlungen, einen Stillstand oder die Einstellung der Betreibung vorsieht (Art. 36, 57 ff., 77 Abs. 3, 78 Abs. 1, 85, 107 Abs. 2, 123 Abs. 1, 173, 186, 297 Abs. 1, 317 b Abs. 4, 317 g SchKG), treten diese Rechtswirkungen nicht auf Antrag des Gläubigers, sondern auf Anordnung einer Behörde oder von Gesetzes wegen ein. Zudem werden in diesen Fällen nicht bereits vollzogene Betreibungshandlungen rückgängig gemacht, wie das mit der durch die Erklärung vom 7./8. Juli 1967 bewilligten Aufhebung der Lohnpfändung geschah. Den Verzicht auf eine vollzogene Pfändung unter dem Vorbehalt auszusprechen, dass dieser Verzicht widerruflich sei und bei Eintritt bestimmter Tatsachen von selbst ausser Kraft treten solle, ist also nach dem Gesetz ausgeschlossen. Ein bedingter Verzicht auf eine bereits vollzogene Pfändung kann noch weniger zugelassen werden als ein bedingter Rückzug eines noch nicht befolgten Fortsetzungsbegehrens. Nimmt das Betreibungsamt einen solchen Verzicht entgegen und hebt es gestützt darauf die Pfändung auf, wie es hier geschehen ist, so fällt damit grundsätzlich die Betreibung als solche dahin. Der Gläubiger, der in die Aufhebung der auf sein Begehren vollzogenen Pfändung eingewilligt hat, kann in der gleichen Betreibung kein neues Fortsetzungsbegehren stellen ( BGE 28 I 226 - Sep.ausg. 5 S. 129 f.; JAEGER N. 6 C zu Art. 88 SchKG ; FAVRE, Droit des poursuites, 2. Aufl., S. 171 f.). 4. Auf Grund dieser Erwägungen wären die Betreibungen Nr. 9675 und 21 10 als zurückgezogen zu betrachten. Diese Annahme verstiesse jedoch angesichts der besonderen Umstände des Falles gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, den das ZGB in Art. 2 ausgesprochen hat und der nach heutiger Auffassung auch im Betreibungsverfahren zu beachten ist ( BGE 85 III 29 mit Hinweisen). a) Das Formular, das die Gläubiger für die Erklärung vom 7./8. Juli 1967 benützten, wurde vom Betreibungsamt aufgesetzt und vervielfältigt. Die Gläubiger durften sich deshalb darauf verlassen, dass es einen gesetzlich zulässigen Inhalt habe. Sie brauchten nicht zu befürchten, dass die in dieser Erklärung vorgesehene Sistierung der Lohnpfändung die Betreibung dahinfallen lasse. Das Betreibungsamt durfte ihnen daher nach Treu BGE 94 III 78 S. 83 und Glauben nicht entgegenhalten, die von ihnen unterzeichnete Erklärung bedeute den Rückzug der Betreibung, so dass es nicht zulässig sei, die Lohnpfändung in den darin vorgesehenen Fällen wiederaufleben zu lassen. Das Betreibungsamt hat denn auch diesen Standpunkt nicht eingenommen, sondern die Lohnpfändung zugunsten der Gläubiger der Betreibungen Nr. 9675 und 2110 wieder in Kraft gesetzt, nachdem andere Gläubiger das Fortsetzungsbegehren gestellt hatten. b) Der Schuldner hat die von ihm gewünschte "Sistierung" der Lohnpfändung dadurch erreicht, dass er den Gläubigern regelmässige Zahlungen versprach. Dieses Versprechen hat er nur sehr mangelhaft erfüllt. Er kann sich daher nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, der in der Erklärung vom 7./8. Juli 1967 für diesen Fall sowie für den Fall des Eingangs weiterer Pfändungsbegehren angebrachte Vorbehalt sei ungültig und die Bewilligung der Sistierung der Lohnpfändung bedeute in Wirklichkeit den Rückzug der Betreibungen. Aus diesen Gründen ist die Verfügung vom 7. Dezember 1967, mit welcher das Betreibungsamt die Lohnpfändung zugunsten der Betreibungen Nr. 9675 und 2110 wieder in Kraft gesetzt hat, nicht zu beanstanden, obwohl das in der Erklärung vom 7./8. Juli 1967 vorgezeichnete Verfahren an sich ungesetzlich war.
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Sachverhalt ab Seite 66 BGE 106 V 65 S. 66 A.- Der 1913 geborene Schweizer Bürger Ernst Schwegler war in Frankreich wohnhaft und für die Firma A in Oftringen sowie für die Firma B S.A. in Paris, eine Tochtergesellschaft der Firma A, tätig gewesen. Er entrichtete Beiträge an die französische Sozialversicherung auf den Bezügen seitens der Firma B und ab 1968 solche an die AHV/IV/EO auf dem ihm von der Firma A in der Schweiz ausgerichteten Salär. Die Beitragsabrechnung auf dem in der Schweiz bezogenen Einkommen erfolgte über die Ausgleichskasse der Aargauischen Industrie- und Handelskammer. Nach Erhalt eines Rundschreibens des Schweizer Konsulates in Nizza reichte Ernst Schwegler am 28. Dezember 1973 eine Beitrittserklärung zur freiwilligen AHV und IV für Auslandschweizer ein. Mit Verfügungen vom 26. März und 19. Juni 1974 setzte das Konsulat seine Beiträge aufgrund des in Frankreich erzielten Einkommens für das Jahr 1973 auf Fr. 8'367.60 und für die Jahre 1974 und 1975 auf je Fr. 9'006.-- fest. Auf eine gegen das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen gerichtete Einsprache wurde wegen Verspätung nicht eingetreten, worauf Ernst Schwegler am 15. November 1974 die Beiträge für die Jahre 1973 und 1974 bezahlte. Am 25. April 1975 teilte Ernst Schwegler dem Konsulat mit, sein Beitritt zur freiwilligen Versicherung sei irrtümlich erfolgt, da er schon aufgrund des in der Schweiz der Beitragspflicht unterstellten Einkommens Anspruch auf die maximale Rente habe und auf dem in Frankreich bezogenen Einkommen Beiträge an die französische Sozialversicherung entrichte. Der Beitritt zur freiwilligen Versicherung sei daher rückgängig zu machen, und es seien ihm die im November 1974 bezahlten Beiträge zurückzuerstatten. Die Schweizerische Ausgleichskasse wies das Begehren ab mit der Feststellung, dass die Erfassung des in Frankreich erzielten Einkommens aufgrund des Beitritts zur freiwilligen Versicherung zu Recht erfolgt sei und dass die Beitragspflicht fortbestehe, solange keine Austrittserklärung vorliege (Verfügung vom 19. Februar 1976). BGE 106 V 65 S. 67 B.- Beschwerdeweise liess Ernst Schwegler geltend machen, aus Art. 2 Abs. 1 und 2 AHVG gehe klar hervor, dass nur solche Schweizer Bürger der freiwilligen Versicherung beitreten könnten, die nicht gemäss Art. 1 AHVG obligatorisch versichert seien. Da er nach Art. 1 Abs. 1 lit. c AHVG obligatorisch versichert gewesen sei, erweise sich der Beitritt zur freiwilligen Versicherung als ungültig, weshalb die entrichteten Beiträge nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuerstatten seien. Die Schweizerische Ausgleichskasse vertrat demgegenüber die Auffassung, dass Art. 2 AHVG nicht streng dem Wortlaut nach auszulegen sei und dass Schweizer Bürger, die für einen Teil des Einkommens obligatorisch versichert seien, die Möglichkeit hätten, für das im Ausland bezogene Einkommen Beiträge an die freiwillige Versicherung zu leisten. Im vorliegenden Fall frage sich indessen, ob Ernst Schwegler im Hinblick auf das im Sozialversicherungsabkommen mit Frankreich statuierte Erwerbsortsprinzip zu Recht der obligatorischen Versicherung unterstellt worden sei. Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen wies die Beschwerde mit Präsidialentscheid vom 27. Juni 1978 ab. Mit der Schaffung der freiwilligen Versicherung habe man den Auslandschweizern Gelegenheit einräumen wollen, sich möglichst umfassend, d.h. auf dem gesamten Einkommen versichern zu können. Dies setze voraus, dass der Versicherte, welcher Beiträge an die obligatorische Versicherung für das in der Schweiz erzielte Einkommen entrichte, auf dem im Ausland erzielten Teil des Einkommens Beiträge an die freiwillige Versicherung leisten könne. Art. 2 AHVG sei daher im Sinne der Verwaltungsweisungen weit auszulegen. Weil der Beitritt Ernst Schweglers zur freiwilligen Versicherung rechtsgültig sei, entfalle eine Rückerstattung der entrichteten Beiträge. Etwas anderes ergebe sich auch aus dem Sozialversicherungsabkommen mit Frankreich in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung vom 9. Juli 1949 nicht. C.- Ernst Schwegler lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Antrag, in Aufhebung der Verfügung vom 19. Februar 1976 sei festzustellen, dass sein Beitritt zur freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer vom 28. Dezember 1973 ungültig sei, und es sei die Schweizerische Ausgleichskasse BGE 106 V 65 S. 68 zu verpflichten, ihm die geleisteten Beiträge, zuzüglich Zins von 5% ab 15. November 1974, zurückzuerstatten. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht, die Auffassung der Vorinstanz, wonach sich eine der obligatorischen Versicherung angeschlossene Person gleichzeitig freiwillig versichern könne, widerspreche dem klaren Wortlaut von Art. 1 und 2 AHVG sowie dem Sinn der gesetzlichen Regelung und lasse sich nicht mit der Annahme einer echten oder unechten Gesetzeslücke begründen. Die von der Vorinstanz herangezogenen Verwaltungsweisungen seien für den Richter nicht verbindlich und auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Weil er auch im Hinblick auf das Sozialversicherungsabkommen mit Frankreich zu Recht der obligatorischen Versicherung unterstellt worden sei, habe kein Beitritt zur freiwilligen Versicherung erfolgen können. Zudem wäre es Sache des Schweizer Konsulates gewesen, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse näher zu prüfen und ihn entsprechend zu orientieren. Die streitige Verfügung sei daher auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aufzuheben. Die Schweizerische Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt ist der Meinung, das Erwerbsortsprinzip habe schon unter der Herrschaft des Sozialversicherungsabkommens aus dem Jahre 1949 Geltung gehabt, so dass sich die Frage stelle, ob Ernst Schwegler nicht zu Unrecht der obligatorischen Versicherung angeschlossen worden sei, was von der Ausgleichskasse der Aargauischen Industrie- und Handelskammer zu prüfen sei. D.- Ernst Schwegler ist am 26. Januar 1979 gestorben. Die gesetzlichen Erben sind als Beschwerdeführer in das Verfahren eingetreten.
1,195
970
Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Verfügung vom 19. Februar 1976, mit welcher es die Schweizerische Ausgleichskasse abgelehnt hat, den auf den 1. Januar 1973 erfolgten Beitritt Ernst Schweglers zur freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer rückgängig zu machen und die für die Jahre 1973 und 1974 entrichteten Beiträge zurückzuerstatten. Ausserhalb der streitigen Verfügung liegt die von der Verwaltung BGE 106 V 65 S. 69 aufgeworfene Frage nach der Rechtmässigkeit der Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium für das vom schweizerischen Arbeitgeber bezogene Einkommen. Diese Frage ist jedoch wegen ihres engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs mit dem Streitgegenstand in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. BGE 104 V 179 ). 2. Zu prüfen ist zunächst, ob der am 28. Dezember 1973 erfolgte Beitritt zur freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer rechtsgültig war im Hinblick darauf, dass Ernst Schwegler auf dem vom schweizerischen Arbeitgeber bezogenen Einkommen Beiträge als obligatorisch Versicherter entrichtet hat. a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 AHVG können sich die im Ausland niedergelassenen Schweizer Bürger, die nicht nach Art. 1 AHVG versichert sind, freiwillig versichern, sofern sie das 50. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben. Nach Absatz 2 der Bestimmung können Schweizer Bürger, die aus der obligatorischen Versicherung ausscheiden, die Versicherung ohne Rücksicht auf ihr Alter freiwillig weiterführen. Art. 1 der Verordnung über die freiwillige AHV und IV für Auslandschweizer (VFV) bestimmt, dass als im Ausland niedergelassene Schweizer Bürger im Sinne von Art. 2 AHVG die nicht gemäss Art. 1 dieses Gesetzes versicherten Personen gelten, welche das Schweizerbürgerrecht besitzen, ihren Wohnsitz im Ausland haben und in der Konsularmatrikel der zuständigen schweizerischen Auslandvertretung eingetragen sind. Nach diesen Bestimmungen ist eine gleichzeitige freiwillige und obligatorische Versicherung grundsätzlich ausgeschlossen. Es liesse sich denn auch mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbaren, dass sich obligatorisch versicherte Schweizer Bürger mit Wohnsitz im Ausland für das gleiche Einkommen auch freiwillig versichern könnten. Anders verhält es sich im Falle von Auslandschweizern, die ihr Einkommen teils von einem schweizerischen und teils von einem ausländischen Arbeitgeber beziehen. In solchen Fällen ist der mit der freiwilligen Versicherung angestrebte Versicherungsschutz nur gewährleistet, wenn sich der Auslandschweizer zusätzlich freiwillig versichern kann. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführer hätte zur Folge, dass Schweizer Bürger mit Wohnsitz im Ausland, die einen Teil des Einkommens von einem schweizerischen Arbeitgeber beziehen, schlechter gestellt wären als diejenigen Auslandschweizer, BGE 106 V 65 S. 70 die das gesamte Einkommen im Ausland erzielen. Dies kann nicht Sinn der gesetzlichen Ordnung sein. Rechtsprechung und Verwaltungspraxis haben daher seit jeher Ausnahmen vom Grundsatz zugelassen, dass die Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium eine gleichzeitige freiwillige Versicherung ausschliesst (nicht veröffentlichte Urteile vom 20. Oktober 1958 i.S. Guttmann, vom 26. Januar 1959 i.S. Balmer und vom 25. Juli 1968 i.S. Piasio S.A.; vgl. auch Rz 26 des Kreisschreibens über die Versicherungspflicht vom 1. Juni 1961 sowie Rz 48 der Wegleitung zur freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer, gültig ab 1. Juli 1977). Der Vorinstanz ist somit darin beizupflichten, dass der im Ausland für einen schweizerischen Arbeitgeber tätige und dabei obligatorisch versicherte Schweizer Bürger mit Wohnsitz im Ausland für die gleichzeitig für einen ausländischen Arbeitgeber ausgeübte Tätigkeit der freiwilligen Versicherung beitreten kann. Hierin kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keine unzulässige richterliche Rechtsfindung erblickt werden. Weil es der Gesetzgeber unterlassen hat, für Fälle der vorliegenden Art die erforderliche Ausnahmebestimmung aufzustellen, liegt eine (unechte) Gesetzeslücke vor. Diese führt zu derart unbefriedigenden Ergebnissen, dass sie vom Richter auszufüllen ist (vgl. MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I S. 230 mit Hinweisen). b) Der Einwand der Beschwerdeführer, der Beitritt Ernst Schweglers zur freiwilligen Versicherung sei nach der gesetzlichen Regelung zu Unrecht erfolgt, geht somit fehl. Es fragt sich aber, ob sich eine Beitragsrückerstattung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Schweizer Konsulat hätte die tatsächlichen Verhältnisse näher prüfen und Ernst Schwegler darauf aufmerksam machen müssen, dass er schon aufgrund der Beiträge an die obligatorische Versicherung Anspruch auf die Höchstrente haben werde. In dieser allgemeinen Form kann dem Konsulat kein Verstoss gegen Treu und Glauben vorgeworfen werden. Aus der Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung geht aber hervor, dass das Konsulat von der Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium Kenntnis hatte und dass sich Ernst Schwegler in Zusammenhang mit dem Beitritt zur freiwilligen Versicherung über seine künftigen Rentenansprüche erkundigt hatte. Ob und BGE 106 V 65 S. 71 gegebenenfalls welche Auskunft ihm das Konsulat hierauf erteilt hat, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Auch machte Ernst Schwegler den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht von der verlangten Auskunft abhängig, noch hat er in der Folge auf einer Beantwortung der gestellten Fragen beharrt. Es erscheint daher als zweifelhaft, ob sich eine Beitragsrückerstattung mit dem Vertrauensschutzprinzip begründen liesse. Eine nähere Prüfung dieser Frage erübrigt sich indessen, weil Ernst Schwegler - wie sich aus dem folgenden ergibt - zu Unrecht dem Versicherungsobligatorium unterstellt worden ist, womit auch die Grundlage der geltend gemachten nachteiligen Disposition entfällt. 3. a) Nach Art. 1 Abs. 1 AHVG sind Schweizer Bürger mit Wohnsitz und Erwerbstätigkeit im Ausland grundsätzlich nicht obligatorisch versichert. Eine Ausnahme sieht lit. c der Bestimmung für Schweizer Bürger vor, die im Ausland für einen Arbeitgeber in der Schweiz tätig sind und von diesem entlöhnt werden. Vorbehalten bleiben hievon abweichende staatsvertragliche Vereinbarungen. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des auf den 1. November 1976 in Kraft getretenen Abkommens mit Frankreich über Soziale Sicherheit vom 3. Juli 1975 unterstehen Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Vertragsstaates erwerbstätig sind, der Gesetzgebung dieses Vertragsstaates, auch wenn sie im Gebiet des andern Vertragsstaates wohnen oder wenn sich ihr Arbeitgeber oder der Sitz des Unternehmens, das sie beschäftigt, im Gebiet des andern Vertragsstaates befindet. In dem bis Ende Oktober 1976 gültig gewesenen und auf den vorliegenden Fall anwendbaren Abkommen vom 9. Juli 1949 fehlt eine entsprechende Bestimmung. Aus den Art. 3 und 4 des Staatsvertrages, mit welchen eine Reihe von Sonderfällen geregelt wird, ergibt sich indessen, dass die vertragschliessenden Parteien schon im Rahmen dieses Abkommens vom Erwerbsortsprinzip ausgegangen sind. Hiefür spricht auch der mit dem Zusatzabkommen vom 14. April 1961 auf den 1. Juli 1961 in Kraft getretene Art. 4bis des Abkommens. Danach können die Vertragsparteien "neben den in den Art. 3 und 4 des Abkommens erwähnten Abweichungen in gegenseitigem Einvernehmen in gewissen Sonderfällen weitere Ausnahmen von der Unterstellung unter die Gesetzgebung des Landes, in dem der Arbeitsort liegt, vorsehen". Art. 4bis bestätigt somit den in den Art. 3 und 4 des Abkommens sinngemäss BGE 106 V 65 S. 72 enthaltenen Grundsatz, dass das Recht jenes Staates anwendbar ist, in welchem die für die Versicherung massgebende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (nicht veröffentlichte Urteile vom 27. August 1964 i.S. Bernard, vom 9. Juni 1972 i.S. Stoetzer und vom 25. September 1974 i.S. Matzinger). b) Da Ernst Schwegler ausschliesslich in Frankreich erwerbstätig war, ist er nach der staatsvertraglichen Regelung auch für das seitens des schweizerischen Arbeitgebers bezogene Einkommen vom Versicherungsobligatorium ausgenommen. Die Unterstellung unter die Beitragspflicht gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. c AHVG erfolgte somit zu Unrecht, weshalb die entsprechenden Beiträge an sich zurückzuerstatten sind. Im Hinblick auf die damit verbundene, für den Rentenanspruch wesentliche Beitragslücke (Jahre 1968 bis 1972) fragt sich indessen, ob nicht nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes von einer Beitragsrückerstattung abzusehen ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben, wie er im Verwaltungsrecht Geltung hat, bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Nach der Rechtsprechung gilt eine falsche behördliche Auskunft als bindend, wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat, wenn sie für die Erteilung der Auskunft zuständig war, wenn der Bürger die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennen konnte, wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine Änderung erfahren hat (ZAK 1979 S. 152). Diese Ordnung gilt umso mehr, wenn die Behörde nicht nur eine Auskunft erteilt, sondern Anordnungen getroffen hat. Auch gilt der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur dann, wenn der Bürger Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, sondern auch dann, wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der behördlichen Auskunft oder Anordnung es unterlassen hat, Dispositionen zu treffen, die nicht ohne Nachteil nachgeholt werden können (nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Juni 1976 i.S. Neinhaus). Zwar können sich die Beschwerdeführer nicht darauf berufen, Ernst Schwegler hätte bei Nichtunterstellung unter das BGE 106 V 65 S. 73 Versicherungsobligatorium im Jahre 1968 der freiwilligen Versicherung beitreten können. Eine Beitrittsmöglichkeit eröffnete sich ihm erst auf den 1. Januar 1973 aufgrund der Übergangsbestimmungen zur 8. AHV-Revision (Ziffer VII/1a des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1972). Der aus der Nichtunterstellung unter das Versicherungsobligatorium sich ergebenden Beitragslücke hätte er jedoch auf andere Weise, beispielsweise durch (zusätzliche) Beitragsleistungen an die französische Sozialversicherung oder durch private Versicherung Rechnung tragen können. Es ist daher davon auszugehen, dass er es zufolge der unrichtigen behördlichen Anordnung unterlassen hat, Dispositionen zu treffen, die nicht ohne Nachteil nachgeholt werden konnten. Da auch die übrigen Voraussetzungen gegeben sind und das Interesse der Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung der unrichtigen behördlichen Anordnung gegenüber demjenigen der Verwaltung an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts überwiegt, ist von einer Rückerstattung der an die obligatorische Versicherung entrichteten Beiträge abzusehen mit der Folge, dass die entsprechenden Beiträge rentenbildend sind. Dies gilt auch für die während der Dauer der freiwilligen Versicherung bezahlten Beiträge, weil Ernst Schwegler bei Nichtunterstellung unter das Versicherungsobligatorium und Beitritt zur freiwilligen Versicherung Beiträge auf dem gesamten Einkommen hätte entrichten müssen. 4. Was schliesslich die von der Schweizerischen Ausgleichskasse geltend gemachte Nachforderung von Beiträgen an die freiwillige Versicherung für die Jahre 1975 bis 1978 betrifft, ist das Schreiben Ernst Schweglers vom 25. April 1975 als Rücktrittserklärung zu werten, weshalb eine Beitragspflicht für die Zeit ab dem 1. Januar 1976 entfällt. Dagegen ist der bei Entstehung des Rentenanspruchs am 1. September 1978 noch nicht verwirkt gewesene Beitrag für das Jahr 1975 gemäss Art. 16 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 AHVG mit der Rente zu verrechnen.
2,335
1,878
Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die von Ernst Schwegler zufolge Unterstellung unter das Versicherungsobligatorium entrichteten Beiträge rentenbildend sind.
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Sachverhalt ab Seite 496 BGE 131 III 495 S. 496 A. Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland reichte am 27. Juni 2001 beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum ein Gesuch ein um Eintragung des Wortes FELSENKELLER als Garantiemarke für Käse (Internationale Warenklasse 29). Nach einer Beanstandung des Instituts, wonach das Zeichen - eine Herkunftsangabe sei, die auf den Ort der Herstellung oder Lagerung des so bezeichneten Käses hinweise, - beschreibend sei, - der Unterscheidungskraft entbehre, - freihaltebedürftig sei, - zum Gemeingut gehöre, und nach einer brieflichen Auseinandersetzung mit der Gesuchstellerin wies das Institut das Eintragungsgesuch mit Verfügung vom 29. September 2003 gestützt auf Art. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 30 Abs. 2 lit. c MSchG (SR 232.11) vollumfänglich zurück. B. Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland erhob bei der Eidgenössischen Rekurskommission für Geistiges Eigentum Beschwerde mit den Anträgen, die Verfügung des Instituts aufzuheben und dieses anzuweisen, die Garantiemarke FELSENKELLER (Hinterlegungsgesuch Nr. 6348/2001) im schweizerischen Markenregister einzutragen, eventualiter die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Institut anzuweisen, die Marke mit modifiziertem Reglement im Markenregister einzutragen.
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Mit Entscheid vom 10. September 2004 hiess die Rekurskommission die Beschwerde in dem Sinne gut, dass die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung im Sinne der Erwägungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz BGE 131 III 495 S. 497 zurückgewiesen wurde. Die Rekurskommission gelangte im Gegensatz zum Institut zum Ergebnis, dass FELSENKELLER als Garantiemarke ins Register eingetragen werden könne, wies die Sache indessen an das Institut zurück zur Prüfung der Frage, ob das Reglement den Vorschriften der Art. 21 und 23 MSchG sowie den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entspreche und ob es für alle von der hinterlegten Garantiemarke beanspruchten Käsesorten sinnvoll und anwendbar sei. C. Gegen den Entscheid der Rekurskommission vom 10. September 2004 haben das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (nachfolgend: das Institut) und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (abgekürzt: EJPD) Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit den Anträgen, diesen Entscheid aufzuheben und das Markeneintragungsgesuch vollumfänglich zurückzuweisen. Das EJPD hat selbst keine Beschwerdeschrift eingereicht, jedoch das Institut "zur Beschwerdeführung im Namen des Departements ermächtigt" für den Fall, dass das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation des Instituts verneint. Im Rubrum der Beschwerdeschrift wurden das Institut und "eventualiter" das EJPD als Beschwerdeführer aufgeführt. Auf Anfrage des Instruktionsrichters des Bundesgerichts vom 18. Februar 2005 bestätigte der Vorsteher des EJPD am 4. März 2005 schriftlich, dass dieses die vom Institut im Namen des EJPD eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich zu seiner eigenen erkläre. Sowohl die Eidgenössische Rekurskommission für Geistiges Eigentum wie auch die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland haben sich zu den Verwaltungsgerichtsbeschwerden vernehmen lassen. Die Sortenorganisation beantragt die Abweisung der Beschwerden. Die Rekurskommission stellt den Antrag, auf die Beschwerde des Instituts nicht einzutreten und jene des EJPD abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid einer eidgenössischen Rekurskommission ist gemäss Art. 103 lit. b OG das in der Sache zuständige Departement berechtigt oder, soweit es das Bundesrecht vorsieht, die in der Sache BGE 131 III 495 S. 498 zuständige Dienstabteilung der Bundesverwaltung. Das Institut betrachtet sich gestützt auf Art. 28 Abs. 1 der Verordnung vom 3. Februar 1993 über Organisation und Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen (VRSK; SR 173.31) als beschwerdeberechtigt. Es verweist zudem auf das Bundesgesetz vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGEG; SR 172.010.31), nach dessen Art. 1 ihm die Stellung einer öffentlichrechtlichen Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit zukomme. Nach Art. 28 Abs. 1 VRSK sind die Bundeskanzlei, das Generalsekretariat der Bundesversammlung und letzte Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide von Kommissionen berechtigt, wenn sie Vorinstanz einer Rekurskommission oder am Verfahren vor einer Schiedskommission beteiligt waren. Ausschlaggebend ist im vorliegenden Fall die Frage, ob es sich beim Institut um eine autonome Anstalt im Sinne von Art. 28 Abs. 1 VRSK handelt. Dies ist auf Grund der Bestimmungen des vom Institut selbst angerufenen IGEG zu verneinen. In Absatz 1 von Art. 1 dieses Gesetzes wird das Institut zwar als Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet, im folgenden zweiten Absatz indessen festgehalten, das Institut sei lediglich "in seiner Organisation und Betriebsführung selbständig". In der Botschaft des Bundesrates vom 30. Mai 1994 wird darauf hingewiesen, das Institut verfüge über eine differenzierte Autonomie in dem Sinne, dass die in Art. 1 Abs. 2 IGEG nicht erwähnten Tätigkeiten, die in den Aufgabenbereich des Instituts fallen - also in erster Linie die hoheitlichen -, von der inhaltlichen Autonomie des Instituts nicht erfasst werden. Hier ist vielmehr die Bindung an die Spezialgesetze ( Art. 2 Abs. 1 lit. b IGEG ) bzw. an die Weisungen des Bundesrates oder des zuständigen Departements ( Art. 5 Abs. 1 IGEG ) zu beachten. Im hoheitlichen Bereich besteht bloss eine beschränkte Autonomie des Instituts, bedingt durch dessen Einbettung in die Bundesverwaltung und das Weisungsrecht des Bundesrates (BBl 1994 III 964 ff., S. 977 unten und S. 990). Damit fehlt es dem Institut an der nötigen Autonomie im Sinne von Art. 28 Abs. 1 VRSK , weshalb es sich nicht auf Art. 103 lit. b OG berufen kann und nicht berechtigt ist, den Entscheid der Rekurskommission mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten. Auf seine Beschwerde ist nicht einzutreten. Unter diesen Umständen braucht die von der Rekurskommission BGE 131 III 495 S. 499 aufgeworfene Frage, ob nicht ohnehin eine Ermächtigungsnorm auf Gesetzesstufe vorhanden sein müsste, nicht beantwortet zu werden. 2.2 Nun ist aber das EJPD als das in der Sache zuständige Departement gemäss Art. 103 lit. b OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt. Das Departement führt indes nicht selbst Beschwerde. Der Generalsekretär des Departementes hat dem Institut mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 im Wesentlichen nur mitgeteilt: "Sollte das Bundesgericht wider Erwarten die eigene Beschwerdelegitimation des IGE verneinen, wird das Institut hiermit ausdrücklich zur Beschwerdeführung im Namen des Departementes ermächtigt. Gemäss departementsinterner Regelung ist der Unterzeichnende befugt, die entsprechende Zustimmung zu erteilen." Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde auf dem Geschäftspapier des Institutes mit Datum vom 11. Oktober 2004, das heisst nach dem Ermächtigungsschreiben des Generalsekretärs des Departementes vom 8. Oktober 2004 verfasst. Im Rubrum wird das Departement neben dem Institut nur "eventualiter" als Beschwerdeführer aufgeführt. Mit Brief an den Vorsteher des EJPD vom 18. Februar 2005 stellte der Instruktionsrichter des Bundesgerichts fest, dass das Schreiben des Generalsekretärs des Departementes vom 8. Oktober 2004 nicht genüge, um den klaren Willen des Departements zur Beschwerdeführung aufzuzeigen. Gleichzeitig wurde dem Departement eine Frist von zwanzig Tagen angesetzt zur Abgabe einer unmissverständlichen Verlautbarung. Am 4. März 2005 bestätigte der Vorsteher des EJPD schriftlich, dass das Departement die vom Institut in seinem Namen am 11. Oktober 2004 eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Sachen "Felsenkeller" ausdrücklich zu seiner eigenen erkläre. Somit ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Departementes - als das in der Sache zuständige Departement gemäss Art. 103 lit. b OG - einzutreten. 3. 3.1 Die Rekurskommission hat in ihrem Entscheid vom 10. September 2004 im Wesentlichen erwogen, die Garantiemarke werde nicht zu Unterscheidungszwecken eingesetzt und deshalb sei das Vorhandensein von Unterscheidungskraft nicht unabdingbares Wesensmerkmal einer solchen Marke. In der Lehre seien die Meinungen darüber geteilt, ob der Ausschlussgrund des Gemeingutes auch auf Garantiemarken Anwendung finde. Nach der Botschaft BGE 131 III 495 S. 500 des Bundesrates zum Markenschutzgesetz sei dieser Ausschlussgrund nur "dem Grundsatz nach" auf solche Marken anwendbar. Die Funktion der Garantiemarke bestehe darin, die im Reglement umschriebenen Produktemerkmale zu gewährleisten, und setze keine Unterscheidungskraft des Zeichens voraus. Deshalb könne es auch zum Gemeingut gehören und zum Beispiel in einer Herkunftsangabe bestehen. Nur das Freihaltebedürfnis zugunsten der Konkurrenz sei vorzubehalten. Für das Zeichen FELSENKELLER sei jedoch kein Freihaltebedürfnis erkennbar. Mit dem Merkmal "höhlengereift" stehe ein anderer Ausdruck zur Verfügung, der auch tatsächlich gebraucht werde. 3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Rekurskommission habe Art. 2 und Art. 21 MSchG verletzt, indem sie das Zeichen FELSENKELLER für eine eintragungsfähige Garantiemarke gehalten habe. Er bringt in diesem Zusammenhang vor, ein Zeichen ohne Unterscheidungskraft könne keinen Markenschutz beanspruchen, da die Marke ein Zeichen ist, das nach der Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1 MSchG "geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden". Deshalb seien Zeichen, die zum Gemeingut gehören, vom Markenschutz ausgeschlossen, ausser wenn sie sich im Verkehr durchgesetzt haben ( Art. 2 lit. a MSchG ). Zum gleichen Ergebnis gelange man durch eine Auslegung von Art. 21 Abs. 1 MSchG . Die Bestimmung finde sich im 2. Kapitel des MSchG, das die Garantiemarke und die Kollektivmarke regle und dem das 1. Kapitel mit den Allgemeinen Bestimmungen vorangehe, die auch für das 2. Kapitel Geltung hätten und wovon die Begriffsdefinition von Art. 1 sowie der Schutzausschlussgrund von Art. 2 lit. a MSchG auch für die Garantiemarke gelte. Nach dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 MSchG diene die Garantiemarke dazu, "die Beschaffenheit, die geographische Herkunft, die Art der Herstellung oder andere gemeinsame Merkmale von Waren oder Dienstleistungen" der zum Gebrauch der Garantiemarke berechtigten Unternehmen zu gewährleisten, und insofern habe auch die Garantiemarke eine Unterscheidungsfunktion. Sie diene der Unterscheidung zwischen diesen Produkten und den Produkten aller Unternehmen, die zum Gebrauch der Garantiemarke nicht berechtigt sind. Selbst unter dem teleologischen Aspekt sei BGE 131 III 495 S. 501 eine von der Garantiemarke zu erfüllende Unterscheidungsfunktion nicht zu bestreiten. Die Garantiemarke müsse zum Ausdruck bringen, für welche Produkte sie berechtigterweise gebraucht werde und für welche nicht. Rein beschreibende Zeichen könnten diese Aufgabe nicht erfüllen. 4. Die Garantiemarke ist nach der Legaldefinition von Art. 21 Abs. 1 MSchG ein Zeichen, das unter der Kontrolle des Markeninhabers von verschiedenen Unternehmen gebraucht wird und dazu dient, die Beschaffenheit, die geographische Herkunft, die Art der Herstellung oder andere gemeinsame Merkmale von Waren oder Dienstleistungen dieser Unternehmen zu gewährleisten. Die Gewährleistung der gemeinsamen, produktespezifischen Eigenschaften ist begriffswesentlich (WILLI, Markenschutzgesetz: MSchG, Zürich 2002, N. 1 zu Art. 21 MSchG ). Mit der Einführung der Garantiemarke im Rahmen des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 wurde dem Bedürfnis nach einem eigentlichen markenrechtlich geschützten Gütezeichen entsprochen (MARTIN THOMANN, Zur Garantiemarke nach schweizerischem Recht, SJZ 92/1996 S. 325 ff., 326). In der Praxis sind es vielfach Güte- und Prüfzeichen für technische Vorrichtungen, Apparate und Geräte, welche die Funktion einer Garantiemarke erfüllen (Botschaft des Bundesrates vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 1 ff., S. 30). In der Lehre ist umstritten, ob der Garantiemarke Unterscheidungsfunktion zukommt. Nach der einen, vereinzelt gebliebenen Meinung wird die Garantiemarke nicht zu Unterscheidungszwecken eingesetzt und braucht deshalb keine Unterscheidungs- oder Kennzeichnungskraft zu haben (LUCAS DAVID, Kommentar zum Markenschutzgesetz, Muster und Modellgesetz, 2. Aufl., N. 7 zu Art. 21 MSchG ). Diese Meinung lässt sich jedoch nicht auf die Botschaft des Bundesrates stützen. Dort wird zwar festgehalten, die Garantiemarke sei nicht dazu bestimmt, Waren und Dienstleistungen voneinander zu unterscheiden (BBl 1991 I 30). Aus dem Zusammenhang des Textes geht indes deutlich hervor, dass die apodiktische Form der Aussage trügt und gemeint ist, dass die Garantiemarke nicht dazu bestimmt ist, wie die Individualmarke einzelne Waren oder Dienstleistungen voneinander zu unterscheiden, weil sie vor allem dazu dient, gemeinsame Produktemerkmale zu gewährleisten. Dabei muss aber als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass auch die Garantiemarke die Produkte kennzeichnen BGE 131 III 495 S. 502 soll. Der Meinung von Lucas David ist somit entgegenzuhalten, dass die Garantiemarke als Gruppenzeichen zwar nicht das Angebot eines einzelnen Unternehmens, jedoch jenes einer Gruppe kennzeichnet und individualisiert. Abstrahiert man von dieser gruppenbezogenen Ausrichtung von Unterscheidungs- und Herkunftsfunktion, handelt es sich bei den Garantiemarken jedoch um vollwertige Marken. Für diese gelten grundsätzlich die Vorschriften des 1. Kapitels des MSchG, also die Art. 1-20, soweit im 2. Kapitel nichts anderes vorgesehen ist (EUGEN MARBACH, Markenrecht, in Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR] Bd. III Kennzeichenrecht S. 225; Botschaft, BBl 1991 I 30). Darauf ist denn auch bereits in der Entstehungsphase des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 hingewiesen worden (SCHLUEP, Kollektiv- und Garantiemarken, in Marke und Marketing, Bern 1990, S. 93). Mit der überwiegend vertretenen Lehrmeinung ist somit davon auszugehen, dass auch der Garantiemarke Unterscheidungskraft eigen sein muss, selbst wenn wegen des Funktionsunterschieds im Vergleich zur Individualmarke herabgesetzte Anforderungen zu stellen sind (WILLI, a.a.O., N. 8 Vorbemerkungen zu Art. 21-27 MSchG ). Anders als die Individualmarke soll die Garantiemarke zwar nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, wohl aber aus einer Gruppe von Unternehmen hinweisen. Dieser Umstand sowie die bereits erwähnte systematische Stellung der Vorschriften über die Garantiemarke im Gesetz und das in der Botschaft des Bundesrates zum Ausdruck gebrachte Verständnis bei der Entstehung des Gesetzes sprechen dafür, dass die absoluten Ausschlussgründe von Art. 2 MSchG auch auf die Garantiemarke anwendbar sind (so auch THOMANN, a.a.O., S. 326). Bei der Beurteilung dieser Frage ist schliesslich auch die gesetzgeberische Konzeption der verschiedenen Markentypen zu beachten. Obschon die Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1 MSchG auf die Individualmarke zugeschnitten ist, enthält sie mit dem Erfordernis der Unterscheidungskraft doch ein Element, das für das ganze Markenrecht Geltung beansprucht. Die beispielhafte Aufzählung der Markenformen in Art. 1 Abs. 2 MSchG ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Allgemeinen Bestimmungen auf alle Markentypen anzuwenden sind. Diese können bei der Prüfung der Schutzfähigkeit zwar nicht über einen Leisten geschlagen werden, sondern es ist zu differenzieren, das heisst die allgemeinen BGE 131 III 495 S. 503 Kriterien müssen gegebenenfalls entsprechend den Besonderheiten des Markentyps konkretisiert werden (vgl. MARBACH, a.a.O., S. 28). Eine nach Markentyp differenzierte Prüfung wird beispielsweise in Art. 2 lit. b MSchG für Formmarken vorgesehen. Danach sind Formen, die das Wesen der Ware ausmachen und technisch notwendige Waren- oder Verpackungsformen vom Markenschutz ausgeschlossen. Für Formen, die sich insbesondere auf Grund der Art, Bestimmung oder Verwendung der Ware aufdrängen, soll damit ein absolutes Freihaltebedürfnis konkretisiert werden ( BGE 129 III 514 E. 2.2). Für die Garantiemarke stellt das Gesetz dagegen keine besonderen Anforderungen an die Prüfung der Schutzfähigkeit. Es wird daher in Anlehnung an die Botschaft des Bundesrates (BBl 1991 I 30) in der Literatur mehrheitlich und zutreffend die Meinung vertreten, mangels einer gegenteiligen Vorschrift im zweiten Kapitel des MSchG müsse dessen Art. 2 lit. a auch auf die Garantiemarke Anwendung finden (vgl. neben der bereits zitierten Literatur auch CLAUDIA MARADAN, La marque de garantie au secours des indications de provenance suisses: fausse bonne idée?, sic! 1/2005 S. 4 ff., 5 und 10). 5. Als Gemeingut im Sinne von Art. 2 lit. a MSchG vom Markenschutz ausgeschlossen sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung namentlich Zeichen, die sich in Angaben über die Beschaffenheit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen erschöpfen und daher die zu deren Identifikation erforderliche Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft nicht aufweisen. Der beschreibende Charakter solcher Hinweise muss vom Publikum ohne besondere Denkarbeit und ohne Fantasieaufwand unmittelbar erkennbar sein ( BGE 128 III 454 E. 2.1 mit Hinweisen). Dabei genügt, dass das Zeichen in einem einzigen Sprachgebiet der Schweiz als beschreibend verstanden wird ( BGE 128 III 447 E. 1.5 S. 451). Das Wort FELSENKELLER weist im Zusammenhang mit dem Käse, den es als Garantiemarke kennzeichnen soll, darauf hin, dass der Käse in einem Felsenkeller gelagert worden ist. Der beschreibende Charakter des Zeichens ist für das deutschsprachige Durchschnittspublikum unmittelbar, ohne Denkarbeit oder Fantasieaufwand erkennbar. Der direkte Hinweis auf die Beschaffenheit der Ware führt dazu, dass dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Es ist deshalb gemäss Art. 2 lit. a MSchG vom Markenschutz auszuschliessen, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer Garantiemarke weniger strenge Anforderungen an die BGE 131 III 495 S. 504 Unterscheidungskraft zu stellen sind als bei einer Individualmarke (vgl. vorne E. 4). Das Eintragungsgesuch der Beschwerdegegnerin ist somit vom Institut zu Recht gestützt auf Art. 30 Abs. 2 lit. c MSchG zurückgewiesen worden.
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Sachverhalt ab Seite 236 BGE 96 II 236 S. 236 A.- Die Firma Leonard & Ellis liess im Jahre 1882 das Wort VALVOLINE als Marke Nr. 174 für Schmieröle in das schweizerische Register eintragen. Am 19. September 1902 wurde das Zeichen unter Nr. 15'032 erneuert und auf die Valvoline Oil Company übertragen. Diese liess die Eintragung BGE 96 II 236 S. 237 am 1. November 1922 unter Nr. 52 797 nochmals erneuern. Im Jahre 1927 klagte die Valvoline Oil Company beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die Indian Refining Company auf Löschung und Untersagung des Gebrauchs der seit 18. Juni 1921 im schweizerischen Markenregister stehenden Marke Nr. 49 861, die aus dem Worte HAVOLINE bestand und zur Kennzeichnung von Ölen und Fetten für Gasmaschinen und Automobile diente. Die Indian Refining Company erhob Widerklage auf Löschung der Marke Nr. 52 797. Der Prozess endete damit, dass das Bundesgericht am 30. April 1929 die Marke Nr. 49 861 nichtig erklärte, ihre Löschung verfügte und die Widerklage abwies. Das Bundesgericht kam zum Schluss, die Marke HAVOLINE könnte mit der Marke VALVOLINE verwechselt werden (ein Teil des Urteils ist in BGE 55 II 149 ff. veröffentlicht). Am 17. August 1942 liess die Valvoline Oil Company ihre Marke im schweizerischen Register unter Nr. 103'Ool erneuern. Eine weitere Erneuerung wurde am 17. August 1962 unter Nr. 193 767 eingetragen, unter Angabe der Ashland Oil & Refining Company als neue Inhaberin der Marke und unter Erweiterung der Waren, für die sie bestimmt war. Am 19. April 1966 liess die Ashland Oil & Refining Company die Eintragung unter Nr. 217 055 nochmals erneuern und die mit der Marke zu kennzeichnenden Waren wie folgt bezeichnen: "Huiles, lubrifiants, carburants et produits pour l'éclairage fabriqués à partir de produits du pétrole, de produits synthétiques ou d'une combinaison de ces produits; préparation pour éviter la rouille et la corrosion des machines et des surfaces métalliques; graisses et combustibles." Die Ashland Oil & Refining Company ist ferner Inhaberin der am 30. März 1966 hinterlegten schweizerischen Marke Nr. 216 825, die aus dem Worte VALVOLINE und einem darüber stehenden grossen Buchstaben V besteht und deren Warenliste sich von derjenigen der Marke Nr. 217 055 nur dadurch unterscheidet, dass die Waren "graisses et combustibles" fehlen. Die VALVOLINE-Marken werden von den Berechtigten in der Schweiz schon seit 1882 tatsächlich gebraucht. Am 17. März 1966 hinterlegte die Texaco Inc. in der Schweiz für Rohöl und Rohölerzeugnisse die aus dem Worte HAVO-LINE bestehende Marke Nr. 218 068. BGE 96 II 236 S. 238 B.- Am 5. April 1968 klagte die Ashland Oil & Refining Company gegen die Texaco Inc. beim Handelsgericht des Kantons Bern mit den Begehren, die Marke Nr. 218 068 ungültig zu erklären und der Beklagten deren Benützung für Rohöl und Rohölerzeugnisse im schweizerischen Geschäftsverkehr, besonders zur Kennzeichnung der genannten Waren, zu untersagen. Das Handelsgericht des Kantons Bern hiess diese Begehren am 22. Oktober 1969 gut und drohte der Beklagten für den Fall der Widerhandlung gegen das Verbot die in Art. 403 bern. ZPO und Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen an. C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 6 und 24 MSchG , denn die Marken VALVOLINE und HAVOLINE könnten nicht miteinander verwechselt werden; ferner verstosse die Klage gegen Treu und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs ( Art. 2 ZGB ). D.- Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Erwägungen Das Bundesgericht hat in Erwägung gezogen: 1. Die Marke HAVOLINE der Beklagten ist nur gültig, wenn sie sich durch wesentliche Merkmale von der älteren Wortmarke VALVOLINE der Klägerin unterscheidet ( Art. 6 Abs. 1 MSchG ). Trifft dies nicht zu, so muss sie gelöscht werden ( Art. 34 MSchG ) und ist der Beklagten der Gebrauch des Wortes HAVOLINE im Sinne des Klagebegehrens zu verbieten. Der Unterlassungsanspruch ist alsdann sowohl auf Grund des Markenschutzgesetzes als auch auf Grund der Art. 1 Abs. 2 lit. d und Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG begründet. Beide Gesetze verbieten die Verwendung des nachgeahmten Zeichens auf der Ware selbst oder ihrer Verpackung, und das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb steht ausserdem der Verwendung im übrigen geschäftlichen Verkehr, z.B. in der Reklame oder im Briefwechsel, im Wege ( BGE 93 II 432 Erw. 6, BGE 95 II 464 ). 2. Ob sich die beiden Zeichen genügend voneinander unterscheiden, hängt nur vom Eindruck ab, den sie in der Schweiz erwecken. Die Eintragung der Marke VALVOLINE in das schweizerische Register verleiht der Klägerin nur BGE 96 II 236 S. 239 Schutzrechte in diesem Lande ( BGE 92 II 262 , BGE 95 II 362 ), und nur auf Untersagung des Gebrauchs des Wortes HAVO-LINE im schweizerischen Geschäftsverkehr und auf Ungültigerklärung als schweizerische Marke zielt die Klage ab. Die Beklagte selber führt aus, es komme darauf an, ob sich Verwechslungen im Inland ereignen. Dennoch will sie die Verhältnisse im Ausland mitberücksichtigt wissen. Sie macht geltend, die Marken VALVOLINE und HAVOLINE beständen auf der ganzen Erde, ausgenommen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz, ungestört nebeneinander, was beweise, dass sie nicht zu verwechseln seien. Dass im Ausland in ein und demselben Staate beide Marken registriert sind, sagt indessen nichts darüber aus, ob das Publikum sie daselbst schon verwechselt hat. Auch die blosse Verwechslungsgefahr - auf die es nach Art. 6 Abs. 1 MSchG allein ankommt ( BGE 40 II 288 , BGE 63 II 287 , BGE 78 II 382 ) - ist damit nicht widerlegt. Die Beklagte behauptet nicht, alle ausländischen Staaten prüften vor der Registrierung einer Marke, ob sie mit den schon eingetragenen verwechselt werden könnten. Sie beruft sich auch nicht auf ausländische Gerichtsurteile, welche die beiden Marken als genügend unterscheidbar erklärt hätten. Sie scheint vor allem sagen zu wollen, im Auslande hätten sich die Parteien stillschweigend mit der Registrierung beider Marken abgefunden. Sie rühmt sich selber, sie habe in zahlreichen Ländern die Marke VALVOLINE geduldet, obschon ihr die Priorität des Eintrages und des Gebrauches des Zeichens HAVOLINE zugestanden habe. Übrigens ist die Rechtslage in anderen Staaten nicht notwendigerweise dieselbe wie in der Schweiz. Die ausländischen Gesetze stellen vielleicht an die Unterscheidbarkeit von Marken nicht gleich strenge Anforderungen wie das schweizerische Recht, das nicht nur auf die Bedürfnisse und Interessen der Markeninhaber Rücksicht nimmt, sondern auch das Publikum vor Täuschung schützen will. Auch erwecken die beiden Marken im Verkehr in anderen Sprachgebieten und unter anderen wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnissen nicht notwendigerweise den gleichen Eindruck wie in der Schweiz. Dem Umstande, dass die beiden Marken im Auslande nebeneinander registriert sind, ist daher bei der Beurteilung der Gefahr von Verwechslung in der Schweiz nicht Rechnung zu tragen. BGE 96 II 236 S. 240 3. Die Beklagte sieht im Worte VALVOLINE eine Sachbezeichnung, die auf ein Ölerzeugnis ("oline") hinweise, das Ventile (englisch "valve") schmiere. Sie leitet daraus nicht ab, die Marke der Klägerin sei Gemeingut und daher ungültig ( Art. 3 Abs. 2 MSchG ); sie macht nur geltend, dem Sinn des Zeichens VALVOLINE müsse bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr Rechnung getragen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes liegt eine Sachbezeichnung nur dann vor, wenn die Marke nach dem üblichen Sprachgebrauch für die beteiligten Kundenkreise offenkundig auf die Beschaffenheit oder Bestimmung der Ware hinweist; blosse Anspielungen, die den Sinn des Wortes nur mit Hilfe der Phantasie erkennen lassen, genügen nicht ( BGE 54 II 406 , BGE 55 II 154 , BGE 56 II 230 f., 410, BGE 59 II 80 , BGE 63 II 428 , BGE 70 II 243 , BGE 79 II 102 , BGE 83 II 218 , BGE 84 II 224 , 432, BGE 93 II 263 ). Daher ist in BGE 55 II 142 ff. Erw. 2 im Worte VALVOLINE keine Sachbezeichnung gesehen worden. Die in den Bestandteilen "VALV" und "OLINE" liegenden Anspielungen auf "valve" und Öl wurden dabei eingehend gewürdigt. Hievon wäre heute nur abzuweichen, wenn sich der Sprachgebrauch seit dem Jahre 1929 entscheidend geändert hätte, so dass die behauptete Bedeutung des Wortes VALVOLINE im Gegensatz zu damals nunmehr in die Augen spränge. Davon kann indessen nicht die Rede sein. "OLINE" ist nach wie vor kein Wort, das den schweizerischen Landessprachen oder einer in der Schweiz allgemein verstandenen Fremdsprache angehören würde; diese Buchstabenfolge ist ein reines Gebilde der Phantasie. Dasselbe ist von den Buchstaben "VALV" zu sagen, die noch immer eine blosse Anspielung enthalten, die nicht allgemein verstanden wird. Dass die interessierten Kreise sprachkundiger geworden seien, hilft der Beklagten nicht. Mag auch die Kenntnis der englischen Sprache in der Schweiz Fortschritte gemacht haben, besonders in Geschäftskreisen, so gibt es doch unter den Haltern von Motorfahrzeugen, die als Käufer der Schmiererzeugnisse der Parteien in Frage kommen, noch grosse Schichten, die weder den Sinn des englischen "valve" noch die in seiner verstümmelten Form "VALV" enthaltene Anspielung erfassen. Gewiss hat das Bundesgericht z.B. die Marken "Hydroformer" (nicht veröffentlichtes Urteil vom 12. Mai 1969 i.S. J.M. Voith GmbH) und "Synchrobelt" ( BGE 95 I 477 ff.) als nicht schutzfähig erachtet. In beiden BGE 96 II 236 S. 241 Fällen war jedoch auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin zu entscheiden, ob die international registrierte Marke in der Schweiz zu schützen sei. Die Marke der Klägerin steht dagegen im schweizerischen Register und ist vom Bundesgericht am 30. April 1929 als gültig erklärt worden. Die Beklagte ficht die Gültigkeit nicht erneut an; gestritten wird nur um die Möglichkeit der Verwechslung mit der Marke HAVOLINE. Da kann der Umstand, dass gewisse Kunden die in "VALVOLINE" enthaltene Anspielung verstehen mögen, keine Rolle spielen. Für weite Kreise ist der Sinn des Wortes nicht offenkundig und schliesst er daher die Gefahr von Verwechslungen nicht aus. Ob eine Marke mit einer anderen verwechselt werden kann, beurteilt sich übrigens nicht nach den einzelnen Bestandteilen und der Entstehungsgeschichte der beiden Zeichen, sondern nach dem Eindruck, den sie nach ihrem Klang und ihrem Schriftbild als Ganzes machen ( Art. 6 Abs. 2 MSchG ; BGE 93 II 265 und dort angeführte Urteile). Wer das Wort VALVO-LINE als Ganzes hört oder liest, erkennt aber in ihm auf Grund der sprachlichen Trennungsregeln viel eher die Silben VAL-VO-LI-NE als die Bestandteile VALV und OLINE. Er wird sich daher in der Regel des Zusammenhangs mit den Begriffen "valve" und "Oel" nicht bewusst. 4. Auch die Marke der Beklagten wird statt als HAV-OLINE eher als HA-VO-LI-NE verstanden. Die drei letzen Silben sind identisch mit den drei letzten Silben der Marke der Klägerin. Die beiden Zeichen unterscheiden sich nur durch die erste Silbe HA bzw. VAL. Diese Teile haben den Vokal a gemeinsam, auf dem der Ton liegt. Dadurch wird die durch die drei Endsilben geschaffene Verwechslungsgefahr erhöht. Dass die Buchstabenreihe OLIN oder OLINE in Marken häufig vorkommt, ändert nichts. Sie hat zwar an sich geringe Unterscheidungskraft, ist aber nichtsdestoweniger in beiden Warenzeichen vorhanden und wirkt sich auf den Eindruck aus, den diese als Ganzes machen. Wer das Wort VALVOLINE in Erinnerung hat, ohne sich die Silbe VAL scharf eingeprägt zu haben, kann beim Hören oder Lesen des Wortes HAVOLINE, besonders wenn er wiederum nicht peinlich aufpasst, meinen, es kennzeichne die Ware VALVOLINE oder stamme vom gleichen Erzeuger wie diese. Die Behauptung der Beklagten, jeder Automobilist, der eine bestimmte Ölmarke BGE 96 II 236 S. 242 wünsche, achte genau darauf, ob er wirklich die verlangte Ware erhalte, widerspricht der Lebenserfahrung. Für die Gefahr der Verwechslung der beiden Zeichen sprechen zudem nach wie vor auch die Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils vom 30. April 1929. Ob heute mehr Schmieröle für Motorfahrzeuge auf dem Markt sind als damals, ist sowenig von Belang wie der angebliche Umstand, dass sich gewisse Automobilisten um die Ölmarke gar nicht kümmern. Ob die Erzeugnisse der Beklagten nur an Texaco-Tankstellen erhältlich sind und daselbst keine Erzeugnisse der Klägerin angeboten werden, ist ebenfalls unerheblich. Denn nach Art. 6 Abs. 1 MSchG ist eine Marke, die sich von der früher eingetragenen eines Mitbewerbers nicht durch wesentliche Merkmale unterscheidet, selbst dann ungültig, wenn andere Umstände die Herkunft der angebotenen Ware andeuten, z.B. die Aufmachung der Verpackung oder Preisunterschiede ( BGE 63 II 286 , BGE 78 II 382 Erw. 2, BGE 88 II 382 ). Das Gesetz verpflichtet die Beklagte denn auch nicht, ihre Ware ausschliesslich an Tankstellen anbieten zu lassen, die erkennbar ihre Erzeugnisse und nur solche verkaufen. Sie kann den Absatz ihrer Ware jederzeit anders organisieren. 5. Die Beklagte begründet die Einrede des Rechtsmissbrauches damit, sie habe in zahlreichen Ländern die Marke VALVOLINE geduldet, obschon dort ihr Recht an der Marke HAVOLINE älter sei. Die Klägerin habe daraus Nutzen gezogen und handle gegen Treu und Glauben, sich in der Schweiz auf eine Verwechslungsgefahr zu berufen, die sie in vielen anderen Ländern durch Eintragung und Gebrauch der Marke VALVOLINE widerlegt habe. Ihr Verhalten sei ein "venire contra factum proprium". Die Gründe, aus denen die Klägerin in gewissen Ländern trotz der angeblichen Priorität der Marke HAVOLINE die Marke VALVOLINE eintragen liess und die Beklagte sich nicht widersetzte, sind weder dargelegt noch festgestellt. Möglicherweise stellen die Gesetze der betreffenden Länder an die Unterscheidbarkeit der Marken geringere Anforderungen als das schweizerische. Von einem Rechtsmissbrauch der Klägerin kann daher nicht die Rede sein, schon gar nicht von einem offenbaren im Sinne des Art. 2 ZGB . Dass die Schweiz für die Erzeugnisse der Parteien nur ein Teil des Weltmarktes BGE 96 II 236 S. 243 ist und die Beklagte "die Einheit des Absatzgebietes und des Qualitätszeichens verteidigt", ändert nichts. Das Recht an der Marke ist territorial begrenzt und wechselt von Land zu Land. Was der Markeninhaber unter der einen Rechtsordnung tut oder unterlässt, kann ihm, abweichende Staatsverträge vorbehalten, in den anderen Staaten weder nützen noch schaden.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 22. Oktober 1969 bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 246 BGE 121 I 245 S. 246 B. und den Erben H. gehören drei Grundstücke, welche ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Die Parzellen liegen entlang der Halden-Strasse in der Gemeinde Wangen-Brüttisellen im Gebiet "Förliwiesen". Die Halden-Strasse verbindet die Dorfteile Wangen und Brüttisellen. Der Gemeinderat von Wangen bewilligte B. unter anderem 1956 die Vornahme von Auffüllungen zur Errichtung eines Lagerplatzes. Im Jahre 1969 erteilte der Gemeinderat den Erben H. die Bewilligung für die Nutzung ihrer Parzelle als Lagerplatz für Maschinen; der Gemeinderat behielt sich vor, jederzeit auf die Bewilligung zurückzukommen. Am 15. September 1986 wurde die Beibehaltung der bestehenden, befristet bewilligten Bauten und Anlagen bis zum 31. Dezember 1993 erlaubt und überdies die Bewilligung für den Anschluss der Liegenschaften an das Wasser- und Kanalisationsnetz erteilt. Das Gebiet, in welchem sich die genannten Parzellen befinden, wurde im kantonalen Gesamtplan vom 10. Juli 1978 dem Bauentwicklungsgebiet zugeteilt. In der Folge wurde das Areal mit dem Zonenplan der Gemeinde vom 26. Juni 1984 der Reservezone zugewiesen. Veranlasst durch die am BGE 121 I 245 S. 247 1. September 1991 beschlossene Teilrevision des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (Planungs- und Baugesetz, PBG) änderte die Gemeinde Wangen-Brüttisellen am 26. Oktober 1993 unter anderem den Zonenplan. Dabei wurde das Gebiet "Förliwiesen" einschliesslich der drei erwähnten Parzellen der Gewerbezone G4 zugeteilt; eine Bautiefe entlang der Halden-Strasse wurde der Wohnzone 3-geschossig mit Gewerbeerleichterung zugewiesen. Dieser Einzonung verweigerte der Regierungsrat des Kantons Zürich am 6. Juli 1994 die Genehmigung. Eine Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. B. und die Erben H. stellen mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht den Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuheben. Während des bundesgerichtlichen Verfahrens setzte der Kantonsrat von Zürich einen neuen Richtplan fest. Danach verbleibt das Gebiet "Förliwiesen" im Bauentwicklungsgebiet. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. a) Die Nichtgenehmigung der Einzonung stellt in den Augen der Beschwerdeführer einen Planungsfehler dar (vgl. zum Planungsfehler die in BGE 106 Ia 329 nicht publizierte E. 4, sowie die nicht veröffentlichten Urteile des Bundesgerichtes vom 1. September 1994 i.S. Gemeinde Attelwil, E. 3b, und vom 20. Dezember 1993 i.S. Gemeinde Sagogn, E. 7b). Nach ihren nicht zu bezweifelnden Angaben ist es auszuschliessen, dass ihre Parzellen in absehbarer Zeit anders als zu gewerblichen Zwecken genutzt werden. Daraus leiten sie ab, eine Einzonung sei zur Wahrung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte ( Art. 22ter BV ) geboten. b) Die Rechtsprechung anerkennt, dass Planung und Wirklichkeit bei Bedarf in Übereinstimmung zu bringen und aus diesem Grunde Nutzungspläne zu ändern bzw. anzupassen sind ( BGE 114 Ia 32 E. 6 S. 33). Eine Einzonung kann aber auch in solchen Fällen nur in Frage kommen, wenn sie im Einklang mit den Planungszielen und -grundsätzen erfolgt (in diesem Sinne der zitierte BGE 114 Ia 32 E. 6 S. 33, wo im Falle der Reduktion einer überdimensionierten Bauzone auf die in Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700] zum Ausdruck kommenden Grundsätze für die Bemessung des Baugebietes hingewiesen wird; vgl. BGE 113 BGE 121 I 245 S. 248 Ia 444 E. 5b S. 455). Der Umstand, dass die fraglichen Grundstücke seit langem gewerblich genutzt werden und sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird, zieht daher nicht ohne weiteres die Pflicht zu deren Einzonung nach sich. c) Die Nichtgenehmigung der Einzonung kann vorab mit Blick auf die Richtplanung nicht als Planungsfehler betrachtet werden. Nach dem hier massgebenden Gesamtplan von 1978 liegen die drei Parzellen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer nicht im "Anordnungsspielraum", sondern im Bauentwicklungsgebiet. Mit dem neuen Richtplan hat sich daran nichts geändert. Bei dieser Sachlage kann auch von einem unzulässigen Eingriff in das der Gemeinde zustehende Ermessen, im Rahmen des Richtplanes die Grenzen des Baugebietes selbst zu bestimmen ( Art. 2 Abs. 3 RPG ; BGE 112 Ia 281 E. 7a S. 285 f.), keine Rede sein. d) Soweit die Beschwerdeführer eine Einzonungspflicht aus der "Weilerregel" des Gesamtplanes von 1978 ( BGE 113 Ia 192 E. 2c/cc S. 193 f.) ableiten, ist ihnen ebenfalls nicht zu folgen. Bei ihren Grundstücken handelt es sich um gewerblich genutztes Areal und nicht um eine Kleinsiedlung; von einem abgelegenen Ortsteil kann schon gar nicht gesprochen werden. e) Ebenfalls nicht stichhaltig ist das Argument, eine Einzonung sei zulässig, weil es sich dabei nur um eine untergeordnete Abweichung vom Richtplan handeln würde ( § 16 Abs. 2 PBG ). Rein flächenmässig mag dies für die drei Grundstücke wohl zutreffen. Das Bundesgericht hat jedoch wiederholt festgestellt, Kleinbauzonen seien nicht nur unzweckmässig, sondern grundsätzlich gesetzwidrig ( BGE 119 Ia 300 E. 3b S. 303; BGE 116 Ia 339 E. 4 S. 343). Das Verwaltungsgericht hat daher mit Recht darauf hingewiesen, die von der Gemeinde beschlossene Einzonung führe zu einer nicht sachgerechten Abgrenzung des Baugebietes. aa) Die Liegenschaften der Beschwerdeführer liegen planerisch an einer heiklen Lage. Sie befinden sich ungefähr in der Mitte des zwar nicht mehr unberührten, aber doch noch weitgehend unüberbauten Geländes zwischen den beiden Ortsteilen Wangen und Brüttisellen. Eine Einzonung, wie sie die Gemeinde beschloss, hat eine nicht zu unterschätzende präjudizielle Wirkung für ein künftiges Zusammenwachsen der beiden Ortsteile. Die Richtplanung, welche das Gelände als Bauentwicklungsgebiet bezeichnet, schliesst einen solchen Zusammenschluss nicht aus, doch soll er weder im heutigen Zeitpunkt realisiert noch durch eine verfrühte Einzonung von Areal zwischen der Halden-Strasse und der Autobahn gefördert werden. BGE 121 I 245 S. 249 bb) Dass die Gemeinde das Gewerbegebiet zwischen der Halden-Strasse und der Autobahnkreuzung (Areal "Neuwiesen") im Zuge der "kleinen" Zonenplanrevision geringfügig in Richtung "Förliwiesen" ausgedehnt hat, hat nicht zur Folge, dass die Liegenschaften der Beschwerdeführer eingezont werden müssten. Der Grundsatz rechtsgleicher Behandlung hat im Planungsrecht nur eine abgeschwächte Bedeutung. Parzellen ähnlicher Lage und Art können daher unter Vorbehalt des Willkürverbotes völlig verschieden behandelt werden ( BGE 117 Ia 302 E. 4b S. 307; BGE 116 Ia 193 E. 3b S. 195). Die geringfügige Erweiterung des Gewerbegebietes beim Autobahnkreuz lehnt sich an eine bereits bestehende Gewerbezone an und ist daher planerisch anders zu beurteilen als eine Einzonung in den "Förliwiesen". Die Ausdehnung des Gewerbegebietes bei der Autobahn und die bereits in einem früheren Zonenplan festgesetzte Wohnzone mit Gewerbeerleichterung oberhalb der Halden-Strasse bestätigen im übrigen, dass eine Ausdehnung des Baugebietes im Raum zwischen den beiden Ortsteilen auch nach den Vorstellungen der Gemeinde primär nur schrittweise und angelehnt an bereits bestehendes Baugebiet erfolgen soll, was sachgerecht ist. Eine weitgehend isolierte Einzonung in den "Förliwiesen" widerspricht bei dieser Sachlage den eingangs erwähnten Planungsgrundsätzen (E. 6e). 7. (Die Nichtgenehmigung der Einzonung stellt keine Verletzung des aus Art. 4 BV fliessenden Grundsatzes von Treu und Glauben dar). 8. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einwendungen der Beschwerdeführer unbegründet sind. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. a) Trotz dieses Verfahrensausganges ist nicht in Abrede zu stellen, dass die gegebene planungsrechtliche Situation - Zuteilung der fraglichen Parzelle in die Reservezone - nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag. Es ist wie gesagt davon auszugehen, dass sich die bestehende gewerbliche Nutzung in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Die vor Jahrzehnten bewilligten und in der Folge ausgeführten Terrainveränderungen schliessen eine Rückkehr zu einer landwirtschaftlichen Nutzung nach menschlichem Ermessen aus. Auch führt die geltende Sach- und Rechtslage seit Jahren zu Unsicherheiten, welche sich in jeweils nur befristet erteilten Baubewilligungen manifestieren. Diese Bewilligungspraxis dauert bereits über zwanzig Jahre; die letzten befristeten Bewilligungen sind Ende 1993 abgelaufen. Seither besteht, wie aufgrund der Akten anzunehmen ist, für die BGE 121 I 245 S. 250 von diesen Bewilligungen erfassten Bauten und Anlagen ein Schwebezustand. Eine solche Situation ist planungsrechtlich unerwünscht und liegt weder im Interesse der Eigentümer noch der Gemeinde. Der Regierungsrat hat dies erkannt und vorgeschlagen, für die Grundstücke einen Gestaltungsplan gemäss den § § 83 ff. PBG zu erlassen. b) Im nicht publizierten Urteil vom 2. Februar 1995 i.S. Gemeinde Wädenswil (E. 6b) liess das Bundesgericht die Frage offen, ob die zeitgemässe Erneuerung und massvolle Erweiterung von seit Jahrzehnten bestehenden Gewerbebauten in der Landwirtschaftszone (nach dem Richtplan: im Landwirtschaftsgebiet) mit einem Gestaltungsplan realisiert werden könne, wenn die Grundnutzungsordnung nicht geändert werde. Ein Gestaltungsplan war im betreffenden Fall (noch) nicht erlassen worden. In der Folge hielt das Bundesgericht in zwei ebenfalls nicht veröffentlichten Entscheiden vom 24. März 1995 i.S. Gemeinde Oberembrach und i.S. Gemeinde Stallikon fest, der Erlass eines Gestaltungsplanes für die Realisierung neuer oder die Erweiterung bestehender Bauten (im betreffenden Fall um 128% der Betriebsfläche) käme der Festsetzung einer unzulässigen Kleinstbauzone gleich. Die fraglichen Grundstücke waren der Landwirtschaftszone zugeteilt und lagen nach den Festlegungen des kantonalen Richtplanes auch nicht im Anordnungsspielraum (so ausdrücklich das Urteil Stallikon, E. 4b). Die geplanten bzw. bestehenden Bauten und Anlagen waren nicht landwirtschaftlicher Natur; sie wiesen keinen Zusammenhang mit dem Produktionsfaktor Boden auf. Zudem waren, soweit dies aufgrund der von den kantonalen Behörden getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt werden konnte, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 24 Abs. 1 oder 2 RPG nicht gegeben. c) Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob für die Grundstücke ein Gestaltungsplan erlassen werden kann, um den Interessen der Beschwerdeführer entgegenzukommen, ebenfalls nicht abschliessend beurteilt werden, weil ein solcher Plan nicht festgesetzt wurde. Immerhin besteht Anlass, auf Unterschiede zu den vorstehend genannten drei Fällen hinzuweisen. aa) Die Grundstücke der Beschwerdeführer sind im Gegensatz zu den zitierten Fällen nicht einer Landwirtschaftszone ( Art. 16 RPG ) zugeteilt. Sie befinden sich in der Reservezone ( § 65 PBG ; BGE 116 Ia 328 E. 3 S. 330 f.). Dieser Zone werden unter anderem Gebiete zugeteilt, deren Nutzung erst später zugelassen wird ( Art. 18 Abs. 2 RPG ). Die "Förliwiesen" werden im BGE 121 I 245 S. 251 kantonalen Richtplan als Bauentwicklungsgebiet bezeichnet, was bedeutet, dass sie in 20-25 Jahren grundsätzlich für eine bauliche Nutzung in Frage kommen und erschlossen werden sollen ( § 21 Abs. 2 und 3 PBG ). Wird beachtet, dass der Richtplan in den Grundzügen bestimmt, wie sich ein Gebiet räumlich entwickeln soll ( Art. 6 Abs. 1 RPG ), kann - aus der verlangten planerischen Gesamtschau heraus betrachtet (Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 [RPV; SR 700.1]) - nicht gesagt werden, eine nutzungsplanerische Ordnung der (bestehenden) Überbauung laufe zum vorneherein der anzustrebenden Siedlungsentwicklung entgegen (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. a RPG ). bb) Die geltenden Festlegungen in der Zonenplanung haben wie erwähnt in der Praxis zu Unsicherheiten namentlich bei der Erteilung von Bewilligungen geführt, was nicht nur für alle Beteiligten unbefriedigend ist. Bei tatsächlichen Verhältnissen, wie sie hier vorliegen, und bei der gegebenen planerischen Ausgangslage ist nicht auszuschliessen, dass ein auf die Grundstücke der Beschwerdeführer beschränkter Gestaltungsplan ein sachgerechtes Mittel darstellt, die bereits seit Jahrzehnten bestehende Gewerbenutzung in geordnete Bahnen zu lenken. Ein solcher Gestaltungsplan müsste, soll er keine unzulässige Kleinbauzone darstellen, in erster Linie Sanierungszwecken dienen. Wie STEPHAN ESCHMANN (Der Gestaltungsplan nach zürcherischem Recht, Diss. Zürich 1984, S. 65 f.) darlegt, lässt das Zürcher Planungs- und Baugesetz einen Gestaltungsplan mit diesem Zweck zu, sofern - wie hier - die Neugestaltung einer bereits bestehenden Überbauung (auch) im öffentlichen Interesse liegt. cc) Die Beschwerdeführer lehnen zwar aus Kostengründen einen Gestaltungsplan ab. Sie werden jedoch in ihrem eigenen Interesse ihren Standpunkt überprüfen müssen. Für eine planerisch sachgerechte Lösung müssen auch die Gemeinde und der Kanton Hand bieten. Nur so kann sichergestellt werden, dass für die drei Grundstücke eine planerische Festsetzung gefunden wird, welche eine zweckmässige Bodennutzung sowie eine auch im Lichte des Grundsatzes der Rechtssicherheit geordnete Überbauung gewährleistet ( Art. 22quater Abs. 1 BV , Art. 1 Abs. 1 RPG ).
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Sachverhalt ab Seite 226 BGE 136 III 225 S. 226 A. Christian de Siebenthal est titulaire d'un diplôme d'ingénieur-chimiste EPFL. En octobre 1978, il a été engagé par le Service d'incendie et de secours de la Ville de Genève (ci-après: SIS) en qualité de chimiste-documentaliste avec un taux d'activité de 20 %. Ses tâches au sein du SIS ont toujours été les mêmes. Selon un cahier des charges daté du 24 août 2001, l'employé devait en particulier établir les fiches de l'ouvrage intitulé "Répertoire des produits dangereux" ou "Guide orange des sapeurs-pompiers genevois" (ci-après: Guide orange) et contrôler les imprimés de ce document. Le Guide orange est un manuel d'intervention pratique destiné d'abord aux sapeurs-pompiers genevois. Pour chaque produit, il contient une description détaillée du produit lui-même et énumère les dangers qui lui sont liés, les mesures de protection personnelle, de sécurité et d'évacuation à prendre ainsi que les moyens d'extinction autorisés. Le guide est pourvu d'une reliure amovible; ses feuillets sont en papier indéchirable et résistant à l'eau. De 1962 à 1988, le SIS était dirigé par A., ingénieur-technicien diplômé de l'école technique de Genève et disposant d'une formation d'officier NBC (nucléaire, bactériologique, chimiste). En avril 1979, A. a rédigé une ébauche d'un répertoire des produits dangereux. Le manuscrit contenait une table des matières, un projet de préface, se terminant par les noms de Christian de Siebenthal et A., un mémento des mesures immédiates, une signalisation/identification des produits et une échelle des dangers; deux fiches de produits dangereux, dactylographiées, étaient jointes. Quelques mois plus tard, A. a demandé au Conseil administratif de la Ville de Genève un crédit spécial pour la réalisation de l'ouvrage. Tirée à 350 exemplaires et comportant 118 fiches, la première édition du Guide orange est parue en 1979. Dans la préface, A. indiquait que "la réalisation de ce guide SPG a été rendue possible grâce à la collaboration efficace de Monsieur Ch. de Siebenthal, Ingénieur-Chimiste, qui a effectué des stages dans notre service en participant aux opérations." BGE 136 III 225 S. 227 Le Guide orange a été régulièrement mis à jour, au fur et à mesure que l'ONU communiquait de nouvelles données relatives aux produits dangereux. Il a été réédité en 1985, 1992 et 2003, toujours aux frais de la Ville de Genève. Sa dernière version se décline en trois volumes et comporte 990 fiches. Comme dans les éditions précédentes, les armoiries de la Ville de Genève et, en-dessous, la mention du SIS figurent sur la page de couverture. Le guide est devenu l'ouvrage de référence des sapeurs-pompiers francophones; il a été recommandé par le Ministère de l'Intérieur français et est utilisé par plusieurs industries chimiques et de transport. La préface de toutes les éditions mentionne la collaboration de Christian de Siebenthal, qui a permis la réalisation de l'ouvrage. Par ailleurs, chaque édition comporte un avant-propos rédigé et signé par Christian de Siebenthal. En 2004, ce dernier a appris que le maire de Genève souhaitait confier à un tiers l'édition et la commercialisation du Guide orange. Le collaborateur a alors cherché à reprendre à son compte l'exploitation scientifique et commerciale du guide. En juillet 2006, le SIS l'a informé que le maire avait écarté sa proposition. En octobre 2006, Christian de Siebenthal a déposé une requête de mesures provisionnelles, tendant notamment à faire interdiction à la Ville de Genève de déposer tout ou partie du Guide orange, de confier à quiconque l'édition et/ou la commercialisation de l'ouvrage, de confier à quiconque sa réimpression et/ou sa reproduction et de supprimer le lien sur le site Internet de la ville renvoyant au dit guide. Par la suite, Christian de Siebenthal a retiré sa requête, dès lors que la Ville de Genève n'avait, pour le moment, passé aucun contrat en relation avec le Guide orange et n'avait pas entamé non plus de pourparlers à ce sujet. En mars 2007, la Ville de Genève a résilié le contrat de travail la liant à Christian de Siebenthal, invoquant une rupture du lien de confiance à la suite du dépôt de la requête de mesures provisionnelles. B. Le 9 juillet 2008, Christian de Siebenthal a introduit une action tendant à faire constater qu'il est l'auteur du Guide orange. La Ville de Genève a conclu au rejet de l'action. Statuant le 13 novembre 2009 en instance cantonale unique, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a débouté le demandeur des fins de son action. BGE 136 III 225 S. 228 C. Christian de Siebenthal a interjeté un recours en matière civile, que le Tribunal fédéral a admis partiellement. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 Dans la motivation principale de l'arrêt attaqué, la cour cantonale a jugé que le recourant n'est pas l'auteur du Guide orange, dont elle attribue la paternité à A. Le recourant se plaint d'une violation de l' art. 6 LDA (RS 231.1). A son avis, les critères appliqués par la Chambre civile ne sont pas pertinents pour définir la qualité d'auteur. Ainsi, le fait que le recourant ne soit pas pompier ne serait pas déterminant puisque l'ouvrage nécessitait avant tout des compétences de chimiste. Par ailleurs, les notes manuscrites de A. démontrant qu'il avait réfléchi à la conception, forme et présentation du guide, ne suffiraient pas à en faire un auteur dans la mesure où la cour cantonale ne constate pas que l'oeuvre a été effectivement réalisée sur la base de ces notes. L'obtention d'un crédit pour la publication de l'oeuvre ne serait pas non plus pertinente à cet égard. Le recourant réfute en outre n'avoir fait qu'un travail de compilation. Le travail de vulgarisation que la cour cantonale lui reconnaît tout de même donnerait du reste prise au droit d'auteur. Le recourant conteste également que le choix d'un papier indestructible et résistant à l'eau pour l'ouvrage lui-même puisse avoir une pertinence quelconque pour attribuer à une personne la qualité d'auteur. De même, celui qui définit le but de l'ouvrage, pose des critères de présentation ou donne des instructions ne saurait de ce fait être considéré comme l'auteur. Selon le recourant, la cour cantonale a ignoré enfin des éléments de sa propre décision qui démontraient qu'il avait bel et bien créé l'oeuvre concrète, comme par exemple le fait qu'il avait été chargé de mettre à exécution le projet ou le rapport de la Commission des sports le désignant comme celui qui avait élaboré le guide. 4.2 Il n'est pas contesté que le Guide orange est une oeuvre au sens de l' art. 2 al. 1 LDA , soit une création de l'esprit qui a un caractère individuel, quelles qu'en soient la valeur ou la destination. Sont notamment des créations de l'esprit les oeuvres recourant à la langue, qu'elles soient littéraires, scientifiques ou autres ( art. 2 al. 2 let. a LDA ). Le critère décisif réside dans l'individualité, qui doit s'exprimer dans l'oeuvre elle-même; l'originalité, dans le sens du caractère BGE 136 III 225 S. 229 personnel apporté par l'auteur, n'est plus nécessaire selon la LDA entrée en vigueur en juillet 1993 ( ATF 134 III 166 consid. 2.1 p. 169/170; ATF 130 III 168 consid. 4.4 p. 172, ATF 130 III 714 consid. 2.1 p. 717). Le caractère individuel exigé dépend de la liberté de création dont l'auteur jouit; si la nature de l'objet ne lui laisse que peu de marge de manoeuvre, par exemple pour une oeuvre scientifique, la protection du droit d'auteur sera accordée même si le degré d'activité créatrice est faible ( ATF 113 II 190 consid. 2a p. 196; ATF 117 II 466 consid. 2a p. 468; ATF 130 III 168 consid. 4.1 p. 170). L'individualité se distingue de la banalité ou du travail de routine; elle résulte de la diversité des décisions prises par l'auteur, de combinaisons surprenantes et inhabituelles, de sorte qu'il paraît exclu qu'un tiers confronté à la même tâche ait pu créer une oeuvre identique. Un compendium contenant des informations sur des médicaments a ainsi été jugé comme manquant de l'individualité requise ( ATF 134 III 166 consid. 2.3.1, 2.3.2 et 2.5). En l'espèce, ce qui fait l'individualité du Guide orange, c'est la présentation de chaque produit chimique par fiche, comprenant l'étiquette de danger correspondante, le panneau orange avec le numéro de danger ONU, une échelle allant de 0 à 4 indiquant les dangers pour la santé (carré bleu), en cas de feu (carré rouge), lors d'instabilité chimique à la chaleur (carré jaune) et de réaction avec l'eau (carré blanc) ou avec l'air à 20° C (carré rouge et jaune), une description du produit et de ses dangers, l'indication de l'attitude à adopter en cas de feu, de déversement sur terre ou dans l'eau, d'intoxication, la mention du matériel de protection et de récupération à utiliser, les constantes physiques et, selon les produits, une barre orange simple ou double indiquant si l'évacuation de la population est à envisager ou indispensable, ainsi qu'une description de la zone à évacuer en cas de fuite toxique ou de risque d'explosion. En revanche, ni le type de reliure, ni le choix du papier sur lequel le guide est imprimé ne participent à l'individualité de l'oeuvre (cf. KAMEN TROLLER, Manuel du droit suisse des biens immatériels, 2 e éd. 1996, tome I, p. 19). 4.3 Selon le principe du créateur ( Schöpferprinzip ), l'auteur est la personne physique qui a créé l'oeuvre ( art. 6 LDA ). La création d'une oeuvre dans le cadre d'un contrat de travail n'empêche pas l'employé d'acquérir le statut d'auteur (cf. RÉMY WYLER, Droit du travail, 2 e éd. 2008, p. 383; DANIEL ALDER, Urheberrecht und Arbeitsvertrag, in Urhebervertragsrecht, Magda Streuli-Youssef [éd.], 2006,p. 475; KAMEN TROLLER, Précis du droit suisse des biens immatériels, 2 e éd. 2006, p. 253; KATHARINA RÜDLINGER, Der Urheber im Arbeitsverhältnis aus BGE 136 III 225 S. 230 rechtsvergleichender Sicht, 1995, p. 70). S'il est une personne physique, l'employeur ne sera coauteur que s'il a fourni un apport créatif original; tel ne sera pas le cas s'il se borne à exprimer certains voeux ou à donner quelques lignes directrices (WYLER, op. cit., p. 383). De manière générale, est coauteur celui qui concourt de façon effective à la détermination définitive de l'oeuvre ou à sa réalisation; la contribution du coauteur peut résider dans la forme ou dans la structure du contenu, pour autant que son apport revête l'individualité nécessaire (TROLLER, Précis, op. cit., p. 254). Le coauteur doit faire preuve d'une collaboration créatrice; celui qui exécute simplement les instructions d'un autre, sans qu'une marge de manoeuvre ne soit laissée à sa propre créativité, n'est pas un coauteur, mais un auxiliaire (BARRELET/EGLOFF, Le nouveau droit d'auteur, 3 e éd. 2008, n° 4 ad art. 7 LDA p. 37). Comme déjà relevé, le caractère individuel de l'oeuvre réside en l'espèce dans la disposition originale de la matière, par fiches d'intervention comprenant pour chaque produit en tout cas une étiquette chimique, le numéro ONU, une échelle des dangers, une description du produit et des dangers qui lui sont liés, différentes rubriques indiquant aux intervenants comment agir au mieux selon les situations, ainsi qu'une indication des constantes. Selon l'arrêt attaqué, le recourant n'est ni auteur, ni coauteur du Guide orange, car il devait suivre les instructions données par A. La cour cantonale observe par ailleurs que celui-ci avait posé des critères, notamment de présentation. A ce propos, l'arrêt entrepris n'est guère précis. Il est simplement fait état d'instructions, sans que l'on sache exactement sur quoi elles portaient. De même, les critères de présentation posés par A. ne sont pas énumérés. En particulier, la cour cantonale ne constate nulle part que A. aurait décidé seul des éléments qui figurent en définitive sur les fiches d'intervention. Certes, elle se réfère aux notes manuscrites rédigées par A. en avril 1979 qui, selon elle, démontrent que l'intéressé avait mûrement réfléchi à la conception, forme et présentation du guide. En réalité, sous la plume du chef du SIS, on trouve un titre, une table des matières, une préface, un mémento des mesures immédiates, une signalisation et identification des produits selon les panneaux oranges et les étiquettes de danger, ainsi que l'échelle des dangers; les deux exemples de fiches qui suivent ces notes sont dactylographiées et rien ne permet d'attribuer le choix de leur structure au seul A. On le peut d'autant moins que, au bas de son projet de préface, le chef du SIS a écrit BGE 136 III 225 S. 231 de sa main le nom du recourant à côté du sien. En conséquence, il ne résulte pas des faits constatés dans l'arrêt attaqué que A. avait fixé seul la disposition originale de la matière et que la tâche du recourant était celle d'un simple auxiliaire chargé de remplir des rubriques prédéterminées. Cela étant, il est incontesté que c'est bien le recourant qui a rédigé les fiches composant le Guide orange. Certes, pas plus que pour A., les faits constatés dans l'arrêt cantonal ne laissent apparaître que la forme et la structure des fiches et du guide en général ont été déterminées exclusivement par le recourant. A cet égard, le recourant fait grief à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 CC en refusant une expertise permettant de dater les projets de fiches qu'il avait produits. Dans la mesure où, selon le recourant lui-même, ces exemples ont été dactylographiés alors qu'il travaillait déjà au SIS, on ne voit pas comment une datation plus précise démontrerait qu'il a choisi seul les informations à faire figurer dans la fiche. Le moyen est mal fondé. Il n'en demeure pas moins que la Chambre civile relève elle-même qu'en 1978, le SIS a engagé le recourant en qualité de chimiste-documentaliste précisément "afin de réaliser et de mettre à jour les fiches du 'Guide Orange'"; or, à ce moment-là, aucun répertoire de produits dangereux n'existait. La cour cantonale retient également que le recourant a été "chargé, notamment en raison de ses très grandes compétences professionnelles, de mettre à exécution le projet, en compilant les données chimiques, les vulgarisant et les rendant utiles pour les besoins des sapeurs-pompiers." Plus loin, elle relève que le recourant "a largement participé à la réalisation des fiches dudit guide et que ses compétences, ainsi que son enthousiasme pour ce domaine, ont contribué à la qualité et la renommée du guide." Au surplus, la collaboration du recourant à la réalisation du guide a été louée dans la préface de toutes les éditions de l'ouvrage. Le recourant a également rédigé et signé l'avant-propos de chaque édition. Enfin, comme relevé plus haut, la paternité de l'oeuvre ne peut être attribuée uniquement à A. Dans ces conditions, la cour cantonale ne pouvait pas, sans violer le droit fédéral, dénier au recourant tout apport créatif au Guide orange et le réduire à un auxiliaire n'ayant eu aucune prise sur les choix qui font l'individualité de l'oeuvre. Il s'ensuit que la qualité de coauteur du Guide orange doit être reconnue au recourant. L'arrêt attaqué sera réformé dans ce sens.
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Erwägungen ab Seite 335 BGE 86 II 335 S. 335 A.- Die Eheleute Schaffner-Probst, zwischen denen Gütertrennung bestand, besorgten für einander im Lauf der Jahre zahlreiche Rechtsgeschäfte, namentlich auf dem Gebiet des Liegenschaftenhandels. Nach der Erkrankung des Ehemannes verwaltete die Ehefrau eine Zeitlang sein Vermögen. Am 8. Dezember 1952 starb der Ehemann. Er hatte durch letztwillige Verfügungen seine Frau enterbt, seine Tochter aus früherer Ehe, Frieda Ember-Schaffner, zu seiner Alleinerbin eingesetzt und seinen Enkel Maximilian Ember (einen Sohn der Frieda Ember) zum Willensvollstrecker ernannt. BGE 86 II 335 S. 336 B.- Über die gegenseitigen Ansprüche der Eheleute Schaffner aus ihren geschäftlichen Beziehungen entstand zwischen Frau Schaffner und Frau Ember Streit. Jene belangte diese als Erbin ihres Mannes auf Bezahlung von Fr. 137'314.90 nebst Zinsen. Die Beklagte bestritt ihre Passivlegitimation mit der Behauptung, die Klägerin hätte die Klage auch gegen den Willensvollstrecker richten müssen. Ausserdem bestritt sie die meisten Forderungsposten, stellte Gegenansprüche in höherm Betrag zur Verrechnung und erhob darüber hinaus Widerklage mit zehn Begehren im Streitwerte von Fr. 128'000.-- nebst Zinsen. In einem weitern Prozesse stellte Frau Schaffner das Begehren, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers seien "gänzlich, eventuell in Bezug auf die Enterbung der Klägerin" ungültig zu erklären und sie sei demgemäss als gesetzliche Erbin im Sinne von Art. 462 ZGB anzuerkennen. Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) hat am 28. August 1956 a) im vorliegenden Abrechnungsprozesse die Anerkennung von Teilbeträgen in Höhe von Fr. 19'800.-- vorgemerkt, die Beklagte verpflichtet, der Klägerin über die anerkannten Beträge hinaus Fr. 77'679.60 nebst Zinsen zu bezahlen, und die Klägerin verurteilt, einen Schuldbrief im Betrage von Fr. 16'000.-- gegen Bezahlung einer Ersatzforderung von Fr. 16'151.-- in den Nachlass ihres Ehemannes einzuwerfen und diesem Nachlass Fr. 5760.-- zu vergüten. b) im Testamentsanfechtungsprozesse die letztwilligen Verfügungen des Erblassers für ungültig erklärt, "soweit durch sie die Klägerin enterbt wird", und demgemäss festgestellt, die Klägerin sei gesetzliche Erbin im Sinne von Art. 462 ZGB . C.- Gegen beide Urteile hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Im Abrechnungsprozess beantragt sie die Abweisung der Hauptklage, weil sie mit Bezug auf diese Klage nicht passivlegitimiert sei. Im BGE 86 II 335 S. 337 Testamentsanfechtungsprozess schliesst sie auf Abweisung der Klage... Das Bundesgericht weist die Berufung im Abrechnungsprozess ab (und bestätigt darauf auch das obergerichtliche Urteil im Testamentsanfechtungsprozess; vgl. BGE 86 II 340 hienach). In den Erwägungen 1-4 des bundesgerichtlichen Urteils im Abrechnungsprozess wird dargelegt, die Klägerin verlange mit ihrer Klage, dass die Beklagte als Erbin ihres Ehemannes persönlich zur Zahlung des Betrags verurteilt werde, den ihr Ehemann ihr nach ihrer Meinung schuldig geworden sei. Sie verlange nicht Zahlung aus dem vom Willensvollstrecker verwalteten Nachlass. Der Willensvollstrecker habe daher nicht in den Prozess einbezogen werden müssen, sondern die Passivlegitimation und die Prozessführungsbefugnis der Beklagten seien zu bejahen. Nach dem materiellen Erbrecht sei es zulässig, einen Erben, der die Erbschaft angenommen habe, schon vor der Teilung für Schulden des Erblassers zu belangen, auch wenn dieser einen Willensvollstrecker eingesetzt habe. Vergeblich suche die Beklagte der Klägerin diese Befugnis mit der Begründung abzusprechen, dass die Klägerin, die als Ehefrau des Erblassers potentielle Erbin gewesen sei und bei Bestätigung des obergerichtlichen Urteils im Testamentsanfechtungsprozess Miterbin werde, in einem gerichtlichen Verfahren zur Abrechnung mit dem Erblasser verpflichtet worden sei und diese Pflicht nicht erfüllt habe. Im Anschluss hieran führt das Bundesgericht in Erwägung 5 aus: Es bleibt die Frage zu prüfen, ob der von der Beklagten geltend gemachte Umstand, dass die Klägerin als Ehefrau "potentielle Erbin" des Erblassers war und im Falle der Gutheissung der Testamentsanfechtungsklage Miterbin (zu einem Viertel) der Beklagten wird, unter einem andern als dem von der Beklagten erwähnten Gesichtspunkte rechtserheblich sei. BGE 86 II 335 S. 338 In BGE 71 II 222 und BGE 72 II 160 oben hat das Bundesgericht erklärt, die Solidarhaftung der Erben für die Schulden des Erblassers bestehe nur zugunsten von Gläubigern, die nicht ihrerseits Erben seien; die Forderungen, die einzelne Erben gegen den Nachlass besitzen, seien im Erbteilungsverfahren zu liquidieren. In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesgericht im zweiten dieser Fälle, wo eine Tochter der Erblasserin durch Klage gegen ihren Bruder die Feststellung der Ungültigkeit des von ihr mit der Erblasserin abgeschlossenen Erbverzichtsvertrags wegen Simulation verlangt und zugleich die Rückzahlung eines von ihr der Erblasserin gewährten Darlehens gefordert hatte, im Hinblick auf die Gutheissung des ersten Begehrens das zweite abgewiesen. Aus diesen Präjudizien könnte geschlossen werden, für den Fall der Gutheissung der Testamentsanfechtungsklage der Klägerin sei die vorliegende Forderungsklage abzuweisen und die Klägerin auf den Weg der Geltendmachung ihrer Forderung im Erbteilungsverfahren zu verweisen. Dieses Ergebnis wäre jedoch höchst unbefriedigend. Da die Klägerin vom Erblasser enterbt worden war, konnte sie, solange die betreffende Verfügung nicht beseitigt war, nicht als Erbin auftreten und hatte also keine Gelegenheit, ihre Forderung im Rahmen der Erbteilung geltend zu machen. Mit der Einforderung ihrer Guthaben bis nach der rechtskräftigen Erledigung des Testamentsanfechtungsprozesses zuzuwarten, war ihr nicht zuzumuten, da dies auf eine Stundung hinausgelaufen wäre, auf welche die Beklagte mindestens im Falle der Bestätigung der Enterbung keinen Anspruch hatte. Daher muss der Klägerin zugebilligt werden, dass sie ungeachtet ihres Bestrebens, sich als Miterbin anerkennen zu lassen, berechtigt war, ihre Forderung vorgängig der im Falle der Gutheissung der Testamentsanfechtungsklage durchzuführenden Erbteilung durch eine besondere Klage geltend zu machen. Dies nicht durch eine Klage auf Zahlung aus dem Nachlass zu tun, sondern die Beklagte persönlich zu BGE 86 II 335 S. 339 belangen, war bei den gegebenen Verhältnissen ebenfalls statthaft, zumal da die Beklagte einstweilen als Alleinerbin zu gelten hatte. Die somit zulässigerweise neben der Testamentsanfechtungsklage eingeleitete Forderungsklage gegen die Beklagte für den Fall der Gutheissung jener andern Klage als unzulässig geworden abzuweisen, wäre ungereimt. Wenigstens für Fälle von der Art des vorliegenden kann also an dem in den erwähnten Präjudizien aufgestellten Grundsatze, dass die Forderungen eines Erben gegen den Nachlass erst im Teilungsverfahren zu bereinigen seien, nicht festgehalten werden, sondern in solchen Fällen muss Art. 603 ZGB auch im Verhältnis unter den Erben Anwendung finden. Bleibt der Klägerin auch im Falle, dass sie infolge Gutheissung der Testamentsanfechtungsklage die Stellung einer Miterbin erlangt, das Recht gewahrt, vorgängig der Teilung von der Beklagten persönlich die Bezahlung ihrer Forderung gegen den Erblasser zu verlangen, so muss aber umgekehrt der Beklagten ihrerseits gestattet sein, gegenüber der Klägerin schon vor der Teilung das Rückgriffsrecht auszuüben, das ein Erbe erwirbt, der eine Schuld des Erblassers bezahlt, die nicht ihm zugewiesen worden ist ( Art. 640 ZGB ). Über den Umfang dieses Regressanspruchs besteht hier (anders als im Falle BGE 72 II 160 oben) Klarheit: er geht entsprechend dem der Klägerin bei Hinfall der Enterbung zukommenden Erbanteil auf 1/4 des ihr zugesprochenen Betrages. Im Falle der Gutheissung der Testamentsanfechtungsklage kommen also, wenn der Willensvollstrecker sich nicht bereit finden sollte, die Mittel für die Befriedigung der Klägerin aus dem Nachlass zur Verfügung zu stellen, folgende Möglichkeiten in Betracht: entweder zahlt die Beklagte die Forderung der Klägerin im vollen Betrag "auf Rechnung des Nachlasses" aus ihren eigenen Mitteln und lässt sich diese Leistung bei der Teilung gutschreiben, wodurch 1/4 des von ihr bezahlten Betrags auf die Klägerin überwälzt würde, oder sie beruft sich jetzt BGE 86 II 335 S. 340 schon auf ihr Rückgriffsrecht, was zur Folge hätte, dass sie der Klägerin nur 3/4 des im Urteil festgesetzten Betrags zu zahlen hätte. Damit wäre die erbrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien hinsichtlich der streitigen Forderung durchgeführt, so dass diese bei der Teilung nicht mehr in Betracht fiele. Alle diese Wege führen am Ende zum gleichen Ziel, dass die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 der streitigen Nachlassschuld zu tragen hat.
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Sachverhalt ab Seite 334 BGE 115 Ia 333 S. 334 P. AG ist Eigentümerin der zwei je rund 13 400 m2 grossen Grundstücke Kat. Nrn. 8155 und 8156 in Wädenswil, welche die Halbinsel Giessen bilden. Der nordwestliche Bereich (Parzelle Nr. 8156) ist mit industriell gewerblichen Fabrikations-, Lager- und Verwaltungsgebäuden überbaut. Auf dem südlich angrenzenden mittleren Teil, der zur Parzelle Nr. 8155 gehört, befinden sich dreigeschossige Wohnhäuser und, weiter südöstlich, landwirtschaftliche Lager- und Kleinbauten und ein Bootshaus in lockerer Bauweise neben Gärten und Wiesland. Die Halbinsel Giessen ist ein in den See vorspringender Landteil, der zwischen der SBB-Linie Zürich-Sargans und dem See liegt. Gemäss Bau- und Zonenordnung der Stadt Wädenswil vom 11. März 1964 war das Areal Giessen entlang dem See der Seeuferzone zugewiesen, in welcher gemäss Art. 17 der Bauordnung unter Vorbehalt der besonderen Bestimmungen und Auflagen für die staatlich konzessionierten Landanlagen zweigeschossige Wohnbauten zulässig waren. Das an BGE 115 Ia 333 S. 335 die Seeuferzone angrenzende Areal bis zur Eisenbahnlinie befand sich in der Industrie- und Gewerbezone. Bei der Revision der Ortsplanung, zu welcher die Gemeinde innerhalb der in den § § 342 ff. des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht des Kantons Zürich vom 7. September 1975 (PBG) festgesetzten Fristen verpflichtet war, wurde das Areal Giessen im Zonenplan vom 3. April 1984 (vom Regierungsrat teilweise genehmigt am 6. März 1985) der Reservezone gemäss § 65 PBG zugewiesen. Im vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 30. Juni 1982 genehmigten kommunalen Gesamtplan liegt der südwestliche Teil des Areales Giessen im Industriegebiet, der angrenzende mittlere und südöstliche Abschnitt im Wohngebiet. Zudem sieht dieser Plan für das Gebiet eine Gestaltungsplanpflicht vor, da es sich in landschaftlich empfindlicher Lage befindet. P. AG, die mit der Einweisung ihrer Liegenschaften in die Reservezone nicht einverstanden war, gelangte an die Baurekurskommission II. Diese hiess ihren Rekurs am 10. Juni 1986 gut, soweit sie darauf eintrat, und wies die Stadt Wädenswil an, die Grundstücke auf der Halbinsel Giessen einer Bauzone zuzuweisen und die Verpflichtung zum Bauen nach Gestaltungsplan, wie sie im kommunalen Gesamtplan vorgesehen worden war, zu streichen. Die Stadtgemeinde Wädenswil reichte gegen diesen Entscheid Rekurs beim Regierungsrat ein. Dieser hiess den Rekurs am 28. September 1988 gut und hob den Entscheid der Baurekurskommission II im angefochtenen Umfang auf. Er hielt fest, die Reservezone sei einzig im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes festgesetzt worden. Zufolge der besonderen Lage des Gebietes am Zürichsee sei auch die Gestaltungsplanpflicht zulässig, da diese sowohl den landschaftlichen Gegebenheiten als auch den vom Eisenbahnverkehr verursachten Immissionen Rechnung tragen könne. Bei dieser Sachlage hätte die Festsetzung einer Bauzone nach Auffassung des Regierungsrates keine praktische Bedeutung, da künftigen Baugesuchen die fehlende planungsrechtliche Baureife im Sinne von § 234 PBG entgegengehalten werden müsste. Das Bundesgericht heisst die von der P. AG eingereichte staatsrechtliche Beschwerde gut. BGE 115 Ia 333 S. 336
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Das Bundesgericht prüft bei Eingriffen in das Eigentum die Frage der gesetzlichen Grundlage ohne Beschränkung seiner Kognition umfassend, wenn es sich um einen schweren Eingriff in das Eigentum handelt ( BGE 114 Ia 117 , BGE 112 Ia 316 E. 3a, je mit Hinweisen). Die gesetzliche Grundlage für schwere Eingriffe muss ausserdem klar und eindeutig sein ( BGE 108 Ia 35 E. 3a mit Hinweisen). Mit der Einweisung der nach früherem Recht überbaubaren und auch weitgehend überbauten Liegenschaften der Beschwerdeführerin in die Reservezone wurden die Parzellen einer Nichtbauzone zugewiesen. Gemäss § 65 Abs. 2 PBG sind Bauten und Anlagen in der Reservezone nur zulässig, wenn sie der in den Richtplänen vorgesehenen Zweckbestimmung nicht zuwiderlaufen, keine sonstigen überwiegenden öffentlichen Interessen verletzt werden und ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen wird. Auch wenn in der Richtplanung das Areal Giessen - unter Vorbehalt eines ausreichenden Uferschutzes - dem Baugebiet zugerechnet wird, so ändert dies nichts daran, dass seit dem Inkrafttreten des Eidgenössischen Raumplanungsgesetzes am 1. Januar 1980 die Reservezone keine Nutzungszone im Sinn dieses Gesetzes ( Art. 14 Abs. 2 RPG ) darstellt; Bauten dürfen daher bis zur Ausscheidung solcher Nutzungszonen ungeachtet ihrer Zweckbestimmung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG ( BGE 113 Ib 138 E. 4e; Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 1984, ZBl 85/1984 S. 269 mit Verweisungen). Daraus ergibt sich, dass die Einweisung der Grundstücke der Beschwerdeführerin in die Reservezone einen schweren Eingriff in das Eigentum darstellt. Erforderlich ist daher eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage. Ob auch die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes als schwerer Eingriff zu bezeichnen ist, kann offengelassen werden, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt. 3. Als erstes ist zu beurteilen, ob sich die von der Stadtgemeinde Wädenswil angeordneten Planungsmassnahmen auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützten. Auszugehen ist davon, dass die Stadtgemeinde aufgrund des kantonalen Planungs- und Baugesetzes zur Ortsplanung verpflichtet ist (§§ 8, 45 ff., 342 f. PBG). Seit Inkrafttreten des Eidgenössischen Raumplanungsgesetzes besteht die Verpflichtung zur Schaffung einer Nutzungsplanung, die den Anforderungen des Bundesrechts entspricht, auch BGE 115 Ia 333 S. 337 aufgrund der Art. 1, 2, 14 ff. und 35 Abs. 2 RPG. Somit findet sich die von Art. 22ter BV für Eigentumsbeschränkungen verlangte gesetzliche Grundlage sowohl im eidgenössischen wie im kantonalen Recht. a) Das Bundesrecht verpflichtet zur Festsetzung von Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen und ermächtigt die Kantone, weitere Nutzungszonen vorzusehen und Vorschriften zu erlassen über Gebiete, deren Nutzung noch nicht bestimmt ist oder in denen eine bestimmte Nutzung erst später zugelassen wird ( Art. 18 Abs. 1 und 2 RPG ). Das kantonale Recht regelt die Nutzungsplanung in den § § 36 ff. PBG , wobei es die Gemeinden zum Erlass einer Bau- und Zonenordnung verpflichtet. Diese hat die Überbaubarkeit und die Nutzweise der Grundstücke zu regeln, soweit sie nicht abschliessend durch eidgenössisches oder kantonales Recht bestimmt sind. Zu diesem Zwecke wird der nicht von übergeordneten Zonen und nicht von Waldareal erfasste Gemeindebann in einem Zonenplan rechtsverbindlich in Bauzonen, Freihaltezonen und Reservezonen unterteilt ( § § 45 und 46 PBG ). Gemäss § 65 Abs. 1 PBG umfasst die Reservezone jene Flächen, welche keiner anderen Zone zugewiesen sind. Diese Bestimmungen des kantonalen und des eidgenössischen Rechts stellen eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage für die Festsetzung von Reservezonen dar (vgl. BGE 112 Ia 316 E. 3a, wo die gleiche Feststellung für das übrige Gemeindegebiet gemäss dem Tessiner Baugesetz getroffen wurde). b) Diese Feststellung gilt auch für die Verpflichtung zur Festsetzung eines Gestaltungsplanes, der die Überbauung detailliert regeln soll. Auch wenn die Frage offengelassen werden kann, ob es sich dabei um einen schweren Eingriff in das Eigentum handelt, ergibt sich selbst bei freier Prüfung, dass § 83 PBG klar und eindeutig anordnet, dass die Gemeinden für bestimmt umgrenzte Gebiete einen Gestaltungsplan festsetzen können, wenn daran ein wesentliches öffentliches Interesse besteht. Auch die Bestreitung der gesetzlichen Grundlage für die im kommunalen Gesamtplan vorgesehene Festsetzung eines Gestaltungsplanes erfolgt daher zu Unrecht. c) In Wirklichkeit betreffen die Einwendungen der Beschwerdeführerin die verfassungskonforme Anwendung dieser Vorschriften. Sie ist der Meinung, diese Bestimmungen seien in unhaltbarer Weise falsch angewendet worden, und sie bestreitet ein ausreichendes, ihre privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse für die Einweisung ihrer Grundstücke in die Reservezone und für BGE 115 Ia 333 S. 338 die Anordnung eines Gestaltungsplanes. Ob diese Einwendungen begründet sind, ist nachfolgend zu prüfen. 4. Das Bundesrecht stellt für die Bauzonen Mindestanforderungen auf, indem es vorschreibt, dass diese Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und a) weitgehend überbaut ist oder b) voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird ( Art. 15 RPG ). Das kantonale Recht deckt sich wörtlich mit dieser Vorschrift ( § 47 Abs. 2 PBG ). Präzisierend ordnet es an, bei der Festsetzung der Bauzonen sei darauf zu achten, dass immer genügend Land für Wohnungen und Arbeitsplätze eingezont ist und dass für Gebiete, die unzumutbaren Einwirkungen ausgesetzt sind, eine Beschränkung der Nutzung auf Wohnzwecke unzulässig ist ( § 47 Abs. 3 und 4 PBG ). Aus diesen klaren Vorschriften des eidgenössischen und des kantonalen Rechts ergibt sich, dass Land, das den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, grundsätzlich in eine Bauzone gehört, sofern es nicht als Folge der Abwägung aller für die Raumplanung massgebenden Zielsetzungen, insbesondere aus ortsplanerischen Erwägungen, ganz oder teilweise einer Nichtbauzone zuzuweisen ist ( BGE 114 Ia 368 f. E. 4; BGE 113 Ib 230 E. 2c; BGE 113 Ia 461 E. 5a). Es fragt sich daher als erstes, ob die Liegenschaften der Beschwerdeführerin im Sinne der gesetzlichen Umschreibung Bauland sind. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist zur Beurteilung dieser Frage zunächst am bestehenden Zustand anzuknüpfen, wobei der Begriff der weitgehenden Überbauung parzellenübergreifend, gebietsbezogen zu verstehen ist ( BGE 113 Ia 450 E. da; 458 E. 4). Die beiden je rund 13 400 m2 grossen Grundstücke Nrn. 8155 und 8156 bilden ein in sich geschlossenes Areal, das durch das Ufer des Zürichsees und die Eisenbahnlinie Zürich-Sargans begrenzt ist. Es liegt indessen nicht ausserhalb des Siedlungsgebietes; es hängt vielmehr mit dem überbauten Gebiet zusammen, das jenseits der Bahnlinie der Industriezone B sowie der dreigeschossigen und viergeschossigen Wohnzone W3 und W4 zugewiesen ist. Die Liegenschaft Nr. 8156 ist sodann in Übereinstimmung mit der früheren Rechtslage vorwiegend mit industriellen und gewerblichen Fabrikations-, Lager- und Verwaltungsgebäuden und mit dazugehörenden Wohnhäusern überbaut. Die Freiflächen zwischen den Bauten gehören im wesentlichen zum üblichen Umschwung der Gebäude. Auf dem an Parzelle Nr. 8156 angrenzenden Teil der Parzelle Nr. 8155 befinden sich die stattlichen BGE 115 Ia 333 S. 339 dreigeschossigen Wohnhäuser Nrn. 11, 12, 13, 14 und 15 mit dazwischenliegendem Hof, der heute als Parkplatz benützt wird. Unüberbaut ist der nordöstlich anstossende Seeuferstreifen (ca. 1100 m2) und der südöstliche Teil des Grundstücks Nr. 8155 (rund 8500 m2), da sich auf diesem neben Gärten und Wiesland nur einige Lager- und Kleinbauten, sogenannte Fahrnisbauten, befinden. Bei dieser Sachlage ist Parzelle Nr. 8156 vollständig und Parzelle Nr. 8155 in ihrem angrenzenden, mit den Wohnhäusern Nr. 11 bis 15 überbauten Teil als "weitgehend überbaut" im Sinne Art. 15 lit. a RPG und § 47 Abs. 2 lit. a PBG zu bezeichnen. Bei der gebietsbezogenen Betrachtungsweise können wohl auch die genannten unüberbauten, noch überwiegend gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzten Teile hierzu gezählt werden. Selbst wenn man diese Teile vom weitgehend überbauten Gebiet ausnehmen wollte, könnte nicht in Abrede gestellt werden, dass sie sich jedenfalls teilweise für eine Überbauung eignen und voraussichtlich hiefür innert 15 Jahren benötigt und erschlossen würden; es steht fest, dass die Stadtgemeinde Wädenswil in ihrer Bau- und Zonenordnung die benötigte Bauzonenfläche eher knapp, gemäss Regierungsratsentscheid vom 26. Mai 1987 i.S. Erben X. c. Stadtgemeinde Wädenswil sogar zu knapp bemessen hat. Auch zeigen die bei den Akten liegenden Studien der Beschwerdeführerin, dass sie gewillt ist, ihr Land zu überbauen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin die gesetzlichen Voraussetzungen für Bauzonenland im Sinne von Art. 15 RPG und § 47 PBG erfüllen. 5. Für das Festlegen der Bauzonen ist jedoch nicht allein Art. 15 RPG massgebend. Die Bauzonenausscheidung hat wie alle Raumplanung eine auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtete Ordnung der Besiedlung zu verwirklichen, die von einer gesamthaften Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Gesichtspunkte und Interessen abhängt ( BGE 114 Ia 368 f. E. 4). Die Stadtgemeinde Wädenswil beruft sich für die Nichteinzonung der Grundstücke der Beschwerdeführerin auf die in der Richtplanung bezeichneten landschaftlich empfindlichen Lage ( § 22 Abs. 2 PBG ), zu deren Sicherung sie in Übereinstimmung mit der übergeordneten Richtplanung in ihrem Gesamtplan die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes anordnete. a) Der Augenschein hat bestätigt, dass die Halbinsel Giessen zu Recht als Gebiet in landschaftlich empfindlicher Lage bezeichnet BGE 115 Ia 333 S. 340 worden ist. Die Beschwerdeführerin stellt dies auch nicht in Abrede. Sie bestreitet hingegen, dass die Rücksichtnahme auf diese Lage, der sie selbst durch eine sorgfältige Baugestaltung im Sinne von § 238 PBG Rechnung tragen möchte, einen Gestaltungsplan erfordere. Sie bezeichnet diese Forderung als unverhältnismässig und durch kein genügendes öffentliches Interesse gedeckt. Für die Beurteilung dieses Vorwurfes ist zu beachten, dass das Zürcher Planungs- und Baugesetz den Gemeinden verschiedene Planungsinstrumente zur Verfügung stellt, welche städtebaulich gute Überbauungen sicherstellen wollen. Die Gemeinde hat von diesen Instrumenten in Ausübung des ihr zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraumes pflichtgemäss Gebrauch zu machen. Es ist weder Aufgabe der kantonalen Rechtsmittelinstanzen noch des Bundesgerichts, eine von der Gemeinde mit gutem Grund getroffene Planungsmassnahme durch eine andere, möglicherweise ebenfalls vertretbare Anordnung zu ersetzen. b) Im Lichte dieser Erwägung ist die Forderung der Gemeinde, einen Gestaltungsplan für das Areal Giessen festzusetzen, nicht zu beanstanden. Es besteht ein wesentliches öffentliches Interesse an einer sorgfältigen Planung der Überbauung im Sinne der § § 83 ff. PBG . Die besondere örtliche Lage der Halbinsel Giessen zwischen Bahnlinie und Seeufer rechtfertigt es, Zahl, Lage, äussere Abmessungen sowie Nutzweise der Bauten bindend festzulegen. Mit gutem Grund durfte die Gemeinde annehmen, es gehe um mehr als die Sicherung einer bei jeder Baute zu beachtenden befriedigenden Gesamtwirkung. Sowohl der besonders zu schützende Seeuferbereich ( Art. 17 lit. a RPG ) als auch die vom intensiven Bahnverkehr ausgehenden Emissionen erfordern eine besonders sorgfältige Gestaltung. Diese kann mit dem Instrument des Gestaltungsplanes sichergestellt werden. Dem Begehren der Beschwerdeführerin, die Anordnung eines Gestaltungsplanes aufzuheben, kann daher nicht entsprochen werden. Von einer verfassungswidrigen, durch kein genügendes öffentliches Interesse gerechtfertigten unverhältnismässigen Massnahme kann keine Rede sein. Der Vorwurf ist um so weniger begründet, als die Beschwerdeführerin als alleinige Grundeigentümerin diesen Plan massgebend mitgestalten kann. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Plan als privater Gestaltungsplan im Sinne von § 85 PBG von ihr mit öffentlichrechtlicher Wirkung aufgestellt werden kann; selbstverständlich bedarf er der Zustimmung durch die zuständigen Organe der Gemeinde und des Kantons. BGE 115 Ia 333 S. 341 6. Mit diesem Ergebnis ist jedoch noch nicht entschieden, ob die Festsetzung eines Gestaltungsplanes rechtfertigen könne, das Areal Giessen in die Reservezone einzuweisen. Diese ist - wie dargelegt - eine Nichtbauzone, in welcher bauliche Massnahmen nur gestützt auf Art. 24 RPG sowie das kantonale Ausführungsrecht zu Art. 24 Abs. 2 RPG zulässig sind ( § 357 Abs. 3 PBG ). a) Die Gemeinde und der Regierungsrat begründen die Zulässigkeit der Reservezone im wesentlichen damit, der Beschwerdeführerin entstünde kein Nachteil, weil ein Gestaltungsplan vorgesehen sei; dieser könne nicht nur den öffentlichen, sondern auch den privaten Interessen besser Rechnung tragen als eine der Bauzonen gemäss § 48 PBG . Nach Zürcher Recht könne der Gestaltungsplan in dem von ihm erfassten Bereich den Grundnutzungsplan ersetzen, nicht bloss ergänzen oder überlagern. Gegenüber dieser Argumentation ist zunächst festzustellen, dass es die Erfüllung der Planungspflicht ( § § 8 ff. PBG , Art. 2 RPG ) nicht erlaubt, die Festsetzung der Nutzungszone unbefristet aufzuschieben. Einem solchen Aufschub kommt es jedoch gleich, wenn Land, das die gesetzlichen Voraussetzungen des Bauzonenareales erfüllt, das überwiegend überbaut ist und das nach früherem Recht auch überbaut werden konnte, bei der erstmaligen Festsetzung eines dem Raumplanungsrecht des Bundes und des Kantons entsprechenden Nutzungsplanes vorläufig einer Reservezone zugewiesen wird. Dass diese später zu einem nicht näher festgelegten offenen Zeitpunkt durch einen Gestaltungsplan abgelöst werden soll, ändert hieran nichts. Das Bauzonenland ist in seiner Gesamtheit für die bauliche Nutzung bereit zu halten, und es dürfen ihrer Verwirklichung nicht Hindernisse in den Weg gestellt werden, die mit einer Neueinzonung vergleichbar sind oder einer solchen nahekommen ( BGE 112 Ia 159 E. c). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt den Aufschub der definitiven Zonenzuweisung nur zu, wenn Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Nutzung besteht ( BGE 112 Ia 158 f. 316 E. 3b). Dies trifft für das Areal Giessen nicht zu. Die Anordnung einer Nichtbauzone ist daher als planerisch nicht sachgerecht zu bezeichnen. Sie führt im Ergebnis auch zu einer Umgehung der Vorschriften über Planungszonen, welche auf fünf Jahre angeordnet werden können, um Nutzungspläne festzusetzen oder anzupassen ( Art. 27 RPG , § 346 PBG ). b) Dieser Feststellung gegenüber kann nicht mit Grund eingewendet werden, die Beschwerdeführerin habe es selbst in der Hand, die Ausarbeitung des Gestaltungsplanes herbeizuführen, BGE 115 Ia 333 S. 342 indem sie ein Baugesuch einreiche. Abgesehen davon, dass es ihr nicht zuzumuten ist, ein Bauvorhaben projektieren zu lassen, solange die rechtsverbindlichen Zonenvorschriften fehlen, würde die Frist von fünf Jahren für die planungsrechtlichen Festlegungen gemäss § 235 PBG erst im Zeitpunkt zu laufen beginnen, in welchem dem Vorhaben das Fehlen der planungsrechtlichen Baureife entgegengehalten wird. Im übrigen ist es fraglich, ob diese Vorschrift überhaupt zum Zuge käme, könnte sich doch die Baubehörde mit Berufung auf die in der Reservezone verbindlich geltende Rechtslage damit begnügen, ein Art. 24 RPG und § 357 PBG nicht entsprechendes Vorhaben abzulehnen. c) Auch die Möglichkeit der Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplanes gemäss den § § 85 und 86 PBG kann der Beschwerdeführerin nicht entgegengehalten werden. Zwar trifft es zu, dass ein Gestaltungsplan nach Zürcher Recht für ein bestimmt begrenztes Gebiet an die Stelle der Festsetzung einer Bauzone gemäss § 48 PBG treten kann. Dies ergibt sich aus § 86 Abs. 2 PBG , wonach die in Abs. 1 angeordnete grundsätzliche Bindung an die Bau- und Zonenordnung nicht gilt, wenn das nach der Gemeindeordnung für den Erlass der Bau- und Zonenordnung zuständige Organ dem Gestaltungsplan zustimmt. Doch befreit diese Möglichkeit das zuständige Gemeindeorgan - im Falle von Wädenswil handelt es sich um den Grossen Gemeinderat - nicht davon, innert den gesetzlichen Fristen die planerisch sachgerechten rechtsverbindlichen Zonenvorschriften festzusetzen. Im übrigen ergibt sich aus § 86 Abs. 1 PBG , dass für die Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplanes in der Regel von der Zonenordnung auszugehen ist, da diese die für die Nutzungsart und das Nutzungsmass notwendigen Angaben enthält. Diese fehlen aber, wenn eine Nichtbauzone festgesetzt wird. d) Schliesslich vermag auch die Überlegung nicht zu helfen, die Beschwerdeführerin sei an der Festsetzung einer Bauzone gar nicht interessiert, weil diese den besonderen Verhältnissen des Areales Giessen nicht Rechnung tragen könne. Bereits der Hinweis darauf, dass möglicherweise gemäss § 86 Abs. 1 PBG ein Gestaltungsplan mit blosser Zustimmung des Gemeinderates festgesetzt werden kann, zeigt, dass diese Einwendung nicht zu überzeugen vermag. Im übrigen kennt das Zürcher Recht verschiedene Zonenarten, so dass kaum von vornherein gesagt werden kann, diese könnten unter dem Vorbehalt eines Gestaltungsplanes der zulässigen Grundstücksnutzung nicht gerecht werden. BGE 115 Ia 333 S. 343 e) Es ist somit nicht zu verkennen, dass die Rechtslage für die Grundeigentümerin günstiger ist, wenn Nutzungszonen festgesetzt sind. Auch die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Festsetzung liegen auf der Hand, steht doch mit der nötigen Rechtssicherheit fest, dass das Areal in bestimmter Weise als Bauland verwertet werden kann. Selbst wenn aufgrund der Gestaltungsplanordnung von der Bau- und Zonenordnung abgewichen werden muss, erleidet die Beschwerdeführerin keinen Nachteil; in diesem Fall muss der Grosse Gemeinderat unter Referendumsvorbehalt entscheiden, wie dies auch im Falle eines Gestaltungsplanes, der die Reservezone ablösen soll, zutrifft. Doch ist beim Bestehen einer Bauzone das zuständige Organ für die Festsetzung des Gestaltungsplanes an die Frist gemäss § 235 PBG gebunden, was den Interessen der Grundeigentümerin dient. 7. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Festsetzung der Reservezone für das weitgehend überbaute und zum Siedlungsgebiet zu zählende Areal Giessen planerisch nicht haltbar und daher auch nicht durch ein ausreichendes, die privaten Interessen der Beschwerdeführerin überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt ist. Dem berechtigten Anliegen, eine der landschaftlich empfindlichen Lage angepasste Überbauung sicherzustellen, wird mit der als zulässig erkannten Gestaltungsplanpflicht ausreichend Rechnung getragen. Ob diese auch in anderen kantonalen Rechten bekannte Verpflichtung nur als Richtplananordnung getroffen oder ob er im Nutzungsplan in für jedermann verbindlicher Weise festgesetzt werden kann, haben die für die Anwendung des zürcherischen Planungsrechts zuständigen Behörden zu entscheiden. Von Bundesrechts wegen steht einer rechtsverbindlichen Festsetzung im Nutzungsplan nichts entgegen. Erwägungen der Rechtsklarheit und -sicherheit sprechen vielmehr hiefür. Die Sicherung des Vorbehaltes ist in jedem Falle gemäss § 235 PBG gegeben.
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zugrunde liegt, jedoch grosse Zurückhaltung aufzuerlegen. Er hat in jedem Einzelfall festzustellen, ob die konkreten Sachverhaltselemente den Schluss zulassen, der Rentengläubiger werde in absehbarer Zeit in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt selber zu decken. Die anfängliche Höhe der Rente kann höher oder tiefer sein, je nach dem, ob diese auf unbeschränkte Zeit geschuldet wird oder nicht. Sachverhalt ab Seite 10 BGE 114 II 9 S. 10 Par arrêt du 15 mai 1987, la Première Chambre de la Cour de justice du canton de Genève, statuant dans la cause en divorce opposant les époux G., a notamment condamné le mari à verser pendant six ans à la femme une pension alimentaire au sens de l' art. 152 CC , arrêtée à 4'000 francs par mois pendant les deux premières années, 2'000 francs par mois pendant les troisième et quatrième années et 1'000 francs par mois pendant les cinquième et sixième années. Saisi d'un recours en réforme de dame G., le Tribunal fédéral a annulé l'arrêt attaqué en ce qui concerne la pension alimentaire allouée à la recourante et renvoyé l'affaire à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
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Erwägungen Extrait des considérants: 7. En l'absence de recours du mari, il est inutile de rechercher si la recourante a elle-même commis une faute. En outre, il n'est pas contesté qu'elle soit exposée à tomber dans le dénuement par suite du divorce. La seule question qui se pose est de savoir si c'est à juste titre que la cour cantonale a limité la pension alimentaire dans le temps. BGE 114 II 9 S. 11 a) En principe, la pension alimentaire est allouée pour toute la vie du bénéficiaire ( ATF 66 II 3 in fine). Toutefois, rente d'assistance ou de secours (cf. DESCHENAUX/TERCIER, Le mariage et le divorce, 3e éd., p. 130 n. 682/683), elle peut n'être accordée que pour la durée prévisible du dénuement ( ATF 81 II 410 consid. 2). Au sujet de l'indemnité allouée à la femme divorcée en vertu de l' art. 151 al. 1 CC , le Tribunal fédéral a dit récemment qu'il se justifie de limiter la rente dans le temps lorsque le préjudice résultant du divorce apparaît temporaire: la rente sera assurée pour la durée présumable de la réinsertion professionnelle de l'épouse, eu égard, notamment, à la durée du mariage, à l'âge et à l'état de santé de la crédirentière, à sa formation, à la situation économique en général, ainsi qu'à la possibilité pour l'épouse de retrouver une activité lucrative totale ou partielle ( ATF 111 II 306 et les arrêts cités). On peut appliquer ces principes par analogie à la rente d'assistance de l' art. 152 CC , mais, compte tenu des considérations d'ordre social qui sont à la base de cette disposition légale (cf. BÜHLER/SPÜHLER, n. 4 ad art. 152 CC ), destinée à empêcher la détresse ou la pauvreté conduisant éventuellement à la gêne ( ATF 95 II 289 , ATF 90 II 71 in fine), le juge devra faire montre de beaucoup de retenue (cf. HAUSHEER, RJB 122/1986 p. 61 in fine). b) En l'espèce, la Cour de justice a estimé "équitable" d'allouer une pension alimentaire à la recourante, "compte tenu du fait que les époux G. ont été mariés pendant une quinzaine d'années, que dame G. n'a jamais travaillé durant la vie commune, qu'elle ne dispose d'aucune formation professionnelle spéciale et qu'il lui sera difficile de trouver un emploi normalement rémunéré, vu son âge"; elle a fixé le montant de la rente en prenant en considération "la situation très aisée de G.". Mais elle ne dit mot des raisons qui l'ont incitée à l'allocation d'une rente limitée à la durée de six ans. Il convient donc d'examiner, sur le vu des faits établis, s'il est probable que, dans six ans, dame G. sera apte à se créer sans plus aucun secours des ressources lui permettant d'échapper au besoin. Au moment du divorce, la recourante était âgée de 43 ans. Or, ce n'est qu'à 45 ans qu'on ne devrait normalement plus exiger d'une femme, qui n'a pas exercé une activité lucrative pendant un mariage de longue durée, de se réinsérer dans la vie économique (cf. HAUSHEER, RJB 122/1986, p. 59; ATF 110 II 226 ss, 111 II 307; arrêt, non publié, S. c. J., du 16 juillet 1987). D'autre part, il n'est pas établi que son état de santé entrave dame G. dans l'exercice d'une profession: certes, elle est affectée d'une scoliose, BGE 114 II 9 S. 12 mais il s'agit là d'une maladie banale, qui ne lui interdit notamment pas de pratiquer très activement le tennis. Enfin, elle dispose de tout son temps, puisqu'elle n'a plus la charge de la tenue du ménage conjugal et de l'éducation de ses enfants. Par ailleurs, toutefois, la recourante n'a pas de formation professionnelle, n'ayant travaillé que comme barmaid; pendant le mariage elle n'a pas exercé d'activité rémunérée. Elle a commencé à se réintégrer dans la vie économique, mais, aujourd'hui, elle n'a pas pleinement réussi cette réinsertion. En 1984, durant son stage de formation, elle a gagné quelque 16'000 francs en huit mois, soit 2'000 francs par mois environ, ce qui, à première vue, suffirait à la mettre à l'abri du besoin. Mais ces ressources n'ont pas été durables. Actuellement, la recourante gagne 15'000 francs brut par an, soit 1'125 francs net par mois: un tel revenu paraît insuffisant dans la région genevoise, où, en particulier, les loyers sont notoirement élevés. Ainsi, sur le vu des constatations de fait de l'arrêt attaqué, il n'est pas possible de tenir pour prévisible que, dans six ans, dame G. sera en mesure d'échapper au besoin par ses seuls moyens. Il y a donc lieu, en application de l' art. 64 al. 1 OJ , d'annuler sur ce point la décision déférée et d'inviter l'autorité cantonale à compléter ses constatations et à statuer à nouveau. La Cour de justice ne devra pas s'en tenir exclusivement à l'expérience de la vie. Il lui incombera de déterminer si l'on se trouve ou non en présence d'éléments concrets indiquant que, dans l'espèce, l'épouse est apte à se créer à long terme une situation la mettant à l'abri du besoin, compte tenu notamment du coût élevé de la vie dans la région genevoise. Il lui faudra donc établir quelles sont les chances de réinsertion économiques de la recourante; si, d'après les circonstances, il est probable qu'elle trouvera un emploi stable lui fournissant des ressources suffisantes pour échapper au dénuement et, dans l'affirmative, dans combien de temps cette réintégration pourra se faire. Si la cour cantonale parvient à la conclusion qu'il n'est pas possible de prévoir que la recourante puisse parvenir à une réintégration économique complète et qu'on ne saurait donc raisonnablement exiger d'elle qu'elle subvienne seule à ses besoins, fût-ce dans un avenir lointain, elle devra allouer une rente d'une durée illimitée. Dans cette éventualité, elle pourra revoir la quotité de la rente dans son entier. Au cas où elle a accordé un montant initial de 4'000 francs dans l'optique d'une rente limitée à six ans, afin de BGE 114 II 9 S. 13 permettre à la recourante de prendre plus facilement, pendant les deux premières années, des dispositions en vue de sa réinsertion, elle pourra, si elle l'estime équitable, allouer une rente d'une quotité moindre dès le commencement. Pour le surplus, elle ne perdra pas de vue que les principes du droit des poursuites sur le minimum vital ( art. 93 LP ) fournissent seulement une base au juge du divorce pour la détermination de la quotité de la rente: ils ne le lient pas, notamment si les facultés du mari permettent d'allouer un montant supérieur ( ATF 96 II 304 /305 consid. 5b et d; BÜHLER/SPÜHLER, n. 24 ad art. 152 CC ).
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Sachverhalt ab Seite 165 BGE 134 II 164 S. 165 Für den Sachverhalt wird auf BGE 134 II 49 verwiesen. Im vorliegenden Fall dauerten die entschädigungsrechtlich relevanten Immissionen nur fünf Jahre. Zu befinden hatte die Schätzungskommission über die Entschädigung für ein Bauernhaus.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 7. Die Voraussetzung der Spezialität ist nach ständiger Praxis insbesondere dann gegeben, wenn die Lärmimmissionen eine Intensität BGE 134 II 164 S. 166 erreichen, die das Mass des Üblichen und Zumutbaren übersteigt. Dies ist nach neuerer Rechtsprechung regelmässig anzunehmen, falls die in der eidgenössischen Umweltschutzgesetzgebung festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten sind (vgl. etwa BGE 130 II 394 E. 12.2 S. 415 mit Hinweisen). Es wird vom Beschwerdeführer nicht ernsthaft bestritten und darf als erwiesen gelten, dass die Lärmbelastung im fraglichen Gebiet ab 1999 abgenommen hat und im Jahre 2002 unter den Immissionsgrenzwert von 65 dB(A) gefallen ist, der im Anhang 5 zur Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) für die ES III während des Tages (6 bis 22 Uhr) festgelegt wird. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, dass nicht auf die effektive Schallbelastung, sondern auf die Planungen der Flughafenhalterin, nämlich auf die im Umweltverträglichkeitsbericht zum "Vorläufigen Betriebsreglement" wiedergegebenen Lärmbelastungen abzustellen sei. Nach diesen Karten werde in Zukunft in weiten Teilen von Opfikon der Immissionsgrenzwert für die ES III überschritten. Die Enteigner weisen darauf hin, dass die Lärmkurvenkarten auf Prognosewerten beruhten und das Eintreten dieser Belastungen keineswegs sicher sei. 7.1 Die vom Beschwerdeführer zu den Akten gegebenen Lärmbelastungskarten des Umweltverträglichkeitsberichts zum "Vorläufigen Betriebsreglement" vermögen angesichts des kleinen Massstabes (1:150'000) keinen genauen Aufschluss über die erwartete künftige Lärmbelastung im Gebiet um den alten Ortskern Opfikon zu geben. Insofern erscheint die Behauptung, die Flughafenhalterin rechne selbst mit erneuten Lärmbelastungen über 65 dB(A), als nicht belegt. Allerdings bestünde für die Flughafenhalterin durchaus die Möglichkeit, das Enteignungsverfahren auf nachbarliche Abwehrrechte gegenüber künftigen stärkeren Lärmimmissionen auszudehnen, die infolge betrieblicher Änderungen aller Voraussicht nach eintreten werden (vgl. sinngemäss Art. 4 lit. a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung [EntG; SR 711] ). Ein solches Vorgehen böte den Vorteil, die nachbarrechtliche Auseinandersetzung endgültig zu erledigen und die Enteigneten mit der Zahlung der Entschädigung abschliessend zu verpflichten, übermässige Einwirkungen zu dulden (vgl. BGE 110 Ib 340 E. 5 S. 351; BGE 134 II 49 E. 13.2 S. 71). Andererseits ist weder der Enteigner noch der Enteignungsrichter gehalten, bei der Ermittlung des für die Entschädigung massgebenden Lärmpegels einer künftigen Zu- oder Abnahme BGE 134 II 164 S. 167 übermässiger Immissionen Rechnung zu tragen, deren Eintritt nicht mit Sicherheit oder grösster Wahrscheinlichkeit feststeht (zit. BGE 134 II 49 E. 13.3 S. 72 und E. 13.4 S. 72 f.). Nun ist das vorliegende Enteignungsverfahren im Anschluss an die Einführung der sog. 4. Welle (von Abflügen ab Piste 16) im Herbst 1996 angehoben ( BGE 130 II 394 E. 12.3.1 S. 420 f.) und das Betriebsreglement für den Flughafen Zürich seither mehrmals provisorisch geändert worden. Wie sich der künftige Betrieb abspielen wird, steht angesichts des immer noch nicht abgeschlossenen Sachplanverfahrens (Sachplan für Infrastruktur der Luftfahrt SIL), wie die Enteigner zu Recht geltend machen, noch keineswegs fest. Es kann daher im vorliegenden Verfahren nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Lärmbelastung im fraglichen Gebiet den Immissionsgrenzwert der ES III in Zukunft erneut und andauernd überschreiten werde. 7.2 Demzufolge ist bei der Ermittlung der für den Entschädigungsanspruch massgebenden Lärmbelastung auch im vorliegenden Fall grundsätzlich von der Situation im Schätzungszeitpunkt auszugehen und sind nur Tatsachen zu berücksichtigen, die in diesem Zeitpunkt bereits gegeben oder voraussehbar waren bzw. in naher Zukunft eingetreten sind (zit. BGE 134 II 49 E. 13.3 S. 72). Wie bereits dargelegt, hat die Lärmbelastung relativ kurze Zeit nach dem Stichtag abgenommen und ist nach rund fünf Jahren unter den für die ES III massgeblichen Immissionsgrenzwert gefallen. Es handelt sich somit bei der Lärmabnahme um eine Tatsache, die sich aus der Sicht des Schätzungszeitpunktes in naher Zukunft - noch während des Schätzungsverfahrens - ergeben hat. Dieser Tatsache darf und muss bei der Beurteilung des Entschädigungsanspruchs Rechnung getragen werden. Es ist demnach festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung der Spezialität der Lärmeinwirkungen nur vorübergehend, während rund fünf Jahren, erfüllt war. Soweit der Beschwerdeführer übrigens geltend macht, der alte Dorfkern von Opfikon müsste eigentlich der ES II zugeordnet werden, ist darauf hinzuweisen, dass es hier um einen in der Landwirtschaftszone liegenden Landwirtschaftsbetrieb geht und für Zonen, in denen solche Betriebe zugelassen sind, gemäss Art. 43 Abs. 1 LSV die ES III gilt. 8. Das Bundesgericht hat sich mit der Frage, welche Entschädigungsgrundsätze bei vorübergehenden Beeinträchtigungen durch den Bau oder Betrieb öffentlicher Werke zu gelten haben, schon BGE 134 II 164 S. 168 verschiedentlich auseinandergesetzt. Die meisten dieser Fälle betreffen Störungen, die von Bauarbeiten herrühren. Seltener sind die Entscheide über vorübergehende Beeinträchtigungen durch den Werkbetrieb. 8.1 Nach ständiger Praxis haben die Nachbarn öffentlicher Werke vorübergehende Störungen, die sich aus Bauarbeiten ergeben, in der Regel entschädigungslos hinzunehmen. Ersatz ist nur zu leisten, wenn die Einwirkungen ihrer Art, Stärke und Dauer nach aussergewöhnlich sind und zu einer beträchtlichen Schädigung der Nachbarn führen ( BGE 93 I 295 ; BGE 113 Ia 353 E. 3 S. 357, je mit Hinweisen; BGE 117 Ib 15 E. 2 S. 16 ff.; BGE 132 II 427 E. 3 S. 436). Dagegen gelten die Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit und der Spezialität der Einwirkungen, die für die Abgeltung von Immissionen aus dem Betrieb öffentlicher Werke verlangt werden (vgl. nicht publ. E. 5), für die Beeinträchtigungen durch Baustellen nicht ( BGE 117 Ib 15 E. 2 S. 16 ff.; BGE 132 II 427 E. 3 S. 435). 8.2 Im Urteil E.16/1981 vom 16. Juli 1984 ging es um die Entschädigungsforderung für den vorübergehend übermässigen Lärm einer Nationalstrasse, die nachträglich mit einer Lärmschutzwand ausgestattet wurde (vgl. BGE 123 II 560 E. 4b/aa S. 571). Das Bundesgericht wies auf die erwähnte Rechtsprechung über Bauarbeiten hin und erwog, dass grundsätzlich das Gleiche gelten müsse, wenn sich die vorübergehenden Beeinträchtigungen aus dem normalen Betrieb eines öffentlichen Werks ergäben: Sei die Frist bis zur Ergreifung der Schutzmassnahmen relativ kurz, könne den Nachbarn zugemutet werden, die vorübergehende Störung entschädigungslos zu dulden. Dauerten die Beeinträchtigungen dagegen länger an und seien sie übermässig, so müssten für die vorübergehende Unterdrückung der nachbarlichen Abwehrrechte die gleichen Entschädigungsregeln angewandt werden wie bei der definitiven Enteignung. Der Eigentümer einer Strasse oder einer Bahn werde demnach für die bis zum Bau von Schutzvorrichtungen vorübergehend auftretenden Immissionen entschädigungspflichtig, wenn diese während längerer Zeit andauerten, für den Nachbarn nicht voraussehbar gewesen seien, ihn in spezieller Weise träfen und einen schweren Schaden verursachten. Die Frage, ob eine Einbusse von 10 % des jährlichen Mietertrags während höchstens zwei bis drei Jahren genüge, um im Hinblick auf den Gesamtwert der Liegenschaft einen schweren Schaden anzunehmen, ist im Entscheid vom 16. Juli 1984 offengelassen worden, da auch dieser Schaden nicht nachgewiesen wurde. BGE 134 II 164 S. 169 8.3 In BGE 123 II 560 E. 4b/aa S. 570 f. hat das Bundesgericht angesichts der eingeführten umweltschutzrechtlichen Lärmbekämpfungs- und Sanierungsvorschriften dargelegt, dass die Nachbarn öffentlicher Anlagen Lärmeinwirkungen über den Immissionsgrenzwerten während den vom Bundesrat festgelegten Sanierungsfristen zu dulden hätten. Der Betreiber einer öffentlichen Anlage - im konkreten Fall einer Nationalstrasse - könne daher vor Ablauf dieser Frist grundsätzlich auch nicht zu einer Enteignungsentschädigung verpflichtet werden. Seit Erlass der Umweltschutzgesetzgebung müsse sich das für die Entschädigungspflicht massgebende Kriterium der Dauer der Einwirkungen nach den Sanierungsvorschriften im Umweltschutzgesetz und in der Lärmschutz-Verordnung richten. Solange die Sanierungsfrist noch laufe, könne im Allgemeinen nicht gesagt werden, die Einwirkungen seien im enteignungsrechtlich relevanten Sinne ihrer Dauer nach aussergewöhnlich. Allerdings ist das Bundesgericht bei diesen Erwägungen davon ausgegangen, dass die Frist zur lärmschutzrechtlichen Sanierung der Nationalstrassen im Jahre 2002 auslaufe. Mit allfälligen entschädigungsrechtlichen Folgen von Fristverlängerungen hat es sich nicht befasst. Dagegen ist in BGE 130 II 394 E. 10 S. 412 f. präzisiert worden, dass ein enteignungsrechtlicher Entschädigungsanspruch unter Umständen auch während einer noch laufenden umweltschutzrechtlichen Sanierungsfrist entstehen könne. Die bevorstehende Sanierung einer Verkehrsanlage vermöge das Entstehen eines solchen Anspruchs nur zu hemmen, wenn feststehe oder höchst wahrscheinlich sei, dass durch Massnahmen an der Quelle übermässige Immissionen vollständig beseitigt werden könnten und damit eine dauernde Unterdrückung der nachbarlichen Abwehrrechte vermieden werden könne. Sei dagegen klar, dass im laufenden oder noch durchzuführenden Sanierungsverfahren Erleichterungen gewährt und passive Schallschutzmassnahmen angeordnet werden müssen, werde der enteignungsrechtliche Anspruch nicht verdrängt. Die Zusprechung einer enteignungsrechtlichen Entschädigung falle insoweit in Betracht, als die lärmbetroffenen Liegenschaften auch nach der (umweltschutzrechtlichen) Lärmisolierung der Bauten lärmbedingt entwertet blieben. 8.4 Im hier umstrittenen Fall ist die Tatsache, dass die übermässigen Einwirkungen nur vorübergehend aufgetreten sind, nicht auf bauliche Schutzmassnahmen, sondern auf Änderungen bzw. Schwankungen des Flugverkehrs zurückzuführen (das umweltschutzrechtliche BGE 134 II 164 S. 170 Sanierungsverfahren wurde im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens Zürich eingeleitet und ist teils schon abgeschlossen; vgl. BGE 126 II 522 E. 50 S. 597; BGE 130 II 394 E. 8.3 S. 409 f.). Aus der bisherigen Praxis lässt sich jedoch auch für Streitigkeiten wie der vorliegenden ableiten, dass den Nachbarn öffentlicher Werke in der Regel zugemutet werden darf, vorübergehende übermässige Einwirkungen während längerer Zeit entschädigungslos hinzunehmen. Wie lange die Unterdrückung der nachbarlichen Abwehrrechte dauern muss, um abgeltbar zu werden, kann nicht in genereller Weise bestimmt werden. Ob und wann ein Entschädigungsanspruch entsteht, hängt - wie in der Rechtsprechung zu den Bauarbeiten ausgeführt worden ist - nicht nur von der Dauer, sondern auch von der Art und Stärke der Beeinträchtigung wie auch vom Ausmass des bleibenden Schadens ab. Es bleibt daher zu prüfen, ob die vorübergehende Immissionsbelastung die Nutzung der Liegenschaft des Beschwerdeführers schwer beeinträchtigt und eine erhebliche Vermögenseinbusse verursacht hat. 9. Der Beschwerdeführer macht selbst nicht geltend, dass durch die übermässigen Immissionen die landwirtschaftliche Nutzung des Hofgrundstücks in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Auch die Schätzungskommission ist davon ausgegangen, dass die Fluglärmbelastung den Wert der Liegenschaft (bloss) insofern mindere, als diese Wohnzwecken diene oder dienen könne. Sie ist bei der Verkehrswertbemessung von der Annahme ausgegangen, das Hofgrundstück könnte angesichts seiner guten Lage unabhängig von der Zugehörigkeit zum Landwirtschaftsgebiet ohne weiteres als Wohnliegenschaft bzw. als Einfamilienhaus mit grosszügigem Umschwung und Nebengebäuden verkauft werden. Die Schätzungskommission hat daher das Anwesen gleich wie eine Liegenschaft in der Bauzone behandelt und mit rund 1,2 Mio. Franken bewertet. Damit hat sie sich aber über die tatsächliche und rechtliche Situation am Schätzungsstichtag hinweggesetzt und ist von der Möglichkeit einer besseren Verwendung des Grundstücks ausgegangen, welche rechtlich nicht möglich ist. 9.1 Aus dem Abtretungsvertrag vom 12. Dezember 2001 geht hervor, dass der Beschwerdeführer seinem Sohn nicht nur das Hofgrundstück, sondern seinen ganzen, aus insgesamt 21 Parzellen bestehenden Landwirtschaftsbetrieb übergeben hat, der dem bäuerlichen Bodenrecht untersteht. Die Liegenschaft Haldenweg 10 bildet somit Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes, für welches nach dem Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; BGE 134 II 164 S. 171 SR 211.412.11 in Kraft seit 1. Januar 1994) unter anderem ein Realteilungs- und Zerstückelungsverbot besteht ( Art. 58 ff. BGBB ) und eine Höchstpreisgrenze gilt ( Art. 66 BGBB ). Das fragliche Wohnhaus könnte daher entgegen der Meinung der Schätzungskommission nicht selbständig verkauft werden. Die Veräusserung selbst ganzer landwirtschaftlicher Gewerbe untersteht besonderen einschränkenden Bestimmungen ( Art. 40 ff. BGBB ), ist grundsätzlich bewilligungspflichtig (Art. 61 f. BGBB) und nur an Selbstbewirtschafter möglich ( Art. 63 Abs. 1 lit. a BGBB ). Zudem bestimmt sich der Wert des landwirtschaftlichen Bodens und der zur Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung notwendigen Gebäude - also auch des Wohnhauses, das dem Normalbedarf des Bewirtschafters entspricht - grundsätzlich nach dem Ertrag (vgl. etwa Art. 17, 44 und 49 BGBB ). Wird ein Betrieb veräussert, so gilt der Erwerbspreis als übersetzt, wenn er die Preise für vergleichbare landwirtschaftliche Gewerbe in der betreffenden Gegend im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als 5 Prozent übersteigt ( Art. 66 BGBB ). Verkäufe zu einem übersetzten Preis sind nichtig ( Art. 70 BGBB ). 9.2 Sind somit landwirtschaftliche Gewerbe dem freien Markt entzogen, ist eine bessere Verwendung eines zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörenden Bauernhauses, wie sie die Schätzungskommission angenommen hat, ausgeschlossen. Damit erweist sich die vorgenommene Verkehrs- und Minderwertsermittlung als unhaltbar. Das landwirtschaftliche Gewerbe des Beschwerdeführers ist denn auch in seiner Gesamtheit zu einem Preis von Fr. 320'000.- abgetreten worden, laut Vertrag "unter Berücksichtigung des landwirtschaftlichen Ertragswertes". Selbst wenn aber bei einer Veräusserung an einen Selbstbewirtschafter ausserhalb der Familie allenfalls ein höherer Preis hätte erzielt werden können, kann angesichts der Vorgaben des bäuerlichen Bodenrechts der Wert des Bauernhauses und seine mögliche immissionsbedingte Entwertung die Beträge, welche im angefochtenen Entscheid genannt werden, nicht annähernd erreichen. Damit soll nicht gesagt sein, dass ein Bauernhaus, das Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes bildet, durch übermässigen Lärm nicht ebenfalls an Attraktivität verlieren und eine Werteinbusse erleiden kann. Da aber der Wert eines landwirtschaftlichen Betriebes vorab durch dessen Ertragsfähigkeit bestimmt wird, kann dem Aspekt der ruhigen Lage des Wohnhauses für den Gesamtwert des Gewerbes keine massgebliche Bedeutung zukommen. In diesem Sinne kann dem Schluss der Schätzungskommission, dass sich aus BGE 134 II 164 S. 172 der Beeinträchtigung der Liegenschaft des Beschwerdeführers durch den Fluglärm kein schwerer Schaden ergeben habe, zugestimmt werden. Dieses Ergebnis darf umso eher bestätigt werden, als die enteignungsrechtlich relevante Beeinträchtigung wie gesehen lediglich vorübergehend war und nach fünf Jahren dahingefallen ist.
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Sachverhalt ab Seite 722 BGE 131 II 722 S. 722 Die X. AG veräusserte im März 2002 drei Grundstücke in M. (SZ) an drei verschiedene Käufer; die Y. AG erstellte als Bauherrin und Generalunternehmerin die jeweiligen Gebäude, welche die Z. AG den Grundstückerwerbern vermittelte. Von der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz im Veranlagungsverfahren erbetene BGE 131 II 722 S. 723 Unterlagen reichte die X. AG nur zum Teil ein. Mit drei Ermessensveranlagungen forderte die Verwaltung von der X. AG Grundstückgewinnsteuern bezüglich der drei Liegenschaften, wobei sie jeweils Landpreis und Werklohn zusammenrechnete. Eine Einsprache der X. AG an die Kantonale Steuerkommission Schwyz blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies am 18. November 2004 eine Beschwerde der X. AG ab. Gegen diesen Entscheid hat die X. AG am 13. Januar 2005 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Grundstückgewinnsteuer unterliegen Gewinne, die sich bei der Veräusserung eines Grundstücks des Privatvermögens oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks sowie Anteilen daran ergeben, soweit der Erlös die Anlagekosten (Erwerbspreis oder Ersatzwert zuzüglich Aufwendungen) übersteigt ( Art. 12 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14] ). Die Besteuerung der Grundstückgewinne ist in den Kantonen nicht einheitlich: Entweder werden diese Gewinne alle mit einer besonderen Wertzuwachs- oder Grundstückgewinnsteuer erfasst (als Objektsteuer); dabei wird nicht unterschieden, ob das veräusserte Grundstück dem Privat- oder dem Geschäftsvermögen des Veräusserers zugehört (sog. monistisches System). Oder dann unterliegen nur Grundstückgewinne des Privatvermögens dieser Steuer, solche des Geschäftsvermögens werden der ordentlichen Einkommens- oder Gewinnsteuer unterstellt (als Subjektsteuer; sog. dualistisches System). Das Steuerharmonisierungsgesetz folgt in seinem Grundsatz dem dualistischen System, es erlaubt aber auch, dass nach dem monistischen System geschäftliche und private Grundstückgewinne einer Grundstückgewinnsteuer unterworfen werden ( Art. 12 Abs. 4 StHG ; StR 55/2000 S. 182, 2P.439/1997, E. 3c; vgl. auch BGE 130 II 202 E. 3.2 S. 207; Urteil 2P.75/2003 vom 1. September 2003, E. 2 und 4). Art. 12 Abs. 1 StHG äussert sich zwar nur grundsätzlich zur Ermittlung des steuerbaren Gewinns (vgl. Botschaft zur Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 100): Dieser besteht aus der Differenz zwischen Erlös und Anlagekosten; die Begriffe werden im Steuerharmonisierungsgesetz nicht näher definiert. Dem kantonalen Gesetzgeber bleibt aber BGE 131 II 722 S. 724 bei der Umschreibung des steuerbaren Gewinns lediglich ein beschränkter Spielraum; denn Grundstückgewinn und Einkommenssteuer sind eng miteinander verbunden, namentlich im monistischen System (Urteil 2A.9/2004 vom 21. Februar 2005, E. 3.1). 2.2 Nach § 113 Abs. 1 des schwyzerischen Steuergesetzes vom 9. Februar 2000 (StG/SZ) entspricht der Grundstückgewinn dem Betrag, um den der Veräusserungserlös die Anlagekosten (Erwerbspreis und Aufwendungen) übersteigt. Als Veräusserungserlös gilt der Verkaufspreis "mit allen weiteren Leistungen" ( § 114 Abs. 1 StG /SZ). Im Übrigen unterstehen der Grundstückgewinnsteuer laut § 104 Abs. 1 StG /SZ Gewinne aus der Veräusserung von im Kanton gelegenen Grundstücken des Privat- und Geschäftsvermögens oder von Anteilen an solchen. Insofern kennt der Kanton Schwyz ein monistisches System der Grundstückgewinnbesteuerung im Sinne von Art. 12 Abs. 4 StHG . Daher muss der Teil des Gewinns aus einer Geschäftsliegenschaft, die der Einkommenssteuer unterliegt, und derjenige Teil, welcher der Grundstückgewinnsteuer untersteht, genau abgegrenzt werden. Wo die beiden Steuern in einem gemeinsamen System ineinander greifen, prüft das Bundesgericht mit voller Kognition, ob diese Aufteilung mit dem Steuerharmonisierungsgesetz übereinstimmt. Einzig in Bezug auf allfällige kantonale Besonderheiten, die den der Grundstückgewinnsteuer unterliegenden Teil betreffen, steht dem kantonalen Gesetzgeber ein gewisser Spielraum zu; insoweit würde sich die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen richten (vgl. BGE 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2A.445/2004 vom 7. Juni 2005, E. 2.3; vgl. aber auch BERNHARD Zwahlen, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Basel 2002, N. 2 zu Art. 12 StHG ). 3. 3.1 3.1.1 Als massgebende Grundlage bei der Ermittlung der Grundstückgewinnsteuer bezeichnet das Verwaltungsgericht in Fällen wie dem Vorliegenden grundsätzlich die Summe von Landpreis und Werklohn; Bedingung sei, dass ein Baulandkäufer mit dem Verkäufer einen Generalunternehmer-Werkvertrag abgeschlossen habe, worin die Erstellung, der Umbau oder die Vollendung einer Baute auf dem Kaufgrundstück durch den Verkäufer vereinbart worden sei; weiter wird für eine Zusammenrechnung vorausgesetzt, dass die BGE 131 II 722 S. 725 Verträge so voneinander abhängen, dass es ohne den einen nicht zum Abschluss des andern gekommen wäre und das Geschäft als Ganzes dem Verkauf einer fertigen Baute gleichkommt. Diese so genannte Zusammenrechnungspraxis wurde ursprünglich für die Handänderungssteuer entwickelt; das Bundesgericht hat diese Praxis wiederholt als nicht willkürlich bzw. nicht verfassungswidrig erachtet (vgl. ASA 64 S. 423, E. 4b, mit Hinweisen; 50 S. 445, E. 3b; Urteile 2P.208/2003 vom 4. Dezember 2003, E. 3.1; 2P.47/1998 vom 25. Juli 2000, E. 3b/aa, mit Hinweisen; 2P.64/1995 vom 5. März 1997, E. 2e; 2P.159/1994 vom 26. November 1996, E. 7b). 3.1.2 Ist der erwähnte Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen gegeben, so kommt es (bei der Handänderungssteuer) nicht darauf an, ob die Parteien des Kauf- und des Werkvertrags identisch sind (ASA 50 S. 445, E. 4b; Urteil 2P.410/1996 vom 19. Januar 1999, E. 3a und b; siehe auch Urteil 2P.208/2003 vom 4. Dezember 2003, E. 3.1). Das Verwaltungsgericht geht davon auch für die Grundstückgewinnsteuer aus, verlangt für diesen Fall aber, dass zusätzliche Abreden zwischen Verkäufer und Unternehmer vorliegen, worauf sich aus allfälligen Vertragstexten und den besonderen Umständen schliessen lasse. Es hält diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall aufgrund verschiedener Indizien für gegeben: Insbesondere hätten die betreffenden Gesellschaften zusammengewirkt bei der Erschliessung des Baulands, der Erwirkung der Baubewilligung und letztlich beim Angebot schlüsselfertiger Bauten; zudem seien die Trägerschaft und übrigens auch die Organe von Verkäuferin und Generalunternehmerin identisch; in der Beschwerde werden sie denn auch als Schwestergesellschaften bezeichnet. 3.2 Die Zusammenrechnungspraxis für die Handänderungssteuer kann jedoch nicht unbesehen auf die Grundstückgewinnsteuer übertragen werden: 3.2.1 Die Handänderungssteuer betrifft den Grundstückübergang als solchen; steuerpflichtig ist in der Regel der Käufer. Im Fall eines Werkvertrags und eines damit zusammenhängenden Kaufvertrags fragt sich, ob Gegenstand der Transaktion insgesamt ein Grundstück ist und der entsprechende Vorgang als Ganzes der Handänderungssteuer unterstellt werden kann. In dieser Hinsicht ist es ohne Belang, ob die beiden Verträge mit derselben Person geschlossen bzw. ob das Bauunternehmen und der Landverkäufer identisch sind oder ob es sich um zwei verschiedene steuerpflichtige Personen BGE 131 II 722 S. 726 handelt. Für den Käufer zählt allein die Tatsache, dass der Werkvertrag in der Grundstückübertragung eingeschlossen ist (oder nicht) und damit der Handänderungssteuer unterliegt. 3.2.2 Die Grundstückgewinnsteuer ist eine direkte Steuer, die den Steuerpflichtigen wegen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit trifft. Der Verkäufer bezahlt die Steuer, hier das Bauunternehmen, auf dem realisierten Gewinn. Sind diese beiden unterschiedliche Personen, liegt es auf der Hand, dass jede auf ihren eigenen Grundlagen und ihrem eigenen Gewinn besteuert werden muss; der Gewinn des einen Steuerpflichtigen kann nicht dem anderen zugewiesen werden. Davon geht jedoch das Verwaltungsgericht aus: Es ordnet den gesamten Vorgang, das heisst den Verkauf des Landes und den Bau der Liegenschaften, mithin den daraus realisierten Gewinn, allein der Beschwerdeführerin zu, ohne die Leistungen der Y. AG zu berücksichtigen. Die bei der Handänderungssteuer entwickelte Zusammenrechnungspraxis (ohne Rücksicht auf Identität von Verkäufer und Werklieferant) versagt aber bei der Grundstückgewinnsteuer, wenn Verkäufer und Werklieferant nicht identisch sind. Diesfalls liegen zwei Steuersubjekte vor, und der Verkäufer kann nur für den von ihm realisierten Grundstückgewinn (ohne Einfluss des vom Werklieferanten erzielten Gewinns) besteuert werden. Vorliegend stellt sich denn auch nicht eigentlich die Frage nach der Berechnungsgrundlage für die Steuer, sondern es fragt sich, wer überhaupt steuerpflichtig ist. 4. 4.1 Der Begriff der Steuerpflicht juristischer Personen ist in Art. 20 StHG definiert; das kantonale Recht stimmt mit dem eidgenössischen überein (vgl. § 54 f. StG/SZ; Art. 49 f. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]; siehe auch StR 59/2004 S. 524, 2A.321/2003, E. 3.1): Juristische Personen sind aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung bzw. Geschäftsleitung im Kanton befindet. Vorbehältlich von Steuerumgehung und Fällen von Simulation gelten privatrechtskonforme juristische Personen grundsätzlich als steuerpflichtig. Die Steuerbehörde darf deren Gewinn insofern berichtigen, als dieser Gegenstand ist von Zuwendungen oder verdeckten Gewinnausschüttungen an einen Aktionär oder eine Schwestergesellschaft (sog. Dreieckstheorie; vgl. dazu etwa Urteil 2A.73/2005 vom 2. August 2005, E. 2.2, mit Hinweisen; siehe auch Urteil 2A.583/2004 vom 21. April 2005). BGE 131 II 722 S. 727 Die als steuerpflichtig anerkannten juristischen Personen müssen nach dem Grundsatz "at arm's length" bzw. des Drittvergleichs handeln (Vereinbarungen wie mit aussenstehenden Dritten; vgl. z.B. StE 2002 B 72.13.1 Nr. 3, 2A.157/2001, E. 3b; StE 1995 B 72.11 Nr. 3, 2A.346/1992, E. 3b); nur soweit dieses Prinzip nicht beachtet wird, kann die Steuerbehörde eingreifen. 4.2 Im konkreten Fall ist offenbar kein Gewinn von der Y. AG zur Beschwerdeführerin verschoben worden; dies behauptet die Steuerkommission jedenfalls nicht. Daher ist nicht ersichtlich, inwiefern der Erlös, der auf den durch die Y. AG (Bauherrin und Generalunternehmerin) erstellten Bauten erzielt worden ist, der Beschwerdeführerin zugewiesen werden muss, die sich darauf beschränkt hat, das Land zu verkaufen. Selbst achtbare praktische Gründe rechtfertigten es nicht, einen solchen Gewinn bei einem anderen Steuerpflichtigen zu besteuern. Würde der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt, würde der auf dem Bau der Liegenschaften realisierte Gewinn bei der Beschwerdeführerin kantonal und bei der Y. AG mit der direkten Bundessteuer besteuert, was offensichtlich gegen das Ziel der Steuerharmonisierung verstiesse. Vorliegend sind die rechtlichen Beziehungen zwischen den Käufern der Liegenschaften und den zwei bzw. drei Gesellschaften (einschliesslich der Z. AG) nicht eindeutig bekannt; allenfalls existieren Werkverträge zwischen den Käufern und der Y. AG, offenbar aber keine speziellen Unterakkordanten-Verhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und der Y. AG; es kann daher wohl von einer einfachen Gesellschaft bzw. einem Konsortium der Gesellschaften ausgegangen werden. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass jede Gesellschaft nur aufgrund des von ihr erzielten Gewinns steuerbar ist. 5. 5.1 Der Entscheid der Vorinstanz verletzt demnach die Grundsätze des Steuerharmonisierungsgesetzes, insbesondere Art. 20 StHG und das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Beschwerdeführerin hat nach dem Gesagten hinreichend dargelegt, dass die Ermessensveranlagung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 StHG und § 151 Abs. 3 StG /SZ offensichtlich unrichtig war. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als begründet und ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben und die Sache zur Neuveranlagung im Sinne der Erwägungen an die Kantonale Steuerverwaltung zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 120 BGE 132 IV 120 S. 120 A. X. (geb. 1970) und A. (geb. 1969) lernten sich im Jahre 1994 kennen. Seit 1996 unterhielten sie regelmässig sexuelle Kontakte. Ende August 2002 fand ein intensiver Mail-Verkehr zwischen ihnen statt, wobei X. vorschlug, verschiedene neue Sexualpraktiken auszuprobieren, in seinen Worten unter anderem "Titten abbinden", "Klammern an Brüste und Fotze", "Faustfick". A. willigte darin ein, ausser in "Faustfick". Sie war auch damit einverstanden, dass X. die sexuellen Handlungen mit einer Webcam aufnahm. Am 3. September 2002 begab sich A. in X.s Wohnung. Sie konsumierte mit ihm zunächst eine grössere Menge alkoholischer Getränke, obschon sie Alkohol generell nicht gut vertrug. In der Folge kam es zu sexuellen Handlungen, die X. mit einer Webcam aufnahm. X. schlug A. auf die Brüste und auf den Hintern, band ihr die Brüste mit einem Seil ab und befestigte Klammern an ihr Geschlechtsorgan. Es kam BGE 132 IV 120 S. 121 auch zum Geschlechtsverkehr. All dem widersetzte sich A. nicht. X. urinierte in ihr Gesicht und forderte hierauf A. auf, ihm "einen zu blasen", worauf A. mit "nein" antwortete. X. zog gleichwohl ihren Kopf zu seinem Penis und drang damit in ihren Mund ein, um sich dergestalt zu befriedigen. Er ejakulierte auf das Gesicht von A. Hierauf begab er sich mit ihr ins Badezimmer, wobei er sie stützen musste, da sie allein nicht dorthin gekommen wäre. Im Badezimmer musste A. sich übergeben. X. wusch sie und brachte sie anschliessend ins Bett. Alle diese Szenen wurden mit der Webcam aufgenommen. X. und A. hatten nach diesem Vorfall weiterhin bis ins Jahr 2004 regelmässig sexuelle Kontakte. Im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen wegen Kinderpornographie wurde festgestellt, dass X. in den Jahren 1998 und 1999 Kunde eines Unternehmens war, welches auf seiner Internetseite unter anderem auch kinderpornographische Aufnahmen anbot. Anlässlich einer Hausdurchsuchung bei X. im Oktober 2002 wurde allerdings keine Kinderpornographie gefunden. Hingegen wurde festgestellt, dass X. auf seinem beschlagnahmten Laptop Bildaufnahmen gespeichert hatte, die sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten und mit menschlichen Ausscheidungen zum Inhalt hatten, unter anderem die Bildaufnahmen betreffend die sexuellen Handlungen vom 3. September 2002 mit A. Diese Aufnahmen hatte X. über das Internet auch Drittpersonen zukommen lassen. B. B.a Das Strafgericht des Seebezirks sprach X. am 16. Dezember 2004 der sexuellen Nötigung ( Art. 189 Abs. 1 StGB ), begangen am 3. September 2002 zum Nachteil von A., und der Pornographie ( Art. 197 Ziff. 3 und Ziff. 3 bis StGB ), begangen in der Zeit vom 7. Juli 2002 bis zum 18. Dezember 2002, schuldig und bestrafte ihn mit drei Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren. In teilweiser Gutheissung der Zivilklage von A. verpflichtete es X., der Zivilklägerin Fr. 1'000.- als Genugtuung zu zahlen. B.b Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg reichte Berufung ein mit den Anträgen, X. sei in Bestätigung der erstinstanzlichen Schuldsprüche zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 16 Monaten zu verurteilen. X. beantragte in seiner Stellungnahme die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids. BGE 132 IV 120 S. 122 B.c Der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Freiburg wies am 7. April 2006 die Berufung ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Strafappellationshofes vom 7. April 2006 sei aufzuheben und die Sache zur Neufestsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. X. beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB wird wegen sexueller Nötigung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer eine Person zur Duldung - oder zur Vornahme (siehe BGE 127 IV 198 ) - einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt. Die Mindeststrafe beträgt somit drei Tage Gefängnis (vgl. Art. 36 StGB ). Nach Art. 190 Abs. 1 StGB wird wegen Vergewaltigung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt. Die Mindeststrafe beträgt somit ein Jahr Zuchthaus (vgl. Art. 35 StGB ). Das frühere Recht vor der Revision durch Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 drohte für die Notzucht (im Grundtatbestand) Zuchthaus (von einem Jahr bis zu zwanzig Jahren) an (Art. 187 Abs. 1 aStGB). Die Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung wurde nach dem alten Recht mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 188 aStGB). Durch das neue Sexualstrafrecht ist mithin zum einen die Höchststrafe für die Vergewaltigung von zwanzig Jahren auf zehn Jahre Zuchthaus herabgesetzt und zum andern die Höchststrafe für die Nötigung zu einer anderen sexuellen Handlung von fünf Jahren auf zehn Jahre heraufgesetzt worden. Im früheren Sexualstrafrecht war der Begriff der "beischlafsähnlichen Handlung" nur im Tatbestand der Unzucht mit Kindern (Art. 191 aStGB) enthalten. Der Missbrauch eines Kindes unter 16 Jahren "zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung" wurde mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft; der Missbrauch eines Kindes unter 16 Jahren zu einer anderen unzüchtigen Handlung wurde mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Die übrigen Tatbestände des alten Sexualstrafrechts enthielten den Begriff der "beischlafsähnlichen BGE 132 IV 120 S. 123 Handlung" nicht. Sie unterschieden einzig zwischen dem (ausserehelichen) Beischlaf einerseits und den anderen unzüchtigen Handlungen andererseits, wobei im Falle der Letzteren eine deutlich niedrigere Strafe angedroht wurde als im Falle des tatbestandsmässigen Beischlafs (siehe Art. 189, 190, 192, 193 aStGB). Das heute geltende Recht enthält demgegenüber in den meisten Sexualstraftatbeständen einzig den Begriff der "sexuellen Handlung" ohne Differenzierung zwischen Beischlaf und anderen sexuellen Handlungen (siehe Art. 187, 188, 192, 193 StGB). Einzig die Tatbestände der Schändung ( Art. 191 StGB ) einerseits sowie der Vergewaltigung ( Art. 190 StGB ) und der sexuellen Nötigung ( Art. 189 StGB ) andererseits enthalten die Begriffe "Beischlaf", "beischlafsähnliche Handlung" und "andere sexuelle Handlung". Dabei sieht das Gesetz im Falle der Schändung für alle diese Varianten von sexuellen Handlungen denselben Strafrahmen von Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis vor ( Art. 191 StGB ). Demgegenüber sieht das Gesetz für die Vergewaltigung ( Art. 190 StGB ) einerseits und für die Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung ( Art. 189 StGB ) andererseits zwar dieselbe Höchststrafe von zehn Jahren, aber wesentlich verschiedene Mindeststrafen vor, nämlich ein Jahr Zuchthaus einerseits und drei Tage Gefängnis andererseits. 2.2 Der Entwurf des Bundesrates drohte für die Vergewaltigung im Grundtatbestand Zuchthaus bis zu zehn Jahren (Art. 189 Abs. 1 E-StGB) und für die Nötigung zu einer andern geschlechtlichen Handlung im Grundtatbestand Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis (Art. 190 Abs. 1 E-StGB) an. Der Entwurf des Bundesrates enthielt wie schon der Entwurf der Expertenkommission im Tatbestand der Nötigung zu einer andern geschlechtlichen Handlung den Begriff der "beischlafsähnlichen Handlung" nicht. In der Botschaft wurde allerdings die Frage aufgeworfen, ob im Gesetzestext zwischen den beischlafsähnlichen und den übrigen geschlechtlichen Handlungen zu differenzieren sei. Darauf wurde jedoch verzichtet, weil diese Begriffe infolge ihrer Unbestimmtheit für die Abstufung der Strafbarkeit ungeeignet seien. Der höheren Strafwürdigkeit von erzwungenen hetero- und homosexuellen Handlungen, die einer Vergewaltigung gleichkommen, werde dadurch Rechnung getragen, dass der Strafrahmen wie für die Vergewaltigung bis zu zehn Jahren Zuchthaus reiche. Diese Höchststrafe sei gegenüber jener des geltenden Artikels 188 (betreffend Nötigung zu einer andern BGE 132 IV 120 S. 124 unzüchtigen Handlung) um fünf Jahre höher. Für harmlosere, aber immer noch erhebliche geschlechtliche Handlungen (unter Zwang) bleibe Gefängnis angedroht (Botschaft des Bundesrates, BBl 1985 II 1009 ff., S. 1075). Der Nationalrat, welcher die Gesetzesvorlage als Zweitrat behandelte, beschloss auf Antrag seiner Kommission eine Umstellung der Tatbestände in dem Sinne, dass abweichend vom Entwurf des Bundesrates und vom Beschluss des Ständerates die sexuelle Nötigung in Art. 189 und die Vergewaltigung in Art. 190 geregelt wurde. Der Nationalrat fügte auf Antrag seiner Kommission im Tatbestand der sexuellen Nötigung ergänzend den Begriff der "beischlafsähnlichen Handlung" ein. Somit sollte mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft werden, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen geschlechtlichen Handlung nötigt (siehe AB 1990 N 2300). Einzelnen Voten im Nationalrat kann entnommen werden, dass nach dessen Vorstellungen die Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen Handlung wie die Vergewaltigung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu bestrafen ist und die in Art. 189 alternativ angedrohte Gefängnisstrafe nur für die weniger schwerwiegende Nötigung zu anderen geschlechtlichen Handlungen in Betracht fällt (siehe Voten des Berichterstatters Cotti sowie von Nationalrat Rechsteiner, AB 1990 N 2302, S. 2326). Es wurde indessen darauf verzichtet, die Nötigung zur Duldung beischlafsähnlicher Handlungen einerseits und zur Duldung anderer sexueller Handlungen andererseits in zwei verschiedenen Absätzen zu regeln - was an sich möglich gewesen wäre (siehe Votum Rechsteiner, a.a.O.) - und für Erstere ausdrücklich - wie in Art. 190 - einzig Zuchthaus bis zu zehn Jahren anzudrohen. Die Gesetzesmaterialien enthalten mithin Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen Handlung grundsätzlich gleich zu bestrafen ist wie die Vergewaltigung, d.h. - bei Fehlen von Strafmilderungsgründen - mit mindestens einem Jahr Zuchthaus. Der Gesetzgeber hat indessen auf eine entsprechende Regelung verzichtet. Er hat zwar die beischlafsähnliche Handlung in Art. 189 StGB - wie in Art. 191 StGB betreffend die Schändung - neben der anderen sexuellen Handlung speziell erwähnt, doch hat er hiefür nicht auch ausdrücklich eine - etwa Art. 190 Abs. 1 StGB entsprechende - spezielle Mindeststrafe vorgesehen. Damit soll für eine Nötigung zu einer beischlafsähnlichen Handlung, im Unterschied zum früheren Recht, BGE 132 IV 120 S. 125 zwar eine gleich hohe Strafe ausgesprochen werden können wie für eine Vergewaltigung, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass, je nach den konkreten Umständen, im Einzelfall - auch bei Fehlen von Strafmilderungsgründen - eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr ausgefällt wird. 2.3 Weder die systematische noch die teleologische Auslegung des Gesetzes führen zwingend zum Ergebnis, dass die in Art. 189 Abs. 1 StGB alternativ angedrohte Gefängnisstrafe abweichend vom Wortlaut der Bestimmung nur für die Nötigung zur Duldung einer anderen sexuellen Handlung und nicht auch für die Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen Handlung in Betracht fällt. Gegen eine solche Auffassung spricht im Übrigen auch, dass der Begriff der "beischlafsähnlichen Handlung" - im Unterschied zum Begriff des "Beischlafs" - mit Unsicherheiten behaftet und mit Auslegungsschwierigkeiten verbunden ist. 2.4 In der Lehre vertreten einzelne Autoren die Auffassung, dass die Strafe bei Nötigung zur Duldung beischlafsähnlicher Handlungen grundsätzlich nicht niedriger sein sollte als bei der Vergewaltigung, dass mithin bei der Nötigung zur Duldung einer beischlafsähnlichen Handlung die Mindeststrafe grundsätzlich ein Jahr Zuchthaus betragen sollte, da nur auf diese Weise mit der (berechtigten) Gleichstellung zwischen hetero- und homosexueller Vergewaltigung Ernst gemacht werde (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 189 StGB N. 9, 13). Die Erzwingung einer beischlafsähnlichen Handlung soll nicht milder bestraft werden als die Vergewaltigung (PHILIPP MAIER, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 189 StGB N. 32). Es wird unter Hinweis auf die Beratungen der nationalrätlichen Kommission die Auffassung vertreten, dass die Nötigung zu beischlafsähnlichen Handlungen mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu bestrafen sei und die im Tatbestand der sexuellen Nötigung alternativ angedrohte Gefängnisstrafe einzig für weniger schwerwiegende sexuelle Beeinträchtigungen gelte (PETER HANGARTNER, Selbstbestimmung im Sexualbereich - Art. 188 bis 193 StGB, Diss. St. Gallen 1997, S. 60 ff.). Andere Autoren halten fest, der Gesetzgeber habe durch die besondere Erwähnung der "beischlafsähnlichen Handlung" im Tatbestand der sexuellen Nötigung zum Ausdruck bringen wollen, dass Art und Intensität des abgenötigten sexuellen Verhaltens bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind und die Nötigung zur Duldung gewisser sexueller Handlungen in ihrem Unrechtsgehalt der Nötigung zur Duldung des BGE 132 IV 120 S. 126 Beischlafs gleichkommen kann. Dies sei indessen eine Selbstverständlichkeit, weshalb der ohnehin relativ unbestimmte Begriff gestrichen werden könnte (GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 6. Aufl. 2003, § 8 N. 29; GUIDO JENNY, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 4. Bd., 1997, Art. 189 StGB N. 36; JÖRG REHBERG, Das revidierte Sexualstrafrecht, AJP 1993 S. 16 ff., 21; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit Suisse, vol. I, 2002, Art. 189 StGB N. 8). 2.5 Zu den beischlafsähnlichen Handlungen zählen unter anderen der Oralverkehr ( BGE 86 IV 177 E. 2d zu Art. 191 aStGB mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien; STEFAN TRECHSEL, a.a.O., Art. 189 StGB N. 9), insbesondere das Eindringen mit dem Penis in den Mund einer andern Person. Ein solcher Oralverkehr ist in seiner sexuellen Intensität dem Beischlaf ähnlich, und die Nötigung zur Duldung eines derartigen Oralverkehrs ist in ihrem Unrechtsgehalt einer Vergewaltigung ähnlich. Daher hat sich der Richter bei der Strafzumessung für die Nötigung zur Duldung einer solchen beischlafsähnlichen Handlung grundsätzlich am Strafrahmen zu orientieren, welchen das Gesetz für die Vergewaltigung festlegt. Die Strafe darf mithin im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht wesentlich niedriger sein als die Strafe, welche der Richter unter denselben Umständen für eine Vergewaltigung ausgesprochen hätte. Wäre der Beschwerdegegner mit seinem Penis nicht in den Mund, sondern in die Vagina des Opfers eingedrungen, so hätten die kantonalen Instanzen trotz der zahlreichen zu seinen Gunsten strafmindernd berücksichtigten Umstände eine Zuchthausstrafe von mindestens einem Jahr ausfällen müssen. Diese Mindeststrafe hätte mithin nicht unterschritten werden dürfen, obschon das Opfer am fraglichen Abend in sämtliche sexuelle Handlungen, ausser in den inkriminierten Oralverkehr, eingewilligt hatte, der Oralverkehr ansonsten zum normalen Sexualleben der beiden gehörte und die intime Beziehung nach dem inkriminierten Vorfall noch rund zwei Jahre lang fortgesetzt wurde. Die Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus im Falle einer Vergewaltigung hätte einzig aufgrund und nach Massgabe der dem Beschwerdegegner zugebilligten leichten Verminderung der Zurechnungsfähigkeit geringfügig unterschritten werden dürfen. Die Strafe für die dem Beschwerdegegner zur Last gelegte Erzwingung des Oralverkehrs darf nicht wesentlich niedriger sein. Die Umstände, welche die kantonalen Instanzen - von der Beschwerdeführerin unangefochten - strafmindernd berücksichtigt haben, dürfen mithin BGE 132 IV 120 S. 127 nicht zum Anlass für die Ausfällung einer Freiheitsstrafe genommen werden, die wesentlich unter einem Jahr liegt. Die von der Vorinstanz bestätigte Gefängnisstrafe von drei Monaten ist daher, auch unter Berücksichtigung der leichten Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, unhaltbar milde und deshalb bundesrechtswidrig, selbst wenn der Beschwerdegegner sich einzig der Nötigung zur Duldung des Oralverkehrs schuldig gemacht hätte. Hinzu kommt indessen, dass der - insoweit einschlägig vorbestrafte - Beschwerdegegner sich auch noch der Pornographie schuldig gemacht hat, was straferhöhend zu berücksichtigen ist. 2.6 Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit gutzuheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 7. April 2006 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 118 BGE 100 IV 117 S. 118 A.- La société anonyme Nouvelle compagnie de réassurances, à Genève, était administrée depuis 1962, par un conseil de sept membres. Sa direction générale était assurée par Ralph Moor, qui portait le titre de directeur général et qui a en outre été nommé administrateur et délégué du conseil d'administration le 20 juillet 1965. Dans le cadre de la direction générale, Moor était assisté de deux directeurs, ainsi que de trois sousdirecteurs, dont notamment Paul Fluckiger et Gustave Schelling. A compter du 1er janvier 1964, la direction des services techniques de la société a été assumée par Constantin Guise, sous-directeur. En prenant ses fonctions, Guise entendit des rumeurs concernant l'existence d'un éventuel déficit technique. Désireux de clarifier la situation, il établit un premier rapport, qu'il communiqua à Moor le 30 janvier 1964. Ce rapport, examinant les comptes jusqu'à fin 1962, a notamment relevé l'insuffisance de réserves pour risques en cours et l'insuffisance de réserves pour sinistres à régler. Le 26 mars 1965, Guise a remis à Moor un nouveau rapport sur les années 1963-1964. Les rapports établis par Guise constataient une insuffisance technique de 6 millions pour 1961, de 11 millions pour 1962 et de 14 millions pour 1963. Moor n'en a pas parlé au conseil d'administration. BGE 100 IV 117 S. 119 Le 25 juillet 1966, la société a transmis son rapport d'exploitation au Bureau fédéral des assurances à Berne pour l'exercice 1965. Ce rapport signé par Moor et Fluckiger ne fait pas mention des pertes révélées par les rapports Guise. Par une lettre du 23 août 1966, le Bureau fédéral des assurances a fait part à la direction de la société de son inquiétude quant à la situation et lui a demandé des renseignements complémentaires, notamment quant aux mesures d'assainissement qu'elle comptait prendre et quant aux réserves pour risques en cours. Le 28 août 1966, Guise a établi un troisième rapport révélant une insuffisance technique de l'ordre de 17 millions pour l'exercice 1964. Le 29 août 1966, au cours d'une réunion à laquelle Moor n'a pas pris part, le conseil de direction de la société a constaté que le déficit du bilan technique était de 23 500 000 fr. En accord avec les autres membres de la direction, Moor, après avoir pris connaissance du dernier rapport Guise, prit la décision de faire procéder à une expertise confiée à Fluckiger et Schelling. Le rapport de ces derniers, remis au conseil de direction le 12 octobre 1966 et dont Moor a eu connaissance, confirme pour l'essentiel le rapport Guise. Le 18 octobre 1966 s'est tenue au Bureau fédéral des assurances une entrevue entre Moor et le directeur et le sousdirecteur du Bureau fédéral. Le but en était de renseigner le Bureau fédéral sur la marche des affaires en général; néanmoins Moor, tout en reconnaissant que les affaires avaient été mauvaises, n'a pas mentionné les rapports Guise ni celui établi par Fluckiger/Schelling. Le 1er novembre 1966, le président du conseil d'administration de la société a appris la situation réelle de la société et il a fait part de sa surprise à Moor par une lettre du 5 novembre 1966. Dans les jours qui suivirent, il en avisa le Bureau fédéral. Le 11 novembre 1966, Moor a été suspendu de ses fonctions de directeur général. Une inspection effectuée par le Bureau fédéral les 23 et 25 novembre 1966 a confirmé la réalité des chiffres articulés par Guise dans ses trois rapports. B.- A la suite de ces faits, le Tribunal de police du canton de Genève a condamné Moor, le 18 janvier 1973, à une amende de 5000 fr. pour infraction à l'art. 11 al. 1 ch. 2 de la BGE 100 IV 117 S. 120 loi fédérale concernant la surveillance des entreprises privées en matière d'assurances du 25 juin 1885 (RS 10 p. 279). Ce jugement a été confirmé pour l'essentiel le 11 avril 1974 par la Cour de justice du canton de Genève, statuant sur appel de Moor. La peine d'amende a toutefois été réduite à 4000 fr., Moor étant libéré de l'inculpation de ne pas avoir constitué au bilan de la société certaines réserves spéciales. L'arrêt de la Cour de justice a retenu en définitive l'infraction à l'art. 11 al. 1 ch. 2 de la loi du 25 juin 1885 fondée sur le fait que Moor n'a pas fourni au Bureau fédéral des assurances les indications qui convenaient sur la situation de sa compagnie. C.- Moor se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il conclut à libération et invoque la prescription de l'action pénale. Le Procureur général du canton de Genève propose le rejet du pourvoi.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Les compagnies de réassurances opérant en Suisse sont soumises à la loi du 25 juin 1885 concernant la surveillance des entreprises privées en matière d'assurance (LSA). La réassurance comprend en effet tous les éléments essentiels de la notion d'assurance tels que définis par la doctrine et la jurisprudence (cf. RO 76 I 368; 58 I 259 ); il s'agit d'une assurance contre les dommages (RO 91 I 379), soumise sans restriction à la loi du 25 juin 1885. Tel est d'ailleurs l'avis de la doctrine, qui a toujours admis, expressément ou implicitement, que les compagnies pratiquant la réassurance ne font pas exception à la règle générale de la surveillance (HAYMANN, La surveillance des sociétés d'assurances en Suisse, p. 49; DIEHL, Die Rechnungslegung der privaten Versicherungs-Unternehmungen unter Berücksichtigung der staatlichen Aufsicht, p. 129 ss.; WYRSCH, Die schweizerische Staatsaufsicht über die Rückversicherung). 2. a) L'art. 11 al. 1 ch. 2 LSA prévoit que sont punis de l'amende jusqu'à 5000 fr. ou de l'emprisonnement jusqu'à 6 mois les dire'cteurs, mandataires généraux et agents responsables d'une entreprise d'assurance qui, dans les exposés, documents à l'appui ou informations qu'ils sont tenus de fournir BGE 100 IV 117 S. 121 au Conseil fédéral, exposent faussement ou cachent la situation d'affaires de l'entreprise, et ceux qui publient des communications contraires à la vérité. A côté des renseignements précis qu'elles doivent fournir en vertu des art. 4 à 7 LSA, les entreprises d'assurances doivent en outre, à réquisition, donner d'ultérieures informations au Conseil fédéral sur toutes les branches de l'administration (art. 8 LSA). Le Conseil fédéral a confié l'exercice de cette surveillance au Bureau fédéral des assurances (BFA) par son arrêté du 17 novembre 1914 donnant aux départements et aux services qui en dépendent la compétence de régler certaines affaires (art. 20), et en vertu de l'art. 31 ch. IV de la loi du 26 mars 1914 sur l'organisation de l'administration fédérale. b) Le recourant fait valoir d'une part que la Cour de justice a fait une fausse application de l'art. 11 al. 1 ch. 2 LSA en lui reprochant d'avoir omis volontairement de mentionner certains renseignements dans le rapport d'exploitation transmis au BFA le 25 juillet 1966, et d'autre part en ne retenant pas la prescription au cas où cette omission aurait été punissable. c) Cette dernière critique est dénuée de tout fondement, car il ressort de l'arrêt attaqué que la Cour de justice n'a pas retenu à la charge du recourant les omissions que pouvait contenir le rapport du 25 juillet 1966 et qu'elle n'a pas perdu de vue que les actes ou omissions liés à ce rapport pouvaient être touchés par la prescription. Ce que la Cour de justice a retenu contre le recourant est le fait qu'il n'a pas fourni au BFA les indications qui convenaient sur la situation de sa compagnie, notamment le 18 octobre 1966 lorsqu'il a été reçu à Berne par les dirigeants du BFA et alors que le but de l'entrevue était d'orienter ceux-ci sur la marche des affaires en général. Dès lors la prescription, régulièrement interrompue par la poursuite pénale et portée à sept ans et demi en vertu de l'art. 72 ch. 2 al. 2 CP, soit au 18 avril 1974, n'était pas encore acquise le 11 avril 1974, date de l'arrêt cantonal. Et le pourvoi en nullité n'a pas fait reprendre son cours à la prescription, contrairement à ce que laisse entendre le recourant (RO 91 IV 145; 92 IV 173 ; 96 IV 52 ). d) Quant au fond, c'est en vain que le recourant soutient qu'il n'a pas agi intentionnellement en n'informant pas le BFA du contenu du rapport Guise et de la situation qu'il BGE 100 IV 117 S. 122 révélait. Il se heurte à cet égard à l'état de fait de l'arrêt, qui retient que ce n'est pas par négligence qu'il n'a pas renseigné le BFA, mais que c'est précisément parce qu'il ne voulait pas que le BFA fût informé du contenu du rapport Guise qu'il n'a même pas informé le conseil d'administration de la compagnie. Une telle constatation sur la conscience et la volonté du recourant est une constatation de fait qui lie la Cour de cassation et ne peut pas être attaquée dans un pourvoi en nullité (art. 273 al. 1 litt. b et 277bis al. 1 PPF; RO 98 IV 66, 259; 90 IV 78 , 120). A partir, en tout cas, du moment où le BFA a demandé à la direction de la compagnie des renseignements complémentaires par la lettre du 23 août 1966, le recourant avait l'obligation de fournir les renseignements qu'il détenait sur la situation de la compagnie. S'il a pu éventuellement ne pas porter à la connaissance du BFA le contenu des rapports Guise en raison de doutes qu'il pouvait avoir quant à son exactitude, il ne pouvait plus le cacher au BFA dès lors que le 12 octobre 1966 l'expertise Fluckiger/Schelling décidée par lui-même en avait confirmé les conclusions devant le conseil de direction. En vertu de l'art. 8 LSA, le recourant avait l'obligation, lors de l'entrevue du 18 octobre 1966, de renseigner le BFA sur les éléments révélés par ces rapports et cette expertise à propos de la marche des affaires et de la situation de l'entreprise, puisque tel était précisément le but de la rencontre. Le recourant a donc caché dans un exposé et des informations qu'il était tenu de fournir au BFA la situation d'affaires de l'entreprise dont il était directeur; ayant agi de la sorte avec conscience et volonté, il a contrevenu à l'art. 11 al. 1 ch. 2 LSA et c'est à juste titre qu'il a été condamné. 3. a) Etant donné le but de la surveillance instaurée par la LSA, qui est de renseigner l'autorité compétente sur la situation réelle des entreprises privées d'assurances en lui fournissant tous les éléments devant lui permettre d'apprécier la situation, le respect des règles du code des obligations sur les sociétés anonymes ne suffit pas pour que soient forcément respectées les exigences posées par la LSA, dont les dispositions spéciales l'emportent sur les dispositions plus générales du CO. C'est donc en vain que le recourant invoque l'éventuelle conformité de sa manière d'agir avec l'art. 663 CO. b) C'est également à tort que le recourant invoque une BGE 100 IV 117 S. 123 erreur de droit, étant donné qu'aucun élément de l'état de fait ne fait ressortir qu'il aurait eu des raisons suffisantes de se croire en droit d'agir comme il l'a fait. c) Quant à la prétendue exactitude de toutes les données fournies par ailleurs au BFA, elle n'exclut en rien ni n'excuse l'omission fautive commise par le recourant, dans la mesure où l'appréciation de la situation ne pouvait être effectuée que sur la base des données et des informations complémentaires expressément requises. d) Enfin, le fait que certaines des prévisions ou estimations de risques contenues dans les rapports cachés au BFA aient pu se révéler trop pessimistes par la suite est dénué de toute pertinence. Ce qui importe, ce sont les données et les renseignements dont disposaient le recourant et la direction en 1966 et non pas ceux que les événements ont confirmés ou infirmés au cours des années suivantes. C'est donc à juste titre que la Cour de justice a relevé qu'il ne lui appartenait pas de se déterminer sur des chiffres exacts quant au déficit technique apparu dans l'entreprise ou au montant de ses réserves ouvertes ou latentes, mais seulement sur la question de savoir si le recourant s'est conformé à son obligation de fournir au BFA les renseignements dont il disposait sur la situation de l'entreprise. La Cour de justice a correctement apprécié le comportement du recourant quant à cette obligation de renseignements et elle a fait une juste application de la LSA.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le pourvoi.
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Sachverhalt ab Seite 391 BGE 113 Ia 390 S. 391 Mit der Verlegung des Waffenplatzes Zürich in die neue Kasernenanlage im Reppischtal wurde das Areal der Zürcher Militärkaserne, die zu den grössten Baukomplexen des Historismus zählt und als Schutzobjekt von kantonaler Bedeutung eingestuft ist (Regierungsratsbeschluss vom 13. August 1981, Nr. 3048), frei und kann einer neuen Nutzung zugeführt werden. Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Verlegung der Kaserne und des Waffenplatzes Zürich vom 7. Dezember 1975 bleibt das dadurch freiwerdende staatliche Areal "... weiterhin als nicht realisierbares Vermögen öffentlichen Zwecken gewidmet". Nachdem im Dezember 1978 zwei Volksinitiativen verworfen worden waren, deren eine den Abbruch des Gebäudes und die Schaffung eines Parkes, die andere die Umwandlung in ein öffentliches Kultur-, Jugend- und Freizeitzentrum verlangt hatte, schuf der Regierungsrat im Einvernehmen BGE 113 Ia 390 S. 392 mit dem Stadtrat von Zürich ein Gesamtnutzungskonzept mit vier Schwerpunkten (öffentliche Grünräume Quartierzentrum, Kultur, öffentliche Verwaltung). Der Kantonsrat nahm am 6. Februar 1984 von diesem Konzept zustimmend Kenntnis. Eine städtische Volksinitiative, welche durch Einführung einer Gestaltungsplanpflicht dieses Projekt nochmals in Frage stellen wollte, wurde in der Volksabstimmung vom 22. September 1985 ebenfalls verworfen. Um die Militärkaserne und das Zeughaus 5 zu sanieren und sie dem neuen Verwendungszweck zuzuführen, will der Regierungsrat insgesamt 118,18 Mio. Franken aufwenden. Hievon erachtet er 46,506 Mio. Franken als gebundene Ausgabe, die ausschliesslich der Werterhaltung der bestehenden Bausubstanz dienen soll, deren Unterhalt in den letzten 20 Jahren offenbar vernachlässigt und auf das Notwendigste beschränkt worden war. Von diesem Betrag entfallen 16,68 Mio. auf die Fassadensanierung, 7,795 Mio. auf die Sanierung der Fundamente und der Tragkonstruktion, 6,33 Mio. auf die Sanierung der Grundinstallationen und der Haustechnik, 4,56 Mio. auf die Wiederherstellung von Böden, Decken und Wänden, 5,75 Mio. auf Innenausbausanierungen wie Schreiner-, Schlosser- und Malerarbeiten; der Rest verteilt sich auf Umgebungsarbeiten, Baunebenkosten, Erneuerung der Beleuchtung u.a. sowie Unvorhergesehenes. Die übrigen Kosten von rund 71,674 Mio. Franken sollen nach Auffassung des Regierungsrates der eigentlichen Verwirklichung der Neukonzeption dienen; diesen Betrag erachtet er deshalb als neue Ausgabe und ersuchte den Kantonsrat mit Antrag vom 19. März 1986 um einen entsprechenden Kreditbeschluss. Der Kantonsrat stimmte diesem Antrag am 3. November 1986 zu. Den Betrag von rund 46,506 Mio. Franken für die Sanierung bewilligte der Regierungsrat demgegenüber am 1. Oktober 1986 in eigener Kompetenz. Die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich (Beschwerdeführer 1) und Hermann Koch (Beschwerdeführer 2) reichten am 24. November 1986 eine staatsrechtliche Beschwerde ein und beantragten, der Ausgabenbeschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 22. Oktober 1986 sei aufzuheben. Sie rügen eine Verletzung des Stimmrechts und der Gewaltentrennung. Unter demselben Datum erheben auch die POCH-Zürich - Progressive Organisationen Zürich (Beschwerdeführer 3), Matthias Bürcher (Beschwerdeführer 4) und Daniel Vischer (Beschwerdeführer 5) staatsrechtliche Beschwerde. Sie rufen dieselben BGE 113 Ia 390 S. 393 Beschwerdegründe an und stellen sinngemäss dieselben Begehren, beantragen aber eventualiter auch die Aufhebung des Kreditbeschlusses des Kantonsrates vom 3. November 1986. Mit Vernehmlassung vom 8. Dezember 1986 beantragt die Direktion des Innern des Kantons Zürich namens des Regierungsrates, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Direktion legt dar, die Sanierungsarbeiten, welche mit dem Regierungsratsbeschluss vom 1. Oktober 1986 in der Höhe von 46,506 Mio. Franken bewilligt worden seien, dienten nicht der Zuführung der Räumlichkeiten zu einem neuen Verwaltungszweck, sondern ausschliesslich der Erhaltung der baulichen Substanz und dem Weiterbestand der schutzwürdigen Kasernenbauten. Der Kredit sei in erster Linie zum Vollzug der denkmalpflegerischen Schutzpflicht gemäss § 204 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (PBG) bestimmt. Er umfasse diejenigen Ausgaben, die zur Erhaltung der Kaserne unabhängig von anderen Nutzungen notwendig seien. Neben den erforderlichen Reparatur- und Ergänzungsarbeiten seien Ausgaben für eine minimale Büronutzung in diesem Betrag enthalten, welche sich aus den geltenden Vorschriften für Elektroinstallationen, den Brandschutz und den sanitarischen Bereich ergäben. Diese Installationen müssten im Rahmen eines grösseren Unterhalts baupolizeilich zwingend erneuert werden. Sitzungsrisse und Senkungsschäden machten eine Fundamentunterfangung nötig, ansonsten die teure, denkmalpflegerisch geforderte Fassadenrenovation wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Alle Aufwendungen, welche für bauliche Massnahmen zur Unterbringung von Verwaltungsabteilungen dienten, seien im Kredit von 71,674 Mio. Franken enthalten, der dem obligatorischen Referendum unterstellt sei. Das vom Regierungsrat gewählte Vorgehen entspreche konstanter Praxis. In ihrer Beschwerdeergänzung machen die Beschwerdeführer sinngemäss geltend, das Sanierungskonzept hänge umfangmässig und gestalterisch vom zugrundeliegenden Nutzungskonzept ab, weshalb die Ausgaben für die Werterhaltung und diejenigen für die Neu- und Umbauarbeiten notwendigerweise miteinander verbunden seien. Es stehe keineswegs fest, dass bei einer anderen Nutzung das gleiche Sanierungsprojekt zum Tragen gekommen wäre. Es bestehe somit nicht nur ein grosser Handlungsspielraum der Behörden, sondern es müsse auch von einer vollständigen Neunutzung der Kaserne gesprochen werden. Im übrigen habe es der BGE 113 Ia 390 S. 394 Regierungsrat unterlassen, die Zusammensetzung der angeblich gebundenen Ausgaben näher darzulegen. Der Regierungsrat erhielt Gelegenheit, zu den Beschwerdeergänzungen Stellung zu nehmen. Mit Eingabe vom 20. März 1987 legt die Direktion des Innern die Kriterien zur Ausscheidung gebundener und neuer Ausgaben näher dar. Sie weist darauf hin, dass auch diejenigen Aufwendungen als gebunden betrachtet würden, die zur Gewährleistung einer minimalen Nutzung notwendig wären. Gestützt auf neu beigelegte Akten wird die Ausscheidung näher dargestellt.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Beide Beschwerden beziehen sich auf denselben Sachverhalt und richten sich - diejenige der Beschwerdeführer 1 und 2 ausschliesslich, die der Beschwerdeführer 3 bis 5 principaliter - gegen denselben Regierungsratsbeschluss. In den Rechtsschriften beider Verfahren werden dieselben Rechtssätze angerufen und im wesentlichen die gleichen Schlussfolgerungen gezogen. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, in sinngemässer Anwendung des Art. 24 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG die beiden Beschwerden in einem Verfahren zusammenzufassen und sie durch einen einzigen Entscheid zu beurteilen (vgl. BGE 99 Ia 661 E. 1; BGE 94 I 638 E. 2). 2. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition ( BGE 112 Ia 224 E. 1 mit Hinweis). a) Die Beschwerdeführer haben vom Beschluss des Regierungsrates vom 1. Oktober 1986 durch eine Pressemitteilung erfahren, welche vom 22. Oktober 1986 datiert. Es darf angenommen werden, dass diese Mitteilung den Beschwerdeführern am folgenden Tag über die Medien zur Kenntnis gelangte, so dass als massgebender Zeitpunkt der Eröffnung oder Mitteilung des angefochtenen Beschlusses ( Art. 89 Abs. 1 OG ) der 23. Oktober 1986 gilt. Die dreissigtägige Beschwerdefrist lief somit am 22. November 1986 ab. Da dieser Tag ein Samstag war, verlängerte sich die Frist bis zum 24. November 1986 und ist somit eingehalten. Soweit sich die POCH-Zürich eventualiter auch gegen den Kantonsratsbeschluss vom 3. November 1986 wenden, ist die Beschwerdefrist ohne weiteres eingehalten. BGE 113 Ia 390 S. 395 b) Die Beschwerdeführer erheben Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG . aa) Sowohl der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 1. Oktober 1986 (RRB Nr. 3481) wie auch derjenige des Kantonsrates vom 3. November 1986 stellen zulässige Anfechtungsobjekte dieses Rechtsmittels dar ( BGE 113 Ia 389 E. 1b). bb) Die Beschwerdeführer 2, 4 und 5 sind unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Kantons Zürich. Als solche sind sie zur Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG legitimiert. Darüber hinaus sind grundsätzlich auch politische Parteien, welche im Gebiet des betreffenden Gemeinwesens tätig sind, zur Erhebung dieser Rechtsvorkehr berechtigt ( BGE 113 Ia 49 E. 1a mit Hinweis); dies trifft sowohl für die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich wie auch für die POCH-Zürich zu. cc) Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann geltend gemacht werden, eine Kreditvorlage sei unvollständig, auch wenn die Ausgabe ohnehin dem Referendum untersteht, dies jedenfalls dann, wenn sich die Unvollständigkeit im Abstimmungsergebnis auswirken kann oder wenn die Kosten eines Projekts in einen gebundenen und einen nicht gebundenen Teil zerlegt worden sind. Die von den Beschwerdeführern im wesentlichen vorgebrachte Rüge, die gesamten Aufwendungen für das Projekt Militärkaserne und Zeughaus 5 seien zu Unrecht in gebundene und neue Ausgaben aufgeschlüsselt worden, bzw. diese Aufteilung sei quantitativ unrichtig erfolgt, ist demnach zulässig (vgl. BGE 112 Ia 224 E. 1b mit Hinweisen). Sie richtet sich sowohl gegen den Beschluss des Regierungsrates vom 1. Oktober 1986 wie auch gegen denjenigen des Kantonsrates vom 3. November 1986. dd) Auf die Beschwerden ist insoweit nicht einzutreten, als der Grundsatz der Gewaltenteilung angerufen wird. Dieses verfassungsmässige Recht ist gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG geltend zu machen ( BGE 105 Ia 359 ff. E. 3d und 4b; BGE 103 Ia 372 E. 1; BGE 102 Ia 108 E. 1a; je mit Hinweisen). Hiezu ist aber nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist ( Art. 88 OG ; BGE 112 Ia 94 E. 2, 177 E. 3; BGE 110 Ia 78 , E. 2; je mit Hinweisen). Dies machen die Beschwerdeführer nicht geltend. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Rüge der Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips BGE 113 Ia 390 S. 396 mit derjenigen der Verletzung des Stimmrechts zusammenfallen kann, da auch bei dieser unter Umständen streitig sein kann, ob zwingende Kompetenznormen, welche die Zuständigkeit von Staatsorganen umschreiben, verletzt worden sind (vgl. dazu BGE 105 Ia 387 E. 1a; BGE 104 Ia 307 E. 1b mit Hinweisen; BGE 103 Ia 401 E. 3). 3. Bei Stimmrechtsbeschwerden ist nicht nur die Auslegung und Anwendung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei zu prüfen, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, die den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts regeln oder mit diesem eng zusammenhängen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst sich das Bundesgericht der von der obersten kantonalen Instanz vertretenen Auffassung an; als solche gelten das Parlament und das Volk. Die Auslegung und Anwendung anderer kantonaler Normen sowie die Feststellung des Sachverhaltes durch die kantonalen Behörden ist dagegen nur auf Willkür hin zu prüfen ( BGE 112 Ia 212 E. 2a, 226 E. 2, 334 E. 4a; je mit Hinweisen). 4. Der Kantonsratsbeschluss vom 3. November 1986 über 71,674 Mio. Franken unterliegt in jedem Fall dem obligatorischen Finanzreferendum (Art. 30 Abs. 1 Ziffer 2 der Verfassung des eidgenössischen Standes Zürich vom 18. April 1869 - KV). Dementsprechend machen die Beschwerdeführer nicht geltend, es sei ein kantonaler Hoheitsakt zu Unrecht der Volksabstimmung entzogen worden. Sie rügen indessen, die gesamten Aufwendungen für das Projekt Militärkaserne und Zeughaus 5 hätten als neu beurteilt werden müssen und den Stimmbürgern müsse deshalb eine Kreditvorlage über 118,18 Mio. Franken und nicht bloss eine solche von 71,674 Mio. Franken unterbreitet werden. Der Beschwerdeführer 5 hatte im Kantonsrat einen entsprechenden Antrag gestellt, der indessen vom Rat als nicht zulässig erklärt wurde. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Ausgaben dann als gebunden und damit als nicht referendumspflichtig, wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfange nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Gebunden ist eine Ausgabe ferner, wenn anzunehmen ist, die Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls es gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass BGE 113 Ia 390 S. 397 übernommenen Aufgaben gewählt werden. Es kann aber selbst dann, wenn das "ob" weitgehend durch den Grunderlass präjudiziert ist, das "wie" wichtig genug sein, um die Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen. Immer dann, wenn der entscheidenden Behörde in bezug auf den Umfang der Ausgabe, den Zeitpunkt ihrer Vornahme oder andere Modalitäten eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, ist eine "neue" Ausgabe anzunehmen. b) Indessen besteht kein für die Kantone verbindlicher bundesrechtlicher Begriff der neuen oder gebundenen Ausgabe. Von der vorstehend umschriebenen bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung darf deshalb dort abgewichen werden, wo sich nach Auslegung des kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Praxis der zuständigen kantonalen Organe eine andere Betrachtungsweise aufdrängt; dies deshalb, weil das Finanzreferendum ein Institut des kantonalen Verfassungsrechtes ist und das Bundesgericht als Verfassungsgericht lediglich über die Einhaltung der dem Bürger durch die Verfassung zugesicherten Mitwirkungsrechte zu wachen hat. In Ausübung dieser Funktion obliegt dem Bundesgericht die Kontrolle darüber, dass das Finanzreferendum, soweit es im kantonalen Verfassungsrecht vorgesehen ist, sinnvoll, d.h. unter Berücksichtigung seiner staatspolitischen Funktion gehandhabt und nicht seiner Substanz entleert wird ( BGE 112 Ia 51 E. 4a und 4b, mit Hinweisen). c) Für den Kanton Zürich ist im vorliegenden Fall das Gesetz über den Finanzhaushalt des Kantons Zürich vom 2. September 1979 (FHG) zu beachten. Nach § 3 FHG bedürfen die Ausgaben des Kantons einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn eine Ausgabe "... die unmittelbare oder voraussehbare Anwendung von Gesetzen und Kreditbeschlüssen ist und namentlich der Beschaffung der für die Verwaltungstätigkeit erforderlichen personellen und sachlichen Mittel und deren Erneuerung, vorbehältlich der Neubauten, dient" (lit. b). Nach der Praxis des Kantons Zürich sind aufgrund dieser Bestimmung Umbauten nur dann dem Finanzreferendum zu unterstellen, wenn und soweit sie nicht der Erhaltung und dem Unterhalt im Sinne der technischen Erneuerung auf einen zeitgemässen Stand dienen und damit unzulängliche oder unwirtschaftliche Verhältnisse der Aufgabenerfüllung beseitigen, sondern das Gebäude einem neuen Zweck dienstbar machen. Dagegen sind Neu-, Erweiterungs- oder BGE 113 Ia 390 S. 398 Ergänzungsbauten dem Finanzreferendum zu unterstellen (Zürcher Amtsblatt 1978, S. 1929f; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 30. September 1987 i.S. Hübscher, E. 3a/cc). Dies entspricht weitgehend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche in Anwendung der allgemeinen Grundsätze zum Finanzreferendum davon ausgeht, dass Ausgaben für den blossen Gebäudeunterhalt grundsätzlich als gebunden, solche für die Erweiterung oder die Ergänzung staatlicher Gebäude als neu zu betrachten sind. Ausgaben für den Umbau solcher Gebäude unterliegen aber dann dem Finanzreferendum, wenn sie mit einer Zweckänderung verbunden sind. Dagegen lässt sich - entgegen der im Kanton Zürich geübten Praxis - nicht in allgemeiner Weise sagen, dass grössere Ausgaben für die Instandstellung, Erneuerung oder den Umbau eines Gebäudes immer dann als gebunden zu betrachten sind, wenn der Zweck des Gebäudes beibehalten wird. Der Entscheid darüber hängt davon ab, ob die Behörde hinsichtlich des "ob" oder "wie" der Aufwendungen eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit besitzt ( BGE 111 Ia 37 E. 4c mit Hinweisen). Die Aussage in der Botschaft zum Finanzhaushaltsgesetz, dass das in einzelnen Urteilen des Bundesgerichts und in der Auffassung verschiedener Autoren erwähnte Kriterium der Wahlmöglichkeit bei der Aufgabenerfüllung nur für die Errichtung von Neubauten massgebend sei (Zürcher Amtsblatt 1978, S. 1931), ist deshalb in diesem Sinn zu präzisieren: Kommt der entscheidenden Behörde jene Handlungsfreiheit zu, so unterliegen auch Umbauten ohne Zweckänderung dem Finanzreferendum. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass dieses Mitwirkungsrecht des Volkes sinnvoll, d.h. unter Berücksichtigung seiner staatspolitischen Funktion gehandhabt und nicht seiner Substanz entleert wird (vgl. E. 4b sowie Urteil des Bundesgerichts vom 30. September 1987 i.S. Hübscher, E. 3a/cc). d) Im Lichte dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse kann es nicht zweifelhaft sein, dass ein bestimmter, durch Abgrenzung im Einzelfall noch zu bestimmender Teil der vorgesehenen Aufwendungen allein dem Gebäudeunterhalt dient und demnach vom Regierungsrat zu Recht als gebunden betrachtet werden durfte. Der Gesetzgeber des Kantons Zürich hat bereits 1975 entschieden, dass das durch die Verlegung des Waffenplatzes und der Kaserne freiwerdende staatliche Areal weiterhin als nicht realisierbares Vermögen öffentlichen Zwecken gewidmet bleiben soll (§ 6 Abs. 1 des Gesetzes BGE 113 Ia 390 S. 399 über die Verlegung der Kaserne und des Waffenplatzes Zürich vom 7. Dezember 1975). Eine Übertragung in das Finanzvermögen oder eine Veräusserung kommt somit nicht in Frage. Am 3. Dezember 1978 verwarfen die Stimmbürger zudem zwei Initiativen, welche den Abbruch der Gebäude bzw. ihre Transformation in ein öffentliches Kultur-, Jugend- und Freizeitzentrum zum Ziel hatten. Es darf somit davon ausgegangen werden, der Wille der Stimmbürger gehe dahin, die historischen Kasernengebäude zu erhalten und sie für öffentliche Zwecke zu nutzen. Bei dieser Zielsetzung ergibt sich aus § 204 PBG eine Unterhaltspflicht sowohl für das Hauptgebäude des Kasernenareals wie auch für das Zeughaus 5, und die Ausgaben, welche nur der Erhaltung und dem Unterhalt im Sinne der technischen Erneuerung auf einen zeitgemässen Stand dienen, dürfen unter diesen Umständen als gebunden betrachtet werden. Es lässt sich auch nicht sagen, dem Regierungsrat stehe in bezug auf die Sanierung eine grosse Handlungsfreiheit zu. Die Beschwerdeführer machen dies zwar geltend, insbesondere hinsichtlich der sachlichen Modalitäten der Erneuerung. Sie vertiefen diesen Gesichtspunkt indessen nicht, so dass darauf nicht näher einzugehen ist ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ). Beigefügt sei lediglich, dass sich allein wegen der Grösse des Projekts eine solche Annahme nicht rechtfertigen würde. Damit würde ein rein quantitatives Kriterium zur Begründung einer qualitativen Unterscheidung herangezogen. Auch der Umstand, dass eine noch umfassendere Sanierung oder eine Ausrichtung auf andere, aufwendigere Zwecke möglich gewesen wäre, genügt für sich allein noch nicht, um aus an sich gebundenen Aufwendungen referendumspflichtige neue Ausgaben zu machen (vgl. BGE 111 Ia 39 E. 4d mit Hinweisen). 5. Die Beschwerdeführer wenden sich auch gegen die vom Regierungsrat vorgenommene Ausscheidung zwischen gebundenen und neuen Ausgaben innerhalb desselben Gesamtprojekts. a) Wenn in einem Bauvorhaben sowohl die bauliche Substanz erneuert als auch eine Ausgabe gemäss § 3 FHG vorgenommen werden, so sind gemäss § 45 Abs. 2 der Verordnung über die Finanzverwaltung vom 10. März 1982 (FVV) die beiden Teile als gebundene und neue Ausgabe betragsmässig zu trennen, und es ist nach den kreditrechtlichen Bestimmungen je ein Kredit einzuholen. Die Bundesgerichtspraxis hat eine derartige Kostenaufteilung in Entscheiden, welche andere Kantone betrafen, wiederholt ausdrücklich sanktioniert (vgl. BGE 111 Ia 34 ff.). Allerdings wurde BGE 113 Ia 390 S. 400 in diesen Fällen die Zweckbestimmung der fraglichen Bauten an sich beibehalten. Demgegenüber erfolgt im vorliegenden Fall eine Umnutzung. In BGE 111 Ia 37 E. 4c hat das Bundesgericht im Sinne eines obiter dictum festgehalten, dass Ausgaben für den Umbau staatlicher Gebäude jedenfalls dann dem Finanzreferendum unterlägen, wenn sie mit einer Zweckänderung verbunden seien, während sich nicht in allgemeiner Weise sagen lasse, grössere Ausgaben für Instandstellung, Erneuerung oder den Umbau eines Gebäudes seien immer dann als gebunden zu betrachten, wenn der Zweck beibehalten werde. Dieser Gedankengang könnte so verstanden werden, dass die Kosten eines Gesamtprojekts, das im Hinblick auf die Zweckänderung eines Gebäudes sowohl Um- und Neubauten wie auch Unterhaltsarbeiten vorsieht, ausschliesslich als neue Ausgaben anzusehen seien. Diese Konsequenz ist jedoch nicht ohne weiteres zwingend. Die fragliche Erwägung will vor allem sicherstellen, dass die Ausgaben, welche der Neunutzung dienen, als neue Ausgaben behandelt werden. Sie schliesst aber nicht schlechthin aus, dass nach dem einschlägigen kantonalen Recht reiner, der Erhaltung der Bausubstanz dienender Sanierungs- und Unterhaltsaufwand auch dann als gebundene Ausgabe angesehen und separat behandelt werden kann, wenn er im Rahmen eines mit einer Neunutzung verbundenen Gesamtprojekts anfällt. Dann, wenn das kantonale Recht grundsätzlich die rechnerische Ausscheidung eines Unterhalts- und eines Neu- bzw. Umbauanteils innerhalb desselben Projekts zulässt, kann es vernünftigerweise keinen Unterschied ausmachen, ob der reine Sanierungsaufwand, der als gebundene Ausgabe behandelt werden darf, im Rahmen einer Zweckänderung anfällt oder nicht. Aufgrund dieser Überlegungen lässt sich nicht sagen, eine Regelung, wie sie der Kanton Zürich in § 45 Abs. 2 FVV kennt, sei geeignet, das Institut des Finanzreferendums nach zürcherischem Recht auszuhöhlen. Auch der von den Beschwerdeführern zitierte Passus aus der Botschaft zum Finanzhaushaltsgesetz (Zürcher Amtsblatt 1978, S. 1930) kann durchaus ohne Verfassungsverletzung so verstanden werden, dass Umbauten insoweit dem Finanzreferendum zu unterstellen sind, als sie ein Gebäude einem neuen Zweck dienstbar machen oder sich sonstwie nicht bloss auf Unterhalt, Sanierung oder Erneuerung beschränken. Gegen die in § 45 Abs. 2 FVV vorgesehene Aufteilung der Aufwendungen für dasselbe Bauvorhaben ist somit aus der Sicht des Verfassungsrechts grundsätzlich nichts einzuwenden. Zu betonen BGE 113 Ia 390 S. 401 ist allerdings, dass der Stimmbürger über diese Aufteilung hinreichend informiert werden muss. Es ist vorab in einer Abstimmungserläuterung darzulegen, wieviel das Gesamtprojekt kostet, wieviel davon und weshalb als gebundene Ausgaben beurteilt wird. Nur so kann er sich ein vollständiges Bild von der Tragweite seines Entscheides machen (vgl. dazu BGE 112 Ia 231 E. 2b/bb). b) Als nächstes ist zu untersuchen, ob der Regierungsrat die Aufteilung zwischen gebundenen und neuen Ausgaben anhand von verfassungskonformen Kriterien vorgenommen hat. Das Bundesgericht hat auch diese Frage, da von ihr unter Umständen unmittelbar die Referendumspflicht eines Kredites abhängen kann, frei zu prüfen (vgl. E. 3). aa) Nach der Darstellung der Direktion des Innern in den Vernehmlassungen soll der Kredit des Regierungsrates diejenigen Ausgaben enthalten, die zur Erhaltung der Kaserne unabhängig von anderen Nutzungen notwendig seien. Zu diesen zählt der Regierungsrat z.B. denkmalpflegerisch bedingte Aufwendungen, ferner etwa die Sanierung der Tragkonstruktionen sowie Unterfangungen, soweit diese zur Substanzerhaltung der Gebäude und nicht im Hinblick auf neue Gebäudeteile oder neue Nutzungen notwendig sind. Ausserdem rechnet er hiezu auch diejenigen Kosten, die für die Gewährleistung einer minimalen Nutzung aufzuwenden wären. Darunter versteht er diejenige Nutzung, die aufgrund der bestehenden Grundrissstruktur mit dem geringsten Aufwand eingerichtet und aufrechterhalten werden kann. In der eigentlichen Kaserne sei dies - so der Kanton weiter - eine einfache Büronutzung, im Zeughaus 5 eine Lagernutzung. Dieses Minimalprojekt sei in dem Sinne fiktiv, als die Nutzung für den tatsächlich vorgesehenen Zweck damit nicht möglich wäre; es präjudiziere aber auch eine spätere tatsächliche Nutzung nicht. Der Aufwand, der im Hinblick auf die beabsichtigte tatsächliche Nutzung entstehe, sei höher und werde nicht als gebundene Ausgabe betrachtet. Die Beschwerdeführer bestreiten, dass der angefochtene Regierungsratsbeschluss nur nutzungsunabhängige Kosten zu den gebundenen Ausgaben zähle. Insbesondere treten sie der vom Regierungsrat vorgenommenen "fiktiven Abgrenzung" im Zusammenhang mit der Gewährleistung einer minimalen Nutzung entgegen. Sie kritisieren im wesentlichen, dass der Sanierungsanteil und der Neu- bzw. Umbauanteil nicht real voneinander geschieden würden. BGE 113 Ia 390 S. 402 bb) Soweit sich die dem Unterhalt bzw. der Substanzerhaltung dienenden Aufwendungen nach Zweck und Gegenstand real, objektmässig ausscheiden lassen, ist die Kostenaufteilung dem Grundsatz nach unproblematisch. Indessen können nicht in allen Bereichen die neuen und die gebundenen Ausgaben dermassen voneinander getrennt werden. Bestimmte Ausgabenpositionen, wie z.B. Honorare, Baunebenkosten, Reserve für Unvorhergesehenes, lassen sich praktisch nicht objektbezogen, sondern nur rechnerisch, bzw. aufgrund einer Schätzung, zuordnen. Dies gilt erst recht im Rahmen eines nicht nur Sanierung, sondern auch Um- und Neubauten umfassenden Gesamtprojekts, wo bestimmte Arbeiten beiden Zielen dienen oder wo gewisse Neubauarbeiten (auch) die Funktion an sich notwendiger Sanierungsmassnahmen übernehmen, etwa indem ein für die Sanierung ohnehin notwendiger Bau- oder Einrichtungsteil im Hinblick auf eine intensivere Neunutzung grösser dimensioniert wird. Wird z.B. anstelle einer alten, nicht mehr brauchbaren Heizung im Blick auf die neue Zweckbestimmung des Gebäudes eine neue, stärkere Anlage angeschafft, so lässt sich durchaus erwägen, einen Teil der Kosten - etwa denjenigen, welcher auf eine kleinere, der bisherigen Nutzung genügenden Ersatzanlage entfallen wäre - als gebundene Aufwendungen anzusehen. Es wäre jedenfalls nicht ohne weiteres überzeugender, die Kosten einer solchen vergrösserten Ersatzanlage ausschliesslich entweder den gebundenen oder aber den neuen Ausgaben zuzurechnen. Die Ausgaben zur Sanierung der Tragkonstruktionen und der Unterfangungen, soweit diese zur Substanzerhaltung der Gebäude und nicht im Hinblick auf neue Gebäudeteile oder auf zusätzliche Lasten zufolge neuer Zusatznutzungen notwendig sind, können ohne weiteres zu den gebundenen Ausgaben gezählt werden. Die Direktion des Innern hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bei unstabilem Baugrund eine denkmalpflegerische Fassadenrenovation ohne Gebäudeunterfangung kaum vertreten liesse. Schliesslich gehören auch die aus bau- oder feuerpolizeilichen Gründen nötig gewordenen Aufwendungen zum Unterhalt und damit zu den gebundenen Ausgaben. cc) Mit dem Regierungsrat ist davon auszugehen, dass auch unter Schutz stehende Gebäude des Verwaltungsvermögens genutzt werden müssen. Ein entsprechender Wille der Stimmbürger lässt sich auch den gesetzlichen Grundlagen sowie den im Zusammenhang mit dem Kasernenareal erfolgten Volksabstimmungen BGE 113 Ia 390 S. 403 entnehmen (vgl. E. 4d). Damit aber gehört die Gewährleistung der Nutzbarkeit solcher Gebäude mit zu den Zielen des Gebäudeunterhaltes. Aus der Sicht der Verfassung, welche nur die Handhabung des Finanzreferendums entsprechend seiner staatspolitischen Bedeutung sicherstellen will, ist deshalb nichts dagegen einzuwenden, wenn im Rahmen eines auf eine Neunutzung ausgerichteten Gesamtprojekts derjenige Kostenanteil als gebunden angesehen wird, der für die Schaffung und Erhaltung der Minimalgrundlagen einer vernünftigen, dem Objekt angepassten Nutzung notwendig ist. Die Beschwerdeführer machen aber geltend, es sei unzulässig, die Kostenaufteilung aufgrund eines "fiktiven Vergleichsprojekts" vorzunehmen. Dieses Vorbringen ist unbehelflich. Zwar spricht die Direktion des Innern in ihren beiden ersten Vernehmlassungen selbst von einem "fiktiven Minimalprojekt". Der Einwand ist deshalb verständlich, indessen stellt der Kanton in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 1987 in überzeugender Weise klar, dass alle dem "fiktiven Minimalprojekt" zugerechneten Arbeiten effektiv ausgeführt würden, das Gesamtprojekt aber über diese hinausgehe. Zum Beispiel würden zu den gebundenen Ausgaben lediglich die Kosten des Streichens derjenigen Wände gezählt, die nach dem Ausführungsprojekt bestehen blieben, nicht jedoch solcher, die entfernt würden. Die Kosten für den Abbruch bestehender und für das Streichen neuer Wände stellten dagegen neue Ausgaben dar. So verstanden, lässt sich gegen diese Abgrenzungsmethode grundsätzlich nichts einwenden. dd) Die vom Regierungsrat angewendeten Kriterien haben indessen zur Folge, dass sich das "Minimalprojekt" und das Ausführungsprojekt gegenseitig bedingen: Der Zweck des Vorhabens wird durch das Gesamtprojekt bestimmt. Erst danach lässt sich der Umfang der gebundenen Ausgaben erkennen d.h. namentlich bestimmen, welche Bauteile bestehen bleiben und welche dem Umbau weichen müssen. Die als gebundene Ausgaben beschlossenen finanziellen Mittel dürfen deshalb nur dann verwendet werden, wenn auch das Kreditbegehren für die neuen Ausgaben vom zuständigen Organ bewilligt wird. Ist dies nicht der Fall, so ist ein neues Gesamtprojekt aufzustellen und die zu seiner Realisierung notwendigen Beträge sind entsprechend der Kompetenzordnung neu zu beschliessen. c) Zu prüfen bleibt, ob der Regierungsrat die von ihm dargelegten, nicht zu beanstandenden Grundsätze über die Ausscheidung BGE 113 Ia 390 S. 404 gebundener und neuer Ausgaben auch richtig angewendet hat. Das Bundesgericht beschränkt sich dabei insoweit auf Willkür, als es um die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes geht (vgl. E. 3); zudem rechtfertigt es sich, dem Regierungsrat in diesem Zusammenhang einen gewissen Beurteilungsspielraum einzuräumen, dies insbesondere auch deshalb, weil vorliegend über die neuen Ausgaben auf jeden Fall eine Volksabstimmung stattfindet und es somit nur darum geht, abzuklären, ob die entsprechende Vorlage vollständig sei oder nicht. Unter diesen Umständen ist es Sache der Beschwerdeführer, im einzelnen darzulegen, dass und inwieweit dem nicht so sei ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ). aa) Im Rahmen der 1,088 Mio. Franken umfassenden Baumeisterarbeiten rügen die Beschwerdeführer, dass darin unter anderem auch Kosten für das "Erstellen der begehbaren Terrasse im 4. OG und des Ausgangs auf die Terrasse" enthalten seien. Sie stützen ihre Rüge offensichtlich auf das Wort "Erstellen" ab. Sie legen aber nicht dar, welches der vorbestehende Zustand war. Sie setzen sich auch nicht mit der Frage auseinander, ob und inwieweit gewisse Modernisierungen noch zum Unterhalt gezählt werden können. Es sei in diesem Zusammenhang auf die Bundesgerichtspraxis verwiesen, wonach zum Unterhalt öffentlicher Gebäude nicht nur die laufende Instandhaltung, sondern auch Massnahmen zur Anpassung eines Werks an geänderte Verhältnisse und Bedürfnisse zählen (vgl. BGE 112 Ia 54 E. 6b; BGE 111 Ia 38 E. 4d; Urteil vom 23. März 1979, E. 5b, ZBl 81/1980, S. 128f.). Auf diese Rüge ist daher nicht einzutreten. In der Sache wäre sie im übrigen unbegründet, da die Direktion des Innern dartut, dass die Terrasse bereits besteht und nur saniert wird, so dass das im Kostenvoranschlag gewählte Wort "Erstellen" den wirklichen Sachverhalt gar nicht trifft. bb) Die Beschwerdeführer kritisieren, dass im Zusammenhang mit den Zimmerarbeiten die Ausgaben für "Zargen für neue Dachflächenfenster und Oberlichter" zu den gebundenen Ausgaben gerechnet werden. Soweit mit "neu" lediglich der Ersatz bestehender Fensterzargen gemeint ist, erweist sich die Rüge ohne weiteres als unbegründet. Sinngemäss behaupten die Beschwerdeführer indessen, es würden mehr Fenster und Oberlichter erstellt, was sie allerdings nicht aktenmässig belegen. Die Direktion des Innern anerkennt in ihrer Vernehmlassung vom 14. Juli 1987 aber, dass sechs neue Dachfenster geschaffen würden. Die dafür notwendigen Mittel seien aber deshalb gebundene Ausgaben, weil der Einbau BGE 113 Ia 390 S. 405 neuer Dachflächenfenster gleich teuer zu stehen komme wie die Sanierung undurchbrochener Dachflächen. Ob diesem Argument gefolgt werden könnte, ist fraglich, kann aber offenbleiben, weil die Beschwerdeführer ihrerseits diese Rüge nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise vertiefen und sich auch hier nicht mit der Frage befassen, ob und inwieweit auch gewisse Modernisierungsmassnahmen noch zum Unterhalt gezählt werden können. Dasselbe gilt für die Auslagen für Oberlichter und für Dachflächenfenster. In all diesen Punkten kann somit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. cc) Problematisch erscheinen die ebenfalls gerügten Ausgaben für "Sicherheitsbeschläge bei Fenstern mit Nutzung Kapo" und für Fenster "zum Teil mit erhöhter Sicherheit (Verbundsicherheitsglas bei allen Fenstern bis 2. OG, ausgenommen öffentlich genutzte Räume". Es ist fraglich, ob diese Aufwendungen bei strenger Betrachtungsweise noch als gebunden qualifiziert werden könnten. Da indessen nach kantonaler Praxis Umbauten nur dann dem Finanzreferendum unterstellt sind, wenn sie nicht dem Unterhalt im Sinne der technischen Erneuerung auf einen zeitgemässen Stand dienen und weil gegen diese Rechtsauffassung aus der Sicht der Verfassung grundsätzlich nichts einzuwenden ist, lässt sich auch die Beurteilung dieser Ausgaben als gebundene durchaus vertreten. Dies insbesondere dann, wenn man den Beurteilungsspielraum mitberücksichtigt, der dem Regierungsrat in dieser Hinsicht zusteht. Zudem ist nicht auszuschliessen, dass diese Installationen auch dann hätten gemacht werden müssen, wenn das Gebäude eine Militärkaserne geblieben wäre. Selbst wenn man diese Aufwendungen als neue Ausgaben beurteilen wollte, so könnte dies nicht zu einer teilweisen Gutheissung der Stimmrechtsbeschwerde führen. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Kredit von 71,674 Mio. Franken, der auf jeden Fall der Volksabstimmung unterliegt, um weniger als ein Prozent erhöht werden müsste. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass kaum ein Stimmbürger wegen dieser minimalen Erhöhung anders stimmen würde (vgl. BGE 112 Ia 338 E. 5 mit Hinweis). Eine Verletzung des durch die Bundesverfassung gewährleisteten Stimmrechts ist somit nicht zu befürchten. dd) Die Beschwerdeführer befassen sich auch mit dem Beispiel der Unterfangungen. Sie verweisen auf eine Äusserung des Regierungsrates zum Gesamtnutzungskonzept aus dem Jahre 1982, wonach "gemäss ersten Besichtigungen... die Fundationen aller Bauten BGE 113 Ia 390 S. 406 als gut erachtet werden", Unterfangungen jedoch "in Ausrichtung auf zukünftige grössere Lasten und für allfällige Unterfahrungen" nötig werden könnten. Damit halten sie für erwiesen, dass die vom Regierungsrat im angefochtenen Beschluss den gebundenen Ausgaben zugeschiedenen Unterfangungen effektiv neue Ausgaben darstellten. Der Regierungsrat hat jedoch schon im Antrag an den Kantonsrat für den Umbau- bzw. Erneuerungskredit darauf hingewiesen, dass im Jahre 1985 durchgeführte Sondierungen gezeigt hätten, dass die Fundierungen schlecht seien. Diese tatsächliche Feststellung fechten die Beschwerdeführer nicht in substantiierter Weise an ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ). Sollte die Darstellung des Regierungsrates aber zutreffen, so wäre der Rüge der Beschwerdeführer, soweit diese als hinreichend begründet gelten könnte, ohnehin der Boden entzogen. ee) Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, dass gewisse Positionen des Kostenvoranschlages mangels Spezifizierung für sie nicht kontrollierbar seien. Sie legen jedoch nicht begründet dar, inwiefern dadurch ihr Stimmrecht verletzt worden sei oder warum der Regierungsrat deshalb in Willkür verfallen sei. Im übrigen erscheint es nicht als unzulässig, wenn - wie die Direktion des Innern in der Vernehmlassung vom 14. Juli 1987 ausführt - mangels Vorliegens eines konkreten Projekts mit definierter tatsächlicher Zweckbestimmung die den Bereich der öffentlichen Nutzung betreffenden Zahlen durch Extrapolation aufgrund von Quadrat- und Kubikmeterzahlen des öffentlichen Bereichs im Verhältnis zur übrigen Kaserne ermittelt werden. 6. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Sollte der Kredit über 71,674 Mio. Franken in der Volksabstimmung abgelehnt werden, so darf auch derjenige über 46,506 Mio. Franken nicht freigegeben werden; es ist vielmehr eine neue Gesamtvorlage aufzustellen, und die zu seiner Realisierung notwendigen finanziellen Mitteln sind entsprechend der Kompetenzordnung neu zu beschliessen (vgl. E. 5b/dd).
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Sachverhalt ab Seite 25 BGE 96 I 24 S. 25 A.- 1935 trat eine von der Stadtgemeinde Luzern erlassene Verordnung betreffend die Lärmbekämpfung (LBV) in Kraft. Sie enthält unter anderem folgende Bestimmungen: "Art. 1. Jede übermässige, durch die Umstände nicht gerechtfertigte Störung der öffentlichen Ruhe ist verboten. Art. 13. Die Halter von Tieren haben diese so zu besorgen und zu verwahren, dass durch sie keine Ruhestörung verursacht werden kann. Tiere, durch welche die Nachtruhe fortgesetzt gestört wird, können durch die Polizeiorgane beseitigt werden. Das Halten von Hähnen ist in stark bewohnten Gebieten der Stadt untersagt. Art. 15. Von 22.00-7.00 Uhr ist jede Ruhestörung durch Lärmen, Singen, Johlen, Streiten oder durch andere fahrlässige, mutwillige oder böswillige Handlungen verboten. Art. 18. Verfehlungen gegen diese Verordnung werden nach Massgabe der Bestimmungen des § 42 des Polizeistrafgesetzes vom 29. November 1915 mit einer Geldbusse bis auf Fr. 200.-- oder mit Gefängnis von 1-20 Tagen bestraft." BGE 96 I 24 S. 26 § 46 des luzernischen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 18. Dezember 1940 (EGzStGB) lautet: "Wer durch Lärm oder Geschrei oder sonstigen Unfug die Nachtruhe stört oder wer sich öffentlich in einer Sitte und Anstand grob verletzenden Weise aufführt, wird mit Haft oder mit Busse bestraft." B.- Eduard von Euw ist Eigentümer einer Hausliegenschaft im Wesemlinquartier in Luzern und hält auf seinem Grundstück mehrere Hunde. Auf Polizeianzeige hin führte das Amtsstatthalteramt von Luzern-Stadt gegen ihn eine Strafuntersuchung wegen Lärmbelästigung durch diese Hunde. Das Amtsgericht Luzern-Stadt erklärte von Euw am 29. Oktober 1968 schuldig der fortgesetzten Ruhestörung gemäss § 46 EGzStGB und der fortgesetzten Missachtung von Art. 1 und 13 LBV , begangen vom 25. Mai 1967 bis zum 20. Mai 1968, und büsste ihn mit Fr. 300.--. Von Euw appellierte an das Obergericht des Kantons Luzern. Dieses liess die Untersuchung durch Zeugeneinvernahmen vervollständigen und erklärte von Euw am 18. Juli 1969 schuldig der wiederholten Ruhestörung im Sinne von Art. 1, 13 und 15 LBV , begangen in der Zeit vom Januar bis Juni 1968, bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 200.-- und legte ihm die sämtlichen Kosten aller Instanzen auf. C.- Gegen dieses Urteil hat von Euw staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV
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und des § 5 luzern. KV erhoben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. D.- Obergericht und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (Prozessuales). 2. Der Beschwerdeführer ruft ausser dem Art. 4 BV den § 5 Abs. 2 luzern. KV an, der folgenden Wortlaut hat: "Niemand darf gerichtlich verfolgt, verhaftet oder in Verhaft gehalten und keine Hausuntersuchung darf vorgenommen werden ausser in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen und. auf die vom Gesetze vorgeschriebene Weise." BGE 96 I 24 S. 27 Die Vorschrift gewährt dem Bürger Schutz gegen eine gesetzwidrige Strafverfolgung und vor allem gegen die gesetzwidrige Anordnung bestimmter prozessualer Zwangsmassnahmen (Verhaftung, Hausdurchsuchung). Zwangsmassnahmen, wie sie in § 5 Abs. 2 KV genannt sind, wurden gegen den Beschwerdeführer nicht ergriffen. Es stellt sich deshalb bloss die Frage, ob er in gesetzwidriger Weise strafrechtlich verfolgt wurde, sei es, dass überhaupt keine Strafverfolgung zulässig gewesen wäre, sei es, dass sie nicht "auf die vom Gesetze vorgeschriebene Weise" durchgeführt worden wäre. Damit jemand gerichtlich verfolgt werden darf, bedarf es nach allgemeiner Lehre eines gewissen Verdachts, dass er eine mit Strafe bedrohte Tat begangen habe. Ein solcher Verdacht bestand im hier zu beurteilenden Fall. Nach der Strafanzeige führte das Bellen der Hunde des Beschwerdeführers zu einer Ruhestörung. Da § 46 des luzern. EGzStGB eine Ruhestörung bestimmter Art unter Strafe stellt und die LBV einen ähnlichen Straftatbestand enthält, bestand ein gewisser Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer strafbar gemacht haben könnte, weshalb es gesetzlich zulässig war, gegen ihn eine Strafverfolgung zu eröffnen und durchzuführen. Er stellt sich auf den Standpunkt, er hätte auf Grund der städtischen Verordnung nicht gerichtlich verfolgt werden dürfen, da die LBV nicht als Gesetz im Sinne des § 5 Abs. 2 KV angesprochen werden könne. Diese Rüge ist schon deshalb unbegründet, weil die Strafverfolgung nicht bloss wegen Widerhandlung gegen die LBV durchgeführt wurde, sondern auch wegen Ruhestörung gemäss § 46 EGzStGB. Das Amtsgericht hat den Beschwerdeführer nach beiden Erlassen schuldig erklärt. Erst das Obergericht nahm an, der gesetzliche Tatbestand des § 46 EG sei nicht erfüllt. Dass er von der Appellationsinstanz in diesem Punkt freigesprochen wurde, besagt nicht, dass die Strafverfolgung gesetzwidrig gewesen wäre. Wäre es anders, so müsste in jedem Fall eine Verfassungsverletzung angenommen werden, wenn sich beim Abschluss des Strafverfahrens ergibt, dass das Verhalten, das einemBeschuldigten zur Last gelegt wurde, nicht die Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes erfüllt. Dass das nicht dem Wortlaut und Sinn des § 5 Abs. 2 KV entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung. Wenn die Verfassungsregel im übrigen von den "vom Gesetze vorgesehenen Fällen" spricht, nimmt sie nicht Bezug auf das materielle Strafgesetz, sondern auf das Strafprozessgesetz. BGE 96 I 24 S. 28 Dem Bürger soll gewährleistet sein, dass er nicht ausserhalb des gesetzlichen Verfahrens verfolgt wird und die Verfolgung sich im Rahmen dieses Verfahrensrechts hält (sog. Garantie des richterlichen Verfahrens; vgl. GERMANN, Kommentar zu Art. 1 StGB , Allgem. Vorbem. N 2/6). Das materielle Strafrecht spielt dabei, wie ausgeführt, nur insoweit eine Rolle, als eine Strafverfolgung nach dem Prozessrecht nicht zulässig wäre, wenn von vorneherein ausser jedem Zweifel stünde, dass das Verhalten des Beschuldigten nicht die Merkmale eines Straftatbestandes aufwiese, weil es dann an einem die Durchführung des Verfahrens rechtfertigenden Verdacht mangeln würde. Das war hier nicht der Fall, weshalb die Rüge der Verletzung des § 5 Abs. 2 KV unbegründet ist. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die Strafverfolgung nicht auf die vom Gesetz vorgeschriebene Weise durchgeführt worden wäre. Die Rüge der Verletzung des § 5 Abs. 2 KV würde im übrigen, was nicht weiter ausgeführt werden muss, offenbar mit der Willkürrüge zusammenfallen. 3. (Abweisung der Rüge willkürlicher Beweiswürdigung). 4. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei bestraft worden, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage bestehe, womit das Obergericht den Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" verletzt habe. Dieser Grundsatz ist ein Ausfluss des Art. 4 BV . Erist durch den Bundesgesetzgeber in den Art. 1 StGB übernommen worden. Würde es sich um die Anwendung eidgenössischen Strafrechts handeln, könnte nur noch die Verletzung der genannten Regel des StGB geltend gemacht werden; denn wenn der Bund ein in der BV garantiertes Freiheitsrecht durch eidgenössisches Privat- oder Strafrecht umschreibt, kann eine direkte Berufung auf die Verfassungsvorschrift nicht mehr in Frage kommen ( BGE 80 I 114 /5, BGE 75 I 215 ). Da das Obergericht nicht eidgenössisches Strafrecht angewendet hat, kann sich der Beschwerdeführer auf Art. 4 BV berufen mit der Behauptung, das angefochtene Urteil verletze den Satz "Keine Strafe ohne Gesetz". Daran ändert nichts, dass nach § 1 des luzernischen EGzStGB die allgemeinen Bestimmungen des StGB (unter hier nicht zutreffendem Vorbehalt) auch auf die nach dem kantonalen Strafrecht strafbaren Tatbestände Anwendung finden. Die Regel des Art. 1 StGB wird damit zu einer kantonalen Vorschrift, soweit sie auf die Anwendung kantonalen Strafrechts ausgedehnt wurde. BGE 96 I 24 S. 29 Der genannte Grundsatz besagt, dass nur strafbar ist, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht. Die Vorschrift, auf Grund welcher der Beschwerdeführer mit einer Busse belegt wurde, findet sich nicht in einem Gesetz im formellen Sinn, sondern in einer Verordnung. Nach der ständiden Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt eine Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält, als Grundlage für eine Bestrafung ( BGE 64 I 375 , BGE 63 I 329 ). Das Bundesgericht hat darauf hingewiesen, dass der Erlass polizeistrafrechtlicher Bestimmungen in Verordnungsform in der Schweiz eine verbreitete Erscheinung sei ( BGE 64 I 330 ), und in § 7 des luzernischen EGzStGB wird denn auch auf die in den kantonalen Gesetzen, Verordnungen und Reglementen aufgestellten Strafbestimmungen hingewiesen. Der Beschwerdeführer behauptet seinerseits mit Recht nicht, dass es an sich dem Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" zuwiderlaufe, wenn jemand auf Grund einer in einer Verordnung enthaltenen Norm bestraft wird. Er macht indessen geltend, die Strafbestimmung der städtischen LBV habe nach dem kantonalen Recht keinen Bestand. Ob das zutrifft, ist nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen, da der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keine Verletzung kantonalen Verfassungsrechts rügt ( BGE 80 I 115 ). b) Der Beschwerdeführer behauptet, der Kanton Luzern kenne kein Gemeindestrafrecht. Er schliesst das zunächst aus verschiedenen Vorschriften der StPO und des EGzStGB, in denen wohl von eidgenössischem und kantonalem, nicht aber von kommunalem Strafrecht die Rede ist ( § § 1, 8, 193 StPO , 1-3, 7, 60, 113 EGzStGB). Es lassen sich indes diese Vorschriften ohne Willkür dahin auslegen, dass das kantonale Recht gegenüber dem eidgenössischen abgegrenzt werden soll und in jenem auch das kommunale eingeschlossen ist. Vom Bundesrecht her gesehen gehört auch Gemeindestrafrecht zum kantonalen Recht. Art. 335 StGB überlässt in geringem Umfang "den Kantonen" die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts, was ohne Zweifel nicht ausschliesst, dass die Gemeinden in diesem Bereich strafrechtliche Vorschriften erlassen, soweit sie nach kantonalem Recht dazu befugt sind. Dieses kommunale Strafrecht ist ebenfalls kantonales Strafrecht im Sinne des Art. 335 StGB . Wenn in der schweizerischen Rechtssprache der Ausdruck "Bundesrecht und kantonales Recht" verwendet wird, ist BGE 96 I 24 S. 30 unter dem kantonalen Recht regelmässig auch das kommunale verstanden. Soweit in den erwähnten Regeln der StPO und des EG von kantonalem Recht die Rede ist, ist es in gleichem Sinn zulässig, auf jeden Fall nicht willkürlich, darunter auch das kommunale Recht zu verstehen. Für diese Auslegung spricht überdies der Umstand, dass in § 7 EGzStGB von den "in den kantonalen Gesetzen, in Verordnungen und Reglementen aufgestellten" Strafbestimmungen die Rede ist. Kantonale Erlasse, welche Strafnormen enthalten, werden in der Regel nicht als Reglemente bezeichnet. Diese Bezeichnung ist im allgemeinen den entsprechenden Gemeindeerlassen vorbehalten. Können die genannten Vorschriften der StPO und des EG füglich in der Weise ausgelegt werden, wie es das Obergericht getan hat, so ist die auf Art. 4 BV gestützte Rüge unbegründet, sie schlössen den Bestand kommunalen Strafrechts klarerweise aus. c) Der Beschwerdeführer stellt sich weiterhin auf den Standpunkt, die Lärmbekämpfung gehöre in der heutigen Zeit nicht mehr dem autonomen Wirkungskreis der Gemeinde an; sie sei eine allgemein staatliche, ja nationale Aufgabe geworden. Eine Lärmbekämpfungsverordnung müsste sich deshalb auf eine gesetzliche Delegationsnorm stützen können, und diese fehle im Kanton Luzern. Nach § 87 der luzernischen KV hat jede Gemeinde das Recht, ihre Angelegenheiten innert den verfassungsmässigen und gesetzlichen Schranken selbständig zu besorgen. Die gesetzgeberische Umschreibung der Sachgebiete der Gemeindeautonomie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. Eine Gemeinde darf auch solche lokale Angelegenheiten besorgen, die der Kanton nicht oder nicht umfassend geordnet hat und deren Regelung durch die Gemeinden er zulässt (GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 76; vgl. BGE 93 I 159 ). Es ist nicht unhaltbar, wenn das Obergericht annahm, die Lärmbekämpfung sei eine durch Herkommen und Sachzusammenhang als örtlich gekennzeichnete Aufgabe der lokalen Polizei (vgl. dazu DUSS, Die luzernische Gemeinde, Diss. 1951, S. 60). Der Umstand, dass die Lärmbekämpfung heutzutage ein nationales Anliegen geworden ist, lässt diese Betrachtungsweise nicht als verfehlt erscheinen. Der Beschwerdeführer tut nicht dar, dass der Kanton ein Lärmbekämpfungsgesetz erlassen oder sonstwie durch besondere Vorschriften die Rechtsetzung auf diesem Gebiet für sich in BGE 96 I 24 S. 31 Anspruch genommen hätte (auf § 46 EGzStGB ist zurückzukommen). Es lässt sich deshalb mit Grund die Ansicht vertreten, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Delegation stehe es den luzernischen Gemeinden zu, für ihr Gebiet Vorschriften gegen übermässigen Lärm zu erlassen. Steht ihnen diese Befugnis zu, so dürfen sie die Übertretung der Vorschriften auch mit Strafe bedrohen. Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist nämlich in der Befugnis zum Aufstellen polizeilicher Gebote und Verbote beim Fehlen einer abweichenden positiven Anordnung die Kompetenz eingeschlossen, auf die Übertretung dieser Vorschriften Strafe anzudrohen ( BGE 63 I 330 mit Hinweis auf frühere Entscheide). Hätte der zum Erlass von Verordnungen Berechtigte nicht die Möglichkeit, für den Fall der Übertretung Strafe anzudrohen, könnten sich die Verordnungen vielfach praktisch nicht auswirken (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone, S. 490). Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat sich freilich auf den Standpunkt gestellt, die Gemeinden seien nach luzernischem Recht nicht zum Erlass von Strafbestimmungen zuständig (vgl. ZBl 48/1947, S. 559 f.; im gleichen Sinn DUSS, a.a.O., S. 38 f.; vgl. auch das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 11. Juli 1951 i.S. Tschan und Kons. gegen Luzern). Die Gründe, welche das Obergericht gegen diese Ansicht vorbringt, sind nicht von vorneherein von der Hand zu weisen, vor allem dann nicht, wenn berücksichtigt wird, dass der Regierungsrat seinerzeit die LBV der Stadt Luzern genehmigt und damit die Stadtgemeinde als zum Erlass von Strafnormen befugt erachtet hat. Der Regierungsrat stützte sich bei seiner Argumentation vor allem auf den aufgehobenen § 194 des kantonalen Organisationsgesetzes von 1899, der nach der haltbaren Auffassung des Obergerichts nicht die Kompetenz zum Erlass von Strafnormen durch die Gemeinden regelte. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint das angefochtene Urteil jedenfalls nicht als schlechthin unhaltbar. d) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Kanton habe mit § 46 EGzStGB über die Strafbarkeit der Ruhestörung abschliessend legiferiert, so dass für Gemeindestrafrecht in diesem Bereich kein Raum bleibe. Erfasst § 46 EG alle strafbaren Angriffe auf das Rechtsgut der öffentlichen Ruhe, so hat daneben in der Tat in diesem Bereich Gemeindestrafrecht keinen Bestand. Dass die LBV vor Inkrafttreten des EG erlassen wurde, ist dabei ohne Bedeutung. Soweit die LBV mit dem EG in BGE 96 I 24 S. 32 Widerspruch steht, ist sie aufgehoben (§§ 7 und 200 EG). Es fragt sich demnach, ob in § 46 EG die strafbaren Ruhestörungshandlungen abschliessend umschrieben sind oder ob der kantonale Gesetzgeber nur einen Teil dieser Handlungen unter Strafe stellen und es den Gemeinden überlassen wollte, je nach ihren besondern Bedürfnissen weitergehende Ruhestörungen mit Strafe zu bedrohen. Das Problem ist das gleiche, wie es sich in Anwendung des Art. 335 StGB bisweilen bei der Abgrenzung zwischen eidgenössischem und kantonalem Strafrecht stellt (vgl. BGE 68 IV 42 , BGE 74 IV 109 , BGE 81 IV 126 und 165, BGE 89 IV 96 ). Es ist mithin zu prüfen, ob der § 46 EG seinem Sinn nach alle gegen die öffentliche Ruhe gerichteten Straftaten erfasst. Wenn darin als strafbar erklärt wird, "wer durch Lärm, Geschrei oder sonstigen Unfug die Nachtruhe stört", so mag es zunächst durchaus scheinen, die Vorschrift sei als abschliessend gedacht, da der Ausdruck "Lärm" ganz allgemein jedes Erzeugen lauter Geräusche erfasst, ob es sich um Bau-, Motoren-, Wirtschafts-, Radio- oder andern Lärm handle. Da in der Vorschrift indessen von "sonstigem" Unfug die Rede ist, hat das Obergericht in restriktiver Auslegung der Regel geschlossen, dass mit ihr nur Lärm erfasst werde, der Äusserung des Mutwillens, des Übermuts oder der Frevellust sei (vgl. Maximen des Obergerichts und der Anwaltskammer XI/1967 Nr. 585 S. 603 f.). Wird in zulässiger Auslegung der Anwendungsbereich des § 46 EG derart stark eingeengt, erscheint es nicht als unhaltbar, darin keine abschliessende strafrechtliche Regelung der Ruhestörung durch den Kanton zu erblicken. Vielmehr liegt bei solcher Interpretation die Annahme nahe, der kantonale Gesetzgeber habe es den Gemeinden überlassen wollen, je nach ihren besondern Bedürfnissen gegen eine Lärmerzeugung, die in ihrer Intensität erheblich grösser sein kann als "Lärmunfug", mit strafrechtlichen Normen einzuschreiten. Diese Auffassung lässt sich umso eher vertreten, als die Lärmquellen, die zu einer Belästigung führen können, in Stadt und Land, in einer Industrie- und Bauerngemeinde durchaus verschiedenartige sein können. Steht den Gemeinden die genannte Befugnis zu, so können sie Ruhestörungen, die sich nicht als "Lärm, Geschrei oder sonstigen Unfug" qualifizieren, mit Strafe bedrohen, und zwar, wie wiederum mit Fug angenommen werden kann, auch andere als in § 46 genannte Ruhestörungen zur Nachtzeit, weshalb die Rechtsanwendung des Obergerichts entgegen der Meinung des BGE 96 I 24 S. 33 Beschwerdeführers nicht zu einem widersinnigen Resultat führen muss. Es lässt sich demnach ohne Willkür annehmen, § 46 EG schliesse die Geltung der LBV nicht aus. Würde man übrigens § 46 EG nicht so eng auslegen, wie es das Obergericht tat, sondern der Vorschrift eine umfassende Bedeutung beilegen in dem Sinn, dass sie jeden (vermeidbaren, übermässigen) Nachtlärm erfasst, würde jedenfalls auch der das zulässige Mass überschreitende Hundelärm darunter fallen, so dass bei solcher Betrachtung der Mangel des obergerichtlichen Urteils einzig darin läge, dass das Gericht den Beschwerdeführer nach der LBV statt nach der strengern Vorschrift des § 46 EG bestrafte. Dass in Art. 18 LBV auf § 42 des Polizeistrafgesetzes hingewiesen wird, ändert nichts daran, dass es sich bei der Regel der LBV um eine solche des Gemeindestrafrechts handelt, und wenn sie nicht durch § 46 EG aufgehoben wurde, steht sie nach §§ 7 und 200 EG weiterhin in Geltung. 5. (Abweisung der Rüge, die LBV sei nicht rechtsgültig zustandegekommen, weil sie vom Grossen Stadtrat nicht erlassen, sondern bloss genehmigt worden sei.) 6. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht schliesslich vor, es habe es unterlassen, die Verjährungsvorschrift des Art. 109 StGB in der ursprünglichen Fassung anzuwenden. Nach dem ursprünglichen Art. 109 StGB seien Übertretungen in sechs Monaten verjährt. Als das EGzStGB geschaffen worden sei, habe man die damals geltenden allgemeinen Vorschriften des StGB in das kantonale Strafrecht übernommen. Wenn durch § 1 EG die allgemeinen Bestimmungen des StGB für das kantonale Strafrecht übernommen wurden, hat der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht, dass im eidgenössischen und kantonalen Strafrecht eine einheitliche Ordnung bestehen soll, soweit die allgemeinen Regeln in Frage sind. Es lässt sich ohne Willkür die Auffassung vertreten, unter den "allgemeinen Bestimmungen des StGB" seien die jeweils geltenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes zu verstehen. Wäre dem nicht so, so würde bei jeder Änderung der allgemeinen Bestimmungen des StGB die angestrebte Einheit von eidgenössischer und kantonaler Ordnung durchbrochen, was Unzukömmlichkeiten mit sich brächte. Freilich zieht bei solcher Betrachtung jede Änderung der allgemeinen Bestimmungen des StGB eine entsprechende Änderung des materiellen Gehalts des kantonalen Rechts nach sich, ohne dass sich der luzernische Souverän darüber auszusprechen hat, BGE 96 I 24 S. 34 weshalb die Ansicht des Beschwerdeführers nicht von vorneherein als verfehlt erscheint. Es lässt sich indessen, wie ausgeführt, § 1 EG mit vertretbaren Gründen in dem Sinn auslegen, dass die jeweils geltenden allgemeinen Bestimmungen des StGB auch im Bereich des kantonalen Rechts anwendbar sind, da das ein nach dem Willen des Gesetzgebers unerwünschtes Auseinanderklaffen von eidgenössischem und kantonalem Recht verhindert.
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Erwägungen ab Seite 98 BGE 130 V 97 S. 98 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG entsteht gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG bei langdauernder Krankheit frühestens in dem Zeitpunkt, in dem die versicherte Person während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen ist. Die Regelung des Rentenbeginns knüpft damit an die Umschreibung der Voraussetzungen des Rentenanspruchs in Art. 28 IVG an. Laut Abs. 1 und 1 bis dieser Bestimmung hat ein Versicherter Anspruch auf eine Rente, wenn er zu mindestens 40 % invalid ist. Als Invalidität gilt die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit (vgl. Art. 4 Abs. 1 IVG ). Bei Nichterwerbstätigen wird der Erwerbsunfähigkeit die Unmöglichkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, gleichgestellt ( Art. 5 Abs. 1 IVG ). Die Bemessung der Invalidität erfolgt bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode ( Art. 28 Abs. 2 IVG ), bei nichterwerbstätigen Versicherten durch einen Betätigungsvergleich nach der spezifischen Methode ( Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV ) und bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode, einer Kombination von Einkommens- und Betätigungsvergleich ( Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 bis IVV ). Die Bezugnahme auf den "Rentenanspruch nach Artikel 28" in Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG weist darauf hin, dass bei der Bestimmung des Rentenbeginns der jeweiligen Invaliditätsbemessungsmethode Rechnung zu tragen ist. BGE 130 V 97 S. 99 3.2 Die Rechtsprechung hat die Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 IVG definiert als "Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich" ( BGE 105 V 159 Erw. 2a, BGE 97 V 231 Erw. 2; vgl. Art. 6 ATSG ). Bei erwerbstätigen Versicherten wird diese Einbusse ohne Rücksicht darauf bestimmt, wie sich die gesundheitliche Beeinträchtigung auf das erzielbare Einkommen auswirkt. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zur für die Bemessung des Invaliditätsgrades massgebenden Erwerbsunfähigkeit, welche umschrieben wurde als "die Unfähigkeit, auf dem gesamten in Frage kommenden Arbeitsmarkt und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen die verbliebene Arbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu verwerten" ( BGE 97 V 231 Erw. 2). Während bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit ausserdem die Schadenminderungspflicht (vgl. dazu BGE 123 V 233 Erw. 3c, BGE 117 V 278 Erw. 2b, je mit Hinweisen; AHI 2001 S. 282 f. Erw. 5a/aa) u.a. in dem Sinne eine erhebliche Rolle spielt, als von der versicherten Person im Rahmen des Zumutbaren verlangt wird, eine andere als die angestammte Tätigkeit auszuüben, sofern sich dadurch die verbleibende Arbeitsfähigkeit finanziell besser verwerten lässt ( BGE 113 V 28 Erw. 4a mit Hinweisen), bildet einzig der bisherige Beruf den Bezugspunkt der für den Rentenbeginn relevanten Arbeitsunfähigkeit ( BGE 121 V 274 Erw. 6b/cc; Urteile S. vom 23. Oktober 2003, I 392/02, Erw. 4.2.2, und G. vom 8. April 2002, I 305/00, Erw. 3). Diese ist auf der Grundlage der medizinischen Stellungnahmen zu beurteilen. Die Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG entspricht somit bei Erwerbstätigen der medizinisch festgestellten Einschränkung im bisherigen Beruf. 3.3 3.3.1 Bei nicht erwerbstätigen Versicherten wird für die Bemessung der Invalidität darauf abgestellt, in welchem Masse sie behindert sind, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen ( Art. 27 Abs. 1 IVV ). Als Aufgabenbereich der im Haushalt tätigen Versicherten gilt die übliche Tätigkeit im Haushalt sowie die Erziehung der Kinder ( Art. 27 Abs. 2 IVV ). Die Invaliditätsbemessung erfolgt im Regelfall durch eine Abklärung vor Ort, deren Inhalt sich nach den durch die Rechtsprechung für gesetzes- und verordnungskonform erklärten (bezüglich früherer Fassungen AHI 1997 S. 291 Erw. 4a, ZAK 1986 S. 235 Erw. 2d; für die seit 1. Januar 2000 geltende Regelung Urteile S. vom 28. Februar 2003, I 685/02, BGE 130 V 97 S. 100 Erw. 3.2, und S. vom 4. September 2001, I 175/01, Erw. 5a) Weisungen des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) (Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit [KSIH] gültig ab 1. Januar 2000, Rz 3090 ff.) richtet. Da die Invalidität nicht in der durch den Gesundheitsschaden verursachten Erwerbsunfähigkeit, sondern in der gesundheitsbedingten Einschränkung im Haushaltsbereich besteht, ist auch der Rentenbeginn mit Blick auf diesen Bereich zu bestimmen. Dies entspricht der bereits zitierten Rechtsprechung ( BGE 105 V 159 Erw. 2a, BGE 97 V 231 Erw. 2), welche die für Art. 29 Abs. 1 IVG massgebende Arbeitsunfähigkeit bei Nichterwerbstätigen umschrieben hat als "Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Aufgabenbereich". Damit stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage diese Einbusse zu beurteilen ist. 3.3.2 Im erwerblichen Bereich lassen sich die Arbeitsunfähigkeit, definiert als die medizinisch festgestellte Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf, und die Erwerbsunfähigkeit, definiert als Unfähigkeit, die verbleibende Arbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu verwerten, ohne Schwierigkeiten unterscheiden. Demgegenüber liegt bei Nichterwerbstätigen die Überlegung nahe, durch den für die Invaliditätsbemessung vorzunehmenden Betätigungsvergleich, insbesondere wenn dieser im Rahmen einer Haushaltsabklärung erfolgt, werde nichts anderes ermittelt als die auch für den Rentenbeginn massgebende Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Aufgabenbereich, und die durch den Abklärungsbericht festgestellte Einschränkung sei deshalb mit der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG identisch. Einen Anhaltspunkt für diese These liefert auch die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zur ausserordentlichen Bemessungsmethode bei Erwerbstätigen. Das Gericht hat dazu sinngemäss erwogen, im Gegensatz zur spezifischen Methode werde der Invaliditätsgrad nicht direkt aus der Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen abgeleitet, sondern es sei, da es gelte, die Erwerbsunfähigkeit zu ermitteln, zusätzlich eine erwerbliche Gewichtung vorzunehmen (ständige Rechtsprechung seit BGE 104 V 138 Erw. 2c, zuletzt BGE 128 V 31 Erw. 1 mit Hinweisen). Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, durch die spezifische Methode werde generell die Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Aufgabenbereich und damit gleichzeitig mit dem Invaliditätsgrad auch die BGE 130 V 97 S. 101 für den Rentenbeginn massgebende Arbeitsunfähigkeit ermittelt. Vielmehr gilt es zu beachten, dass sowohl das Gesetz in Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG durch die Bezugnahme auf den "Rentenanspruch nach Artikel 28" (IVG) als auch die Rechtsprechung ( BGE 105 V 159 Erw. 2a, BGE 97 V 231 Erw. 2) durch die Definition der Arbeitsunfähigkeit als "Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich" unabhängig von der Invaliditätsbemessungsmethode von einem grundsätzlich einheitlichen Rentenbeginn ausgehen. Deshalb und im Lichte des Gebotes der Rechtsgleichheit und einer kohärenten Rechtsprechung ist der Rentenbeginn bei Nicht- oder Teilerwerbstätigen, soweit eine Übertragung sinnvollerweise möglich ist, nach analogen Kriterien festzulegen wie bei Erwerbstätigen. 3.3.3 Der Unterschied zwischen der Erwerbsunfähigkeit und der Arbeitsunfähigkeit im erwerblichen Bereich liegt nach dem Gesagten (Erw. 3.2 hievor) einerseits in der gegebenen oder fehlenden Relevanz der finanziellen Auswirkungen der gesundheitlich bedingten Beeinträchtigung. Diesem Umstand kommt bei Nichterwerbstätigen keine Bedeutung zu. Andererseits spielt bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit der Grundsatz der Schadenminderungspflicht eine erhebliche Rolle, während sich die Arbeitsunfähigkeit auf der Basis der medizinischen Stellungnahmen unter vergleichsweise geringer Gewichtung dieses Aspektes bestimmt. Auch bei der Bemessung der Invalidität von im Haushalt tätigen Versicherten ist die Schadenminderungspflicht von erheblicher Relevanz. Nach der Rechtsprechung hat die versicherte Person Verhaltensweisen zu entwickeln, welche die Auswirkungen der Behinderung im hauswirtschaftlichen Bereich reduzieren und ihr eine möglichst vollständige und unabhängige Erledigung der Haushaltsarbeiten ermöglichen. Der Umstand, dass diese Arbeiten nur mühsam und mit höherem Zeitaufwand bewältigt werden können, begründet nicht ohne weiteres eine Invalidität. Zudem wird eine Unterstützung durch Familienangehörige vorausgesetzt, welche weiter geht als im Gesundheitsfall (ZAK 1984 S. 139 f. Erw. 5; nicht veröffentlichtes Urteil C. vom 8. November 1993, I 407/92; Urteile S. vom 28. Februar 2003, I 685/02, Erw. 3.2, und S. vom 4. September 2001, I 175/01, Erw. 5b). Mit Blick auf die bezüglich des Rentenbeginns anzustrebende Gleichbehandlung von erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Versicherten rechtfertigt es sich nicht, diese Gesichtspunkte auch in die Bestimmung des Begriffs BGE 130 V 97 S. 102 der Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG einfliessen zu lassen. Deshalb kann für die Beurteilung der Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Aufgabenbereich nicht von den Ergebnissen der Haushaltsabklärung ausgegangen werden. Diese Einbusse ist stattdessen - analog zur Arbeitsunfähigkeit bei Erwerbstätigen - auf der Basis medizinischer Stellungnahmen zu beurteilen. Daraus sollte hervorgehen, ab wann und inwieweit die versicherte Person in ihrer Arbeitsfähigkeit (definiert als funktionelles Leistungsvermögen) im Haushaltsbereich eingeschränkt war. Diese Lösung entspricht auch der Verwaltungspraxis gemäss Randziffer 2025 des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit (KSIH). 3.4 Wäre die versicherte Person ohne Gesundheitsschaden teilweise erwerbstätig und daneben im Haushalt beschäftigt, gelangt die gemischte Methode nach Art. 27 bis IVV zur Anwendung. Danach ist die Invalidität unter Einbezug sowohl der Teilerwerbstätigkeit als auch des Haushalts- oder sonstigen Aufgabenbereichs festzusetzen. Der für den erwerblichen Bereich resultierende Invaliditätsgrad ist dabei mit demjenigen Prozentsatz zu multiplizieren, welcher der an einem Vollpensum gemessenen teilweisen Erwerbstätigkeit entspricht, die spezifische Arbeitsunfähigkeit im Aufgabenbereich mit der verbleibenden Differenz zu 100 % (vgl. BGE 125 V 149 f. Erw. 2b mit Hinweisen). Die für den Rentenbeginn massgebende Arbeitsunfähigkeit ist - wiederum entsprechend der Bezugnahme in Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG auf den "Rentenanspruch nach Artikel 28", welcher auch die im Rahmen der gemischten Methode ermittelte Invalidität erfasst - in analoger Weise festzulegen. Dies bedeutet, dass für den erwerblichen Anteil die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf und für den Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich die diesbezügliche Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln ist, wobei die medizinischen Stellungnahmen als Grundlage dienen. Die resultierenden Werte sind entsprechend der Invaliditätsbemessung nach der spezifischen Methode mit dem auf den jeweiligen Bereich entfallenden Prozentsatz zu gewichten und anschliessend zu addieren. Dadurch ergibt sich die für die Bestimmung des Rentenbeginns gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG massgebende Arbeitsunfähigkeit.
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Sachverhalt ab Seite 386 BGE 148 IV 385 S. 386 A. A. wird zusammengefasst angelastet, im Zeitraum von ca. 3. September 2018 bis Ende Dezember 2018 B. über Text- und Sprachnachrichten sowie im direkten Gespräch mehrfach dazu aufgefordert zu haben, seine Partnerin C., seine Ex-Freundin D. und A. selbst durch Erschiessen zu töten. Zum Zwecke der Tötung soll A. B. mehrere Schusswaffen gezeigt und ihn angewiesen haben, bei der Tatbegehung Handschuhe zu tragen. Als Belohnung für die drei Tötungen soll er B. Fr. 100'000.- bis Fr. 300'000.- in Aussicht gestellt haben. Zudem wird A. vorgeworfen, an seinem Wohnort in Zürich eine Portion von 29.7 g Kokain netto mit einem Reinheitsgehalt von 61 %, d.h. 18.1 g reines Kokainhydrochlorid, aufbewahrt zu haben. Weiter soll A. mehrfach sein Berufsgeheimnis als Verkehrspsychologe verletzt haben, indem er B. Fotos von Dokumenten diverser Klienten per WhatsApp zugestellt hat. Ausserdem wird ihm angelastet, mehrfach Kokain, MDMA, LSD und Marihuana konsumiert zu haben. Schliesslich soll sich A. des Hausfriedensbruchs (...), der Drohung (...), der Widerhandlungen gegen das Waffengesetz (...) sowie der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz (...) schuldig gemacht haben. B. Das Bezirksgericht Zürich sprach A. am 30. April 2020 frei vom Vorwurf der Drohung. Dagegen erklärte es ihn schuldig der mehrfach versuchten Anstiftung zur mehrfachen Tötung, der qualifizierten Widerhandlung nach Art. 19 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 19 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG; SR 812.121), des Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Verletzung des Berufsgeheimnisses, des Fahrens in fahrunfähigem Zustand, des Verstosses gegen Art. 33 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 lit. n des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54), des Fahrens ohne Fahrzeugausweis, Bewilligung oder Haftpflichtversicherung, der Übertretung des Waffengesetzes nach Art. 34 Abs. 1 lit. n WG sowie der mehrfachen BGE 148 IV 385 S. 387 Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes nach Art. 19a Ziff. 1 BetmG . Das Bezirksgericht verurteilte A. zu einer Freiheitsstrafe von 66 Monaten (...) sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.-. Auf Berufungen von A. und der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht Zürich am 25. Mai 2021 die Schuldsprüche wegen mehrfach versuchter Anstiftung zu mehrfacher Tötung sowie der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG. (...) Es verurteilte A. zu einer Freiheitsstrafe von 6 1⁄2 Jahren (...) sowie zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 200.- und einer Busse von Fr. 1'000.-. Den Vollzug der Geldstrafe schob es auf und setzte die Probezeit auf zwei Jahre fest. Überdies verwies es ihn für zehn Jahre des Landes. C. A. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei betreffend die Schuldsprüche wegen mehrfach versuchter Anstiftung zu mehrfacher Tötung sowie der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG aufzuheben. Das Strafverfahren sei mangels Zuständigkeit mit Bezug auf den Vorwurf der versuchten Anstiftung zur Tötung einzustellen und er sei freizusprechen von den Vorwürfen des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie eventualiter der mehrfach versuchten Anstiftung zur mehrfachen Tötung. Er sei zu bestrafen mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 120.- sowie einer Busse von Fr. 1'000.-. Von einer Landesverweisung sei abzusehen. Überdies sei ihm eine Genugtuung zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Sachverhaltsergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht und die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Auszug)
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652
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer beanstandet die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz betreffend den Vorwurf der mehrfach versuchten Anstiftung zu mehrfacher Tötung. Nach dem Grundsatz der Akzessorietät gelte eine Anstiftung als dort verübt, wo der Haupttäter gehandelt habe oder nach der Vorstellung des Anstifters gehandelt hätte. Der Handlungsort wäre, aufgrund des Wohnsitzes und des ständigen Aufenthalts der vermeintlichen Opfer, Deutschland gewesen. Deshalb BGE 148 IV 385 S. 388 seien die Schweizer Gerichte örtlich unzuständig. Dasselbe würde gelten, wenn an die angebliche Anstiftungshandlung angeknüpft würde, da er - im Gegensatz zu den offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz - ausschliesslich von Deutschland aus gehandelt habe. Entgegen den Aussagen von B. habe er diesen im persönlichen Gespräch in der Schweiz nie zu Tötungen angestiftet. Sofern überhaupt von einer Handlung in der Schweiz gesprochen werden könne, habe er B. bloss dazu aufgefordert, ihn selbst zu töten, was nicht strafbar sei. 1.1 Die Vorinstanz begründet ihre örtliche Zuständigkeit damit, dass der Beschwerdeführer die Anstiftungshandlungen durch Gespräche an seinem Domizil in der Schweiz und in einer Shisha-Bar in Zürich sowie durch den Versand von Text- und Sprachnachrichten begangen habe. Letztere habe der Beschwerdeführer nicht immer von Deutschland aus geschrieben und verschickt. Jedenfalls aber habe der Ort, an dem die Nachrichten gelesen bzw. gehört werden sollten, in der Schweiz gelegen, wo sich B. aufgehalten habe. Die über einen Zeitraum von ca. vier Monaten immer wieder an B. geschickten Nachrichten zusammen mit den beim Beschwerdeführer zuhause oder in der Shisha-Bar geführten Gespräche mit diesem würden mehrere Einzelhandlungen darstellen, die rechtlich als Einheit anzusehen seien. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründe die Handlung eines Anstifters aufgrund ihrer Akzessorietät zur Haupttat keinen selbständigen Anknüpfungspunkt, um den für die Zuständigkeit massgeblichen Begehungsort zu bestimmen. Da vorliegend die Haupttat jedoch nicht einmal versucht und auch keine Vorbereitungshandlungen vorgenommen worden seien, gebe es keinen Tatort der Haupttat. Deshalb sei auf den Zuständigkeitsort des Versuchs im Allgemeinen nach Art. 8 Abs. 2 StGB zurückzugreifen. Folglich sei die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte gegeben. 1.2 An dieser Stelle muss offenbleiben, ob die Vorinstanz zu Recht Anstiftungshandlungen feststellte. Auf diese Frage ist im Rahmen der Beurteilung der Sachverhaltsfeststellung zurückzukommen (nicht publ. E. 4). Nachfolgend gilt es zunächst die rechtliche Frage des räumlichen Anwendungsbereichs des StGB bei der versuchten Anstiftung zu klären. 1.2.1 Laut Art. 3 Abs. 1 StGB ist dem Schweizerischen Strafgesetzbuch unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt. Nach Art. 8 Abs. 1 StGB gilt ein Verbrechen oder ein Vergehen als da begangen, wo der Täter es ausführt oder BGE 148 IV 385 S. 389 pflichtwidrig untätig bleibt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist. Der Versuch gilt nach Art. 8 Abs. 2 StGB als da begangen, wo der Täter ihn ausführt, und da, wo nach seiner Vorstellung der Erfolg hätte eintreten sollen. Als Ausführung der Tat gilt jedes einzelne tatbestandsmässige Verhalten. Dabei genügt bereits eine teilweise Erfüllung des Tatbestands auf schweizerischem Gebiet, nicht aber der blosse Entschluss zur Tat oder die Vorbereitungshandlung. Nach der Rechtsprechung erscheint es im internationalen Verhältnis zur Vermeidung negativer Kompetenzkonflikte grundsätzlich als geboten, auch in Fällen ohne engen Bezug zur Schweiz die schweizerische Zuständigkeit zu bejahen ( BGE 141 IV 336 E. 1.1, BGE 141 IV 205 E. 5.2; je mit Hinweisen). Das Strafgesetzbuch enthält keine Bestimmung zur Frage der Anknüpfung bei akzessorischen Teilnahmehandlungen wie Anstiftung und Gehilfenschaft ( BGE 144 IV 265 E. 2.3.1 in fine). 1.2.2 Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Handlung eines Anstifters oder Gehilfen aufgrund ihrer Akzessorietät zur Haupttat keinen selbständigen Anknüpfungspunkt, um einen Begehungsort nach Art. 3 und 8 StGB zu bestimmen. Wenn die Haupttat ausschliesslich im Ausland verübt wurde, besteht daher für eine in der Schweiz begangene Anstiftung oder Gehilfenschaft keine schweizerische Strafhoheit ( BGE 144 IV 265 E. 2 mit Verweis auf BGE 104 IV 77 E. 7b). Gegen diese Rechtsprechung wurde in der Literatur mannigfaltige Kritik geäussert. In BGE 144 IV 265 hat sich das Bundesgericht ausführlich mit dieser auseinandergesetzt. Es befand jedoch, es gebe keine überzeugenden Gründe dafür, von der in BGE 104 IV 77 vertretenen Position abzuweichen (E. 2.4 ff.). 1.2.3 In BGE 144 IV 265 hat sich das Bundesgericht lediglich zur Zuständigkeit für den Fall geäussert, da die Teilnahme erfolgreich war und die Haupttat ausgeführt wurde. Nicht näher auseinandergesetzt hat sich das Bundesgericht bis anhin mit der Frage, ob in Fällen, in denen die Anstiftung misslingt, die versuchte Anstiftung einen selbständigen Anknüpfungspunkt begründet oder ob etwa - wie es der Beschwerdeführer meint (vgl. E. 1 hiervor) - an den Ort angeknüpft werden müsste, an dem der Haupttäter gehandelt hätte, wenn die Anstiftung geglückt wäre. Immerhin hat sich das Bundesgericht im Urteil Str.84/1983 vom 7. September 1983 E. 2c, in: SJ 1984 S. 160, - allerdings ohne nähere Ausführungen und lediglich im Sinne einer Eventualbegründung - dahingehend geäussert, dass die versuchte Anstiftung nach BGE 148 IV 385 S. 390 Art. 24 Abs. 2 StGB ein selbständiges Delikt darstelle und aArt. 7 Abs. 2 StGB ( Art. 8 Abs. 2 StGB ) anwendbar sei. 1.2.3.1 Der Wortlaut von Art. 8 StGB gibt keine unmittelbare Antwort auf diese Frage. Immerhin lässt sich festhalten, dass Art. 8 Abs. 2 StGB eine selbständige Anknüpfung von Teilnahmehandlungen grundsätzlich zuliesse, zumal dort generell vom "Versuch" ("tentative", "tentativo") die Rede ist, worunter auch die versuchte Anstiftung subsumiert werden kann. 1.2.3.2 Die Entstehungsgeschichte von Art. 8 StGB (aArt. 7 StGB) steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Frage der Anknüpfung der versuchten Anstiftung wurde bei der Ausarbeitung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches nie thematisiert. Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 23. Juli 1918 zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch eine vom heutigen Art. 8 StGB lediglich in wenigen Punkten abweichende Fassung vorgeschlagen (BBl 1918 IV 105). Diese wurde mit geringfügigen Änderungsanträgen der vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat von den jeweiligen Räten ohne nähere Diskussion angenommen (Sten.Bull. 1928 N 61 ff.; Sten.Bull. 1931 S 131 ff.; Sten.Bull. 1933 N 821) und sodann Gesetz (Botschaft vom 21. Dezember 1937 zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, BBl 1937 III 627). Anlässlich der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (Inkrafttreten per 1. Januar 2007) wurde der Wortlaut von Art. 8 StGB erneut leicht angepasst. Aus diesen Änderungen kann nichts für die vorliegend interessierende Frage abgeleitet werden. Selbiges gilt für die Botschaft des Bundesrats (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [...], BBl 1999 1999) und die Ratsprotokolle (siehe insb. AB 1999 S 1110; AB 2001 N 542). Dass sich der Gesetzgeber mit der Frage der Anknüpfung bei der versuchten Anstiftung nicht näher auseinandergesetzt hat, könnte als Argument dafür angeführt werden, dass die Bestimmung von Art. 8 Abs. 2 StGB auch diesen Anwendungsfall erfassen sollte, weshalb es keiner speziellen Regelung bedurfte. 1.2.3.3 Weiter legen systematische Überlegungen eine selbständige Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 StGB nahe: Das Bundesgericht hat in BGE 104 IV 77 E. 7b betont (bestätigt im erwähnten BGE 144 IV 265 E. 2.4), dass seine Auslegung von Art. 8 StGB mit den Regeln des internen (innerschweizerischen) Gerichtsstands von Art. 31 und 33 StPO übereinstimme (damals noch Art. 346 und 349 StGB ). BGE 148 IV 385 S. 391 In Rechtsprechung (Beschluss des Bundesstrafgerichts TPF 2020 58 E. 2.7 S. 62) und Literatur (so etwa MOSER/SCHLAPBACH, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 33 StPO ; STEPHAN SCHLEGEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, Donatsch und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 8 zu Art. 33 StPO ; zum früheren, materiell Art. 33 StPO entsprechenden, Art. 343 StGB : HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 33 Rz. 14 S. 125; SCHWERI/BÄNZIGER, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, Rz. 238 S. 75; HANS WALDER, Der Gerichtsstand gemäss Art. 346 f. StGB, 1961/62, S. 25) ist anerkannt, dass der versuchte Anstifter einen eigenen Gerichtsstand hat, der sich nach Art. 31 StPO und nicht nach Art. 33 Abs. 1 StPO bestimmt. Soll diese Parallelität weitergeführt werden, hat sich der räumliche Anwendungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuchs für die versuchte Anstiftung nach Art. 8 Abs. 2 StGB zu richten. 1.2.3.4 Das Bundesstrafgericht hat im zit. TPF 2020 58 erwogen, bei der versuchten Anstiftung nach Art. 24 Abs. 2 StGB fehle es für die Strafbarkeit an jeglicher Akzessorietät zur Haupttat bzw. an jeglicher Beteiligung an tatsächlich begangenem Unrecht. Beim Anstiftungsversuch nach Art. 24 Abs. 2 StGB komme es nicht darauf an, wo der erfolglos Angestiftete hätte handeln sollen und wo er verfolgt worden wäre, wenn er die Tat ausgeführt hätte. Entscheidend sei hier, wo der Anstifter auf den präsumtiven Täter eingeredet und versucht habe, ihn zur Tat zu bewegen. Der Anstifter habe in diesem Falle einen eigenen Gerichtsstand und sei nicht dort zu verfolgen, wo der Angestiftete hätte handeln sollen. Dieser eigene Gerichtsstand ergebe sich aus der im Falle eines blossen Anstiftungsversuchs fehlenden Akzessorietät zur Haupttat bzw. an der fehlenden Beteiligung an tatsächlich begangenem Unrecht (E. 2.6 f.). In BGE 100 IV 1 E. 5b f. und BGE 101 IV 47 E. 4b bekannte sich das Bundesgericht zur Unrechtsteilnahmetheorie. Es verneinte übereinstimmend mit Lehre und Rechtsprechung in Deutschland und Österreich die Konkurrenz zwischen Teilnahme und Täterschaft und erblickte den Strafgrund der Teilnahme - namentlich auch der Anstiftung - in der Mitwirkung an dem vom Täter begangenen Unrecht ( BGE 115 IV 230 E. 2b). Wie vom Bundesstrafgericht im zit. TPF 2020 58 erwogen, fehlt es bei der versuchten Anstiftung nach Art. 24 Abs. 2 StGB an einem von einem Dritten, dem Haupttäter, begangenen Unrecht. Der Unrechtsgehalt der versuchten (d.h. BGE 148 IV 385 S. 392 erfolglosen) Anstiftung besteht alleine in seinem eigenen Verhalten. Damit sprechen auch rechtstheoretische Überlegungen dafür, dass sich der Begehungsort nach Art. 8 Abs. 2 StGB bestimmt. 1.2.3.5 Für eine derartige Auslegung ist schliesslich anzuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts im internationalen Verhältnis als geboten erscheint, zur Vermeidung negativer Kompetenzkonflikte, auch in Fällen ohne engen Bezug zur Schweiz, die schweizerische Zuständigkeit zu bejahen (vgl. E. 1.2.1 hiervor). 1.2.3.6 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die aufgeworfene Rechtsfrage - im Einklang mit dem zit. Urteil Str.84/1983 E. 2c - dahingehend zu beantworten, dass die versuchte Anstiftung einen selbständigen Anknüpfungspunkt begründet. Dieser bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 2 StGB , d.h. nach dem Handlungsort des Anstifters und dem Ort, an dem der (Anstiftungs-)Erfolg (nach der Vorstellung des Anstifters) hätte eintreten sollen. Zum Erfolg der Anstiftung gehört u.a., dass es dem Anstifter gelungen ist, im anderen den Willen zur Tatbegehung hervorzurufen ( BGE 81 IV 285 E. II.1/b). Dieser Wille sollte vorliegend bei B. in der Schweiz geweckt werden. Insofern würden - im Einklang mit der Vorinstanz - auch in Deutschland verfasste, an B. in der Schweiz gerichtete, Nachrichten (alleine) ausreichen, um die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz zu begründen. Der Einwand der mangelnden örtlichen Zuständigkeit geht damit fehl.
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Sachverhalt ab Seite 417 BGE 134 III 417 S. 417 A. Die X. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) verlegte ihren Sitz von A. nach B., was im Handelsregister C. am 2. August 2007 BGE 134 III 417 S. 418 eingetragen wurde. Die Löschung im Handelsregister D. wurde am 8. August 2007 (Tagebuchdatum) vorgenommen. Die Publikation der Sitzverlegung erfolgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 8. August 2007 (Eintragung im Handelsregister C.) bzw. 14. August 2007 (Löschung im Handelsregister D.). B. Mit Eingabe vom 2. August 2007 ersuchte die Z. AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) um Konkurseröffnung über die Beschwerdeführerin und Aufnahme eines Güterverzeichnisses. Am 23. August 2007 eröffnete der Gerichtspräsident des Gerichtskreises E. über die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab Donnerstag, 23. August 2007, 10.50 Uhr, den Konkurs. C. Mit Eingabe vom 24. August 2007 appellierte die Beschwerdeführerin beim Obergericht des Kantons Bern gegen das Urteil des Gerichtspräsidenten und beantragte die Feststellung der Nichtigkeit der Konkurseröffnung, eventualiter die Aufhebung des Konkurses. Mit Entscheid vom 20. September 2007 bestätigte das Obergericht die Konkurseröffnung. D.
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Die Beschwerdeführerin hat beim Bundesgericht am 22. Oktober 2007 Beschwerde in Zivilsachen eingereicht. Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 7. Dezember 2007 auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften sind an ihrem Sitze zu betreiben ( Art. 46 Abs. 2 SchKG ). Verändert der Schuldner seinen Wohnsitz, nachdem ihm die Konkursandrohung zugestellt worden ist, so wird die Betreibung gemäss Art. 53 SchKG am bisherigen Orte fortgesetzt (perpetuatio fori). Diese Bestimmung ist auch auf die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung anwendbar. Der Richter, der im Zeitpunkt der Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung an den Schuldner örtlich zuständig ist, bleibt es auch dann, wenn dieser in der Folge sein Domizil wechselt ( BGE 121 III 13 E. 1b S. 14). Eine Sitzverlegung einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft führt in diesem Fall nur dann zu einer Änderung der örtlichen BGE 134 III 417 S. 419 Zuständigkeit des Konkursrichters, wenn der bisherige Sitz im Zeitpunkt der Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung im Handelsregister gelöscht worden ist (vgl. BGE 123 III 137 E. 3a S. 138 mit Hinweis auf BGE 116 III 1 E. 2 S. 4). Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Eintragung dieser Löschung ist deren Einschreibung in das Tagebuch massgebend ( Art. 932 Abs. 1 OR ). Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, wird die Uhrzeit einer Eintragung im Handelsregister nicht festgehalten (ECKERT, Basler Kommentar, N. 18 zu Art. 932 OR ; KÜNG, Berner Kommentar, N. 138 zu Art. 932 OR ). Mit der Genehmigung durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister werden die Eintragungen im Handelsregister rückwirkend auf den Tag der Eintragung in das Tagebuch rechtswirksam (ECKERT, a.a.O., N. 19 zu Art. 932 OR ; so ausdrücklich Art. 34 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 [HRegV; SR 221.411], welche auf das vorliegende Verfahren noch nicht anwendbar ist, vgl. Art. 173 Abs. 2 i.V.m. Art. 182 HRegV ). Im Interesse der Rechtssicherheit ist für die Wirksamkeit einer Eintragung daher auf das Datum des Tagebucheintrags abzustellen (ECKERT, a.a.O., N. 18 zu Art. 932 OR ). Die Uhrzeit der Einschreibung ist nicht massgeblich. Somit stösst die Argumentation der Beschwerdegegnerin ins Leere, die körperliche Eintragung im Handelsregister sei erst im Laufe des 8. August 2007 erfolgt und es könne nicht festgestellt werden, ob zuerst die Beschwerdeführerin im Handelsregister D. gelöscht oder ihr die Vorladung zur Konkursverhandlung zugestellt worden sei. Auch sprechen weder Gründe der Praktikabilität noch der Schutz der Gläubiger gegen einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Konkursgerichts. Sofern die Beschwerdeführerin tatsächlich ihren Sitz von A. nach B. verlegt hat, hat die Vorinstanz somit Bundesrecht verletzt, indem sie die Zuständigkeit des Konkursgerichts bejaht hat.
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Sachverhalt ab Seite 419 BGE 128 III 419 S. 419 A.- Y. a pris à bail des locaux commerciaux à Genève, dans lesquels il a exploité jusqu'à fin avril 1994 un café-restaurant. BGE 128 III 419 S. 420 Par un contrat de gérance libre signé le 10 septembre 1993, Y. a cédé l'exploitation de son commerce à X. pour une durée de cinq ans, soit du 1er mai 1994 jusqu'au 30 avril 1999. Il était convenu que le gérant devait verser une redevance mensuelle de 10'000 fr. et que toute augmentation de loyer qui serait notifiée par le bailleur devrait être supportée par le gérant. Avant que le contrat de gérance libre ne commence à déployer ses effets, les parties ont signé, le 14 septembre 1993, un document intitulé "modifications des contrats", qui prévoit que la redevance mensuelle due par le gérant s'élève à 12'000 fr. Il est constant que X., dès le début de la gérance, a payé mensuellement à Y. la somme de 10'000 fr., et non pas de 12'000 fr. Le 1er janvier 1995, les parties ont signé un avenant au contrat de gérance libre, portant le montant de la gérance mensuelle à 12'000 fr. Dès le 1er janvier 1995, X. a payé à Y. une redevance mensuelle de 12'000 fr. Le contrat a pris fin à son échéance, le 30 avril 1999. Les parties ont alors formulé des prétentions réciproques sur lesquelles il n'y a pas lieu de revenir, parce qu'elles ne sont aujourd'hui plus litigieuses. En revanche, les parties restent divisées sur la validité de la modification de la redevance intervenue le 1er janvier 1995. Le gérant soutient qu'il s'agit d'une augmentation du fermage, qui est nulle pour n'avoir pas été notifiée sur une formule officielle; il réclame en conséquence, à ce titre, la restitution de 104'000 fr. avec intérêts à 5% dès le 1er mars 1997. Y. s'oppose à cette demande en faisant valoir qu'il s'agit d'une convention valablement conclue. B.- X. ayant déposé une demande en paiement en date du 14 septembre 1999, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève, par jugement du 21 juin 2001, a condamné le défendeur Y. à verser au demandeur la somme de 104'000 fr. avec intérêts à 5% dès le 1er mars 1997 sous imputation d'un montant de 8'971 fr. 70, avec intérêts à 5% dès le 1er mai 1999, qui n'est plus litigieux à ce stade de la procédure. En substance, le Tribunal a retenu qu'il y avait eu une majoration du fermage, laquelle était nulle pour n'avoir pas été notifiée sur la formule officielle requise. Saisie d'un appel du défendeur, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers, par arrêt du 18 mars 2002, a condamné le demandeur à verser au défendeur la somme de 8'971 fr. 70, avec intérêts à 5% dès le 1er mai 1999, et ordonné la libération en faveur du demandeur de la garantie bancaire, sous imputation du montant dû au défendeur. La cour cantonale a retenu que le montant de 12'000 fr. était BGE 128 III 419 S. 421 déjà prévu dans l'accord du 14 septembre 1993 et constituait donc un fermage initial, pour lequel la formule officielle n'était pas exigée; par ailleurs, elle a considéré que l'objection du demandeur constituait un abus de droit dès lors qu'il s'était acquitté du nouveau fermage pendant près de quatre ans et demi sans l'avoir jamais remis en cause. C.- Le demandeur interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l' art. 269d al. 2 let. a CO et de l' art. 2 al. 2 CC , il conclut à l'annulation de la décision attaquée et à ce que sa partie adverse soit condamnée à lui verser la somme de 104'000 fr. avec intérêts à 5% dès le 1er mars 1997, sous imputation du montant de 8'971 fr. 70 avec intérêts à 5% dès le 1er mai 1999, la garantie bancaire devant être libérée en sa faveur. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt attaqué.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 Il ressort des constatations souveraines des juridictions cantonales que les parties sont convenues que le défendeur cédait au demandeur l'exploitation de son café-restaurant entièrement équipé, moyennant paiement d'une redevance mensuelle. La première question à résoudre est de savoir si le contrat doit être qualifié de bail à loyer ( art. 253 CO ) ou de bail à ferme non agricole ( art. 275 CO ). Le bail à ferme se distingue du bail à loyer par l'objet du contrat. Le bailleur ne cède pas à son cocontractant l'usage de n'importe quelle chose, mais l'usage d'un bien ou d'un droit productif, dont le fermier peut percevoir les fruits ou les produits (cf. art. 275 CO ). Il y a bail à ferme notamment lorsque le bailleur cède l'exploitation d'une entreprise entièrement équipée, c'est-à-dire d'un outil de production; en revanche, il faut retenir la qualification de bail à loyer s'il cède des locaux qu'il appartient au cocontractant d'aménager pour en faire une entreprise productive (arrêt 4C.43/2000 du 21 mai 2001, consid. 2a). La mise en gérance libre d'un établissement public complètement équipé donne lieu à un bail à ferme non agricole (LACHAT, Le bail à loyer, p. 55 n. 2.1; TERCIER, Les contrats spéciaux, 2e éd., n. 2172). Compte tenu des prestations convenues en l'espèce, il n'est pas douteux que le contrat conclu entre les parties doit être qualifié de bail à ferme non agricole. 2.2 Après la conclusion du bail à ferme du 10 septembre 1993, qui prévoit une redevance mensuelle de 10'000 fr., les parties ont BGE 128 III 419 S. 422 signé deux autres documents, datés respectivement du 14 septembre 1993 et du 1er janvier 1995, qui portent la redevance mensuelle à 12'000 fr. Le litige qui oppose les parties concerne partiellement l'interprétation de ces deux documents et il convient préalablement de rappeler les principes applicables. En présence d'un litige sur l'interprétation d'un contrat, le juge doit tout d'abord s'efforcer de déterminer la commune et réelle intention des parties, sans s'arrêter aux expressions ou dénominations inexactes dont elles ont pu se servir, soit par erreur, soit pour déguiser la nature véritable de la convention ( art. 18 al. 1 CO ; ATF 127 III 444 consid. 1b). Il faut rappeler qu'un accord peut résulter non seulement de déclarations expresses concordantes, mais aussi d'actes concluants ( art. 1 al. 2 CO ). Déterminer ce qu'un cocontractant savait et voulait au moment de conclure relève des constatations de fait qui lient le Tribunal fédéral ( ATF 118 II 58 consid. 3a; ATF 113 II 25 consid. 1a p. 27). Si la cour cantonale parvient à se convaincre d'une commune et réelle intention des parties, il s'agit d'une constatation de fait qui ne peut être remise en cause dans un recours en réforme ( ATF 126 III 25 consid. 3c, 375 consid. 2e/aa; ATF 125 III 305 consid. 2b, 435 consid. 2a/aa). Si la volonté réelle des parties ne peut pas être établie ou si elle est divergente, le juge doit interpréter les déclarations et les comportements selon la théorie de la confiance (cf. ATF 127 III 444 consid. 1b). Il doit donc rechercher comment une déclaration ou une attitude pouvait être comprise de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances (cf. ATF 126 III 59 consid. 5b p. 68, 375 consid. 2e/aa p. 380). Il doit être rappelé que le principe de la confiance permet d'imputer à une partie le sens objectif de sa déclaration ou de son comportement, même si celui-ci ne correspond pas à sa volonté intime ( ATF 127 III 279 consid. 2c/ee p. 287; WIEGAND, Commentaire bâlois, n. 8 ad art. 18 CO ; KRAMER, Commentaire bernois, n. 101 s. ad art. 1er CO ; EUGEN BUCHER, Commentaire bâlois, n. 6 ad art. 1er CO ; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., p. 216 s.). L'application du principe de la confiance est une question de droit que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours en réforme, peut examiner librement ( ATF 127 III 248 consid. 3a; ATF 126 III 25 consid. 3c, 59 consid. 5a, 375 consid. 2e/aa). Pour trancher cette question de droit, il faut cependant se fonder sur le contenu de la manifestation de volonté et sur les circonstances, lesquelles relèvent du fait ( ATF 126 III 375 consid. 2e/aa; ATF 124 III 363 consid. 5a; ATF 123 III 165 consid. 3a). BGE 128 III 419 S. 423 En l'espèce, il n'apparaît pas que la cour cantonale se soit convaincue d'une réelle et commune intention des parties; elle s'est au contraire efforcée d'interpréter, selon le principe de la confiance, les documents produits et les circonstances. Il s'agit donc d'une question de droit que le Tribunal fédéral peut revoir librement. 2.3 Le bail à ferme est daté du 10 septembre 1993 et prévoit une redevance mensuelle de 10'000 fr. L'accord intitulé "modifications des contrats" est daté du 14 septembre 1993 et prévoit une redevance mensuelle de 12'000 fr. Comme les deux contenus sont incompatibles (10'000 ou 12'000 fr.), il ne peut s'agir d'un complément, mais bien d'une modification. Eu égard à la chronologie des documents (10 septembre 1993 et 14 septembre 1993), il faut retenir que le second document est destiné à modifier le premier, ce qui est d'ailleurs conforme à son sens littéral, puisqu'il parle de modification. Il faut donc en déduire que les parties sont convenues, le 14 septembre 1993, que la redevance mensuelle serait de 12'000 fr., et non pas de 10'000 fr. comme le prévoyait l'accord antérieur daté du 10 septembre 1993. Il n'en demeure pas moins que dès le début de l'exploitation (le 1er mai 1994), et pendant huit mois (jusqu'au 1er janvier 1995), le demandeur a payé 10'000 fr. par mois, et non pas 12'000 fr., sans qu'aucune opposition de la part du défendeur n'ait été établie ni même alléguée. Les parties ont estimé nécessaire de conclure un avenant, le 1er janvier 1995, pour porter la redevance à 12'000 fr., ce qui montre bien que, dans leur esprit, l'accord du 14 septembre 1993 n'avait pas cet effet. Il est vraisemblable que les parties ont conclu, après le 14 septembre 1993, un accord oral - qui n'a pas été prouvé dans la procédure - à l'effet d'annuler la redevance prévue le 14 septembre 1993 et de s'en tenir au chiffre initial figurant dans le contrat du 10 septembre 1993. Quoi qu'il en soit, il résulte de manière suffisante des circonstances (le paiement pendant huit mois sans opposition et la conclusion d'un nouvel accord le 1er janvier 1995) que les parties sont convenues, au moins par actes concluants, de renoncer au chiffre figurant dans l'accord du 14 septembre 1993 et de s'en tenir à celui prévu dans le contrat initial. Sur ce point, l'opinion du demandeur doit être approuvée. Cela ne suffit cependant pas pour conclure à l'admission du recours, puisque - comme on l'a vu - un recours peut être rejeté par substitution de motifs. BGE 128 III 419 S. 424 2.4 Il faut ensuite s'interroger sur la validité juridique de l'avenant signé par les parties le 1er janvier 1995 et portant la redevance, dès cette date, à 12'000 fr. par mois. Il résulte de l' art. 253b al. 1 CO que les dispositions sur la protection contre les loyers abusifs s'appliquent par analogie aux baux à ferme non agricoles. Le recourant se prévaut de l' art. 269d al. 2 let. a CO , qui prévoit que les majorations de loyer sont nulles lorsqu'elles ne sont pas notifiées au moyen de la formule officielle. Il est constant en l'espèce qu'il n'y a pas eu de notification à l'aide d'une formule officielle. La question qu'il faut cependant résoudre - et qui semble avoir échappé à la cour cantonale - est de savoir si l'on se trouve dans un cas d'application de l' art. 269d CO . 2.4.1 Cette disposition s'intitule "augmentations de loyer et autres modifications unilatérales du contrat par le bailleur". S'agissant de la majoration du loyer, elle vise l'hypothèse où le bailleur veut majorer le loyer pour le prochain terme de résiliation (cf. art. 269d al. 1 1 re phrase CO). La référence au prochain terme de résiliation s'impose parce que les parties, en vertu du principe de la fidélité contractuelle, sont liées par leur accord jusqu'à l'échéance et que le bailleur ne pourrait donc pas modifier unilatéralement le loyer avant l'échéance (WEBER/ZIHLMANN, Commentaire bâlois, 2e éd., n. 5 ad art. 269d CO ; SVIT-Kommentar, 2e éd., n. 10 ad art. 269d CO ; LACHAT, op. cit., p. 267 n. 3.1.8), sous réserve d'une clause d'indexation ou d'échelonnement (SVIT-Kommentar, n. 8 ad art. 269d CO ; LACHAT, ibid.). Il est donc admis que l' art. 269d CO n'est pas applicable dans le cas d'un contrat de bail de durée déterminée, parce que celui-ci, par définition, prend fin à l'échéance et qu'il n'est donc pas question d'une majoration de loyer dite unilatérale à partir du prochain terme de résiliation (arrêt 4C.496/1994 du 28 mars 1995, consid. 2a, publié in Pra 85/1996 no 129 p. 425; WEBER/ZIHLMANN, op. cit., n. 1 ad art. 269d CO ; SVIT-Kommentar, n. 7 ad art. 269d CO ; HIGI, Commentaire zurichois, n. 20 ad art. 257 CO ; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 6e éd., p. 235). En l'espèce, l'arrêt cantonal et le jugement de première instance (auquel l'arrêt se réfère) décrivent le bail à ferme comme un contrat de durée déterminée. Il apparaît cependant que les autorités cantonales n'ont pas saisi le problème juridique qui se posait et qu'il est possible de compléter l'état de fait sur ce point secondaire en fonction du contrat versé au dossier, auquel les deux parties et les juridictions cantonales se réfèrent expressément (cf. art. 64 al. 2 OJ ). Il BGE 128 III 419 S. 425 résulte de l'art. 3 du contrat de gérance libre que celui-ci devait être reconduit tacitement d'année en année, sauf congé donné trois mois avant l'échéance. Il s'agit donc d'un contrat de durée indéterminée et l'application de l' art. 269d CO n'est pas exclue pour ce motif. Il reste cependant à examiner si le bailleur a voulu augmenter le fermage "pour le prochain terme de résiliation" selon la formule de l' art. 269d al. 1 CO . On sait qu'une erreur sur la date d'échéance peut conduire à un simple report à la première date utile si on peut penser que ce report reste compatible avec la volonté du bailleur (cf. ATF 107 II 189 consid. 3). En l'espèce, les parties sont convenues le 1er janvier 1995 d'une modification du fermage prenant effet immédiatement. Selon le principe de la confiance, on ne peut pas déduire de l'attitude du défendeur que celui-ci voulait une augmentation du fermage qui ne prendrait effet qu'à l'échéance, soit le 30 avril 1999. L'importance du délai d'attente (plus de quatre ans) ne permet pas de penser que telle était la volonté des parties; il n'y avait d'ailleurs aucune certitude que le contrat serait reconduit à son échéance et il ne l'a effectivement pas été. On ne peut donc pas déduire des circonstances, selon le principe de la bonne foi, une volonté du défendeur de majorer le montant du fermage pour le prochain terme de résiliation, soit le 30 avril 1999. On ne se trouve donc pas dans l'hypothèse visée par l' art. 269d CO , à savoir celle d'une augmentation unilatérale par le bailleur pour le prochain terme de résiliation. Cette disposition n'est dès lors pas applicable. 2.4.2 Les dispositions sur la protection contre les loyers abusifs n'empêchent pas les parties, en vertu de la liberté contractuelle, de convenir en tout temps de modifier le contenu de leur contrat, et cela même en cours de bail (SVIT-Kommentar, n. 14 ad art. 269d CO ). La faculté donnée au bailleur de demander unilatéralement une augmentation du loyer pour le prochain terme de résiliation (sur cette figure juridique: cf. HONSELL, op. cit., p. 236) n'exclut pas que les parties puissent convenir valablement, sans l'usage d'une formule officielle, d'augmenter le loyer pour l'échéance (arrêt 4C.496/1994 du 28 mars 1995, consid. 2b, publié in Pra 85/1996 no 129 p. 425, in mp 1995 p. 145 et in MRA 1995 p. 256; arrêt 4C.117/1998 du 28 août 1998, consid. 2, publié in Pra 88/1999 no 8 p. 44; arrêt 4C.134/2001 du 18 octobre 2001, consid. 2b; HIGI, op. cit., n. 13 ad art. 269d CO ; LACHAT, op. cit., p. 265 s. n. 3.1.4). Les dispositions impératives de la loi ne doivent cependant pas être éludées. Il ne suffirait pas, pour admettre une majoration BGE 128 III 419 S. 426 conventionnelle, qu'un bailleur, dans une situation de majoration unilatérale, fasse signer au locataire un document qu'il a lui-même préparé. Pour respecter le but protecteur de l' art. 269d al. 2 CO , une modification consensuelle du contrat de bail n'est admissible que s'il résulte des circonstances que le locataire (ou le fermier) était suffisamment informé de ses droits et qu'il n'a pas consenti sous la menace d'une résiliation (arrêt 4C.134/2001 du 18 octobre 2001, consid. 2b; ATF 123 III 74 consid. 3b). Il apparaît cependant d'emblée en l'espèce que l'on ne se trouve pas dans une hypothèse où l'avenant conclu le 1er janvier 1995 pourrait avoir éludé le régime de protection prévu par les art. 269 ss CO . En effet, la formule officielle, exigée par l' art. 269d al. 1 2 e phrase CO, ne vise que l'hypothèse où le bailleur veut majorer le loyer pour le prochain terme de résiliation ( art. 269d al. 1 1 re phrase CO). Dès lors que le défendeur ne voulait pas modifier le fermage pour le prochain terme de résiliation, soit le 30 avril 1999, il ne pouvait utiliser la formule officielle. La possibilité pour le fermier de demander à l'autorité de s'assurer que le rendement n'était pas excessif (art. 269 s. CO) n'existait pas étant donné que, en l'absence d'une clause d'indexation ou d'échelonnement, toute possibilité d'augmenter unilatéralement le fermage en cours de bail est exclue. En réalité, le recourant se trouvait dans une situation bien plus confortable que le locataire qui, recevant une majoration unilatérale, est exposé à ce que la hausse soit déclarée non abusive; il lui suffisait en effet de refuser de signer l'avenant pour que toute modification du fermage soit exclue avant l'échéance, le 1er avril 1999. Ses droits étaient tellement évidents qu'ils ne nécessitaient aucune information par le moyen d'une formule officielle. Qu'on lui ait demandé de signer un avenant montre bien que la modification n'était pas possible sans sa signature. Chacun sait qu'il ne doit pas signer un document avec lequel il n'est pas d'accord. En tant que commerçant, le demandeur ne pouvait pas ignorer qu'il avait conclu un contrat jusqu'au 30 avril 1999 et que les contrats doivent être respectés. Il était donc à l'abri d'une résiliation avant longtemps et n'avait de toute manière aucune assurance que le contrat serait renouvelé après son échéance. Les montants en jeu étaient relativement importants (le fermage a été augmenté de 10'000 à 12'000 fr. par mois et le bail à ferme évoque un chiffre d'affaires mensuel minimum de 60'000 fr.), de sorte que l'on pouvait attendre du demandeur qu'il s'entoure de conseils éclairés; il était d'ailleurs parfaitement en mesure de le faire, puisqu'il résulte des constatations BGE 128 III 419 S. 427 cantonales qu'il était assisté d'une fiduciaire à l'époque de la conclusion et qu'il a consulté l'ASLOCA dès les premières difficultés à l'échéance du contrat; or, il a déjà été jugé que l'on pouvait admettre qu'un commerçant assisté d'une fiduciaire est en principe au courant de ses droits (arrêt 4C.496/1994 du 28 mars 1995, consid. 2c, publié in Pra 85/1996 no 129 p. 425). On ne trouve d'ailleurs, dans l'état de fait déterminant, aucun élément qui puisse donner à penser que la signature du demandeur, sur l'acte du 1er janvier 1995, ne résulterait pas d'une volonté libre et éclairée. On peut certes se demander pourquoi le demandeur a accepté, en cours de bail, une augmentation du fermage. Il l'avait cependant déjà acceptée par l'acte du 14 septembre 1993. Il est probable que les parties ont renoncé consensuellement à cette augmentation parce que le demandeur ne voulait pas s'engager avant de connaître le chiffre d'affaires qu'il pouvait effectivement réaliser; il est vraisemblable que les parties, en renonçant à la modification du 14 septembre 1993, étaient convenues sur l'honneur d'en rediscuter ultérieurement et c'est sans doute ce qui explique l'acceptation de l'avenant du 1er janvier 1995, le demandeur souhaitant peut-être également conserver ses chances d'une éventuelle reconduction du contrat. Quoi qu'il en soit, le consentement du demandeur n'est affecté d'aucun vice et lie donc son auteur. L'existence d'un libre consentement est encore confirmée par le déroulement ultérieur des faits, puisque le demandeur a payé le fermage modifié pendant plus de quatre ans sans émettre la moindre protestation, montrant bien que cette situation était conforme à sa volonté. 2.4.3 L'avenant du 1er janvier 1995 a fixé conventionnellement un nouveau fermage. On peut assimiler celui-ci à un fermage initial (dans ce sens: HIGI, op. cit., n. 185 ad art. 269d CO et n. 25 ad art. 270 CO ; HONSELL, op. cit., p. 235). Le droit fédéral n'exige cependant pas l'utilisation d'une formule officielle pour communiquer un fermage initial (cf. art. 270 CO ) et, dès lors qu'il ne s'agit pas en l'espèce d'un logement, le droit cantonal ne pourrait pas non plus l'imposer ( art. 270 al. 2 CO ; ATF 117 Ia 328 consid. 3d). On se trouve ainsi en présence d'une modification conventionnelle du fermage qui a été valablement conclue et n'exigeait pas l'emploi d'une formule officielle. En conséquence, l'arrêt attaqué, dans son résultat, ne viole pas le droit fédéral et le recours doit être rejeté.
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Sachverhalt ab Seite 39 BGE 96 IV 39 S. 39 A.- Am 1. April 1968 um 20 Uhr fuhr Karl Wyssen mit einem Traktor mit Anhänger auf der 7,6 m breiten, mit Leitlinien versehenen Rhonetalstrasse von Turtmann gegen Agarn. Auf dem Anhänger, der 33 cm breiter als der Traktor war und hinten links ein rot gestrichenes, dreieckiges und nur schwach rückstrahlendes Blech von 19 cm Seitenlänge aufwies, befand sich der Mitfahrer Anselm Dirren. Dieser leuchtete mit einer in der Hand gehaltenen Taschenlampe nach rückwärts. Hinter dem Traktor folgte Yvon Georgen mit einem Lieferwagen. Seine Geschwindigkeit betrug mindestens 90-100 km/Std. Wegen des Gegenverkehrs fuhr er mit abgeblendeten Scheinwerfern. Infolge des Abblendlichts und der ungenügenden Kennzeichnung des Traktoranhängers erblickte Yvon Georgen das vor ihm fahrende Gefährt zu spät. Beim Versuch, im letzten Moment nach links auszuweichen, prallte er mit der rechten Vorderfront seines Lieferwagens gegen den Anhänger. Der Traktorzug geriet ins Schleudern und kam quer auf der Strasse zum Stillstand. Der Lieferwagen konnte kurz nach dem Aufprall auf der BGE 96 IV 39 S. 40 rechten Fahrbahnhälfte zum Stehen gebracht werden. Durch die Wucht des Anpralls wurde der Mitfahrer Georgens, Giovanni Niro, so schwer verletzt, dass er am folgenden Tag starb. Die übrigen in den Unfall verwickelten Personen wurden leichter verletzt. B.- Mit Urteil vom 28. Februar 1969 verurteilte das Kreisgericht Oberwallis (Leuk): Yvon Georgen wegen fahrlässiger Tötung ( Art. 117 StGB ) und grober Verletzung von Verkehrsregeln ( Art. 90 Ziff. 2 SVG ) zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 20 Tagen; Karl Wyssen wegen fahrlässiger Tötung, Führens eines nichtbetriebssicheren Fahrzeugs und Fahrens ohne Fahrzeugausweis zu einer Busse von Fr. 300.--; Markus Ammann, Eigentümer des Traktorenanhängers, wegen Gebrauchenlassens eines nichtbetriebssicheren Fahrzeuges und fahrlässiger Tötung zu einer Busse von Fr. 80.-. C.- Auf Berufung des Yvon Georgen erklärte ihn das Kantonsgericht des Kantons Wallis am 3. Februar 1970 lediglich der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer nach einer Probezeit von 2 Jahren vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 500.--. D.- Gegen dieses Urteil führt die Staatsanwaltschaft Oberwallis Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Yvon Georgen wegen grobfahrlässiger Tötung sowie wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Yvon Georgen beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Im Gegensatz zum Antrag auf Schuldigerklärung wegen grobfahrlässiger Tötung ist das Begehren, der Beschwerdegegner sei ausser der fahrlässigen Tötung auch der groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG schuldig zu erklären, begründet. Wohl kommt eine Verurteilung nach Art. 90 SVG neben derjenigen wegen fahrlässiger Tötung insoweit nicht in Betracht, als der Unfall Giovanni Niros in Frage steht. In dieser Hinsicht werden sowohl die Verstösse des Beschwerdegegners gegen BGE 96 IV 39 S. 41 Art. 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SVG wie die allgemeine Verkehrsgefährdung und die konkrete Gefährdung Niros im Sinne von Art. 90 SVG durch die Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung vollumfänglich abgegolten ( BGE 91 IV 32 E 3 und 213) Für die dem Karl Wyssen und dem Anselm Dirren zugefügten einfachen Körperverletzungen ist der Beschwerdegegner nicht zur Rechenschaft gezogen worden, weil beide auf einen Strafantrag verzichtet haben. Es stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall der Täter nicht wegen der konkreten Gefährdung der Verletzten zur Verantwortung gezogen werden soll. Die Vorinstanz verneint sie mit der Begründung, es würde sonst derselbe allgemeine und konkrete Gefährdungstatbestand zweimal bestraft. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Hätten Wyssen und Dirren Strafantrag gestellt, so wäre der Beschwerdegegner der fahrlässigen Tötung und zudem der fahrlässigen Körperverletzung schuldig befunden worden. Damit wäre die Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit und die konkrete Gefährdung der verletzten Personen abgegolten gewesen ( BGE 91 IV 32 und 213). Im vorliegenden Fall konnte mangels Strafantrags keine Abgeltung der Gefährdung Wyssens und Dirrens stattfinden. Diese hat deshalb nach Art. 90 SVG zu erfolgen, denn die Gefahr hat sich voll ausgewirkt (ebenso HAEFLIGER, ZStR 1965 S. 264). Würde anders entschieden, dann müsste der Täter, welcher durch Übertretung von Verkehrsvorschriften eine einzige Person fahrlässig verletzt oder tötet, im selben Strafrahmen von Art. 125 Abs. 1 oder 117 StGB bestraft werden wie der andere Täter, der ausser dem Tod einer Person auch noch die Verletzung zweier weiterer Menschen auf dem Gewissen hat, sofern er für diese Körperverletzungen mangels Strafantrags nicht verurteilt werden kann; für die konkrete Gefährdung von zwei weitern Personen, die nach Art. 90 Ziff. 2 SVG ein Delikt ist, bliebe der Täter also straflos.
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Sachverhalt ab Seite 460 BGE 131 III 459 S. 460 Die Liegenschaft Kornmarktgasse 2 ist in fünf Stockwerkeinheiten aufgeteilt. Bei der ersten Stockwerkeinheit (Nr. 1) handelt es sich um auf das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss des Gebäudes verteilte Geschäftsräumlichkeiten, in welchen sich früher ein Café (Café "Kornmarkt") und heute eine Modeboutique befindet. Bei den weiteren vier Stockwerkeinheiten (Nrn. 2 bis 5) handelt es sich um Wohnungen oder Büros bzw. Praxisräume. Sie befinden sich im 2. bis 6. Stockwerk des Gebäudes. Der Klägerin K. gehört die Stockwerkeinheit Nr. 3 im vierten Obergeschoss; sie betreibt eine Kupferstich-Galerie und wohnt auch dort. Verschiedene Mitglieder der beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft Kornmarktgasse 2 oder deren Mieter haben auf Erdgeschosshöhe an der Fassade des Gebäudes Reklameeinrichtungen (Leuchtschriften und Schaukästen) angebracht. So verfügt die Klägerin über einen Schaukasten links neben dem Eingang zum Gebäude. Für die Inanspruchnahme der Fassade bezahlen sie jedes Jahr einen Beitrag in den Erneuerungsfonds der Beklagten. Kein solcher Beitrag wird jedoch vom Eigentümer bzw. von der Mieterin der Stockwerkeinheit Nr. 1 verlangt, obwohl an der Fassade des Gebäudes auch Reklameeinrichtungen für das vormalige Café bzw. die heutige Modeboutique angebracht waren bzw. sind. Die Klägerin unterbreitete der Verwaltung der Beklagten den Antrag, es sei an der Stockwerkeigentümerversammlung ein dem Gleichbehandlungsgebot entsprechender Beschluss zu fassen, wonach alle Nutzerinnen und Nutzer einen von der Beklagten festzulegenden und dem Gleichbehandlungsgebot nicht widersprechenden Beitrag für die Fassadennutzung in den Erneuerungsfonds zu leisten haben, sofern für die Fassadennutzung ein zu leistender BGE 131 III 459 S. 461 Beitrag beschlossen wird. Die Stockwerkeigentümerversammlung vom 29. Januar 2002 wies den Antrag mit allen gegen die Stimme der Klägerin ab. Die Klägerin focht den Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft an. Die kantonalen Gerichte wiesen ihre Klage ab. Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Hauptstreitpunkt bildet die Geltung von Rechtsmissbrauchsverbot und Gleichbehandlungsgebot im Verhältnis unter Stockwerkeigentümern. 5.1 Gemäss Art. 75 i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB können nur solche Beschlüsse beim Gericht angefochten werden, die das Gesetz oder die Statuten verletzen. Die Anfechtungsmöglichkeit hat hingegen nicht zum Zweck, die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Beschlüsse der Stockwerkeigentümergemeinschaft überprüfen zu lassen (WERMELINGER, Das Stockwerkeigentum, Zürich/ Basel/Genf 2004, N. 202, und MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, N. 129, je zu Art. 712m ZGB ). 5.2 Unter dem Gesetz sind zunächst die Bestimmungen über das Stockwerkeigentum ( Art. 712a ff. ZGB zum Teil in Verbindung mit dem Miteigentums- und Vereinsrecht) zu verstehen. Diese enthalten mehrere Verfahrensvorschriften , welche die Gleichheit der Stockwerkeigentümer gewährleisten und den Machtmissbrauch durch die Mehrheit verhindern sollen. Alle Beschlüsse, welche das Gesetz keinem andern Mehr unterstellt, sind - unter Vorbehalt einer anders lautenden reglementarischen Bestimmung - mit einfachem Mehr nach Köpfen zu fassen (Art. 67 Abs. 2 i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB ; ausdrücklich, z.B. Art. 647a Abs. 2, Art. 647c oder Art. 649b Abs. 2 ZGB ). Ausschlaggebend ist grundsätzlich der Wille der Mehrheit. Mit dem Eintritt in die Stockwerkeigentümergemeinschaft unterwirft sich jeder Eigentümer diesem Grundsatz und anerkennt, dass die Mehrheit auch dann bindend entscheidet, wenn sie nicht Lösungen trifft, die seinem Willen entsprechen (vgl. BGE 102 II 265 E. 3 S. 269). Bestimmte Beschlüsse unterstellt das Gesetz dem qualifizierten Mehr nach Köpfen und Wertquoten (z.B. Art. 647b Abs. 1, Art. 647d Abs. 1, Art. 647e Abs. 2 oder Art. 712g Abs. 3 ZGB ). BGE 131 III 459 S. 462 Mit einem solchen Mehrheitserfordernis werden die Eigentümer bevorzugt, welche einen grösseren wirtschaftlichen Anteil am Stockwerkeigentum halten; damit wird dessen sachenrechtliche Komponente betont. Schliesslich können bestimmte Beschlüsse gemäss Gesetz nur einstimmig gefasst werden, weil ein Mehrheitsbeschluss deren Tragweite nicht genügend Rechnung trägt (z.B. Art. 647e Abs. 1, Art. 648 Abs. 2 oder Art. 712g Abs. 2 ZGB ). Das Erfordernis der Einstimmigkeit gewährt jedem Mitglied ein Vetorecht und damit einen umfassenden Minderheitenschutz. Die Einstimmigkeit entspricht nicht einem demokratischen Entscheidverständnis, weshalb sie ausserordentlichen Fällen vorbehalten bleibt (vgl. zum Ganzen: WERMELINGER, a.a.O., N. 163 ff. zu Art. 712m ZGB mit weiteren Beispielen). Die Klägerin macht nicht geltend, das Obergericht habe eine Verfahrensbestimmung des Stockwerkeigentumsrechts verletzt. Vielmehr ist unbestritten, dass der angefochtene Beschluss der Beklagten vom 29. Januar 2002 mit einfachem Mehr nach Köpfen und Anteilen zu fällen war und dass er korrekt zustande kam. Die Klägerin konnte ihre Stimme anlässlich der Stockwerkeigentümerversammlung gleich wie die andern Stockwerkeigentümer einbringen. Sie hat den Beschluss der Gemeinschaft daher grundsätzlich hinzunehmen. 5.3 Der Normenkomplex, der das Stockwerkeigentum ordnet, enthält nach dem Gesagten zahlreiche Bestimmungen, die in verfahrensmässiger Hinsicht das Gleichbehandlungsgebot und den Schutz von Minderheiten gewährleisten sollen. Er enthält aber kein auf den Inhalt der Beschlüsse bezogenes allgemeines Rechtsmissbrauchsverbot und Gleichbehandlungsgebot. Unter dem Gesetz im Sinne von Art. 75 ZGB ist freilich nicht nur die Ordnung des Stockwerkeigentums, sondern die ganze Rechtsordnung zu verstehen (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 128 zu Art. 712m ZGB ), die auch aus den aus Art. 2 ZGB abgeleiteten oder ungeschriebenen Grundsätzen besteht (HEINI/SCHERRER, Basler Kommentar, 2002, N. 12, und RIEMER, Berner Kommentar, 1990, N. 35 ff., je zu Art. 75 ZGB ). Art. 2 Abs. 2 ZGB gewährt offenbarem Rechtsmissbrauch keinen Rechtsschutz. Aus dieser Bestimmung haben Lehre und Rechtsprechung unter anderem das Gebot schonender Rechtsausübung abgeleitet. Es hat seinen Ursprung im Sachenrecht und bedeutet, dass rechtsmissbräuchlich handelt, wer von mehreren in etwa BGE 131 III 459 S. 463 gleichwertigen Möglichkeiten, die ihm zur Ausübung eines Rechts offen stehen, ohne sachlichen Grund gerade diejenige wählt, welche für einen anderen besondere Nachteile mit sich bringt (HAUSHEER/ JAUN, Die Einleitungstitel des ZGB, Bern 2003, N. 101 f. zu Art. 2 ZGB , mit Hinweisen auf die weiteren Kommentare). Das Stockwerkeigentum ist aber nicht nur ein Institut des Sachenrechts, sondern es ist mit der Stockwerkeigentümergemeinschaft auch körperschaftsähnlich organisiert ( BGE 111 II 330 E. 6 S. 338; BGE 125 II 348 E. 2 S. 350). Bei körperschaftlich organisierten Personenverbänden und im Gesellschaftsrecht hat das Gebot schonender Rechtsausübung eine besondere Ausprägung zugunsten der Minderheit erfahren. Es gebietet, dass die zuständige Mehrheit die ihr eingeräumte Macht im Hinblick auf entgegengesetzte Interessen der Minderheit nicht missbrauchen darf, indem sie diese ohne sachlichen Grund verletzt ( BGE 117 II 290 E. 4e S. 300; vgl. auch BGE 121 III 219 E. 1a S. 222 und E. 3 S. 238; HAUSHEER/JAUN, a.a.O., N. 104 zu Art. 2 ZGB , mit Hinweis auf die grundlegenden Arbeiten von MEIER-HAYOZ/ZWEIFEL, Der Grundsatz der schonenden Rechtsausübung im Gesellschaftsrecht, Festschrift Westermann, Karlsruhe 1974, S. 383 ff., und FULVIO PELLI, Der Grundsatz der schonenden Rechtsausübung als Schranke der Ermessensfreiheit der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1978). Das Rechtsmissbrauchsverbot legt daher Schranken der Mehrheitsmacht fest und erkennt der Minderheit unentziehbare Schutzrechte zu (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 66, und WERMELINGER, a.a.O., N. 173, je zu Art. 712m ZGB ; vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 39 N. 25 S. 459). Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Obergerichts haben verschiedene Mitglieder der Beklagten einschliesslich der Klägerin auf Erdgeschosshöhe an der Gebäudefassade Reklameeinrichtungen (Leuchtschriften und Schaukästen) angebracht. Dafür bezahlen sie alle jedes Jahr einen Beitrag in den Erneuerungsfonds. Kein Beitrag wird einzig vom Eigentümer der Stockwerkeinheit Nr. 1 einverlangt. Daraus erhellt, dass die Mehrheit der Stockwerkeigentümer entgegen ihren Interessen einem einzigen Minderheitseigentümer eine Vorzugsbehandlung zukommen lässt und nicht ihre eigenen Interessen der Minderheit aufzwingt. Es trifft aufgrund dieses Sachverhalts auch nicht zu, dass die Klägerin als Minderheit anders behandelt würde als die Mehrheit, welche vielmehr gleich wie sie Beiträge an den BGE 131 III 459 S. 464 Erneuerungsfonds leistet. Bei dieser Sachlage kann nicht bestätigt werden, dass im vorliegenden Fall die Mehrheit ihre Interessen der Minderheit aufgezwungen habe. 5.4 Kann in der konkreten Situation nicht gesagt werden, eine Mehrheit der Stockwerkeigentümer habe zu ihrem eigenen Vorteil der Minderheit eine Benachteiligung aufgezwungen, bleibt die Frage nach der Geltung eines Gleichbehandlungsgebots, das nicht nur die Minderheit schützt, sondern allgemein von der Stockwerkeigentümergemeinschaft gleiche Behandlung der Eigentümer verlangt. 5.4.1 Das Bundesgericht hat in BGE 111 II 330 E. 6 S. 338 ausgeführt, es liessen sich zwar Argumente finden, um dem Grundsatz der Gleichbehandlung auch innerhalb der körperschaftsähnlich organisierten Stockwerkeigentümergemeinschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Es hat dann aber offen gelassen, ob dieser Grundsatz auch unter Stockwerkeigentümern gelte. Die Klägerin leitet aus dem Gleichbehandlungsgebot weitergehende Rechte ab als aus einem blossen Rechtsmissbrauchsverbot. Die Frage ist deshalb zu prüfen. Die Beklagte bestreitet einen für Stockwerkeigentümergemeinschaften anwendbaren Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Obergericht ist davon ausgegangen, das Gebot der Gleichbehandlung habe auch für Stockwerkeigentümergemeinschaften Geltung, sei hier aber nicht verletzt (LGVE 2004 I Nr. 17 S. 36 ff.). 5.4.2 Das Gleichbehandlungsgebot ist kein ungeschriebener Grundsatz des Sachenrechts (vgl. REY, Die Grundlagen des Sachenrechts, 2. Aufl., Bern 2000, S. 71 ff.; STEINAUER, Les droits réels, I, 3. Aufl., Bern 1997, S. 38 ff.). Auch im Vertragsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in allgemeiner Weise. Vielmehr ist dort vom Grundsatz der Vertragsfreiheit auszugehen. Mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt sind danach grundsätzlich beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen Vertragspartnern erlaubt ( BGE 129 III 276 E. 3.1 S. 281 ff. mit Hinweisen). Auch Grundeigentümer können unter sich Verträge abschliessen, ohne an das Gleichbehandlungsgebot gebunden zu sein. Für körperschaftlich organisierte Gesellschaften, insbesondere im Vereinsrecht ( BGE 108 II 15 E. 4c S. 23; RIEMER, a.a.O., N. 164 zu Art. 70 und N. 36 zu Art. 75 ZGB ), im Genossenschaftsrecht (GUHL/KUMMER/ DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 77 N. 29 ff. S. 841) und im Gesellschaftsrecht gilt der BGE 131 III 459 S. 465 Grundsatz der Gleichbehandlung dagegen seit jeher als ungeschriebener allgemeiner Grundsatz ( BGE 69 II 246 E. 1 S. 248 ff.; BGE 95 II 157 E. 4 S. 162 ff.; BGE 102 II 265 E. 1 S. 267; BGE 117 II 290 E. 4e S. 300 mit Hinweisen). Teils ist er ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen worden ( Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR für Aktiengesellschaften; Art. 854 OR für Genossenschaften). 5.4.3 Wie bereits ausgeführt, sind die Stockwerkeigentümer körperschaftsähnlich organisiert. Sie können sich deshalb dem Gebot der Gleichbehandlung nicht verschliessen (so auch MEIER-HAYOZ/ REY, a.a.O., N. 128 zu Art. 712m ZGB ; REY, Schweizerisches Stockwerkeigentum, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 92 Anm. 340; WEBER, Minderheitenschutz beim Stockwerkeigentum, in: ZBGR 60/1979 S. 144 ff., S. 164 ff. Ziff. 3.3). Allerdings darf die Freiheit der für einen Beschluss zuständigen Mehrheit durch das Anfechtungsrecht eines einzelnen Stockwerkeigentümers nicht leichthin beschränkt werden. Der Respekt vor dem Mehrheitsprinzip ruft vielmehr nach einer gewissen Zurückhaltung bei der Überprüfung solcher Beschlüsse (vgl. DUBS/TRUFFER, Basler Kommentar, 2002, N. 15a zu Art. 706 OR ). Unterscheidungen zwischen Stockwerkeigentümern sind daher zulässig und oftmals nötig. Eine Unterscheidung verstösst erst dann gegen das Gleichbehandlungsgebot, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt. Zudem muss die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ein gewisses erhebliches Mindestmass erreichen (WEBER, a.a.O., S. 166 Ziff. 3.3 und S. 168 f. Ziff. 3.4.3). 5.4.4 Das Gebot der Gleichbehandlung im genannten Sinn gilt insbesondere für die Nutzung der gemeinschaftlichen Teile, wozu die Aussenfassade gehört ( Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ). Die Klägerin beruft sich diesbezüglich zusätzlich auf Art. 9 des Reglements der Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 8. Februar 1979. Das Reglement gehört zu den Statuten im Sinne von Art. 75 ZGB , deren Verletzung anfechtbar ist (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 128 zu Art. 712m ZGB ; REY, Stockwerkeigentum, a.a.O., S. 92 f. N. 350). Nach Art. 9 des Reglements ist jeder Stockwerkeigentümer berechtigt, die gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes, d.h. alle diejenigen Teile, die nicht als Sonderrechte ausgeschieden sind, sowie die gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen zu benutzen, soweit dies mit dem gleichen Recht jedes anderen und mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar ist. Auch diese statutarische Regelung bringt den Gedanken der BGE 131 III 459 S. 466 Gleichbehandlung zum Ausdruck. Sie äussert sich allerdings nicht zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Sondernutzungsrechte, welche das gleiche Recht jedes andern an der gemeinsamen Aussenfassade definitionsgemäss ausschliessen, zulässig sind. Es bleibt daher dabei, dass die gestellte Rechtsfrage nach dem ungeschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung zu beantworten ist. 5.4.5 Art. 1 des Stockwerkeigentümerreglements vom 8. Februar 1979 legt fest, dass die Stockwerkeinheit Nr. 1 "als Laden, resp. Café oder Restaurantbetrieb benützt" werden darf, während die Stockwerkeinheiten Nrn. 2 bis 5 "nur als Wohnungen oder Büros, resp. Praxisräume ... benützt werden" dürfen. Die Stockwerkeinheit Nr. 1 befindet sich im Erdgeschoss, wo die Reklamen angebracht sind, während die Einheiten Nrn. 2 bis 5 in oberen Stockwerken gelegen sind, wo die Fassade keine Reklamen aufweist. Die unterschiedliche Zwecksetzung und die unterschiedliche Lage der Stockwerkeinheiten geben einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Regelung der Fassadennutzung ab. Die im Reglement vorgesehene gewerbliche Nutzung der Stockwerkeinheit Nr. 1 schliesst die Werbemöglichkeit an der Aussenfassade zwangsläufig mit ein. Zu einem Ladengeschäft oder Restaurantbetrieb gehört gleichsam begriffsnotwendig ein Aushänge- oder Wirtshausschild. Da die Stockwerkeinheit Nr. 1 zudem von Beginn an für die gewerbliche und keine andere Nutzung bestimmt gewesen ist, kann auch gesagt werden, die übrigen Stockwerkeinheiten, deren Zweckbestimmung weiter gefasst ist und namentlich ein blosses Wohnen beinhaltet, seien nicht zwingend auf Fassadenwerbung angewiesen, sondern nur für den Fall, dass sie reglementskonform als Büros oder Praxisräume genutzt werden. Es lässt sich deshalb mit vor dem Gleichbehandlungsgebot haltbaren Gründen ausführen, in der reglementskonformen Nutzung des Erdgeschosses als Laden sei eine entschädigungslose Nutzung der Fassade auf Erdgeschosshöhe zu Reklamezwecken inbegriffen, während die gleiche entschädigungslose Nutzung der Fassade den Obergeschossen nicht zustehe. Die Rüge ist daher unbegründet. Bei diesem Ergebnis ist unerheblich, ob die Entschädigung für die Fassadennutzung schon bei der Bestimmung der Wertquote der Stockwerkeinheit Nr. 1 berücksichtigt worden ist, wie die erste Instanz angenommen und die zweite Instanz offen gelassen hat. 5.5 Aus den dargelegten Gründen verletzt der angefochtene Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft weder BGE 131 III 459 S. 467 Verfahrensvorschriften noch das Rechtsmissbrauchsverbot oder das Gleichbehandlungsgebot.
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Sachverhalt ab Seite 89 BGE 146 IV 88 S. 89 A. A. wurde am 25. Oktober 2017 in Oftringen bei der Autobahneinfahrt auf die A1 anlässlich einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten. Er verweigerte vor Ort die Mitwirkung bei einem Betäubungsmittelvortest (Drugwipe-Schnelltest) und widersetzte sich nachfolgend auf dem Polizeistützpunkt auch der Blutentnahme für die angeordnete Blutprobe. B. Der Präsident des Bezirksgerichts Zofingen sprach A. am 9. Juli 2018 wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit als Motorfahrzeugführer gemäss Art. 91a Abs. 1 SVG schuldig und bestrafte ihn mit einer auf zwei Jahre bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 60.- und einer Verbindungsbusse von Fr. 600.-. C. Auf Berufung von A. und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau am 17. April 2019 den erstinstanzlichen Schuldspruch. Es erhöhte die bedingte Geldstrafe auf 90 Tagessätze zu Fr. 90.- und die Verbindungsbusse auf Fr. 2'000.-, unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren für die Geldstrafe. BGE 146 IV 88 S. 90 D. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A., er sei von Schuld und Strafe freizusprechen, unter entsprechender Kosten- und Entschädigungsfolge. Eventualiter sei er milder zu bestrafen und die Probezeit sei auf zwei Jahre zu reduzieren. E. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichteten unter Verweis auf das angefochtene Urteil auf Vernehmlassung. Das Obergericht ersucht ausserdem für den Fall, dass die Beschwerde hinsichtlich der Strafe gutgeheissen wird, das Bundesgericht möge gestützt auf Art. 107 Abs. 2 BGG selbst neu darüber entscheiden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 17. April 2019 auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der Beschwerdeführer beanstandet seine Verurteilung wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nach Art. 91a Abs. 1 SVG . Er bestreitet nicht, dass er sich anlässlich einer allgemeinen Verkehrskontrolle der Anordnung eines Betäubungsmittelvortests und der anschliessenden Blutprobe widersetzte. Er wendet jedoch ein, er habe bei der Anhaltung im Rahmen der Verkehrskontrolle keinerlei Anzeichen aufgewiesen, welche einen rechtsgenügenden Verdacht auf eine betäubungsmittelbedingte Fahrunfähigkeit hätten begründen können und die Anordnung von Drogentests gerechtfertigt hätten. Mangels rechtsgenüglicher Verdachtsmomente sei die Anordnung der Drogentests nicht rechtmässig gewesen, weshalb eine Bestrafung nach Art. 91a Abs. 1 SVG entfalle. 1.2 Die erste Instanz erwog im Wesentlichen und zusammengefasst, der Beschwerdeführer habe sowohl die Durchführung des Drugwipe-Drogentests als auch die von der Staatsanwaltschaft korrekt angeordnete Blutprobe konsequent verweigert, obwohl die Polizeibeamten aufgrund ihrer Feststellungen dazu befugt gewesen seien, diese Untersuchungshandlungen durchzuführen. Es sei das Recht des Beschwerdeführers gewesen, den Drogenvortest mit der Begründung zu verweigern, dieser sei ungenau. Jedoch habe er dann auch die Konsequenzen zu tragen und die Entnahme einer Blutprobe zu BGE 146 IV 88 S. 91 akzeptieren. Er habe ohnehin keinen Grund gehabt, den Drogentest und die Blutprobe zu verweigern, wenn seine Behauptung, vorgängig keine Betäubungsmittel konsumiert zu haben, den Tatsachen entsprochen habe. Zumindest wäre die Blutprobe die geeignete und wissenschaftlich zuverlässige Methode gewesen, um diesbezüglich Klarheit zu schaffen, nachdem der Drugwipe-Test tatsächlich bei den Strafverfolgungsbehörden umstritten sei und deshalb auch nur als Vortest verwendet werde. Zudem gebe es keinerlei Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise getäuscht oder über seine Rechte nicht aufgeklärt worden sei, so dass diese Verweigerung den Tatbestand der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit erfülle. Die Vorinstanz teilt die Auffassung der ersten Instanz. Sie hält dafür, dass die Fahrweise - ein auffallend langsames Fahren - und das Verhalten des Beschwerdeführers anlässlich der Verkehrskontrolle - Nervosität und zunehmendes Aufbrausen - eine Fahrunfähigkeit nahegelegt hätten. Auch dessen energische Reaktion auf die Frage, woher er komme, habe der Polizist als Anzeichen einer Fahrunfähigkeit berücksichtigen dürfen, ebenso wie die wässrigen Augen und zitternden Augenlider, so dass der Betäubungsmittelvortest nicht ohne erkennbaren Anlass angeordnet worden sei. Mit dem Vorliegen dieser Anzeichen einer Fahrunfähigkeit sei die Anordnung des Betäubungsmittelvortests nach Art. 55 Abs. 2 SVG und Art. 10 Abs. 2 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs (Strassenverkehrskontrollverordnung, SKV; SR 741.013) bzw. die Anordnung der Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3 lit. a SVG begründet gewesen und der Beschwerdeführer verpflichtet, sich diesen Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit zu unterziehen bzw. bei der Durchführung mitzuwirken, so dass er den objektiven Tatbestand von Art. 91a Abs. 1 SVG erfüllt habe. Der Beschwerdeführer habe nicht daran zweifeln können, dass eine allfällige Fahrunfähigkeit abgeklärt werden würde und seine Verweigerung der Mitwirkung vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gewertet werden könne. Indem er sich im Wissen darum dem Betäubungsmittelvortest bzw. der Blutprobe widersetzt habe, habe er den Tatbestand mit Wissen und Willen, also vorsätzlich, erfüllt. 1.3 1.3.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde ( Art. 105 Abs. 1 BGG ). Die BGE 146 IV 88 S. 92 Feststellung des Sachverhalts kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann ( Art. 97 Abs. 1 BGG ; BGE 143 IV 500 E. 1.1, BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht ( BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist ( BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substantiiert begründet werden ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein ( BGE 144 V 50 E. 4.2; BGE 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu ( BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; BGE 143 IV 500 E. 1.1; BGE 138 IV 74 E. 7; je mit Hinweisen). 1.3.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an ( Art. 106 Abs. 1 BGG ). Es ist weder an die von den Parteien in der Beschwerde vorgebrachten Argumente noch an die vorinstanzliche Begründung gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen, als dem angerufenen Grund beziehungsweise mit einer von den vorinstanzlichen Erwägungen abweichenden Begründung gutheissen oder abweisen ( BGE 143 V 19 E. 2.3; BGE 141 III 426 E. 2.4; Urteile 6B_28/2018 vom 7. August 2018 E. 1; 6B_831/2016 vom 13. Februar 2017 E. 2.1.2), vorausgesetzt die Beschwerde genügt den Begründungsanforderungen ( Art. 42 Abs. 2 BGG ). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Urteile 6B_428/2018 vom 31. Juli 2019 E. 1.3; 6B_893/2018 vom 2. April 2019 E. 1.1.2). Das Bundesgericht darf nach Art. 107 Abs. 1 BGG zudem nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. BGE 146 IV 88 S. 93 1.4 1.4.1 Der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a Abs. 1 SVG macht sich schuldig, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat. Damit soll verhindert werden, dass der korrekt sich einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit unterziehende Fahrzeugführer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht oder sie sonst wie vereitelt. In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt ( BGE 145 IV 50 E. 3.1 mit Hinweisen). Gemäss Art. 55 Abs. 1 SVG können Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer einer Atemalkoholprobe unterzogen werden. Weist die betroffene Person Anzeichen von Fahrunfähigkeit auf und sind diese nicht oder nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so kann sie weiteren Voruntersuchungen, namentlich Urin- und Speichelproben unterzogen werden ( Art. 55 Abs. 2 SVG ). Art. 10 Abs. 2 SKV sieht vor, dass die Polizei zum Nachweis von Betäubungs- oder Arzneimitteln namentlich im Urin, Speichel oder Schweiss, Vortests durchführen kann, wenn Hinweise dafür bestehen, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat. Die Polizei muss die betroffene Person darauf hinweisen, dass die Weigerung, an der Durchführung eines Vortests oder der Atemalkoholprobe mitzuwirken, die Anordnung einer Blutprobe zur Folge hat ( Art. 13 Abs. 1 lit. a SKV ). Verweigert die betroffene Person die Durchführung eines Vortests, die Atemalkoholprobe, die Blutentnahme, die Sicherstellung von Urin oder die ärztliche Untersuchung, so ist sie auf die Folgen, d.h. Strafbarkeit nach Art. 91a Abs. 1 SVG und Führerausweisentzug nach Art. 16c Abs. 1 lit. d und Abs. 2 SVG , aufmerksam zu machen ( Art. 13 Abs. 2 SKV ). 1.4.2 Nach der Rechtsprechung genügen für die Durchführung eines Vortests nach Art. 10 Abs. 2 SKV bereits geringe Anzeichen für eine durch Betäubungs- oder Arzneimittel beeinträchtigte Fahrfähigkeit, wie beispielsweise ein blasser Teint und wässrige Augen ( BGE 145 IV 50 E. 3.5; Urteil 6B_244/2011 vom 20. Juni 2011 E. 1.4). Das BGE 146 IV 88 S. 94 Bundesgericht hat zudem unter Hinweis auf die generalpräventive Regelungsabsicht des Gesetzgebers präzisiert, dass die nach Art. 10 Abs. 2 SKV erforderlichen Hinweise dafür, dass die kontrollierte Person wegen einer anderen Substanz als Alkohol fahrunfähig ist und in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt hat, nicht mit einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO gleichzusetzen sind und die Polizei im Rahmen ihrer sicherheitspolizeilichen Tätigkeit befugt ist, einen Vortest nach Art. 10 Abs. 2 SKV anzuordnen. Je nach den konkreten Umständen und dem Ergebnis des Vortests kann indes ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO vorliegen, welcher zu einer nach Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO durch die Staatsanwaltschaft anzuordnenden Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit aufgrund des Verdachts einer Widerhandlung gegen das SVG führen kann ( BGE 145 IV 50 E. 3.5). 1.5 1.5.1 Indem der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht, für die Anordnung eines Betäubungsmittelvortests durch die Polizei müsse, wie bei der Anordnung von strafprozessualen Zwangsmassnahmen, ein Anfangsverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO vorliegen, geht er fehl, da der Beschwerdeführer vorliegend unstreitig anlässlich einer allgemeinen Verkehrskontrolle durch die Kantonspolizei Aargau angehalten wurde, welche dabei eine selbstständige polizeiliche Tätigkeit im Rahmen ihrer sicherheits- bzw. verkehrspolizeilichen Aufgaben ausführte und nicht einer polizeilichen Ermittlungstätigkeit im Rahmen der Strafverfolgung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 StPO resp. Art. 306 ff. StPO nachging (siehe dazu BGE 145 IV 50 E. 3.4; Urteil 6B_372/2018 vom 7. Dezember 2018 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). 1.5.2 Was der Beschwerdeführer ausserdem in Bezug auf die Beweiswürdigung durch die Vorinstanz geltend macht, ist nicht geeignet, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung als willkürlich erscheinen zu lassen. Insbesondere reicht für die Rüge einer willkürlichen Beweiswürdigung nicht aus, wenn der Beschwerdeführer zum Beweisergebnis wie in einem appellatorischen Verfahren frei plädiert und darlegt, wie seiner Auffassung nach die vorhandenen Beweise richtigerweise zu würdigen gewesen wären. Dabei braucht, wie ausgeführt, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers nur eingegangen zu werden, soweit sich diese mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinandersetzen. Dies ist wiederholt nicht der Fall. BGE 146 IV 88 S. 95 Daran ändert nichts, wenn der Beschwerdeführer zwar zum Teil die vorinstanzlichen Erwägungen wiedergibt, in der Sache aber einzig seine bereits im kantonalen Verfahren eingenommenen Rechtsstandpunkte ausführlich wiederholt. Er vermag namentlich keine Willkür zu begründen, wenn er der Vorinstanz eine stillschweigende Annahme, er sei bei der Kontrolle "von Beginn weg" nervös bzw. auffallend nervös gewesen, sowie Aktenwidrigkeit unterstellt, zumal dies nicht zutrifft. Die Vorinstanz geht nicht nur gestützt auf die glaubhaft erachteten Aussagen des Polizeibeamten B. anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, die sie in ihren Erwägungen im Wesentlichen wiedergibt, davon aus, es hätten unter den Anzeichen für eine Fahrunfähigkeit des Beschwerdeführers "Nervosität und zunehmendes Aufbrausen" vorgelegen, sondern hält fest, konkrete Anzeichen für eine durch Betäubungsmittel beeinträchtigte Fahrt seien vom Polizisten B. in den Akten und auch im Polizeirapport vom 11. November 2017 festgehalten worden. Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden, zumal der Polizeibeamte seinen zuvor geschilderten Eindruck des Beschwerdeführers als etwas nervös mit seiner späteren Aussage präzisierte, wonach der Beschwerdeführer "relativ aufbrausend gewesen sei bzw. eigentlich zuerst relativ ruhig und dann innert kürzester Zeit relativ aufbrausend, laut, auch mit der Stimme"; er habe mit den Händen gestikuliert, "relativ zügig oder hastig", was man im Normalzustand, wenn man nicht nervös sei, nicht mache. In Bezug auf den Vorwurf, der Anklagegrundsatz sei verletzt, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung auch die Erklärung des Beschwerdeführers berücksichtigen durfte, wonach dieser die Frage des Polizisten, woher er gekommen sei, nicht beantworten wollte, weil er ihm das nicht sagen müsse. Für die Annahme von Willkür erforderliche, klare und unauflösliche Widersprüche, aufgrund welcher sich eine andere als die vorinstanzliche Schlussfolgerung der genügenden Anzeichen für eine Fahrunfähigkeit im Hinblick auf die Anordnung eines Drogen-vortests geradezu aufdrängt, sind indessen vom Beschwerdeführer weder in rechtsgenügender Weise geltend gemacht noch ersichtlich. Keine Willkür belegen die weiteren Bestreitungen des Beschwerdeführers, wonach er im Kontrollzeitpunkt weder wässrige Augen noch zitternde Augenlider gehabt habe. Beide Symptome wurden handschriftlich bereits am Tag der Verkehrskontrolle im Formular "Polizeiprotokoll bei Verdacht auf Alkohol-, Betäubungs- oder Arzneimittelkonsum und Auftragsbestätigung zur Blut-/Urinentnahme" BGE 146 IV 88 S. 96 festgehalten und durch die Zeugenaussage des Polizisten bestätigt, worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie vor diesem Hintergrund auf die unter Androhung der Bestrafung wegen wissentlich falscher Zeugenaussage abgegebene Darstellung des Polizeibeamten abstellt und nicht auf die Bestreitungen des Beschwerdeführers, zumal der Polizeibeamte nachvollziehbar und plausibel begründet, wieso er auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers aufmerksam wurde und aus welchen Gründen er schliesslich den Drogenvortest (Drugwipe) angeordnet hat. So sei er auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers aufmerksam geworden, weil er das Gefühl gehabt habe, dieser habe auf die Bremse getreten oder habe verlangsamt, als er ihn gesehen habe, nachdem er um die Kurve gefahren sei. Erst nachdem er beim Beschwerdeführer wässrige Augen festgestellt gehabt und dieser die Angaben darüber verweigert habe, woher er komme, aber beim Vortest ausserhalb des Fahrzeugs mitgemacht habe (der Beschwerdeführer bezeichnet dies als "Männchen-Machen"), habe er festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei geschlossenen Augen ein starkes Augenliderflattern gehabt habe, was ein weiterer Hinweis auf einen Betäubungsmittelkonsum gewesen sei. Dafür, dass die Aussagen des Polizeibeamten nicht der Wahrheit entsprechen könnten, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Vorinstanz konnte auf die Aussagen des gerichtlich befragten Polizisten deshalb ohne Willkür abstellen. Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, die Polizisten hätten entgegen diesem Beweisergebnis keinen Verdacht auf betäubungsmittelbedingte Fahrunfähigkeit gehabt, sondern nur einen "allgemeinen Verdacht auf Begehung irgendeiner Gesetzesübertretung" entbehrt damit jeder Grundlage. Darauf ist nicht weiter einzugehen. Für die rechtliche Beurteilung ist somit vom vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt auszugehen. 1.6 1.6.1 Der Tatbestand von Art. 91a Abs. 1 SVG unterscheidet drei strafbare Verhaltensweisen des Fahrzeugführers: Das Ausweichen bzw. Sich-Entziehen (z.B. durch Flucht), das Vereiteln (z.B. durch Nachtrunk) und der aktive oder passive Widerstand bzw. das Widersetzen (Urteil 6B_158/2019 vom 12. März 2019 E. 1.1 mit Hinweisen; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 4 zu Art. 91a SVG ; CHRISTOF RIEDO, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 151 ff. zu Art. 91a SVG ). Nach der mit BGE 109 IV 137 und BGE 115 IV 51 eingeleiteten Änderung der Rechtsprechung, welche im Urteil BGE 146 IV 88 S. 97 6B_158/2019 vom 12. März 2019 bestätigt wird, ist die Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit durch die Tathandlung des Widersetzens ein Erfolgsdelikt. Danach ist der Tatbestand erfüllt, wenn die zuverlässige Ermittlung der Fahrunfähigkeit mittels der im Gesetz vorgesehenen spezifischen Untersuchungsmethoden im massgebenden Zeitpunkt durch aktiven oder passiven Widerstand des Täters verunmöglicht wird. Kann jedoch die Fahrunfähigkeit trotz der Weigerung später noch schlüssig festgestellt werden, liegt lediglich vollendeter Versuch der Tatbegehung vor ( BGE 115 IV 51 E. 5; BGE 109 IV 137 E. 2a; Urteile 6B_158/2019 vom 12. März 2019 E. 1.1.1; 6B_216/2010 vom 11. Mai 2010 E. 3.1.2). Demgegenüber wurde in früheren Urteilen festgehalten, dass die Ausführung der angeordneten Massnahme durch das widersetzende Verhalten des Betroffenen nicht gänzlich verunmöglicht werden müsse und es genüge, dass sie erschwert, verzögert oder behindert werde, so dass - bei genügender Intensität - auch ein verbaler Widerstand den Tatbestand erfüllen könne. Mithin sei der Tatbestand erfüllt, wenn das Verhalten des Betroffenen der reibungslosen Durchführung der angeordneten Massnahme entgegenstehe. Daran ändere nichts, dass eine Blutprobe - bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (vgl. Art. 55 Abs. 4 SVG ) - auch gegen den Willen der verdächtigen Person durchgeführt werden könne (Urteile 6B_229/2012 vom 5. November 2012 E. 4.1 und 4.2; 6B_680/2010 vom 2. November 2010 E. 4.2.2; BGE 103 IV 49 ; vgl. auch BGE 127 IV 115 E. 2 betreffend den Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung im Sinne von Art. 286 StGB ). Im kürzlich ergangenen Urteil 6B_137/2019 vom 8. Oktober 2019 schliesslich befasste sich das Bundesgericht primär mit der Frage nach der Zuständigkeit zur Anordnung sowie der Zulässigkeit mehrerer Vortests unter dem Gesichtspunkt von Art. 55 SVG i.V.m. Art. 10 SKV . Hingegen setzte sich das Bundesgericht in jenem Entscheid nicht mit der Rechtsprechung zur hier zu beantwortenden Frage auseinander, ob der Tatbestand der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss Art. 91a SVG bereits aufgrund der Verweigerung eines oder mehrerer Vortests erfüllt sein kann. Die Kommentatoren sind sich diesbezüglich nicht einig: RIEDO hält dafür, dass die Herbeiführung des tatbestandsmässigen Erfolges voraussetze, dass die Untersuchungsmassnahme überhaupt nicht mehr rechtzeitig durchgeführt werden könne und eine blosse zeitliche Verzögerung nicht ausreiche. Unter Hinweis auf die Marginalie von Art. 91a SVG und darauf, dass die BGE 146 IV 88 S. 98 Strafbarkeit nach dieser Bestimmung nicht davon abhängen solle, inwieweit die Behörden gewillt seien, von den ihnen zur Durchsetzung einer Untersuchungsmassnahme zur Verfügung stehenden Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen, sei ein vollendetes "Widersetzen" nur dann anzunehmen, wenn die Fahrunfähigkeit überhaupt nicht mehr überprüft werden könne (RIEDO, a.a.O., N. 22, 160 und 229 f. zu Art. 91a SVG ). Desgleichen betrachtet CORBOZ die Erfüllung des Tatbestandes als Erfolgsdelikt und lässt dazu die Vereitelung einer einzigen der in Art. 91a Abs. 1 SVG aufgezählten spezifischen Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit genügen, allerdings nur dann, wenn sie die Ermittlung des Zustandes des Betroffenen (sc. wohl gemeint: gänzlich) verunmöglicht (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. II, 3. Aufl. 2010, N. 1 und 7 zu Art. 91a SVG ). Dagegen erscheint es WEISSENBERGER unter Hinweis auf die Rechtsprechung richtig, dass die Tatvariante der Vereitelung ein Erfolgsdelikt sei, während die anderen Tatvarianten des Widersetzens und Entziehens schlichte Tätigkeitsdelikte seien (WEISSENBERGER, a.a.O., N. 17 zu Art. 91a SVG ). Unter Hinweis auf SCHULTZ und den Entscheid des Kassationshofs des Bundesgerichts 6S.275/2006 vom 5. September 2006 (E. 3.2) schliesst sich dieser Auffassung auch OTT an (DOMINIQUE OTT, Der Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare", unter besonderer Berücksichtigung der strassenverkehrsrechtlichen Pflichten, 2012, S. 404). 1.6.2 Nach Art. 10 Abs. 4 SKV kann auf weitere Untersuchungen verzichtet werden, wenn die Vortests ein negatives Resultat ergeben und die kontrollierte Person keine Anzeichen von Fahrunfähigkeit aufweist. Mit anderen Worten dient ein solcher Betäubungsmittelvortest lediglich als Entscheidungshilfe dafür, ob eine Blutprobe anzuordnen und der Fahrzeugführer einer Zwangsmassnahme zu unterziehen ist, ersetzt jedoch im Gegensatz zur Atemalkoholprobe die Blutprobe nicht und ist keine notwendige Durchgangsstufe für die Anordnung einer Blutprobe, weshalb denn auch eine Blutprobe ohne vorgängigen Drogenvortest angeordnet werden kann und sogar dann, wenn der Vortest ein negatives Resultat ergibt, sofern Anzeichen für betäubungsmittelbedingte Fahrunfähigkeit vorliegen (Urteil 6B_196/2010 vom 20. April 2010 E. 1.4.1; DANIEL KAISER, Die Blutprobe im Strassenverkehr, Strassenverkehr 2/2017, S. 12 ff.; WEISSENBERGER, a.a.O., N. 10 f. zu Art. 55 SVG ). Im Übrigen kommt den Betäubungsmittelvortests lediglich eine Indikatorfunktion zu, da sie zwar ein positives oder negatives Ergebnis anzuzeigen vermögen, BGE 146 IV 88 S. 99 hingegen nicht geeignet sind, den relevanten medizinischen Zustand der betroffenen Person zum Abnahme- bzw. Fahrzeitpunkt exakt festzustellen ( BGE 145 IV 50 E. 3.5; FAHRNI/HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 13, 20 und 35 zu Art. 55 SVG ). Mithin lässt sich mittels eines solchen Betäubungsmittelvortestes die Fahrunfähigkeit gerade nicht zuverlässig bzw. beweiskräftig ermitteln. Auch wenn Art. 91a SVG eine reibungslose Durchführung von angeordneten Massnahmen bzw. Amtshandlungen und damit den geordneten Gang der Rechtspflege ermöglichen soll (Urteil 6B_680/2010 vom 2. November 2010 E. 4.2.2), besteht der Zweck der Bestimmung in erster Linie in der Durchsetzung von Art. 91 SVG , der das Fahren in fahrunfähigem Zustand unter Strafe stellt (RIEDO, a.a.O., N. 14 f. zu Art. 91a SVG ; WEISSENBERGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 91a SVG ; CORBOZ, a.a.O., N. 1 zu Art. 91a SVG ). Dieses Ziel kann mit der Verweigerung des Betäubungsmittelvortests von vornherein nicht erfüllt werden, da er lediglich einen Hinweis auf eine möglicherweise vorliegende Fahrunfähigkeit zufolge Betäubungsmittelkonsums gibt. 1.6.3 Soweit der Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht geltend macht, die Verlangsamung der Fahrt und seine Weigerung, die Frage nach dem Ausgangspunkt der Fahrt zu beantworten, seien keine spezifischen körperlichen Anzeichen für eine betäubungsmittelbedingte Fahrunfähigkeit und genügten nicht für die Anordnung von Drogentests, geht seine Argumentation an der Sache vorbei. Für die Beantwortung der Frage, wann Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, ist auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen. Dabei kommen jegliche Indizien in Frage, die einen entsprechenden Verdacht begründen können. Sie können im - allfällig verursachten - Unfall oder aber in der Person des Fahrzeuglenkers begründet sein. Als mögliche Indizien bzw. Verdachtsmomente (die in der Person eines unter Betäubungs- oder Arzneimittel stehenden Fahrzeugführers liegen) erscheinen insbesondere - und damit nicht ausschliesslich - ein berauschter, müder, euphorischer, apathischer oder sonst wie auffälliger Zustand desselben (vgl. Ziff. 2.1 lit. a der Weisungen vom 2. August 2016 des Bundesamtes für Strassen [ASTRA] betreffend die Feststellung der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr; Urteil 6B_244/2011 vom 20. Juni 2011 E. 3.1 mit Hinweisen). Nicht zulässig ist eine Voruntersuchung, welche einzig auf der Kenntnis des früheren Drogenkonsums basiert ( BGE 139 II 95 E. 2.2). Massgebend ist, dass mit den Kontrollmassnahmen nach Art. 55 SVG BGE 146 IV 88 S. 100 auch generalpräventive Motive verfolgt werden, mithin sollten Personen, welche ihre Fahrunfähigkeit durch Betäubungs- oder Arzneimittel herbeiführen, denjenigen Personen, die aufgrund ihres Alkoholkonsums fahrunfähig sind, grundsätzlich gleichgestellt werden (Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes [SVG], BBl 1999 4462, 4473 Ziff. 121.22). Aus Gründen der Verhältnismässigkeit wurde jedoch auf die systematische Durchführung von Kontrollen der Fahrunfähigkeit wegen Einflusses von Betäubungs- oder Arzneimitteln verzichtet ( BGE 145 IV 50 E. 3.5; BGE 139 II 95 E. 2.1; je mit Hinweisen). Vorliegend hat die Vorinstanz mithin weder die Unschuldsvermutung noch anderes Bundesrecht verletzt, indem sie die Rechtmässigkeit der polizeilichen Anordnung des Betäubungsmittelvortests im Hinblick auf die Feststellung der Fahrunfähigkeit bejaht hat. Es lagen in der Gesamtwürdigung aller Indizien, auch vor dem Hintergrund der Nichtbeantwortung der Frage nach dem Ausgangspunkt der Fahrt, ausreichende Hinweise für eine durch Betäubungs- oder Arzneimittel beeinträchtigte Fahrfähigkeit des Beschwerdeführers vor, wobei die Feststellung der zitternden Augenlider im Verlaufe der Kontrolle den anfänglichen vagen Verdacht verstärkten. Selbst wenn der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf den nemo-tenetur-Grundsatz Fragen nach einem allfälligen Betäubungsmittelkonsum nicht beantworten und sich damit nicht selbst belasten muss ( BGE 131 IV 36 E. 3.5.4), verkennt er demgegenüber offenbar, dass sich nach der bundesgerichtlichen und konventionsrechtlichen Rechtsprechung für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus der Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten ergeben. Darunter fallen neben Verhaltenspflichten auch vielfältige Auskunftspflichten gegenüber den Behörden sowie namentlich die Duldungspflicht der beschuldigten Person zur Entnahme von Beweismitteln wie Blut, Atem, Urin, auch gegen ihren Willen ( BGE 145 IV 50 E. 3.6; BGE 144 I 242 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Dies muss erst recht für die weit weniger einschneidenden Betäubungsmittelvortests (Drugwipe) gelten, die keinen Eingriff in die körperliche Integrität erfordern und rasch durchgeführt werden können ( BGE 145 IV 50 E. 3.5). Gemäss vorgenannter Rechtsprechung hat der die Mitwirkung verweigernde Fahrzeuglenker zudem die Konsequenzen seiner Weigerung zu tragen, die gemäss Art. 13 Abs. 2 SKV in Verbindung mit Art. 55 SVG insbesondere in der Anordnung einer Blutprobe bestehen. Dabei sind die Gründe des Fahrzeugführers für die BGE 146 IV 88 S. 101 Verweigerung der Mitwirkung beim Vortest unerheblich, egal ob sie sich auf weltanschauliche Ansichten, religiöse oder ethische Überzeugungen stützen oder - wie vorliegend - auf die verschiedentlich kritisierte zu grosse Ungenauigkeit solcher Tests und den damit einhergehenden drohenden Führerausweisentzug im Falle eines negativen Ergebnisses. Insoweit sich der Beschwerdeführer damit (allerdings erst im Zusammenhang mit der Strafzumessung) sinngemäss auf einen Rechtfertigungsgrund beruft, ist die Rüge unbegründet, denn ein solcher liegt nicht vor (YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, N. 13 und 64 f. zu Art. 91a SVG ; HANS GIGER, SVG, Kommentar, Strassenverkehrsgesetz mit weiteren Erlassen, 8. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 91a SVG ). Des Weiteren macht der Beschwerdeführer denn auch zu Recht vor Bundesgericht nicht mehr geltend, die Polizei habe ihn nicht auf die strafrechtlichen Folgen der Verweigerung des Drogenvortests hingewiesen. Zwar ist die Polizei gemäss Art. 13 Abs. 2 SKV gehalten, in solchen Fällen die betroffene Person auf die strafrechtlichen und administrativen Konsequenzen ihres Verhaltens aufmerksam zu machen. Dies ist zur Klärung des Sachverhalts und zur Vermeidung unnötiger Straf- und Administrativverfahren auch durchaus zweckmässig. Mit CORBOZ ist jedoch davon auszugehen, dass Art. 13 SKV keine Strafbarkeitsbedingung enthält, sondern vielmehr den Ablauf des Verfahrens regelt und der Tatbestand von Art. 91a SVG auch bei anfänglicher Weigerung des Betroffenen nicht als erfüllt betrachtet werden kann, wenn dieser später noch in eine andere Massnahme, z.B. die Blutprobe, einwilligt (CORBOZ, a.a.O., N. 16 zu Art. 91a SVG ). Mithin ist die Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a SVG erst erfüllt, wenn der Zustand des Betroffenen definitiv nicht mehr zuverlässig festgestellt werden kann. 1.6.4 Der verbale Widerstand des Beschwerdeführers, den er in aufgebrachter und aggressiver Verfassung der Durchführung des Drogenvortests klar und unmissverständlich entgegensetzte, führte vorliegend dazu, dass die Polizeibeamten von der Durchführung des Drugwipe-Testes absahen, die vorgesetzte Behörde zwecks des weiteren Vorgehens avisierten und dem Beschwerdeführer die Verschiebung auf den Polizeistützpunkt und eine allfällige Anordnung einer Blutprobe ankündigten. Bei dieser Sachlage ist auf die Unterstellungen des Beschwerdeführers, die Polizei habe statt wegen konkreter Hinweise lediglich aus Schikane bzw. wegen seines unkooperativen Verhaltens den Drogenvortest angeordnet, nicht weiter einzugehen. BGE 146 IV 88 S. 102 1.6.5 Der Beschwerdeführer verhinderte mittels fortgesetzter Verweigerungshaltung anschliessend an die Verkehrskontrolle auch die Durchführung der Blutprobe, obwohl er auf die rechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens hingewiesen worden war. Vorliegend lagen ausreichend konkrete Anzeichen für die Annahme einer betäubungsmittelbedingten Fahrunfähigkeit vor, wie oben dargelegt wurde. Hinzu kommt die Verweigerung der Mitwirkung beim Vortest, so dass ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO gegeben war, der die Anordnung einer Blutprobe durch die Staatsanwaltschaft rechtfertigte, die somit korrekt angeordnet wurde ( BGE 143 IV 313 ). Durch seine renitente Haltung verhinderte der Beschwerdeführer die zuverlässige und beweissichere Ermittlung einer allfälligen Fahrunfähigkeit mithin endgültig. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie diesbezüglich den objektiven Tatbestand der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a SVG als erfüllt erachtet. 1.6.6 Der Beschwerdeführer bemängelt die Würdigung des subjektiven Tatbestandes durch die Vorinstanz nicht. Nicht zu beanstanden ist, dass sie aufgrund der Umstände darauf schliesst, der Beschwerdeführer habe sich dem angeordneten Betäubungsmittelvortest bzw. der Blutprobe wissentlich sowie willentlich und damit vorsätzlich widersetzt (oben E. 1.2). 1.7 1.7.1 Obwohl beide kantonalen Instanzen erwogen, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand von Art. 91a Abs. 1 SVG durch die Verweigerung sowohl des Drogenvortests als auch der Blutprobe erfüllt, gehen sie für den Schuldspruch nicht von mehrfacher Tatbegehung aus. Die Vorinstanz begründet dies (im Zusammenhang mit der Strafzumessung) unter Hinweis auf RIEDO (a.a.O., N. 265 zu Art. 91a SVG ) damit, es läge unechte Konkurrenz vor. 1.7.2 Ohne nähere Begründung geht RIEDO von unechter Konkurrenz aus, wenn sich der Täter im Rahmen des gleichen Sachverhaltskomplexes mehreren behördlichen Anordnungen widersetzt, also etwa zunächst einer Atem-, dann auch noch einer Blutprobe. Gleiches gelte, wenn sich der Täter zunächst einer Anordnung widersetze und sich in der Folge auch noch der zwangsweisen Durchsetzung entziehe (RIEDO, a.a.O., N. 265 zu Art. 91a SVG ). CORBOZ hält, im Ergebnis gleich, aber mit abweichender Begründung dafür, dass bei mehreren aufeinanderfolgenden Tathandlungen im gleichen BGE 146 IV 88 S. 103 Sachverhaltskomplex angesichts des identischen Ziels nicht von (sc. echter) Konkurrenz auszugehen sei. Da es sich bei Art. 91a SVG um ein Erfolgsdelikt handle, mache sich entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht strafbar, wer zunächst eine Blutentnahme verweigere, jedoch nach Belehrung über die strafrechtlichen Folgen sich der Untersuchung unterziehe oder wer den Atemalkoholtest verweigere, einer Blutprobe aber zustimme, vorausgesetzt die verweigerte Massnahme habe eine sichere Feststellung des Zustands der Person im relevanten Zeitpunkt nicht verhindert (CORBOZ, a.a.O., N. 47 zu Art. 91a SVG ). Vor dem Hintergrund, dass Art. 91a SVG zum Ziel hat, das Verbot des Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 SVG rechtspflegemässig durchzusetzen und explizit verschiedene Arten von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit aufzählt, mittels welchen der Zustand der Fahrzeugführer festgestellt werden soll, ist nicht ersichtlich, weshalb das strafbare Verhalten durch Verweigerung der einen gesetzeskonform angeordneten Massnahme durch die nachmalige erneute Verweigerung einer zusätzlichen anderen, wiederum gesetzeskonform angeordneten, Massnahme quasi kompensiert werden sollte. Die Frage braucht hier jedoch nicht abschliessend geklärt zu werden, nachdem die Verweigerung des Betäubungsmittelvortests (Drugwipe) den Tatbestand (noch) nicht erfüllt, jedoch die Verweigerung der Blutprobe zweifelsohne tatbestandmässig ist. 1.8 Zusammengefasst erweist sich der Schuldspruch der Vorinstanz wegen (einfacher) Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG als bundesrechtskonform.
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Sachverhalt ab Seite 393 BGE 94 I 392 S. 393 A.- Das seit dem 1. Februar 1967 in Kraft stehende Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG, AS 1967 S. 115) ist nach Art. 1 Abs. 1 anwendbar auf alle Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat. Es bestimmt in Art. 1 Abs. 3: "Der Bundesrat erlässt die zum Schutze der Anleger erforderlichen Vorschriften über ausländische Anlagefonds, für die in der Schweiz öffentlich geworben wird; er kann namentlich die Leistung von Sicherheiten sowie die Verzeigung eines Gerichtsstandes in der Schweiz verlangen." Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bundesrat in die Vollziehungsverordnung vom 20. Januar 1967 (AFV, AS 1967 S. 135) den Art. 6 aufgenommen, welcher lautet: "Die öffentliche Werbung für ausländische Anlagefonds in der Schweiz bedarf einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde. Die Bewilligung wird erteilt, wenn die ausländische Fondsleitung als ihren ständigen Vertreter in der Schweiz eine Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz bestellt; ist der Vertreter eine juristische Person, so muss er ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen. BGE 94 I 392 S. 394 Auf den Entzug der Bewilligung zur öffentlichen Werbung für einen ausländischen Anlagefonds findet Art. 44 des Gesetzes sinngemäss Anwendung. In der Werbung für den ausländischen Anlagefonds sowie in allen Veröffentlichungen der Fondsleitung oder des ständigen Vertreters in der Schweiz ist deutlich auf die Nationalität der Fondsleitung hinzuweisen; untersteht die Fondsleitung an ihrem Sitz nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht, so ist dieser Umstand in allen Zeichnungsscheinen oder, wo solche nicht verwendet werden, in den Abrechnungen über die Zeichnungen deutlich hervorzuheben. Der ständige Vertreter der Fondsleitung in der Schweiz meldet der Aufsichtsbehörde innerhalb zwei Monaten nach Abschluss des Rechnungsjahres des Anlagefonds die Gesamtheit der in der Schweiz während dieser Periode ausgegebenen und zurückgenommenen Anteilscheine und sendet ihr so bald als möglich den veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Fondsleitung über den Anlagefonds." B.- Die Diversified Growth Stock Fund Inc. wurde im Jahre 1954 gegründet und ist im Staate Delaware (USA) ein getragen. Sie untersteht in den USA dem Investment Company Act von 1940 und der Aufsicht der Securities and Exchange Commission. Der im Staate Nevada (USA) eingetragenen Hugh W. Long & Co. Inc. ist das ausschliessliche Recht, Aktien-Zertifikate des Diversified Growth Stock Fund zu vertreiben, eingeräumt worden. Sie hat das Vertriebsrecht für Europa der Intertrust SA in Luxemburg abgetreten. Diese hat ihrerseits - im Einverständnis mit Hugh W. Long & Co. - das Vertriebsrecht für die Schweiz der Finanzgesellschaft Agantis AG in Zürich übertragen, die seit dem Jahre 1966 besteht und über ein voll einbezahltes Aktienkapital von 500'000 Franken verfügt. Im Auftrage der Hugh W. Long & Co. und der Intertrust SA hat die Agantis AG die Eidg. Bankenkommission ersucht, die öffentliche Werbung für den Diversified Growth Stock Fund in der Schweiz zu bewilligen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie als ständiger Vertreter der ausländischen Fondsleitung in der Schweiz bestellt sei. Mit Entscheid vom 1. November 1967 hat die Bankenkommission (Kammer für Anlagefonds) das Gesuch abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Agantis AG sei keine Bank oder Zweigniederlassung einer Bank, so dass nach Art. 6 Abs. 2 AFV die erbetene Bewilligung nicht erteilt werden könne. BGE 94 I 392 S. 395 C.- Gegen diesen Entscheid führen Diversified Growth Stock Fund Inc., Hugh W. Long & Co. Inc. und Agantis AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher sie das Bewilligungsgesuch erneuern. Sie machen geltend, Art. 6 Abs. 2 AFV sei insoweit gesetz- und verfassungswidrig, als er verlangt, dass der Vertreter eine Bank sein und, wenn er eine juristische Person ist, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen muss. Diese Auffassung begründen sie wie folgt: Art. 1 Abs. 3 AFG ermächtige den Bundesrat nicht, den schweizerischen Anlegern Garantien für die Bonität der ausländischen Anlagefonds zu bieten, sondern nur, dafür zu sorgen, dass die öffentliche Werbung für solche Fonds in der Schweiz seriös betrieben werde. Die Verordnungsvorschrift, dass der Vertreter eine Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz sein muss, sei durch diese Ermächtigung nicht gedeckt. Sie verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, ja sei sinnwidrig. Auch eine schweizerische Finanzgesellschaft, welche die Vertretung eines ausländischen Anlagefonds übernehme, biete selbstverständlich Gewähr dafür, dass die Werbung einwandfrei durchgeführt werde. Art. 1 Abs. 3 AFG solle ein Einschreiten des Bundesrates dann ermöglichen, wenn der ausländische Anlagefonds an seinem Sitz überhaupt keiner oder keiner der schweizerischen ebenbürtigen staatlichen Aufsicht unterstehe. Nun sei aber gerade der beschwerdeführende Anlagefonds in den USA einer der schweizerischen gleichwertigen Aufsicht unterstellt. Die Agantis AG als Vertreter dieses Fonds müsse die strengen amerikanischen Vorschriften über die Werbung einhalten, obwohl sie "nur" eine Finanzgesellschaft sei. Sie müsse bei der Werbung höheren Anforderungen genügen als eine schweizerische Bank, welche einen an seinem Sitz nicht oder nur wenig beaufsichtigten ausländischen Anlagefonds vertritt. Es verstosse gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, die Bewilligung der öffentlichen Werbung in der Schweiz in allen Fällen davon abhängig zu machen, dass als Vertreter eine Bank bestellt wird. Auch die weitere Bestimmung, dass der Vertreter, der eine juristische Person ist, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen muss, sei mit BGE 94 I 392 S. 396 dem Gesetz und dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht vereinbar. Sie beruhe offenbar auf einem falschen Analogieschluss aus Art. 3 Abs. 3 AFG , wo die gleiche Anforderung an eine Bank, welche einen schweizerischen Anlagefonds leitet, gestellt werde. Den schweizerischen Vertreter eines ausländischen Fonds treffe, im Unterschied zu der Leitung eines schweizerischen Fonds, keine materielle Haftung gegenüber den Anlegern. Art. 6 Abs. 2 AFV verletze auch die Handels- und Gewerbefreiheit. Das dort geschaffene Bankenmonopol gehe weit über das hinaus, was erforderlich sei, um den gewerbepolizeilichen Zweck der Aufsicht über die Werbung zu erreichen. Es sei nicht das richtige Mittel hiezu. Auch das beanstandete Erfordernis eines Mindestkapitals habe mit jenem Zweck nichts zu tun. D.- Die Eidg. Bankenkommission hat im Verfahren vor dem Bundesgericht an ihrem Standpunkte festgehalten. Gemäss einem Antrag der Kommission ist der Bundesrat ersucht worden, zur Frage der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit des Art. 6 Abs. 2 AFV Stellung zu nehmen. Er bejaht diese Frage in seiner Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Art. 1 Abs. 3 AFG delegiert dem Bundesrat die Kompetenz, die zum Schutze der Anleger erforderlichen Vorschriften über ausländische Anlagefonds, für die in der Schweiz öffentlich geworben wird, zu erlassen. Damit legt diese gesetzliche Bestimmung den Zweck fest, dem die vom Bundesrat zu erlassenden Vorschriften dienen sollen. Dagegen schreibt sie dem Bundesrat nicht den Gebrauch bestimmter Mittel vor; sie fügt nur bei, dass z.B. ("namentlich") die Leistung von Sicherheiten und die Verzeigung eines Gerichtsstandes in der Schweiz verlangt werden "kann". Sie räumt also dem Bundesrat einen weiten Ermessensspielraum ein. In Art. 6 AFV hat denn auch der Bundesrat nicht die im Gesetz beispielsweise genannten, sondern andere Mittel gewählt. Das Bundesgericht hat sich nicht darüber auszusprechen, ob diese in der Verordnung getroffene Lösung die zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes am besten geeignete sei, da es nicht sein Ermessen an die Stelle jenes des Bundesrates treten lassen kann. Dagegen kann es prüfen, ob die in der Verordnung BGE 94 I 392 S. 397 gewählten Mittel überhaupt geeignet seien, jenem Zwecke zu dienen. Nach der Auffassung, die das Gericht früher in ähnlichen Fällen - auch noch in BGE 92 IV 109 - vertreten hat, wäre seine Prüfungsbefugnis auf diesen Gesichtspunkt beschränkt. Indessen hat es seither seine Rechtsprechung in dem Sinne klargestellt, dass es eine auf gesetzlicher Delegation beruhende Verordnung des Bundesrates auch auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung prüfen kann, sofern das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, in der Verordnung von der Verfassung abzuweichen ( BGE 92 I 432 ff.; BGE 93 I 503 ; BGE 94 I 88 ). Im vorliegenden Fall besteht kein Grund, eine solche Ermächtigung anzunehmen. Das Bundesgericht hat daher auch zu untersuchen, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften mit den Grundsätzen der Bundesverfassung vereinbar seien. In dieser Beziehung stellt sich die Frage, ob sie mit Art. 4 und 31 BV im Einklang stehen. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt sei. Er ist in allen Gebieten des öffentlichen Rechts massgebend; er wird auch durch die Bundesverfassung - namentlich im Bereich der Handels- und Gewerbefreiheit - gewährleistet ( BGE 91 I 327 , 487; BGE 92 I 35 Erw. 7; BGE 93 I 219 ). Das Bundesgericht hat sich daher auch mit der Frage zu befassen, ob die Bedingungen, die Art. 6 Abs. 2 AFV aufstellt, in einem vernünftigen Verhältnis zu dem im Gesetz genannten Zweck stehen. Wenn und soweit dies nicht zuträfe, wäre die Verordnungsbestimmung mit dem Gesetz und der Verfassung nicht vereinbar und hätte ihr das Gericht die Anwendung im vorliegenden Fall zu versagen (H. BRUNNER, Die Überprüfung der Rechtsverordnungen des Bundes auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit, Diss. Bern 1953, S. 116; A. GRISEL, Le contrôle des ordonnances fédérales en Suisse, in: Conseil d'Etat, Etudes et documents, Paris 1962, S. 198). 4. Nach Art. 6 Abs. 1 AFV bedarf die öffentliche Werbung für ausländische Anlagefonds in der Schweiz einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde. Diese Vorschrift wird von den Beschwerdeführern nicht beanstandet und kann auch nicht beanstandet werden. Das Anlagefondsgesetz selber bestimmt in Art. 3 und 5, dass die Leitungen der schweizerischen Anlagefonds (die Fondsleitungen mit Sitz in der Schweiz, Art. 1 Abs. 1) und, wo für solche Fonds Depotbanken beigezogen werden, auch diese zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit einer Bewilligung der BGE 94 I 392 S. 398 Aufsichtsbehörde bedürfen. Dadurch sollen die Anleger geschützt werden. Der gleiche Zweck wird in Art. 1 Abs. 3 AFG verfolgt; er wird dort ausdrücklich genannt. Indem diese gesetzliche Bestimmung den Bundesrat beauftragt, die zum Schutze der Anleger erforderlichen Vorschriften über ausländische Anlagefonds, für die in der Schweiz öffentlich geworben wird, zu erlassen, ermächtigt sie ihn insbesondere, diese Tätigkeit der Bewilligungspflicht zu unterwerfen. Die Ermächtigung hiezu ist aus jenem Auftrag ohne weiteres abzuleiten; sie brauchte im Gesetz nicht eigens erwähnt zu werden. Der von den Beschwerdeführern angefochtene Abs. 2 des Art. 6 AFV umschreibt die Voraussetzungen der Bewilligung in Anlehnung an Vorschriften des Gesetzes, die für die schweizerischen Anlagefonds gelten. Nach Art. 3 AFG darf die Bewilligung, deren die Leitung eines solchen Fonds bedarf (Abs. 1), nur einer Bank im Sinne des Bankengesetzes oder einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft, deren Gegenstand und Zweck ausschliesslich die Leitung von Anlagefonds ist, erteilt werden (Abs. 2); ist die Fondsleitung eine juristische Person, so muss sie ein mindestens zur Hälfte einbezahltes Grund- oder Stammkapital von einer Million Franken, wenn sie auch Bankgeschäfte betreibt, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen (Abs. 3). Nach Art. 5 AFG muss für einen schweizerischen Anlagefonds, dessen Leitung nicht eine Bank ist, eine Depotbank beigezogen werden (Abs. 1); die Bewilligung, deren die Depotbank bedarf (Abs. 2), wird nur einer Bank im Sinne des Bankengesetzes mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz und, wenn es sich um eine juristische Person handelt, mit einem einbezahlten Grund- oder Stammkapital von mindestens zwei Millionen Franken erteilt (Abs. 3). Art. 6 Abs. 2 AFV ist dem Art. 5 Abs. 3 AFG nachgebildet, wie der Bundesrat in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde bestätigt. Art. 8 Abs. 2 AFG bestimmt, dass die Depotbank - wo eine solche besteht - nach Massgabe des Art. 18 am Kollektivanlagevertrag teilnimmt. Gemäss Art. 18 hat sie das gesamte Fondsvermögen aufzubewahren und dafür zu sorgen, dass Anlagen, die nach Gesetz oder Fondsreglement unzulässig sind, unterbleiben (Abs. 1); zu diesem Zwecke besorgt sie die Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine sowie den ganzen Zahlungsverkehr für den Anlagefonds (Abs. 2); das Fondsreglement BGE 94 I 392 S. 399 kann ihr weitere Überwachungspflichten auferlegen (Abs. 3); sie haftet dem Anleger für die gehörige Erfüllung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Obliegenheiten (Abs. 4, in Verbindung mit den sinngemäss anwendbaren Vorschriften über die Verantwortlichkeit der Fondsleitung). Art. 6 AFV bezeichnet indessen den ständigen Vertreter in der Schweiz, den die ausländische Fondsleitung zu bestellen hat, nicht als Depotbank. Er unterwirft ihn in der Tat nicht der Aufbewahrungspflicht und den übrigen Obliegenheiten, die eine Depotbank nach Art. 18 Abs. 1 und 2 AFG erfüllen muss. Ein Vertreter in der Schweiz wäre auch, jedenfalls in der Regel, gar nicht in der Lage, das ganze Vermögen des ausländischen Fonds aufzubewahren, den ganzen Zahlungsverkehr für den Fonds zu besorgen und dessen Geschäftsgebaren, wo immer es sich abwickelt, so zu überwachen, dass unzulässige Anlagen verhindert werden könnten. Art. 6 AFV nennt in Abs. 4 und 5 nur einige wenige Verpflichtungen des Vertreters. Abs. 4 weist den Vertreter (und die ausländische Fondsleitung selbst) an, in der Werbung und in den Veröffentlichungen deutlich auf die Nationalität der Fondsleitung hinzuweisen und, falls diese an ihrem Sitz nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht untersteht, diesen Umstand in den Zeichnungsscheinen oder, wo solche nicht verwendet werden, in den Abrechnungen über die Zeichnungen deutlich hervorzuheben; ausserdem verpflichtet Abs. 5 den Vertreter, der Aufsichtsbehörde für jedes Rechnungsjahr die Gesamtheit der in der Schweiz ausgegebenen und zurückgenommenen Anteilscheine zu melden und den veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Fondsleitung zu senden. Diese Vorschriften stellen keine hohen Anforderungen an den Vertreter. Wären nur sie in Betracht zu ziehen, so wäre allerdings höchst zweifelhaft, ob die umstrittene Ordnung des Art. 6 Abs. 2 AFV in einem vernünftigen Verhältnis zum Zweck steht, dem sie dienen soll (vgl. Abhandlungen von A. HIRSCH: Le champ d'application de la loi fédérale sur les fonds de placement, Veröffentlichungen der Genfer Juristischen Fakultät Bd. 23, S. 74; La loi fédérale sur les fonds de placement, Fiches juridiques suisses Nr. 1307, S. 17). Indessen ist die Aufgabe, die dem Vertreter der ausländischen Fondsleitung in der Schweiz zum Schutze der Anleger zugedacht ist, nicht auf die in Art. 6 Abs. 4 und 5 AFV genannten Obliegenheiten beschränkt. Es wird von ihm mehr erwartet, BGE 94 I 392 S. 400 und gerade deshalb lehnt sich Art. 6 Abs. 2 AFV an die Vorschriften des Gesetzes an, nach denen für die schweizerischen Anlagefonds eine in der Schweiz niedergelassene, unbeschränkt oder mit einem grossen Eigenkapital haftende Bank als Fondsleitung oder Depotbank bestellt werden muss. Die Anknüpfung beruht allerdings nicht darauf, dass diese gesetzlichen Vorschriften den Anlegern einen Vertragspartner verschaffen, dessen Finanzkraft Gewähr für die Befriedigung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche bietet; denn der schweizerische Vertreter der ausländischen Fondsleitung ist nicht selber Vertragspartner der Anleger. Vielmehr liegt der Grund der Anlehnung darin, dass die genannten gesetzlichen Vorschriften den Anlegern auch die Garantie geben, die sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass eine grosse Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz sich überhaupt als Fondsleitung oder Depotbank zur Verfügung stellt. Hauptsächlich im Hinblick auf diese tatsächliche Garantie verlangt Art. 5 AFG , dass für alle schweizerischen Anlagefonds, deren Leitung nicht eine Bank ist, eine Depotbank beigezogen werden muss, während der Bundesrat in seinem Gesetzesentwurf diese Verpflichtung in Erwägung, dass bei den Immobilienfonds der Verwahrungsaufgabe nur eine geringe Bedeutung zukommt, auf die Wertschriftenfonds beschränkt hat (BBl 1965 III S. 290, 339). Nationalrat Dürrenmatt, Berichterstatter der Kommissionsmehrheit, hat die Abweichung vom Entwurf wie folgt begründet: "Die gewisse, zusätzliche Sicherheit für den Anleger liegt darin, dass er aus der Bezeichnung der Bank, die der Fonds als Depotbank angibt, Rückschlüsse auf die Seriosität des Fonds ziehen kann; wenn eine seriöse Bank als Depotbank genannt wird, so weiss der Anleger, dass auch der Fonds offenbar in Ordnung ist. Käme es dagegen schief heraus beim Fonds, so würde das auch auf die Bank zurückstrahlen." (StenBull NR 1966, S. 259). Die Meinung ist klar: Die Anleger vermögen im allgemeinen die Vertrauenswürdigkeit eines Anlagefonds nicht selber zuverlässig zu beurteilen, dürfen sich aber darauf verlassen, dass eine grosse und in der Schweiz niedergelassene Bank dazu dank den Erfahrungen und den Informationsmitteln, über die sie verfügt, imstande ist und es in ihrem eigenen Interesse vermeidet, für einen Fonds einzustehen, dem sie misstraut; deshalb dürfen die Anleger darauf vertrauen, dass sie keine allzu grossen Risiken eingehen, wenn sie sich an einem Fonds beteiligen, der in Verbindung mit einer solchen Bank steht. BGE 94 I 392 S. 401 Diese Überlegungen liegen auch dem Art. 6 Abs. 2 AFV zugrunde, wie der Bundesrat in der Vernehmlassung zur Beschwerde ausführt. Art. 6 AFV setzt ja voraus, dass die von der ausländischen Fondsleitung als Vertreter in der Schweiz bestellte Bank gegenüber dem schweizerischen Publikum in Erscheinung tritt; das ergibt sich namentlich aus Abs. 4 und 5. Die Vorschrift des Abs. 2, dass der Vertreter eine grosse Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz sein muss, mag zwar den schweizerischen Anlegern auch eine gewisse Sicherheit dafür verschaffen, dass vermögensrechtliche Ansprüche, die sie allenfalls gegenüber dem Vertreter erheben könnten, befriedigt werden. Vor allem aber gewährt sie ihnen die Garantie, die allein schon in der Tatsache begründet ist, dass eine grosse und in der Schweiz niedergelassene Bank sich überhaupt für einen ausländischen Anlagefonds einsetzt. Diese Garantie ist hier besonders wichtig, weil die ausländischen Anlagefonds der schweizerischen staatlichen Aufsicht in weitem Umfange entzogen und dem schweizerischen Publikum in der Regel noch weniger als die inländischen Fonds bekannt sind, während eine grosse schweizerische Bank auf Grund ihrer weltweiten Beziehungen in der Lage ist, auch ausländische Fonds in verlässlicher Weise zu beurteilen. Die Sicherheit für die schweizerischen Anleger wäre geringer, wenn die ausländische Fondsleitung auch eine Kleinbank oder eine dem Bankengesetz nicht unterstellte Finanzgesellschaft mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz als Vertreter bestellen dürfte; denn solche Institute bieten nicht in allen Fällen eine genügende Gewähr dafür, dass von ihnen eine unabhängige und zuverlässige Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines Anlagefonds, besonders eines ausländischen, erwartet werden kann. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die von den Beschwerdeführern angefochtenen Vorschriften des Art. 6 Abs. 2 AFV nicht nur geeignet sind, dem in Art. 1 Abs. 3 AFG genannten Zweck zu dienen, sondern auch in einem vernünftigen Verhältnis zu diesem Zweck stehen. 5. Die Beschwerdeführer sehen einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit darin, dass Art. 6 Abs. 2 AFV die Bewilligung der öffentlichen Werbung in der Schweiz ausnahmslos vom Beizug einer grossen Bank abhängig macht; sie sind der Meinung, dieses Erfordernis sei auf jeden Fall dann sinnlos, wenn der ausländische Fonds, wie hier der Diversified Growth Stock Fund, an seinem Sitz einer der schweizerischen BGE 94 I 392 S. 402 gleichwertigen staatlichen Aufsicht unterstehe. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Wohl lässt sich feststellen, ob ein ausländischer Fonds an seinem Sitz der staatlichen Aufsicht untersteht, und auch, ob die einschlägige Gesetzgebung des ausländischen Staates der schweizerischen Ordnung der Aufsicht über die inländischen Fonds gleichwertig oder zum mindesten ähnlich ist. Eine solche Vergleichung der beidseitigen gesetzlichen Vorschriften ist offenbar in der Bestimmung des Art. 6 Abs. 4 AFV gemeint, nach welcher in Fällen, in denen die ausländische Fondsleitung an ihrem Sitz "nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht" untersteht, auf diesen Umstand in den Zeichnungsscheinen oder in den Abrechnungen über die Zeichnungen hingewiesen werden muss. Für den Schutz der schweizerischen Anleger ist jedoch nicht nur von Bedeutung, ob der ausländische Fonds an seinem Sitz der staatlichen Aufsicht unterstellt ist und, wenn ja, wie diese Aufsicht gesetzlich geordnet ist, sondern auch, wie die betreffenden Vorschriften angewendet werden, namentlich in bezug auf die öffentliche Werbung in der Schweiz, sofern sie diese Tätigkeit überhaupt erfassen. Es käme darauf an, wie die schweizerische Aufsichtsbehörde die Durchführung der ausländischen Ordnung beurteilen würde. Hierauf könnte aber der schweizerische Gesetzgeber nicht abstellen, schon deshalb nicht, weil jene Behörde ausserstande wäre, die Art der Anwendung der Vorschriften der verschiedenen ausländischen Staaten, die in Betracht kommen, zuverlässig festzustellen. Die Unterscheidung, welche nach Auffassung der Beschwerdeführer in der Verordnung des Bundesrates hätte getroffen werden sollen, könnte gar nicht folgerichtig durchgeführt werden; sie würde in der Praxis auf Schwierigkeiten stossen und zu Unzukömmlichkeiten führen. Daher kann nicht beanstandet werden, dass Art. 6 Abs. 2 AFV für alle ausländischen Fonds die Voraussetzungen der Bewilligung gleich ordnet. Diese Regelung steht durchweg in einem vernünftigen Verhältnis zu dem im Gesetz vorgeschriebenen Zweck. Sie ist sachgemäss und verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht. Ob die in Art. 6 AFV getroffene Ordnung - mit Einschluss der Sondervorschrift des Abs. 4 für ausländische Fonds, die an ihrem Sitz (nach der dortigen Gesetzgebung) nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht unterstehen - BGE 94 I 392 S. 403 zum Schutze der Anleger genügt oder ob es zweckmässig wäre, für diese Fonds noch strengere Vorschriften aufzustellen, ist hier nicht zu erörtern. Die Beschwerdeführer werfen diese Frage nicht auf; sie wären auch nicht legitimiert, sich darüber zu beschweren, dass jene Gruppe ausländischer Fonds nicht einer strengeren Ordnung unterworfen ist. 6. Die Beschwerdeführer wenden ferner ein, dass das "Bankenmonopol", welches durch Art. 6 Abs. 2 AFV geschaffen werde, mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht vereinbar sei. Auch diese Rüge hält der Prüfung nicht stand. Die umstrittenen Verordnungsvorschriften beschränken allerdings die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, indem sie gewisse Erwerbszweige und Betriebsarten davon ausschliessen. Aber sie dienen - wie die Bestimmungen der Art. 3 und 5 AFG , an die sie sich anlehnen - nicht einem wirtschaftspolitischen, sondern einem polizeilichen Zweck, nämlich dem Schutze der Anleger. Einschränkungen solcher Art untersagt Art. 31 BV nicht. Aber auch der allgemeine und insbesondere durch diese Verfassungsbestimmung gewährleistete Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist nicht verletzt, wie bereits ausgeführt worden ist.
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Sachverhalt ab Seite 41 BGE 132 IV 40 S. 41 A. Am 11. Dezember 2003, um 10.09 Uhr, passierte X. mit einem Lastwagen mit Luzerner Kontrollschildern die stationäre Kontrollanlage der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe auf der A1 in Effretikon/ZH Fahrtrichtung Süd. Dabei wurde festgestellt, dass der Lastwagen einen Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 Tonnen mitführte, dieser aber im Erfassungsgerät ("Tripon") nicht deklariert worden war. B. B.a Mit Strafverfügung vom 4. Juni 2004 verurteilte das Statthalteramt des Bezirkes Pfäffikon/ZH X. wegen (fahrlässiger) Widerhandlung gegen das Bundesgesetz und gegen die Verordnung über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe ( Art. 20 SVAG und Art. 17 Abs. 1 SVAV , Nichtdeklarieren eines Anhängers) zu einer Busse von 100 Franken. X. erhob Einsprache und verlangte die gerichtliche Beurteilung. B.b Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Pfäffikon/ZH sprach X. am 7. Oktober 2004 der (fahrlässigen) Widerhandlung gegen das Bundesgesetz und gegen die Verordnung über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Sinne von Art. 20 SVAG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 SVAV schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von 100 Franken. B.c
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Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 23. April 2005 die von X. eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat, präzisierte aber das erstinstanzliche Dispositiv im Schuldpunkt dahingehend, dass X. - ohne Hinweis auch auf Art. 17 Abs. 1 SVAV - der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Sinne von Art. 20 SVAG schuldig gesprochen wurde. C. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 132 IV 40 S. 42 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1997 über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (SVAG; SR 641.81) wird wegen Gefährdung oder Hinterziehung der Abgabe mit Busse bis zum Fünffachen der hinterzogenen oder gefährdeten Abgabe oder des unrechtmässigen Vorteils bestraft, wer die Abgabe vorsätzlich hinterzieht oder gefährdet, sich oder einer andern Person sonst wie einen unrechtmässigen Abgabevorteil verschafft oder die gesetzmässige Veranlagung gefährdet sowie wer ungerechtfertigt eine Vergünstigung oder Rückerstattung erwirkt oder in einem Rückerstattungsgesuch unrichtige Angaben macht. Bei fahrlässiger Begehung beträgt die Busse bis zum Dreifachen der hinterzogenen oder gefährdeten Abgabe oder des unrechtmässigen Vorteils. Die Mindestbusse beträgt 100 Franken. Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung vom 6. März 2000 über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (SVAV; SR 641.811) muss der Fahrzeugführer, dessen Motorfahrzeug einen Anhänger mitführt, alle erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät deklarieren. Nach Art. 21 SVAV muss die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer bei der korrekten Ermittlung der Fahrleistung mitwirken und unter anderem das Erfassungsgerät korrekt bedienen (lit. a). 1.1 Der Beschwerdeführer hat es aus Unachtsamkeit unterlassen, den mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät "Tripon" im Führerstand seines Lastwagens zu deklarieren. Dadurch hat er Art. 17 Abs. 1 und Art. 21 lit. a SVAV missachtet. Nach den Erwägungen der Vorinstanz führt eine Verletzung von Bestimmungen, welche dazu dienen, die gesetzmässige Erhebung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe sicherzustellen, indirekt zu einer Verletzung von Art. 20 SVAG . Nicht die Missachtung von Art. 17 und 21 SVAV an sich sei strafbar, die Verletzung dieser Normen durch den Fahrzeugführer bewirke aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Nichtvornahme der gesetzeskonformen Ermittlung der Fahrleistungen und gefährde somit die gesetzmässige Veranlagung. Unterbleibe die in Art. 17 Abs. 1 SVAV vorgeschriebene Deklaration aller erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät, so werde der mitgeführte Anhänger vom Gerät nicht (über die Anhängersensorik) registriert, wenn der Stromkreis zwischen Zugfahrzeug und Anhänger beispielsweise durch einen Wackelkontakt BGE 132 IV 40 S. 43 unterbrochen sei. In einem solchen Fall könne nur die Deklaration am Erfassungsgerät selbst bewirken, dass die mit dem Anhänger gefahrenen Kilometer auch erfasst würden. Jede Verletzung von Art. 17 und 21 SVAV erhöhe somit die Wahrscheinlichkeit der unrechtmässigen Erfassung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe und erfülle daher den Tatbestand von Art. 20 Abs. 1 SVAG . 1.2 Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er gegen Art. 17 Abs. 1 SVAV verstossen hat. Er macht geltend, dadurch habe er aber den Tatbestand von Art. 20 Abs. 1 SVAG nicht erfüllt. Obschon er den Anhänger am Erfassungsgerät "Tripon" vorschriftswidrig nicht deklariert habe, habe dieses Gerät über die Anhängersensorik des Lastwagens automatisch festgestellt und auf der Chipkarte registriert, dass und über welche Strecke er einen Anhänger mitgeführt, aber am Gerät selbst nicht deklariert habe. Die Zollverwaltung habe anhand der ihr vorschriftsgemäss eingereichten elektronischen Deklarationskarte die Abgabe korrekt definitiv veranlagen können. Die Missachtung von Art. 17 Abs. 1 SVAV erfülle entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht eo ipso den Tatbestand von Art. 20 Abs. 1 SVAG . Das Gesetz sehe nicht vor, dass sich strafbar mache, wer es unterlasse, alle erforderlichen Angaben betreffend einen mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren. Seine Verurteilung verstosse gegen den in Art. 1 StGB verankerten Grundsatz "nulla poena sine lege". 2. 2.1 Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe wird auf den im In- und Ausland immatrikulierten (in- und ausländischen) schweren Motorfahrzeugen und Anhängern für den Güter- und den Personentransport erhoben ( Art. 3 SVAG ). Abgabepflichtig ist der Halter oder die Halterin, bei ausländischen Fahrzeugen zusätzlich der Fahrzeugführer oder die Fahrzeugführerin ( Art. 5 Abs. 1 SVAG ). Die Abgabe bemisst sich nach dem höchstzulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeugs und den gefahrenen Kilometern ( Art. 6 Abs. 1 SVAG ). Die abgabepflichtige Person hat bei der Ermittlung der Fahrleistung mitzuwirken ( Art. 11 Abs. 1 SVAG ). Der Bundesrat kann den Einbau spezieller Geräte oder andere Hilfsmittel zur fälschungssicheren Erfassung der Fahrleistung vorschreiben ( Art. 11 Abs. 2 Satz 1 SVAG ). Die SVAV enthält in Art. 15 ff. detaillierte Vorschriften betreffend die leistungsabhängige Abgabeerhebung. BGE 132 IV 40 S. 44 Die Abgabe wird mit einem von der Zollverwaltung zugelassenen elektronischen Messgerät ermittelt. Dieses besteht aus dem im Fahrzeug eingebauten Fahrtschreiber bzw. Wegimpulsaufnehmer sowie einem Erfassungsgerät, das die massgebende Fahrleistung ermittelt und registriert (Art. 15 Abs. 1 Satz 1). Für den Einbau, die Prüfung und die Inbetriebnahme des Erfassungsgeräts ist die Halterin oder der Halter verantwortlich (Art. 16 Abs. 1 Satz 2). Die Halterin oder der Halter muss das Erfassungsgerät mit einer von der Zollverwaltung abgegebenen Chipkarte initialisieren oder initialisieren lassen (Art. 16 Abs. 3). Die kantonale Vollzugsbehörde bzw. Betriebe und Organisationen, die zur Nachprüfung ermächtigt sind, kontrollieren bei den periodischen Fahrzeugprüfungen die Anhängersensorik des Erfassungsgeräts (Art. 16 Abs. 4). Führt das Motorfahrzeug einen Anhänger mit, so muss die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer alle erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät deklarieren (Art. 17 Abs. 1). Für jeden Anhänger mit einem Gesamtgewicht von über 3,5 t mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Anhänger stellt die Zollverwaltung eine Chipkarte aus, die alle für die Erfassung erforderlichen Daten enthält (Art. 17 Abs. 2 Satz 1). Die Abgabe für mitgeführte Anhänger ist von der Halterin oder vom Halter des Zugfahrzeugs zu deklarieren und zu bezahlen (Art. 17 Abs. 3). Die abgabepflichtige Person muss der Zollverwaltung die für die Berechnung der Abgabe erforderlichen Angaben innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf der Abgabeperiode deklarieren (Art. 22 Abs. 1). Für Motorfahrzeuge mit Erfassungsgerät sind die durch dieses Gerät ermittelten Kilometer massgebend. Sind Fehlermeldungen aufgetreten oder sind nach Auffassung der abgabepflichtigen Person die Daten des Erfassungsgeräts aus anderen Gründen falsch, so muss sie dies mit der Deklaration schriftlich mitteilen und begründen (Art. 22 Abs. 1). Ist das Motorfahrzeug mit einem Erfassungsgerät ausgerüstet, so wird die Deklaration mit elektronischer Datenübermittlung oder elektronischem Datenträger, in den übrigen Fällen schriftlich vorgenommen (Art. 22 Abs. 4). Die Abgabe wird auf Grund der von der abgabepflichtigen Person eingereichten elektronischen oder schriftlichen Deklaration veranlagt (Art. 23 Abs. 1). Abgabeperiode ist der Kalendermonat (Art. 24 Abs. 1 Satz 1). Die Zollverwaltung stellt der abgabepflichtigen Person Rechnung. Diese kann innerhalb von 30 Tagen bei der Oberzolldirektion eine anfechtbare Verfügung verlangen (Art. 25 Abs. 1). BGE 132 IV 40 S. 45 2.2 2.2.1 Strafbar nach Art. 20 Abs. 1 SVAG macht sich unter anderen, wer die Abgabe hinterzieht oder gefährdet (celui qui soustrait ou met en péril la redevance; chiunque sottrae o mette in pericolo la tassa) sowie wer die gesetzmässige Veranlagung gefährdet (celui qui compromet la procédure de taxation légale; chiunque compromette la procedura di tassazione legale). Gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates handelt es sich "bei der Gefährdung (...) insbesondere um Bestimmungen, die die Verletzung von Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflichten sanktionieren" (BBl 1996 V 521 ff., S. 549). Diese Auffassung entspricht der Konzeption der Abgabe- und Steuergefährdung, die zahlreichen Gesetzen zugrunde liegt. Nach dem Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21) beispielsweise wird wegen Steuergefährdung unter anderem bestraft, wer die gesetzmässige Durchführung der Verrechnungssteuer gefährdet, indem er vorsätzlich oder fahrlässig im Steuererhebungsverfahren der Pflicht zur Anmeldung als Steuerpflichtiger, zur Einreichung von Steuererklärungen, Aufstellungen und Abrechnungen, zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Geschäftsbüchern und Belegen nicht nachkommt ( Art. 62 Abs. 1 lit. a VStG ). Wer der Pflicht zur Erteilung von Auskünften nicht nachkommt, erfüllt dadurch den Tatbestand der Steuergefährdung im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. a VStG , ohne dass noch eine konkrete Gefährdung der Durchführung der Steuer nachgewiesen werden muss ( BGE 110 IV 54 ). Nach dem Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) wird wegen Steuergefährdung unter anderem bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig Geschäftsbücher, Belege, Geschäftspapiere und sonstige Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäss führt, ausfertigt, aufbewahrt oder vorlegt ( Art. 86 Abs. 1 lit. c MWSTG ) sowie wer für die Steuererhebung massgebende Daten und Gegenstände nicht oder unrichtig deklariert ( Art. 86 Abs. 1 lit. g MWSTG ). In ähnlicher Weise wie in den beiden vorstehend genannten Gesetzen sind die Tatbestände der Steuergefährdung in anderen Gesetzen umschrieben (siehe etwa Art. 46 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben [SR 641.10]; Art. 36 des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung [SR 641.31]). 2.2.2 In Art. 20 SVAG wird im Unterschied zu den zitierten Gesetzen nicht ausdrücklich umschrieben, durch welche Verhaltensweisen im Einzelnen der Tatbestand der Gefährdung der Abgabe bzw. der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung erfüllt BGE 132 IV 40 S. 46 werden kann. Art. 20 SVAG stimmt darin mit verschiedenen anderen Gesetzen überein, in denen der Tatbestand der Steuergefährdung ebenfalls nicht näher umschrieben wird (siehe z.B. Art. 36 Abs. 1 des Automobilsteuergesetzes [SR 641.51]; Art. 38 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes [SR 641.61]). Setzt ein Straftatbestand die Gefährdung eines bestimmten Rechtsgutes voraus, so ist damit häufig eine konkrete Gefährdung gemeint, d.h. die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsgutes. Der Begriff der Gefährdung muss indessen nicht im gesamten Strafrecht einschliesslich des sog. Nebenstrafrechts im Allgemeinen und des Steuerstrafrechts im Besonderen einheitlich in diesem Sinne ausgelegt werden, und eine solche Auslegung ergibt sich auch nicht aus Art. 1 StGB . Aus den vorstehend (E. 2.2.1) genannten Gesetzen geht hervor, dass die Verletzung von Mitwirkungs- und Auskunftspflichten im Zusammenhang mit der Veranlagung und Erhebung von Steuern und Abgaben in der Sprache dieser Gesetze eine Steuer- bzw. Abgabegefährdung ist. Es ist mithin nicht erforderlich, dass infolge der Verletzung der Mitwirkungspflicht die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Veranlagung einer zu niedrigen Steuer bzw. Abgabe besteht. Dies gilt entsprechend auch für Abgabe- und Steuergefährdungstatbestände, in deren Umschreibung die einzelnen tatbestandsmässigen Verhaltensweisen nicht ausdrücklich genannt werden. In den zuletzt erwähnten Fällen kann allerdings unter Umständen streitig sein, ob eine bestimmte Verhaltenspflicht als Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflicht anzusehen ist, deren Missachtung den Tatbestand der Gefährdung der Abgabe respektive der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung erfüllt. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, muss hier nicht entschieden werden. Die Pflicht der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers, alle erforderlichen Angaben betreffend einen mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren ( Art. 17 Abs. 1 SVAV ), ist in jedem Fall eine Mitwirkungspflicht, deren Missachtung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die Abgabe bzw. die gesetzmässige Veranlagung gefährdet respektive die gesetzmässige Veranlagung im Sinne der romanischen Gesetzestexte ("compromettre", "compromettere") beeinträchtigt. 2.3 Das Erfassungsgerät "Tripon" ist nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen grundsätzlich so programmiert, dass es den BGE 132 IV 40 S. 47 mitgeführten Anhänger allein schon über die Anhängersensorik selbständig erfasst und auf dem elektronischen Datenträger registriert. Dies ändert indessen nichts daran, dass die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer gemäss Art. 17 Abs. 1 SVAV alle erforderlichen Angaben betreffend den mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät selbst deklarieren muss und durch die Verletzung dieser Pflicht im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die gesetzmässige Veranlagung der Abgabe gefährdet. Denn zum einen kann die Anhängersensorik für einmal defekt sein und zum andern wird über die Anhängersensorik allein nicht auch das zulässige Gesamtgewicht des mitgeführten konkreten Anhängers automatisch registriert, welches für die Bemessung der Abgabe ebenfalls von Bedeutung ist (siehe Art. 13 Abs. 4 SVAV ). Unerheblich ist, dass in den Fällen, in denen der mitgeführte Anhänger allein über die funktionstüchtige Anhängersensorik auf dem Datenträger registriert wird, die Steuer in der Praxis offenbar im Rahmen einer Veranlagung nach Ermessen auf der Grundlage des höchstzulässigen Gesamtgewichts veranlagt wird und der Staat daher allenfalls keine Steuereinbusse erleidet. Der Tatbestand der Abgabegefährdung bzw. der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG setzt nicht eine solche Einbusse voraus. 2.4 Der Fahrzeugführer, der es in Missachtung von Art. 17 Abs. 1 SVAV unterlässt, den mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren, gefährdet somit im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die gesetzmässige Veranlagung der Abgabe. 2.5 Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Widerhandlung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 404 BGE 132 V 404 S. 404 A. N., né en 1941, a travaillé au service de la Société de Banque Suisse (SBS) comme responsable de la succursale X. du 1 er janvier 1990 au 30 juin 1996 puis, depuis lors, comme conseiller à la clientèle avec une activité réduite à 50 pour cent. A la suite de la fusion de l'Union de Banque Suisse (UBS) et de la SBS, qui est devenue effective en juin 1998 et qui a donné naissance à la Société UBS SA, N. a fait partie du personnel de la société nouvellement fusionnée. BGE 132 V 404 S. 405 Le 8 juillet 1998, son employeur l'a licencié pour le 31 octobre suivant. La date du licenciement a été reportée au 31 juillet 1999, en raison d'arrêts de travail pour cause d'accident et de maladie. Entre-temps, par demande du 11 mars 1999, N. a assigné la Société UBS SA en paiement de divers montants, dont 491'130 fr., avec intérêts, au titre de dommages-intérêts. Cette prétention, déterminée sur la base d'une expertise judiciaire requise par le demandeur (expertise de la société Q. SA du 19 octobre 2000) correspondait à des prestations prévues dans un plan social dont l'intéressé estimait avoir été indûment frustré en raison du caractère abusif de son licenciement. Par arrêt du 29 novembre 2002, la deuxième Cour civile du Tribunal cantonal valaisan a débouté N. de toutes ses conclusions. B. Sur le plan de la prévoyance professionnelle, N. a été affilié, en dernier lieu, à la Caisse de pension de l'UBS SA (ci-après : la Caisse de pension), issue de la fusion, avec effet au 1 er juillet 1999, des institutions de prévoyance respectives de l'UBS et de la SBS. Le 15 septembre 1999, la Caisse de pension a transféré en faveur de N. un montant de 903'998 fr. 20 sur un compte de libre passage ouvert auprès de la Fondation de libre passage de l'UBS SA. La Fondation de libre passage a ensuite versé à l'affilié, d'abord un montant de 500'000 fr., valeur au 10 janvier 2001, à titre de versement anticipé pour l'acquisition d'un logement, puis un montant de 412'760 fr. 75, valeur au 21 octobre 2002, à titre de prestations de vieillesse en capital. Le compte de libre passage a été clôturé à cette dernière date. C. Entre ces deux versements, la Caisse de pension a écrit à N., le 1 er mars 2001, qu'elle avait remarqué que le montant qui avait été transféré en sa faveur à la Fondation de libre passage de l'UBS SA était en réalité trop élevé; selon un décompte annexé, le solde en faveur de la caisse s'élevait à 50'000 fr. environ. Le 13 juin 2001, la Caisse de pension a précisé à son ex-affilié qu'une somme de 54'096 fr. 25 avait été versée en trop, selon ce qui ressortait d'un complément d'expertise de la société Q. SA du 11 avril 2001 requis dans le procès civil opposant la Société UBS SA à son ancien salarié. Selon la Caisse de pension, l'erreur provenait du fait que les salaires déterminants qui lui avaient été communiqués par l'employeur pour calculer la prestation de libre passage étaient inexacts. N. a refusé de restituer la somme précitée de 54'096 fr. 25. BGE 132 V 404 S. 406 Le 17 août 2001, la Caisse de pension a cité N. en conciliation devant le juge de la commune Y. pour une séance fixée au 12 septembre 2001. Par lettre du 21 août 2001, à réception de la citation en conciliation, le mandataire de l'affilié a délivré à la Caisse de pension un acte de non-conciliation conventionnel, de sorte que les parties n'ont pas comparu devant le juge conciliateur. Le 10 juillet 2002, la Caisse de pension a de nouveau cité N. à comparaître en conciliation devant le même juge, le 5 septembre 2002. Le 26 août 2002, N. a derechef délivré à la requérante un acte de non-conciliation conventionnel. D. Par écriture du 2 juillet 2003, la Caisse de pension a ouvert une action contre N., tendant au paiement de 54'096 fr. 25 avec intérêts à 5 pour cent l'an dès le 2 mars 2001. N. a conclu au rejet de la demande en soulevant, entre autres moyens, l'exception de prescription. Statuant le 8 mars 2006, le Tribunal des assurances du canton du Valais a admis l'action et a condamné N. à payer à la Caisse de pension un montant de 54'096 fr. 25 au titre de restitution d'une partie de la prestation de libre passage perçue par ce dernier. E. N. interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut à l'annulation de ce jugement et au rejet de la demande. La Caisse de pension conclut au rejet du recours. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales, il propose de l'admettre.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Comme en première instance, le recourant soulève l'exception de prescription. Il fait valoir que la prescription d'une année en matière d'enrichissement illégitime n'a pas été interrompue par les citations en conciliation devant le juge de commune. Ces citations ne constituent pas des actes interruptifs de prescription au sens de l' art. 135 ch. 2 CO , car le juge de commune n'était pas compétent à raison de la matière pour tenter la conciliation. Les premiers juges ont rejeté cette exception. Tout en admettant que le juge conciliateur n'était pas compétent en l'espèce, ils considèrent cependant que le défendeur a délivré des actes de non-conciliation conventionnels à la Caisse de pension. Ce faisant, il a tacitement admis la compétence du juge de commune saisi et doit, dès lors, se laisser opposer l' art. 135 ch. 2 CO . Selon les premiers BGE 132 V 404 S. 407 juges toujours, cette solution se justifie d'autant plus que la délimitation des actes interruptifs de prescription est plus large en droit public qu'en droit privé. En l'espèce, la demanderesse a eu connaissance de son erreur en mars 2001 au plus tard. Deux tentatives successives de conciliation, en 2001 et en 2002, ont valablement interrompu la prescription. La demande du 2 juillet 2003 a donc été déposée en temps utile. 2. L' art. 35a LPP , relatif à la restitution des prestations, en corrélation avec l' art. 49 al. 2 ch. 4 LPP (pour la prévoyance plus étendue) et entré en vigueur le 1 er janvier 2005, n'est pas applicable en l'espèce (cf. ATF 129 V 456 consid. 1, ATF 127 V 467 consid. 1 et la jurisprudence citée). D'après la jurisprudence antérieure, à laquelle il convient de se référer ici, l'obligation de restituer des prestations de la prévoyance professionnelle versées à tort est régie par les art. 62 ss CO , en matière de prévoyance obligatoire comme dans le domaine de la prévoyance plus étendue, à défaut de normes statutaires ou réglementaires ( ATF 130 V 417 consid. 2, ATF 128 V 50 und 236). 3. En vertu de l' art. 67 al. 1 CO , l'action pour cause d'enrichissement illégitime se prescrit par un an du jour où la partie lésée a eu connaissance de son droit de répétition, et, dans tous les cas, par dix ans dès la naissance de ce droit. Ce délai court du jour où l'appauvri a connu à la fois la perte subie et l'enrichi, autant qu'il connaît l'existence, la nature et les éléments du dommage propres à fonder et à motiver une demande en justice ( ATF 127 III 427 consid. 4b, ATF 109 II 435 consid. 2). Selon les premiers juges, la Caisse de pension a eu connaissance de son erreur en mars 2001, lorsqu'elle a pour la première fois interpellé le recourant sur cette question. Ce point n'est pas litigieux. La question est de savoir si la prescription a été valablement interrompue entre cette date et celle de l'ouverture de l'action. 4. 4.1 Selon l' art. 135 ch. 2 CO , la prescription est interrompue lorsque le créancier fait valoir ses droits par des poursuites, par une action ou une exception devant un tribunal ou des arbitres, par une intervention dans une faillite ou par une citation en conciliation. Cette liste des actes interruptifs du créancier est exhaustive (PASCAL PICHONNAZ, Commentaire romand, note 25 ad art. 135 CO ; STEPHEN V. BERTI, Commentaire zurichois, note 180 ad art. 135 CO ). L'ouverture d'action au sens de l' art. 135 ch. 2 CO est une notion de droit BGE 132 V 404 S. 408 fédéral; elle se définit comme tout acte introductif ou préparatoire par lequel le créancier s'adresse pour la première fois au juge, dans les formes requises, afin d'obtenir la reconnaissance du droit qu'il invoque ( ATF 118 II 487 consid. 3, ATF 114 II 336 consid. 3a, ATF 110 II 389 consid. 2a). La forme à respecter relève du droit cantonal de procédure ( ATF 114 II 336 consid. 3a). La requête en conciliation interrompt le délai de prescription; peu importe que la partie renonce finalement à la séance de conciliation ( ATF 114 II 261 consid. b) ou que la cause soit ensuite portée ou non devant le juge durant le délai de validité de l'acte de conciliation ( ATF 118 II 487 consid. 3). La requête en conciliation interrompt la prescription dès la remise de la requête à l'office de la poste ( ATF 114 II 261 , ATF 114 II 65 II 166). La requête doit toutefois être adressée devant le juge conciliateur compétent ratione loci et materiae (PICHONNAZ, op. cit., note 23 ad art. 135 CO ; BERTI, op. cit., note 56 ad art. 135 CO ; cf. aussi ATF 118 II 487 consid. 3). Si le juge conciliateur n'est pas compétent, le demandeur n'est pas mis au bénéfice d'un nouveau délai de prescription conformément à l' art. 137 al. 1 CO , mais seulement du délai supplémentaire de 60 jours prévu par l' art. 139 CO ( ATF 85 II 509 consid. 3b; BERTI, op. cit., note 56 ad art. 135 CO ). 4.2 Selon l' art. 73 al. 1 LPP , chaque canton désigne un tribunal qui connaît, en dernière instance cantonale, des contestations opposant institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit (première phrase). La voie à suivre est celle de l'action ( ATF 115 V 229 consid. 2). Selon l'art. 6 de la loi cantonale valaisanne d'application de la loi fédérale sur la prévoyance professionnelle, vieillesse, survivants et invalidité, du 14 novembre 1988 (RSV 831.4), le Tribunal cantonal des assurances est l'unique autorité cantonale compétente pour connaître des contestations opposant fondations ou institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit (al. 1). La procédure devant le Tribunal cantonal des assurances est établie par ce tribunal dans une ordonnance, compte tenu des exigences prescrites à l' art. 73 LPP (al. 2). Selon l'art. 3 al. 2 du règlement auquel il est fait renvoi, du 2 octobre 2001, régissant la procédure devant le Tribunal cantonal des assurances (RSV 173.400), les dispositions de la loi sur la procédure et la juridiction administratives du 6 octobre 1976 (LPJA; RSV 172.6) valables pour la procédure devant le Tribunal cantonal sont applicables par analogie aux actions introduites devant la Cour des assurances. Il s'agit des dispositions relatives à la procédure d'action devant le Tribunal administratif BGE 132 V 404 S. 409 comme juridiction unique (art. 82 ss LPJA). La LPJA ne prévoit pas de procédure de conciliation devant le juge de commune, qui est réservée aux contestations de droit civil (art. 1 et 21 du Code de procédure civile valaisan du 24 mars 1998 [CPC VS]; RSV 270.1). L'art. 86 LPJA prévoit certes la possibilité d'une tentative de conciliation, mais seulement par le magistrat chargé d'instruire la cause. Il ressort de cette réglementation que le juge de la commune Y. n'était à l'évidence pas compétent à raison de la matière pour connaître des requêtes en conciliation notifiées par la Caisse de pension. Cela n'est du reste pas contesté par les parties. 4.3 La juridiction cantonale invoque l'arrêt ATF 52 II 208 . Selon cet arrêt, si le défendeur se prête tacitement à la conciliation devant un juge qui n'est pas compétent à raison du lieu, la requête en conciliation interrompt la prescription si l'on peut admettre, au regard du droit de procédure cantonale, que la tentative de conciliation comme telle a été malgré cela valablement conduite. Dans cette affaire, les parties avaient comparu à la séance de conciliation devant un juge localement incompétent. Le défendeur n'avait soulevé aucune objection quant à la compétence du juge conciliateur. Par sa comparution et ses écritures ultérieures, il avait au contraire admis que cette tentative de conciliation valait autorisation d'introduire action conformément au code de procédure bernois de l'époque. En l'espèce, la situation est différente. La doctrine souligne, à juste titre, que cette jurisprudence vise les cas de compétence ratione loci (PICHONNAZ, op. cit., note 23 ad art. 135 CO et note de bas de page no 75; ROBERT K. DÄPPEN, Commentaire bâlois, 3 e éd., note 18 ad art. 135 CO ). Il ne peut y avoir d'acceptation tacite (Einlassung) qu'en matière de compétence locale et pour autant que la loi ne prescrive pas un for impératif ou partiellement impératif (cf. FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome II, Berne 2002, no 1608 ss). En matière de compétence ratione materiae , il ne saurait y avoir d'acceptation tacite. Les règles de compétence à ce sujet sont d'ordre public et les parties ne peuvent pas y déroger (HOHL, op. cit., no 1840 ss). Dans un tel cas, l'acceptation tacite du défendeur est donc inopérante. 4.4 Les conséquences sont d'ailleurs identiques en procédure civile valaisanne. Selon l' art. 111 CPC VS, la procédure ordinaire et la procédure accélérée sont, sauf disposition contraire, précédées de la procédure de conciliation devant le juge de commune. L' art. 113 BGE 132 V 404 S. 410 al. 1 CPC VS prévoit certaines exceptions aux préliminaires de la conciliation, notamment les demandes reconventionnelles et les litiges portant sur l'intervention principale, la dénonciation d'instance et l'appel en cause (let. b) ou encore certaines causes découlant de la LP (let. d). Dans ces cas, les demandes en conciliation sont nulles et ne déploient aucun effet sur le respect du délai ( art. 113 al. 2 CPC VS). Selon les règles de procédure cantonale, il ne peut donc pas non plus y avoir d'acceptation tacite dans des situations où le juge conciliateur n'est pas compétent à raison de la matière. 4.5 Déposées devant un juge incompétent ratione materiae , les requêtes en conciliation de la Caisse de pension ne peuvent donc pas être considérées comme des actes ayant valablement interrompu la prescription au sens de l' art. 135 ch. 2 CO . 5. 5.1 L'argumentation des premiers juges tirée d'une notion plus large des actes interruptifs de prescription en droit public qu'en droit privé ne peut être suivie en l'espèce. Il est vrai que les causes d'interruption de la prescription, qui sont le fait du créancier, sont admises plus largement en droit administratif qu'en droit civil (voir à ce sujet ATTILIO R. GADOLA, Verjährung und Verwirkung im öffentlichen Recht: PJA 1995 p. 47 ss; ANDREA BRACONI, Prescription et péremption dans l'assurance sociale, in: Droit privé et Assurances sociales, Fribourg 1990, p. 232). Il en va ainsi en droit fiscal où les notions d'action et d'exception prévues par l' art. 135 ch. 2 CO sont difficilement transposables et où la prescription est réglée par le droit public, qui admet qu'un certain nombre d'actes, analogues à ceux du droit privé, peuvent interrompre la prescription (voir par exemple RDAF 2005 II p. 477 consid. 5.3). Le droit des assurances sociales connaît également certains de ces actes analogues. Par exemple, la prescription des amendes est interrompue par tout acte tendant à leur recouvrement ( art. 207 RAVS ). 5.2 Cependant, en matière de prévoyance professionnelle, le créancier, comme on l'a vu, doit faire valoir ses droits par voie d'action pour les litiges visés par l' art. 73 LPP . En outre, du moment que l'on soumet l'obligation de restituer aux règles du droit civil ( art. 62 ss CO ), il convient d'appliquer ces dispositions dans leur contexte juridique, avec leurs avantages et inconvénients respectifs, pour l'enrichi et le lésé, sans en dénaturer le sens et la portée, quand bien même elles s'incorporent dans un système régi en BGE 132 V 404 S. 411 partie par le droit public ( ATF 130 V 418 consid. 3.2). Enfin, il convient de relever qu'en matière de prévoyance professionnelle, l' art. 41 al. 2 LPP , relatif à la prescription des actions en recouvrement de créances de cotisations ou de prestations périodiques, renvoie explicitement aux art. 129 à 142 du Code des obligations. Cette réglementation est impérative et s'applique à toutes les créances fondées sur la LPP, notamment aussi aux rapports juridiques avec des institutions de droit public (message du Conseil fédéral à l'appui d'un projet de loi sur la prévoyance professionnelle, vieillesse, survivants et invalidité du 19 décembre 1975, FF 1 ATF 976 I 251 ; voir aussi ATF 132 V 165 consid. 4.4.3 et ATF 128 V 241 consid. 3b où le Tribunal fédéral des assurances se réfère explicitement aux actes interruptifs de prescription au sens de l' art. 135 CO ; cf. également arrêt du 10 février 2004, [B 87/00]). En raison de ce renvoi pur et simple aux dispositions du code des obligations et dès lors que l'énumération contenue à l' art. 135 ch. 2 CO est exhaustive, il n'y a pas de place en l'espèce pour une réglementation plus large en matière d'interruption de la prescription du fait du créancier (cf. également BRACONI, op. cit., p. 232). 5.3 En conséquence, la prétention de la Caisse de pension en remboursement d'une partie de la prestation de sortie versée au recourant est prescrite. Le recours de droit administratif est ainsi bien fondé. 6. (Frais et dépens)
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Sachverhalt ab Seite 365 BGE 102 Ib 365 S. 365 Z. wurde am 4. Februar 1973 auf dem Flughafen Zürich-Kloten verhaftet, weil er in den beiden Doppelböden seines Reisekoffers vier Kilogramm konzentriertes, flüssiges Cannabisharz aus dem nahen Osten mitführte und diese Ware nicht zur Zollbehandlung angemeldet hatte. Die Zollkreisdirektion II leitete gegen ihn eine Untersuchung ein, die am 26. Juni 1973 mit der Aufnahme eines Strafprotokolls endete, worin der Betrag des umgangenen Zolles und der umgangenen Warenumsatzsteuern festgehalten wurde. Z. unterzeichnete das Protokoll unter Vorbehalt einer Beschwerde an die Oberzolldirektion (OZD) betreffend Festsetzung der Warenumsatzsteuern. Am 17. Juli 1973 wandte sich Z. mit einem als "Beschwerde" BGE 102 Ib 365 S. 366 bezeichneten Schreiben an die OZD. Diese nahm dazu in einem am 23. Oktober 1973 an Z. adressierten Brief Stellung. Sie legte dar, weshalb die Steuerforderung berechtigt sei und forderte Z. auf, sofern es "sein Wille sein sollte, gegen die Steuerfestsetzung Beschwerde zu erheben und einen förmlichen Beschwerdeentscheid zu erhalten", ihr dies innert 10 Tagen mitzuteilen. Z. liess die Frist unbenützt ablaufen. Die OZD schloss aus seinem Schweigen, dass er auf eine Beschwerde gegen die Abgabenfestsetzungen verzichtet habe und diese rechtskräftig geworden sei. Das Eidg. Finanz- und Zolldepartement erliess daraufhin die Strafverfügung. Z. erhob dagegen Einsprache und verlangte gerichtliche Beurteilung. Bezirksgericht und Obergericht bestätigten in der Folge die Strafverfügung. Am 20. März 1975, d.h. am Tag, da das Obergericht sein Urteil in der Strafsache Z. fällte, erkundigte sich der Rechtsvertreter von Z. bei der OZD nach dem ausstehenden Entscheid über die von Z. bei ihr am 17. Oktober 1973 eingereichte Beschwerde. Die OZD erklärte mit Schreiben vom 4. April 1975, nachdem die Strafsache vor den ordentlichen Gerichten anhängig und damit der Kognition der Zollverwaltung entzogen sei, könne sie auf die Abgabenfestsetzung im Strafprotokoll nicht mehr zurückkommen. Die Eidg. Zollrekurskommission, an die Z. daraufhin gelangte, trat auf die Beschwerde nicht ein mit der Begründung, die Feststellung des Obergerichts, wonach eine rechtskräftige, den Richter bindende Steuerfestsetzung vorliege, sei endgültig und nicht mehr anfechtbar; mit dem Übergang des Strafverfahrens an den Richter sei die Frage nach der rechtskräftigen Abgabenfestsetzung vom Richter zu entscheiden. Gegen diesen Entscheid erhebt Z. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die das Bundesgericht abweist, mit folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Z. hat im Verfahren vor der Zollrekurskommission verlangt, die OZD sei zu verhalten, die Beschwerde, die er am 17. Juli 1973 bei ihr eingereicht habe, zu behandeln. Die Zollrekurskommission ist auf die Beschwerde nicht eingetreten mit der Begründung, es sei gerichtlich festgestellt worden, dass die Abgabenfestsetzung durch die Zollkreisdirektion rechtskräftig sei. Mit einem derartigen Entscheid ist sie auf BGE 102 Ib 365 S. 367 das bei ihr eingelegte Rechtsmittel materiell eingetreten. Sie durfte die Beschwerde daher nicht durch einen Nichteintretensbeschluss erledigen. Zur Behandlung einer Rechtsverzögerungs- oder Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen die OZD war die Zollrekurskommission zuständig und sie behauptet nicht, dass die Beschwerde an formellen Mängeln leide. Ob die OZD zu Recht oder Unrecht auf das Begehren des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist und ob der dafür vorgebrachte Grund rechtsgenüglich war, gehört zur materiellen Beurteilung der Sache und beschlägt nicht eine Eintretensvoraussetzung. Da die Zollrekurskommission in der Entscheidbegründung materiell tatsächlich auf die Beschwerde eingetreten ist, kann davon ausgegangen werden, sie habe die Beschwerde abgewiesen. Damit entfällt der Vorwurf der Rechtsverweigerung und der Verletzung des rechtlichen Gehörs. 2. Auf den 1. Juli 1975 ist das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) in Kraft getreten. Es hob u.a. die Art. 90-100 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (ZG) auf, ebenso die Absätze 1 und 3 von Art. 101 ZG , welche die Zollzahlung betreffen. Art. 101 Abs. 3 ZG hatte bestimmt, dass vorgängig der administrativen Strafverfügung wegen Bannbruchs die Festsetzung des geschuldeten Betrages durch die Zollbehörde stattfinde. Hiegegen konnte Beschwerde geführt werden; der rechtskräftig gewordene Zollansatz hatte als Grundlage für die administrative und, im Weiterzugsfall, die richterliche Strafbemessung zu dienen. Das Strafverfahren wickelte sich nach den Regeln der Art. 293ff. BStP ab. Dabei bildete der umgangene Zollbetrag die Grundlage für die Strafzumessung und musste daher grundsätzlich vorweg, d.h. vor Erlass der Strafverfügung, ermittelt werden. Das gleiche galt hinsichtlich der Umgehung der Warenumsatzsteuer ( Art. 52 Abs. 1 WUStB ). Art. 101 Abs. 3 ZG ist ersetzt worden durch Art. 73 Abs. 1 und 77 Abs. 4 VStrR. Art. 106 VStrR schreibt aber vor, dass Strafverfahren, in denen die Strafverfügung der Verwaltung nach Art. 293 oder Art. 324 BStP vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften ergangen ist, nach bisherigem Recht fortgesetzt werden. Die administrative Strafverfügung gegen Z. ist am 28. November erlassen und am 11. Dezember 1973 eröffnet worden. Das Strafverfahren ist daher nach altem Verfahrensrecht fortzusetzen. Das bedingt, dass auch die Bestimmungen BGE 102 Ib 365 S. 368 des bisherigen Rechts in bezug auf die Zollfestsetzung bzw. Festsetzung der geschuldeten Warenumsatzsteuern und das gegenseitige Verhältnis zwischen dem Verfahren betreffend Festsetzung der Abgaben und dem Zollstrafverfahren beachtet werden müssen. 3. Im alten und hier an sich anwendbaren Recht unterscheidet Art. 101 ZG deutlich zwischen dem Verfahren zur Festsetzung des geschuldeten Abgabebetrages und der administrativen und richterlichen Strafbemessung ( BGE 88 IV 91 E. 2a). Die Abgabenfestsetzung durch die zuständige Zollbehörde geht der administrativen Strafverfügung und einem allfälligen gerichtlichen Verfahren zur Festsetzung der Strafe für den Bannbruch voraus, wobei der rechtskräftig gewordene Abgabebetrag als Grundlage für die administrative und die richterliche Strafbemessung zu dienen hat. Art. 305 Abs. 1 BStP bestimmte ferner, das Strafverfahren sei durch die Gerichte einzustellen, bis das Verwaltungsgericht - und dazu gehört auch die Zollrekurskommission ( BGE 88 IV 94 E. 3) - über die Leistungspflicht entschieden habe, wenn diese bei ihm angefochten worden sei. Art. 124 der Vollziehungsverordnung zum ZG vom 10. Juli 1926 gestattete nämlich, die Strafverfügung auch zu erlassen, wenn gegen die Zollfestsetzung Beschwerde erhoben worden war, so dass es vorkommen konnte, dass über die Abgabenfestsetzung noch nicht rechtskräftig entschieden und dennoch das Strafverfahren bei den Gerichten anhängig war (vgl. auch Art. 299 BStP ). Die Verordnungsvorschrift wurde im Zuge des Erlasses des VStrR aufgehoben und ersetzt. Auch nach neuem Recht ist die Zuständigkeit nicht wesentlich anders geordnet; das Verfahren zur Festsetzung des geschuldeten Abgabebetrages und das Strafverfahren sind voneinander getrennt. Ein Antrag, die Gerichte im Strafverfahren vorfrageweise auch über die Rechtsbeständigkeit der Abgabenforderung entscheiden zu lassen, blieb in den parlamentarischen Verhandlungen in der Minderheit (Amtl. Bull. 1973 N I 492). Eine Änderung trat nur in dem Sinne ein, dass den Gerichten bei offensichtlicher Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung die Möglichkeit eingeräumt wird, die Akten an die Verwaltungsbehörden zurückzuweisen, offenbar in der Meinung, diese hätten aufgrund des gerichtlichen Urteils in dessen Sinn neu zu verfügen. Hat jedoch ein Verwaltungsgericht die BGE 102 Ib 365 S. 369 geschuldete Abgabe festgesetzt, muss der Strafrichter die rechtskräftig festgesetzte Abgabe seiner Strafzumessung zugrundelegen. Aufgrund dieser Ordnung ergibt sich, dass die Zuständigkeit zur Festsetzung der Abgabe nicht einfach an die Gerichte übergeht, wenn diese im Strafverfahren die Strafe nach Massgabe des umgangenen Abgabebetrages festzusetzen haben. Nach wie vor bleiben die Verwaltungs- bzw. die Verwaltungsrechtspflegebehörden dafür zuständig. 4. Im hier zu beurteilenden Zusammenhang handelt es sich nicht um die Festsetzung des Abgabenbetrages, sondern um die Frage, ob dieser (hier durch das Strafprotokoll vom 26. Juni 1973) rechtskräftig ermittelt worden sei. Die Frage, ob die geschuldeten Abgaben rechtskräftig festgesetzt sind, ist für den Strafrichter verfahrensrechtlich von Bedeutung. Falls die Rechtskraft nicht eingetreten ist, hat er seinen Entscheid bis zur rechtskräftigen Erledigung durch die zuständigen Behörden auszusetzen. Der Strafrichter hat also vorweg darüber zu befinden, ob der Zoll (allenfalls die Warenumsatzsteuer) rechtskräftig festgesetzt worden ist oder nicht. Der Entscheid darüber betrifft jedoch für ihn nur eine Vorfrage; es handelt sich allenfalls um einen Zwischenentscheid, der für das Verfahren der Abgabenermittlung keine Bedeutung hat. Zur vorfrageweisen Beurteilung von Rechtsfragen, deren Beantwortung an sich in die Zuständigkeit einer andern Behörde fällt, ist nach schweizerischer Auffassung der Richter berechtigt, wenn ihm diese Befugnis nicht - wie gerade in bezug auf die Abgabenfestsetzung - ausdrücklich entzogen ist ( BGE 98 Ia 120 ; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 93; IMBODEN-RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Nr. 142 I). Die vorfrageweise Entscheidung schafft jedoch nicht Recht in der Hauptsache ( BGE 88 I 9
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mit Hinweisen). Sie kommt denn auch im Dispositiv des richterlichen Urteils in der Regel nicht zum Ausdruck. Für die Administrativbehörden ist sie nicht verbindlich und entbindet diese auch nicht davon, die Frage der Rechtskraft selbständig zu beurteilen, sofern das erforderlich wird. Die mit der Festsetzung der Abgabe zuständigkeitshalber befassten Behörden können deshalb die Überprüfung, ob ihre Verfügung rechtskräftig geworden sei, nicht mit der Begründung ablehnen, der Strafrichter habe die Rechtskraft anerkannt. Behauptet der Pflichtige im BGE 102 Ib 365 S. 370 Beschwerdeverfahren, die Abgabe sei nicht rechtskräftig festgesetzt und es stehe ihm der Rechtsmittelweg noch offen, haben sich die mit der Veranlagung befassten Behörden mit dem Einwand auseinanderzusetzen und dürfen nicht auf das Urteil im Strafverfahren verweisen, mögen sie sich möglicherweise auch der im Strafurteil enthaltenen Begründung, weshalb die Rechtskraft eingetreten sei, anschliessen. Welche Folgen für das rechtskräftige gerichtliche Urteil eintreten, wenn der Strafrichter die Rechtskraft bejaht und die Administrativjustiz sie verneint, braucht hier nicht geprüft zu werden; aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt sich nämlich, dass die Veranlagungsverfügung im Strafprotokoll vom 26. Juni 1973 mangels formrichtiger Beschwerde an die OZD rechtskräftig geworden ist. 5. Auf das Beschwerdeverfahren vor den Zollbehörden finden seit dem 1. Juni 1973 gemäss dem revidierten Art. 109 ZG (in der Fassung vom 6. Oktober 1972) die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) Anwendung (die Art. 110-116 ZG wurden damals aufgehoben). Über den Eintritt der formellen Rechtskraft von Verfügungen enthält das Gesetz selber keine Bestimmungen. Doch lassen sich dem Art. 39 VwVG gewisse Grundsätze entnehmen. Nach Lehre und Rechtsprechung wird eine Verfügung rechtskräftig u.a. mit dem unbenutzten Ablauf einer allfälligen Rechtsmittelfrist, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 162f.). Die Rechtskraft fällt nachträglich dahin, wenn die Beschwerdefrist (wie nach Art. 24 VwVG ) wieder hergestellt wird. Im weitern kann die Rechtskraft in Abgabesachen eintreten mit der Anerkennung der Abgabepflicht und des Abgabebetrages. 6. Z. hat am 26. Juni 1973 ein Strafprotokoll unterzeichnet. In ihm war auf der ersten Seite der Betrag des umgangenen Zolles mit Fr. -.96, derjenige der umgangenen Warenumsatzsteuern mit Fr. 15'000.-- angegeben. Z. unterzeichnete dieses Protokoll auf der ersten Seite. Auf einem Einlageblatt wurden der Tatbestand, die Berechnung der umgangenen Abgaben sowie die Verfehlungen im einzelnen angeführt. Am Schluss steht der Vermerk: "Herr Z. hat dieses Protokoll selbst gelesen und anerkennt den darin festgehaltenen Tatbestand als richtig." Z. unterzeichnete auch dieses Einlageblatt. BGE 102 Ib 365 S. 371 Blatt 1 des Strafprotokolls enthält vorgedruckt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Festsetzung des umgangenen Zolles und der umgangenen Warenumsatzsteuern innert 30 Tagen bei der OZD Beschwerde erhoben werden kann. Am 17. Juli 1973 liess Z. der OZD ein Schreiben zugehen, das er mit "Beschwerde" überschrieb und das folgenden Wortlaut hat: "Betrifft: Beschwerde (Akten Nr. p 22.15.73 ZGR.) (Strafprotokoll Nr. 2891.) Folgende Beschuldigungen liegen vor: - ein Vergehen im Sinne des BG über das Zollwesen vom 1.10.1925; - eine Übertretung des Bundesbeschlusses vom 29.7.1941 betr. die WUST. Zu Absatz 1 ist folgendes zu sagen: Da zu befürchten war, dass das deklarierte Haschisch unverzüglich der Polizei gemeldet wird, musste ich von einer Deklaration absehen. Mein Demokratiebewusstsein toleriert keine staatlichen Eingriffe in die Intimsphäre des Bürgers, solange Drittpersonen unbehelligt bleiben vom Verhalten des Betreffenden. Zu Absatz 2: Warenumsatzsteuer wird meines Wissens nur beim Umsetzen der Ware erhoben. Da ich nie daran gedacht habe, die erwähnte Ware umzusetzen, sondern Konsument bin, erweist sich auch die zweite Anschuldigung als nichtig. Hochachtungsvoll grüsst Sie Z." Diese Eingabe genügte den Anforderungen, welche das Bundesverwaltungsverfahrensrecht an Inhalt und Form einer Beschwerdeschrift stellt, offensichtlich nicht. Nach Art. 52 VwVG hat nämlich die Beschwerdeschrift die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Die Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 17. Juli 1973 enthielt - trotz Betitelung als Beschwerde - kein Begehren; Z. nahm darin Stellung zu den ihm im Strafprotokoll zur Last gelegten Widerhandlungen gegen die Eidg. Zoll- und Steuergesetzgebung und rechtfertigte sein Verhalten. Aus seiner Eingabe konnte die OZD nicht unmissverständlich erkennen, in welcher Richtung die angefochtene Verfügung zu überprüfen war, BGE 102 Ib 365 S. 372 verlangte doch Z. weder ausdrücklich noch sinngemäss deren Aufhebung oder Änderung. Verfahrensrechtlich kann Z. daher vorgeworfen werden, dass er im Schreiben vom 17. Juli 1973 die beantragte Rechtsfolge und damit den Streitgegenstand nicht bestimmt hat, was nach Art. 52 VwVG Verfahrenspflicht des Beschwerdeführers ist. Unter diesen Umständen war die Frage, die sich die OZD gestellt hat, nämlich, ob im Schreiben vom 17. Juli 1973 überhaupt eine Beschwerde im Sinne der Art. 44ff. VwVG erblickt werden könne, durchaus gerechtfertigt. Wenn auch im Verwaltungsverfahren hinsichtlich Form und Inhalt einer Beschwerde keine hohen Anforderungen gestellt werden und die Einhaltung von Formvorschriften nicht nach strengen Massstäben beurteilt wird, muss vom Rechtsuchenden doch ein Mindestmass an Sorgfalt in der Beschwerdeführung verlangt werden. Soll einer Eingabe nämlich die Wirkung zukommen, dass sie den Eintritt der Rechtskraft hemmt und die Vollstreckung aufschiebt ( Art. 55 Abs. 1 VwVG ), hat der Beschwerdeführer erkenntlich seinen Willen um Änderung der ihn betreffenden Rechtslage zum Ausdruck zu bringen. Dies hat Z. unterlassen. Der OZD standen zwei Wege offen, um das Verfahren ordnungsgemäss weiterzuführen bzw. abzuschliessen: War sie der Ansicht, es liege keine Beschwerde vor, hatte sie dies in einem Nichteintretensentscheid förmlich festzustellen; bejahte sie aber das Vorliegen einer Beschwerde, die den formellen Anforderungen des Art. 52 VwVG nicht genügte, hatte sie das in den Abs. 2 und 3 dieser Bestimmung vorgesehene Verbesserungsverfahren einzuleiten. Die OZD wählte einen dritten, im Gesetz nicht vorgesehenen Weg: Sie belehrte Z. in einem Brief über die konkrete Rechtslage und bat ihn, innert 10 Tagen mitzuteilen, ob es sein Wille sei, gegen die Steuerfestsetzung Beschwerde zu erheben und einen förmlichen Beschwerdeentscheid zu erhalten. Wenngleich das Gesetz ein solches Verfahren nicht vorsieht (aber auch nicht ausschliesst), so hat die OZD damit immerhin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Eingabe von Z., wenn sie überhaupt als Beschwerde betrachtet werden konnte, zumindest mangelhaft und daher verbesserungsbedürftig war, und dass sie innert 10 Tagen verbessert werden musste, sofern die Sache einer materiellen Beurteilung unterzogen werden sollte. Unzweckmässig war dagegen die Annahme der OZD, Stillschweigen des Beschwerdeführers BGE 102 Ib 365 S. 373 bedeute Verzicht auf das Rechtsmittel und es bedürfe dann keines förmlichen Entscheides mehr, der die Sache abschliesse. Wohl mag es nämlich in Fällen, in denen nicht klar ist, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Beschwerde führen oder sich bloss in einer ihn betreffenden Sache äussern will, zweckmässig sein, diesen zur Verdeutlichung seiner Absichten aufzufordern, um einen unnötigen Leerlauf zu vermeiden und ihm allenfalls Kosten zu ersparen. Es widerspricht aber einem ordnungsgemäss geführten Verwaltungsverfahren, im Falle, da der "Beschwerdeführer" auf eine entsprechende Aufforderung hin nicht reagiert, das Verfahren nicht durch einen Nichteintretensentscheid wegen fehlender Begehren und Begründung ( Art. 52 Abs. 3 VwVG ) abzuschliessen. Denn erst ein solcher Entscheid schafft klare Rechtsverhältnisse, namentlich im Hinblick auf die Rechtskraft des Erstentscheides. Der Beschwerdeführer erklärt, er sei während des 10tägigen Fristenlaufes im Ausland gewesen und das Schreiben sei ihm bei seiner Rückkehr von der Person, die es in Empfang genommen habe, nicht ausgehändigt worden. Er reagierte auf die Erklärungsaufforderung aber selbst dann nicht, als er nachträglich davon Kenntnis erhielt. In der beinahe 17 Monate später von seinem Anwalt eingereichten Aufforderung an die OZD, es sei die Beschwerde zu behandeln, unterliess er es erneut, konkrete materielle Rechtsbegehren zu stellen. Die OZD war unter diesen Umständen nicht mehr verpflichtet, dem Beschwerdeführer im Anschluss an das Schreiben seines Anwalts vom 20. März 1975 eine neue Frist zur Beschwerdeverbesserung einzuräumen. Sie durfte im Schreiben vom 4. April 1975 auf Nichteintreten erkennen. Dies tat sie - allerdings mit anderer Begründung. Nicht weil die Sache durch den Übergang auf die Gerichte der Kognition der Verwaltungs- bzw. Verwaltungsrechtspflegebehörden entzogen war, sondern weil die Verwaltungsbeschwerde die formellen Eintretensvoraussetzungen nach Massgabe des Art. 52 VwVG nicht erfüllte, konnte und durfte sich die OZD mit der Sache nicht mehr befassen. Demnach hätte sich auch die anschliessend angegangene Zollrekurskommission einzig mit der prozessualen Frage des Eintretens nach Art. 52 VwVG befassen und aus formellen Gründen die Beschwerde abweisen sollen. Die unrichtige Begründung der Vorinstanzen ändert aber BGE 102 Ib 365 S. 374 nichts daran, dass die OZD auf die bei ihr eingereichte Beschwerde mangels Verbesserung nicht mehr eintreten musste. Das Begehren um materielle Beurteilung von Rechtsbegehren, die formell nie rechtsgenüglich gestellt worden sind, stösst somit ins Leere. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet; sie ist daher abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 376 BGE 139 V 375 S. 376 A. Im Jahre 2003 wurde bei der 1942 geborenen N. paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) diagnostiziert. Seit 2005 erhält sie das Medikament Soliris, welches in der Schweiz seit dem 4. Januar 2010 heilmittelrechtlich zugelassen ist. Von September 2005 bis April 2008 erfolgte die Therapie im Rahmen einer internationalen Studie und anschliessend im Status "Compassionate Use" mit Sonderbewilligung des Schweizerischen Heilmittelinstituts (Finanzierung durch den Entwickler und Hersteller des Medikaments). Am 8. Mai 2009 erteilte die Progrès Versicherungen AG (nachfolgend: Progrès), bei welcher N. grundversichert ist, erstmals Gutsprache für die Kosten der Behandlung mit Soliris für die Dauer von drei Monaten. Auf Begehren der Versicherten erliess die Progrès am 16. April 2010 eine Verfügung, in welcher sie einen (weiteren) Leistungsanspruch zu Lasten der Grundversicherung verneinte. Die von N. dagegen erhobene Einsprache hiess die Progrès in dem Sinne teilweise gut, als sie die Kosten für die Behandlung bis zum Zeitpunkt der Zulassung von Soliris am 4. Januar 2010 übernahm. Im weitergehenden Umfang lehnte sie die Einsprache ab (Entscheid vom 24. Juni 2010). B. Beschwerdeweise liess die Versicherte beantragen, der Einspracheentscheid sei insoweit aufzuheben, als die Einsprache abgewiesen worden sei, und es seien alle Kosten der Behandlung mit dem Medikament Soliris ab 4. Januar 2010 durch die Progrès zu übernehmen. Mit Entscheid vom 14. Februar 2012 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. C. N. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Progrès zu verpflichten, die Kosten der Behandlung mit dem Arzneimittel Soliris für die Zeit vom 4. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2011 zu übernehmen. Mit Vernehmlassung vom 28. Januar 2013 beantragt die Progrès die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) enthält sich in seiner Vernehmlassung vom 19. März 2013 eines formellen Antrages. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 139 V 375 S. 377
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Die soziale Krankenversicherung gewährt Leistungen unter anderem bei Krankheit ( Art. 3 ATSG [SR 830.1]; Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG ). Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung dürfen die Versicherer keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Art. 25-33 KVG übernehmen ( Art. 34 Abs. 1 KVG ). Dazu zählen auch die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen ( Art. 25 Abs. 1 KVG ). Diese Leistungen umfassen unter anderem die ärztlich verordneten Arzneimittel ( Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG ). Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss ( Art. 32 Abs. 1 KVG ). Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft ( Art. 32 Abs. 2 KVG ). 4.2 Die Vergütungspflicht erstreckt sich nach Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG grundsätzlich nur auf Arzneimittel, die in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt sind. Die SL zählt die pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel im Sinne einer Positivliste abschliessend auf ( BGE 136 V 395 E. 5.1 S. 398 f.; BGE 134 V 83 E. 4.1 S. 85 ff.; BGE 131 V 349 E. 2.2 S. 351; GEBHARD EUGSTER, Die obligatorische Krankenversicherung [nachfolgend: Krankenversicherung], in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 513 Rz. 346). Aufgenommen werden nur Spezialitäten, für welche die Pharmahersteller oder Importeure einen Antrag stellen (EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG [nachfolgend: Rechtsprechung], 2010, N. 3 zu Art. 52 KVG ). 4.3 Kassenpflichtig sind pharmazeutische Spezialitäten des Weitern nur im Rahmen von Indikationen und Anwendungsvorschriften, die bei Swissmedic registriert sind ( BGE 130 V 532 E. 5.2 S. 541 f.). Die Anwendung eines Arzneimittels ausserhalb der registrierten Indikationen und Anwendungsvorschriften macht dieses zu einem solchen "ausserhalb der Liste" bzw. zu einem "Off-Label-Use" und damit grundsätzlich zur Nichtpflichtleistung ( BGE 136 V 395 E. 5.1 S. 398 f.; BGE 130 V 532 E. 3.2.2 S. 538 und E. 3.4 S. 540; EUGSTER, Rechtsprechung, N. 35 zu Art. 25 KVG ; zum Ganzen: LORIS MAGISTRINI, L'utilisation hors étiquette de médicaments et son remboursement par l'assurance-maladie, Jusletter vom 31. Januar 2011). BGE 139 V 375 S. 378 4.4 Nach der Rechtsprechung sind ausnahmsweise auch die Kosten von nicht in der SL aufgeführten Arzneimitteln und von Arzneimitteln der SL ausserhalb der registrierten Indikationen und Anwendungsvorschriften zu übernehmen. Voraussetzung ist, dass ein sogenannter Behandlungskomplex vorliegt oder dass für eine Krankheit, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann, wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode verfügbar ist; diesfalls muss das Arzneimittel einen hohen therapeutischen (kurativen oder palliativen) Nutzen haben ( BGE 136 V 395 E. 5.2 S. 399; BGE 131 V 349 E. 2.3 S. 351; BGE 130 V 532 E. 6.1 S. 544 f.; MAGISTRINI, a.a.O., Rz. 112 ff.). Ein wichtiger Anwendungsbereich für Ausnahmen von der Listenpflicht sind Medikamente gegen Krankheiten, die so selten sind, dass sich für die Hersteller das Zulassungsverfahren nicht lohnt (sog. Orphan Use bzw. Orphan Diseases; BGE 136 V 395 E. 5.2 S. 399; EUGSTER, Krankenversicherung, S. 515 Rz. 354). Als Orphan Drugs gelten Arzneimittel, die in der Schweiz (noch) nicht zugelassen sind und gegen seltene Krankheiten eingesetzt werden, die zur Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt sind, das lebensbedrohlich ist oder bei Nichtbehandlung eine chronische Invalidität oder ein schweres chronisches Leiden hervorruft und nicht mehr als 5 von 10'000 Personen betrifft (vgl. Handbuch des BAG betreffend die Spezialitätenliste in der ab 1. Februar 2008 gültig gewesenen Fassung, Rz. 811 [vgl. auch Rz. I.4.1 in der ab 1. September 2011 geltenden Fassung]; vgl. auch die Verordnung [EG] Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden; PETER BRAUNHOFER, Arzneimittel im Spannungsfeld zwischen HMG und KVG aus der Sicht des Krankenversicherers, in: Das neue Heilmittelgesetz, Eichenberger/Poledna [Hrsg.], 2004, S. 103 ff., 106 f.; VALÉRIE JUNOD, Accès aux médicaments, Les conditions du remboursement dans l'assurance-maladie obligatoire, in: Le droit de la santé: aspects nouveaux, Guillod/Wessner [Hrsg.], 2010, S. 83 ff., 117 ff.). Die Frage, ob ein für die Kostenübernahme vorausgesetzter hoher therapeutischer Nutzen vorliegt, ist sowohl in allgemeiner Weise als auch bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen ( BGE 136 V 395 E. 6.4 und 6.5 S. 401 f.). 5. 5.1 Die Vorinstanz erwog, da das Medikament Soliris bei der Beschwerdeführerin entsprechend der Zulassung zur Behandlung von BGE 139 V 375 S. 379 PNH eingesetzt werde, liege kein Off-Label-Use vor. Demnach falle eine Ausnahme vom Grundsatz der Listenpflicht unter diesem Aspekt ausser Betracht. Weiter prüfte sie, ob das Medikament als Orphan Drug zu übernehmen sei. Sie verneinte die Frage mit der Begründung, die Anerkennung als Orphan Drug sei ein Instrument zur Förderung der Entwicklung eines Arzneimittels gegen seltene Krankheiten, für die sich ein Zulassungsverfahren ansonsten nicht lohne. Aus diesem Grunde fielen ausschliesslich Arzneimittel in Betracht, die über keine Zulassung verfügten. Auf diesen Umstand beziehe sich die von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme von der Listenpflicht. Eine andere Frage sei, ob das Arzneimittel zu Lasten der Grundversicherung abgerechnet werden könne. Dafür sei unter anderem die Frage massgebend, ob eine Behandlung mit dem betreffenden Arzneimittel dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 32 Abs. 1 KVG standhalte. Sei neben den übrigen Voraussetzungen auch die Wirtschaftlichkeit gegeben, erfolge die Aufnahme in die SL. Praxisgemäss seien Ausnahmen von der Listenpflicht nur restriktiv zulässig, da zu verhindern sei, dass durch eine extensive Praxis der ordentliche Weg der Listenaufnahme durch Einzelfallbeurteilungen ersetzt und dadurch die mit der SL verbundene Wirtschaftlichkeitskontrolle umgangen werde. Dies bedeute vorliegend, dass seit der Marktzulassung von Soliris und bis zur Klärung der Frage, ob das Präparat in die SL aufzunehmen sei, die Grundversicherung nicht mehr für die Behandlung aufzukommen habe. Mit der Marktzulassung von Soliris sei das mit der Orphan-Drug-Regelung angestrebte Ziel erreicht; denn gefördert werden solle die Entwicklung und Marktzulassung von Medikamenten gegen seltene Krankheiten, nicht die Aufnahme solcher Arzneien in die SL. In der Phase seit der Marktzulassung bis zur Aufnahme in die SL bestehe keine Rechtfertigung mehr für eine Privilegierung gegenüber anderen Patienten, deren Medikament auch noch nicht in die SL aufgenommen worden sei. Im Übrigen könne die Versicherte die Behandlung mit Soliris zu 90 % über ihre Zusatzversicherung abrechnen. 5.2 Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Ausnahmen von der Listenpflicht im Einzelfall sowohl beim Off-Label-Use als auch in denjenigen Fällen, in denen das Medikament als solches noch nicht in die SL aufgenommen worden sei, auf die fehlende Nennung in der SL, verbunden mit den übrigen Voraussetzungen abgestellt werde. Die Frage der Zulassung durch Swissmedic sei nie zum Thema BGE 139 V 375 S. 380 gemacht worden. Ihrer Auffassung nach würde eine andere Argumentation zu absurden Zuständen führen: Vor der Zulassung von Soliris würde eine Kostenübernahme aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) als Orphan Drug gewährt, die nach der Zulassung und während des daran anschliessenden Prüfungsverfahrens beim BAG wieder wegfallen würde, um dann im Falle der Aufnahme des Arzneimittels in die SL wieder aufzuleben. 5.3 Die Beschwerdegegnerin gibt zu bedenken, dass Ausnahmen von der Listenpflicht nur sehr restriktiv zulässig seien, da verhindert werden müsse, dass durch eine extensive Auslegung der ordentliche Weg der Listenaufnahme und der damit verbundenen Wirtschaftlichkeitskontrolle umgangen werde. Dies könne nur bedeuten, dass der Grundversicherer die Therapie ab Zulassung durch die Swissmedic bis zur SL-Aufnahme nicht zu vergüten habe. 5.4 Das BAG stellt sich auf den Standpunkt, im Zeitraum vor der Swissmedic-Zulassung bis zur Aufnahme in die SL habe eine Vergütung über die OKP nur erfolgen können, wenn die mit Wirkung auf den 1. März 2011 in Art. 71a Abs. 1 KVV (SR 832.102) verankerten bundesgerichtlichen Kriterien erfüllt waren (Behandlungskomplex; tödlicher oder schwerer und chronischer Verlauf; keine Behandlungsalternative; hoher therapeutischer Nutzen). In casu sei Art. 71b KVV massgebend, da Soliris in dieser Zeit nicht in der SL aufgeführt gewesen, jedoch innerhalb der Fachinformation von Swissmedic angewendet worden sei. Bei der Vergütung von nicht in die SL aufgenommenen Arzneimitteln erfolge immer eine Einzelfallbeurteilung. Eine solche vorzunehmen sei nicht Aufgabe des BAG. Vielmehr sei es die Aufgabe der Krankenversicherer, nach vorgängiger Konsultation des Vertrauensarztes zu prüfen, ob die vorstehend dargelegten Voraussetzungen zur Kostenübernahme durch die OKP erfüllt sind. Könne die Wirksamkeit, mithin der grosse therapeutische Nutzen von Arzneimitteln, die nicht in der SL aufgelistet seien, bejaht werden, seien auch die Kriterien der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Dabei sei vor allem in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit dem Verhältnismässigkeitsprinzip und dem Prinzip der Rechtsgleichheit Rechnung zu tragen. Wenn ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Heilerfolg bestehe, könne eine Leistungsverweigerung durch den Versicherer erfolgen. Seien jedoch die in Art. 71b KVV erwähnten Voraussetzungen erfüllt, wäre die Krankenversicherung im vorliegenden Einzelfall leistungspflichtig. BGE 139 V 375 S. 381 6. 6.1 Verwendungsfertige Arzneimittel dürfen (unter Vorbehalt hier nicht weiter interessierender internationaler Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen) nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic zugelassen sind (Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2010 über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21]). Die Zulassungspflicht dient als Instrument der präventiven Produktekontrolle der Verwirklichung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und von Treu und Glauben auf dem Arzneimittelmarkt (EICHENBERGER/JAISLI/RICHLI, Das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte, 2006, N. 3 zu Art. 9 HMG ; vgl. auch UELI KIESER, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und Sozialversicherungsrecht, AJP 2007 S. 1042 ff., 1043 f.). In diesem Sinne sollen nach der Zweckumschreibung in Art. 1 Abs. 1 HMG nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Arzneimittel in Verkehr gebracht werden. 6.2 In die SL aufgenommen werden kann ein Arzneimittel, wenn es über eine gültige Zulassung des Instituts verfügt ( Art. 65 Abs. 1 KVV ). In diesem Sinne ist die Zulassung durch das Heilmittelinstitut die primär zu erfüllende Voraussetzung für die Aufnahme in die SL (vgl. Art. 65 Abs. 1 KVV ; Art. 30a Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31] ; BRAUNHOFER, a.a.O., S. 104). Das vorangehende, mit einem positiven Entscheid abgeschlossene heilmittelrechtliche Zulassungsverfahren ist für den Bereich der Krankenversicherung insofern bedeutsam, als es jedenfalls für die Prüfung der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit eines Arzneimittels den Prüfungsrahmen absteckt (vgl. BGE 131 V 349 E. 3.1 S. 351 f.; KIESER, a.a.O., S. 1048). Die beiden Kriterien werden bei der Aufnahme in die SL gestützt auf die Unterlagen beurteilt, welche für die Registrierung durch das Heilmittelinstitut massgebend waren ( Art. 32 und Art. 33 Abs. 2 KLV ). Die Aufnahme in die SL erfolgt mithin nach einer doppelstufigen Zulassungsprüfung: Vorausgesetzt wird vorab die heilmittelrechtliche Zulassung. Hinzu kommt die krankenversicherungsrechtliche Zulassung, wobei die Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit erneut überprüft werden und als weiteres Kriterium die Wirtschaftlichkeit herangezogen wird (KIESER, a.a.O., S. 1049). BGE 139 V 375 S. 382 6.3 Dass nun aber eine Kostenübernahme auf den Zeitpunkt der heilmittelrechtlichen Zulassung zu verweigern wäre, wie die Vorinstanz dafürhält, lässt sich der Rechtsprechung nicht entnehmen. Vielmehr wurde in BGE 136 V 395 , in welchem Fall es ebenso um ein - im vereinfachten Verfahren als wichtiges Arzneimittel für seltene Krankheiten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG - zugelassenes Arzneimittel ging, ausdrücklich festgehalten, dass die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Kassenpflichtigkeit nicht ausschlaggebend ist (vgl. BGE 136 V 395 E. 4.2 S. 398 mit Hinweis auf PASCAL LACHENMEIER, Die Anwendung "nicht zugelassener" Arzneimittel in der Krebstherapie nach schweizerischem Recht ["off-label-use"], Jusletter vom 11. Mai 2009, Rz. 56; vgl. die für zugelassene und nicht zugelassene nicht in die SL aufgenommene Arzneimittel gleichermassen mögliche Kostenübernahme gemäss Art. 71b Abs. 1 und 2 KVV [in Kraft ab 1. März 2011]). 7. 7.1 Die Versicherte hat im Einspracheverfahren dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten des Medikamentes Soliris aus der Grundversicherung (vgl. E. 4.4 hiervor) bei ihr erfüllt sind, da die Krankheit PNH bei ihr schwere und chronische gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann, zudem wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame Behandlungsmethode als Soliris verfügbar ist, und dass ein hoher therapeutischer Nutzen vorliegt. 7.2 Die Progrès hat aufgrund der von der Versicherten im Einspracheverfahren eingereichten Unterlagen (unter anderem Informationsbroschüren Alexion; Auszug aus der Zeitschrift Blood vom 1. Dezember 2007 Volume 110 Number 12 S. 4123 ff. [Effect of the complement inhibitor eculizumab on thromboembolism in patients with paroxysmal nocturnal hemoglobinuria]) die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme des Medikaments Soliris bejaht, dies vorab bis zum (wie gesehen allerdings irrelevanten [vgl. E. 6.3]) Datum der heilmittelrechtlichen Zulassung. Weiter hat sie die Kosten des Arzneimittels mit Wirkung ab 1. März 2011 (rückwirkend) gestützt auf Art. 71b KVV übernommen. 7.3 Kann die Kostenübernahme - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht mit der Begründung, das Medikament sei nun heilmittelrechtlich zugelassen, verweigert werden (E. 6.3), ist die Progrès über den 4. Januar 2010 hinaus verpflichtet, die streitigen Kosten zu übernehmen, weil sämtliche von ihr bejahten Voraussetzungen BGE 139 V 375 S. 383 dafür unverändert erfüllt sind. Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen: Der vorausgesetzte hohe therapeutische Nutzen ( BGE 136 V 395 E. 6.4 und 6.5 S. 401 f.) ist in Bezug auf das den Wirkstoff "Eculizumabum" enthaltende Medikament Soliris nicht nur im konkreten Fall, sondern aufgrund der im von der Beschwerdeführerin eingereichten Zeitschriftenauszug beschriebenen Studie (vgl. E. 7.2 hievor) auch in allgemeiner Weise zu bejahen. Die Voraussetzung eines angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses schliesslich ist hier im Einzelfall zu prüfen und nicht mit der generellen Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäss Art. 34 ff. KLV im Rahmen der Aufnahme in die SL gleichzusetzen (vgl. BGE 136 V 395 E. 7.1 S. 406 f.). Soweit die Beschwerdegegnerin die Unwirtschaftlichkeit dennoch daraus ableitet, dass das Medikament Soliris vor der Aufnahme in die SL am 1. Februar 2012 zu einem um 30 % höheren Preis verrechnet wurde, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn allgemeinen übergangsrechtlichen Regeln zufolge (vgl. BGE 122 V 405 E. 3b/aa S. 408 f.) kann der Aufnahme in die SL keine rückwirkende Bedeutung zukommen. Andere Anhaltspunkte, aus welchen auf Unwirtschaftlichkeit geschlossen werden könnte, werden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus den Akten. Bei dieser Sachlage erübrigen sich Weiterungen. Wie die Preisgestaltung nach Inkrafttreten von Art. 71b KVV zu beurteilen wäre, ist vorliegend nicht zu entscheiden. 7.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass in der streitigen Zeit sämtliche Voraussetzungen für eine Kostenübernahme zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erfüllt sind. Demnach hat die Progrès, wie von der Versicherten beantragt, die Kosten der Behandlung mit Soliris auch in der Zeit vom 4. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2011 zu übernehmen.
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Sachverhalt ab Seite 3 BGE 144 V 2 S. 3 A. A., né en 1994, ressortissant français et allemand, est atteint d'une maladie congénitale (bêta-thalassémie majeure). Il est domicilié chez ses parents en France. Le père de l'enfant, B., de nationalité française, travaille au service de C.; il est affecté à U. depuis 2008. A ce titre, il est assujetti de manière obligatoire auprès de l'assurance-vieillesse et survivants (AVS) et de l'assurance-invalidité (AI). Après s'être vu refuser une première demande de prestations, A. a, par l'intermédiaire de ses parents, requis de l'assurance-invalidité la prise en charge d'une formation professionnelle initiale dans le domaine de la restauration et de l'hôtellerie en Suisse. Par décision du 2 juillet 2013, l'Office de l'assurance-invalidité pour les assurés résidant à l'étranger (ci-après: l'office AI) a rejeté cette nouvelle demande au motif que l'enfant n'était pas assujetti à l'AVS/AI suisse. B. Statuant par un juge unique le 6 octobre 2014, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours formé par l'enfant contre cette décision. Le Tribunal fédéral a, par arrêt 9C_807/2014 du 9 septembre 2015, partiellement admis le recours déposé par A., annulé le jugement du Tribunal administratif fédéral et renvoyé la cause à celui-ci pour qu'il statue dans une composition conforme à la loi. Par jugement du 24 octobre 2016, le Tribunal administratif fédéral a admis le recours formé par A. en ce sens que la décision du 2 juillet 2013 a été annulée et la cause renvoyée à l'office AI pour instruction complémentaire au sens des considérants et nouvelle décision. C. L'office AI forme un recours en matière de droit public contre ce jugement dont il demande l'annulation. Il conclut à la confirmation de la décision du 2 juillet 2013. BGE 144 V 2 S. 4 A. conclut au rejet du recours, en se référant intégralement au jugement entrepris. L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) propose l'admission du recours. L'intimé a réitéré ses conclusions après avoir pris connaissance des observations de l'OFAS, puis déposé un certificat médical. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Est litigieux le droit de l'intimé à la prise en charge par l'assurance-invalidité suisse d'une mesure de réadaptation, soit une formation professionnelle initiale qui serait dispensée en Suisse, tel que reconnu par l'autorité précédente et nié par l'office recourant. 3.2 Selon l' art. 16 al. 1 LAI , l'assuré qui n'a pas encore eu d'activité lucrative et à qui sa formation professionnelle initiale occasionne, du fait de son invalidité, des frais beaucoup plus élevés qu'à un non-invalide a droit au remboursement de ses frais supplémentaires si la formation répond à ses aptitudes. Sont réputées formation professionnelle initiale toute formation professionnelle initiale au sens de la loi fédérale du 13 décembre 2002 sur la formation professionnelle (LFPr; RS 412.10), ainsi que la fréquentation d'écoles supérieures, professionnelles ou universitaires faisant suite aux classes de l'école publique ou spéciale fréquentées par l'assuré, de même que la préparation professionnelle à un travail auxiliaire ou à une activité en atelier protégé ( art. 5 al. 1 RAI [RS 831.201]). 4. 4.1 Il n'est pas contesté entre les parties qu'en application de la seule législation interne suisse, l'assurance-invalidité n'a pas à prendre en charge la mesure de réadaptation litigieuse. Comme l'ont retenu les premiers juges, l'intimé ne réalise en effet pas les conditions d'assurance prévues à l' art. 9 al. 2 LAI . Aux termes de cette disposition, une personne qui n'est pas ou n'est plus assujettie à l'assurance a droit aux mesures de réadaptation jusqu'à l'âge de 20 ans au plus si l'un de ses parents: a. est assuré facultativement ou b. est assuré obligatoirement pour une activité professionnelle exercée à l'étranger conformément à l' art. 1a al. 1 let . c LAVS (ch. 1), à l' art. 1a al. 3 let. a LAVS (ch. 2) ou en vertu d'une convention internationale (ch. 3). Selon les constatations de la juridiction de première instance - qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 2 LTF ) -, le père de l'intimé est assuré BGE 144 V 2 S. 5 obligatoirement à l'AVS/AI en raison d'une activité exercée en Suisse et la mère de celui-ci n'est pas assurée de manière facultative à l'AVS/AI. 4.2 Comme l'ont retenu à bon droit les premiers juges, le litige présente un caractère transfrontalier, de sorte qu'il doit être examiné à la lumière des dispositions de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681) et des règlements auxquels il renvoie. A cet égard, compte tenu de la période à laquelle se sont déroulés les faits déterminants (cf. arrêt I 484/05 du 13 avril 2006 consid. 1.2, non publié in ATF 132 V 244 ), le Règlement (CE) n o 883/2004 du Parlement européen et du Conseil du 29 avril 2004 portant sur la coordination des systèmes de sécurité sociale (RS 0.831.109.268.1; ci-après: règlement n° 883/2004), qui a remplacé le Règlement (CEE) n° 1408/71 du Conseil du 14 juin 1971 relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté (RO 2004 121; ci-après: règlement n° 1408/71) à partir du 1 er avril 2012 dans les relations entre la Suisse et les autres Etats membres, est applicable. 4.3 En sa qualité de membre de la famille d'un travailleur français qui est soumis à la législation d'un Etat membre, l'intimé entre également dans le champ d'application personnel du règlement n° 883/2004 (art. 2 par. 1, en relation avec l'art. 1 let. i dudit règlement). 5. Le Tribunal fédéral ne s'est jamais encore prononcé sur la qualification d'une mesure de formation professionnelle initiale de l'assurance-invalidité suisse (consid. 3.2 supra), en tant que prestations d'une des branches de la sécurité sociale couvertes par le règlement n° 883/2004. A cet égard, l'OFAS relève à raison que l'application des règles européennes de coordination peut conduire à une solution différente quant à la législation applicable et à l'institution compétente selon la branche ou le risque concerné. 5.1 Le champ d'application matériel du règlement n° 883/2004 est déterminé à l'art. 3 par. 1, selon lequel le règlement s'applique à toutes les législations relatives aux branches de sécurité sociale qui concernent: a. les prestations de maladie, b. les prestations de maternité et de paternité assimilées, c. les prestations d'invalidité, d. les prestations de vieillesse, e. les prestations de survivant, f. les prestations en cas d'accidents du travail et de maladies professionnelles, g. les BGE 144 V 2 S. 6 allocations de décès, h. les prestations de chômage, i. les prestations de préretraite et j. les prestations familiales. 5.2 De manière générale, une prestation peut être considérée comme une prestation de sécurité sociale au sens de l'art. 3 par. 1 du règlement n° 883/2004 lorsqu'elle est octroyée, en dehors de toute appréciation individuelle et discrétionnaire des besoins personnels, au bénéficiaire sur la base d'une situation légalement définie et où elle se rapporte à l'un des risques expressément énumérés. Savoir si une prestation entre dans le champ d'application de l'art. 3 par. 1 du règlement ne dépend pas de la qualification qui est donnée par le droit interne, mais de ses éléments constitutifs, en particulier de son but et des conditions de son octroi. La prestation doit présenter un lien suffisant avec l'un des risques mentionnés exhaustivement à l'art. 3 par. 1 du règlement n° 883/2004 ( ATF 141 III 28 consid. 3.2.2 p. 39; cf. ATF 138 V 392 consid. 4.3.1 p. 397 et les arrêts cités de la Cour de justice des Communautés européennes [CJCE, actuellement la Cour de justice de l'Union européenne, CJUE]). A la suite des premiers juges, aux considérations desquelles on peut renvoyer, la mesure de réadaptation en cause constitue une prestation de sécurité sociale au sens de l'art. 3 par. 1 du règlement n° 883/2004 puisqu'elle est allouée en fonction de critères objectivement définis par la législation suisse (consid. 3.2 supra) et non pas en fonction d'une appréciation discrétionnaire des besoins du bénéficiaire. 5.3 Il reste à déterminer s'il est possible d'établir un lien suffisant entre cette mesure et l'un des risques mentionnés à l'art. 3 par. 1 du règlement n° 883/2004, seules les let. a (maladie), c (invalidité) et h (chômage) entrant en ligne de compte. 5.3.1 Pour distinguer entre les différentes catégories de prestations de sécurité sociale, il convient d'examiner les éléments constitutifs de la mesure de réadaptation requise par l'intimé et, en particulier, ses finalités et ses conditions d'octroi ( ATF 141 III 28 consid. 3.2.2 p. 39 et les références). 5.3.2 Selon la jurisprudence de la CJCE, des prestations octroyées de façon objective sur la base d'une situation légalement définie et qui visent à améliorer l'état de santé ainsi que la vie des personnes dépendantes ont essentiellement pour objet de compléter les prestations de l'assurance-maladie et doivent être considérées en tant que prestations de maladie (arrêt CJCE du 5 mars 1998 C-160/96 Molenaar , Rec. 1998 I-843 points 23 à 25). Le Tribunal fédéral a ainsi BGE 144 V 2 S. 7 retenu que les mesures médicales de réadaptation, au sens des art. 8 al. 3 let. a et 13 LAI , relèvent des prestations de maladie au sens de l'art. 3 par. 1 let. a du règlement ( ATF 143 V 1 consid. 5.2.1 p. 3 et 5.2.4.2 p. 7; voir ég. BIEBACK, in Europäisches Sozialrecht, 7 e éd. 2018, n° 25 ad rem. prél. art. 17 du règlement n° 883/2004 et les références). En revanche, sous l'empire du règlement n° 1408/71, une mesure de reclassement dans une nouvelle profession de l'assurance-invalidité ( art. 17 LAI ) a été qualifiée de prestation d'invalidité ( ATF 132 V 53 consid. 3 p. 56; ATF 132 V 244 consid. 4.2 p. 247). A la différence de l'art. 4 par. 1 let. b du règlement n° 1408/71, l' art. 3 par. 1 let . c du règlement n° 883/2004 ne mentionne plus les prestations d'invalidité qui sont destinées "à maintenir ou à améliorer la capacité de gain". A ce sujet, l'OFAS soutient que les mesures d'ordre professionnel sont des prestations soit de maladie, soit d'invalidité, car elles présentent des caractéristiques communes à ces deux risques, sans pouvoir être strictement rattachées à l'un ou à l'autre. Il indique par ailleurs que le groupe d'experts trESS (Training and reporting on European Social Security) mentionne que la plupart des Etat membres - contrairement à la Suisse - qualifient ces mesures en tant que prestations de maladie dans leur droit interne (voir JORENS/LHERNOULD, The Coordination of Benefits with Activation Measures, Thematic Report 2012, p. 30). 5.3.3 Une prestation d'invalidité au sens des règles de coordination européennes est destinée, en règle générale, à couvrir le risque d'une inaptitude d'un degré prescrit, lorsqu'il est probable que celle-ci sera permanente ou durable (voir arrêt CJUE du 21 juillet 2011 C-503/09 Stewart , Rec. 2011 I-6497 point 38). Or, comme l'a constaté à juste titre le Tribunal administratif fédéral, la prestation en cause présente les caractéristiques d'une prestation d'invalidité (dans le même sens, FUCHS, in Europäisches Sozialrecht, op. cit., n° 15 ad art. 3 du règlement n° 883/2004; OTTING, in EU-Sozialrecht, Berlin 2010, n° 20 ad art. 3 du règlement n° 883/2004). Elle est nécessaire et de nature à rétablir, maintenir ou améliorer la capacité de gain de l'assuré ou sa capacité d'accomplir ses travaux habituels ( art. 8 al. 1 LAI ). Cette mesure ne vise en revanche pas à couvrir le risque lié à un état morbide entraînant une suspension temporaire des activités, soit le risque maladie. Elle précède en outre l'exercice d'un travail auxiliaire, d'une activité en atelier protégé ou d'une activité professionnelle lucrative ( art. 16 al. 1 LAI ) et ne saurait pour ce motif constituer une BGE 144 V 2 S. 8 prestation de chômage ( art. 3 par. 1 let . h du règlement n° 883/2004), soit une prestation qui couvre le risque lié à la perte de revenus subie par le travailleur à la suite de la perte de son emploi, alors qu'il est encore apte à travailler (arrêt CJCE du 18 juillet 2006 C-406/04 De Cuyper , Rec. 2006 I-6947 point 27). Le fait - évoqué par l'OFAS - que la mesure en cause constitue une prestation en nature et n'est pour ce motif pas visée par les règles de coordination du Titre III, chapitre 4, du règlement n° 883/2004 concernant les prestations d'invalidité (consid. 6.3 ci-après) n'est pas déterminant. La qualification des prestations énumérées à l'art. 3 par. 1 dépend de leurs éléments constitutifs (consid. 5.3.1 supra) et non pas du point de savoir si elles sont concernées par des règles particulières de coordination du règlement. Au demeurant, on ne peut rien tirer des travaux préparatoires du règlement n° 883/2004 quant à la suppression des termes qui figuraient à l'art. 4 par. 1 let. b du règlement n° 1408/71 (consid. 5.3.2 supra). La proposition du règlement du Conseil portant sur la coordination des systèmes de sécurité sociale ne comprend en effet aucune explication à ce sujet, mais met en évidence la nécessité de simplifier et d'améliorer les dispositions communautaires (JO C 38 du 12 février 1999 p. 10). Aucune conclusion décisive de la réduction du texte de l' art. 3 par. 1 let . c du règlement n° 883/2004 ne peut non plus être déduite de la doctrine; les auteurs évoquent seulement la possibilité qu'une mesure de réadaptation d'ordre professionnel pourrait relever d'une prestation d'invalidité ou de maladie, voire de chômage (DERN, in VO [EG] Nr. 883/2004, Europäische Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar, Munich 2012, n° 10 ad art. 3 du règlement n° 883/2004; OTTING, op. cit., n° 26 ad art. 3 du règlement n° 883/2004; JANDA, in Europäisches Sozialrecht, op. cit., n° 5 ad rem. prél. art. 44 du règlement n° 883/2004). 5.3.4 En conséquence de ce qui précède, il y a lieu, à la suite des premiers juges, de qualifier la mesure de formation professionnelle initiale prévue à l' art. 16 LAI de prestation d'invalidité au sens de l' art. 3 par. 1 let . c du règlement n° 883/2004. 6. 6.1 Le règlement n° 883/2004 met en place un système de coordination des différents régimes nationaux de sécurité sociale et établit, à son Titre II (art. 11 à 16), des règles relatives à la détermination de la législation applicable aux travailleurs qui se déplacent à BGE 144 V 2 S. 9 l'intérieur des Etats membres. Celles-ci tendent notamment à ce que les personnes concernées soient soumises au régime de la sécurité sociale d'un seul Etat membre, de sorte que les cumuls (partiel ou total) des législations nationales applicables et les complications qui peuvent en résulter soient évités. Ce principe de l'unicité de la législation applicable trouve son expression, en particulier, à l'art. 11 par. 1 du règlement n° 883/2004 qui dispose que les personnes auxquelles le présent règlement est applicable ne sont soumises qu'à la législation d'un seul Etat membre ( ATF 142 V 192 consid. 3.1 p. 194). Selon l'art. 11 par. 3 let. a du règlement n° 883/2004, la personne qui exerce une activité salariée ou non salariée dans un Etat membre est soumise à la législation de cet Etat membre. Cette disposition consacre le principe de l'assujettissement à la législation du pays de l'emploi (lex loci laboris). Des règles particulières sont prévues pour les fonctionnaires (let. b), les personnes qui bénéficient de prestations de chômage (let. c) et celles qui sont appelées ou rappelées sous les drapeaux ou pour effectuer le service civil (let. d). Le principe général de la lex loci laboris connaît par ailleurs l'exception de l' art. 11 par. 3 let . e qui prévoit que, sous réserve des art. 12 à 16, les personnes autres que celles visées aux let. a à d dudit paragraphe, sont soumises à la législation de l'Etat membre de résidence, sans préjudice d'autres dispositions du présent règlement qui leur garantissent des prestations en vertu de la législation d'un ou de plusieurs autres Etats membres. 6.2 L'intimé n'entre pas dans les catégories de personnes visées à l'art. 11 par. 3 let. a à d du règlement n° 883/2004, mais dans celle prévue à la let. e. Le règlement n° 883/2004 n'impose en effet pas d'appliquer la même législation au travailleur migrant et aux membres de sa famille n'exerçant pas d'activité lucrative et résidant dans un Etat autre que l'Etat compétent (pour le travailleur; ATF 140 V 98 consid. 8.1 p. 102; STEINMEYER, in Europäisches Sozialrecht, op. cit., n° 36 ad art. 11 du règlement n° 883/2004). Il s'ensuit que l'intimé est soumis à la législation de son Etat de résidence, soit à la législation française, à moins que d'autres dispositions, générales ou particulières, du règlement ne lui garantissent des prestations en vertu de la législation d'un autre ou d'autres Etats membres ( art. 11 par. 3 let . e du règlement). 6.3 A cet égard, le Titre III du règlement n° 883/2004 contient des dispositions particulières aux différentes catégories de prestations et BGE 144 V 2 S. 10 renferme plusieurs règles de rattachement qui peuvent déroger aux règles générales. Comme sous l'empire du règlement n° 1408/71 ( ATF 132 V 244 consid. 4.3.2 p. 250 et la référence), le Titre III, chapitre 4, du règlement n° 883/2004 concernant les prestations d'invalidité ne vise cependant que les prestations servies en espèces, à l'exclusion des prestations en nature. Les dispositions du Titre III ne s'appliquent dès lors pas à la mesure de réadaptation requise qui constitue indubitablement une prestation en nature (supra consid. 5.3.3). L'intimé, qui est soumis à la législation française, ne peut donc déduire aucun droit à des mesures de réadaptation de l'assurance-invalidité suisse en vertu des Titres II et III du règlement n° 883/2004. 7. 7.1 Il reste à déterminer si la prestation litigieuse peut être allouée à l'intimé en vertu du principe d'égalité de traitement de l'art. 4 du règlement n° 883/2004. Conformément à cette disposition, à moins que le règlement n'en dispose autrement, les personnes auxquelles le présent règlement s'applique bénéficient des mêmes prestations et sont soumises aux mêmes obligations, en vertu de la législation de tout Etat membre, que les ressortissants de celui-ci. Selon la jurisprudence, l'art. 4 du règlement n° 883/2004 prohibe non seulement les discriminations ostensibles fondées sur la nationalité (discriminations directes), mais encore toutes formes dissimulées de discrimination qui, par application d'autres critères de distinction, aboutissent en fait au même résultat (discriminations indirectes). A moins qu'elle ne soit objectivement justifiée et proportionnée à l'objectif poursuivi, une disposition de droit national doit être considérée comme indirectement discriminatoire dès lors qu'elle est susceptible, par sa nature même, d'affecter davantage les ressortissants d'autres Etats membres que les ressortissants nationaux et qu'elle risque, par conséquent, de défavoriser plus particulièrement les premiers. Il en est ainsi d'une condition qui peut être plus facilement remplie par les travailleurs nationaux que par les travailleurs migrants européens ( ATF 143 V 1 consid. 5.2.4 p. 6; ATF 142 V 538 consid. 6.1 p. 540; ATF 136 V 182 consid. 7.1 p. 192 et les références). 7.2 Le Tribunal administratif fédéral a considéré que l' art. 9 al. 2 LAI avait pour effet d'exclure l'intimé de l'exception que cette disposition accorde pourtant aux enfants, également résidant à l'étranger, mais dont les parents, ressortissants de l'Union européenne, sont assurés facultativement ou obligatoirement à l'AVS/AI pour une BGE 144 V 2 S. 11 activité professionnelle exercée en dehors des Etats membres ( art. 1a al. 1 let . c ou al. 3 let. a LAVS, ou en vertu d'une convention internationale), bien que la situation de l'un et des autres fût identique. En ce sens, il a jugé que la solution adoptée par le législateur fédéral à l' art. 9 al. 2 LAI , en relation avec l' art. 2 LAVS , consacrait la même inégalité de traitement que l'ancien art. 22 quater al. 2 RAI (dont la teneur est identique à celle de l' art. 9 al. 2 LAI ) entre l'enfant d'un ressortissant suisse qui se serait installé dans un Etat non membre de l'Union européenne après avoir travaillé en Suisse pendant au moins cinq ans et aurait adhéré à l'assurance facultative, et l'enfant d'un ressortissant suisse travaillant en Suisse, mais domicilié dans un autre Etat (voir arrêts I 169/03 du 12 janvier 2005, publié in SVR 2005 IV n° 34, et I 190/03 du 26 janvier 2005). 7.3 L' art. 9 al. 2 let. a LAI , en relation avec l' art. 2 LAVS , ne prévoit pas de conditions liées à la nationalité, si bien qu'il n'entraîne aucune discrimination directe. Seul l'art. 9 al. 2 let. b ch. 1 LAI en relation avec l' art. 1a al. 1 let . c LAVS prévoit une exigence liée à la nationalité suisse - dans des cas particuliers d'activités exercées au service de la Confédération ou d'organisations internationales ou d'entraide particulières - mais ce cas de figure spécifique n'est pas en cause ici. C'est le lieu de préciser que le législateur suisse a introduit dans une loi fédérale ( art. 9 al. 2 LAI ; cf. ATF 137 V 167 consid. 4.6 p. 174), qui s'impose au Tribunal fédéral ( art. 190 Cst. ; ATF 140 I 353 consid. 4.1 p. 358), les conditions auxquelles une personne qui n'est pas ou n'est plus assujettie à l'assurance a droit aux mesures de réadaptation jusqu'à l'âge de 20 ans au plus. Un citoyen suisse ne pourrait dès lors plus se prévaloir avec succès de la jurisprudence mentionnée par l'autorité précédente et fondée sur une inégalité de traitement au sens de l' art. 8 al. 1 Cst. , en relation avec une disposition réglementaire (ancien art. 22 quater al. 2 RAI). 7.4 7.4.1 Pour être assuré à l'assurance facultative suisse (cf. art. 9 al. 2 let. a LAI ), les ressortissants suisses et les ressortissants des Etats membres de la Communauté européenne ou de l'Association européenne de libre-échange (AELE) vivant dans un Etat non membre de la Communauté européenne ou de l'AELE qui cessent d'être soumis à l'assurance obligatoire après une période d'assurance ininterrompue d'au moins cinq ans, peuvent adhérer à l'assurance BGE 144 V 2 S. 12 facultative ( art. 2 LAVS ). Pour avoir été assuré à l'assurance obligatoire suisse pendant au moins cinq ans sans interruption, il faut avoir été domicilié en Suisse ou y avoir exercé une activité lucrative ( art. 1a al. 1 LAVS ). Or il est plus facile pour un ressortissant suisse que pour une personne de nationalité étrangère de remplir ces exigences légales. En ce sens l' art. 9 al. 2 let. a LAI en relation avec l' art. 2 LAVS défavorise donc les ressortissants d'autres Etats membres, de sorte qu'il y aurait une discrimination indirecte dans la mesure où la réglementation nationale ne serait pas objectivement justifiée et proportionnée à l'objectif poursuivi. Toutefois, comme le relève l'OFAS, les Etats parties à l'ALCP ont convenu de l'application des conditions de l'assurance facultative posées par les art. 2 LAVS et art. 1 LAI aux ressortissants des Etats soumis à l'Accord. Une mention y relative a été prévue au point 1 de la let. i "Suisse" de la Section A de l'Annexe II à l'ALCP (correspondant au point 1 sous "Suisse" de l'Annexe XI au règlement n° 883/2004). Compte tenu de cette mention, il n'y a pas lieu d'écarter l'application des conditions de l'assurance facultative posées par les dispositions du droit suisse, nonobstant leur caractère indirectement discriminatoire, sous peine de contrevenir à la volonté des Etats parties à l'ALCP (à ce sujet, cf. ATF 132 V 423 ). 7.4.2 Sous l'angle de l'objectif de la réglementation nationale en cause, on ajoutera que l' art. 9 al. 2 LAI a pour but de garantir, à certaines conditions, le droit aux mesures de réadaptation notamment à des enfants qui ne peuvent pas adhérer à l'assurance sociale suisse ou à l'assurance sociale d'un Etat membre de l'Union européenne ou de l'AELE (Message du 22 juin 2005 concernant la modification de la loi fédérale sur l'assurance-invalidité [5 e révision de l'AI], FF 2005 4215, 4316 s. ch. 2.1). Devant la Cour de céans, l'intimé n'a pas fait valoir que tel serait son cas, en particulier qu'il ne bénéficierait pas de la protection du système de sécurité sociale français. Il ne s'agit par ailleurs pas, en l'occurrence, de l'affiliation en tant que telle de l'intimé à l'assurance-invalidité suisse, mais seulement en relation avec la mesure de réadaptation d'ordre professionnel prévue par l'assurance-invalidité suisse à l' art. 16 LAI . Or la mesure de formation professionnelle initiale vise à rétablir, maintenir ou améliorer la capacité de gain (cf. art. 8 al. 1 LAI ) de la personne concernée et de lui permettre, dans la mesure du possible, de mettre en valeur cette capacité de travail sur le marché du travail du lieu où elle vit, en principe en Suisse. Le lien étroit entre la mesure de réadaptation BGE 144 V 2 S. 13 allouée par l'assurance-invalidité helvétique et la Suisse est mis en évidence par l' art. 9 al. 1 LAI , selon lequel "les mesures de réadaptation sont appliquées en Suisse, elles peuvent l'être exceptionnellement aussi à l'étranger". Il y a également lieu de prendre en considération que seul un nombre très restreint d'enfants de travailleurs frontaliers (au plus tôt après l'accomplissement de leur dix-huit ans; art. 29 al. 1 LAI ) réalisent les conditions d'assurance pour le droit à une rente de l'assurance-invalidité suisse (cf. art. 6 al. 1, art. 6 al. 3, art. 36 al. 1 et art. 39 LAI , ainsi que l'art. 24 de l'Annexe I ALCP), de sorte qu'une réadaptation en Suisse n'aurait qu'une portée limitée (en ce sens ATF 143 V 1 consid. 5.2.4.2 p. 7). Il semble dès lors objectivement justifié, y compris sous l'aspect de la proportionnalité, de réserver l'exception de l'accès d'une personne non assurée de moins de 20 ans à la mesure de formation professionnelle à la charge de l'assurance-invalidité à des situations particulières dans lesquelles l'intéressé n'est pas soumis au système de la sécurité sociale suisse ou d'un Etat de l'Union européenne ou de l'AELE. 7.5 A l'inverse, ensuite, de ce qu'a retenu le Tribunal administratif fédéral, le principe d'égalité de traitement de l'art. 4 du règlement n° 883/2004 n'a pas pour effet d'obliger les autorités suisses à traiter tous les ressortissants européens (entre eux) de manière identique, sans égard à la législation nationale qui leur est applicable, et de les soumettre à des règles relatives à un Etat avec lequel ils n'ont aucun lien (direct) et dont la législation ne leur est pas applicable en vertu du règlement n° 883/2004 ( ATF 142 V 192 consid. 6.2 p. 201; cf. ég. ATF 143 V 1 consid. 5.2.3 p. 5). Dans cette mesure, il importe peu pour la solution du présent litige qu'un ressortissant européen domicilié en France soit exclu de l'affiliation à l'assurance facultative suisse, alors qu'il peut y être assujetti, à certaines conditions, s'il vit en dehors de l'Union européenne. Il n'est en effet pas traité de manière différente qu'un citoyen suisse (sous réserve de l' art. 2 LAVS en relation avec le ch. 1 sous "Suisse" de l'Annexe XI au règlement n° 883/2004 [consid. 7.4.1 supra]). 7.6 Il résulte de ce qui précède que la décision de refuser à l'intimé la mesure de réadaptation en cause au motif que l'un de ses parents (au moins) ne réalise pas les conditions de l' art. 9 al. 2 LAI , en relation avec l' art. 2 LAVS , ne porte pas atteinte au principe d'égalité de traitement au sens de l'art. 4 du règlement n° 883/2004. Le recours doit être admis et le jugement entrepris annulé.
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Sachverhalt ab Seite 137 BGE 122 IV 136 S. 137 J. stellte seinen Personenwagen auf einer Abstellfläche beim Zürcher Hauptbahnhof ab. Er verliess das Fahrzeug, begab sich zum Perronkopf, holte dort einen Freund ab, kehrte mit diesem zum Wagen zurück, lud das Gepäck in das Fahrzeug, liess den Freund einsteigen und fuhr mit diesem weg. An der Abstellfläche ist das Vorschriftssignal "Halten verboten" mit dem Zusatz "ausgenommen Ein- und Aussteigenlassen" auf einer einzigen Tafel angebracht. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte J. wegen Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG (SR 741.01) i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV (SR 741.11) sowie Art. 30 Abs. 1 SSV (SR 741.21), begangen durch Parkieren im Halteverbot, zu einer Busse von 60 Franken. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von J. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab. J. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung, eventuell zur Neubeurteilung, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Bei der Verkehrsfläche, auf welcher der Beschwerdeführer seinen Wagen abstellte, ist auf einer einzigen Tafel (im Sinne von Art. 101 Abs. 7 SSV i.V.m. Art. 63 Abs. 1 am Ende SSV) das Vorschriftssignal "Halten verboten" (Signal Nr. 2.49) mit dem Zusatz "ausgenommen Ein- und Aussteigenlassen" angebracht. Die Signalisationsverordnung sieht zwar lediglich Zusatztafeln BGE 122 IV 136 S. 138 für zeitweilige Ausnahmen vom Halteverbot ausdrücklich vor (siehe Art. 30 Abs. 4 und Art. 65 Abs. 2 SSV , Tafel Nr. 5.10), doch sind auch andere Ausnahmen zulässig, wie sich unter anderem aus Art. 17 Abs. 1 SSV ergibt. Der Begriff des "Ein- und Aussteigenlassens" seinerseits wird beispielsweise in Art. 19 Abs. 1 VRV verwendet, wonach Parkieren das Abstellen des Fahrzeugs ist, das nicht bloss dem Ein- und Aussteigenlassen von Personen oder dem Güterumschlag dient. Der Beschwerdeführer stellt denn auch nicht in Abrede, dass der fragliche Zusatz zum Halteverbotssignal zulässig ist. Er macht aber geltend, das ihm zur Last gelegte Verhalten sei durch den Erlaubnisvorbehalt "ausgenommen Ein- und Aussteigenlassen" unter der gebotenen Berücksichtigung der seines Erachtens massgebenden Gesichtspunkte (Verkehrssicherheit, Zweck der Verkehrsfläche, subjektive Umstände sowie Abstelldauer) gedeckt; daher habe er das Halteverbotssignal nicht missachtet. a) Das Signal "Halten verboten" untersagt das freiwillige Halten ( Art. 30 Abs. 1 SSV ). Die Zusatztafel "ausgenommen Ein- und Aussteigenlassen" gestattet das Halten zum Zwecke des Ein- und Aussteigenlassens von Personen. Der Fahrzeugführer muss dabei zwar nicht im, aber beim Fahrzeug bleiben (siehe GIGER, Strassenverkehrsgesetz, 4. Aufl. 1985, S. 115 [zu Art. 37 SVG ]). Er darf mithin aus dem Wagen aussteigen, um den Passagieren beim Ein- oder Aussteigen behilflich zu sein und ihr Gepäck im Kofferraum zu versorgen oder diesem zu entnehmen. Er darf sich unter Umständen auch einige Schritte vom Fahrzeug entfernen, um die Passagiere, insbesondere ältere oder gehbehinderte Personen, an einer geeigneten Stelle, etwa beim nahe gelegenen Eingang eines Gebäudes, in Empfang zu nehmen oder zu verabschieden. Der Beschwerdeführer stellte seinen Wagen ab, entfernte sich und verschwand für einige Minuten im Zürcher Hauptbahnhof, um seinen Freund am Perronkopf abzuholen. Dieses Verlassen des Fahrzeugs ist durch den Erlaubnisvorbehalt "ausgenommen Ein- und Aussteigenlassen" zum Halteverbotssignal nicht gedeckt.
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Sachverhalt ab Seite 193 BGE 93 II 192 S. 193 A.- Par exploit du 6 avril 1965, les demanderesses et intimées, savoir la Société coopérative d'achat et de distribution des négociants en tabacs et journaux à Genève (ci-après la Coopérative) et la Société en nom collectif J. et M. Lupi à Genève (ci-après J. et M. Lupi), ont assigné devant la Cour de de justice: 1. La Librairie Hachette SA, à Paris (ci-après Hachette); 2. Les Nouvelles Messageries de la presse parisienne à Paris (ci-après Nouvelles Messageries); 3. Schmidt-Agence à Bâle (ci-après Schmidt); 4. Naville et Cie SA à Genève (ci-après Naville). Les conclusions de cet exploit sont en substance les suivantes: 1. Déclarer illicites les entraves à la concurrence exercées par les citées à l'encontre des requérantes. 2. Ordonner la cessation des entraves cartellaires à la concurrence exercées par les citées sous commination des peines prévues par l'art. 292 CP. 3. Ordonner à Hachette et aux Nouvelles Messageries de la presse parisienne de livrer aux demanderesses tous les périodiques et journaux français dont elles assument la distribution en Suisse, et ce aux mêmes conditions qu'aux autres agences suisses, sous commination des peines prévues par l'art. 292 CP. 4. Condamner les défenderesses à des dommages-intérêts (que les demanderesses ont chiffrés) pour préjudice matériel et tort moral (chefs nos 4 à 7). BGE 93 II 192 S. 194 A l'appui de leurs conclusions, les demanderesses ont exposé que les agences suisses de journaux, au nombre de quatre, dont Naville et Schmidt, ont conclu, le 28 janvier 1959, un "arrangement général" destiné à éviter la concurrence. Par cet accord, elles se sont partagé le marché suisse selon des règles précises, et elles se sont interdit toutes livraisons et toute aide quelconque à des actions susceptibles d'entraîner la division de la distribution, notamment la création de nouveaux organes de distribution. Elles ont ainsi constitué un cartel. En mars 1961, des commerçants en journaux qui n'étaient plus liés à Naville ou entendaient s'en libérer ont créé la Société coopérative demanderesse aux fins d'assurer la livraison des journaux français notamment. Hachette et les Nouvelles Messageries, qui assument en Suisse la distribution exclusive des périodiques français, ont refusé d'approvisionner la Société coopérative, invoquant un accord d'exclusivité conclu avec les quatre agences suisses de journaux. La Coopérative s'est alors approvisionnée un certain temps en France, dans la région frontalière. Naville engagea un détective afin de connaître cette source qui fut coupée. Les demanderesses allèguent en droit que l'accord d'exclusivité liant les quatre agences suisses à leur fournisseur français, joint à la convention du 28 janvier 1959, constitue un accord de cartel vertical doublé d'un accord de cartel horizontal, tous deux illicites au regard de l'art. 4 de la loi fédérale du 20 décembre 1962 sur les cartels et organisations analogues (ci-après L. Cart.) et en faveur duquel ne peut être invoqué aucun des motifs énumérés à l'art. 5 de cette loi. Hachette et les Nouvelles Messageries ont décliné la compétence de la Cour de Genève, invoquant l'art. 1er de la Convention franco-suisse du 15 juin 1869 (ci-après la Convention). B.-
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Par jugement incident du 23 décembre 1966, communiqué le 3 janvier 1967, la Cour de justice de Genève a rejeté le déclinatoire, en bref par les motifs suivants: N'ayant aucun établissement ou succursale en Suisse, Hachette et Les Nouvelles Messageries peuvent en principe se mettre au bénéfice de la Convention. Toutefois, la loi sur les cartels constitue une législation spéciale, fondée sur le droit public, ayant pour but la sauvegarde de l'intérêt général. Elle se situe en dehors du droit commun et partant n'est pas régie par la Convention. Au demeurant, en instituant la compétence BGE 93 II 192 S. 195 du juge naturel du défendeur, la Convention suppose que ce juge consentira à connaître de la demande sur la base juridique invoquée par le demandeur. Or il apparaît exclu que la juridiction française déclare applicables des règles de droit étranger ayant pour objet la sauvegarde de l'intérêt public étranger. De plus, en raison des liens qui existent entre les défenderesses, la disjonction des demandes dirigées contre les défenderesses françaises au profit des tribunaux français rendrait illusoire ou inopérante toute décision prononcée contre les seules défenderesses suisses. C.- Hachette et les Nouvelles Messageries ont formé contre ce jugement un recours en nullité et un recours en réforme, identiques quant aux conclusions et aux moyens invoqués. Elles concluent à ce que la juridiction genevoise soit déclarée incompétente. D.- La Société coopérative, ainsi que J. et M. Lupi, ont conclu au rejet du recours en réforme. Schmidt et Naville, co-défendresses des recourantes, déclarent s'en remettre à justice. Erwägungen Considérant en droit: 1. La décision attaquée, prise par la juridiction cantonale unique que prévoit le droit fédéral (art. 48 al. 2 lit. b OJ, art. 7 al. 1 L. Cart.), est une décision incidente au sens de l'art. 49 OJ. Invoquant la violation de prescriptions de droit fédéral au sujet du for - les dispositions des traités internationaux sont assimilées aux prescriptions du droit fédéral -, le recours en réforme est recevable en vertu de l'art. 49 précité OJ. 2. Le moyen pris de la Convention serait inutile si les prescriptions du droit interne suisse, déjà, excluaient la compétence de la juridiction genevoise. Les parties demanderesses invoquent une entrave illicite à la concurrence. Elles fondent leur action sur la loi fédérale du 20 décembre 1962 sur les cartels et organisations analogues. Aux termes de l'art. 7 al. 2 litt. a de cette loi, le for est au siège ou, faute d'un siège, au lieu de l'administration du cartel et, à ce défaut, au lieu où la majorité des défendeurs ont leur domicile. L'art. 7 al. 2 litt. b dispose: "L'action est intentée... en l'absence d'autre for en Suisse, au lieu où l'acte illicite a été commis". Admettant implicitement que ce lieu est en Suisse, la cour BGE 93 II 192 S. 196 cantonale a appliqué l'art. 7 al. 2 litt. b précité sans préciser en fait où ont été passées les prétendues conventions d'exclusivité entre les recourantes et les agences suisses et sans davantage définir la notion du "lieu où l'acte illicite a été commis". Elle paraît considérer qu'il est satisfait aux exigences de l'art. 7 al. 2 litt. b L. Cart. dès que les effets d'une entente cartellaire sont ressentis en Suisse. 3. Bien que la loi du 20 décembre 1962 ne contienne aucune disposition explicite sur sa portée en matière internationale, elle s'applique également aux entraves à la concurrence commises à l'étranger et qui sortissent leurs effets en Suisse. L'exégèse de l'art. 7 al. 2 L. Cart. commande déjà cette solution. En effet, la litt. a épuise les cas où le siège du cartel ou, à ce défaut, le domicile des membres du cartel est en Suisse. La litt. b vise donc les cas où les défendeurs sont domiciliés à l'étranger. En restreindre la portée aux seules entraves à la concurrence décidées en Suisse reviendrait à lui refuser presque tout effet pratique. Il ne s'appliquerait plus alors qu'au cartel dont aucun des membres n'aurait de domicile en Suisse et qui conclut, dans ce pays, ses accords tendant à entraver la concurrence. Il leur suffirait donc, pour se soustraire entièrement à la juridiction suisse, de prendre leurs engagements à l'étranger. Tel ne saurait être le sens de la loi. L'art. 7 al. 2 litt. b permet au contraire d'assigner en Suisse des organisations étrangères dont les accords de cartel produisent en Suisse des résultats illicites selon l'art. 4 L.Cart., quel que soit le lieu où ces accords ont été conclus. Cela est conforme à son but qui est de protéger la libre concurrence, jugée conforme à l'intérêt général. Cette disposition doit dès lors réprimer les entraves à la concurrence d'où qu'elles viennent, dès qu'elles ont un effet direct sur le jeu de la concurrence à l'intérieur du territoire suisse. C'est pourquoi, du reste, la loi réserve un traitement exceptionnel aux mesures qui visent à assurer l'application d'un cartel sur les marchés étrangers (art. 5 al. 2 litt. d). En matière civile, la jurisprudence a consacré la même solution s'agissant de la concurrence déloyale (art. 5 LCD; RO 82 II 164; 89 II 426 ) et la loi, s'agissant de brevets d'invention (art. 75 al. 1 litt. a LBI) et de droits d'auteur (art. 44 LDA). En définitive, les demanderesses alléguant que, dans leur BGE 93 II 192 S. 197 branche, les défenderesses ont entravé la concurrence à Genève, celles-ci sont justiciables au for de Genève de par la loi du 20 décembre 1962. 4. Cependant, les recourantes excipent de l'article premier de la Convention, selon lequel: "Dans les contestations en matière mobilière et personnelle, civile ou de commerce, qui s'élèveront soit entre Suisses et Français, soit entre Français et Suisses, le demandeur sera tenu de poursuivre son action devant les juges naturels du défendeur." Que la Convention l'emporte sur les règles du droit interne, cela ne saurait faire aucun doute (cf. Message du Conseil fédéral aux Chambres fédérales à l'appui du projet de loi sur les cartels, FF 1961 II 585). Il s'agit, de plus, en l'espèce, d'une contestation entre Suisses, domiciliés en Suisse et Français, domiciliés en France. Le juge naturel des seconds est le juge français. Enfin, les défenderesses françaises sont au bénéfice de la Convention, bien qu'étant des personnes morales (RO 41 I 209; 48 I 90 ; 80 III 157 ; 90 II 114 , consid. 2). L'article premier de la Convention sera donc applicable si la réclamation déduite dans la présente instance est une contestation en matière mobilière et personnelle au sens de cette disposition. 5. Selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, l'article premier de la Convention contient une règle de for d'une portée tout à fait générale en ce sens qu'elle s'applique à toutes les réclamations qui doivent être qualifiées de "mobilières et personnelles" (RO 29 I 304; 21 p. 711; 80 II 392 ). Ne sont soustraites à cette règle que les actions qui ne rentrent pas dans la catégorie visée, ainsi celles qui relèvent du droit de famille (RO 77 II 120), du droit successoral, telle que l'action en délivrance de legs (RO 58 I 111) ou encore les actions pour lesquelles des motifs impérieux relevant de l'économie du procès justifient pleinement une distraction de for, ainsi les actions spéciales à l'exécution forcée; action en libération de dette ou en répétition de l'indu (art. 83 et 86 LP), où les particularités de la loi suisse entraînent un renversement du rôle des parties au procès (RO 87 III 25; 90 II 114 , consid. 2), enfin l'action reconventionnelle lorsqu'elle est connexe à la demande principale (RO 47 I 182). Cette interprétation s'oppose à celle qui, restrictive, fait prévaloir le droit interne sur tous les points que la Convention ne règle pas expressément (BARTIN, Principes BGE 93 II 192 S. 198 du droit international privé, Paris 1930, t. I § 159). Il suffit donc, en l'espèce, que le litige porte sur une prétention mobilière et personnelle pour que les défenderesses, Hachette et les Nouvelles Messageries, puissent se réclamer de leur juge naturel, à savoir du juge français. 6. La loi du 20 décembre 1962 comporte deux catégories de règles qui relèvent, les unes du droit civil (titre II) les autres du droit administratif (titre III). Les secondes ne sont pas applicables en l'espèce et ne sauraient être invoquées pour qualifier la présente action. La nature civile des dispositions du titre II ne saurait faire de doute. Elle est expressément indiquée par le législateur lui-même ("Dispositions de droit civil et de procédure civile"). Les principales, du reste, avaient été, avant l'entrée en vigueur de la loi du 20 décembre 1962 déjà, déduites par la jurisprudence de l'art. 28 CC (protection contre l'atteinte illicite aux intérêts personnels). Enfin, la doctrine est formelle sur la nature civile du droit à la libre concurrence protégé par les art. 4 ss. L. Cart. (DESCHENAUX, L'esprit de la loi fédérale sur les cartels, Mélanges Carry, Genève 1964, pp. 214 ss.; MERZ, Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 1967, pp. 19ss.). On ne saurait objecter qu'en protégeant le droit à la libre concurrence, le législateur a eu en vue l'intérêt public; il en va de même, en dernière analyse, de toute protection accordée par la loi civile. 7. On ne saurait davantage s'abstenir d'appliquer la Convention, parce que le juge français refuserait apparemment de connaître des atteintes à la concurrence alléguées par les demanderesses sur le fondement de la loi suisse. Effectivement la loi du 20 décembre 1962 tend à protéger des intérêts publics et privés suisses; son application est limitée, quant à son objet, au territoire suisse. Il est dès lors possible que le juge français n'applique pas à la présente demande les mêmes règles que ne le ferait le juge suisse, voire que sa décision crée une lacune dans l'application de la loi sur les cartels, s'agissant d'entraves à la concurrence créées par des Français domiciliés en France. Mais on n'en saurait conclure que la Convention ne s'applique pas en l'espèce. Rien dans sa lettre ni dans son esprit n'autorise une telle inférence. Il peut arriver que le juge naturel du défendeur protège celui-ci par des motifs auxquels le juge du for du demandeur ne s'arrêterait pas. Cela est une conséquence inévitable de la garantie que crée l'article premier BGE 93 II 192 S. 199 de la Convention. S'il en résulte des inconvénients graves pour l'un des Etats contractants, il lui appartient de faire en sorte que la Convention soit modifiée sur le point dont il s'agit. Le juge ne saurait intervenir par la voie de l'interprétation. De plus, s'il admettait sa compétence par le motif indiqué, le juge suisse préjugerait de la décision que le juge français pourrait être appelé à prendre selon la compétence que la Convention lui reconnaît exclusivement. Cela ne saurait être: la Convention ne l'autorise en aucune manière. 8. L'article premier de la Convention vise les réclamations qui sont à la fois mobilières et personnelles. Selon le système du traité, la réclamation mobilière s'oppose à la réclamation immobilière et la réclamation réelle à la réclamation personnelle (ROGUIN, Conflit des lois suisses, Lausanne 1891, p. 691; E. CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich, thèse Zurich 1879, p. 21; PILLET, Les conventions internationales relatives à la compétence judiciaire, Paris 1913, p. 75). Ainsi prise dans son acception technique usuelle, l'action personnelle désigne toute action tendant "à l'exécution d'une obligation patrimoniale ou extrapatrimoniale, légale ou conventionnelle" (NIBOYET, Traité de droit international privé français, Paris 1949, t. VI, p. 482). Appréciés selon cette définition, les chefs nos 3 à 7 des conclusions de la demande sont incontestablement des réclamations personnelles. Ils tendent à obtenir des recourantes des prestations déterminées: livraisons de journaux et périodiques, dont les recourantes assument la distribution en Suisse, ou paiement de dommages-intérêts. Les chefs nos 1 et 2 tendent à faire constater le caractère illicite des entraves alléguées et à en ordonner la cessation. Le second, présenté sous une forme négative, se confond en réalité avec le troisième (ordonner... de livrer). Il a donc bien un caractère personnel. Il en va de même du premier, supposé qu'il soit recevable comme ayant une valeur propre. 9. Cependant, la cour cantonale a jugé que même si la Convention est en principe applicable, une dérogation se justifierait en raison de la connexité des demandes; que les accords en cause forment un ensemble dont le caractère - licite ou illicite - ne peut s'apprécier que par une décision unique et portant sur l'ensemble de la cause; que la disjonction requise par les défenderesses françaises rendrait illusoire et BGE 93 II 192 S. 200 inopérante une décision ne visant que les défenderesses suisses. Par un arrêt du 29 novembre 1948 (NIBOYET, op.cit., p. 485; FLATTET, Journal des Tribunaux, 1949 I 125, Journal de droit international, Clunet, 1964, p. 322), la Cour de cassation de France a jugé qu'en cas de pluralité de défendeurs, la règle de droit interne s'applique dans le silence du traité; pour le cas "d'instances connexes avec pluralités de défendeurs, l'un français, l'autre suisse, le demandeur conserve la faculté énoncée à l'art. 59 al. 2 du code de procédure civile, d'assigner au domicile de l'un des défendeurs, à son choix". La Cour de cassation de France a confirmé cette interprétation par deux arrêts, l'un du 17 juin 1958, l'autre du 3 janvier 1964 (auteurs précités). La jurisprudence de la cour française est manifestement inspirée par la conception étroite du champ d'application du traité: dérogeant aux règles du droit commun, il doit s'interpréter restrictivement. Or cette jurisprudence procède d'une conception qui, on l'a montré, s'oppose à celle du Tribunal fédéral. L'article premier de la Convention ayant une portée tout à fait générale, on doit admettre que si, dans les cas de garantie, c'est-à-dire ceux où la connexité avec la demande principale est la plus étroite, il n'y a pas distraction de for, à plus forte raison la règle conventionnelle du juge naturel doit l'emporter dans les autres cas de connexité (PILLET, op.cit., p. 87; cf. GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, Zurich 1951, p. 126). Aussi bien, appliquant en matière intercantonale l'art. 59 Cst. (qui, s'agissant de réclamations personnelles, oblige à attaquer le débiteur solvable devant le juge de son domicile), le Tribunal fédéral a-t-il constamment refusé de déroger au principe dans les cas de solidarité, de litisconsorts ou de délits (lieu de commission). Il n'a admis que de rares exceptions, ainsi pour la demande reconventionnelle, l'action civile jointe au procès pénal et pour l'action intentée au for de l'établissement commercial ou de la succursale (RO 90 I 108 et les arrêts cités). 10. Dans le cas des défendeurs litisconsorts, cependant, le Tribunal fédéral a fait une exception au principe de l'art. 59 Cst. lorsqu'il s'agit de consorts nécessaires, à savoir lorsque les prétentions élevées contre eux sont identiques et que l'exécution du jugement exige nécessairement la condamnation de tous. En d'autres termes, pour que l'exception se justifie, il faut qu'à BGE 93 II 192 S. 201 défaut d'un procès unique, l'exécution du jugement soit impossible (arrêt Walther c. Frey, du 27 mars 1925, RO 51 I 47; action tendant à la condamnation de propriétaires en main commune au transfert de la propriété de leur immeuble). Il a assimilé à ce cas celui où, faute d'une instance réunissant tous les intéressés, une preuve décisive ne pourrait être apportée (arrêt du 24 juin 1964 en la cause Devaud c. Tribunal cantonal vaudois, RO 90 I 109). En revanche, de simples inconvénients de procédure ou le risque de jugements contradictoires ne suffisent pas à justifier une exception à la garantie que l'art. 59 Cst. donne au citoyen (arrêt précité). Une dérogation au for désigné par l'article premier de la Convention pourrait sans doute se justifier dans les mêmes cas et sous les mêmes réserves, car la garantie du juge naturel ne doit pas rendre impossible une décision de justice (GULDENER, loc.cit.). 11. a) Les demanderesses allèguent dans leur exploit que Naville et Schmidt ont passé avec d'autres distributeurs suisses un accord de cartel par lequel ils se sont réparti la clientèle en Suisse. Supposé que le premier et le second chef des conclusions puissent viser cet accord, on ne voit pas qu'il soit indispensable de mettre en cause les défenderesses françaises pour en faire interdire l'application aux demanderesses. Sa suppression permettrait uniquement aux demanderesses de se fournir auprès de n'importe laquelle des agences distributrices qui en sont membres. On n'a ni établi, ni même allégué que l'accord ait été imposé par les sociétés françaises et l'on ne voit pas l'intérêt qu'il pourrait avoir pour elles. Il n'est du reste pas produit et dans le résumé qu'en donne leur exploit, les demanderesses ne prétendent nullement qu'il soit lié à leur contrat de livraison exclusive pour les journaux et périodiques français. Tel qu'il est présenté, il semble bien plutôt avoir une portée générale et viser également d'autres marchandises que celles que vendent les sociétés françaises, notamment des journaux et périodiques d'autres provenances. La Cour de justice reconnaît du reste, dans l'arrêt attaqué, qu'un jugement qui interdirait d'appliquer l'accord de cartel ne porterait aucune atteinte aux accords passés entre les distributeurs suisses et les agences françaises. Or c'est précisément à cet accord qu'en ont les demanderesses, qui écrivent dans leur mémoire produit devant la cour cantonale: "la Société coopérative d'achat et de BGE 93 II 192 S. 202 distribution des négociants en tabacs et journaux a intérêt à être approvisionnée directement par la Librairie Hachette SA et les Nouvelles Messageries de la Presse Parisienne et non par un autre organisme de distribution tel que Naville ou Schmidt Agence, qui ne pourrait leur consentir les conditions financières du fournisseur étranger". On ne voit donc pas que l'accord par lequel les défenderesses suisses se sont partagé le marché soit juridiquement lié ou même connexe avec celui par lequel elles se sont assuré l'exclusivité des livraisons de la part des défenderesses françaises. C'est à tort que la Cour de justice civile a admis le contraire. b) Seul, par conséquent, le litige portant sur l'accord passé entre les défenderesses suisses et françaises pourrait en faire des consorts nécessaires. Il s'agit d'un accord vertical d'exclusivité, dont on peut admettre que le juge genevois a implicitement constaté l'existence. Par le troisième chef de leurs conclusions, les demanderesses requièrent que Hachette et les Nouvelles Messageries soient condamnées à livrer à la Coopérative - nonobstant cet accord - tous journaux et périodiques aux mêmes conditions qu'aux autres agences suisses. Il s'agit donc de savoir si l'action en cessation du refus de livraison doit nécessairement être ouverte contre les deux parties à l'accord de cartel vertical d'exclusivité ou si elle peut être dirigée uniquement contre celui des contractants qui refuse les livraisons. Dans le premier cas seulement, il y aurait lieu de déroger à l'article premier de la Convention. Si cette action aboutit, l'accord de cartel vertical sera, sinon annulé, du moins ébranlé ou modifié. Elle aura donc une influence sur un contrat auquel les demandeurs ne sont pas partie. On serait dès lors tenté d'admettre que le demandeur doit actionner toutes les parties à ce contrat et que tel est le sens du for unique créé par l'art. 7 al. 1 litt. a L. Cart. Mais si cette disposition qui, sur le plan interne, déroge à l'art. 59 Cst., visait le cas des consorts nécessaires, elle serait inutile puisque selon la jurisprudence, cette disposition constitutionnelle ne s'applique pas dans le cas des consorts nécessaires. De plus, l'art. 7 L. Cart. va moins loin que la jurisprudence qui, contre les consorts nécessaires, laisse au demandeur le libre choix de porter son action devant le juge du domicile de l'un quelconque des défendeurs (RO 69 I 8), alors que l'art. 7 L. Cart. limite ce choix. BGE 93 II 192 S. 203 Cet argument de texte est corroboré par la jurisprudence du Tribunal fédéral, qui n'a jamais considéré comme des consorts nécessaires tous les participants au contrat d'exclusivité. Il accueille au contraire l'action dirigée contre le seul fournisseur (importateur exclusif, association de producteurs ou de grossistes) et cela quand bien même ce fournisseur est lié par des accords d'exclusivité (v. notamment les arrêts: Gruen Watch MFG Co SA, du 5 juin 1956, RO 82 II 292; Giesbrecht, du 20 décembre 1960, RO 86 II 365; Alex Martin SA, du 16 mars 1965, RO 91 II 31). Effectivement, selon l'art. 4 L. Cart., le refus de livrer ou les discriminations de la part d'un cartel sont des actes illicites. Comme tels, ils lèsent un droit absolu, le droit de la personnalité. La personne atteinte dans ce droit est recevable à attaquer l'auteur de la lésion, nonobstant tout accord conclu par l'auteur avec un tiers (accord de cartel). Car un tel accord, juridiquement, ne saurait concerner le lésé; res inter alios acta, il ne lui est pas opposable, puisqu'il le lèse dans un droit absolu. Il suffit donc au lésé d'obtenir la condamnation de l'auteur. Sans doute l'auteur, condamné seul, pourra-t-il se voir actionné, en vertu du contrat par son ou ses partenaires, auxquels le jugement ne sera pas opposable. Mais cela est sans conséquence du point de vue du lésé. Il sera du reste loisible à l'auteur de dénoncer l'instance aux autres parties au contrat. Il n'est pas exclu que, dans la présente espèce, les recourantes ne se privent de cette faculté en se soustrayant à une action jointe au for suisse. Cette particularité, cependant, ne modifie pas les données juridiques du problème et ne saurait justifier aucune exception. Les recourantes ne sont pas des consorts nécessaires des défenderesses suisses, de sorte qu'elles sont en droit de se réclamer du for que fixe l'article premier de la Convention.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et réforme l'arrêt attaqué en ce sens que le déclinatoire soulevé par les recourantes est admis, les tribunaux du for de Genève étant déclarés incompétents pour connaître de la présente action, en tant qu'elle est dirigée contre les recourantes.
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Sachverhalt ab Seite 747 BGE 99 Ia 747 S. 747 A.- La loi vaudoise sur l'organisation sanitaire (en abrégé: LOS) du 9 décembre 1952, modifiée notamment en 1957 et 1963, déclare obligatoire la vaccination des enfants contre la variole et contre la diphtérie (art. 115). Au sujet de cette dernière vaccination, les al. 2 et 3 de l'art. 115 disposent: "La vaccination contre la diphtérie est obligatoire. Elle doit être effectuée après le 3e mois de la vie et le plus rapidement possible. Elle doit néanmoins être séparée par un intervalle d'au moins 6 semaines de la vaccination antivariolique. Une troisième injection dite "de rappel" antidiphtérique est faite aux enfants commençant leur scolarité, lorsqu'ils ont été vaccinés en bas âge. S'ils n'ont pas encore été vaccinés, l'on procédera à ce moment-là à une primo-vaccination." L'obligation de faire vacciner l'enfant en temps voulu incombe à son représentant légal (art. 116 LOS). Selon l'art. 117 LOS, aucun enfant ne peut être admis dans les écoles publiques et privées ou autres établissements d'éducation, s'il ne produit un certificat constatant qu'il a été vacciné contre la diphtérie; le département compétent peut toutefois accorder des dérogations. Quiconque contrevient aux dispositions de la loi est passible d'une amende de 10 à 10 000 francs (art. 122 LOS). BGE 99 Ia 747 S. 748 L'arrêté du Conseil d'Etat du 4 décembre 1962 sur les vaccinations contre la variole et la diphtérie contient des dispositions analogues aux art. 1er, 6, 7 et 25. L'art 7 reprend en son premier alinéa le texte de l'art. 117 LOS et désigne en son second alinéa les autorités chargées du contrôle de cette disposition. B.Sur demande du Service de la santé publique, Pierre-André Etienne a produit le 5 octobre 1970 un certificat du Dr Vulliemin, médecin traitant de son fils Yves né le 27 juin 1966. Le médecin indiquait, dans ce certificat, qu'il y avait lieu de surseoir à toute vaccination non urgente, notamment à la vaccination antidiphtérique, et relevait qu'il avait prévenu les parents de l'obligation de faire procéder à cette vaccination dans un ou deux ans. Le Service de la santé publique a accordé à Etienne, le 8 octobre 1970, un délai jusqu'au 30 octobre 1971 pour faire vacciner son fils. Interpellé à nouveau en novembre 1971, Etienne a informé le service en question, sans produire de nouveau certificat médical, qu'il ne ferait pas vacciner son fils contre la diphtérie. Sur dénonciation du Service de la santé publique, le Préfet de Lausanne a prononcé contre Etienne, le 25 janvier 1972, une amende de 30 fr. pour violation des art. 115 à 117 LOS et des art. 1er et 7 de l'ACE du 4 décembre 1962. Etienne ayant fait opposition, le Juge informateur de Lausanne l'a déféré au Tribunal de police du district de Lausanne qui l'a condamné le 1er novembre 1972 à une peine de 10 fr. d'amende pour n'avoir pas fait vacciner son enfant contre la diphtérie. C.- Saisie d'un recours contre le jugement du 1er novembre 1972, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté par arrêt du 24 novembre 1972. Constatant que le recourant contestait le bien-fondé de la loi elle-même, sur la base de laquelle il avait été condamné, et non la manière dont elle avait été appliquée, elle soulignait que ce grief échappait à son examen et ne constituait pas un moyen valable de réforme, le recours étant ainsi manifestement mal fondé au sens de l'art. 431 al. 2 CPP. D.- Agissant par la voie du recours de droit public, Pierre-André Etienne demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt rendu le 24 novembre 1972 par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal. Il allègue la violation de la garantie constitutionnelle de la liberté personnelle, soutenant BGE 99 Ia 747 S. 749 qu'il n'existe pas d'intérêt public suffisant d'imposer une telle vaccination. Le Procureur général de l'Etat de Vaud conclut au rejet du recours. Le Juge délégué a demandé au Service fédéral de l'hygiène publique un rapport sur la vaccination des enfants contre la diphtérie. Déposé le 25 juillet 1973, ce rapport a été communiqué au recourant pour observation.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. (Recevabilité). 2. La liberté personnelle, droit constitutionnel non écrit de la Confédération, garantit notamment le droit du citoyen à son intégrité corporelle (RO 91 I 34 consid. 2, 89 I 98 consid. 4). Alors même qu'elle est rangée parmi les droits constitutionnels imprescriptibles et inaliénables, la liberté personnelle n'est cependant pas absolue, pas plus que les autres libertés constitutionnelles. Elle peut être limitée par les exigences de l'intérêt public; mais ces restrictions doivent se fonder sur une base légale, respecter le principe de la proportionnalité et ne pas aller jusqu'à vider ce droit de sa substance (RO 99 Ia 266 s. et les arrêts cités, 97 I 50 et 842). En ce qui concerne la liberté physique, la jurisprudence admet qu'il peut y avoir atteinte à l'intégrité corporelle même si aucune lésion dommageable n'a été provoquée. Ainsi en est-il d'une prise de sang, qui généralement ne produit guère de douleur et ne compromet pas la santé de celui qui en est l'objet (cf. RO 99 Ia 412 consid. 4, 91 I 34, 89 I 98 s., 82 I 238). Tel est également le cas de la vaccination des enfants contre la variole et la diphtérie, qui a été rendue obligatoire dans plusieurs cantons suisses (BERSIER, La liberté personnelle, thèse, Lausanne 1968, p. 43 s: et 76; SCHNETZLER, L'intervention pratiquée contre le gré du patient par les médecins d'un établissement hospitalier public, RDAF 1967 p. 63). 3. Le recourant ne conteste pas en l'espèce l'existence d'une base légale, mais il soutient que l'obligation légale de vacciner les enfants contre la diphtérie n'est pas justifiée par un intérêt public suffisant. Il prétend que depuis quarante ans, il n'existe plus de cas de diphtérie en Suisse et qu'il n'y a aucune différence statistique entre les populations des cantons BGE 99 Ia 747 S. 750 où la vaccination est obligatoire et les habitants des cantons qui ne l'imposent pas. De plus, la vaccination aurait été supprimée en Grande-Bretagne et aux Etats-Unis et serait facultative aux Pays-Bas. Le recourant en conclut que la vaccination obligatoire contre la diphtérie ne se justifierait plus et qu'elle ne serait plus en rapport avec l'atteinte portée à la liberté personnelle. a) Pour juger du bien-fondé de ces allégations, il faut se référer au rapport du Directeur du Service fédéral de l'hygiène publique, du 25 juillet 1973. Ce rapport relève tout d'abord que les publications jointes au dossier du recourant sont pour la plupart anciennes ou se rapportent à des faits anciens dont certains remontent au début de l'ère pasteurienne, et qu'elles contiennent nombre d'affirmations dont on cherche en vain les bases scientifiques objectives. Au sujet de la diphtérie, il précise que l'agent étiologique - une bactérie - se rencontre encore dans tous les pays du monde, contrairement à la variole, dont l'agent étiologique est un virus et qui, grâce à la vaccination, ne se trouve plus en permanence que dans quelques pays d'Asie et d'Afrique. Même si la diphtérie est actuellement en régression en Suisse, la bactérie n'en demeure pas moins présente et constitue pour la collectivité une menace d'autant plus grave que la population est insuffisamment vaccinée. Certes, relève l'expert, la vaccination contre la diphtérie a largement contribué à la diminution de cette maladie, mais il est inexact de soutenir qu'elle a disparu de Suisse depuis 40 ans. L'expert fait état de statistiques couvrant les années 1941 à 1970, d'où il résulte que s'il y a eu une très forte régression de la diphtérie en Suisse durant cette période, il n'en demeure pas moins qu'elle n'a pas disparu, puisque durant la période de 1961 à 1965 on a encore enregistré 35 cas par année en moyenne ou 175 cas au total et qu'au cours de la période de 1966 à 1970 il y a eu en moyenne 13 cas par année ou 65 cas en tout. Il y a d'ailleurs des variations cycliques, saisonnières ou aussi au cours de décennies, ce qui implique à tout moment le danger d'une recrudescence. D'autre part l'expert compare la morbidité (nombre de personnes atteintes de diphtérie pour 100 000 habitants) dans les cantons où la vaccination est obligatoire (Genève, Neuchâtel, BGE 99 Ia 747 S. 751 Vaud, Tessin, Fribourg) avec celle des cantons où elle ne l'est pas, pour les décennies 1950-1959 et 1960-1969. Il constate que pour 10 personnes qui ont contracté la diphtérie dans le groupe des cantons à vaccination obligatoire, il y en a 17 et 14 dans le groupe des cantons à vaccination facultative, compte tenu du nombre d'habitants dans chaque groupe. Il précise de plus, en ce qui concerne ces résultats, que dans le premier groupe on trouve non seulement des enfants non vaccinés mais aussi des personnes dont la vaccination est ancienne et donc insuffisante, et dans le second groupe un certain nombre d'enfants vaccinés, circonstances qui contribuent à atténuer la différence entre les deux groupes de cantons. Il est d'ailleurs pour le moins curieux, ajoute-t-il, de constater que les deux dernières épidémies de diphtérie en Suisse ont eu lieu, l'une dans le canton de Soleure (13 cas) en 1966, l'autre dans le canton de Zurich (22 cas) en 1969, cantons où la vaccination contre la diphtérie n'est pas obligatoire. L'expert relève en outre que si la protection conférée par la vaccination n'est pas absolue et diminue d'efficacité avec le temps, on a en revanche observé qu'une personne atteinte de cette maladie aura moins de probabilité d'en mourir si elle a été vaccinée. Il cite à ce sujet les études faites par Stuart au Royaume-Uni, selon lesquelles la vaccination réduit le risque de contracter la diphtérie de 4 fois et celui d'en mourir de 25 fois. En Allemagne, on a observé des diminutions des mêmes risques de 4 fois et de plus de 10 fois. L'expert souligne encore que, pour rendre très difficile la transmission continue du bacille diphtérique entre sujets réceptifs, il est nécessaire de conférer l'immunité à une proportion assez élevée de la population. Ainsi, dans les conditions des pays anglo-saxons, le pourcentage des enfants qui doivent être vaccinés à cet effet est d'au moins 70%. L'expert note enfin qu'avec l'accroissement des voyages à l'étranger, l'augmentation des risques d'épidémie est notable. b) Il s'agit d'examiner si, au vu du rapport précité, l'atteinte à l'intégrité corporelle que constitue la vaccination obligatoire contre la diphtérie est justifiée par l'intérêt public. Le rapport a mis en lumière que si la diphtérie a subi une régression générale, la présence de la bactérie signalée dans tous les pays du monde constitue encore un sérieux danger pour les populations non vaccinées ou insuffisamment vaccinées, BGE 99 Ia 747 S. 752 même dans des pays qui, comme la Suisse, connaissent des conditions d'hygiène très développées. En tout cas, c'est manifestement à tort que le recourant prétend qu'il n'y a plus eu d'épidémie depuis plus d'une génération. Il est vrai que la vaccination n'a pas une efficacité absolue. Mais elle produit en règle générale des résultats positifs. En tant que mesure préventive, elle réduit le risque de contracter la diphtérie. Si un enfant contracte tout de même cette affection, le fait d'avoir été vacciné diminue sérieusement la probabilité d'en mourir. Le recourant allègue en outre qu'il n'y a aucune différence, quant au nombre de cas de diphtérie, entre les cantons qui ont institué la vaccination obligatoire et ceux qui ne l'ont pas fait. Ici encore, une telle affirmation est inexacte, comme le démontre le rapport de l'expert. Le nombre de cas est encore nettement supérieur dans les cantons où la vaccination est facultative, même si l'on fait également entrer dans le calcul le nombre des enfants qui y sont vaccinés, ce qui favorise la statistique de ces cantons. Il est en tout cas symptomatique que les dernières épidémies se soient manifestées dans les cantons où la vaccination n'est pas obligatoire (Zurich et Soleure). Il faut en définitive constater que la diphtérie reste une maladie contagieuse redoutable, malgré sa très nette régression durant ces dernières décennies, régression due d'ailleurs à la vaccination. On ne saurait négliger le fait que la bactérie qui en est l'agent étiologique se rencontre encore dans tous les pays et qu'on ne peut dès lors exclure d'emblée la survenance de nouvelles épidémies à l'avenir. Il y a donc lieu de rester vigilant et de protéger, par des moyens appropriés, les populations et en particulier les enfants contre de pareilles contagions, moyens dont la vaccination (sérum antitoxique mélangé à la toxine) est, en l'état actuel de la science médicale, sans contredit le plus efficace. La lutte contre ces épidémies de diphtérie par la vaccination préventive obligatoire constitue donc une mesure importante pour la sauvegarde de la santé publique et répond de ce point de vue à un intérêt public certain. c) Reste à examiner la question sous l'angle du principe de la proportionnalité. On ne saurait soutenir à cet égard que la vaccination est un moyen qui dépasse la mesure de ce qui est BGE 99 Ia 747 S. 753 nécessaire pour la protection des intérêts de la collectivité, qu'elle pourrait être remplacée, avec des résultats semblables, par des mesures moins rigoureuses et qu'en conséquence elle ne constituerait pas un moyen proportionné au but visé. A ce sujet, il faut rappeler que la vaccination contre la diphtérie est en général inoffensive et peu douloureuse. Même si elle devait laisser subsister une cicatrice insuffisamment résorbée, on ne pourrait encore parler d'atteinte grave à l'intégrité corporelle. Au demeurant, lorsqu'il y a une contre-indication médicale justifiée, l'autorité cantonale permet de déroger au principe de la vaccination obligatoire. Il s'agit donc d'une limitation tout à fait admissible de la liberté personnelle, laquelle n'est pas atteinte gravement dans sa substance. Il s'agit de plus d'une mesure adèquate, étant donné l'intérêt prépondérant que représente la sauvegarde de la santé publique. L'expert est formel à cet égard lorsqu'il souligne que le danger d'épidémie n'est pas écarté et qu'il peut menacer à tout moment une agglomération ou une région, d'autant plus que l'intense brassage actuel des populations est un facteur d'augmentation des risques d'épidémie. Ces éléments sont décisifs. Ils permettent de conclure que, même si l'on ne peut pas dire que l'obligation de vacciner est d'une nécessité absolue, elle n'en constitue pas moins une mesure propre à favoriser la réalisation du but d'intérêt public poursuivi. La fin recherchée par le législateur vaudois, à savoir une protection accrue de la santé publique, l'emporte manifestement sur le sacrifice qui est imposé au citoyen par l'obligation de faire vacciner ses enfants. Le moyen tiré d'une prétendue violation de la liberté personnelle est donc mal fondé. d) Les pièces déposées par le recourant le 14 septembre 1973, en guise de détermination sur le rapport du Service fédéral de l'hygiène publique, ne permettent pas d'arriver à une autre conclusion. La controverse des milieux médicaux sur l'efficacité de la vaccination antidiphtérique et sur son innocuité ne suffit pas à faire déclarer inconstitutionnelles les dispositions critiquées de la loi vaudoise.
2,535
2,184
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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2,022
de
Sachverhalt ab Seite 127 BGE 148 IV 124 S. 127 A. Das Bezirksgericht Aarau erklärte A. mit Urteil vom 10. April 2019 des Raubs gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB (Anklageziffer 1), der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 StGB (Anklageziffer 1), der qualifizierten einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB (Anklageziffer 3), der mehrfachen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a WG (Anklageziffer 4), der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (SR 812.121) gemäss Art. 19 Abs. 1 BetmG (Anklageziffer 5), der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19a BetmG (Anklageziffer 5) und der versuchten Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB (Anklageziffer 6) schuldig. Es widerrief die von der Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau am 17. August 2016 bedingt ausgesprochenen Strafen und verurteilte A. als Gesamtstrafe zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren, einer unbedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.- und einer Busse von Fr. 800.-. Zudem ordnete es die Landesverweisung für die Dauer von sieben Jahren sowie die Ausschreibung derselben im Schengener Informationssystem (SIS) an. Im Zivilpunkt nahm das Bezirksgericht u.a. davon Vormerk, dass A. die Genugtuungsforderung von B. im Umfang von Fr. 5'000.- anerkannte. Die übrigen von B. geltend gemachten Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche verwies es auf den Zivilweg. A. und B. erhoben gegen das Urteil Berufung und die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung. B. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach A. am 22. Oktober 2020 bezüglich Anklageziffer 3 in Gutheissung der Berufung von B. und der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft der versuchten schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig. Es bestätigte den Schuldspruch wegen Raubes (Anklageziffer 1) und verurteilte A. in Berücksichtigung der übrigen, BGE 148 IV 124 S. 128 unangefochten gebliebenen Schuldsprüche zu einer Freiheitsstrafe von 41⁄2 Jahren, einer unbedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 10.- und einer Busse von Fr. 300.-. Es verwies A., wie bereits die erste Instanz, für sieben Jahre des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS an. Die Genugtuungsforderung von B. von Fr. 10'000.- hiess es im Umfang von Fr. 5'000.- gut. Im Übrigen verwies es dessen Zivilforderungen auf den Zivilweg. C. A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei von den Vorwürfen des Raubes (Anklageziffer 1) und der versuchten schweren Körperverletzung (Anklageziffer 3) freizusprechen und zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 36 Monaten zu verurteilen. Auf eine Landesverweisung und die Ausschreibung im SIS sei zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. D. Die Vorinstanz und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichteten auf eine Stellungnahme. B. liess sich nicht vernehmen. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen.
791
566
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) 2.6 Damit stellt sich die Frage, ob eine Änderung bzw. Ergänzung der Anklage auch im Rückweisungsverfahren vor der Vorinstanz noch möglich ist. 2.6.1 Gemäss Art. 329 Abs. 1 lit. a StPO prüft die Verfahrensleitung, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind. Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück ( Art. 329 Abs. 2 StPO ). Nach Art. 333 Abs. 1 StPO gibt das Gericht der Staatsanwaltschaft zudem Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern ( Art. 333 Abs. 2 StPO ). BGE 148 IV 124 S. 129 2.6.2 Die StPO unterscheidet folglich zwischen der Verbesserung einer nicht ordnungsgemäss erstellten Anklageschrift durch Ergänzung oder Berichtigung ( Art. 329 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 StPO ), der Änderung oder Ergänzung der Anklage bezüglich der bereits angeklagten Tat (Anklageänderung bzw. -ergänzung, Art. 333 Abs. 1 StPO ) und der Erweiterung der Anklage um eine zusätzliche Straftat (Anklageerweiterung, Art. 333 Abs. 2 StPO ). Art. 333 Abs. 1 StPO gelangt zur Anwendung, wenn der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen anderen (Umqualifizierung) - oder, bei echter Konkurrenz, einen zusätzlichen - Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht ( BGE 147 IV 167 E. 1.4). Art. 333 Abs. 2 StPO ermöglicht es demgegenüber, zusätzliche Straftaten der beschuldigten Person, die während des gerichtlichen Verfahrens entdeckt worden sind, nachträglich einzubeziehen, statt sie einem weiteren Verfahren vorzubehalten, wenn die Prozessökonomie dies nahelegt ( BGE 147 IV 167 E. 1.5.1). 2.6.3 Eine Anklageerweiterung im Sinne von Art. 333 Abs. 2 StPO ist im Berufungsverfahren nicht mehr möglich, da dies eine Durchbrechung des Grundsatzes der Doppelinstanzlichkeit (vgl. Art. 80 Abs. 2 BGG und Art. 32 Abs. 3 BV ) bedeuten würde ( BGE 147 IV 167 E. 1.5.1) und mit dem Verbot der "reformatio in peius" (vgl. Art. 391 Abs. 2 StPO ) unvereinbar wäre ( BGE 147 IV 167 E. 1.5.2 f.). Eine blosse Änderung der Anklage im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Anwendung von Art. 379 StPO im Rahmen der Anträge der Parteien (vgl. Art. 399 Abs. 3 lit. a und Abs. 4, Art. 404 Abs. 1 StPO ) und soweit mit dem Verbot der "reformatio in peius" vereinbar (vgl. Art. 391 Abs. 2 StPO ) indes auch im Berufungsverfahren noch zulässig ( BGE 147 IV 167 E. 1.4; BGE 141 IV 97 E. 2.4.2; Urteile 6B_904/2018 vom 8. Februar 2019 E. 2.4; 6B_1394/2017 vom 2. August 2018 E. 1.2; 6B_904/2015 vom 27. Mai 2016 E. 1.4.1; 6B_428/2013 vom 15. April 2014 E. 3.3 f.; 6B_777/2011 vom 10. April 2012 E. 2). Unter den gleichen Voraussetzungen kann eine Anklageänderung nach der Rechtsprechung auch nach einer Rückweisung durch das Bundesgericht noch erfolgen (vgl. BGE 139 IV 214 E. 3.4.5; Urteil 6B_857/2015 vom 21. März 2016 E. 1.6; anders Urteil 6B_1431/2017 vom 31. Juli 2018 E. 1.4 betreffend indes ein Verfahren ohne Privatkläger mit Hinweis auf die Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids). BGE 148 IV 124 S. 130 2.6.4 Zwar steht der Strafanspruch nach der Rechtsprechung allein dem Staat zu ( BGE 141 IV 380 E. 2.3.4 mit Hinweisen). Die Privatklägerschaft kann einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion daher nicht anfechten ( Art. 382 Abs. 2 StPO ). Sie hat im Strafverfahren indes ebenfalls gewisse Rechte. Sie kann sich als Strafklägerin konstituieren und die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangen (Strafklage; Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO ). In diesem Rahmen kann sie sich auch zur rechtlichen Würdigung der Tat äussern und einen zu Unrecht erfolgten erstinstanzlichen Freispruch oder eine ihres Erachtens zu milde rechtliche Würdigung durch das erstinstanzliche Gericht unabhängig von allfälligen Zivilforderungen mittels Berufung anfechten (vgl. Art. 382 Abs. 1 StPO und Art. 382 Abs. 2 StPO e contrario; BGE 141 IV 231 E. 2.5; BGE 139 IV 84 E. 1.1, BGE 139 IV 78 E. 3.3.3). Weiter kann sie sich unabhängig von der Geltendmachung von Zivilansprüchen gegen eine Nichtanhandnahme ( Art. 310 StPO ) oder Einstellung ( Art. 319 ff. StPO ) des Strafverfahrens mit Beschwerde im Sinne von Art. 393 ff. StPO zur Wehr setzen (vgl. Art. 104 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 310 Abs. 2 und Art. 322 Abs. 2 StPO ; BGE 146 IV 76 E. 2.2.2; BGE 144 IV 240 E. 2.3.1; BGE 141 IV 231 E. 2.5). Nach der Rechtsprechung ist die Privatklägerschaft zudem zur Einsprache gegen einen Strafbefehl legitimiert, wenn sie an der Aufhebung oder Änderung des Strafbefehls ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Ein solches rechtlich geschütztes Interesse bejaht das Bundesgericht in analoger Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 382 Abs. 1 StPO bei einer zu milden rechtlichen Qualifikation, auch wenn die Privatklägerschaft im Strafverfahren keine Zivilforderungen geltend machte bzw. geltend zu machen gedachte bzw. allfällige Zivilforderungen zuvor zurückzog (vgl. zum Ganzen: BGE 141 IV 231 ). Das Bundesgericht stellt hierfür auf die Lehre ab, wonach die Privatklägerschaft einen persönlichkeitsrechtlichen Anspruch auf Feststellung des zugefügten Unrechts hat und daher unabhängig von Auswirkungen der rechtlichen Qualifikation auf ihre Zivilforderungen Einsprache gegen einen Strafbefehl erheben können muss ( BGE 141 IV 231 E. 2.4 mit Hinweisen). 2.6.5 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang schliesslich die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur (impliziten) Teileinstellung. Danach muss die Staatsanwaltschaft sowohl einen Strafbefehl als auch eine beschwerdefähige, formelle Teileinstellungsverfügung erlassen, wenn sie nur einen Teil der vom Opfer behaupteten Taten BGE 148 IV 124 S. 131 verfolgt. Werden nach einem tätlichen Übergriff beispielsweise nicht alle vom Opfer geltend gemachten Verletzungen geahndet, ist die Staatsanwaltschaft bezüglich der unberücksichtigt gebliebenen Verletzungen zum Erlass einer expliziten Teileinstellungsverfügung verpflichtet ( BGE 138 IV 241 E. 2.4 f. betreffend einen Strafbefehl wegen des verursachten Sturzes des Opfers sowie Schlägen gegen dessen Oberkörper und Kopf sowie wegen den damit einhergehenden Schürfungen und Prellungen; implizite Einstellung des Verfahrens bezüglich des vom Opfer als Folge der gleichen Tathandlungen behaupteten Schädeltraumas). Diese Rechtsprechung geht zurück auf BGE 130 IV 90 , wonach Opfer gestützt auf Art. 8 Abs. 1 lit. b des früheren Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (aOHG; AS 1992 2465) einen Anspruch auf einen Entscheid eines Gerichts haben ( BGE 130 IV 90 E. 2 und 3.2 betreffend einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung als Folge eines Strassenverkehrsunfalls und Einstellung des Verfahrens bezüglich der von den Angehörigen des Opfers geltend gemachten kausalen Todesfolge). An BGE 138 IV 241 hielt das Bundesgericht auch in seiner jüngeren Rechtsprechung fest (vgl. etwa Urteile 6B_56/2020 vom 16. Juni 2020 E. 1.3.2; 6B_1012/2020 vom 8. April 2021 E. 4.1; 6B_819/2018 vom 25. Januar 2019 E. 1; 6B_1354/2017 vom 14. Juni 2018 E. 5). Explizite Teileinstellungsverfügungen, die nicht den ganzen Lebenssachverhalt, sondern lediglich einzelne erschwerende Tatvorwürfe betreffen, erübrigen sich bei Verfahren ohne Beteiligung von Privatklägern, zumal mit einer solchen Teileinstellung auch keine Entschädigungspflicht im Sinne von Art. 429 StPO einhergeht. Sind am Verfahren auch Privatkläger beteiligt, kann eine explizite Teileinstellungsverfügung mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung nach der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Anklage oder nach der Verweigerung der Anklageergänzung im gerichtlichen Verfahren (vgl. Art. 333 Abs. 1 StPO ) demgegenüber zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft erforderlich sein, da diese damit über die Beschwerde im Sinne von Art. 322 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO die für den von ihr angestrebten Schuldspruch erforderliche Änderung oder Ergänzung der Anklage erreichen kann (vgl. BGE 138 IV 241 E. 2). Damit soll den Geschädigten und insbesondere den Opfern im Sinne von Art. 116 Abs. 1 StPO und Art. 1 Abs. 1 OHG (SR 312.5) ermöglicht werden, ihre Rechte im Strafverfahren geltend zu machen und einer ungenügenden Anklage mit BGE 148 IV 124 S. 132 impliziter Einstellung von rechtserheblichen Tatsachen entgegenzuwirken. Dies ist ohne Weiteres auch mit Art. 324 Abs. 2 StPO vereinbar, wonach die Anklageerhebung nicht anfechtbar ist, da sich allfällige Rechtsmittel der Privatkläger nicht gegen die Anklage, sondern gegen die implizite Einstellung, d.h. die unterlassene Anklage richten. Art. 324 Abs. 2 StPO bringt lediglich zum Ausdruck, dass es unter der StPO kein separates Anklagezulassungsverfahren vor einer Rechtsmittelinstanz gibt, Prozesshindernisse folglich vom Sachgericht zu prüfen sind (vgl. Art. 319 Abs. 1 lit. d und Art. 329 Abs. 1 lit. b StPO ) und die beschuldigte Person z.B. die Frage, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht, nicht zum Gegenstand eines separaten Rechtsmittelverfahrens machen kann, d.h. das Verfahren vor dem Sachgericht auch durchzuführen ist, wenn die Anklage nicht auf einem hinreichenden Tatverdacht basiert (vgl. dazu HEIMGARTNER/NIGGLI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 18 zu Art. 324 StPO ). 2.6.6 Solche Teileinstellungsverfügungen machen entgegen BGE 144 IV 362 und dem dazu ergangenen Urteil 6B_888/2019 vom 9. Dezember 2019 - auch wenn sie ebenfalls den zur Anklage gebrachten Lebenssachverhalt betreffen und letztlich unangefochten blieben - einen Schuldspruch bezüglich der im gleichen Verfahren angeklagten Taten nicht unmöglich. Entscheidend ist, dass die Teileinstellungsverfügung auf die gleichzeitig erhobene oder bereits hängige Anklage bzw. den gleichzeitig erlassenen Strafbefehl Bezug nimmt und folglich als solche deklariert wird. Aus der Teileinstellungsverfügung muss hervorgehen, dass das Verfahren nicht als Ganzes, sondern lediglich bezüglich einzelner, nicht angeklagter, erschwerender Tatumstände betreffend etwa vom Opfer behauptete weitere Tathandlungen, zusätzliche Tatfolgen (z.B. zusätzliche Verletzungen) oder zusätzliche innere Tatsachen (z.B. ein über die verursachten Verletzungen hinausgehender Tötungswille des Täters) etc. eingestellt wird. Solche Teileinstellungsverfügungen dienen folglich nicht der Einstellung des gesamten Verfahrens, sondern der Fixierung des Gegenstands des gerichtlichen Verfahrens. BGE 144 IV 362 ist insofern zu relativieren, als sich die Sperrwirkung des Grundsatzes "ne bis in idem" (vgl. Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 320 Abs. 4 StPO , Art. 4 Ziff. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK [SR 0.101.07] sowie Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II [SR 0.103.2]) einer in Rechtskraft erwachsenen Teileinstellungsverfügung nur auf die konkret von der Teileinstellung betroffenen Tatsachen bezieht, nicht jedoch BGE 148 IV 124 S. 133 auf die gleichzeitig zur Anklage gebrachten Vorwürfe (vgl. präzisierend bereits Urteil 6B_56/2020 vom 16. Juni 2020 E. 1.5.2 in fine; vgl. für die Wiederaufnahme von eingestellten Verfahren zudem: Art. 11 Abs. 2 und Art. 323 StPO ; BGE 141 IV 194 E. 2.3). Eine solche restriktivere Auslegung des Grundsatzes "ne bis in idem" ist mit Art. 11 StPO sowie Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK und Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II ebenfalls vereinbar. Entsprechend hat sich das Bundesgericht von der Rechtsprechung, wonach eine Teileinstellung des Verfahrens zwingend den ganzen Lebensvorgang bzw. Lebenssachverhalt betrifft (Abgrenzungskriterium "gleicher oder anderer Lebensvorgang bzw. Lebenssachverhalt", vgl. BGE BGE 144 IV 362 E. 1.3.1; Urteile 6B_514/2020 vom 16. Dezember 2020 E. 1.3.4; 6B_888/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 1.5), in jüngeren Entscheiden wiederholt distanziert (vgl. etwa Urteile 6B_1012/2020 vom 8. April 2021 E. 4 betreffend ein Fahrverhalten auf der Autobahn; 6B_74/2020 vom 24. September 2020 E. 2; 6B_459/2020 vom 1. September 2020 E. 2.4.3 betreffend einen sexuellen Übergriff; 6B_84/2020 vom 22. Juni 2020 E. 2.3 betreffend einen Strassenverkehrsunfall; 6B_56/2020 vom 16. Juni 2020 E. 1.5 betreffend eine tätliche Auseinandersetzung). Die Vereinbarkeit von Schuldspruch und Teileinstellungsverfügung mit dem Grundsatz "ne bis in idem" ergibt sich auch daraus, dass eine Verfahrenseinstellung - auch wenn die Einstellungsverfügung (im Betreff) in der Regel einen gesetzlichen Straftatbestand erwähnt - immer in Bezug auf einen bestimmten Tatvorwurf und nicht hinsichtlich eines bestimmten Straftatbestandes bzw. einer rechtlichen Würdigung erfolgt (vgl. Art. 319 StPO ). Das Gericht prüft die rechtliche Würdigung frei (vgl. Art. 350 Abs. 1 StPO ). Indes geht eine mildere rechtliche Würdigung in der Regel auch mit einer günstigeren Einschätzung der Beweislage einher. Ist kein entsprechender Tatverdacht erhärtet (vgl. Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ), erübrigen sich rechtliche Erwägungen. Auf eine tätliche Auseinandersetzung mit beweismässig strittigem Umfang der Verletzungsfolgen übertragen bedeutet dies zum Beispiel, dass die Teileinstellung nicht hinsichtlich des Tatbestands der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB ergeht, sondern hinsichtlich konkreter, vom Opfer geltend gemachter (schwerer) Verletzungsfolgen, welche mangels eines hinreichenden Tatverdachts keinen Eingang in die Anklage fanden. Auch deshalb kann nicht gesagt werden, eine Teileinstellung erfasse zwingend immer den ganzen Lebenssachverhalt. BGE 148 IV 124 S. 134 2.6.7 Ob Anklage zu erheben ist, richtet sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore". Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht ( BGE 143 IV 241 E. 2.2.1; BGE 138 IV 186 E. 4.1, BGE 138 IV 86 E. 4.1 f.). Der Grundsatz "in dubio pro duriore" kommt auch bei der Frage zum Tragen, welche Vorwürfe im Einzelnen in die Anklage aufzunehmen sind sowie bei der Beurteilung einer von der Privatklägerschaft beantragten Änderung oder Ergänzung der Anklage (vgl. Art. 333 Abs. 1 StPO ). Die Anklage muss im Rahmen des Grundsatzes "in dubio pro duriore" daher auch die Sichtweise der Privatklägerschaft wiedergeben (falls erforderlich veranschaulicht durch eine Haupt- und Eventualanklage, vgl. Art. 325 Abs. 2 StPO ). Sie soll dem Sachgericht eine umfassende Beurteilung der Sache erlauben und insbesondere auch das rechtlich geschützte Interesse der Privatkläger berücksichtigen, ihren Standpunkt im gerichtlichen Verfahren geltend machen zu können. Die Staatsanwaltschaft darf eine Änderung oder Ergänzung der Anklage im Hinblick auf eine strengere rechtliche Würdigung demnach nicht willkürlich verweigern und muss im Zweifel nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" vorgehen. Das Sachgericht kann die Staatsanwaltschaft nicht zur Änderung oder Erweiterung einer Anklage verpflichten, sondern ihr gemäss Art. 333 Abs. 1 StPO lediglich Gelegenheit dazu geben (Urteile 6B_787/2020 vom 21. Juli 2021 E. 2.3.2; 6B_719/2017 vom 10. September 2018 E. 2.2.2; 1B_96/2018 vom 24. Mai 2018 E. 2.3.3; STEPHENSON/ZALUNARDO-WALSER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 5a und 7 zu Art. 333 StPO ). Dem Sachgericht ist es zudem untersagt, die Rolle der Anklage zu übernehmen (siehe dazu BGE 144 I 234 E. 5). Im Gerichtsverfahren gilt grundsätzlich das Immutabilitätsprinzip (vgl. nicht publ. E. 1.3). Das Sachgericht hat in der Regel daher nur darüber zu urteilen, ob die beschuldigte Person im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen ist, und nicht aus eigener Initiative über eine Anklageergänzung nach Art. 333 Abs. 1 StPO eine härtere rechtliche Qualifikation anzustreben. Eine Anwendung von Art. 333 Abs. 1 StPO - der eine Durchbrechung des Immutabilitätsprinzips zur BGE 148 IV 124 S. 135 Folge hat - ist bei Verfahren ohne Beteiligung von Privatklägern nur in engen Grenzen möglich, wenn es darum geht, ungerechtfertigte Freisprüche zu verhindern, weil in der Anklage z.B. nicht alle Tatbestandselemente der angeklagten Straftat hinreichend umschrieben sind oder weil der an sich gleiche Lebensvorgang unter einen anderen Tatbestand zu subsumieren ist (vgl. STEPHENSON/ZALUNARDO-WALSER, a.a.O., N. 3 ff. zu Art. 333 StPO ). Hingegen ist die Privatklägerschaft - anders als das Sachgericht - nicht zur Unparteilichkeit verpflichtet. Sie darf ihren Anspruch auf Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person (vgl. Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO ) im Gerichtsverfahren bei einer ihrer Ansicht nach ungenügenden Anklage auch mittels eines Antrags auf Ergänzung der Anklage im Sinne einer qualifizierten Tatbegehung bzw. einer härteren rechtlichen Qualifikation durchsetzen (vgl. oben E. 2.6.4 f.). Solche Anträge der Privatklägerschaft auf Ergänzung der Anklage hat das Sachgericht zu behandeln. Darüber, ob einem entsprechenden Antrag der Privatklägerschaft stattzugeben und der Staatsanwaltschaft entsprechend die Möglichkeit zur Anklageänderung bzw. -ergänzung einzuräumen ist, hat das Gericht nach pflichtgemässem Ermessen sowie in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" zu befinden. 2.6.8 Zu beurteilen ist vorliegend eine Straftat gegen die körperliche Integrität. Beim Beschwerdegegner 2 handelt es sich daher um ein Opfer im Sinne von Art. 116 Abs. 1 StPO und Art. 1 Abs. 1 OHG . Der Beschwerdegegner 2 ersuchte im kantonalen Verfahren, sowohl erst- als auch zweitinstanzlich, wiederholt um Ergänzung der Anklage. Damit hat er die Frage der Anklageergänzung im Hinblick auf eine strengere rechtliche Qualifikation rechtzeitig bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgeworfen und seinen Antrag auch im Berufungsverfahren erneuert. Fraglich ist vorliegend, ob das Bezirksgericht den Antrag des Beschwerdegegners 2, der Staatsanwaltschaft sei Gelegenheit zur Anklageergänzung zu geben, korrekt behandelte, nachdem es der Staatsanwaltschaft für die Ergänzung der Anklage anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung lediglich 15 Minuten einräumte. Die Frage kann jedoch offenbleiben. Die Staatsanwaltschaft hat das Konzept der Anklageergänzung auf jeden Fall missverstanden, da sie zu Unrecht davon ausging, die Anklage sei allein durch den Protokollvermerk gültig in eine Anklage wegen versuchter schwerer Körperverletzung geändert worden. Diese Auffassung teilte angesichts des Vermerks im erstinstanzlichen BGE 148 IV 124 S. 136 Verhandlungsprotokoll vom 10. April 2019, wonach der Gerichtspräsident den Beschuldigten darüber aufklärte, dass nun auch eine schwere Körperverletzung angeklagt sei, zunächst auch das Bezirksgericht, was es im erstinstanzlichen Urteil jedoch zu Recht korrigierte. Mangels einer expliziten Teileinstellungsverfügung mit Rechtsmittelbelehrung kann dem Beschwerdegegner 2 auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die mit der Verweigerung der Anklageergänzung zum Ausdruck gebrachte implizite Teileinstellung (bezüglich der geltend gemachten lebensgefährlichen und irreversiblen Verletzungen bzw. bezüglich des Vorwurfs, der Beschwerdeführer habe lebensgefährliche Verletzungen, eine bleibende Schädigung oder anderweitige schwere Verletzungen gewollt oder zumindest in Kauf genommen) bisher nicht mit Beschwerde angefochten hat (vgl. BGE 138 IV 241 E. 2.6 f.; siehe zur Anfechtbarkeit einer impliziten Einstellung auch: Urteile 6B_84/2020 vom 22. Juni 2020 E. 2.1.3; 6B_819/2018 vom 25. Januar 2019 E. 1.3.5). Unter diesen Umständen bleibt eine Änderung bzw. Ergänzung der Anklage auch nach dem bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid noch möglich, da der Beschwerdegegner 2 eine solche sowohl erst- als auch zweitinstanzlich beantragte und sein Antrag bisher nicht korrekt behandelt wurde. Daran ändert nichts, dass sich die Anklageergänzung auf die Beurteilung der Zivilforderungen im Strafverfahren nicht mehr auswirken kann, da der Beschwerdegegner 2 die teilweise Verweisung seiner Zivilforderungen auf den Zivilweg unangefochten liess, und dass im Rückweisungsverfahren angesichts des Verbots der "reformatio in peius" (vgl. Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO ; BGE 146 IV 311 E. 3.6.3 mit Hinweisen) höchstens noch ein Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung, nicht jedoch wegen vollendeter schwerer Körperverletzung oder gar versuchter Tötung in Betracht kommt (vgl. oben E. 2.6.3). Zivilforderungen sind notwendige Voraussetzung für die Legitimation der Privatkläger zur Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; BGE 143 IV 434 E. 1.2.3; BGE 141 IV 1 E. 1.1). Im kantonalen Verfahren kann das Opfer seine Rechte jedoch unabhängig von allfälligen Zivilforderungen geltend machen (vgl. oben E. 2.6.4). Sollte der Beschwerdegegner 2 an seinem Antrag festhalten, hat die Vorinstanz im Rückweisungsverfahren daher erneut zu prüfen, ob der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zu geben ist, die Anklage in BGE 148 IV 124 S. 137 tatsächlicher Hinsicht um die subjektiven Elemente einer versuchten schweren Körperverletzung (vgl. nicht publ. E. 2.5.3) zu ergänzen.
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Sachverhalt ab Seite 310 BGE 113 Ia 309 S. 310 In der Volksabstimmung vom 1. Dezember 1985 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Aargau das Gesetz über die Organisation der ordentlichen richterlichen Behörden (GOG) vom 11. Dezember 1984 an. Dessen § 15 enthält unter der Marginalie "Presse, Radio, Fernsehen" die folgende Bestimmung: "1 Berichterstattungen über Gerichtsverhandlungen durch Presse, Radio und Fernsehen müssen sachlich sein und dürfen niemanden unnötig blossstellen. 2 Presse, Radio und Fernsehen sind verpflichtet, eine vom zuständigen Gericht angeordnete und formulierte Berichtigung ihrer Berichterstattung zu veröffentlichen. 3 Gerichtsberichterstatter, die gegen die für Berichterstattung aufgestellten Regeln verstossen, können durch Entscheid des Obergerichts von den öffentlichen Verhandlungen der Gerichte des Kantons ausgeschlossen werden. 4 Der Regierungsrat regelt die Gerichtsberichterstattung in einer Verordnung." Der Verband der Schweizer Journalisten (VSJ) und ein Redaktor führen gegen die Bestimmung von § 15 GOG im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts einerseits und wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit, der Rechtsgleichheit und des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen andererseits. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab. BGE 113 Ia 309 S. 311
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Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführer rügen vorerst eine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes und machen damit eine Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV geltend. Zur Begründung führen sie aus, § 15 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen richterlichen Behörden (GOG) diene ausschliesslich dem Persönlichkeitsschutz der Prozessbeteiligten. Der Persönlichkeitsschutz werde indessen durch das Bundeszivilrecht in abschliessender Weise garantiert. Mit § 15 GOG werde daher in unzulässiger Weise in die Bundeskompetenz über das Privatrecht eingegriffen. a) Der angerufene Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) bedeutet, dass die Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, nicht zur Rechtssetzung befugt sind ( BGE 109 Ia 47 E. 3c/aa). Auf entsprechende Rüge hin prüft das Bundesgericht frei, ob die beanstandeten kantonalen Normen mit dem Bundesrecht vereinbar sind ( BGE 111 Ia 179 , BGE 109 Ia 67 E. 2a, BGE 109 Ia 74 E. 3, BGE 109 II 197 E. 1, mit Hinweisen). b) Nach Art. 64 BV steht dem Bund die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivilrechts zu. Es handelt sich hiebei um eine ausschliessliche Zuständigkeit umfassender Art. Die Kantone dürfen nur soweit zivilrechtliche Bestimmungen erlassen, als das Bundesrecht ausdrücklich oder dem Sinne nach die Geltung kantonalen Rechts vorbehält ( BGE 85 I 20 , mit Hinweisen). Gemäss Art. 6 ZGB werden die öffentlichrechtlichen Befugnisse der Kantone durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt. Die Kantone können im öffentlichen Interesse Vorschriften aufstellen, welche die zivilrechtliche Ordnung ergänzen. Wo die Schranken der expansiven Kraft des öffentlichen Rechts liegen und welche zivilrechtlichen Vorschriften eine abschliessende Ordnung darstellen und Modifikationen durch Bestimmungen des kantonalen öffentlichen Rechts ausschliessen, lässt sich nicht in allgemeiner Form umschreiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Erlass öffentlichrechtlicher kantonaler Vorschriften jedenfalls in einem vom Bundeszivilrecht geregelten Bereich gestützt auf Art. 6 ZGB zulässig, sofern der Bundesgesetzgeber nicht eine abschliessende Ordnung geschaffen hat, die kantonalen Bestimmungen einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse entsprechen und nicht gegen Sinn und Geist des BGE 113 Ia 309 S. 312 Bundeszivilrechts verstossen ( BGE 110 Ia 113 E. 3b, mit Hinweisen). Die Kompetenz der Kantone, ihre Gerichtsorganisation und das Prozessrecht zu ordnen, ergibt sich indessen nicht aus Art. 6 Abs. 1 ZGB , sondern für das Zivilprozessrecht aus Art. 64 Abs. 3 BV und für das Strafprozessrecht aus Art. 64bis Abs. 2 BV (HANS HUBER, Berner Kommentar, Einleitungsband, N. 45 ff. zu Art. 6 ZGB ). Auch diese Vorschriften unterstehen jedoch dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (HUBER, a.a.O., N. 47). Dabei ist insbesondere die dienende Funktion dieser Vorschriften zu beachten. Das kantonale Recht der Gerichtsorganisation und der Prozessordnung ist darauf ausgerichtet, dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Die Kantone sind verpflichtet, eine Ordnung zu schaffen, welche die Anwendung des materiellen Bundesrechts gewährleistet. Namentlich ist ihnen untersagt, die Freiheit des kantonalen Richters in der Anwendung des Bundesrechts durch das kantonale Prozessrecht einzuschränken (vgl. BGE 107 II 122 E. 2a). Unter Beachtung dieser Einschränkungen sind die Kantone in der Ausgestaltung ihres Organisations- und Prozessrechts frei. Sie können insbesondere Normen zur Sicherung eines geordneten Verfahrens erlassen. Dazu gehören auch Bestimmungen über den Ablauf von öffentlichen Gerichtsverhandlungen und über die Gerichtsberichterstattung. Soweit von der Gerichtsberichterstattung negative Auswirkungen auf den geordneten Verfahrensablauf ausgehen können, sind sie befugt, hierüber Bestimmungen zu erlassen und eine allfällige Berichtigung der Berichterstattung vorzusehen. Der angefochtene § 15 GOG hält sich somit im Rahmen des den Kantonen zur Regelung überlassenen Verfahrens ( Art. 64 Abs. 1 und Art. 64bis Abs. 3 BV ) und ist unter diesem Gesichtswinkel nicht zu beanstanden. c) Das aargauische Zivil- und Strafprozessrecht wird - mit Ausnahme der Beratungen - vom Grundsatz der Verhandlungsöffentlichkeit beherrscht (§ 14 GOG). Ausnahmen sind möglich, wenn das öffentliche Interesse oder ein schutzwürdiges Interesse der Prozessbeteiligten dies erfordert (vgl. § 79 Abs. 2 ZPO , § 47 StPO ). Diese Beschränkungen der Öffentlichkeit dienen letztlich dem ordnungsgemässen Gang des Verfahrens und damit der unvoreingenommenen und unbeeinflussten Rechtsfindung. Solche Beschränkungen, wie sie sich allgemein aus der Verfahrensordnung ergeben können oder auf Antrag oder aus sitzungspolizeilichen Gründen angeordnet werden können, haben, soweit sie ihrerseits BGE 113 Ia 309 S. 313 verfassungs- und konventionskonform sind, Vorrang vor dem Öffentlichkeitsgrundsatz und der damit verbundenen Kontrollmöglichkeit der Allgemeinheit. An ihrer Zulässigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass diese Beschränkungen neben dem Zweck, eine objektive Rechtsfindung und einen ordnungsgemässen Verfahrensablauf zu garantieren, auch dem Schutz der am Prozess Beteiligten dienen. Die Beschwerdeführer erheben denn in diesem Zusammenhang zu Recht auch keine Rüge. Gleich verhält es sich mit Einschränkungen der Gerichtsberichterstattung. Die Gerichtsberichterstattung ist ein Teil der Verfahrensöffentlichkeit und stellt gewissermassen deren mittelbare Form dar (HANS SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, in: SJZ 69/1973 S. 131). Die mit der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen verbundenen Funktionen werden tatsächlich nicht so sehr durch den einzelnen, im Gerichtssaal anwesenden Bürger, sondern vielmehr durch die Berichterstattung über die Gerichtsverhandlungen insbesondere in der Presse wahrgenommen. Der Journalist wird zum Medium der Transparenz der richterlichen Staatstätigkeit für den Bürger einerseits und deren Kontrolle durch den Bürger anderseits (CARL HANS BRUNSCHWILER, Die dritte Gewalt, Aarau 1971, S. 29). Die Berichterstattung trägt nebst ihrer Publizitätswirkung dazu bei, das Vertrauen des Volkes in die Gesetzlichkeit und Unparteilichkeit der Justiz aufrechtzuerhalten (CARL LUDWIG, Die Verantwortlichkeit des Gerichtsberichterstatters, in: Festgabe zum 70. Geburtstag von Erwin Ruck, 1952, S. 18). Diese Zielsetzungen lassen sich indessen nur verwirklichen, wenn die Gerichtsberichterstattung sich ihrer Verantwortung bewusst ist und objektiv über die Gerichtsverhandlungen orientiert. Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Wirkungen der mittelbaren Öffentlichkeit viel weiter reichen als die der unmittelbaren, welche nur wenige Teilnehmer an den Verhandlungen erfasst (SCHULTZ, a.a.O., S. 132). Der Empfänger des Medienberichtes orientiert sich allein an dessen Inhalt über den Gang des Verfahrens; unmittelbare Wahrnehmungen gehen ihm ab. Das Gebot der sachlichen Berichterstattung liegt damit durchaus im Interesse der ordnungsgemässen Rechtspflege. Auch ist augenfällig, dass deren Funktion ohne weiteres beeinträchtigt werden kann, wenn die Prozessbeteiligten (Parteien, zum Beweis angehörte Personen und Gerichtsbehörden) blossgestellt, lächerlich gemacht oder in unwürdiger Art und Weise kritisiert werden. Die Vorschrift in § 15 Abs. 1 GOG, welche zu sachlicher Berichterstattung BGE 113 Ia 309 S. 314 verpflichtet und unnötige Blossstellungen verbietet, liegt damit unmittelbar im Interesse der ordnungsgemässen Rechtspflege. Dem ordnungsgemässen Gang der Rechtspflege dienen auch die Abs. 2 und 3 der angefochtenen Bestimmung. Anlässlich der zweiten Lesung zum Organisationsgesetz wurde die Meinung vertreten, § 15 GOG bezwecke nichts anderes als den verhältnismässigen Persönlichkeitsschutz. Dieser Umstand ändert an der Zielrichtung der angefochtenen Bestimmung nichts. Eine Gesetzesbestimmung ist in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie nach den ihr zugrundeliegenden Wertungen auszulegen. Die Vorarbeiten sind weder verbindlich noch für die Auslegung unmittelbar entscheidend; denn ein Gesetz entfaltet ein eigenständiges, vom Willen des Gesetzgebers unabhängiges Dasein, sobald es in Kraft getreten ist. Das heisst nicht, die Gesetzesmaterialien seien methodisch unbeachtlich; sie können namentlich dann, wenn eine Bestimmung unklar ist oder verschiedene, sich widersprechende Auslegungen zulässt, ein wertvolles Hilfsmittel sein, den Sinn der Norm zu erkennen ( BGE 112 II 170 E. 2b, 109 Ia 303, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist jedoch offensichtlich, dass die der Gerichtsberichterstattung gesetzten Grenzen unmittelbar dem ordnungsgemässen Prozessverlauf dienen, welcher u.a. nur damit erreicht werden kann, dass die Beteiligten nicht unnötig blossgestellt werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die angefochtenen Bestimmungen auch dem Persönlichkeitsschutz der am Prozess Beteiligten zu dienen vermögen. Daraus ergibt sich somit, dass § 15 GOG eine Vorschrift des öffentlichen Rechts zur Sicherung eines geordneten Verfahrens darstellt. Dies trifft sowohl auf die Richtlinien nach § 15 Abs. 1 GOG als auch auf die Sanktionen nach § 15 Abs. 2 und 3 GOG zu. Sie verletzen demnach den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesprivatrechts nicht. d) Im übrigen verkennen die Beschwerdeführer die Tragweite des Bundesprivatrechts, wenn sie diesem einen abschliessenden Persönlichkeitsschutz zuzuordnen suchen. Der Schutz der Persönlichkeit ist universelles Anliegen der Rechtsordnung überhaupt. Die Menschenwürde ist nicht nur Schutzobjekt des Privatrechts, sondern der Rechtsordnung schlechthin, und sie manifestiert sich auch in den Grundrechtsverbürgungen der Bundesverfassung (vgl. HANS HUBER, Diskussionsvotum zum Schweizerischen Juristentag 1960, ZSR 79/1960 II S. 667a ff.). Der Persönlichkeitsschutz ist Anliegen des privaten wie des öffentlichen Rechts (vgl. KARL BGE 113 Ia 309 S. 315 OFTINGER, Diskussionsvotum zum Schweizerischen Juristentag 1960, ZSR 79/1960 II S. 658a f.; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung und der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts, Bern 1964, S. 74 ff.). Dies gilt namentlich auch für den Bereich des Prozessrechts. Die Prozessbeteiligten haben bereits aus dem Gebot der Fairness (vgl. PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 41 ff.) Anspruch darauf, im Verfahren ihre Würde garantiert zu erhalten. Dazu dienen nicht bloss die den kantonalen Prozessordnungen und Art. 4 BV entfliessenden Verfahrensgarantien, sondern auch der allgemeine Anspruch darauf, im Verfahren mit der gebotenen Achtung der Persönlichkeit behandelt zu werden. In besonderem Masse gilt dies für den strafrechtlich Beschuldigten. Dient das moderne Strafrecht vorab dem humanen Bestreben nach Wiedergewinnung des Delinquenten für das Leben in der freien Gesellschaft (O.A. GERMANN, Massnahmenrecht des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, ZStrR 73/1958 S. 74), ist auch das Prozessrecht mit einer würdigen Behandlung des Beschuldigten diesem Ziel verpflichtet. Die Gefahr einer Verletzung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte aber liegt nicht nur in einer unkorrekten Verfahrensabwicklung, sondern ebensosehr in einer unnötig verletzenden oder blossstellenden Gerichtsberichterstattung. Die Berichte über die Gerichtsverhandlungen haben somit die Persönlichkeit der Prozessbeteiligten zu beachten (SCHULTZ, a.a.O., S. 134). Dies sicherzustellen sind auch die kantonalen Prozessrechte berufen. Öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Persönlichkeitsschutz haben in diesem Sinne nebeneinander Bestand. Dass die Ansprüche eines Prozessbeteiligten wegen seine Persönlichkeit verletzenden Gerichtsberichterstattungen sich nach Massgabe des Privatrechts beurteilen und nach Art. 28 ff. ZGB geltend gemacht werden können, schliesst die Befugnis der Kantone nicht aus, den Anliegen der Prozessbeteiligten auch im Rahmen der gerichtspolizeilichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Die richtig verstandenen Anliegen einer ordnungsgemässen Rechtspflege, welche auch den Persönlichkeitsschutz der Prozessbeteiligten umfassen, rechtfertigen zusätzliche Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzipes; der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts reicht hiezu nicht aus. Zum umfassenden Schutz der Persönlichkeit der Prozessbeteiligten bedarf es daher eines Zusammenwirkens von Privatrecht und Prozessrecht. BGE 113 Ia 309 S. 316 Die unnötige Verletzung oder Blossstellung vom Prozessbeteiligten ist unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Es reicht nicht aus, den Verletzten auf seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Täter zu verweisen. Der Staat selbst hat an einer Verletzung teil, wenn er diese während oder im Anschluss an die Verhandlung duldet. So wenig er zulassen darf, dass an der Verhandlung gegen die Prozessbeteiligten von Privaten Gewalttätigkeiten verübt werden, darf er es hinnehmen, dass ihr Persönlichkeitsrecht verletzt wird (MAX GULDENER, Bundesprivatrecht und kantonales Zivilprozessrecht, ZSR 80/1961 II S. 6 und 54 f.). e) Aus all diesen Gründen erweist sich die Rüge, der kantonale Gesetzgeber habe mit der Bestimmung von § 15 GOG in die Kompetenz des Bundes zur Regelung des privaten Persönlichkeitsschutzes eingegriffen und damit Art. 2 ÜbBest. BV verletzt, als unbegründet. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte abzuweisen. f) Die Beschwerdeführer machen unter dem Gesichtswinkel der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht geltend, die angefochtenen Bestimmungen stünden, soweit sie sich auf Radio und Fernsehen beziehen, mit dem Bundesrecht in Widerspruch. Diese Frage braucht daher im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden (vgl. BGE 112 Ia 407 E. 5). 4. a) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, § 15 GOG verletze in verschiedener Hinsicht geschriebene und ungeschriebene Verfassungsrechte sowie Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie berufen sich insbesondere auf Art. 55 BV , die Meinungsäusserungsfreiheit und Art. 10 EMRK sowie auf die Informationsfreiheit und den Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen. b) Die Bundesverfassung garantiert in Art. 55 BV ausdrücklich die Pressefreiheit und gewährt dem Bürger damit das Recht, seine Meinung mit den Mitteln der Druckerpresse in der Öffentlichkeit zu verbreiten ( BGE 107 Ia 49 E. 3, 279 f.; vgl. BGE 96 I 588 E. 3). Die Meinungsäusserungsfreiheit wird als ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes anerkannt. Es gewährleistet das Recht des Bürgers, seine Meinung frei zu bilden und zu äussern und sie andern bekanntzugeben ( BGE 108 Ia 175 ; BGE 107 Ia 65 , 229 E. b, 236, 279; BGE 105 Ia 182 ). In der umfassend verstandenen Meinungsäusserungsfreiheit ist die ausdrücklich garantierte Pressefreiheit als Teilgehalt enthalten und stellt insofern einen besondern Anwendungsfall derselben dar ( BGE 107 Ia 49 E. 3, 280; BGE 98 Ia 421 E. 2a; BGE 96 I 592 E. 6; ZBl 85/1984 S. 310). BGE 113 Ia 309 S. 317 Aus der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit ergibt sich die Informationsfreiheit, d.h. das Recht, Nachrichten und Meinungen ohne Eingriffe der Behörden frei zu empfangen und sich aus allgemein zugänglichen Quellen aktiv zu unterrichten ( BGE 107 Ia 305 f., 236 E. 2; BGE 105 Ia 182 ; BGE 104 Ia 91 E. 4 und 5, 378 E. 2; ZBl 83/1982 S. 222 E. d). Die Informationsfreiheit enthält nach der Rechtsprechung keine generelle Pflicht der Behörden zur Unterrichtung über Angelegenheiten der Verwaltung und räumt dem Bürger keinen positiven Anspruch auf Information ein; das Bundesgericht hat die Informationsfreiheit nicht als ungeschriebenes eigenständiges Verfassungsrecht anerkannt ( BGE 107 Ia 305 f.; BGE 104 Ia 91 E. 4 und 5). Soweit die Behörden aber informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden ( BGE 104 Ia 97 , 378; ZBl 83/1982 S. 39 E. 3a und S. 222). Ferner garantiert Art. 10 Ziff. 1 EMRK u.a. die Freiheit der Meinungsäusserung ( BGE 108 Ia 277 , 318 E. 2). Diese Konventionsgarantie entspricht in bezug auf die Äusserung und Weitergabe von Meinungen und in bezug auf die Möglichkeit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen aktiv zu informieren, dem geschriebenen und ungeschriebenen Bundesverfassungsrecht ( BGE 108 Ia 175 , 277 E. b, 318 E. 2a; ZBl 83/1982 S. 222 E. d; vgl. aber JOCHEN ABR. FROWEIN/ WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, N. 13 zu Art. 10; JOCHEN ABR. FROWEIN, Artikel 10 EMRK in der Praxis von Kommission und Gerichtshof, in: Archiv für Presserecht 17/1986 S. 198); besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Schranken nach Art. 10 Ziff. 2 EMRK zu. Die erhobenen Rügen sind demnach unter den Gesichtspunkten der Pressefreiheit, der Meinungsäusserungsfreiheit und von Art. 10 EMRK sowie der daraus fliessenden Informationsfreiheit gemeinsam zu behandeln (vgl. BGE 104 Ia 91 f.). Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gelten wie andere Freiheitsrechte nicht unbegrenzt. Einschränkungen sind zulässig, sofern sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind ( BGE 107 Ia 49 f.; BGE 104 Ia 103 ; BGE 98 Ia 63 E. 7; BGE 96 I 589 E. 4); Einschränkungen von Art. 10 Ziff. 1 EMRK sind nach Massgabe von Ziff. 2 zulässig (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. Juli 1986 i.S. Lingens, Ziff. 39 ff., Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A Nr. 103, in deutscher Übersetzung in: EuGRZ 1986 S. 424 ff.). Bei BGE 113 Ia 309 S. 318 der Beurteilung der Äusserungsmöglichkeiten und der Informationsfreiheit ist der Bedeutung dieser Grundrechte für die Entfaltung des Einzelnen sowie für die Meinungsbildung und -äusserung in einem demokratischen Rechtsstaat Rechnung zu tragen, soweit die Meinungsäusserungsfreiheit im Vordergrund steht ( BGE 107 Ia 279 , BGE 96 I 592 E. 6; ZBl 85/1984 S. 310 E. 2a). In bezug auf die Pressefreiheit ist die spezielle Funktion der Presse zu beachten, die als Vermittlerin von Informationen über das Gemeinwesen zur öffentlichen Meinungsbildung und damit zur öffentlichen Kontrolle beiträgt ( BGE 104 Ia 379 E. a; ZBl 85/1984 S. 311 E. a; erwähntes Urteil des Europäischen Gerichtshofes i.S. Lingens, Ziff. 41; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte - Besonderer Teil, Bern 1984, S. 108 und S. 112 f.); dies trifft für die Berichterstattung über Regierungs- und Verwaltungstätigkeit ebenso wie über das Gerichtswesen zu (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Gibt es eine Medienfreiheit?, in: recht 1983 S. 12 f.). c) Die Beschwerdeführer berufen sich ferner auf den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen. Die Öffentlichkeit der Verhandlungen der Gerichte ist nach § 72 KV sowie nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert. Dieser Grundsatz bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz. Er soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und die Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit wird es der Allgemeinheit ermöglicht, die Prozesse unmittelbar zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit verbietet einen Ausschluss dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater das vordringlich gebieten (vgl. BGE 111 Ia 245 , BGE 108 Ia 92 , mit Hinweisen; SCHULTZ, a.a.O., S. 129 ff.). In diesem Sinne sehen auch § 72 KV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit vor. Solche generelle Ausnahmen stehen im vorliegenden Fall nicht zur Diskussion. Es fragt sich, ob die Beschwerdeführer, welche die Interessen der Journalisten vertreten, befugt sind, sich auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen zu berufen. Diese Frage braucht indessen nicht näher geprüft zu werden. Entscheidend ist, dass im Grundsatz die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen BGE 113 Ia 309 S. 319 gewährleistet ist und dass demnach diese Verhandlungen eine allgemein zugängliche Informationsquelle darstellen, aus der sich der Einzelne sowie der Journalist aufgrund der Informationsfreiheit grundsätzlich ohne Eingriffe der Behörden unterrichten kann (vgl. MARCEL GUIGNARD, Die Gerichtsberichterstattung, in: Festschrift für den Aargauischen Juristenverein, Aarau 1986, S. 53 f.). Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen kommt daher im vorliegenden Fall keine selbständige Bedeutung zu; sie ist vielmehr im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit und von Art. 10 EMRK und der daraus abgeleiteten Informationsfreiheit zu behandeln (vgl. BGE 105 Ia 182 f.). d) Die Beschwerdeführer machen in materieller Hinsicht keine Verletzung von Art. 55bis BV geltend. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, inwiefern die in § 15 GOG enthaltenen Berichterstattungsrichtlinien und Sanktionen für Radio und Fernsehen vor der Verfassung standhalten (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1980, in: ZBl 83/1982 S. 219 ff.). e) Im folgenden sind die erhobenen Rügen in bezug auf die in § 15 GOG enthaltenen Absätze und Bestimmungen einzeln zu prüfen. 5. a) Die angefochtene Bestimmung von § 15 Abs. 1 GOG verlangt, dass die Gerichtsberichterstattung sachlich sein müsse und niemanden unnötig blossstellen dürfe. Sie enthält damit eine Anweisung, wie die Berichterstattung auszugestalten ist; Verstösse dagegen können die Folgen nach § 15 Abs. 2 und Abs. 3 GOG nach sich ziehen. Insofern stellt die Bestimmung einen Eingriff in die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit dar. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist und somit vor den Verfassungs- und Konventionsgarantien standhält. Für die Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, dass zwischen Information und Meinungsäusserung unterschieden werden kann (vgl. BGE 107 Ia 315 f.; erwähntes Urteil des Europäischen Gerichtshofes i.S. Lingens, Ziff. 45 f.). Die Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen ist zum einen Information, d.h. Wiedergabe von Tatsachen, wie sie im Gerichtssaal stattgefunden haben. Wie oben dargelegt, kann der Bürger aufgrund der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen unmittelbar und mittels der Gerichtsberichterstattung in den Massenmedien mittelbar davon Kenntnis erhalten, wie das Recht verwaltet und die Rechtspflege BGE 113 Ia 309 S. 320 ausgeführt wird (vgl. BGE 111 Ia 245 , BGE 108 Ia 92 ). Der Bürger nimmt insbesondere aufgrund von Presseberichten teil an der Rechtsprechung und kann eine gewisse Kontrolle ausüben. Diese Funktion kann indessen nur erfüllt werden, soweit die Berichterstattung wahrheitsgetreu und sachlich erfolgt. Die richtige Orientierung der Öffentlichkeit ist allgemein eine wesentliche Grundlage des Funktionierens des demokratischen Staatswesens und steht mit der Pressefreiheit nicht in Widerspruch ( BGE 107 Ia 316 ; vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Zur Bedeutung der Pressefreiheit beim privat- und strafrechtlichen Ehrenschutz, in: ZSR 86/1967 I S. 140 ff.). Das gilt auch für die Berichterstattung über das Gerichtswesen. Eine unsachliche und wahrheitswidrige Berichterstattung beeinträchtigt sodann das Vertrauen in die Justiz und kann den ordnungsgemässen Gang der Rechtspflege beeinträchtigen. Im Rahmen der abstrakten Normkontrolle braucht nicht umschrieben zu werden, was genau als sachliche bzw. als objektive Berichterstattung zu verstehen ist; als Richtlinie ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ( BGE 107 Ia 316 ; ZBl 83/1982 S. 225 und 226). Die Verpflichtung zu sachlicher Berichterstattung im Sinne einer objektiven Information über Gerichtsverhandlungen steht damit in einem überwiegenden öffentlichen Interesse und erweist sich wegen der geringen Tragweite des Eingriffs in die Verfassungs- und Konventionsgarantien als verhältnismässig. Das gleiche gilt für das Verbot, mit der Gerichtsberichterstattung niemanden unnötig blosszustellen. Die Meinungsäusserungs- und die Pressefreiheit sind unter Respektierung der Freiheitsrechte von Drittpersonen auszuüben ( BGE 107 Ia 229 E. b, mit Hinweisen). Diese Freiheitsrechte geben keinen Anspruch darauf, Prozessbeteiligte unnötig blosszustellen und damit deren Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Wie alle Freiheitsrechte finden auch sie ihre Grenze an der schützenswerten Rechtssphäre der andern. Das Anwachsen des Medienangebotes hat daher dem Gedanken des Schutzes der Individualität und der Würde des Einzelnen im Rahmen des auch öffentlichrechtlich gebotenen Persönlichkeitsschutzes erhöhte Aktualität verliehen (JÖRG PAUL MÜLLER, Zur Bedeutung der Pressefreiheit beim privat- und strafrechtlichen Ehrenschutz, a.a.O., S. 115 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 92). Darüber hinaus vermag die unnötige Blossstellung von den an einem Gerichtsverfahren beteiligten Personen den ordentlichen Gang der Rechtspflege zu beeinträchtigen. Die Bestimmung von § 15 Abs. 1 GOG liegt damit auch in dieser Hinsicht BGE 113 Ia 309 S. 321 im überwiegenden öffentlichen Interesse und kann nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Soweit die Gerichtsberichterstattung aber Meinungsäusserungen über das Gerichtsverfahren und die Rechtspflege enthält, schliesst die Bestimmung von § 15 Abs. 1 GOG bei verfassungskonformer Auslegung Kritik an der Rechtspflege nicht aus. Es gehört vielmehr zu den Grundanliegen der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit in einem demokratischen Rechtsstaat, dass solche Kritik publik gemacht werden kann, auch wenn sie in der Sache selbst scharf ausfällt. Auch solche Kritik soll aber im Ton sachlich bleiben, denn das öffentliche Interesse an der Information verlangt nicht, dass sie sich im Ton vergreift. Objektivität und Sachlichkeit in der Ausdrucksweise sind die Voraussetzung dafür, dass die Rechtspflege ihren ordnungsgemässen Gang, frei von sachfremden Einflüssen, nehmen kann. Werden die Justizorgane öffentlich mit masslosen und unqualifizierten Vorwürfen angegriffen, besteht insbesondere die Gefahr, dass die in der Streitsache mitwirkenden Organe einerseits die notwendige innere Distanz zum Streitgegenstand verlieren und dass sie anderseits nicht mehr unbefangen zu urteilen vermögen. Mit den Erfordernissen einer unabhängigen Rechtspflege ist eine solche Situation klarerweise unvereinbar, und es wird die Gefahr geschaffen, das Ansehen der gesamten Rechtsprechung herabzusetzen ( BGE 108 Ia 320 f., 106 Ia 108 f.). § 15 Abs. 1 GOG ist mithin auch unter dem Blickwinkel der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit einer verfassungskonformen Auslegung durchaus zugänglich. Sollte sich aus der konkreten Rechtsanwendung eine Verletzung dieser Grundrechte ergeben, steht den Betroffenen hiegegen die staatsrechtliche Beschwerde mit inzidenter Normenkontrolle und einem Schutz vor verfassungs- und konventionswidriger Rechtsanwendung zur Verfügung. b) Die Beschwerdeführer erachten ferner die Bestimmung von § 15 Abs. 2 GOG, wonach die Massenmedien eine vom zuständigen Gericht angeordnete und formulierte Berichtigung ihrer Berichterstattung zu veröffentlichen haben, als verfassungs- und konventionswidrig. Eine solche Pflicht, Berichtigungen zu veröffentlichen, greift grundsätzlich in den Freiheitsbereich der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit ein. Zu prüfen ist demnach, inwieweit hierfür ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben sei und ob eine solche Pflicht verhältnismässig sei. BGE 113 Ia 309 S. 322 Wendet man die vorstehend dargelegten Grundsätze über die Bedeutung einer im objektivierbaren Bereich sachlichen Gerichtsberichterstattung sinngemäss auch auf diesen Punkt an, so lässt sich nicht beanstanden, dass das Gesetz insoweit eine Berichtigungspflicht statuiert. Soweit sich eine unsachliche oder blossstellende Gerichtsberichterstattung oder eine unsachlich gehaltene Kritik negativ auf die in einem demokratischen Rechtsstaat notwendige Information des Bürgers auswirkt und zudem den ordnungsgemässen Gang der Justiz beeinträchtigt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Presse zu einer Berichtigungsveröffentlichung angehalten wird. Hierfür besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse, und die Pflicht zur Aufnahme einer Berichtigung erweist sich als angemessenes Mittel. Ein Organ der Presse, welches sich weigern würde, eine offensichtlich falsche Tatsachendarstellung oder eine unsachliche und unnötig verletzende Gerichtsberichterstattung zu berichtigen, verstiesse zugleich gegen ein sittliches Gebot und gegen seine Pflicht als Mittler zwischen Behörde und Öffentlichkeit. Indessen ist eine einschränkende Auslegung der Bestimmung am Platze. Ist eine Darstellung nicht offensichtlich unsachlich, sondern ist der fragliche Vorgang auch einer differenzierten Betrachtungsweise zugänglich, so kann keine Berichtigung im strengen Sinne des Wortes, sondern allenfalls höchstens eine Gegendarstellung gefordert werden. Mit einer solchen nimmt die Gerichtsverwaltung nicht für sich in Anspruch, allein die Wahrheit zu vertreten, sondern sie überlässt die Meinungsbildung der Öffentlichkeit ( BGE 107 Ia 317 ). Nach der im vorliegenden Verfahren abgegebenen Vernehmlassung des Regierungsrates ist nicht beabsichtigt, § 15 Abs. 2 GOG in Missachtung dieser Beschränkungen auszulegen und anzuwenden. Wie oben dargelegt, stünde bei zu extensiver Auslegung von § 15 Abs. 2 GOG im Einzelfall immer noch die staatsrechtliche Beschwerde offen. Die angefochtene Bestimmung kann daher im abstrakten Normkontrollverfahren nicht als verfassungs- oder konventionswidrig bezeichnet werden. c) Nach § 15 Abs. 3 GOG können Gerichtsberichterstatter, die gegen die für die Berichterstattung aufgestellten Regeln verstossen, durch Entscheid des Obergerichts von den öffentlichen Verhandlungen der Gerichte des Kantons ausgeschlossen werden. Auch darin erblicken die Beschwerdeführer eine Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit sowie der Informationsfreiheit. BGE 113 Ia 309 S. 323 Für die Beurteilung dieser Rüge ist zum einen davon auszugehen, dass die regelmässigen Gerichtsberichterstatter aufgrund eines Akkreditierungssystems oder einer faktischen Akkreditierung eine Sonderstellung einnehmen. Sie verfügen oftmals über Sonderrechte und erhalten zusätzliche Informationen über Gerichtstermine und einzelne Verfahren sowie für das Verständnis einzelner Prozessverfahren notwendige Unterlagen (vgl. GUIGNARD, a.a.O., S. 58 f.). Diese medienfreundliche Behandlung der Gerichtsberichterstatter ist nicht nur nach der Praxis der meisten Kantone verbreitet, sondern ausdrücklich auch in Art. 25 des Reglementes für das Schweizerische Bundesgericht (SR 173.111.1) normiert. Das Korrelat zur Gewährung einer derartigen Sonderstellung besteht dabei regelmässig in der Möglichkeit von deren Entzug, sofern von der Akkreditierung im geschilderten Sinne missbräuchlich Gebrauch gemacht wird (vgl. SCHULTZ, a.a.O., S. 134 f.). Berichterstatter, welche in grober Weise die ihnen auferlegten sittlichen und rechtlichen Pflichten verletzen, dürfen ohne Beeinträchtigung der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit im Interesse der Anliegen einer sachgerechten Rechtspflege dieser Privilegien verlustig erklärt werden. Darin kann keine Verletzung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit sowie der Informationsfreiheit erblickt werden (vgl. GUIGNARD, a.a.O., S. 72 f.). Die angefochtene Bestimmung ist in dieser Hinsicht auch unter dem Gesichtswinkel der nach Art. 4 BV garantierten Rechtsgleichheit nicht zu beanstanden. Der Wortlaut von § 15 Abs. 3 GOG lässt es zu, dass ein Gerichtsberichterstatter unbedingt von allen Verhandlungen der Gerichte ausgeschlossen werden könnte. Damit würde er alle Rechte verlieren, die sich einerseits aus der Informationsfreiheit und andererseits aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen ergeben. Eine solche Auslegung hielte vor der Verfassung und der Konvention nicht stand. Die angefochtene Bestimmung lässt sich indessen auch verfassungs- und konventionsmässig auslegen. Als schwerwiegende Sanktion wird sich der Ausschluss eines Gerichtsberichterstatters von den öffentlichen Verhandlungen nur in echten Ausnahmefällen und bei wiederholten und schweren Verstössen gegen die Berufspflichten rechtfertigen lassen. Ein Ausschluss kann weiter nur insofern verfügt werden, als er die Stellung eines Berichterstatters betrifft. Es wäre indessen unzulässig, einen Gerichtsberichterstatter auch als Teil des zum Verfahren zugelassenen Publikums, d.h. bei einem Verzicht BGE 113 Ia 309 S. 324 auf eine Berichterstattung, von den Verhandlungen auszuschliessen. Ein solcher Ausschluss müsste zudem dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen. Vorbehalten bleiben die Fälle, in denen die Öffentlichkeit in einem Verfahren gänzlich ausgeschlossen wird. Nach der Vernehmlassung des Kantons ist nicht damit zu rechnen, dass § 15 Abs. 3 GOG unter Missachtung der erwähnten Schranken angewendet wird. Es darf auch beachtet werden, dass ein Ausschluss nicht von jedem Gericht, sondern lediglich vom Obergericht verfügt werden darf. Das Obergericht bietet Gewähr dafür, dass ein Ausschluss eines Gerichtsberichterstatters unter Abwägung der zugrundeliegenden Interessen und insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und des Gleichheitsgebotes erfolgt (vgl. BGE 109 Ia 303 ; Urteil vom 10. Juli 1986 i.S. B. E. 3b, in: EuGRZ 1986 S. 650). Zudem steht dem Betroffenen im Einzelfall die staatsrechtliche Beschwerde offen. Bei dieser Sachlage zeigt sich, dass die Bestimmung von § 15 Abs. 3 GOG einer verfassungs- und konventionskonformen Auslegung zugänglich und die Wahrscheinlichkeit einer solchen zulässigen Auslegung im Einzelfall gegeben ist. Demnach rechtfertigt sich die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht. 6. Aus all diesen Gründen hält die angefochtene Bestimmung von § 15 GOG im Rahmen der vorgetragenen Rügen der abstrakten Normenkontrolle stand.
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Sachverhalt ab Seite 55 BGE 147 V 55 S. 55 A. A.a A., geboren 1977, war ab 1. Dezember 2005 bei der B. AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 9. Dezember 2010 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er den Abfall beim Einzug einer Maschine entfernen wollte, die Einzugswalze seinen Arbeitshandschuh erfasste und seine linke Hand in die Einzugswalze riss. (...) Der Kreisarzt, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Suva, attestierte ihm am 7. März 2013 eine zumutbare volle Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit und hielt einen psychisch auffälligen Zustand fest. Nachdem die BGE 147 V 55 S. 56 Suva A. am 4. April 2011, am 11. Mai 2011 und am 21. Juli 2011 zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung aufgefordert hatte, kam er dem am 23. August 2011 nach. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte am 6. August 2014 einen Anspruch von A. auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente, da sich dieser der angeordneten psychiatrischen Begutachtung nicht unterzogen hatte. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. (...) Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 sprach die Suva A. ab 1. November 2011 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse aus somatischen Gründen von 30 % zu. Am 9. November 2015 verfügte sie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % aus psychischen Gründen. Beide Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. A.b Mit Verfügung vom 22. November 2018 berechnete die Suva die Invalidenrente von A. unter Hinweis auf die infolge Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens neu als Komplementärrente. Nachdem A. dagegen hatte Einsprache erheben lassen, kam die Suva am 1. Februar 2019 auf ihre Verfügung zurück und ersetzte sie mit der Anweisung an A., sich bei der Invalidenversicherung bis zum 31. März 2019 anzumelden sowie seinen Mitwirkungspflichten, namentlich im Rahmen von Abklärungsmassnahmen, nachzukommen; im Unterlassungsfall werde die Rente als Komplementärrente berechnet. (...) Mit Verfügung vom 1. April 2019 richtete die Suva ihre Rente ab 1. April 2019 als Komplementärrente aus. Mit Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 (...) hielt sie an ihrer Verfügung vom 1. April 2019 fest. B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 gut, hob den Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 auf und wies die von A. beantragte Ausrichtung eines Verzugszinses ab. C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 zu bestätigen. Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme. BGE 147 V 55 S. 57 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die von der Suva zugesprochene Komplementärrente aufgehoben und die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente angeordnet hat. Zwischen den Parteien ist namentlich streitig, ob die Anmeldung bei anderen Sozialversicherungen nach Art. 51 Abs. 2 UVV (SR 832.202) von der zuständigen Unfallversicherung nur im Vorfeld der erstmaligen Zusprechung einer Rente verlangt werden kann oder auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Weiter ist streitig, ob - wie die Suva geltend macht - ein Wiedererwägungsgrund gegeben ist. 3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Modalitäten der Ausrichtung einer Komplementärrente ( Art. 20 Abs. 2 UVG i.V.m. Art. 69 ATSG [SR 830.1]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 4. Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG begründe die Suva die geltend gemachte zweifellose Unrichtigkeit der Verfügung mit der damaligen Nichtanwendung von Art. 51 Abs. 2 UVV . Dem könne nicht gefolgt werden. Der Versicherte habe sich 2011 auf Aufforderung der Suva hin bei der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle habe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der angeordneten psychiatrischen Abklärung den Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente verneint. Die Suva habe erst über den Rentenanspruch verfügt, nachdem die IV-Stelle ihre Leistungspflicht verneint habe. Somit habe zu keinem Zeitpunkt eine Konstellation vorgelegen, welche die Ausrichtung einer Komplementärrente zur Folge gehabt hätte, da zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch der Invalidenversicherung mit der unfallversicherungsrechtlichen Invalidenrente zusammengetroffen sei. Es könne auf Grund der Aktenlage nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die IV-Stelle dem Versicherten eine ganze Rente zugesprochen hätte, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre und sich der von der IV-Stelle für notwendig erachteten psychiatrischen Begutachtung unterzogen hätte. Auch sei der Wiedererwägungsgrund der fehlenden Adäquanzprüfung nicht gegeben, da BGE 147 V 55 S. 58 die Suva diese implizit bejaht habe. Dazu verwies die Vorinstanz auf die Beurteilungen des Dr. med. C. vom 18. März 2014 und vom 23. September 2014, gemäss welchen ein schwerer Unfall gegeben sei. Daraus schloss sie, dass es für das Vorliegen der Adäquanz bloss eines der Kriterien bedürfe, was angesichts der dramatischen Begleitumstände des Unfallgeschehens gegeben sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Suva die Rentenzusprechung gemäss Verfügung vom 11. Dezember 2014 zu Unrecht abgeändert habe, und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 aufzuheben sei. Abschliessend verneinte das kantonale Gericht den Anspruch des Versicherten auf einen Verzugszins. 5. Die Suva macht geltend, sie hätte das Recht gehabt, die Leistung mit Wirkung "ex nunc et pro futuro" ohne Berufung auf einen Rückkommenstitel mit der Invalidenversicherung zu koordinieren. Dabei beruft sie sich auf Art. 51 Abs. 2 UVV . 5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab ( BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 6; BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445; je mit Hinweisen). 5.2 Art. 51 Abs. 2 UVV lautet wie folgt: "Der leistungspflichtige Versicherer kann das Mass seiner Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen." "L'assureur tenu de fournir une prestation peut faire dépendre l'ampleur de celle-ci du fait que l'assuré communique ou non son cas à d'autres assurances sociales." "L'assicuratore tenuto a fornire prestazioni può subordinarne l'entità alla notifica del caso, da parte dell'assicurato, ad altre assicurazioni sociali." BGE 147 V 55 S. 59 5.3 Aus dem Wortlaut ergibt sich - entgegen den Behauptungen des Versicherten - weder, dass die damit eingeräumte Möglichkeit der Leistungsbemessung nur einmal zulässig sein soll noch dass dies vor der erstmaligen Ausrichtung einer Rente zu erfolgen hat. Das Bundesgericht hat sich zu diesen beiden Fragen - soweit ersichtlich - bis anhin nicht geäussert. Sofern es zu Art. 51 Abs. 2 UVV Ausführungen gemacht hat, ergeben sich immerhin Hinweise auf sein Verständnis der Norm. In SVR 2009 UV Nr. 55 S. 194, 8C_607/2008 E. 2.7 führte es aus, soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, sie hätte auf die Invalidenrente verzichten können, um dadurch bei der Suva der Komplementärrentenberechnung zu entgehen, hätten in diesem Falle die beanspruchbaren Leistungen im Rahmen einer Leistungskoordination angerechnet werden dürfen. Im nicht publizierten Urteil K 57/98 vom 16. Februar 1999 E. 4b hielt das damalige Eidg. Versicherungsgericht (EVG) fest, einzelne Sozialversicherungszweige würden das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung bei andern Sozialversicherungen abhängig machen ( Art. 51 Abs. 2 UVV ) oder Leistungen anderer Sozialversicherungen, auf welche die versicherte Person trotz Anspruch verzichtet habe, bei der Überversicherung anrechnen ( Art. 72 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1] ); diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass nicht nur effektiv bezogene, sondern auch solche Leistungen anderer Sozialversicherer berücksichtigt würden, die rechtlich zwar bestünden, aus irgendeinem Grund aber nicht zur Ausrichtung gelangten. Diese Urteile indizieren, dass - ungeachtet davon, ob der andere Sozialversicherungszweig Leistungen auch tatsächlich erbringt - diese (mutmasslichen) Ansprüche der versicherten Person angerechnet werden können, wenn sie es unterlässt, sich beim anderen Sozialversicherungszweig anzumelden und ihren Pflichten nachzukommen. Eine direkte Antwort auf die beiden Fragen ergibt sich daraus aber (noch) nicht. In der Folge ist demnach anhand der übrigen Auslegungselemente zu ermitteln, wie es sich damit verhält. 5.4 Da es sich um eine Norm auf Stufe Verordnung handelt, sind die Materialien dazu spärlich. Immerhin wurde anlässlich der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung vom 13./14. August 1980 zum damaligen Art. 45 festgehalten, die von der Suva vorgeschlagene Ergänzung des Artikels entspreche Art. 17 Abs. 3 der Verordnung III vom BGE 147 V 55 S. 60 15. Januar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Leistungen der vom Bund anerkannten Krankenkassen und Rückversicherungsverbände (VO III; in Kraft von 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1995; AS 1965 41 und AS 1995 3867) und habe sich in der Krankenversicherung bestens bewährt. In der Folge wurde dieser Absatz in den Verordnungsentwurf aufgenommen (S. 20). Anlässlich der weiteren Sitzungen wurde diese mittlerweilen im Entwurf als Art. 49 Abs. 2 geführte Bestimmung von der Kommission nicht mehr diskutiert (Protokoll der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. April und 5. Mai 1981, S. 68) resp. nur noch redaktionell überarbeitet (Ersetzung des Begriffs "Sozialversicherer" durch "Sozialversicherungen"; Protokoll der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. März 1982, S. 28). In EVGE 1966 S. 24 führte das EVG aus, die vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorgeschlagene Lösung würde Art. 17 Abs. 3 VO III widersprechen; diese Norm zeige gerade auf, dass das positive Recht keinen Verzicht auf eine direkte Anmeldung des Krankenkassenpatienten bei der Invalidenversicherung zulasse. In RKUV 1984 Nr. K 574 S. 84 kam es zum Schluss, der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse sei berechtigt, da der Rückzug der Anmeldung bei der Invalidenversicherung durch die versicherte Person zu Unrecht erfolgt und daher mit einer unterlassenen Anmeldung gleichzustellen sei und angesichts der zu erwartenden halben Invalidenrente einem Leistungsverzicht gleichkomme. Weiter hielt es fest, die massgebende Bestimmung zur Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung könne nicht anders verstanden werden, als dass von der versicherten Person nicht nur die rechtzeitige Anmeldung verlangt werde, sondern dass diese auch bis zum Entscheid der Verwaltung über den Leistungsanspruch aufrecht erhalten bleibe und dass darauf nicht nachträglich verzichtet werde. In RKUV 1984 Nr. K 575 S. 89 führte das EVG aus, die Krankenkasse könne sich nur auf die Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung berufen, wenn auch begründete Aussicht auf Leistungen der Invalidenversicherung, z.B. medizinische und berufliche Massnahmen oder eine Invalidenrente, bestehe. Diese Entscheide, die sich auf Art. 17 Abs. 3 VO III beziehen, der Grundlage für den hier strittigen Art. 51 Abs. 2 UVV war, zeigen, dass die versicherte Person nicht bloss zur Anmeldung verpflichtet ist, sondern auch nichts unternehmen darf, was der Realisierung ihres Anspruchs bei der anderen Sozialversicherung BGE 147 V 55 S. 61 entgegenstehen könnte. Allerdings ist die Anwendung der Bestimmung auf Fälle beschränkt, bei welchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem bestehenden Anspruch ausgegangen werden kann. 5.5 Es stellt sich die Frage, ob sich aus der Praxis zu anderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts Erkenntnisse zum Verständnis von Art. 51 Abs. 2 UVV ergeben: 5.5.1 Nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) kann die Militärversicherung das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen. Diese Norm ist inhaltlich identisch mit dem hier zur Diskussion stehenden Art. 51 Abs. 2 UVV . Allerdings gibt es bis anhin - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 2 MVV , welche vorliegend in analoger Weise berücksichtigt werden könnte. 5.5.2 Die berechtigte Person kann nach Art. 23 Abs. 1 ATSG auf Versicherungsleistungen verzichten, diesen Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wobei Verzicht und Widerruf schriftlich zu erfolgen haben. Da dieser Verzicht schriftlich zu erfolgen hat und somit ein aktives Verhalten der versicherten Person voraussetzt, lässt sich für die vorliegend zu beurteilende Konstellation nichts gewinnen. Denn im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht um einen aktiven Verzicht, sondern um ein passives Verhalten resp. die Verweigerung der gesetzlich statuierten Mitwirkung (vgl. dazu E. 5.6.2). 5.5.3 Auch aus Art. 20 Abs. 2 UVG lässt sich für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten. Denn der Zeitpunkt der Koordination nach dieser Bestimmung kann erst entstehen, wenn die versicherte Person sich beim anderen Sozialversicherer anmeldet und ihren Mitwirkungspflichten unterzieht, so dass eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs erfolgen kann. Dies ist aber in der hier strittigen Konstellation gerade nicht der Fall. 5.6 5.6.1 Von der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck her ist mit der Suva festzuhalten, dass sich der Umfang von Art. 51 Abs. 2 UVV nicht auf die blosse Anmeldung beim Sozialversicherer beschränken kann, sondern dass damit auch die Pflicht zur Erfüllung der mit der Anmeldung zusammenhängenden Mitwirkung einhergeht. Denn wenn es bloss um die Anmeldung ginge, wäre Art. 51 Abs. 2 UVV obsolet. Die Frage, ob dem Unfallversicherer ein BGE 147 V 55 S. 62 eigenes Anmelderecht zusteht, soweit er durch die Verweigerung von Versicherungsleistungen berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Gewährung der Leistungen hat, kann vorliegend offenbleiben. Dasselbe gilt für die Frage, ob er ein Anmelderecht gestützt auf die Regelung im einzelnen Versicherungszweig hat, hier Art. 66 Abs. 1 IVV , wonach zur Geltendmachung eines Anspruchs auch Behörden und Stellen befugt sind, welche die versicherte Person regelmässig unterstützen oder betreuen, wie etwa der Hausarzt (Urteil 9C_61/2011 vom 4. Mai 2011 E. 2.4) oder die Sozialhilfebehörden (Urteil 8C_905/2014 vom 23. Juli 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Denn nach BGE 133 V 188 E. 4.2 S. 191 deckt sich das Beschwerderecht mit der Parteistellung im Verwaltungsverfahren, so dass der leistungspflichtige Unfallversicherer nicht nur bezüglich einer Verfügung der IV-Stelle beschwerdelegitimiert ist, sondern damit auch Parteistellung im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren hat, was folglich ein Anmelderecht einschliesst (vgl. dazu auch FRANZISKA MARTHA BETSCHART, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 17 zu Art. 34 ATSG ). 5.6.2 Eine Anmeldepflicht der versicherten Person nach Art. 51 Abs. 2 UVV wäre zudem völlig sinn- und zwecklos, wenn letztere nicht auch verpflichtet wäre, zur Feststellung, ob dieser andere Sozialversicherungszweig ebenfalls leistungspflichtig ist, beizutragen. Ebenso wie die Mitwirkungspflicht in Zusammenhang mit der nach Art. 21 Abs. 4 ATSG angeordneten Durchführung einer zumutbaren Therapie nicht mit bloss einer einmaligen Konsultation eines entsprechenden Facharztes erfüllt wird (vgl. SVR 2008 IV Nr. 7 S. 19, I 824/06 E. 3.3.2), ist der Pflicht zur Geltendmachung von Leistungen bei einem anderen Sozialversicherungszweig nicht mit der blossen Anmeldung Genüge getan, sondern verlangt auch die Mitwirkung zur Feststellung, ob ein (allfälliger) Anspruch besteht. Im Übrigen ist auf BGE 140 V 267 hinzuweisen, wo das Bundesgericht in E. 5.2.2 festgehalten hat, dass der im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens erfolgten Verletzung der Mitwirkungspflicht auch im Bereich der Ergänzungsleistungen Rechnung zu tragen ist, indem zur Ermittlung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auf das nach Durchführung der konkret verweigerten Eingliederungsmassnahmen erzielbare Einkommen abgestellt wird. Dabei hielt das Bundesgericht explizit fest, dass die fehlende Kooperation damit doppelt - invalidenversicherungs- und ergänzungsleistungsrechtlich - berücksichtigt werde, sei in Anbetracht der Abhängigkeit der BGE 147 V 55 S. 63 Ergänzungsleistungen von der Invalidenversicherung systemimmanent; anders zu entscheiden hiesse, dass sich die versicherte Person für die invalidenversicherungsrechtlichen Folgen ihrer Widersetzlichkeit mittels Ergänzungsleistungen schadlos halten könnte. 5.6.3 Auf das Verhältnis von Unfall- und Invalidenversicherung übertragen bedeutet dies, dass sich auch in dieser Konstellation die versicherte Person, die ihre Pflichten im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens verletzt, nicht durch die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen soll schadlos halten können, obwohl sie durch ihr Verhalten die vom Gesetzgeber vorgesehene Koordination zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen unterläuft. Auch hier geht es somit nicht an, dass ein Unfallversicherer mehr Leistungen erbringen muss, als er bei pflichtgemässem Verhalten der versicherten Person im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mutmasslich gehalten gewesen wäre. Dies hat vorliegend umso mehr zu gelten, da nach Ansicht des Gesetzgebers den Renten der Invalidenversicherung (und nicht der Unfallversicherung) der Charakter der Basisleistung zukommt (vgl. etwa Botschaft vom 17. Februar 1967 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 1967 I 687 zu Art. 45 Abs. 3 IVG ). In diesem Zusammenhang ist auch auf FRÉSARD/MOSER-SZELESS zu verweisen, die ebenfalls festhalten, dass der Unfallversicherer im Rahmen seiner Leistungspflicht die Weigerung der versicherten Person an der Teilnahme einer invalidenversicherungsrechtlichen Eingliederungsmassnahme berücksichtigen können soll (L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1028 Rz. 442). 5.7 Unter Würdigung aller Auslegungselemente kann Art. 51 Abs. 2 UVV kein anderes Verständnis zugeordnet werden, als dass die Aufforderung zur Anmeldung bei einem anderen, möglicherweise leistungspflichtigen Sozialversicherer nicht bloss einmalig und auch nicht nur vor der erstmaligen Leistungszusprechung zulässig ist und dass diese Pflicht zur Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung auch die Pflicht beinhaltet, in jenem Verfahren für die Feststellung des Leistungsanspruchs im erforderlichen Ausmass mitzuwirken. 5.8 Nach dem Gesagten war die Suva berechtigt, den Versicherten zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung zu verpflichten. Sie hat auch das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt, BGE 147 V 55 S. 64 so dass sie befugt war, die angedrohte Rechtsfolge zu verfügen. Soweit der Versicherte geltend macht, es sei nicht zulässig, in dieser Konstellation seine Rente zu kürzen, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Sozialversicherer bei Nichtbefolgen der Mitwirkungspflicht nach Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens berechtigt ist, seine Leistungen für die Dauer der Verletzung der Mitwirkungspflicht komplett einzustellen ( BGE 139 V 585 ). Folglich muss es erst recht zulässig sein, die Leistungen während dieser Zeit bloss zu reduzieren. Ob die unterlassene Durchsetzung des Vorgehens nach Art. 51 Abs. 2 UVV einen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG darstellt, kann offenbleiben, da - wie nachfolgend gezeigt wird (nicht publ.) - sich bereits aus anderen Umständen ein Wiedererwägungsgrund ergibt.
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Sachverhalt ab Seite 105 BGE 99 II 104 S. 105 A.- Die Genossenschaft Silva-Verlag bezweckt, in Verbindung mit dem Verkauf der von ihren Mitgliedern erzeugten Waren künstlerisch und erzieherisch wertvolle Bildwerke herauszugeben und zu propagieren. Diese Werke bestehen aus den von ihr herausgegebenen und verkauften Büchern und den in diese einzuklebenden Bildern, die sie in Tausch gegen Gutscheine abgibt. Die Gutscheine, die sog. Silva-Bilderchecks, sind den Erzeugnissen der Genossenschafter beigegeben. Die Genossenschaft gibt unter dem Titel Silva-Revue oder Silva periodisch eine Druckschrift heraus, in der für die Bildwerke und für die mit Silva-Bilderchecks abgesetzten Waren geworben wird. Am 26. April 1948 hinterlegte die Genossenschaft beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum als Kollektivmarke das Wort SILVA. Dieses Zeichen ist für Nahrungs- und Genussmittel sowie Seifenprodukte, d.h. für Waren der internationalen Klassen 3 und 29 - 34 bestimmt und wurde unter Nr. 131 970 registriert und am 20. März 1968 unter Nr. 230 479 erneuert. Die Genossenschaft hinterlegte ferner am 5. Januar 1949, 18. Februar 1959 und 5. August 1966 für den Gebrauch auf Büchern, Bildern und Gutscheinen zum Bezug von Bildern, d.h. Waren der internationalen Klasse 16, verschiedene Individualmarken, die alle unter anderem das Wort SILVA enthalten. Dieses Wort kommt auch in verschiedenen vom internationalen Büro oder vom eidgenössischen Amt registrierten Marken anderer Hinterleger vor, besonders in der schweizerischen Wortmarke Nr. 227 189 SILVA THINS, die am 7. Juli 1967 von der Firma The American Tobacco Company zum Gebrauch für Tabak und Tabakfabrikate, einschliesslich Zigaretten und Zigarren, d.h. für Waren der internationalen Klasse 34 angemeldet wurde. B. - Die Genossenschaft Silva-Verlag klagte im Herbst 1968 gegen die American Tobacco Company, die heute American Brands Inc. heisst, auf Ungültigerklärung der Marke Nr. 227 189 und auf Erlass eines gerichtlichen Verbotes, die Bezeichnung Silva Thins im Zusammenhang mit Tabak und Tabakfabrikaten einschliesslich Zigaretten und Zigarren, im BGE 99 II 104 S. 106 geschäftlichen Verkehr, inbegriffen Korrespondenz und Werbung, in der Schweiz zu benützen. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erhob Widerklage auf Feststellung der Nichtigkeit der Kollektivmarke Nr. 230 479 der Klägerin. Das Handelsgericht des Kantons Zürich hiess am 25. Mai 1972 die Klage gut und wies die Widerklage mit der Begründung ab, die Kollektivmarke der Klägerin könnte nur für nichtig erklärt werden, wenn die Beklagte selber Inhaberin einer älteren Marke wäre; das treffe nicht zu. Die Widerklage müsste übrigens selbst bei Berücksichtigung von Rechten Dritter abgewiesen werden, da die Gültigkeit der Marke von keinem der angerufenen Drittrechte berührt werde.
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Die Beklagte führte gegen dieses Urteil kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hiess sie am 15. November 1972 in dem Sinne gut, dass es einen Teil der Eventualbegründung des angefochtenen Urteils (Erwägungen IV lit. d und f) strich. C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichtes auch Berufung eingereicht. Sie beantragt, die Klage abzuweisen und in Gutheissung der Widerklage festzustellen, dass die Kollektivmarke der Klägerin nichtig sei. Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beklagte beruft sich auf MATTER, Kommentar zum MSchG Art. 7bis Bem. IV 2 (S. 135/136), wonach eine Marke selbst dann, wenn die Vereinigung selber einen Geschäftsbetrieb führt, nicht gleichzeitig als Individual- und als Kollektivmarke eingetragen werden könne. Diese Auffassung, die in bezug auf das Warenzeichenrecht des Deutschen Reiches z.B. auch von FINGER, Reichsgesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen, 3. Aufage, § 24 a Anm. 6 lit. d und PINZGER, Warenzeichenrecht, 2. Auflage, § 17 Anm. 5 vertreten wurde, ist bestritten. DAVID, Kommentar zum MSchG, 2. Auflage, Art. 7bis N. 8 Abs. 2 führt aus, der Verband könne einen eigenen Geschäftsbetrieb haben und die Marke selber führen; wenn sie nur für den Verbandsbetrieb bestimmt sei, liege keine Kollektivmarke vor; wenn sie dagegen vom Verband neben den Mitgliedern geführt werde, handle BGE 99 II 104 S. 107 es sich um eine Kollektivmarke, für deren Schutzumfang der Gebrauch durch die Mitglieder mit zu berücksichtigen sei. Im deutschen Schrifttum sind z.B. HAGENS, Warenzeichenrecht § 24 a Anm. 2 a.E. und TETZNER, Kommentar zum Warenzeichengesetz § 17 N. 13 und 14, der Meinung, der Verband könne die Kollektivmarke (Verbandszeichen genannt) auch selber benutzen, wenn er einen eigenen Geschäftsbetrieb besitze. REIMER/RICHTER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Auflage, Bd. 1 S. 593, stehen offenbar auf dem gleichen Boden, wenn sie ausführen, der Verband allein dürfe das Zeichen nicht benutzen, weil sonst kein eigentliches Verbandszeichen, sondern ein Einzelzeichen vorliege. Bejaht man das Recht des Verbandes, die Kollektivmarke neben den Mitgliedern mitzubenutzen, so ist damit allerdings noch nicht gesagt, dass er sie ausser als Kollektivmarke auch als Individualzeichen für seinen eigenen Geschäftsbetrieb eintragen lassen könne. BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 10. Auflage, § 17 WZG N. 3 nehmen auch das an. Sie sind der Auffassung, wenn der Verband dasselbe Zeichen als Verbandsmarke für die Waren der Mitglieder und als Individualmarke für eigene Waren eintragen lasse, entständen zwei selbständige Zeichenrechte. Dieses Vorgehen muss zulässig sein. Inhaber beider Zeichen, der Kollektivmarke und der Individualmarke, ist der Verband. Dieser fügt sich selber kein Unrecht zu, wenn er ein und dasselbe Zeichen sowohl für die Waren der Mitglieder als auch für jene des eigenen Geschäftes eintragen lässt. Auch Interessen der Öffentlichkeit werden dadurch nicht verletzt, denn die Veröffentlichung beider Eintragungen macht die Rechtslage erkennbar, und das Publikum erwartet nicht, dass die mit einer Kollektivmarke versehene Ware aus einem ganz bestimmten Betriebe stamme; es ist ihm also auch gleichgültig, wenn der Verband selber statt eines seiner Mitglieder sie herstellt oder verbreitet. Das Argument Matters, die grundsätzliche Unübertragbarkeit der Kollektivmarke könnte zu unüberwindbaren Schwierigkeiten und Widersprüchen führen, überzeugt nicht. Wird die Individualmarke - mit dem Geschäft des Verbandes ( Art. 11 Abs. 1 MSchG ) - übertragen, so kann der Bundesrat auch die Übertragung der Kollektivmarke auf den Erwerber bewilligen ( Art. 7bis Abs. 3 MSchG ). Unterbleibt die Übertragung der Kollektivmarke oder ist sie mangels BGE 99 II 104 S. 108 Bewilligung nichtig, so befindet sich der neue Inhaber der Individualmarke in ähnlicher Rechtslage wie wenn er mit Bewilligung des Verbandes selber ein sich mit der Kollektivmarke deckendes Zeichen hätte eintragen lassen. Ob die Individualmarke dann neben der Kollektivmarke fortbestehen könne oder wegen der "Übertragung" nichtig geworden sei, mag offen bleiben; so oder anders besteht kein Grund, dem Inhaber der Kollektivmarke zu verwehren, eine gleichlautende Individualmarke eintragen zu lassen und ihren Schutz für Waren aus dem eigenen Geschäftsbetrieb solange zu beanspruchen, als er Inhaber des Geschäftes und der Individualmarke bleibt. Uebrigens geht die Widerklage nicht auf die Nichtigerklärung der Individualzeichen der Klägerin aus, sondern nur auf Nichtigerklärung ihrer Kollektivmarke. Diese aber kann nicht dadurch nichtig geworden sein, dass die Klägerin, nachdem sie am 26. April 1948 erstmals die Kollektivmarke hinterlegt hatte, am 5. Januar 1949 und später auch noch Individualzeichen eintragen liess, die das Wort SILVA enthalten. Die Kollektivmarke verträgt sich mit diesen Zeichen um so mehr, als sie für Waren der Klassen 3 und 29-34 Schutz beansprucht, die Individualzeichen dagegen für Waren der Klasse 16 dienen. Nahrungs- und Genussmittel sowie Seifenprodukte weichen ihrer Natur nach im Sinne des Art. 6 Abs. 3 MSchG gänzlich von Büchern, Bildern und Gutscheinen zum Bezug von Büchern ab. 2. Die Beklagte ist der Meinung, die Kollektivmarken sicherten dem Publikum zu, dass die mit ihnen bezeichneten Waren der Verbandsangehörigen gewisse Eigenschaften besässen und der Verband sie fortlaufend kontrolliere. Diese angeblichen Gültigkeitsvoraussetzungen spricht sie der Kollektivmarke der Klägerin ab. Sie macht geltend, die Klägerin habe hinsichtlich der von ihren Mitgliedern vertriebenen Waren keinerlei Kontroll- und Weisungsrecht; ihre Statuten entsprächen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Gemäss Art. 7bis Abs. 1 MSchG soll die Kollektivmarke zur Kennzeichnung der von den Mitgliedern der Vereinigung erzeugten oder in den Handel gebrachten Waren dienen. Sie ist wie die Individualmarke ( Art. 1 Ziff. 2 MSchG ) ein Mittel, um die Herkunft der Ware festzustellen oder sie von anderen Waren zu unterscheiden. Während die Individualmarke die BGE 99 II 104 S. 109 Herkunft des Erzeugnisses aus dem Geschäft des Markeninhabers oder aus dem Geschäft eines mit ihm eng verbundenen Erzeugers oder Händlers ( Art. 6bis MSchG ) andeutet, weist jedoch die Kollektivmarke darauf hin, dass die Ware aus einer bestimmten Gruppe von Geschäften stamme, nämlich aus einem der von den Mitgliedern der Vereinigung geführten. Ist die Vereinigung Inhaberin mehrerer Kollektivmarken - was z.B. HAGENS, Warenzeichenrecht § 24 a Anm. 2 und REIMER/RICHTER § 17 ff. WZG N. 6 als zulässig erachten -, so können sie der Unterscheidung der Gattungen der von den Mitgliedern erzeugten oder vertriebenen Waren dienen, womit sie zugleich auch wieder auf die Herkunft aus dem Kreise dieser Mitglieder hinweisen. In diesen Funktionen erschöpft sich der vom Gesetz vorgeschriebene Zweck der Kollektivmarken. Art. 7bis verlangt nicht, diese müssten im Publikum weitere Vorstellungen erwecken. In der Regel sucht zwar die Markeninhaberin solche zu fördern. Ob ihr an einer Nebenvorstellung gelegen ist und welchen Inhalt diese haben solle, kann sie aber frei bestimmen. Sie darf mit der Kollektivmarke Aussagen über die Güte der Ware, über Fabrikationsvorgänge, über den geographischen Herstellungsort oder über irgendwelche andere Sachverhalte anstreben, die dem Absatz der Erzeugnisse ihrer Mitglieder förderlich sein können (KUBLI, Der Schutz von Kollektivmarken, Mitteilungen der Schweizergruppe der internationalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz III S. 199; MATTER Art. 7bis Bem. II [S. 132]; MATTER, SJK 1022 S. 1; PAHUD, La marque collective en Suisse et à l'étranger, Thèse Lausanne 1940 S. 25 ff.; KRNETA, Wesen, Inhaber und Übertragung der Kollektivmarke, Diss. Bern 1961 S. 24; BAUMANN, Das schweizerische Ursprungszeichen, Diss. Bern 1953 S. 70 f.; BENKENDORFF, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht [GRUR] 1952 S. 3; REIMER/RICHTER § 17 ff. WZG N. 1 und 3 Abs. 4; VON GAMM, Warenzeichengesetz § 1 N. 4, § 17 N. 5, 6 und 17; TETZNER § 17 N. 9). Die erwähnten Nebenzwecke sind aber nicht Voraussetzung der Gültigkeit der Kollektivmarke (TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Auflage, Bd. II S. 755 f.; ELFRIEDE GROGG, Begriff und Wesen der Kollektivmarke, Diss. Bern 1955 S. 95). Die Auffassung, wonach das Kollektivzeichen auf Eigenschaften der Ware hinweisen müsse und das Recht an ihm nur entstehen könne, BGE 99 II 104 S. 110 wenn das Publikum über seinen Sinn aufgeklärt werde (DAVID Art. 7bis N. 8-10; vgl. auch MATTER, Komm. S.133 und SJK 1022 S. 1 Ziff. 2; BAUMANN a.a.O.; EGGER, Schweiz. Mitteilungen über gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1962 S. 101; ROSE SCHNAUFER, Die Wahrung öffentlicher Interessen bei der gesetzlichen Regelung der Fabrik- und Handelsmarken, Thèse Neuchâtel 1957 S. 111 ff.), hält nicht stand. Art. 7bis Abs. 5 MSchG gibt zwar jedem Interessenten das Recht, auf Löschung der Kollektivmarke zu klagen, wenn deren Inhaberin duldet, dass sie in einer ihrer Zweckbestimmung zuwiderlaufenden oder zur Irreführung des Publikums geeigneten Weise benutzt wird. Das heisst aber nur, die Inhaberin dürfe eine solche Benutzung nicht dulden. Damit ist nicht gesagt, das Zeichen sei schon nichtig, wenn die Vereinigung es nicht einem besonderen ausserhalb der gesetzlichen Erfordernisse liegenden Zwecke (Hinweis auf die Güte der Waren, deren geographischen Herkunft usw.) gewidmet hat, oder wenn die Statuten verschweigen, welchen Zweck sie mit dem Zeichen verfolgt und mit welchen Mitteln sie missbräuchliche Verwendungen der Marke verhindern will. Art. 6 Ziff. 5 lit. c MSchV verlangt denn auch nicht, dass sie sich bei der Hinterlegung der Kollektivmarke hierüber ausweise, besonders durch Einreichung der Statuten. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe hinsichtlich der von ihren Mitgliedern vertriebenen Waren keinerlei Kontroll- und Weisungsrecht, ihre Statuten entsprächen den gesetzlichen Anforderungen nicht, kann daher nicht zur Gutheissung der Widerklage führen. Die Beklagte hätte vielmehr nachweisen müssen, dass die Klägerin eine dem Zweck der Kollektivmarke SILVA widersprechende oder die Irreführung des Publikums ermöglichende Verwendung des Zeichens dulde. Sie behauptet indessen nicht, das treffe zu. 3. Der Kassationshof hat dem hinterlegten Kollektivzeichen einer Genossenschaft, das auf gewissen Waren angebracht wurde, um kenntlich zu machen, dass sie den von der Genossenschaft vorgeschriebenen Verkaufsbedingungen unterständen, die Natur einer Marke abgesprochen. Er hat die Auffassung vertreten, eine Marke habe nicht dazu zu dienen, reglementierte Erzeugnisse von nicht reglementierten zu unterscheiden, sondern solle die Waren der Verbandsmitglieder von denen anderer Gewerbetreibenden abgrenzen ( BGE 52 I 192 ff.). BGE 99 II 104 S. 111 Dieses Urteil stammt aus der Zeit, als das Markenschutzgesetz den Art. 7bis noch nicht enthielt und die Zulässigkeit von Kollektivmarken sich nur aus alt Art. 7 Ziff. 3 ergab. Es wurde kritisiert (La Propriété industrielle 1934 S. 64). Es braucht dazu nicht Stellung genommen zu werden. Die Beklagte behauptet nicht, das Zeichen Nr. 230 479 diene einer Kontrolle über die Einhaltung von Verbandsvorschriften. Die Klägerin will mit ihm kundgeben, dass die Ware von einem ihrer Genossenschafter stammt und derselben folglich Gutscheine für Silva-Bilder beigegeben sind. Der Hinweis auf die Herkunft von einem Mitglied der Vereinigung entspricht dem gesetzlichen Zweck der Kollektivmarken, und die Anspielung auf die Beigabe von Gutscheinen für Silva-Bilder als Teil der Leistung des Genossenschafters ist ein Nebenzweck, der mit einer solchen Marke verfolgt werden darf. Die Beklagte bringt hiegegen nichts vor. 4. Wenn die Kollektivmarke von den Mitgliedern der Vereinigung während drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht gebraucht wird, ohne dass die Unterlassung hinreichend gerechtfertigt werden könnte, kann der Richter das Zeichen auf Klage einer interessierten Partei löschen lassen ( Art. 9 Abs. 1 und 2 MSchG ). Unter dem Gebrauch ist der markenmässige zu verstehen, d.h. das Anbringen des Zeichens auf Erzeugnissen, für die es bestimmt ist, oder auf der Verpackung solcher Erzeugnisse ( Art. 1 Ziff. 2 MSchG ). Wie das Gesetz nicht verlangt, dass der Gebrauch ununterbrochen und auf allen vom Berechtigten in Verkehr gebrachten Waren stattfinde, ist auch nicht nötig, dass alle der Vereinigung angehörenden Hersteller oder Händler die Marke - ohne dreijährigen Unterbruch - gebrauchen. Es genügt, wenn einzelne sie verwenden und nicht während drei aufeinanderfolgenden Jahren jeglicher Gebrauch durch Mitglieder der Vereinigung aufhört. Die Beklagte vertritt nicht eine abweichende Auffassung. Sie bringt nur vor, die Genossenschafter hätten die Kollektivmarke nie zur Kennzeichnung ihrer Waren gebraucht; das Zeichen SILVA diene bloss der Kennzeichnung und dem Vertrieb der Bilder der Klägerin. Das trifft nicht zu. Das Handelsgericht stellt nicht nur fest, dass verschiedene Genossenschafter die Bildergutscheine auf Verpackungen von Erzeugnissen, die auf der Warenliste der Kollektivmarke stehen, aufdrucken, sondern auch, dass in den BGE 99 II 104 S. 112 meisten Fällen, in denen das nicht geschieht, die Bildergutscheine der Ware vielmehr beigelegt werden und von aussen nicht sichtbar sind, die Verpackungen doch das Zeichen SILVA, gewöhnlich in der Form des sogenannten Silva-Signets, tragen. An diese Feststellung, die das Handelsgericht durch Anführung mehrerer aktenmässig belegter Beispiele stützt, ist das Bundesgericht gebunden ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Sie wird nicht dadurch erschüttert, dass die der Klägerin als Genossenschafterin angehörende Chocoladefabrik Lindt & Sprüngli AG am 12. Februar 1954 eine Wort/Bild-Marke SILVA hinterlegte und sie auf gewissen Erzeugnissen gebraucht haben soll. Das Handelsgericht sieht den Gebrauch der Kollektivmarke der Klägerin ausschliesslich in anderen Sachverhalten. Aus seiner Feststellung ergibt sich, dass dieses Zeichen im Kreise der Genossenschafter in der vom Gesetz gewollten Weise gebraucht wird. Ob, wie das Handelsgericht annimmt, auch im Aufdrucken der Bildergutscheine auf die Verpackungen ein Gebrauch der Kollektivmarke liegt, weil die Gutscheine das Wort Silva mitenthalten, kann dahingestellt bleiben. 5. Das Handelsgericht widerspricht der vom Bundesgericht seit langem vertretenen Auffassung, wonach jedermann, der ein schutzwürdiges Interesse hat, sich klage- oder einredeweise auf die Nichtigkeit einer gegen Art. 6 MSchG verstossenden Marke berufen kann, besonders auch der Inhaber einer jüngeren, wenn er vom Inhaber der nichtigen wegen Markenrechtsverletzung verfolgt wird ( BGE 90 II 47 und dort erwähnte Urteile, ferner BGE 91 II 5 , BGE 95 II 360 , BGE 96 II 407 ). Die Überprüfung dieser Rechtsprechung ergibt was folgt: a) Es kommt nichts darauf an, ob man nur die von Amtes wegen zu löschenden Marken ( Art. 16bis Abs. 1 MSchG ) als nichtig, die bloss auf Klage hin zu löschenden dagegen nur als ungültig bezeichnet, denn diese Unterscheidung sagt nichts darüber aus, wer berechtigt sei, sich durch Klage oder Einrede auf die Ungültigkeit zu berufen. b) Art. 27 Ziff. 1 MSchG , wonach der getäuschte Käufer und der Inhaber der Marke Zivil- oder Strafklage anstrengen können, regelt die Klagerechte nicht abschliessend. Diese Bestimmung betrifft nur den Fall der Markenrechtsverletzung. Das Recht, sich klage- oder einredeweise auf Mängel einer Marke zu berufen, wird von ihr nicht erfasst. So ist z.B. die Befugnis, dem Inhaber einer Marke vorzuhalten, sie sei während drei BGE 99 II 104 S. 113 aufeinanderfolgenden Jahren ohne zureichenden Grund nicht gebraucht worden und daher zu löschen, in Art. 9 Abs. 1 MSchG geregelt, und zwar in dem Sinne, dass jede "interessierte Partei" die Löschungsklage erheben kann. Interessiert ist z.B. der Inhaber einer jüngeren Marke, der wegen angeblicher Verletzung einer nichtgebrauchten älteren verfolgt wird. Man kann zwar argumentieren,dieser Sonderfall werde von Art. 27 Ziff. 1 ebenfalls erfasst, denn der Inhaber einer jüngeren Marke sei auch Markeninhaber im Sinne dieser Bestimmung. Dann ist dasselbe aber auch vom Inhaber einer jüngeren Marke zu sagen, welcher der älteren einen anderen Mangel als den blossen Nichtgebrauch vorwirft, insbesondere vorbringt, sie sei mit einem noch älteren Zeichen verwechselbar. Zudem geht Art. 9 Abs. 1 auch so noch über Art. 27 Ziff. 1 hinaus, indem er das Klagerecht nicht nur dem Inhaber einer Marke, sondern jedermann zuspricht, der ein Interesse hat. Ein von Art. 27 Ziff. 1 nicht erfasstes Klagerecht für jeden Interessierten ist auch im bereits erwähnten Art. 7bis Abs. 5 vergesehen. c) Die Auffassung, nur der prioritätsberechtigte Inhaber einer Marke sei legitimiert, einer anderen Ungültigkeit wegen Verwechselbarkeit vorzuwerfen, wäre vertretbar, wenn Markeninhaber sich in gleicher Stellung befänden wie Inhaber einer Sache und daher allein zu entscheiden hätten, ob sie Eingriffe in ihr Recht dulden oder verbieten wollen. Das Recht an einer Marke kommt indes nicht dem Eigentum an einer Sache gleich. Marken dürfen nur insoweit geschaffen werden, als das Interesse anderer, ihrerseits Marken zu führen, und das Interesse des Publikums, nicht getäuscht zu werden, es erlauben. Wer die Schranken überschreitet, muss durch jeden, dessen Interesse dadurch verletzt wird, durch Klage oder Einrede zur Ordnung gewiesen werden können. Es enstpricht einem allgemeinen Grundsatz der Rechtsordnung, dass jedes schutzwürdige Interesse durch Klage oder Einrede durchgesetzt werden darf. Im Markenrecht ist er in Art. 9 Abs. 1 und 7bis Abs. 5 anerkannt. Diese Bestimmungen sind als Ausdruck eines allgemeinen Prinzips sinngemäss auf alle Fälle anzuwenden, in denen jemand durch eine ungültige Marke in seinen berechtigten Interessen verletzt wird. Auf ihren Grundgedanken kann sich insbesondere berufen, wer als Inhaber einer jüngsten Marke, die sich mit der ältesten verträgt, vom BGE 99 II 104 S. 114 Inhaber einer mittleren, von der das gleiche nicht gesagt werden kann, wegen Markenrechtsverletzung angegriffen wird. Er befindet sich in ähnlicher Lage wie jemand, der vom Inhaber eines nichtigen Patentes wegen Patentverletzung belangt wird. Nicht nur der Inhaber eines prioritätsberechtigten Patentes kann sich auf die Nichtigkeit des jüngeren berufen, sondern jedermann, der ein Interesse nachweist ( Art. 28 PatG ), besonders wer angeblich das jüngere verletzt hat. d) Dürfte der durch die mittlere Marke behinderte jüngere Hinterleger sich nicht auf ihre Ungültigkeit berufen, so bliebe das Verbot der Führung gleicher oder verwechselbarer Marken immer dann toter Buchstabe, wenn der Inhaber der ältesten Marke sich gegen die mittlere nicht wehrt. Denn das Klagerecht des getäuschten Käufers braucht praktisch nicht gefürchtet zu werden. Es geht nur auf Schadenersatz, weil der Käufer an der Löschung der Marke nicht mehr interessiert ist, nachdem er die Täuschung entdeckt hat ( BGE 73 II 190 ). Selbst auf Ersatz des Schadens klagt der Käufer meistens nicht; ein solcher ist gewöhnlich nicht nachweisbar oder zu geringfügig. Ohne das Klage- und Einrederecht anderer Interessierter könnten die Hinterleger gleicher oder verwechselbarer Marken ungestört die gegenseitige Duldung ihrer Zeichen vereinbaren. Solche Vereinbarungen vertragen sich mit dem Interesse des kaufenden Publikums nicht. Sie widersprechen dem Sinn, den die Marken als Zeichen zum Nachweis der Herkunft oder zur Unterscheidung von Waren haben. Ihre Unzulässigkeit ergibt sich nicht nur aus Art. 6, sondern klar auch aus Art. 6bis MSchG , der nur wirtschaftlich eng miteinander verbundenen Produzenten oder Händlern die Führung gleicher oder verwechselbarer Marken erlaubt. Ohne das Klagerecht interessierter Dritter könnten diese Bestimmungen nicht durchgesetzt werden, denn das Amt für geistiges Eigentum darf keine Marke wegen Verwechselbarkeit zurückweisen ( Art. 13 Abs. 2 MSchG , Art. 11 MSchV ), noch hat es sie darauf hin zu prüfen, ob der Anmelder mit dem Hinterleger gleicher oder ähnlicher älterer Zeichen wirtschaftlich eng verbunden sei (vgl. Art. 6 Ziff. 5 MSchV ). Auch der Sperrfrist des Art. 10 MSchG kann nur Nachachtung verschafft werden, wenn jeder an ihrer Einhaltung Interessierte klageberechtigt ist. Sie steht der Eintragung der Marke nicht im Wege. Ein Klagerecht des früheren Hinterlegers BGE 99 II 104 S. 115 wäre zu verneinen, wenn man beim Wortlaut des Art. 27 Ziff. 1 MSchG stehen bliebe, denn der Hinterleger der gelöschten Marke ist nicht mehr deren Inhaber. Zudem ist der frühere Inhaber in der Regel nicht geneigt zu klagen, denn er hat sein Geschäft aufgegeben oder führt die Waren, auf denen er früher die Marke gebrauchte, nicht mehr. e) Gemäss Botschaft vom 20. September 1937 hielt der Bundesrat Art. 6bis MSchG für nötig, damit Dritte die verwechselbaren Marken wirtschaftlich eng verbundener Produzenten oder Händler nicht anfechten könnten (BBl 1937 III 109 f.). Er ging also wie die bundesgerichtliche Praxis davon aus, Dritte seien klageberechtigt. Die Bundesversammlung muss gleicher Meinung gewesen sein, sonst hätte sie dieses Klagerecht ausdrücklich ausgeschlossen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, sie habe damals nur dem Gebot des Art. 5 lit. C Abs. 3 PVUe , Konzernmarken zu schützen, nachkommen wollen. Sie war frei, weiter zu gehen. Sie hätte z.B. Vereinbarungen unter Produzenten oder Händlern über die Führung gleicher oder verwechselbarer Marken schlechthin zulassen können, womit sie zugleich auch das erwähnte Gebot beachtet hätte. Indem sie nicht so weit ging, bekundete sie, dass das Recht zur Führung gleicher oder verwechselbarer Marken auf gleichartigen Waren nicht von Vereinbarungen oder auch bloss vom passiven Verhalten des Prioritätsberechtigten abhängt, sondern wirtschaftlich enge Verbundenheit der Hinterleger voraussetzt. f) Es wäre unhaltbar, dem Inhaber der jüngsten Marke die Berufung auf die Ungültigkeit der mittleren selbst dann zu verwehren, wenn die jüngste sich mit der ältesten eines Dritten verträgt, die mittlere dagegen nicht. In einem solchen Falle ist nicht der gültigen jüngsten, sondern der ungültigen mittleren der Rechtsschutz zu verweigern. Nur wenn auch die jüngste mit der ältesten verwechselt werden kann und folglich auch die jüngste ungültig ist, kann ihr Inhaber nicht legitimiert sein, sich auf die Ungültigkeit der mittleren zu berufen. InBGE 52 II 407f. wurde denn auch ein Widerklagebegehren auf Löschung mit der Begründung abgewiesen, dem Widerkläger fehle ein schutzwürdiges Interesse an der Löschung der Marke des Widerbeklagten, da auch bei Gutheissung der Widerklage immer noch die identischen Zeichen des Dritten beständen. Auch MERZ, Art. 2 ZGB N. 360, BGE 99 II 104 S. 116 hält unter solchen Umständen das Löschungsbegehren des Widerklägers für rechtsmissbräuchlich. In der Tat folgt aus Art. 2 ZGB , dass die Ungültigkeit der eigenen Marke das Interesse, einer andern Ungültigkeit vorzuwerfen, schutzunwürdig macht. Das muss sich aber nicht nur der Inhaber der jüngsten Marke, der in der Rolle des Widerklägers steht, sondern auch der klagende Inhaber der mittleren Marke sagen lassen. Da beide Zeichen ungültig sind, ist in einem solchen Falle sowohl die Klage als auch die Widerklage abzuweisen. Dass damit zwei verwechselbare Marken eingetragen bleiben, ist entgegen der Auffassung von KUMMER, ZBJV 1967 S. 156 ff. und 1972 S. 140 ff., kein genügender Grund, die eine trotz ihrer Ungültigkeit zu schützen nur damit die Löschung der anderen angeordnet werden kann. Da das Gesetz das Amt für geistiges Eigentum weder verpflichtet noch berechtigt, die Eintragung verwechselbarer Marken zu verweigern, findet es sich damit ab, dass solche eingetragen werden und eingetragen bleiben, solange kein durch ein schutzwürdiges Interesse Legitimierter auf Löschung klagt. Diesem Zustand ist nicht dadurch abzuhelfen, dass dem Inhaber eines ungültigen Zeichens ein Klagerecht eingeräumt wird. Es ist vorzuziehen, den Inhabern beider ungültigen Zeichen den Rechtsschutz zu verweigern. Wenn sie nicht argilistig auf Täuschung des Publikums ausgehen, werden dadurch beide veranlasst, von der weiteren Führung ihrer Zeichen abzusehen. Würde die mittlere Marke geschützt, so könnte und würde ihr Inhaber sie ungeachtet ihrer Verwechselbarkeit weiter gebrauchen, und sie müsste auch in Zukunft geschützt werden, solange nicht der Hinterleger der älteren dritten Marke klagt. Die Verweigerung des Rechtsschutzes kann auch vorbeugend wirken, indem sie davon abhält, verwechselbare Marken in der Hoffnung oder mit der Gewissheit eintragen zu lassen, der Hinterleger des älteren Zeichens werde sie nicht anfechten. g) Wenn der Inhaber der jüngsten Marke ein schützenswertes Interesse hat, die mittlere wegen Verwechselbarkeit mit der ältern eines Dritten anzufechten, kann ihm entgegen der Auffassung der Klägerin und des Handelsgerichtes auch nicht entgegengehalten werden, der Dritte habe durch lange Untätigkeit auf die Wahrung seiner Rechte endgültig verzichtet oder diese gemäss Art. 2 ZGB verwirkt. Ein Berechtigter kann nur auf das eigene Klagerecht verzichten und nur dieses verwirken, BGE 99 II 104 S. 117 nicht auch die Klagerechte anderer Interessierter. Durch sein Verhalten wird die Marke nicht für jedermann gültig. Will der Inhaber der ältesten Marke die Konvaleszenz des mittleren Zeichens ermöglichen, so hat er jene löschen zu lassen. Solange die älteste registriert ist und so gebraucht wird, wie Art. 9 MSchG es verlangt, kann die mit ihr nicht zu vereinbarende mittlere nicht gültig werden. Art. 2 ZBG ändert nichts. Dadurch, dass die Klage eines während langer Zeit untätig gebliebenen Dritten allenfalls rechtsmissbräuchlich wäre, steht noch nicht fest, dass auch die Klage des Inhabers der jüngsten Marke gegen Treu und Glauben verstosse. Die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs beurteilen sich für jeden Interessierten nach den besonderen Umständen, unter denen er seine Klage oder Einrede erhebt, unabhängig davon, wie Dritte sich verhalten haben. 6. Die Beklagte bestreitet, dass ihre Marke die Rechte der Klägerin aus der Kollektivmarke verletze. Sie macht geltend, Tabak und Tabakfabrikate, einschliesslich Zigaretten und Zigarren, für welche die Marke SILVA THINS bestimmt ist, wichen ihrer Natur nach von den mit der Kollektivmarke versehenen Waren gänzlich ab. Die Kollektivmarke wurde unter anderem auch zum Gebrauch auf Waren der internationalen Klasse 34, d.h. auf Rohtabak, Tabakfabrikaten, Raucherartikeln und Streichhölzern hinterlegt. Wie das Handelsgericht feststellt und unbestritten ist, hat aber noch kein Mitglied der Klägerin sie auf solchen Erzeugnissen verwendet. Die Hinterlegung für Waren der Klasse 34 hat also reinen Defensivcharakter und muss daher bei Beurteilung der Frage der gänzlichen Warenverschiedenheit ausser Betracht bleiben ( BGE 53 II 362 , BGE 56 II 464 , BGE 62 II 61 f., BGE 80 I 383 , 98 I b 185 Erw. 3). Auf die Zugehörigkeit zur gleichen Warenklasse kommt es indessen nicht entscheidend an ( BGE 96 II 260 ). Wenn das vorgehende Zeichen eine Kollektivmarke ist, kann die gänzliche Warenverschiedenheit nicht wie bei Individualmarken ( BGE 87 II 108 f., BGE 96 II 259 ) davon abhangen, ob die verwechselbaren Zeichen auf Herkunft aus ein und demselben Betriebe schliessen lassen, denn die Kollektivmarke sagt über die Herkunft aus einem bestimmten Betriebe nichts aus; sie weist auf die Herkunft aus einer ganzen Gruppe von Geschäften hin. Entscheidend ist, ob ihre Nachmachung oder Nachahmung den BGE 99 II 104 S. 118 Käufer auf den Gedanken bringen kann, die Ware stamme aus dieser Gruppe und habe folglich die gleiche Eigenschaft wie die mit der Kollektivmarke versehenen Erzeugnisse. Nur wenn die Natur der Ware eine solche Irreführung mit Sicherheit ausschliesst, weicht die mit der Individualmarke versehene Ware im Sinne des Art. 6 Abs. 3 gänzlich von den mit der Kollektivmarke versehenen Erzeugnissen ab. Die Beklagte geht daher fehl, wenn sie ihre Marke mit dem Einwand verteidigt, niemand komme auf den Gedanken, die Hersteller von Kaffee, Bonbons, Mineralwassern und dgl. erzeugten auch Tabakwaren. Entscheidend ist, ob die Marke SILVA THINS auf Tabakwaren den Eindruck erwecken kann, die Hersteller oder Händler dieser Waren seien Genossenschafter der Klägerin und legten ihren Erzeugnissen Silva-Bilderchecks bei. Dieser Eindruck wird durch die Natur der Ware nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, da Tabakwaren wie Schokolade, Bonbons, Kaffee und andere von den Mitgliedern der Klägerin vertriebene Dinge Genussmittel sind und oft an den gleichen Verkaufsstellen angeboten werden. Dass der Zweig der Tabakindustrie angeblich straff organisiert ist und die Herstellung von Tabakwaren besonderer Voraussetzungen bedarf, ändert nichts, ebensowenig der Umstand, dass die Genossenschafter der Klägerin ihre Waren ausser mit der Kollektivmarke auch noch mit Individualmarken versehen. 7. Die Marke SILVA THINS unterscheidet sich nicht genügend von der Kollektivmarke SILVA. Das Wort SILVA ist der einzige Bestandteil der Kollektivmarke und gibt auch der Marke der Beklagten das Gepräge, denn es steht an erster Stelle und ist das charakteristische Wort, während THINS in der englischen Sprache, die auch in der Schweiz von vielen verstanden wird, reine Beschaffenheitsangabe für eine Mehrzahl dünner Gegenstände ist. Wer das Wort THINS überhaupt beachtet und in Erinnerung behält, läuft zum mindesten Gefahr, die Marke der Beklagten als eine für gewisse aus den Kreisen der Genossenschaft Silva-Verlag stammende Waren bestimmte Abwandlung der Kollektivmarke aufzufassen. Die Beklagte macht denn auch nicht geltend - und hat es auch im kantonalen Verfahren nicht getan -, der Zusatz THINS verleihe ihrer Marke genügend Unterscheidungskraft. Sie bringt nur vor, die beiden Marken seien nicht in der eingetragenen Form zu vergleichen, sondern in derjenigen ihrer BGE 99 II 104 S. 119 tatsächlichen Verwendung; die Kollektivmarke SILVA als reine Wortmarke werde überhaupt nie verwendet; wenn die Mitglieder der Klägerin auf ihren Erzeugnissen auf die Zugabe von Bilderchecks hinweisen, machten sie es immer nur in der Form der alten und neuen Ausführung der Wort/Bild-Individualmarken der Klägerin, mit denen das Zeichen der Beklagten nicht verwechselt werden könne. Indem die Mitglieder der Klägerin auf den Verpackungen ihrer Waren die Bildergutscheine anbringen oder die Individualmarken der Klägerin aufdrucken, verwenden sie notwendigerweise markenmässig auch das Wort SILVA, denn alle Gutscheine und Individualmarken enthalten es. Besonders häufig wird festgestelltermassen die Individualmarke Nr. 219 327, die aus dem umrahmten Wort SILVA auf rechteckigem Schild besteht, auf den Verpackungen angebracht. Weder die das Wort umrandenden Linien dieses Signets noch das andere Beiwerk der abgedruckten Gutscheine oder Individualmarken vermögen zu schaden, sowenig wie die Beklagte dem Vorwurf der Nachahmung der Marke SILVA entginge, wenn die Klägerin sie beim Gebrauch mit irgendwelchen anderen, markenrechtlich nicht geschützten Ausschmückungen versähe. Rechtsschutz geniesst eine Marke so, wie sie eingetragen ist, nicht in der Form, in der ihr Inhaber sie verwendet ( BGE 93 II 55 ; vgl. Art. 5 lit. C Abs. 2 PVUe ). Die tatsächliche Art der Verwendung kann nur dann eine Rolle spielen, wenn das Zeichen während mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren ausschliesslich in so verstümmelter Form verwendet wird, dass im Sinne des Art. 9 MSchG in Wirklichkeit von einem Nichtgebrauch der hinterlegten Marke zu sprechen ist. Das trifft im vorliegenden Falle nicht zu, da die Mitglieder der Klägerin das Wort SILVA nie verstümmelt, sondern es nur mit Zutaten versehen haben, die unter dem Gesichtspunkt des Gebrauchs dieser Kollektivmarke zwar überflüssig, aber auch unschädlich sind ( BGE 35 II 668 ). 8. Die Firma F. M. Lino Da Silva Lda. liess am 16. Mai 1947 die aus ihrem Namen und weiteren Bestandteilen zusammengesetzte Wort/Bild-Marke Nr. 130 986 in das internationale Register eintragen. Dieses Zeichen war in der Schweiz für "sardines à l'huile d'olive préparées au Portugal" geschützt und erlosch am 16. Mai 1967 mangels Erneuerung. Die Kollektivmarke der Klägerin kann wegen dieser Marke BGE 99 II 104 S. 120 nur allenfalls insoweit ungültig sein, als sie Schutz für Nahrungsmittel beansprucht, da solche von portugiesischen Ölsardinen nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 3 MSchG gänzlich abweichen. Gültig ist sie dagegen jedenfalls für den Gebrauch auf den anderen Waren, für die sie eingetragen wurde. Insbesondere ist sie gültig für den Gebrauch auf Genussmitteln. Die Legitimation zur Anfechtung der Marke der Beklagten kann der Klägerin daher nicht wegen der erwähnten Drittmarke fehlen. Zur Auffassung des Handelsgerichts, die Beklagte könnte sich auf den Verstoss der Kollektivmarke der Klägerin gegen dieses Zeichen nicht berufen, weil sie es erstmals in der Klageantwort vom 21. Januar 1969 getan habe, als die Marke der F. M. Lino Da Silva Lda. schon erloschen war, braucht daher nicht Stellung genommen zu werden. 9. Zum angeblichen Verstoss der Kollektivmarke der Klägerin gegen die von der Firma Antonio José Da Silva & Ca. Lda. am 16. Oktober 1957 für Portwein international hinterlegten Marken Nr. 204 101 DA SILVA'S PORT und Nr. 204 102 PORTO DA SILVA, die nach der Behauptung der Beklagten in der Schweiz schon von einem vor dem zweiten Weltkrieg liegenden Zeitpunkt an gebraucht worden sein sollen, ist nicht Stellung zu nehmen. Das Kassationsgericht hat die diese Marken betreffenden Erwägungen IV lit. d und f des handelsgerichtlichen Urteils gestrichen. Insoweit enthält dieses somit keine Erwägungen mehr. Die Sache ist deshalb gemäss Art. 52 OG zu neuer Beurteilung zurückzuweisien.
7,224
5,857
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 25. Mai 1972 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückgewiesen.
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1,359,301
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2,015
de
Sachverhalt ab Seite 397 BGE 141 IV 396 S. 397 A. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X. am 11. März 2008 wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Belästigung sowie Pornographie zu einer Freiheitsstrafe von 35 Monaten und zu einer Busse von Fr. 500.-. Es ordnete eine stationäre therapeutische Behandlung an. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es zugunsten der Massnahme auf. Das Regionalgericht Bern-Mittelland verlängerte die stationäre therapeutische Massnahme jeweils um drei Jahre, letztmals am 25. Juni 2014. Der Entscheid wurde X. anlässlich der Hauptverhandlung vom selben Tag mündlich eröffnet. X. reichte dagegen am 2. Juli 2014 beim Obergericht des Kantons Bern Beschwerde ein mit dem Hinweis, er behalte sich eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Entscheid bei Vorliegen der schriftlichen Begründung vor. Das Obergericht eröffnete am 4. Juli 2014 ein Beschwerdeverfahren. Das Verfahren wurde bis zum Eintreffen der schriftlichen Begründung des Entscheids vom 25. Juni 2014 sistiert. Die schriftliche Begründung des Entscheids vom 25. Juni 2014 datiert vom 8. Juli 2014. Sie wurde den Parteien zugestellt und ging bei X. bzw. dessen Rechtsvertreter am 10. Juli 2014 ein. Das Obergericht nahm das sistierte Verfahren am 11. Juli 2014 wieder auf. Es gab der Generalstaatsanwaltschaft Gelegenheit, innert 20 Tagen eine Stellungnahme zur Beschwerde einzureichen. Die von X. eingereichte Beschwerdeergänzung vom 14. Juli 2014 erkannte es mit Verfügung vom 15. Juli 2014 nicht zu den Akten. Auf die dagegen geführte Beschwerde von X. trat das Bundesgericht am 29. August 2014 nicht ein (Verfahren 6B_780/2014). Es verwies auf die Möglichkeit der Anfechtung des Endentscheids. Das Obergericht wies die von X. erhobene Beschwerde gegen die Verlängerung der Massnahme am 30. September 2014 in der Sache ab. B. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt im Wesentlichen, es sei das obergerichtliche Urteil vom 30. September 2014 aufzuheben. Die Sache sei an das Obergericht zurückzuweisen, welches seine Beschwerdeergänzung vom 14. Juli 2014 zu den Akten zu nehmen und den Fall neu materiell zu beurteilen habe. Eventualiter sei die Angelegenheit mit der Anweisung an die kantonalen BGE 141 IV 396 S. 398 Instanzen zurückzuweisen, anstelle des Beschwerdeverfahrens ein Berufungsverfahren durchzuführen. Subeventualiter sei eine ambulante Massnahme anzuordnen und er aus der stationären therapeutischen Massnahme bedingt zu entlassen. Subsubeventualiter sei die stationäre therapeutische Massnahme um maximal ein Jahr zu verlängern. C. Das Obergericht stellt in der Vernehmlassung zur Beschwerde keinen Antrag. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern verzichtet auf Stellungnahme. D. Das Bundesgericht hat den Entscheid öffentlich beraten ( Art. 58 Abs. 1 BGG ).
612
466
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Als Entscheide im Nachverfahren gemäss Art. 363 ff. StPO gelten solche, in denen sich ein Gericht im Nachgang an ein in Rechtskraft erwachsenes Strafurteil hauptsächlich in Bezug auf die Massnahme oder den Vollzug der Strafe nochmals mit der Sache zu befassen hat. Das ursprüngliche Verfahren wird fortgesetzt. Solche nachträgliche Entscheide in Nachverfahren sind subsidiär. Kommt es wegen neuer Straftaten zu einer Anklage, übernimmt das dafür zuständige Gericht auch die Abänderungen und Ergänzungen des vorherigen Urteils ( Art. 81 Abs. 4 lit. d, Art. 326 Abs. 1 lit. g StPO ). In den Verfahren gemäss Art. 363 ff. StPO geht es mithin um die nachträgliche Abänderung oder Ergänzung der Sanktionsfolgen von rechtskräftigen Strafurteilen. Es soll damit einer späteren Entwicklung Rechnung getragen werden. Die Grundlage dafür findet sich im materiellen Recht. Beispiele für solche Nachverfahren sind die Festlegung einer Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtbezahlung der Geldstrafe bzw. Busse nach Art. 36 und Art. 106 Abs. 5 StGB , die Umwandlung der gemeinnützigen Arbeit in Geld- oder Freiheitsstrafe bei mangelnder Kooperation des Betroffenen nach Art. 39 StGB , die Verlängerung oder nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 StGB bzw. Art. 62c Abs. 3 StGB oder gar die nachträgliche Anordnung der Verwahrung nach Art. 62c Abs. 4 StGB (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 363 StPO ; s.a. CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Lieber/Hansjakob [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 363 StPO ). Die inhaltliche Bandbreite der Entscheide, welche im Nachverfahren im Sinne von Art. 363 ff. StPO BGE 141 IV 396 S. 399 ergehen, ist somit weit. Es geht einerseits um Bagatellen im strafvollzugsrechtlichen Massengeschäft bzw. um Fälle minderen Gewichts, andererseits um Entscheidungen, die für den Betroffenen mit ganz massiven Konsequenzen verbunden sind. 3.2 Das Nachverfahren im Sinne von Art. 363 ff. StPO ist im Gesetz nur rudimentär geregelt. Die zuständige Behörde - in aller Regel die Straf- oder Vollzugsbehörde - leitet das Verfahren auf Erlass eines nachträglichen richterlichen Entscheids von Amtes wegen ein, sofern das Bundesrecht nichts anderes bestimmt, und reicht dem Gericht die entsprechenden Akten und ihren Antrag ein ( Art. 364 Abs. 1 StPO ). In den übrigen Fällen können die verurteilte Person oder andere dazu berechtigte Personen mit einem schriftlichen und begründeten Gesuch die Einleitung des Verfahrens beantragen ( Art. 364 Abs. 2 StPO ). Das zuständige Gericht - grundsätzlich das Gericht, welches das erstinstanzliche Urteil gefällt hat ( Art. 363 Abs. 1 StPO ) - prüft in der Folge, ob die Voraussetzungen für den nachträglichen richterlichen Entscheid erfüllt sind, und ergänzt, wenn nötig, die Akten oder lässt weitere Erhebungen durchführen ( Art. 364 Abs. 3 StPO ). Es gibt den betroffenen Personen und Behörden Gelegenheit, sich zum vorgesehenen Entscheid zu äussern und Anträge zu stellen ( Art. 364 Abs. 4 StPO ). Das Gericht entscheidet grundsätzlich gestützt auf die Akten. Es kann aber auch eine Verhandlung anordnen ( Art. 365 Abs. 1 StPO ). Es erlässt seinen Entscheid schriftlich und begründet ihn kurz. Hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, so eröffnet es seinen Entscheid sofort mündlich ( Art. 365 Abs. 2 StPO ). 3.3 Das Gesetz regelt damit nicht ausdrücklich, in welcher Rechtsform nachträgliche selbstständige Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO zu ergehen haben. Art. 365 Abs. 2 StPO spricht (ebenso wie die Marginale zur Gesetzesbestimmung) insofern neutral von "Entscheiden". Es stellt sich daher die Frage, ob solche Entscheide in Urteilsform oder aber in Beschluss- bzw. Verfügungsform zu ergehen haben, mit der Folge, dass im einen Fall die Berufung ( Art. 398 Abs. 1 StPO ), im andern Fall die Beschwerde ( Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO ) das zulässige Rechtsmittel bildet. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang mitunter von der "Urteil/Berufung"-Lösung oder aber der "Beschluss/Beschwerde"-Lösung gesprochen (NIKLAUS SCHMID, Nochmals zum Rechtsmittel gegen selbstständig gefällte Entscheide nach Art. 365 StPO , forumpoenale 4/2011 S. 222 ff.). 3.4 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde BGE 141 IV 396 S. 400 liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 141 III 195 E. 2.4; BGE 140 III 206 E. 3.5.4; BGE 140 IV 1 E. 3.1; je mit Hinweisen). 3.5 Art. 80 ff. StPO enthalten Vorschriften zu Form und Inhalt von Entscheiden. Sie knüpfen an die allgemein gebräuchliche Begriffsbildung an. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 StPO ergehen Entscheide, in denen über Straf- und Zivilfragen materiell befunden wird, in Form eines Urteils. Die anderen Entscheide ergehen gemäss Art. 80 Abs. 1 Satz 2 StPO in Beschlussform, wenn sie von einer Kollektivbehörde (recte wohl Kollegialbehörde), in Verfügungsform, wenn sie von einer Einzelperson gefällt werden. Nach Art. 81 Abs. 3 lit. a StPO spricht sich ein Urteil inhaltlich zur tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des der beschuldigten Person zur Last gelegten Verhaltens aus und enthält die Begründung der Sanktionen und der Nebenfolgen sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen. Das Urteilsdispositiv gemäss Art. 81 Abs. 4 lit. b StPO umfasst im Sinne einer Zusammenfassung der zentralen Punkte den Entscheid über Schuld und Sanktion, Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie allfällige Zivilklagen. 3.6 Nach den Gesetzesmaterialien sollen die nachträglichen richterlichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO , ungeachtet ihrer jeweiligen inhaltlichen Tragweite für den Betroffenen, nicht in Urteilsform ergehen, sondern als Beschluss bzw. Verfügung, weil kein neues Sachurteil anstehe. Die Materialien sind unmissverständlich. Sie sprechen deutlich dafür, dass sich der Gesetzgeber bewusst und in voller Kenntnis der Sachlage für die sogenannte "Beschluss/Beschwerde"-Lösung entschieden hat. So listen der Begleitbericht des Bundesamts für Justiz zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung unter Einschluss des Vorentwurfs 2001 sowie namentlich die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts die Entscheide, die als nachträgliche richterliche Anordnungen zu gelten haben, im Einzelnen auf und BGE 141 IV 396 S. 401 halten ausdrücklich fest, diese Entscheide müssten - weil kein neues Sachurteil anstehe - in Form eines Beschlusses oder einer Verfügung ergehen und unterlägen deshalb der Beschwerde (vgl. Bundesamt für Justiz, Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, 2001, S. 236; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1298 f. zu Art. 371-372). 3.7 Die Lehre folgt überwiegend der in der Botschaft vertretenen "Beschluss/Beschwerde"-Lösung. Ausgeführt wird namentlich, der StPO liege ein enger Urteilsbegriff zugrunde. Darunter fielen nur Entscheide, in denen im Sinne eines umfassenden Sachurteils über Schuld und Unschuld, bei Schuldspruch über die Sanktion sowie die Nebenfolgen befunden werde. Auch wo selbstständige nachträgliche Entscheide Sachentscheide beträfen, mit denen eine Frage des materiellen Strafrechts beurteilt werde, liege deshalb kein (neues) Sachurteil vor. Es bestehe bereits ein rechtskräftiges Strafurteil, das bloss abgeändert oder ergänzt werde. Der nachträgliche gerichtliche Entscheid ergehe daher in Form eines Beschlusses bzw. einer Verfügung. Zulässiges Rechtsmittel sei die Beschwerde (so NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2. Aufl. 2013, N. 3 und 4 zu Art. 365 StPO ; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 1 und 3 zu Art. 365 StPO ; DANIEL JOSITSCH, Grundriss des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 558 f.; ANDREAS KELLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Lieber/Hansjakob [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 393 StPO ; RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, S. 352 N. 1141; MARIE-LOUISE STAMM, Rechtsmittel bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden nach Art. 363 ff. StPO , forumpoenale 5/2012 S. 30 f.; MICHEL PERRIN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 10 zu Art. 365 StPO ; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, S. 453 f. N. 17120; vgl. auch MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, N. 7 und 8 zu Art. 365 StPO ). 3.8 Das Bundesgericht hat sich unter Hinweis auf die Botschaft und einzelne Autoren in seiner bisherigen Rechtsprechung dafür ausgesprochen, dass die Beschwerde zulässiges Rechtsmittel gegen nachträgliche gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO sein soll (Entscheide 6B_293/2012 vom 21. Februar 2012 E. 2 betreffend Verlängerung einer ambulanten Massnahme; 6B_425/2013 BGE 141 IV 396 S. 402 vom 31. Juli 2013 E. 1.2 betreffend Widerruf einer bedingten Strafe; sowie namentlich 6B_688/2013 vom 28. Oktober 2013 E. 2.1. und 2.2 betreffend Verlängerung einer stationären Massnahme; vgl. auch Entscheid 6B_538/2013 vom 14. Oktober 2013 E. 5.2, worin es ausdrücklich heisst, nachträgliche gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO seien "par la voie du recours à l'exclusion de l'appel" anzufechten). 3.9 Die in der Botschaft und von der herrschenden Lehre vertretene Auffassung, dass Entscheide im Verfahren nach Art. 363 ff. StPO als Beschluss bzw. Verfügung ergehen und mit Beschwerde anzufechten sind, ist bei einem nicht unerheblichen Teil des Schrifttums auf Kritik gestossen. Eingewendet wird namentlich, mit der nachträglichen Modifikation eines rechtskräftigen Strafurteils auf der Grundlage von Art. 363 ff. StPO werde eine neue materiellrechtliche Entscheidung über eine Straffrage getroffen, indem die ursprüngliche Sanktionsfolge ergänzt oder abgeändert werde. Diese Entscheidung müsse zwingend in Urteilsform gemäss Art. 80 Abs. 1 Satz 1 StPO ergehen. Dass jedenfalls einschneidende Entscheide im Bereich des Massnahmenrechts nur als Urteil ausgefällt werden könnten, werde auch an anderer Stelle des Gesetzes deutlich. So ergehe die Anordnung der Massnahme bei einer schuldunfähigen Person nach Art. 375 Abs. 2 StPO ausdrücklich in Form eines Urteils; dies aufgrund der "Tragweite der möglichen Sanktionen" (Botschaft, a.a.O., S. 1305 zu Art. 383 Fn. 419). Das Gesetz sehe die Urteilsform auch für die nachträgliche Verwahrung im Fall eines fehlerhaften Urteils im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB vor, deren Verfahren sich nach den Regeln über die Wiederaufnahme richte ( Art. 65 Abs. 2 StGB i.V.m. 410 StPO). Weshalb bei nachträglichen Entscheiden andere Regeln gelten sollen, sei nicht einsehbar, zumal es in der Sache um das Gleiche gehe. Das Rechtsmittel der Beschwerde und die gesetzliche Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens würden dem inhaltlichen Gewicht dieser Entscheide nicht gerecht. Daher sei im Verfahren nach Art. 363 ff. StPO die Berufung als zulässiges Rechtsmittel zuzulassen (HEER, a.a.O., N. 4 ff. zu Art. 365 StPO ; RIEDO/FIOLKA/NIGGLI, Strafprozessrecht sowie Rechtshilfe in Strafsachen, 2011, Rz. 2695 und Rz. 2697 f.; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, S. 529 f. N. 1508 und 1509; CHRISTOPHER GETH, Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche Entscheidungen des Gerichts nach Art. 363 ff. StPO , AJP 3/2011 S. 313 ff.; RENATE SCHNELL, Entscheide nach Art. 365 StPO - BGE 141 IV 396 S. 403 berufungsfähig oder nur der Beschwerde zugänglich, forumpoenale 4/2011 S. 111 f.). 3.10 In Anlehnung an die Minderheitsmeinung haben mehrere Kantone explizit die Berufung als zulässiges Rechtsmittel gegen nachträgliche gerichtliche Entscheide im Verfahren nach Art. 363 ff. StPO bezeichnet (vgl. dazu PATRICK GUIDON, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 393 StPO mit Hinweisen; so namentlich St. Gallen [GVP 2011 Nr. 79], Aargau [AGVE 2012 Nr. 82] und Luzern [LGVE 2012 I Nr. 68]). Andere Kantone erachten dagegen die Beschwerde als das zulässige Rechtsmittel (beispielsweise Basel-Stadt [BJM 4/2013 S. 209 ff.], Zürich [ZR 110 (2011) Nr. 53], Schwyz [EGV 2012 A 5.5 S. 36]). 3.11 Unter diesen Umständen besteht Anlass, die kontroverse Frage zum zulässigen Rechtsmittel gegen selbstständige gerichtliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO einer näheren Überprüfung zu unterziehen, zumal sich das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung damit nicht vertieft befasste. 4. 4.1 Die Argumente der Minderheitsmeinung für die "Urteil/Berufung"-Lösung haben einiges für sich, namentlich soweit es sich um nachträgliche gerichtliche Entscheide handelt, die materielle Sachentscheide betreffen, welche mit weitreichenden Konsequenzen für den Betroffenen verbunden sind. So wird im Nachverfahren nach Art. 363 ff. StPO im Zusammenhang mit Art. 65 Abs. 1 StGB überhaupt erstmals der eingriffsintensive Freiheitsentzug einer Massnahme angeordnet. Eine nachträgliche Anordnung oder Verlängerung einer stationären Massnahme - etwa im Sinne von Art. 59 Abs. 4 StGB oder Art. 62c Abs. 3 StGB - ist für den Betroffenen sodann nicht von geringerer Tragweite als die ursprüngliche Anordnung der Sanktion. Ebenso wenig kann es aus Sicht der betroffenen Person einen Unterschied machen, ob die nachträgliche Anordnung einer Verwahrung aufgrund eines fehlerhaften Urteils gemäss Art. 65 Abs. 2 StGB (dann Urteilsform) oder als Folge der Aussichtslosigkeit oder Undurchführbarkeit einer Massnahme gemäss Art. 62c Abs. 4 StGB i.V.m. Art. 363 ff. StPO (dann Beschlussform) erfolgt. Vor diesem Hintergrund kann man sich fragen, ob in diesen Fällen der nachträgliche Entscheid, mit welchem das ursprüngliche Urteil in Anwendung des materiellen Rechts abgeändert wird, aufgrund der BGE 141 IV 396 S. 404 damit verbundenen Eingriffsintensität nicht als Urteil ergehen müsste, welches mit Berufung anzufechten wäre (ähnlich nicht publizierter Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 26. März 2013 E. 2.1/b S. 8). 4.2 Allerdings ist zu beachten, dass im Bereich von Rechtsmitteln das Gebot der Rechtssicherheit in hohem Masse gilt. Angesichts der inhaltlichen Bandbreite von möglichen nachträglichen Entscheiden ist mithin unabdingbar, dass bezüglich des zu ergreifenden Rechtsmittels Klarheit herrscht (STAMM, a.a.O., S. 31). Der Gesetzgeber hat sich im Zusammenhang mit den nachträglichen gerichtlichen Entscheiden gemäss Art. 363 ff. StPO - ungeachtet ihrer inhaltlichen Tragweite - bewusst und unmissverständlich für die "Beschluss/Beschwerde"-Lösung entschieden (vorstehend E. 3.6). Ausgangspunkt dieser Entscheidung bildet ein formaler Urteilsbegriff, wie er schon früher in der vorherrschenden Prozesslehre der Schweiz vertreten wurde und auch der geltenden StPO zugrunde liegt, wenn man Art. 80 ff. StPO nicht isoliert, sondern im strafprozessualen Kontext liest (Art. 80 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 81 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 lit. b StPO; siehe vorstehend E. 3.5). Als Urteile gelten danach nur solche Sachentscheide, in denen umfassend über Schuld oder Unschuld, bei einem Schuldspruch über die Sanktion und die Nebenfolgen entschieden wird (SCHMID, a.a.O., forumpoenale S. 223; wohl auch DONATSCH/SCHWARZENEGGER/WOHLERS, Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2014, S. 264; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2006, § 45 N. 1 ff.; GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2006, N. 582; SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 581). Nachträgliche richterliche Anordnungen haben nicht diesen umfassenden Inhalt. Sie sind (bloss) urteilsähnlich (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a.a.O.). Auch wo nachträgliche richterliche Entscheide unstreitig Sachentscheide betreffen, mit welchen über eine materielle Straffrage befunden wird (zum Beispiel im Rahmen der nachträglichen Anordnung einer stationären Massnahme), ergeht kein neues umfassendes Sachurteil im Sinne von Art. 80 ff. StPO . Es besteht vielmehr bereits ein rechtskräftiges Strafurteil, das durch die nachträgliche richterliche Entscheidung (lediglich) modifiziert wird (DONATSCH/SCHWARZENEGGER/WOHLERS, a.a.O., S. 324 f.; STAMM, a.a.O., S. 30 f.). 4.3 Dass der "Beschwerde/Beschluss"-Lösung für nachträgliche richterliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugrunde liegt, zeigt auch ein Blick BGE 141 IV 396 S. 405 in die Jugendstrafprozessordnung (JStPO; SR 312.1). So hat der Gesetzgeber in Art. 43 lit. a JStPO ausdrücklich vorgesehen, dass Entscheide, mit welchen Massnahmen im Sinne von Art. 18 JStG (SR 311.1) nachträglich abgeändert werden, mit Beschwerde anzufechten sind (DIETER HEBEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 43 JStPO ; HEER, a.a.O., N. 9 zu Art. 365 StPO ; siehe auch RENATE SCHNELL, Ausgewählte Aspekte zu den Rechtsmitteln im Anwendungsbereich der JStPO, in: Schweizerische Strafprozessordnung und Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, Marianne Heer [Hrsg.], 2010, S. 247 ff., 265). 4.4 Den Bedenken der Minderheitsmeinung, dass die Beschwerde bzw. das Beschwerdeverfahren der inhaltlichen Tragweite (eines grossen Teils) der nachträglichen richterlichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO nicht gerecht wird (SCHNELL, a.a.O., S. 211; HEER, a.a.O., N. 10 zu Art. 365 StPO ; siehe auch LUZIUS EUGSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 14b zu Art. 399 StPO ), ist entgegenzuhalten, dass auch die Beschwerde eine umfassende Prüfung der im Streite liegenden Angelegenheit zulässt. Die Beschwerde ist ein ordentliches, vollkommenes und devolutives Rechtsmittel, welches die Überprüfung des angefochtenen Entscheids mit freier Kognition erlaubt. Noven sind zulässig. Verfahrensmässig sind keine Nachteile auszumachen: Ein zweiter Schriftenwechsel darf durchgeführt werden ( Art. 390 Abs. 3 StPO ). Zusätzliche Erhebungen oder Beweisabnahmen können, wenn nötig, erfolgen ( Art. 390 Abs. 4 StPO i.V.m. Art. 364 Abs. 3 StPO ) und je nach Tragweite des Falles kann mündlich verhandelt werden ( Art. 390 Abs. 5 StPO i.V.m. Art. 365 Abs. 1 StPO ). Damit erlaubt die Beschwerde, falls notwendig, ein der Berufung angenähertes Verfahren. Einzig die Beschwerdefrist von 10 Tagen ist gegenüber der Berufungserklärungsfrist von 20 Tagen verkürzt. Angesichts der Tatsache, dass bei den nachträglichen gerichtlichen Entscheiden nur ein klar umgrenzter Ausschnitt, d.h. die Sanktionsfolge, eines bereits vorliegenden früheren Strafurteils neu geregelt wird, scheint die Frist von 10 Tagen zur Beschwerdeerhebung jedoch ausreichend (dazu eingehend STAMM, a.a.O., S. 30). 4.5 Die Meinung, die vornehmlich mit Verfahrensfragen befasste Beschwerdeinstanz könnte nicht ausreichend in der Lage sein, die sich in den Nachverfahren stellenden materiellrechtlichen Fragen zu beurteilen, entbehrt der Grundlage. Im Übrigen steht es den BGE 141 IV 396 S. 406 Kantonen frei, die Befugnisse der Beschwerdeinstanz dem Berufungsgericht zu überweisen ( Art. 20 Abs. 2 StPO ). Damit entfiele auch die (vermeintliche) Problematik, dass zwei unterschiedliche Rechtsmittelinstanzen über identische Sachfragen zu entscheiden haben. Hinzu kommt das Folgende: Für nachträgliche Entscheide ist gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO grundsätzlich das Gericht zuständig, welches das erstinstanzliche Sachurteil gefällt hat. Diese Regelung ist indes nicht zwingend. Das Gesetz lässt vielmehr eine abweichende Regelung zu. Die Kantone können folglich andere erstinstanzliche Instanzen für zuständig erklären und beispielsweise betreffend die Nachverfahren nach Art. 363 ff. StPO separate Sanktionengerichte einrichten (SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu Art. 363 StPO ; vgl. die Regelung in den Kantonen Genf und Waadt). Der Umstand, dass bereits das Gericht, welches das erstinstanzliche Sachurteil gefällt hat, nicht zwingend zuständig zu sein braucht, kann letztlich nur heissen, dass es auch nicht notwendigerweise das Berufungsgericht sein muss, welches in den Nachverfahren zweitinstanzlich entscheidet. 4.6 Ein weiterer Einwand der Minderheitsmeinung betrifft die angebliche Inkonsistenz in Bezug auf die nachträglichen Entscheide im Strafbefehlsverfahren (GETH, a.a.O., S. 30). Fallen nachträgliche Entscheide im Nachgang zu einem Strafbefehl an, ist die Staatsanwaltschaft zuständig ( Art. 363 Abs. 2 StPO ). Der nachträgliche Entscheid ergeht in der Form eines Strafbefehls, gegen welchen Einsprache erhoben werden kann ( Art. 354 StPO ; Botschaft, a.a.O., S. 1298 f. zu Art. 370; siehe auch SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 6 zu Art. 363 StPO ). Das Einspracheverfahren folgt anschliessend den Regeln von Art. 355 und 356 StPO . Diese Bestimmungen nehmen nicht vorweg, in welcher Form der Entscheid des erstinstanzlichen Gerichts ergeht. Da im Nachverfahren kein umfassendes neues Strafurteil ergeht, sondern (lediglich) die Sanktionsfolge im Sinne eines blossen Teilaspekts angepasst, ergänzt oder geändert wird, hat der nachträgliche richterliche Entscheid nach den allgemeinen Regeln als Beschluss bzw. Verfügung zu ergehen, welcher mit Beschwerde angefochten werden kann (vgl. STAMM, a.a.O., S. 31; SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 363 StPO ). 4.7 Unter all diesen Umständen hält das Bundesgericht namentlich mit Rücksicht auf den klaren gesetzgeberischen Willen in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Beschwerde das zulässige Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO BGE 141 IV 396 S. 407 ist. Es läge am Gesetzgeber - wenn er es für notwendig ansieht - Abhilfe zu schaffen. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Vorinstanz zu Recht ein Beschwerdeverfahren eingeleitet hat. (...)
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Sachverhalt ab Seite 251 BGE 139 V 250 S. 251 A. A. est employée auprès de X. en qualité d'enseignante avec un taux d'occupation supérieur à 96 %. A titre accessoire, elle travaille dans le commerce exploité par son partenaire, qui est le père de l'enfant auquel elle a donné naissance en septembre 2009. Le 4 février 2010, A. a présenté une demande d'allocation de maternité. Sous la rubrique relative à l'employeur, le Service du personnel et d'organisation de X. a indiqué que le dernier salaire brut était de 6'839 fr. 90 par mois (y compris le 13 e salaire) et que le 100 % du salaire avait été versé pendant le congé-maternité du 27 septembre 2009 au 2 janvier 2010. Le commerce a produit les décomptes de salaire, dont il résultait que pendant les huit derniers mois avant l'accouchement le temps d'occupation consacré à l'activité accessoire s'était élevé en moyenne à 6 heures et 36 minutes par mois et que le dernier salaire horaire était de 26 fr. de l'heure. Dans une feuille complémentaire, il indiquait que A. avait continué à faire quelques heures de travail pendant le congé-maternité, étant donné qu'il était impossible de la remplacer. Sur requête de la Caisse de compensation du canton de Fribourg (ci-après: la caisse), le commerce a fourni le détail des heures effectuées durant le congé-maternité, en indiquant que A. avait travaillé dès le 30 octobre 2009, soit cinq heures en octobre 2009 et douze heures en décembre 2009. La caisse a versé des allocations de maternité pour la période du 27 septembre au 29 octobre 2009, en fixant le montant de l'allocation à 183 fr. 20 (taux journalier) pour un revenu journalier de 228 fr. 80 en ce qui concerne l'activité d'enseignante (avis de calcul du 9 juillet 2010 adressé auprès de X.) et à 5 fr. 60 (taux journalier) pour un revenu journalier de 6 fr. 20 en ce qui concerne l'activité exercée dans le commerce (avis de calcul du 9 juillet 2010 adressé à A.). Par décision du 28 juin 2010, confirmée sur opposition le 28 septembre BGE 139 V 250 S. 252 2010, elle a nié tout droit de A. à l'allocation de maternité depuis le 30 octobre 2009, au motif que le droit à la prestation avait pris fin vu que l'assurée avait repris à partir de cette date-ci son activité lucrative dans le commerce. B. Le 20 octobre 2010, A. a formé recours contre cette décision devant le Tribunal cantonal du canton de Fribourg, Cour des assurances sociales, en concluant à son annulation et à l'octroi d'allocations de maternité du 27 septembre 2009 au 2 janvier 2010. Elle proposait que soit requis un préavis de l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS). Dans sa réponse du 23 novembre 2010, la caisse, tout en soutenant la proposition faite par A. de demander le préavis de l'OFAS, a conclu au rejet du recours. Par arrêt du 20 septembre 2012, la juridiction cantonale, admettant partiellement le recours, a constaté que pour son activité principale d'enseignante A. avait droit aux allocations de maternité jusqu'au 2 janvier 2010 y compris et annulé la décision sur opposition du 28 septembre 2010 dans la mesure où lui était refusé l'octroi des allocations de maternité en rapport avec le travail d'enseignante dès le 30 octobre 2009. Pour le surplus, la décision sur opposition était confirmée. C. L'OFAS interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement, dont il conclut à l'annulation, la décision sur opposition du 28 septembre 2010 étant confirmée dans son intégralité. A. n'a pas répondu au recours. Le 9 janvier 2013, la juridiction cantonale a déposé ses observations. Par lettre du 11 janvier 2013, la caisse a proposé que le recours soit admis. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. La juridiction cantonale a considéré que le droit à l'allocation de maternité s'éteignait de manière anticipée lorsque la mère reprenait son activité lucrative avant la fin de la 14 e semaine du congé-maternité, la reprise anticipée de l'activité lucrative après l'accouchement mettant fin au droit à la prestation, même si elle n'est que partielle. Elle a retenu que l'intimée avait repris son travail accessoire le 30 octobre 2009, de sorte que son droit aux allocations de maternité pour ce travail accessoire avait pris fin à ce moment-là. En revanche, BGE 139 V 250 S. 253 l'intimée n'avait pas repris du tout son travail principal avant la fin du congé-maternité. Ainsi, faute d'accord des deux parties au contrat d'enseignement sur une reprise anticipée de l'enseignement, le droit aux allocations de maternité pour cette activité lucrative principale n'avait pu prendre fin avant le terme légal. A titre subsidiaire, les premiers juges ont admis que l'intimée remplissait l'exigence légale d'absence au travail pour s'occuper intensément de son nouveau-né, vu qu'elle n'avait pas repris son travail principal d'enseignante (taux d'occupation supérieur à 96 %). Le fait qu'elle avait travaillé, dans son activité accessoire, de manière ponctuelle (deux heures le 30 et trois heures le 31 octobre 2009; deux heures le 19, une heure le 20, trois heures le 22, deux heures le 26, une heure le 27 et trois heures le 30 décembre 2009), à un taux inférieur à 4 % et à vingt mètres de son domicile, n'avait manifestement pas pu l'empêcher de s'occuper principalement et pour la plupart du temps de son bébé. Le revenu réalisé à ce titre était inférieur à 2'200 fr. par année et devait ainsi être qualifié de salaire de minime importance au sens de la législation sur l'AVS. La reprise ponctuelle du travail accessoire ne justifiait donc pas la suppression du droit aux allocations de maternité découlant de l'activité principale non reprise durant le congé-maternité. 3. Selon le recourant, le but de l'allocation de maternité est de permettre à la mère venant d'accoucher non seulement de se reposer des fatigues de la grossesse et de l'accouchement, mais également de lui donner le temps de s'occuper intensément de son enfant durant les premiers mois, sans devoir se soucier ni de son travail ni des conséquences financières dues à l'arrêt de l'activité lucrative. Afin d'atteindre ce but, le législateur a voulu, pour encourager les mères à épuiser totalement leur droit aux allocations de maternité, que le droit à l'allocation prenne fin en cas de reprise de toute activité lucrative, même si la reprise du travail n'est que partielle. Ainsi, le législateur n'entendait pas distinguer selon qu'il s'agit d'une reprise de l'activité principale ou d'une reprise de l'activité accessoire. Si une telle distinction devait être faite et qu'une reprise à un pourcentage même minime de l'activité accessoire devait être admise, cela entraînerait une inégalité de traitement entre les femmes n'exerçant qu'une activité et celles qui en cumulent plusieurs. D'autre part, l'OFAS fait valoir que le jugement entrepris a pour résultat le fractionnement de l'allocation de maternité, dont seule la BGE 139 V 250 S. 254 partie calculée sur le salaire de l'activité reprise doit être supprimée. Il allègue que la loi ne prévoit pas que l'allocation puisse être fractionnée. Le texte légal parle du droit qui s'éteint, mais ne fait nullement référence à une partie du droit, respectivement à une fraction de celui-ci. 4. Le litige porte sur le point de savoir si l'intimée a droit aux allocations de maternité pour son activité principale d'enseignante jusqu'au 2 janvier 2010, singulièrement si le droit à toute allocation de maternité a pris fin le 30 octobre 2009 avec la reprise de l'activité lucrative de l'intimée dans le commerce de son partenaire. 4.1 D'après la jurisprudence, la loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre. Il n'y a lieu de déroger au sens littéral d'un texte clair par voie d'interprétation que lorsque des raisons objectives permettent de penser que ce texte ne restitue pas le sens véritable de la disposition en cause. Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales. Le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d'interprétation, mais s'inspire d'un pluralisme pragmatique pour rechercher le sens véritable de la norme; en particulier, il ne se fonde sur la compréhension littérale du texte que s'il en découle sans ambiguïté une solution matériellement juste ( ATF 138 II 217 consid. 4.1 p. 224; ATF 138 V 17 consid. 4.2 p. 20; ATF 137 V 20 consid. 5.1 p. 26; ATF 136 V 216 consid. 5.1 p. 217; ATF 135 II 78 consid. 2.2 p. 81; ATF 135 V 153 consid. 4.1 p. 157, ATF 135 V 249 consid. 4.1 p. 252; ATF 134 I 184 consid. 5.1 p. 193). 4.2 Selon le texte français de l' art. 16d LAPG (RS 834.1), le droit s'éteint le 98 e jour à partir du jour où il a été octroyé. Il prend fin avant ce terme si la mère reprend une activité lucrative ou si elle décède. Selon le texte allemand de l' art. 16d LAPG , "Der Anspruch endet am 98. Tag nach seinem Beginn. Er endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt." Selon le texte italien de l' art. 16d LAPG , "Il diritto all'indennità si estingue 98 giorni dopo il suo inizio. Si estingue prima se la madre riprende la sua attività lucrativa o muore." Aux termes de l' art. 25 RAPG (RS 834.11), le droit à l'allocation s'éteint le jour où la mère reprend une activité lucrative, quel que BGE 139 V 250 S. 255 soit son taux d'occupation. Par rapport au texte mentionné ci-dessus de l'art. 16d seconde phrase LAPG, l' art. 25 RAPG , en prévoyant l'extinction du droit quel que soit le taux d'occupation de l'activité lucrative reprise par la mère, est formulé de façon nettement plus restrictive que le texte de la loi. JEAN-LOUIS DUC (Assurance-maternité, questions choisies in L'arbre de la méthode et ses fruits civils, Recueil de travaux en l'honneur du Professeur Suzette Sandoz, Piotet/Tappy [éd.], 2006, p. 219) se demande si l' art. 25 RAPG est conforme à la loi et si celle-ci n'exige pas d'être interprétée. 4.3 Selon le ch. 1033 de la circulaire de l'OFAS sur l'allocation de maternité (CAMat http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:97/lang:fre ), dans sa teneur valable à partir du 1 er juillet 2005, le droit à l'allocation prend fin le 98 e jour après son début. Il s'éteint avant cette échéance si la mère reprend une activité lucrative, ceci indépendamment du taux d'emploi et de la durée de l'activité. Tel que formulé, le ch. 1033 CAMat reprend pour l'essentiel la formulation restrictive du texte de l' art. 25 RAPG . Le ch. 1033 CAMat a été complété par le ch. 1033.1 CAMat (état au 21 janvier 2010), non déterminant en l'espèce du point de vue temporel, qui prévoit que la fréquentation uniquement des cours de formation théorique (pour les apprenties par ex.) ou la poursuite des mesures du marché du travail de l'assurance-chômage n'est pas considérée comme une reprise de l'activité lucrative et ne provoque pas la fin du droit aux allocations. 4.4 Des travaux préparatoires, il ressort qu'à la suite de l'initiative parlementaire "Révision de la loi sur les allocations pour perte de gain. Extension du champ d'application aux mères exerçant une activité lucrative" (Triponez Pierre) du 20 juin 2001, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national, dans un rapport du 3 octobre 2002 (FF 2002 6998), a présenté un projet de loi modifiant la loi sur les allocations pour perte de gain (LAPG) du 25 septembre 1952. L'art. 16d (nouveau) première version du projet de loi était proposé par l'administration et soutenu par une majorité de la Commission; il existait également deux autres versions de l'art. 16d, selon les propositions de minorité I et de minorité II. L'art. 16d (nouveau) première version du projet de loi était ainsi formulé: "Le droit prend fin le 98 e jour de son octroi. Il prend fin avant ce terme si la mère reprend son activité lucrative ou si elle décède" BGE 139 V 250 S. 256 (FF 2002 7040; selon le texte allemand: "Der Anspruch endet am 98. Tag nach seinem Beginn. Er endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt" [BBl 2002 7564]; selon le texte italien: "Il diritto all'indennità si estingue 98 giorni dopo il suo inizio. Si estingue prima di tale termine se la madre riprende la sua attività lucrativa o muore" [FF 2002 6756]). Lors de sa séance du 3 octobre 2002, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national avait relevé qu'avec l'art. 16d (nouveau) première version, tel que proposé par l'administration, on se trouvait devant un conflit de buts: d'un côté, il était inéquitable que l'allocation de maternité continue d'être versée si la mère avait déjà repris l'activité lucrative, d'un autre côté, il était difficile de contrôler la reprise de l'activité lucrative, voire pratiquement impossible dans le cas où la mère exerçait une activité indépendante. Il en résultait une zone grise, où des mères travailleraient déjà à nouveau tout en continuant de percevoir l'allocation de maternité, zone qu'il était difficile de délimiter, raison pour laquelle la Commission a proposé l'adhésion à la proposition de l'administration. Dans son rapport du 3 octobre 2002, la Commission indiquait à propos de l'art. 16d (nouveau) première version du projet de loi qu'une reprise de l'activité lucrative mettait toujours fin au droit, même si la reprise du travail n'était que partielle. Une telle solution entendait notamment encourager la mère à épuiser totalement son droit aux allocations de maternité (FF 2002 7022 ch. 3.1). Le Conseil fédéral, dans un avis du 6 novembre 2002 (FF 2003 1032), n'a présenté aucune observation au plan matériel en ce qui concerne l'art. 16d du projet de loi. Le 3 décembre 2002, le Conseil national a adopté selon la proposition de la majorité de sa Commission l'art. 16d première version du projet de loi (BO 2002 CN 1940). Le 12 juin 2003, le Conseil des Etats, suivant la proposition de la majorité de sa Commission, a adhéré à la décision du Conseil national en ce qui concerne les textes allemand et italien de l'art. 16d première version du projet de loi et modifié le texte français de l'art. 16d première version du projet de loi en le formulant de la façon suivante: "Le droit s'éteint 98 jours après sa naissance. Il prend fin préalablement si la mère reprend une activité lucrative ou si elle décède" (BO 2003 CE 542). Le 17 septembre 2003, le Conseil national a adhéré sur ce point à la décision du Conseil des Etats (BO 2003 CN 1341). 4.5 L'analyse des travaux préparatoires montre ainsi que le législateur a voulu que la reprise partielle d'une activité lucrative, BGE 139 V 250 S. 257 singulièrement qu'une activité lucrative partielle reprise prématurément par la mère soit considérée comme une activité lucrative au sens de l'art. 16d seconde phrase LAPG, dont la reprise prématurée entraîne l'extinction du droit à l'allocation de maternité. Aussi bien le Conseil des Etats que le Conseil national ont adopté l'art. 16d du projet de loi selon la proposition de la majorité de leur Commission. Or, la Commission du Conseil des Etats n'a à aucun moment remis en cause le commentaire de l'art. 16d (nouveau) première version du projet de loi par la Commission du Conseil national dans son rapport du 3 octobre 2002. La modification du texte français de l'art. 16d (nouveau) première version du projet de loi par le Conseil des Etats a pour origine une proposition de l'administration. Il ressort du procès-verbal de la séance de la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil des Etats du 19 mai 2003 que cette modification est d'ordre purement rédactionnel: la proposition de l'administration adaptait l'art. 16b du projet de loi suite à la proposition Frick du 7 avril 2003 et modifiait la formulation de l'art. 16d du projet de loi tout en instituant un al. 2 qui, en définitive, a été biffé par le Conseil national lors de sa séance du 17 septembre 2003 (BO 2003 CN 1341), décision à laquelle a adhéré le Conseil des Etats lors de sa séance du 18 septembre 2003 (BO 2003 CE 836). Il résulte de ce qui précède que l' art. 25 RAPG , en indiquant "quel que soit son taux d'occupation" à propos de la reprise par la mère d'une activité lucrative, concrétise la volonté exprimée ci-dessus par le législateur et est ainsi conforme au droit fédéral. 4.6 Reste dès lors à examiner si une activité lucrative accessoire reprise prématurément par la mère peut être qualifiée d'activité lucrative partielle au sens de l'art. 16d seconde phrase LAPG. Dans sa majorité, la doctrine considère qu'il n'y a plus arrêt complet de travail si la mère reprend même à temps partiel une activité lucrative et que le droit à l'allocation de maternité s'éteint ainsi prématurément (JÖRG REINMANN, Congé de maternité payé: analyse détaillée du projet, Sécurité sociale CHSS 4/2004 p. 205; CHRISTIAN BRUCHEZ, La nouvelle assurance-maternité et ses effets sur le droit du contrat de travail, SJ 2005 II p. 257; OLIVIER SUBILIA, La nouvelle loi sur les allocations pour perte de gain et maternité, PJA 2005 p. 1474; Centre patronal vaudois, L'allocation de maternité selon la loi sur les allocations pour perte de gain [LAPG], in Questionsde droit, publication n° 33 [mai 2005], p. 6; PHILIPPE CARRUZZO, BGE 139 V 250 S. 258 Allocations et congé de maternité: Quels changements à compter du1 er juillet 2005?, CGSS 38/2005 p. 62; RÉMY WYLER, LAPG révisée:allocation-maternité et coordination avec le droit du travail, in Le droit social dans la pratique de l'entreprise: Questions choisies, Institut de recherches sur le droit de la responsabilité civile et des assurances [IRAL; éd.], 2006, p. 51; MERET BAUMANN, Rechtsfragen imZusammenhang mit der Mutterschaft, in Aktuelle Fragen des Sozialversicherungs- und Migrationsrechts aus der Sicht des KMU, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft [LBR], 2009, p. 51). De soncôté, JEAN-LOUIS DUC (op. cit., p. 219) est d'avis que le but de protection de l'enfant en donnant la possibilité à la mère de s'occuper de lui après la naissance pourrait aussi être atteint en donnant à celle-ci la possibilité de jouir d'un congé de maternité à mi-temps étalé sur 196 jours et que le principe du "tout ou rien" ne devrait pas avoir de place dans la discussion. Il convient de relever que l'art. 16d seconde phrase LAPG est formulé de manière très générale. Cette disposition légale prévoit que le droit à l'allocation de maternité prend fin avant le 98 e jour - à partir du jour où il a été octroyé (art. 16d première phrase LAPG) - si la mère reprend une activité lucrative (son activité lucrative, selon les textes légaux allemand et italien). Une activité lucrative partielle reprise prématurément par la mère est une activité lucrative au sens de l'art. 16d seconde phrase LAPG dont la reprise prématurée entraîne l'extinction du droit à l'allocation de maternité (supra, consid. 4.5). Telle qu'elle est formulée, cette disposition légale n'exclut pas que le droit à l'allocation de maternité persiste dans le cas où une activité lucrative principale n'a pas été reprise et où une activité accessoire marginale a été reprise prématurément sans qu'elle puisse être qualifiée d'activité lucrative partielle au sens de l'art. 16d seconde phrase LAPG. A cet égard, le salaire de minime importance de l' art. 34d al. 1 RAVS (RS 831.101) - sur lequel des cotisations AVS ne sont perçues qu'à la demande de l'assuré -, auquel se sont référés les premiers juges, peut être considéré comme un critère objectif permettant de fixer la limite (2'200 fr. par année civile jusqu'au 31 décembre 2010) au-delà de laquelle une activité accessoire marginale reprise prématurément par la mère constitue une activité lucrative partielle au sens de l'art. 16d seconde phrase LAPG. Ce critère est adéquat, car il permet de délimiter la zone grise évoquée par la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national lors de sa séance du 3 octobre 2002 (supra, BGE 139 V 250 S. 259 consid. 4.4). Il résulte du jugement entrepris que la limite fixée ci-dessus n'était pas atteinte dans le cas de l'intimée. Le recours est mal fondé de ce chef. 4.7 Le dispositif du jugement entrepris, objet du recours devant la Cour de céans, ne prévoit pas l'octroi d'une allocation partielle de maternité, question que l'OFAS évoque dans son mémoire et qu'il n'y a donc pas lieu d'examiner. Le recours est mal fondé.
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Sachverhalt ab Seite 83 BGE 94 I 82 S. 83 A.- Der Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1933 über die ausserordentlichen und vorübergehenden Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Bundeshaushalt (Finanzprogramm 1933) sah in Art. 26 die Besteuerung des Tabaks nach bestimmten Richtlinien vor. Dieser Artikel wurde im Bundesbeschluss vom 28. Oktober 1937 über die Verlängerung und Anpassung des Fiskalnotrechtes für das Jahr 1938 (Finanzprogramm 1938) neu gefasst; insbesondere wurde ein Abs. 3 beigefügt, der den Bundesrat ermächtigte, Massnahmen zu treffen a) "zur Sicherung einer inländischen Tabakkultur und zur Erhaltung einer leistungsfähigen Tabakindustrie", b) "zur Erhaltung der Handarbeit in der Tabakindustrie" und c) "zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren". Auf Grund dieser neuen Ordnung erliess der Bundesrat am 24. Dezember 1937 einen Beschluss über die Besteuerung des Tabaks, dessen Art. 23 in Abs. 1 bestimmte: "Der Handel mit Tabakfabrikaten untersteht der Aufsicht der Oberzolldirektion, soweit dies zur Sicherung des Zollbezuges und der Fabrikationsabgabe notwendig ist." Der durch das Finanzprogramm 1938 neu gefasste Text des Art. 26 des Finanzprogramms 1933 wurde in Art. 42 des (als Finanzordnung 1939-1941 bezeichneten) Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1938 über die Durchführung der Übergangsordnung des Finanzhaushalts aufgenommen. Darauf änderte und ergänzte der Bundesrat am 23. Dezember 1938 seinen Beschluss vom 24. Dezember 1937 über die Besteuerung des Tabaks. So fügte er dem Art. 23 neue Absätze bei, insbesondere Abs. 3 und 4, worin er die Unterbietung des auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Kleinhandelspreises verbot, ferner Abs. 5 und 6, welche einerseits die Gewährung der ortsüblichen Rabatte oder Rückvergütungen in Form von Marken und Kassabons und anderseits die Zugabe von Zündhölzern in Heftchen oder Schächtelchen vorbehielten. Die Geltungsdauer der Finanzordnung 1939-1941 und des BRB vom 24. Dezember 1937 (mit den seitherigen Abänderungen und Ergänzungen) wurde zunächst bis Ende 1945 und sodann bis Ende 1949 verlängert. B.- Art. 42 der Finanzordnung 1939-1941 wurde durch den BGE 94 I 82 S. 84 vierten Abschnitt des zweiten Teils des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 (AHVG) ersetzt. An die Stelle des Abs. 3 dieses Artikels trat Art. 127 des neuen Gesetzes, mit folgendem Wortlaut: "e) Schutzmassnahmen Der Bundesrat kann Massnahmen treffen: a) zur Sicherung einer bäuerlichen Tabakkultur; b) zur Erhaltung einer leistungsfähigen Tabakindustrie; c) zur Erhaltung der Handarbeit in der Tabakindustrie, insbesondere durch Festsetzung niedrigerer Ansätze für Tabakerzeugnisse, deren Herstellung oder Verpackung in Handarbeit erfolgt; d) zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren und Zigarettenpapier." Gestützt auf das Gesetz vom 20. Dezember 1946 erliess der Bundesrat am 30. Dezember 1947 eine Verordnung betreffend die fiskalische Belastung des Tabaks (Tabaksteuerverordnung, TStV), deren Art. 94 u.a. bestimmt: "4. Preisschutz" Abs. 1: "Der gemäss Art. 87 auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebene Kleinhandelspreis ist für die Abgabe an den Verbraucher im Kleinhandel verbindlich. Dieser Preis darf nicht durch Verabfolgung von Zugaben irgendwelcher Art unterboten werden ... " (Nach Abs. 2 gilt diese Ordnung auch für die eingeführten Tabakfabrikate.) Abs. 4: "Keine Verletzung der in Abs. 1 und 2 hiervor genannten Vorschriften stellt dar: a) Die Gewährung der ortsüblichen Rabatte oder Rückvergütungen durch Selbsthilfeorganisationen und Rabattsparvereine sowie durch Kleinhändler, sofern der Rabatt nicht unmittelbar vom Verkaufspreis in Abzug gebracht wird, sondern die ausgehändigten Marken und Kassabons erst eingelöst werden, wenn der rabattberechtigte Betrag mindestens Fr. 50 beträgt. Als ortsübliche Rabatte gelten die Vergütungen auf abgegebenen Rabattmarken und Eigenbons, deren Höhe die von den bedeutenden örtlichen Selbsthilfeorganisationen (Konsumvereine und Genossenschaften) gewährten Rückvergütungen nicht übersteigt." Durch Bundesgesetz vom 1. Februar 1952 wurden verschiedene die fiskalische Belastung des Tabaks betreffende Bestimmungen des Gesetzes vom 20. Dezember 1946 abgeändert. Der alte Art. 127 AHVG wurde ersetzt durch Abs. 1 des neuen Art. 127, lautend: BGE 94 I 82 S. 85 "Der Bundesrat trifft Massnahmen: a) zur Sicherung einer bäuerlichen Tabakkultur; b) zur Erhaltung der kleinen und mittleren Betriebe der Tabakindustrie, insbesondere durch Gewährung von Ermässigungen auf der Fabrikationsabgabe; c) zur Erhaltung der Handarbeit in der Tabakindustrie, insbesondere durch Festsetzung niedrigerer Ansätze für Tabakerzeugnisse, deren Herstellung oder Verpackung in Handarbeit erfolgt; d) zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren und Zigarettenpapier." Die Abs. 2-6 des neuen Art. 127 betreffen die Kontingentierung des Rohmaterials für die Herstellung von Zigarren. Am 4. Juni 1962 änderte der Bundesrat mehrere Absätze des Art. 94 TStV . Abs. 4 lit. a wurde wie folgt neu gefasst: "Keine Verletzung der in Absatz 1 und 2 hiervor genannten Vorschriften stellt dar: a) die Gewährung von Rabatten (einschliesslich Rückvergütungen und Gewinnanteile) bis auf 8 Prozent ausschliesslich in Form von Kassabons, Rabattmarken oder Eintragungen auf Rabattkarten und dergleichen, die erst eingelöst werden, wenn ihr rabattberechtigter Betrag mindestens 50 Franken ausmacht. Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen, die in erster Linie und vorwiegend andere Waren als Tabakfabrikate verkaufen, dürfen ihren Mitgliedern für jene Waren auf die vorgenannte Weise geleistete höhere Rabatte auch für Tabakfabrikate gewähren. An Orten, wo eine Konsumenten-Selbsthilfeorganisation auch auf Tabakwaren mehr als 8 Prozent Rabatt leistet, dürfen die übrigen Kleinhändler den Rabatt bis zur gleichen Höhe bemessen." Nach Art. 146 AHVG können Widerhandlungen gegen die Tabaksteuerverordnung mit einer Ordnungsbusse von 5 bis 1000 Franken geahndet werden. C. - Die Firma Denner Vereinigte Filialunternehmungen AG, Zürich, gewährte in den Jahren 1965 und 1966 Käufern von Zigaretten Rabatte von 16% an Orten, wo die Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen ihren Kunden die gleiche Vergünstigung nicht einräumten. Bruno Tuor, Chef des Rechtsdienstes der Firma, wurde deshalb von der Oberzolldirektion zu Ordnungsbussen verurteilt. Durch Urteil vom 28. November 1966 hob das Bundesgericht diese Bussen auf, in Erwägung, dass Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV (Fassung vom 4. Juni 1962) insoweit gegen Art. 4 BV verstosse, als dort nur die Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen und nicht auch die übrigen Kleinhändler BGE 94 I 82 S. 86 ermächtigt werden, von sich aus Rabatte von mehr als 8% zu gewähren ( BGE 92 I 427 ff.). D.- Am 5. Oktober 1967 nahm die Bundesversammlung ein Gesetz über die Tabakbesteuerung an, dessen Art. 48 lautet: "IV. Fortführung des Preisschutzes Artikel 127, Absatz 1, Buchstabe d, 146 und 148 bis 150 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung bleiben als Grundlage für eine Beibehaltung des Preisschutzes noch während fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung." Mit Beschluss vom 6. Oktober 1967, der am 16. Oktober 1967 in Kraft trat, fasste der Bundesrat Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV wie folgt neu: "Keine Verletzung der in Absatz 1 und 2 hiervor genannten Vorschriften stellt dar: a) die Gewährung von Rabatten einschliesslich Rückvergütungen und ähnlichen Leistungen bis auf 10 Prozent." Das Gesetz vom 5. Oktober 1967 ist Gegenstand eines von Bürgern gestellten Referendumsbegehrens. E.- Ungeachtet der im BRB vom 6. Oktober 1967 festgelegten Höchstgrenze von 10% wies Bruno Tuor die 130 Filialgeschäfte der Firma Denner an, beim Verkauf von Zigarettenpaketen in Stangen und anderer Tabakwaren einen Rabatt von 16% zu gewähren. Die Weisung wurde befolgt. An einer Pressekonferenz legte Tuor dar, dass er die vom Bundesrat zum Schutz der Preise der Tabakwaren getroffene Ordnung als verfassungs- und gesetzwidrig betrachte. Die Firma Denner liess durch Radio und Fernsehen eine Mitteilung über diese Stellungnahme verbreiten. Sie wies in Zeitungsinseraten und Anschlägen auf den von ihr gewährten Rabatt hin. Durch Verfügung vom 13. November 1967 verurteilte die Oberzolldirektion Tuor wegen Widerhandlung gegen Art. 94 TStV (in der durch BRB vom 6. Oktober 1967 geänderten Fassung) zu 15 Ordnungsbussen von je 1000 Franken. Für jeden Werktag in der Zeit vom 16. Oktober bis zum 2. November 1967 wurde eine Busse ausgesprochen. Die Verfügung wurde dem Gebüssten von der Direktion des II. Zollkreises eröffnet. F.- Tuor erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Bussenverfügung vom 13. November 1967 sei aufzuheben, BGE 94 I 82 S. 87 und er sei von Schuld und Ordnungsbusse freizusprechen; eventuell seien die Bussen herabzusetzen. Es wird geltend gemacht, der in Art. 94 Abs. 1 TStV aufgestellte Grundsatz sei unverbindlich, da er weder mit der Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) vereinbar noch durch Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG in der Fassung vom 1. Februar 1952 gedeckt sei. Diese Gesetzesvorschrift sei "verfassungskonform" auszulegen. Sie ermächtige den Bundesrat nicht, Preisschutzmassnahmen zu treffen und damit vom Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit abzuweichen. Sie erteile dem Bundesrat lediglich die Kompetenz, die "Modalitäten für die Veranlagung und Einbringung der Tabaksteuer" zu ordnen. Zur Erhebung und zum Einzug dieser Steuer sei aber der Schutz der Preise der besteuerten Waren nicht notwendig. Diese Auffassung werde durch Meinungsäusserungen verschiedener Juristen - auch solcher des Bundeshauses - gestützt. Aus den Gesetzesmaterialen ergebe sich nicht, dass der Bundesrat habe ermächtigt werden sollen, die Preise der Tabakwaren zu schützen. Auf jeden Fall sei der Gesamtbetrag der ausgesprochenen Bussen übersetzt. Die Zollverwaltung habe in einer einzigen Verfügung, die dem Verurteilten nicht von der Oberzolldirektion, sondern von der Direktion des II. Zollkreises eröffnet worden sei, eine "Totalbusse" von Fr. 15 000.-- ausgefällt. Dieser Betrag übersteige das nach Art. 146 AHVG zulässige Maximum von Fr. 1000.--. Zudem stellten die dem Verurteilten vorgeworfenen Handlungen - wenn sie überhaupt strafbar seien - ein fortgesetztes Delikt dar, für welches nur eine "Gesamtstrafe" hätte ausgesprochen werden dürfen. Die Oberzolldirektion hätte in analoger Anwendung von Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur eine Busse von höchstens Fr. 1500.-- ausfällen dürfen. Sollte der Beschwerdeführer doch mehrere Bussen verwirkt haben, so wäre er nach Art. 68 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu einer Busse zu verurteilen gewesen, die seinem Verschulden angemessen sei. Auch unter diesem Gesichtspunkt seien die ausgesprochenen Bussen übertrieben. Dem Beschwerdeführer könne nur ein leichtes Verschulden zur Last gelegt werden. Sein Vorgehen sei verständlich, da die Rechtslage "höchst unsicher" sei und er dem Bundesgericht habe Gelegenheit geben wollen, zu der Frage, die es in BGE 92 I 434 oben selbst aufgeworfen, aber offen gelassen habe, Stellung zu nehmen. Wären jene Bestimmungen BGE 94 I 82 S. 88 des StGB nicht anwendbar, so müssten die Bussen doch nach dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit herabgesetzt werden. G.- Die Oberzolldirektion beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 BV ist das Bundesgericht an die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen Beschlüsse sowie an die von ihr genehmigten Staatsverträge gebunden. Dagegen kann das Gericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen. Es unterwirft dieser Kontrolle insbesondere die auf eine gesetzliche Delegation gestützten (unselbständigen) Verordnungen des Bundesrates. Es prüft, ob solche Verordnungen sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, prüft das Gericht auch die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnungen ( BGE 92 I 432 ff.). 2. Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG in der Fassung vom 1. Februar 1952 verpflichtet den Bundesrat, Massnahmen "zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren und Zigarettenpapier" zu treffen. Auf diese Delegation stützt sich Art. 94 TStV . Er erklärt - entsprechend dem Randtitel "Preisschutz" - die auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Kleinhandelspreise als verbindlich (Abs. 1), unter Vorbehalt einiger Ausnahmen, zu denen nach dem nun geltenden Text (Abs. 4 lit. a in der Fassung gemäss BRB vom 6. Oktober 1967) insbesondere die Gewährung von Rabatten bis zu 10% gehört. Der Beschwerdeführer bestreitet die Gesetz- wie auch die Verfassungsmässigkeit des in Art. 94 Abs. 1 TStV aufgestellten Grundsatzes. Indessen stellt sich die Frage der Verfassungsmässigkeit hier nicht. Entweder beauftragt Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG den Bundesrat, die Preise zu schützen, wie dies die Oberzolldirektion geltend macht; oder die Bestimmung weist den Bundesrat an, fiskalische Massnahmen zu treffen, wie dies der Beschwerdeführer behauptet. Erweist sich der Standpunkt der Oberzolldirektion als richtig, so hat das Bundesgericht lediglich festzustellen, dass der vom Bundesrat angeordnete Preisschutz durch BGE 94 I 82 S. 89 die gesetzliche Delegation gedeckt ist; es kann dann die vom Bundesrat getroffene Ordnung so wenig wie die ihr zugrunde liegende Gesetzesvorschrift auf Verfassungsmässigkeit überprüfen. Ist dagegen Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG im Sinne der Auffassung des Beschwerdeführers zu verstehen, so ist bloss festzustellen, dass die vom Bundesrat beschlossene Ordnung über den Rahmen der gesetzlichen Delegation hinausgeht und aus diesem Grunde nicht anwendbar ist; auch in diesem Falle hat das Gericht die Frage der Verfassungsmässigkeit des Verordnungsrechts nicht zu erörtern. Zu prüfen ist somit einfach, ob jene Gesetzesvorschrift den Bundesrat verpflichte, die Preise zu schützen, oder ob sie ihn beauftrage, fiskalische Massnahmen zu treffen. a) Mit dem Wortlaut von Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG verträgt sich die von der Oberzolldirektion vertretene Auslegung besser als die abweichende Auffassung des Beschwerdeführers. Nach der deutschen Fasssung der Bestimmung hat der Bundesrat Massnahmen "zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren und Zigarettenpapier" zu treffen. Der Ausdruck "Regelung" hat allerdings eine so allgemeine Bedeutung, dass angenommen werden könnte, er decke sowohl Massnahmen steuerrechtlichen Charakters als auch solche zum Schutz der Preise. Immerhin hätte der Gesetzgeber wohl einen Ausdruck mit engerem Sinn gewählt, wenn er Massnahmen zur Erleichterung der Veranlagung und des Bezuges der Tabaksteuer im Auge gehabt hätte. Dasselbe gilt für die italienische Fassung: "disciplinare il commercio al minuto dei tabacchi e della carta da sigarette". "Disciplinare" hat kaum eine engere Bedeutung als "regeln". Zweifellos lässt sich "disciplinare" auf den Preisschutz beziehen, doch ist weniger sicher, ob der Ausdruck auch für Massnahmen steuerrechtlicher Art zutreffe. Die französische Fassung - "assainir le commerce de détail des tabacs manufacturés et du papier à cigarettes" - ist eindeutig; mit ihr ist nur die Auffassung der Oberzolldirektion vereinbar. In der Tat kann mit dem Auftrag, einen Wirtschaftszweig zu "sanieren", nur gemeint sein, dass die Schwierigkeiten, in denen er sich befindet, zu beheben sind. Diesem Zweck dient offensichtlich der Schutz der Preise der vom Wirtschaftszweig vertriebenen Waren, da er die Gewerbegenossen vor den verderblichen Auswirkungen von Preisunterbietungen bewahren soll. BGE 94 I 82 S. 90 Dagegen wird dem Wirtschaftszweig durch Massnahmen, welche die Besteuerung der von ihm abgesetzten Waren sichern sollen, keineswegs geholfen. b) Die Lösung, für die schon der Wortlaut von Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG spricht, wird bestätigt, wenn dieser Artikel als Ganzes in seinen inneren Zusammenhängen ins Auge gefasst wird. Die lit. a, b und c des Art. 127 Abs. 1 sehen durchweg Massnahmen zum Schutze von Zweigen der Tabakbranche vor. In lit. a ist die Rede von der Sicherung einer bäuerlichen Tabakkultur, in lit. b von der Erhaltung der kleinen und mittleren Betriebe der Tabakindustrie und in lit. c von der Erhaltung der Handarbeit in dieser Industrie. Die durch die Novelle vom 1. Februar 1952 eingeführten Abs. 2-6 des Art. 127, welche die Kontingentierung der Zigarrenproduktion betreffen, stehen im Zusammenhang mit Abs. 1 lit. b; sie bezwecken ebenfalls die Erhaltung kleiner und mittlerer Betriebe der Tabakindustrie, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt und durch die Botschaft zur Novelle (BBl 1951 III S. 501 ff.) bestätigt wird. Die Annahme liegt deshalb nahe, dass auch in lit. d des Abs. 1 Schutzmassnahmen gemeint sind, nämlich eben Massnahmen zum Schutze des Kleinhandels mit Tabakwaren und Zigarettenpapier. Diese Auffassung ist umsomehr gerechtfertigt, als Art. 127 AHVG ursprünglich mit dem Randtitel "Schutzmassnahmen" versehen worden war. Dieser Titel ist zwar in der Novelle vom 1. Februar 1952 weggelassen, aber auch nicht durch einen anderen ersetzt worden. Die Meinung war wohl, dass es beim bisherigen Titel bleibe; sind doch sonst allen Artikeln des AHVG Randtitel beigefügt. Wie es sich damit verhalte, kann indessen offen gelassen werden. Auf jeden Fall ist der Zweck von Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG durch die Novelle offensichtlich nicht geändert worden. c) Die Auffassung der Oberzolldirektion steht auch im Einklang mit der Meinung, welche die eidgenössischen Räte wiederholt kundgetan haben. Schon das Finanzprogramm 1938 und die Finanzordnung 1939-1941 ermächtigten den Bundesrat, den Kleinhandel mit Tabakwaren zu "regeln" ("assainir", disciplinare"). Freilich machte der Bundesrat von der ihm im Finanzprogramm 1938 erteilten Ermächtigung nur in der Weise Gebrauch, dass er den Handel mit Tabakfabrikaten der Aufsicht der Oberzolldirektion BGE 94 I 82 S. 91 unterstellte, "soweit dies zur Sicherung des Zollbezuges und der Fabrikationsabgabe notwendig ist". Auf Grund der gleichlautenden Ermächtigung in der Finanzordnung 1939-1941 ergänzte er aber seinen früheren Beschluss, indem er die Unterbietung der auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Kleinhandelspreise - unter Vorbehalt einiger Ausnahmen - verbot. Als der Gesetzgeber im Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 jene früher erteilte Ermächtigung wiederholte, musste er gewärtigen, dass der Bundesrat davon weiterhin in gleicher Weise wie zuvor Gebrauch machen werde. Das war umsomehr zu erwarten, als der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. Mai 1946 über die Finanzierung der Alters- und Hinterlassenenversicherung erklärt hatte, er wolle "zum Schutze der Konsumenten und des Detailhandels" Vorschriften erlassen, "wonach die Tabakwaren zu den vom Fabrikanten im Einverständnis mit der eidgenössischen Preiskontrolle festgesetzten, auf den Packungen aufgedruckten Preisen abgegeben werden müssen" (BBl 1946 II S. 639). Wären die eidgenössischen Räte der Auffassung gewesen, dass der Bundesrat die ihm in der Finanzordnung 1939-1941 delegierte Befugnis zu weit ausgelegt habe, so hätten sie wohl bei der Beratung der ihnen mit jener Botschaft unterbreiteten Vorlage klargestellt, in welchem Sinne nach ihrer Meinung die darin wieder gleich gefasste Delegation (nachmals Art. 127 lit. d AHVG ) verstanden werden müsse. Das ist indessen nicht geschehen. Im Gegenteil erklärte im Ständerat der Berichterstatter der Kommission, dass der Schutz der vom Fabrikanten festgesetzten Kleinhandelspreise mit Art. 34ter BV (in der damals geltenden Fassung) vereinbar sei. Darauf äusserte zwar ein Abgeordneter Bedenken, doch bestätigte anschliessend der Vorsteher des Finanz- und Zolldepartements die Absicht des Bundesrates, in der neuen Verordnung im Interesse des Kleinhandels wie auch der Konsumenten die Preise nach unten und oben zu schützen, worauf die vorgeschlagene Delegationsnorm ohne weiteres genehmigt wurde (StenBull StR 1946 S. 454-457). Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass die eidgenössischen Räte der Meinung waren, der Bundesrat werde durch die neue Delegation ( Art. 127 lit. d AHVG ) ermächtigt, Vorschriften zum Schutz der Kleinhandelspreise zu erlassen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei nur die Festlegung von Höchstpreisen beabsichtigt gewesen, trifft nicht zu. Es war ausdrücklich BGE 94 I 82 S. 92 vom Preisschutz nach oben und nach unten die Rede. Unter ähnlichen Umständen wurde die Gesetzesnovelle vom 1. Februar 1952 angenommen. Der Bundesrat hatte gestützt auf Art. 127 lit. d des Gesetzes vom 20. Dezember 1946 in die Tabaksteuerverordnung vom 30. Dezember 1947 den Art. 94 aufgenommen, welcher die auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Kleinhandelspreise - mit gewissen Ausnahmen - als verbindlich erklärte. Der Gesetzgeber von 1952, der die lit. d des bisherigen Art. 127 AHVG im ersten Absatz des neuen Art. 127 beibehielt, musste sich bewusst sein, dass er damit den Bundesrat ermächtigte, die Preisschutzordnung weiterzuführen. Die vom Beschwerdeführer erwähnte Tatsache, dass im Jahre 1949 im Nationalrat einige Redner die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der vom Bundesrat auf Grund des Art. 127 AHVG erlassenen Vorschriften in Zweifel gezogen hatten, ändert daran nichts. Übrigens hatten sich die damals geäusserten Bedenken mehr auf die Kontingentierung der Zigarrenfabrikation als auf den Schutz der Kleinhandelspreise bezogen. Schliesslich ist auf Art. 48 des von der Bundesversammlung am 5. Oktober 1967 angenommenen (noch der Volksabstimmung zu unterbreitenden) Gesetzes über die Tabakbesteuerung hinzuweisen, welcher bestimmt, dass Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG "als Grundlage für eine Beibehaltung des Preisschutzes noch während fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung bleibt". Damit hat nun das Parlament sogar ausdrücklich anerkannt, dass der Bundesrat in Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG zum Erlass von Preisschutzvorschriften ermächtigt worden war. d) Der Zweck der Delegationsnorm spricht ebenfalls für die ihr von der Oberzolldirektion gegebene Auslegung. Gemäss Art. 113 AHVG wird der Tabak fiskalisch belastet durch a) "Erhebung eines Eingangszolles auf dem eingeführten Rohtabak und dessen Abfällen sowie auf den eingeführten Tabakfabrikaten", b) "Erhebung einer Fabrikationsabgabe auf allen im Inland gewerbsmässig hergestellten Tabakfabrikaten" und c) "Erhebung einer Abgabe auf den im Inland nicht gewerbsmässig hergestellten Zigaretten auf Grundlage des hierzu dienenden, aus dem Ausland eingeführten oder im Inland erzeugten Zigarettenpapieres". Danach unterliegen der Abgabepflicht nur die Importeure und die Fabrikanten, nicht auch die Kleinhändler. Es bestand daher kein Anlass, dass der Gesetzgeber dem Bundesrat die Befugnis erteilte, den Kleinhandel mit Tabakwaren fiskalischen Vorschriften zu unterwerfen. BGE 94 I 82 S. 93 Dagegen hatte der Gesetzgeber triftige Gründe für eine Ermächtigung des Bundesrates, Massnahmen zum Schutz der Kleinhandelspreise für Tabakwaren zu treffen. Dies rechtfertigte sich namentlich im Hinblick darauf, dass die Tabakbranche seit dem Erlass des Finanzprogramms 1933 besonders hohe Fiskallasten zu tragen hat (Botschaft vom 29. Mai 1946, BBl 1946 II S. 639). Der Schutz der Kleinhandelspreise konnte auch mit der Überlegung begründet werden, dass er einen gewissen Einfluss auf den Ertrag der vorgesehenen Abgaben hat. Es war angezeigt, dass der Bundesrat ermächtigt wurde, nicht nur die Tabakkultur und die Tabakindustrie, sondern auch den Kleinhandel mit Tabakwaren zu schützen. Wiewohl die Kleinhändler den auf dem Tabak erhobenen Abgaben nicht unterworfen sind, beeinflussen die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie sich befinden, doch auch den Umsatz der abgabepflichtigen Importeure und Fabrikanten. Eine Ordnung, welche den Kleinhandel zur Einhaltung der auf den Packungen der Tabakfabrikate angegebenen Preise verpflichtet, um ihn vor verderblichen Unterbietungen zu bewahren, begünstigt daher mittelbar auch die ihn beliefernden Abgabepflichtigen und den Staat, der die Abgaben erhebt. e) Die grammatikalische, die systematische, die historische und die teleologische Auslegung führen somit zum gleichen Ergebnis: Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG delegiert dem Bundesrat die Befugnis, die Kleinhandelspreise für Tabakwaren zu schützen. Dass dies der Sinn der Bestimmung ist, unterliegt keinem Zweifel, weshalb sich die Frage, ob die eine oder die andere Auslegung "verfassungskonform" sei, nicht stellt (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts I, S. 223; HAAK, Normenkontrolle und verfassungskonforme Gesetzesauslegung des Richters, S. 10 und passim). Art. 94 Abs. 1 TStV hält sich demnach im Rahmen der dem Bundesrat in Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG eingeräumten Befugnis. Das Bundesgericht ist daher an diese Verordnungsvorschrift in gleicher Weise gebunden wie an die Delegationsnorm, die ihr zugrunde liegt. Es hat die Verfassungsmässigkeit der Verordnungsvorschrift so wenig wie diejenige der Delegationsnorm zu überprüfen. Es ist denn auch schon in früheren Urteilen von der Auffassung ausgegangen, dass Art. 94 Abs. 1 TStV verbindlich ist ( BGE 80 I 55 ff.; Urteil vom 12. Juli 1957 i.S. Mathis, nicht veröffentlicht). Das Hauptbegehren des Beschwerdeführers, das auf der BGE 94 I 82 S. 94 gegenteiligen Auffassung beruht, erweist sich somit als unbegründet. 3. Eventuell beantragt der Beschwerdeführer, die Bussen seien herabzusetzen. a) In diesem Zusammenhang beanstandet er, dass ihm die Bussenverfügung nicht durch die Oberzolldirektion selbst, sondern durch eine Zollkreisdirektion eröffnet wurde. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Nach Art. 148 Abs. 4 AHVG "wird der getroffene Entscheid dem Angeschuldigten ... unter Angabe einer vorhandenen Beschwerdemöglichkeit und der Beschwerdefrist durch eingeschriebenen Brief eröffnet". Diese Ordnung wurde hier eingehalten. Eine Bestimmung, welche der Oberzolldirektion vorschriebe, selber die Verfügung zu eröffnen, besteht nicht. b) Der Beschwerdeführer wirft der Oberzolldirektion vor, sie habe eine "Totalbusse" von Fr. 15 000.-- ausgesprochen, obwohl Art. 146 AHVG nur eine Busse von Fr. 5.- bis Fr. 1000.-- zulasse. Ausserdem macht er geltend, die ihm zur Last gelegten Handlungen stellten ein fortgesetztes Delikt dar und könnten daher nur durch eine einzige Busse geahndet werden, die in analoger Anwendung von Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB höchstens auf Fr. 1500.-- festgesetzt werden dürfe. Hätte er doch mehrere Bussen verwirkt, so wäre nach Art. 68 Ziff. 1 Abs. 2 StGB eine seinem Verschulden angemessene Busse zu verhängen. Diese Einwände halten nicht stand. Die Oberzolldirektion hat in der angefochtenen Verfügung dem Beschwerdeführer 15 Bussen von je Fr. 1000.-- auferlegt, nämlich eine Busse für jeden Werktag in der Zeit vom 16. Oktober bis zum 2. November 1967. Der in Art. 146 AHVG festgelegte Höchstbetrag ist also nicht überschritten worden. Zudem sind die allgemeinen Bestimmungen des StGB auf Ordnungsbussen, wie sie in Art. 146 AHVG angedroht sind, nicht anwendbar ( BGE 82 I 308 ; BGE 93 I 467 ; nicht veröffentlichte Urteile i.S. Cadoppi vom 2. Oktober 1956, Lexington vom 15. Mai 1959, Locher vom 3. April 1963, Lambert vom 10. November 1967). Art. 68 StGB kann hier somit nicht, auch nicht analog, angewandt werden. c) Gewiss kann die Verwaltung den Betrag der Busse innerhalb des in Art. 146 AHVG aufgestellten Rahmens nicht nach Belieben festsetzen. Sie verfügt zwar über einen gewissen Ermessensspielraum, muss aber die allgemeinen verwaltungsrechtlichen BGE 94 I 82 S. 95 Grundsätze beachten, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (zit. Urteil Lexington); andernfalls überschreitet oder missbraucht sie das ihr eingeräumte Ermessen und verletzt damit Bundesrecht. Die Busse muss der Schwere der Ordnungsverletzung angemessen sein. Anderseits ist eine gewisse Strenge schon deshalb angezeigt, weil die Busse den Täter von weiteren Widerhandlungen abhalten soll ( BGE 80 I 57 Erw. 4). Offen bleiben kann im vorliegenden Fall, ob bei der Bemessung der Busse auch dem Grade des Verschuldens Rechnung zu tragen sei, selbst wenn ein Verschulden nicht Voraussetzung der Strafbarkeit ist (vgl. BGE 93 I 468 ). Der Beschwerdeführer bestreitet grundsätzlich nicht, schuldhaft gehandelt zu haben, und sein Verschulden ist auch nichts weniger als leicht. Die angefochtene Verfügung steht mit den genannten Grundsätzen im Einklang. Auf Weisung des Beschwerdeführers haben die 130 Filialgeschäfte der Firma Denner während vieler Tage die beanstandeten Rabatte in Missachtung der Vorschriften des Bundesrates gewährt. Der Beschwerdeführer hat seine Absicht, die Preisschutzordnung zu verletzen, öffentlich - in einer Pressekonferenz, durch Radio und Fernsehen, Zeitungsinserate und Anschläge - bekanntgegeben. Durch sein Verhalten hat er in verschiedenen Landesgegenden den Kleinhandel mit Tabakwaren ernstlich gestört; gewissen Konkurrenten der Firma Denner hat er einen Teil ihrer Kundschaft entzogen, und andere hat er veranlasst, ihrerseits die Preisschutzordnung zu verletzen. Er hat sich durch die ausgesprochenen Bussen auch nicht abhalten lassen, seine vorschriftswidrige Tätigkeit weiterzuführen; niedrigere Bussen wären demnach noch weniger wirksam gewesen. Der Beschwerdeführer versucht vergeblich, sein Vorgehen zu beschönigen. Wäre es ihm nur darum zu tun gewesen, die Gültigkeit des Art. 94 Abs. 1 TStV überprüfen zu lassen, so hätte eine einzige Widerhandlung genügt. Er hat aber an der Gewährung des zu hohen Rabatts während längerer Zeit beharrlich festgehalten und dafür eine lautstarke Propaganda entfaltet, woraus geschlossen werden muss, dass es ihm vor allem darum ging, Käufer von Tabakwaren anzuziehen und auf diese Weise den Umsatz der Firma Denner überhaupt zu vergrössern. Unter diesen Umständen erscheinen die ausgesprochenen Bussen nicht als übersetzt, dies umsoweniger, als der auf einen Tag und eine Filiale entfallende Bussenbetrag nicht einmal Fr. 8.- erreicht. Von Überschreitung oder Missbrauch des der Verwaltung bei BGE 94 I 82 S. 96 der Bussenbemessung zustehenden Ermessens kann keine Rede sein. Das Eventualbegehren des Beschwerdeführers ist daher eben falls unbegründet.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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CH_BGE_001_BGE-94-I-82_1968
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BGE_94_I_82
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Sachverhalt ab Seite 258 BGE 100 II 258 S. 258 Aus dem Tatbestand: Mit Urteil vom 29. März 1973 trennte das Bezirksgericht Baden die Ehe der italienischen Staatsangehörigen Eugenio und Maria Vago auf unbestimmte Zeit. Dabei wies es den von der Klägerin gestellten Antrag auf Zusprechung einer Unterhaltsrente mit der Begründung ab, die Voraussetzungen der Art. 151 und 152 ZGB seien nicht erfüllt. Die Klägerin focht dieses Urteil beim Obergericht des Kantons Aargau im Trennungspunkt, mit Bezug auf das Besuchsrecht und in der Frage des Unterhaltsbeitrages an. Ihre Appellation wurde durch Urteil vom 15. März 1974 in den beiden ersten Punkten abgewiesen; dagegen sprach ihr das Obergericht gestützt auf Art. 160 Abs. 2 ZGB einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 300.-- zu. In der Urteilsbegründung wird unter anderem ausgeführt, bei blosser Trennung der Ehe bleibe die Unterhaltspflicht des Ehemannes im Sinne von Art. 160 Abs. 2 ZGB grundsätzlich bestehen. Zwar habe die bundesgerichtliche Praxis diesen Grundsatz dahin eingeschränkt, Unterhaltsansprüche eines getrennten Ehegatten seien dann nach Art. 151/152 und nicht nach Art. 160 Abs. 2 ZGB zu beurteilen, wenn es sich um die Trennung ausländischer Ehegatten handle, deren Heimatrecht die Scheidung nicht gestatte. Dies gelte indessen für italienische Ehegatten BGE 100 II 258 S. 259 nicht mehr, weil das neue italienische Scheidungsrecht eine Scheidung von getrennten Ehegatten nach einer Trennungszeit von fünf oder sieben Jahren zulasse. Deshalb seien nunmehr Unterhaltsansprüche italienischer Ehegatten ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art. 160 Abs. 2 ZGB zu beurteilen. Mit Berufung ans Bundesgericht beantragt der Beklagte die Aufhebung dieser Unterhaltsrente mit der Begründung, das neue italienische Scheidungsrecht habe nichts daran geändert, dass ein italienischer Ehegatte in der Schweiz die Scheidung nicht, jedenfalls nicht sofort verlangen könne, auch wenn ein Scheidungsgrund des schweizerischen Rechtes eindeutig gegeben sei, wie das im vorliegenden Fall zutreffe. Es erscheine daher richtig, nach wie vor im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis die Unterhaltsansprüche der Ehegatten in solchen Fällen nach Art. 151/152 ZGB zu beurteilen, weil sonst ein italienischer Ehemann schlechter gestellt wäre als ein Schweizer, der sich in der gleichen Lage befinde. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen Aus dem Erwägungen: 1. Durch die gerichtliche Trennung wird eine Ehe nicht aufgelöst, sondern sie bleibt weiter bestehen. Die Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau richtet sich daher nach wie vor grundsätzlich nach Art. 160 Abs. 2 ZGB ( BGE 95 II 72 ). Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht erstmals im Jahre 1914 für ausländische Ehegatten, deren Heimatrecht die Scheidung nicht kennt und die demzufolge gemäss Art. 7 h NAG in der Schweiz nicht auf Scheidung klagen können, eingeschränkt ( BGE 40 II 310 ff. Erw. 5). Es führte aus, in der Regel stünden einem Ehegatten bei blosser Trennung keine Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche im Sinne von Art. 151 ZGB zu. Wenn aber ein italienischer Ehegatte nur deswegen die Trennung verlange, weil ihm sein Heimatrecht die Scheidung versage, wenn anzunehmen sei, ein schweizerischer Ehegatte hätte unter den gleichen Voraussetzungen die Scheidung beantragt, und wenn die Trennung nach den Umständen aller Voraussicht nach als Dauerregelung betrachtet werden müsse, sei ein Genugtuungsanspruch gemäss Art. 151 Abs. 2 ZGB grundsätzlich zuzulassen. Im gleichen Entscheid beurteilte das Bundesgericht indessen die Unterhaltspflicht BGE 100 II 258 S. 260 des Ehemannes noch auf Grund von Art. 160 Abs. 2 ZGB ( BGE 40 II 309 Erw. 3). Zehn Jahre später prüfte es in einem Fall spanischer Ehegatten den Unterhaltsanspruch der Ehefrau jedoch nach Art. 152 ZGB , weil andernfalls eine unerträgliche Rechtsungleichheit zwischen einem schweizerischen und einem ausländischen Ehegatten bestünde ( BGE 50 II 313 ). Diese Rechtsprechung wurde in BGE 52 II 2 ff. bestätigt. In der Begründung jenes Entscheides führte das Bundesgericht aus, wenn auch die Trennung ausländischer Ehegatten bezüglich der Nebenfolgen sich ausschliesslich nach schweizerischem Recht regle, so müssten doch diese Folgen demjenigen der beiden schweizerischen Rechtsinstitute (Trennung oder Scheidung) angepasst werden, dem die ausgesprochene Trennung sachlich am meisten entspreche. Nun sei aber die dauernde, nicht in eine Scheidung umwandelbare Trennung, wie sie bei italienischen Ehegatten allein ausgesprochen werden könne, derart verschieden von der wandelbaren Trennung, wie sie bei ausschliesslicher Anwendung des ZGB gegenüber schweizerischen Ehegatten zulässig sei, dass es sich rechtfertige, sie hinsichtlich der Unterhaltspflicht analog der Scheidung zu behandeln. In BGE 95 II 72 /73 präzisierte das Bundesgericht, die Ausnahmeregelung für ausländische Ehegatten, deren Heimatrecht die Scheidung nicht kenne, greife nur dann Platz, wenn feststehe, dass der klageberechtigte Ehegatte auf Scheidung geklagt hätte, wenn ihm dies möglich gewesen wäre. Diese Rechtsprechung ist in neuerer Zeit auf Kritik gestossen (vgl. FRANK, SJZ 1970 S. 248 ff., 1972 S. 133 ff.; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, Supplement S. 25 ff.). Der vorliegende Fall bietet jedoch keinen Anlass zu einer Überprüfung der Praxis. Seit dem Inkrafttreten des italienischen Scheidungsgesetzes vom 1. Dezember 1970 (Gazetta Ufficiale vom 3.12.1970, N. 306 S. 8046 ff.; deutscher Text in Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1971 S. 113 ff.) besteht nämlich kein Grund mehr, italienische Ehegatten hinsichtlich der Nebenfolgen der Trennung anders zu behandeln als Schweizer. Art. 3 Ziff. 2 lit. b dieses Gesetzes lässt nunmehr eine Scheidung zu, sofern eine vorausgegangene gerichtliche Trennung fünf Jahre, in bestimmten Fällen sechs oder sieben Jahre gedauert hat. Daraus ergibt sich, dass die Trennung nach italienischem Recht nicht mehr dauernd sein muss, BGE 100 II 258 S. 261 sondern nach Ablauf einer bestimmten Frist in eine Scheidung umgewandelt werden kann. Sie entspricht daher weitgehend der Trennung nach schweizerischem Recht (vgl. Art. 147 Abs. 3 ZGB ). Damit fehlt heute bei italienischen Staatsangehörigen die wesentliche Voraussetzung, die das Bundesgericht veranlasst hat, bei der Trennung von ausländischen Ehegatten, die nicht auf Scheidung klagen können, die Unterhaltspflicht nach Art. 151/152 ZGB zu regeln. Im gleichen Sinne hat denn auch bereits das Obergericht des Kantons Zürich entschieden (Urteil vom 10. Mai 1973, publiziert in SJZ 1974 S. 43 ff. Erw. 4). Das angefochtene Urteil ist deshalb in die sem Punkt zu bestätigen.
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BGE_100_II_258
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Sachverhalt ab Seite 338 BGE 137 III 337 S. 338 A. A., né en 1958, et dame A., née en 1960, se sont mariés le 16 février 1981, sans conclure de contrat de mariage. Trois enfants, aujourd'hui majeurs, sont issus de leur union. Les parties se sont séparées en juillet 2002. A cette occasion, elles ont convenu, le 5 juillet 2002, d'adopter le régime de la séparation de biens. Elles ont toutefois exclu du contrat liquidant le régime de la participation aux acquêts les avoirs de prévoyance individuelle liée (pilier 3a) de l'époux, en reportant à plus tard la liquidation de ce patrimoine. Le 27 janvier 2006, l'époux a ouvert action en divorce. B. Statuant le 12 décembre 2007, le juge du district de Monthey a prononcé le divorce et, entre autres points, refusé de procéder au partage en faveur de l'épouse de la prévoyance individuelle liée (3 e pilier A) accumulée par le mari pendant le mariage. Sur appel de l'épouse, le Tribunal cantonal valaisan a réformé ce jugement. Statuant sur le partage de la prévoyance individuelle liée, il a ordonné le transfert sur le compte de prévoyance professionnelle de l'épouse, par le débit des comptes d'épargne ouverts par le mari à la Banque cantonale du Valais (ci-après: BCV), d'une part, et de l'assurance-vie conclue auprès de l'Allianz Suisse d'autre part, des montants respectifs de 107'891 fr. 60 et de 21'636 fr. 90. C. Le Tribunal fédéral a admis le recours formé par l'époux, annulé le jugement attaqué et renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant ne conteste pas le principe d'un partage de la prévoyance individuelle liée acquise pendant la période durant laquelle les parties étaient soumises au régime ordinaire de la participation aux acquêts. En revanche, il prétend que ce partage doit s'opérer selon les règles de la liquidation du régime matrimonial ( art. 181 ss CC ) et non selon les dispositions applicables au partage de la prévoyance professionnelle ( art. 122 CC ). Il en déduit que la valeur des avoirs de prévoyance doit être estimée au moment où les parties ont passé au régime de la séparation de biens, soit au 5 juillet 2002. 2.1 2.1.1 La prévoyance individuelle liée - qu'il s'agisse d'un contrat d'assurance spécial de capital et de rente sur la vie ou en cas BGE 137 III 337 S. 339 d'invalidité ou de décès, ou encore d'un contrat spécial d'épargne auprès d'une fondation bancaire ( art. 1 al. 2 et 3 de l'ordonnance du 13 novembre 1985 sur les déductions admises fiscalement pour les cotisations versées à des formes reconnues de prévoyance [OPP 3; RS 831.461.3] ) - doit être partagée selon les règles du régime matrimonial auquel sont soumis les époux ( ATF 129 III 257 consid. 3.2 et les réf. citées). Dans le régime ordinaire de la participation aux acquêts, la prévoyance liée constitue un élément du patrimoine de l'époux et, à ce titre, elle doit être attribuée à l'une ou à l'autre des masses (cf. ATF 125 III 1 consid. 3; ATF 121 III 152 consid. 3a; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2 e éd. 2009, n° 1025). Les acquêts et les biens propres de chaque époux sont disjoints dans leur composition au jour de la dissolution du régime ( art. 207 al. 1 CC ), à savoir, en cas de changement de régime matrimonial, au jour du contrat adoptant l'autre régime (cf. art. 204 al. 1 CC ). Lorsque l'époux contractant n'a pas encore reçu de prestations à la dissolution du régime, la prévoyance liée, qu'il s'agisse d'un capital d'épargne bancaire ou de l'épargne sous forme d'assurance, doit être comptabilisée dans les biens propres et/ou les acquêts selon les règles sur le remploi ( art. 197 al. 2 ch. 5 CC ; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n os 1025c et 1025f; URSULA WIEDMER, Scheidung und private Vorsorge, FamPra.ch 2008 p. 142 ss, 144; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Commentaire bernois, 1992, n° 17 ad art. 237 CC ). 2.1.2 Dans la phase suivante de liquidation, il faut estimer le compte d'acquêts de chaque époux afin de déterminer s'il se solde par un bénéfice ou un déficit. Si la date de la dissolution du régime est déterminante pour l'attribution des avoirs de prévoyance à l'une ou l'autre masse (consid. 2.1.1), l'estimation des actifs du compte d'acquêts aura lieu, en règle générale, à l'époque de la liquidation ( art. 214 al. 1 CC ). En cas de procédure judiciaire, il s'agit du jour où le jugement est rendu ( ATF 121 III 152 consid. 3a). Il convient de distinguer clairement le moment déterminant pour la composition des masses et le moment déterminant pour l'estimation de la valeur de ces masses. En effet, il faudra tenir compte de l'augmentation ou de la diminution de la valeur des biens qui composent le compte d'acquêts entre la dissolution et la liquidation. En revanche, sont exclues les modifications dans la composition du compte d'acquêts. Après la dissolution, il ne peut plus y avoir de formation de nouveaux acquêts ou accroissement de ceux-ci, ni de modification du passif du compte d'acquêts ( ATF 136 III 209 consid. 5.2). BGE 137 III 337 S. 340 Appliqués aux avoirs de prévoyance liée, ces principes signifient que les revenus d'avoirs qui sont postérieurs à la dissolution du régime matrimonial ne modifient pas la valeur des actifs ou des passifs du compte d'acquêts (REGINA AEBI-MÜLLER, Säulen 3a und 3b in der Scheidung, Jusletter du 22 février 2010, n. 38; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n° 17 ad art. 207 CC ; cf. arrêt 5C.229/2002 du 7 février 2003 consid. 3.1.3, in FamPra.ch 2003 p. 653). En d'autres termes, les intérêts d'un compte bancaire ou d'une assurance-vie postérieurs à la dissolution n'augmentent pas la valeur d'estimation de ces biens; ils ne peuvent être pris en considération en raison de l'interdiction de modifier la composition des acquêts (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n° 17 ad art. 207 CC ; REGINA AEBI-MÜLLER, op. cit., n. 43). En outre, si des primes sont versées pour l'assurance-vie - au moyen d'acquêts - entre la dissolution et la liquidation, la valeur de rachat va augmenter. Il ne sera donc pas tenu compte de ces primes et de la nouvelle valeur de rachat dans l'estimation des masses déterminantes (REGINA AEBI-MÜLLER, op. cit., n. 41; URSULA WIEDMER, op. cit., p. 145). En revanche, les fluctuations de valeur des avoirs de prévoyance liée intervenues entre la dissolution et la liquidation doivent être prises en considération pour l'estimation du compte d'acquêts (cf. ATF 136 III 209 consid. 5.2). 2.2 2.2.1 En l'espèce, l'époux a constitué pendant le mariage une prévoyance liée. Au moment de la dissolution du régime de la participation aux acquêts, soit le 5 juillet 2002, ses avoirs de prévoyance liée comportaient deux comptes bancaires ainsi qu'une assurance-vie. Selon les constatations du jugement attaqué, cette prévoyance a été constituée par des prélèvements sur le salaire du mari. Il en résulte qu'elle fait partie de ses acquêts ( art. 197 al. 2 ch. 5 CC ). 2.2.2 Il convient ainsi de déterminer le bénéfice du compte d'acquêts, dont la moitié doit revenir à l'épouse ( art. 215 al. 1 CC ). L'estimation de la valeur des avoirs de prévoyance liée doit être opérée au jour de la liquidation, soit au 29 juillet 2009, date du prononcé du jugement cantonal. S'agissant de l'assurance-vie, il ne faut toutefois pas tenir compte des modifications de la valeur de rachat dues au paiement de nouvelles primes entre la dissolution et la liquidation. La cour cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral en incluant dans le bénéfice du compte d'acquêts du mari le montant de la valeur de rachat à la date de la dissolution, soit 43'273 fr. 80. En ce qui concerne les deux comptes bancaires, les juges précédents ont BGE 137 III 337 S. 341 éstimé les montants à partager au 31 décembre 2008. Or, il aurait convenu de tenir compte des montants déposés au 5 juillet 2002, auxquels il fallait ajouter ou déduire les éventuelles fluctuations de valeur jusqu'à la liquidation, l'un des comptes étant constitué de titres (BCV Epargne ...); en revanche, les intérêts courus entre la dissolution et la liquidation devaient être exclus; enfin, il fallait encore examiner dans quelle mesure la charge fiscale latente devait être prise en considération dans l'estimation de ces avoirs (arrêt 5A_673/2007 du 24 avril 2008 consid. 3.6.3). L'état de fait ne permettant pas de discerner si la cour cantonale a correctement appliqué ces principes, il y a lieu d'annuler le jugement attaqué et de lui renvoyer la cause pour complètement des faits sur ce point et nouvelle décision. 3. Le recourant reproche encore aux juges cantonaux d'avoir ordonné à l'Allianz et à la BCV, en application de l' art. 4 al. 3 1 re phrase OPP 3, de transférer sur le compte de prévoyance professionnelle de l'épouse les montants dus au titre du partage du pilier 3a. Le recourant est d'avis qu'il doit pouvoir décider librement de la manière dont il réglera cette dette. Il explique que le mode de paiement prévu par l'arrêt cantonal l'expose à de nombreux inconvénients (difficulté de reconstituer la couverture d'assurance, conclusion d'un nouveau contrat d'assurance et constitution de nouveaux comptes d'épargne à des conditions moins favorables). 3.1 S'il résulte de la liquidation qu'un époux a une créance de participation au bénéfice de son conjoint, la totalité ou une partie des droits aux prestations de vieillesse peut être cédée par le preneur de prévoyance à son conjoint ou être attribuée à ce dernier par le juge ( art. 4 al. 3 1 re phrase OPP 3). Sous réserve de l' art. 3 OPP 3 qui vise des hypothèses non réalisées en l'espèce, l'institution du preneur de prévoyance doit verser le montant à transférer à l'institution au sens de l' art. 1 al. 1 OPP 3 , indiquée par le conjoint ou à une autre institution de prévoyance (art. 4 al. 3 OPP 3 2 e phrase). Selon la jurisprudence constante, la loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge recherchera la véritable portée de la norme, en la dégageant de sa relation avec d'autres dispositions légales et de son contexte (interprétation systématique), du but poursuivi, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique), ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires BGE 137 III 337 S. 342 (interprétation historique; ATF 135 II 416 consid. 2.2; ATF 134 I 184 consid. 5.1 et les arrêts cités). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant une pluralité de méthodes, sans soumettre les différents éléments d'interprétation à un ordre de priorité ( ATF 133 III 257 consid. 2.4; ATF 131 III 623 consid. 2.4.4 et les arrêts cités). Au besoin, une norme dont le texte est à première vue clair peut être étendue par analogie à une situation qu'elle ne vise pas (extension téléologique) ou, au contraire, si sa teneur paraît trop large au regard de sa finalité, elle ne sera pas appliquée à une situation par interprétation téléologique restrictive (réduction téléologique). 3.2 3.2.1 Pris à la lettre, le libellé de l' art. 4 al. 3 OPP 3 confère au juge le pouvoir de décider de la modalité d'exécution de la créance de participation, en optant pour l'attribution des droits du preneur de prévoyance contre les institutions. C'est le sens que lui a donné l'autorité cantonale. Selon l'interprétation défendue par le recourant, également compatible avec la lettre de la disposition, l' art. 4 al. 3 OPP 3 ne fait qu'introduire une modalité de paiement supplémentaire mais ne permet pas au juge de l'imposer à un débiteur qui souhaite exécuter sa créance par un autre mode de paiement. Afin de départager ces deux opinions, il convient d'examiner la disposition litigieuse à la lumière des autres méthodes d'interprétation. 3.2.2 Il ressort de la systématique de la loi que l' art. 4 OPP 3 , intitulé "cession, mise en gage et compensation" doit être mis en relation avec l'art. 39 de la loi fédérale du 25 juin 1982 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (LPP; RS 831.40). L'al. 1 de l' art. 4 OPP 3 renvoie en effet expressément à l' art. 39 LPP qui pose le principe de l'interdiction de cession, de mise en gage et de compensation des droits aux prestations. Les deux alinéas suivants contiennent chacun une exception à ce principe de l'interdiction. L'al. 2 admet une première exception en cas d'acquisition d'un logement au moyen de la prévoyance professionnelle. Quant à l'al. 3, entré en vigueur le 1 er janvier 1997, il permet une seconde exception en cas de dissolution du régime matrimonial pour une cause autre que le décès. 3.2.3 Au moment de la révision du droit du divorce, le Conseil fédéral avait signalé l'absence de possibilité de céder entre conjoints les droits aux prestations de vieillesse du pilier 3a. En cas de BGE 137 III 337 S. 343 partage de la prévoyance liée à la suite de la dissolution du régime matrimonial, cette situation était peu satisfaisante puisqu'elle impliquait que le conjoint débiteur qui ne disposait pas d'autres éléments de fortune sollicite des délais de paiement ( art. 218 CC ) ou demande un prêt pour s'acquitter de sa dette. Le Conseil fédéral avait manifesté son intention de résoudre le problème par le biais d'une modification de l'OPP 3 qui introduirait une nouvelle modalité de paiement (FF 1996 I 105 ch. 233.43). L'al. 3 de l' art. 4 OPP 3 a ainsi été ajouté afin d'assouplir l'interdiction de céder les droits aux prestations de vieillesse de type pilier 3a (OFAS, Bulletin de la prévoyance professionnelle n° 37 du 11 décembre 1996 p. 6 ch. 2). Le but de cette modification était ainsi d'élargir l'éventail des moyens financiers de l'époux débiteur (MARTA TRIGO TRINDADE, Prévoyance professionnelle, divorce et succession, SJ 2000 II p. 467 ss, n. 44 p. 475; THOMAS GEISER, Die Säule 3a kann im Scheidungsverfahren aufgeteilt werden, RJB 1997 p. 141 ss, 144 in initio, 146), mais non de créer de nouvelles prérogatives afférentes au droit du mariage (OFAS, op. cit., p. 6) qui sont réglées, en cas de dissolution du régime matrimonial, aux art. 181 ss CC . Il ne ressort en effet pas des travaux préparatoires que le législateur ait voulu déroger au principe qui veut que le droit de chaque époux à une part du bénéfice de son conjoint consiste en une créance pécuniaire dont le règlement doit intervenir en espèces ( art. 215 al. 1 CC ; ATF 100 II 71 consid. 2b; arrêt 5C.271/2005 du 23 mars 2006 consid. 8.2; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n os 1367-1367a; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n° 22 ad art. 215 CC ; DANIEL STECK, in Scheidung, FamKomm, vol. I, 2 e éd. 2011, n° 2 ad art. 215 CC ). 3.2.4 En résumé, il s'avère que l'art. 4 al. 3 de l'OPP 3 ne fait qu'introduire une modalité supplémentaire d'exécution de la créance de participation au bénéfice lorsque celui-ci est constitué par de l'épargne ou une assurance liées. Comme le principe demeure le versement d'espèces, le juge ne peut imposer le transfert des droits à un débiteur qui souhaite s'acquitter de son obligation au moyen de liquidités dont il dispose en suffisance. 3.3 Dans le cas particulier, selon l'état de fait de l'arrêt attaqué, le recourant dispose de ressources mensuelles de 16'255 fr. et d'une fortune immobilière estimée en 2002 à 960'000 fr. (parcelle n° 4890 de la commune de B.: 500'000 fr.; parcelles n os 602 et 2762 de la commune de C.: 400'000 fr.; quote-part d'un tiers des immeubles n os 2047 et 2052 de la commune de B.: 60'000 fr.). Il ressort du dossier qu'en cours de procédure, il avait offert le paiement d'un montant en BGE 137 III 337 S. 344 espèces pour liquider la créance de participation au bénéfice constitué par sa prévoyance liée. S'agissant d'une créance pécuniaire, les juges cantonaux ne pouvaient dès lors lui imposer le transfert de ses droits contre les institutions de prévoyance. Le recours doit par conséquent être admis et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. L'admission du recours sur ce point rend superflu l'examen du grief pris de l'application arbitraire de la maxime de disposition.
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Erwägungen ab Seite 139 BGE 118 V 139 S. 139 Aus den Erwägungen: 1. In Art. 85 Abs. 2 AHVG wird die Regelung des Rekursverfahrens im AHV-Bereich grundsätzlich - unter Vorbehalt gewisser vereinheitlichender Richtlinien - den Kantonen anheimgestellt (vgl. bundesrätliche Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des AHVG, BBl 1958 II 1285). Lit. f der zitierten Bestimmung enthält die Vorschrift, dass der obsiegende Beschwerdeführer "Anspruch auf Ersatz der Kosten der Prozessführung und Vertretung nach gerichtlicher Festsetzung" hat. 2. a) In der Praxis zu Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ist dem obsiegenden Beschwerdeführer für das kantonale Verfahren in der Regel eine Parteientschädigung von Amtes wegen, d.h. ohne entsprechendes Begehren der obsiegenden Partei, zuzugestehen, wenn eine anwaltsmässige oder allenfalls eine andere, für das in Frage stehende Rechtsgebiet besonders qualifizierte Vertretung vorliegt BGE 118 V 139 S. 140 und wenn nicht anzunehmen ist, dass sie kostenlos erfolgt ( BGE 108 V 271 Erw. 2; ZAK 1991 S. 420 Erw. 3). Das Eidg. Versicherungsgericht hat auch entschieden, dass ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für den Fall des Unterliegens das Begehren um Übernahme der Vertretungskosten durch den Staat beinhaltet, für den Fall des Obsiegens aber zugleich - ohne dass es eines besonderen Antrages bedarf - den Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung zu Lasten der Gegenpartei (ZAK 1990 S. 139). b) Nach der Praxis der zürcherischen AHV-Rekurskommission wird die Frage der Ausrichtung einer Parteientschädigung nur geprüft, wenn eine solche vom Beschwerdeführer verlangt wird (MEYER HEINZ, Verfahrensfragen bei AHV- und IV-Beschwerden, SZS 1981 S. 205). Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese kantonale Praxis bisher als bundesrechtskonform erachtet mit der Begründung, Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG enthalte den Grundsatz des Entschädigungsanspruches als solchen. Die nähere Regelung, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch geltend gemacht werden müsse, sei den Kantonen überlassen ( BGE 110 V 137 Erw. 1 und 2). In der Lehre ist diese Rechtsprechung auf Kritik gestossen. Bernet legt dar, ein kantonales Antragserfordernis beeinträchtige die Wirksamkeit des bundesrechtlichen Anspruchs auf Parteientschädigung (BERNET MARTIN, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1986, S. 166, N. 4). 3. Im Verwaltungsgerichtsverfahren setzt das Bundesgericht die Parteientschädigung gemäss Art. 159 OG von Amtes wegen fest. Das Gericht führt aus, diese Regel entspreche einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Art. 159 OG verlange als Voraussetzung für die Zusprechung einer Parteientschädigung keinen besonderen Antrag durch die obsiegende Partei. Der Wortlaut weise eher darauf hin, dass der Anspruch auf Parteientschädigung die gesetzliche Folge des Obsiegens sei. Das Bundesgericht spricht daher eine Parteientschädigung zu, ohne dass eine Partei sie formell verlangt ( BGE 111 Ia 156 Erw. 4). Wie Art. 159 OG räumt auch Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG der obsiegenden Partei einen bundesrechtlichen Entschädigungsanspruch ein, ohne dass es eines besonderen Antrages bedarf. Es rechtfertigt sich nicht, im Rahmen von Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG für das kantonale Beschwerdeverfahren von den vom Bundesgericht in Auslegung von BGE 118 V 139 S. 141 Art. 159 OG entwickelten Grundsätzen abzuweichen. An der bisherigen Rechtsprechung kann somit nicht mehr festgehalten werden. Eine kantonale Regelung, die bei Fehlen eines entsprechenden Antrages eine Parteientschädigung verweigert, stellt eine Bundesrechtsverletzung dar.
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Sachverhalt ab Seite 319 BGE 131 III 319 S. 319 A. A.a Die X. AG mit Sitz in Arbon stellt Textilmaschinen her. Die Y. SA, Panama hat sich in Syrien für den Verkauf von Maschinen BGE 131 III 319 S. 320 der X. AG eingesetzt und von ihr dafür zwei Provisionszahlungen von je DM 1 Mio. erhalten. Die Y. SA verlangte eine weitere Provisionszahlung von DM 1 Mio., wobei sie anführte, sie sei von A., Verwaltungsratsmitglied der X. AG, mit Wohnsitz im Kanton Genf mit der Vermittlung beauftragt worden. Die X. AG war nicht bereit, eine weitere Provisionszahlung zu leisten. A.b Am 2. Juni 1998 klagte die Y. SA beim Genfer Tribunal de Première Instance gegen A. auf Zahlung einer Provision in der Höhe von DM 1 Mio. A. unterstützte die Klage, verkündete der X. AG ausserprozessual den Streit und machte ihr gegenüber Rückgriffsansprüche geltend. A.c Am 3. Januar 2000 reichte A. beim Tribunal de Première Instance in Genf gegen die X. AG eine erste Gewährleistungs- bzw. Regressklage ein, mit der er sinngemäss verlangte, falls er im Prozess gegen die Y. SA in Genf zur Zahlung einer Provision verurteilt werde, habe die X. AG ihm diese zu erstatten. Das Tribunal de Première Instance ist am 28. September 2000 auf diese Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten. In der Folge kündigte A. an, er werde nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; SR 272) im Januar 2001 erneut eine Gewährleistungsklage erheben. A.d Mit Vermittlungsbegehren vom 21. Dezember 2000 stellte die X. AG beim Friedensrichteramt Arbon gegen die Y. SA den Klageantrag, es sei festzustellen, dass ihr gegenüber der X. AG keinerlei Ansprüche aus Vermittlungstätigkeit oder anderen Interventionen im Zusammenhang mit der Lieferung von Textilmaschinen für das Idleb-Projekt in Syrien zustehen, insbesondere nicht die geltend gemachte Provision von DM 1 Mio. bzw. Fr. 820.000.-. B. B.a Ebenfalls am 21. Dezember 2000 reichte die X. AG (nachstehend: Klägerin) beim Friedensrichteramt Arbon ein Vermittlungsbegehren gegen A. (nachstehend: Beklagter) ein, mit dem sie folgende Klagebegehren stellte: "1. Es sei der Beklagte gerichtlich zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 69'008.25 nebst 5 % Zins ab 14. September 2000 anzuerkennen und zu bezahlen, im Sinn einer Teilsumme und unter ausdrücklichem Vorbehalt des Nachklagerechtes. BGE 131 III 319 S. 321 2. In der von der Klägerin gegen den Beklagten angehobenen Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamtes Arve-Lac (Genève) vom 8./14. September 2000 sei für den Teilbetrag von CHF 68'406.25 nebst 5 % Zins ab 14. September 2000 der Rechtsvorschlag des Beklagten aufzuheben. 3. Es sei festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin für allen weiteren Schaden, Kosten und Entschädigungsfolgen haftet und ersatzpflichtig ist, welche der Klägerin aus einer allfälligen gerichtlich auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Y. SA, Panama, betreffend eine bestrittene Provisionszahlung, insbesondere aus dem in Genf zwischen der Y. SA, Panama, und dem Beklagten anhängigen Streitverfahren erwachsen, einschliesslich aller damit zusammenhängenden oder nachfolgenden Haupt-, Zwischen- oder Nebenverfahren. 4. Es sei festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Ansprüchen der Y. SA, Panama, freizustellen bzw. diese zu eigenen Lasten ohne Rückgriff gegenüber der Klägerin zu tragen, insbesondere dass ihm kein Freistellungs- oder Rückgriffsanspruch gegenüber der Klägerin aus einem allfälligen Unterliegen des Beklagten in der vor dem Tribunal de Première Instance, Genève, unter Geschäftsnummer C/15610/1998 gegen ihn von der Y. SA angehobenen Forderungsklage zusteht, lautend auf die Forderungssumme von CHF 820'000.- (entsprechend dem Gegenwert von DM 1 Mio), nebst Zinsen zu 5 % seit dem 24. September 1997, sowie Kosten und Entschädigungsfolgen." Gemäss der Interpretation des Bezirksgerichts Arbon weisen die Klagebegehren 3 und 4 folgende Teilbegehren auf: "3.1 Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr aus einer allfällig auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Y. SA entstehen könnte. 3.2 Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr aus dem Verfahren zwischen der Y. SA und dem Beklagten in Genf entstehen könnte. 4.1 Feststellung der Rückerstattungspflicht des Beklagten ("freizustellen") gegenüber der Klägerin, sollte die Y. SA mit ihren Provisionsanspruch gegen die Klägerin im zweiten Prozess in Arbon obsiegen. 4.2 Feststellung, dass dem Beklagten kein Rückgriffsrecht gegenüber der Klägerin zustehe, sollte dieser im Verfahren der Y. SA gegen ihn in Genf unterliegen und zu einer Provisionszahlung verpflichtet werden." B.b Am 3. Januar 2001 erhob der Beklagte gemäss seiner Ankündigung beim Tribunal de Première Instance in Genf gegen die BGE 131 III 319 S. 322 Klägerin eine zweite Gewährleistungsklage auf Regressname für den Fall, dass er im Genfer Prozess gegen die Y. SA zur Zahlung einer Provision verpflichtet werde. Der Beklagte berief sich dabei auf das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gerichtsstandsgesetz, das in Art. 8 vorsieht, das kantonale Recht könne für eine Interventions- und Gewährleistungsklage, insbesondere aufgrund eines Regressrechts des Beklagten, die Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses vorsehen. Gestützt auf diese Bestimmung und eine entsprechende Genfer Regelung bejahte das Tribunal de Première Instance seine örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten. Es ging jedoch davon aus, diese Klage sei mit dem von der Klägerin bereits am 21. Dezember 2000 in Arbon gestellten Klagebegehren in Ziff. 4 auf negative Feststellung identisch. Demnach sistierte das Tribunal de Première Instance mit Entscheid vom 26. April 2001 das Verfahren bezüglich der Gewährleistungsklage gemäss Art. 35 GestG bis das thurgauische Gericht über seine Zuständigkeit befunden habe. Dieser Genfer Sistierungsentscheid wurde bis an das Bundesgericht weitergezogen, welches ihn am 8. Mai 2002 bestätigte. B.c Am 31. Januar 2001 stellte der Friedensrichter in Arbon fest, dass eine Einigung zwischen den Parteien bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten gestellten Klagebegehren (vgl. lit. B.a hiervor) nicht zustande kam. Die Klägerin reduzierte in ihrer entsprechenden Klageschrift an das Bezirksgericht Arbon vom 6. April 2001 den in Ziff. 1 geforderten Betrag auf Fr. 68'406.25. Zur Begründung der Forderung machte sie geltend, ihr sei seit Beginn der Klageeinreichung durch die Y. SA gegen den Beklagten (vgl. lit. A.b hiervor) ein (Teil-)Schaden entstanden, da die Klägerin gemäss der Honorarnote vom 13. September 2000 Anwaltskosten von Fr. 68'406.25 habe bezahlen müssen. Mit Beschluss vom 3./14. November 2003 entschied das Bezirksgericht Arbon über die von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten eingeleitete Klage. Es trat auf das Begehren Ziff. 1 und 2 (Bezahlung von Fr. 68'406.25, Aufhebung des Rechtsvorschlags) ein, bat indessen das Tribunal de Première Instance in Genf, das Verfahren bezüglich dieser Begehren gestützt auf Art. 36 Abs. 2 GestG zu übernehmen, ansonsten das Verfahren in Thurgau bis zum rechtskräftigen Abschluss der Genfer Prozesse der Y. SA gegen den Beklagten und des Beklagten gegen die Klägerin BGE 131 III 319 S. 323 sistiert werde. Auf die Klagebegehren Ziff. 3 und 4 trat das Bezirksgericht Arbon nicht ein. Diesen Beschluss focht die Klägerin mit kantonaler Berufung an, welche das Obergericht des Kantons Thurgau am 22. März 2004 abwies. C. Die Klägerin erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. März 2004 sei aufzuheben und es sei die örtliche Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Thurgau bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gestellten Anträge und diesbezüglich ein erhebliches Rechtsschutzinteresse festzustellen. Weiter sei die Anwendung von Art. 36 GestG zu untersagen und die Sache an das Obergericht des Kantons Thurgau zum Entscheid in der Sache zurückzuweisen. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Das Bundesgericht ging in seinem Entscheid vom 8. Mai 2002 davon aus, die am 21. Dezember 2000 in Arbon anhängig gemachte negative Feststellungsklage der Klägerin (lit. B.a, Rechtsbegehren 4) sei mit der am 3. Januar 2001 in Genf eingereichten Leistungsklage des Beklagten (lit. B.b) identisch im Sinne von Art. 35 GestG ( BGE 128 III 284 E. 3). Da die Klage in Arbon unter Berücksichtigung des Thurgauer Prozessrechts vor der Klage in Genf rechtshängig geworden sei, komme dieser keine zeitliche Priorität zu ( BGE 128 III 284 E. 4). Demnach hätten die Thurgauer Richter die Voraussetzungen der negativen Feststellungsklage zu prüfen, welche nur gegeben seien, wenn die Klägerin ein Feststellungsinteresse habe (vgl. Urteil 4C.385/2001 vom 8. Mai 2002, E. 5 nicht publ. in BGE 128 III 284 ). Das Bezirksgericht Arbon nahm an, ein hinreichendes Interesse an einer negativen Feststellungsklage sei zu bejahen, wenn beide Parteien bemüht seien, möglichst schnell an einem ihnen vorteilhaft erscheinenden Gerichtsstand zu klagen (sog. forum running). Da eine solche Konstellation vorliege, habe die Klägerin ein hinreichendes Interesse an ihrem am 21. Dezember 2000 gestellten Klagebegehren Ziff. 4.2 auf Feststellung, dass der Beklagte im BGE 131 III 319 S. 324 Falle seiner Verurteilung zur Zahlung einer Provision an die Y. SA kein Regressrecht gegen die Klägerin habe. Dennoch trat das Bezirksgericht auf dieses negative Feststellungsbegehren nicht ein, da es seine zeitliche Priorität gegenüber der damit identischen zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten in Genf entgegen dem Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Mai 2002 verneinte. Das Obergericht des Kantons Thurgau schloss sich dieser Auffassung an und prüfte daher im angefochtenen Urteil das Interesse der Klägerin am negativen Feststellungsbegehren nicht mehr. 3.2 Die Klägerin rügt, das Obergericht sei an den Bundesgerichtsentscheid vom 8. Mai 2002 gebunden gewesen und habe daher von der zeitlichen Priorität der in Arbon eingereichten negativen Feststellungsklage ausgehen müssen. Diese sei zulässig, da ein hinreichendes Feststellungsinteresse zu bejahen sei. 3.3 Da sich die Frage der zeitlichen Priorität der Verfahren nur stellt, wenn ein hinreichendes Feststellungsinteresse am Klagebegehren auf negative Feststellung vorliegt, rechtfertigt es sich, diese Frage vorweg zu prüfen. 3.4 Zur Begründung des Feststellungsinteresses verweist die Klägerin auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bezirksgerichts Arbon und macht geltend, diese seien vom Obergericht und auch vom Beklagten in seiner Rekursantwort nicht in Frage gestellt worden. Weiter führt die Klägerin an, gemäss Art. 8 GestG und der entsprechenden Genfer Regelung habe der Beklagte ein Regressrecht beim Gericht des Hauptprozesses in Genf einklagen können. Die Thurgauer Gerichte hätten daher ein Rechtsschutzinteresse bezüglich der damit übereinstimmenden negativen Feststellungsklage bejahen müssen. 3.5 Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt werden kann, ist eine Frage des Bundesrechts ( BGE 129 III 295 E. 2.2 S. 299 mit Hinweisen). Dieses wendet das Bundesgericht im Berufungsverfahren von Amtes wegen an, ohne an die Vorbringen der Parteien gebunden zu sein ( BGE 130 III 136 E. 1.4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Feststellungsklage zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein erhebliches schutzwürdiges Interesse hat, welches kein rechtliches zu sein braucht, sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein BGE 131 III 319 S. 325 kann. Diese Voraussetzung ist namentlich gegeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung behoben werden kann. Dabei genügt nicht jede Ungewissheit; erforderlich ist vielmehr, dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden darf, weil sie ihn in seiner Bewegungsfreiheit behindert ( BGE 120 II 20 E. 3a S. 22; BGE 123 III 414 E. 7b S. 429, je mit Hinweisen). Namentlich bei negativen Feststellungsklagen ist zudem auch auf die Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen. Wer auf Feststellung klagt, dass eine Forderung nicht besteht, zwingt damit den beklagten Gläubiger zu vorzeitiger Prozessführung. Damit wird die Regel durchbrochen, dass grundsätzlich der Gläubiger und nicht der Schuldner den Zeitpunkt für die Geltendmachung eines Anspruches bestimmt. Der vorzeitige Prozess kann den Gläubiger benachteiligen, wenn er zur Beweisführung gezwungen wird, bevor er dazu bereit und in der Lage ist ( BGE 120 II 20 E. 3a S. 22 f.). Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts vermag das blosse Interesse einer Partei, unter mehreren möglichen Gerichtsständen den ihr zusagenden durch schnelleres Einleiten einer Klage wählen zu können, für sich allein kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen ( BGE 123 III 414 E. 7b S. 430; Urteil des Bundesgerichts 4C.400/1994 vom 3. April 1995, E. 2a). Dagegen wird in der Literatur für internationale Verhältnisse die Auffassung vertreten, wenn beide Parteien daran seien, ein Gericht an einem ihnen genehmen Gerichtsstand anzurufen (sog. forum running), so bestehe zwar für den Feststellungskläger keine nicht mehr länger zumutbare Ungewissheit bezüglich der Rechtslage, dagegen werde der Feststellungsbeklagte nicht zu einer vorzeitigen Prozessführung gezwungen. Damit seien die bezüglich des Feststellungsinteresses abzuwägenden Parteiinteressen grundsätzlich ausgewogen, weshalb in solchen Konstellationen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses zur Wahrung der zuständigkeitsrechtlichen Waffengleichheit zu bejahen sei (GIO JEGHER, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Basel 2003, S. 71 f.; derselbe , Mit schweizerischer negativer Feststellungsklage ins europäische Forum Running - Gedanken anlässlich BGE 123 III 414 ; ZSR 118/1999 I S. 31 ff., BGE 123 III 43 f.). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zu Art. 21 des Europäischen Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und BGE 131 III 319 S. 326 Vollstreckung gerichtlicher Entscheide in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ; vgl. Urteil des BGH vom 11. Dezember 1996, publ. in: Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen [BGHZ] 134 S. 201 ff., 211, wo ausgeführt wird, der Schuldner habe durch schnelle Erhebung einer negativen Feststellungsklage die gleiche Chance, sich das streitentscheidende Gericht auszusuchen, wie der Gläubiger; zustimmend JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EugVO und Lugano-Übereinkommen, 7. Aufl. 2002, N. 10 zu Art. 27 EugVO bzw. Art. 21 LugÜ ; vgl. auch VOGEL/ SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrecht und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. Aufl. 2001, S. 196 f. Rz. 32b). Dieser Meinung kann jedenfalls für das nationale Schweizer Recht nicht gefolgt werden. Ist in kurzer Zeit mit einer Leistungsklage zu rechnen, so ist eine unzumutbare Fortdauer der Rechtsunsicherheit und damit ein hinreichendes Interesse an der Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage durch ein Feststellungsurteil grundsätzlich zu verneinen. Da das Feststellungsinteresse unabhängig vom Gerichtsstand vorliegen muss, kann es nicht durch das Interesse an einem bestimmten Gerichtsstand ersetzt werden. Ansonsten würde die vom Gesetzgeber getroffene Regelung der Gerichtsstände umgangen bzw. ausser Kraft gesetzt (vgl. STEFAN Tiefentaler, in: Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, EuGVO und Lugano Übereinkommen, von Dietmar Czernich et al., 2. Aufl., Wien 2003, N. 12 zu Art. 27 EuGVO, der annimmt, die Gefahr des Missbrauchs negativer Feststellungsklagen sei dadurch beschränkt, dass gemäss dem innerstaatlichen Verfahrensrecht der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung haben müsse). Zudem würde die Zulassung des "forum running" dazu führen, dass die Parteien möglichst schnell und ohne vorherige Ankündigung zu den ihnen genehmen Gerichten "rennen" und klagen müssten, um ihren Gerichtsstand zu sichern. Dies wäre nicht sachgerecht, da damit aussergerichtliche Vergleichsverhandlungen oder einvernehmliche Streitlösungsverfahren gefährdet und die Gerichte mit unnötigen parallelen Verfahren belastet würden. Aus diesen Gründen ist an der Rechtsprechung festzuhalten, wonach das Interesse des Schuldners, die Leistungsklage des Gläubigers an einem bestimmten Gerichtsstand durch eine frühere Feststellungsklage an einem anderen Gerichtsstand zu verhindern, kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen vermag. 3.6 Im vorliegenden Fall hat der Beklagte, nachdem auf seine erste Gewährleistungsklage vom 3. Januar 2000 in Genf nicht BGE 131 III 319 S. 327 eingetreten wurde, angekündigt, er werde nach dem Inkrafttreten des Gerichtsstandsgesetzes am 1. Januar 2001 bei den Genfer Gerichten für den Fall des Unterliegens gegen die Y. SA erneut sein Regressrecht gegen die Klägerin einklagen. Dass das Abwarten dieser Leistungsklage für die Klägerin unzumutbar gewesen sei, macht sie nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich, da sie mit der Einreichung einer entsprechenden negativen Feststellungsklage bis zum 21. Dezember 2001 zuwartete. Demnach ist bezüglich dieser Klage ein hinreichendes Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen. 3.7 Da nach dem Gesagten auf das Klagebegehren Ziff. 4.2 mangels eines hinreichenden Feststellungsinteresses nicht einzutreten war, ist unerheblich, ob das Verfahren insoweit vor der zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten vom 3. Januar 2001 in Genf rechtshängig wurde. Die Rüge der Klägerin betreffend die zeitliche Priorität der sich entsprechenden Klagen in Arbon und Genf braucht daher mangels Rechtserheblichkeit nicht geprüft zu werden.
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de
Sachverhalt ab Seite 58 BGE 138 II 57 S. 58 A. A.X. ist zusammen mit seiner Ehefrau, B.X., Alleinaktionär der Y. AG und, seit Oktober 2002, der Z. AG. Im Laufe des Jahres 2002 gewährte die erstgenannte Gesellschaft der zweiten mehrere Darlehen, die sich Ende 2002 auf Fr. 560'000.- beliefen. B. Bei der Veranlagung der Eheleute X. für die Staats- und die direkte Bundessteuer 2002 qualifizierte das kantonale Steueramt Zürich am 8. August 2005 die genannten Darlehen als simuliert und rechnete sie in Anwendung der sog. Dreieckstheorie vollumfänglich, d.h. in der Höhe von Fr. 560'000.-, als verdeckte BGE 138 II 57 S. 59 Gewinnausschüttung zu den steuerbaren Einkünften der Betroffenen. Das bestätigte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 27. Oktober 2010 kantonal letztinstanzlich mit zwei getrennten Urteilen zur kantonalen und zur Bundessteuer. C. Am 15. Dezember 2010 haben die Ehegatten X. Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen, die verwaltungsgerichtlichen Urteile zu den Kantons- und Gemeindesteuern (Verfahren 2C_961/2010) sowie zur direkten Bundessteuer 2002 (2C_962/2010) aufzuheben; von der Aufrechnung der Darlehen sei abzusehen. Eventuell sei die Sache zur weiteren Untersuchung und Neuentscheidung an eine der kantonalen Instanzen zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer gut und weist die Sache zu neuer Veranlagung an das Steueramt zurück. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG (SR 642.11) sind als Ertrag aus beweglichem Vermögen insbesondere steuerbar Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art. 2.1 Diese Bestimmung ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen, und es muss nicht strikt von der zivilrechtlichen Gestaltung ausgegangen werden, die der Pflichtige gewählt hat. Vielmehr haben die Behörden den Sachverhalt steuerrechtlich auch entsprechend seinem tatsächlichen, insbesondere ökonomischen Gehalt zu würdigen (vgl. u.a. StR 57/2002 S. 558 E. 2.1; Pra 2000 Nr. 182 S. 1117 E. 2b). 2.2 Als geldwerte Vorteile aus Beteiligungen gelten dementsprechend alle durch Zahlung, Überweisung, Gutschrift, Verrechnung oder auf andere Weise bewirkten in Geld messbaren Leistungen, die der Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte unter irgendeinem Titel aufgrund dieser Beteiligung von der Gesellschaft erhält und welche keine Rückzahlung der bestehenden Kapitalanteile darstellen. Dazu gehören insbesondere sog. verdeckte Gewinnausschüttungen, d.h. Zuwendungen der Gesellschaft, denen keine oder keine genügenden Gegenleistungen des Anteilsinhabers entsprechen und die einem an der Gesellschaft nicht beteiligten Dritten nicht oder nur in wesentlich geringerem Umfang erbracht worden wären. Das ist mit einem BGE 138 II 57 S. 60 Drittvergleich zu ergründen (sog. Prinzip des "dealing at arm's length"), bei dem alle konkreten Umstände des abgeschlossenen Geschäfts zu berücksichtigen sind (vgl. u.a. StR 64/2009 S. 822 E. 3.1; 60/2005 S. 24 E. 3.1; StE 2010 B 24.4 Nr. 79 E. 3.1; 2006 B 24.4 Nr. 74 E. 2.1; 2004 B 24.4 Nr. 71 E. 3.1; ASA 66 S. 554 E. 3; je mit Hinweisen). 2.3 Geldwerte Vorteile gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG bilden auch Zuwendungen der Gesellschaft an einen ihr nahestehenden Dritten. Dabei wird ebenfalls aufgrund des genannten Drittvergleichs untersucht, ob die zu beurteilende Leistung im Vergleich zu üblichem und marktgerechtem Geschäftsgebaren als derart ungewöhnlich einzustufen ist, dass sie (so) nicht erbracht worden wäre, wenn der Leistungsempfänger der Gesellschaft oder dem Anteilsinhaber nicht nahestehen würde (vgl. u.a. StR 60/2005 S. 24 E. 2.2; 57/2002 S. 558 E. 2.3; StE 2004 B 24.4 Nr. 71 E. 3.2; ASA 66 S. 458 E. 7; 63 S. 145 E. 4). 3. Das Darlehen einer Aktiengesellschaft an ihren Aktionär oder eine ihr bzw. ihm nahestehende Person stellt dann eine gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG dem steuerbaren Einkommen des Empfängers zuzurechnende geldwerte Leistung dar, wenn die Gesellschaft das Darlehen nur aus dem Grund überhaupt gewährt oder es bloss deshalb in einer bestimmten Höhe und zu den konkreten Bedingungen zugestanden hat, weil der Darlehensnehmer Beteiligungsinhaber ist. 3.1 Es ist einer Aktiengesellschaft grundsätzlich unbenommen, sogar ihrem Alleinaktionär ein Darlehen in dem Umfange und zu den Bedingungen zu gewähren, in deren Genuss auch ein unbeteiligter Dritter unter gleichen Umständen gekommen wäre. Eine geldwerte Leistung liegt aber insoweit vor, als von diesen Drittbedingungen bzw. einem üblichen und marktgerechten Geschäftsgebaren abgewichen wird. Bei diesem Drittvergleich (vgl. oben E. 2.2) sind in jedem Einzelfall, ausgehend von dem zwischen der Gesellschaft und dem Beteiligten abgeschlossenen Vertrag, alle konkreten Umstände zu berücksichtigen (vgl. u.a. StR 60/2005 S. 24 E. 3.3; 57/2002 S. 558 E. 2.2; StE 2004 B 24.4 Nr. 71 E. 3.3; 2001 B. 24.2 Nr. 58 E. 2; ASA 66 S. 554 E. 3c; 53 S. 54 E. 3). 3.2 Das Bundesgericht hat eine Anzahl von Kriterien entwickelt, bei deren Vorliegen ein Aktionärsdarlehen als geldwerte Leistung zu qualifizieren ist. Das ist u.a. dann der Fall, wenn das gewährte Darlehen durch den Gesellschaftszweck nicht abgedeckt oder im BGE 138 II 57 S. 61 Rahmen der gesamten Bilanzstruktur ungewöhnlich ist (d.h. wenn das Darlehen durch die vorhandenen Mittel der Gesellschaft nicht abgedeckt werden kann oder es im Vergleich zu den übrigen Aktiven übermässig hoch erscheint und dann ein sog. Klumpenrisiko verursacht), weiter bei fehlender Bonität des Schuldners oder dann, wenn keine Sicherheiten und keine Rückzahlungsverpflichtungen bestehen, die Darlehenszinsen nicht bezahlt, sondern dem Darlehenskonto laufend belastet werden und schriftliche Vereinbarungen fehlen (vgl. StR 57/2002 S. 558 E. 3; StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3b; ASA 64 S. 641 E. 3; 53 S. 54 E. 5; vgl. zum Ganzen auch LOUIS BOCHUD, Darlehen an Aktionäre aus wirtschaftlicher, zivil- und steuerrechtlicher Sicht, 1991, insb. S. 293 ff.; ANDRÉ ROUILLER, Geldwerte Leistungen in Form von Aktionärsdarlehen, ASA 55 S. 3 ff.; DANIELLE YERSIN, De quelques problèmes relatifs à la déduction des intérêts passifs et à la réalité de certaines dettes, ASA 47 S. 586 ff.; JEAN-MARC RIVIER, Réflexions sur le prêt d'une société anonyme à son actionnaire, ASA 54 S. 20 ff.). 4. Es stellt sich die Frage, ob das bisher zu den geldwerten Leistungen im Allgemeinen und zu den Aktionärsdarlehen im Besonderen Gesagte auch dann zu gelten hat, wenn die Leistung bzw. das Darlehen zwischen Schwestergesellschaften gewährt wird, die vom gleichen Beteiligungsinhaber beherrscht werden. 4.1 Das schweizerische Recht kennt - mit Ausnahme einzelner Bestimmungen - kein eigentliches Konzernrecht und behandelt jede Gesellschaft als ein rechtlich selbständiges Gebilde mit eigenen Organen, welche die Geschäfte im Interesse der besagten Gesellschaft und nicht in demjenigen des Konzerns, anderer Gesellschaften oder des sie beherrschenden Anteilsinhabers zu tätigen haben. Rechtsgeschäfte zwischen solchen Gesellschaften sind deshalb zu den gleichen Bedingungen abzuwickeln, wie sie auch mit aussenstehenden Dritten vereinbart würden. Insbesondere ist es der Konzernleitung (bzw. dem beherrschenden Anteilsinhaber) nicht erlaubt, die von den verschiedenen Gesellschaften erzielten Gewinne frei auf diese Gesellschaften zu verteilen (vgl. insb. BGE 110 Ib 127 S. 132, BGE 110 Ib 222 S. 226; StR 64/2009 S. 810 E. 4.2; 60/2005 S. 963 E. 2.2; ASA 72 S. 736 E. 2; 65 S. 51 E. 3b; je mit Hinweisen). 4.2 Gemäss der sog. Dreieckstheorie kann einkommenssteuerrechtlich eine geldwerte Leistung an einen der Gesellschaft nahestehenden Dritten u.U. als steuerbare Zuwendung (insbesondere als verdeckte Gewinnausschüttung) an den Aktionär qualifiziert werden BGE 138 II 57 S. 62 (vgl. u.a. BGE 131 II 722 E. 4.1 S. 726 f.; ASA 72 S. 736 E. 2; 63 S. 145 E. 4a; StR 65/2010 S. 138 E. 5; 60/2005 S. 963 E. 2.2; 60/2005 S. 24 E. 5; StE 2004 B 24.4 Nr. 71 E. 5; RtiD 2007 I S. 663 E. 3). Bei geldwerten Leistungen zwischen Schwestergesellschaften fliesst der Vorteil an sich unmittelbar von einer Gesellschaft zur anderen. Auf dem gemeinsamen Beteiligungsverhältnis fussende Zuwendungen zwischen solchen Gesellschaften haben als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Aktionär einerseits und als verdeckte Kapitaleinlagen des Aktionärs an die empfangende Gesellschaft andererseits zu gelten. Dabei ist ebenfalls aufgrund eines Drittvergleichs zu untersuchen, ob die zu beurteilende Leistung im Vergleich zu üblichem Geschäftsgebaren derart ungewöhnlich ist, dass der Schluss naheliegt, sie wäre so nicht erbracht worden, wenn der Leistungsempfänger dem Anteilsinhaber nicht nahestehen würde (vgl. u.a. StR 65/2010 S. 558 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen). Der Beteiligungsinhaber ist somit auch für Zuwendungen der Gesellschaft zu besteuern, die einer von ihm beherrschten weiteren Gesellschaft zufliessen, wenn eine geschäftsmässige Begründetheit für ein solches Vorgehen fehlt (vgl. BGE 113 Ib 23 E. 3a S. 26 f.; ASA 66 S. 458 E. 7; StR 57/2002 S. 558 E. 2.3). 5. Nach Art. 312 OR ist ein Darlehensnehmer zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet. Soweit der Aktionär bzw. eine weitere von ihm beherrschte Gesellschaft wie jeder aussenstehende Darlehensnehmer das von seiner (Schwester-)Gesellschaft ausgerichtete Darlehen zurückerstatten muss, fehlt es an einer unentgeltlichen Zuwendung. Anders verhält es sich dann, wenn mit der Rückzahlung des Darlehens nicht zu rechnen ist, weil ein solches nach dem Willen der Parteien nicht gewollt oder die Rückerstattung der erbrachten Leistung nicht beabsichtigt ist. Wird die äussere Form des Darlehens nur simuliert, d.h. bloss zum Schein gewählt oder gewahrt, dann handelt es sich bei der Zuwendung gar nicht wirklich um Fremdkapital, sondern um eine Kapitaleinlage bzw. einen Zuschuss (vgl. u.a. ASA 72 S. 736 E. 2.2; 53 S. 54 E. 3; StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3a): 5.1 Gelegentlich werden die oben in E. 3.2 genannten und zur Beurteilung von Darlehen an Aktionäre im Allgemeinen entwickelten Kriterien ohne weiteres auch bei der hier wesentlichen Frage zur Anwendung gebracht, ob ein solches Darlehen simuliert ist. Diese Frage ist jedoch enger als das allgemeine Problem der Aktionärsdarlehen. Somit genügt es nicht darzulegen, dass das betreffende Darlehen zwischen einander nicht nahestehenden Dritten nicht oder aber BGE 138 II 57 S. 63 nur unter anderen Bedingungen gewährt worden wäre. Vielmehr muss darüber hinaus aufgezeigt werden, dass aufgrund des besonderen Verhältnisses unter Nahestehenden mit der Rückzahlung des Darlehens nicht (mehr) ernstlich gerechnet werden kann. Dementsprechend kann den verschiedenen genannten Kriterien hier ein anderes Gewicht zukommen: 5.1.1 Für sich allein erweist sich das Fehlen eines schriftlichen Vertrags (vgl. ASA 64 S. 641 E. 4a) als nur wenig aufschlussreich, da es auch auf anderen Gründen als einer Simulationsabsicht beruhen kann (vgl. StR 64/2009 S. 308 E. 3.1). Aussagekräftiger ist es, wenn das Darlehen weder bei der Gläubigerin noch beim Schuldner in der Bilanz aufgeführt wird und der Borger gegenüber den Steuerbehörden auch nicht um den Abzug seiner Schuldzinsen ersucht. Ein solches Vorgehen kann bedeuten, dass die Betroffenen selber von der (buchhalterischen) Nichtexistenz des Darlehens ausgehen (vgl. Urteil 2A.399/1999 vom 16. Mai 2000 E. 3b; siehe auch ASA 53 S. 54 E. 5b). 5.1.2 Der Umstand, dass der statutarische Geschäftszweck der Darlehensgeberin nicht die Gewährung von Krediten umfasst (vgl. ASA 72 S. 736 E. 3.1; 66 S. 554 E. 4b; 64 S. 641 E. 4a; 53 S. 54 E. 5d; StR 57/2002 S. 558 E. 3.2.1), lässt ebenfalls noch nicht zwingend auf eine Simulation schliessen. Eine solche ist jedoch z.B. dann anzunehmen, wenn die zugeflossenen Mittel beim Empfänger zu einem grossen Teil für die Bestreitung seines privaten Lebensaufwandes verwendet werden (vgl. ASA 53 S. 54 E. 5c) oder diesem ermöglicht wird, seine privaten Schulden mit Hilfe eines Geschäftskredits umzuschulden, wenn also ein Darlehen im eigentlichen Sinn gar nicht gewollt ist (vgl. zit. Urteil 2A.399/1999 E. 3f und 3g). 5.1.3 Ähnlich zu differenzieren ist in Bezug auf die jeweilige Vermögenssituation von Darlehensgeberin und -schuldner: So mag es wohl im Drittvergleich durchaus ungewöhnlich sein, wenn die geleistete Zuwendung im Verhältnis zum Vermögen der Darlehensgeberin eine ausserordentliche Höhe erreicht; das kann in dem Ausmass gegeben sein, dass das Darlehen das einzige erhebliche Aktivum der Gesellschaft darstellt oder das vorhandene Eigenkapital übersteigt (vgl. ASA 72 S. 736 E. 3.1; 53 S. 54 E. 5a und 5d; zit. Urteil 2A.399/1999 E. 3c). All das lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass mit einer Rückerstattung des Darlehens nicht zu rechnen wäre. Differenziert zu beurteilen ist allenfalls sogar die Tatsache, dass die Darlehensgeberin gar nicht in der Lage ist, aus ihren eigenen Mitteln BGE 138 II 57 S. 64 Darlehen zu gewähren, sondern sich diese Mittel bei einem Dritten beschaffen muss (vgl. ASA 66 S. 554 E. 4b; 64 S. 641 E. 4a; StR 57/2002 S. 558 E. 3.2.1; Urteil 2A.584/2000 vom 16. Mai 2001 E. 3d; siehe auch unten E. 7.3.2). Die Voraussetzungen für eine Simulation sind erst dort deutlich erfüllt, wo sich der Darlehensschuldner in äusserst angespannten finanziellen Verhältnissen befindet und nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft seinen aus dem Darlehen resultierenden Verpflichtungen (Zins- und Amortisationszahlungen) auf Dauer nachzukommen (z.B. bei einem Passivenüberschuss von mehreren Mio. Franken; vgl. ASA 66 S. 554 E. 4b; zit. Urteil 2A.399/1999 E. 3d). 5.2 Im Zusammenhang mit allenfalls simulierten Darlehen an den Beteiligungsinhaber oder an die Schwestergesellschaft erweist sich eine weitere Unterscheidung als wesentlich: Einerseits sind jene Fälle zu nennen, in denen die Rückzahlung des Darlehens von allem Anfang an (d.h. schon bei der Gewährung des Kredits) nicht geplant ist. Andererseits ergeben sich Fälle, in denen ein fehlender Rückerstattungswille nur im Nachhinein angenommen werden kann, weil die Darlehensgeberin erst in einem späteren Zeitpunkt auf ihre (bislang ernsthaft aufrechterhaltene) Forderung gegenüber dem Schuldner verzichtet. Die beiden Varianten werden in der Lehre bzw. teilweise in der Praxis mit den Begriffen der ursprünglichen und der nachträglichen Simulation bezeichnet (vgl. BOCHUD, a.a.O., S. 114 ff.; ROBERT DANON, in: Commentaire romand, LIFD, 2008, N. 164 ff. zu Art. 57-58 DBG ; RETO HEUBERGER, Die verdeckte Gewinnausschüttung aus Sicht des Aktienrechts und des Gewinnsteuerrechts, 2001, S. 284 ff.; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2. Teil, 2004, N. 114 zu Art. 58 DBG ; BRÜLISAUER/POLTERA, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 2. Aufl. 2008, N. 168 ff. zu Art. 58 DBG ), was mit der privatrechtlichen Terminologie nicht vollumfänglich übereinstimmt. 5.2.1 Auch bei der Bestimmung einer allfälligen Simulation ist von dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vertrag auszugehen und die Gesamtheit der konkreten Umstände zu berücksichtigen (vgl. oben E. 2.2 in fine). Je nachdem rechtfertigt es sich, besonders auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung abzustellen und spätere Entwicklungen nur insoweit in Betracht zu ziehen, als sie zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt oder zumindest absehbar waren (vgl. ASA 64 S. 641 E. 5 einleitend und 5b; siehe auch StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3d). BGE 138 II 57 S. 65 5.2.2 Eine Simulation muss jedoch auf klaren Indizien beruhen. Ergibt sich für den Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch kein aussagekräftiges Bild, so hat die Steuerbehörde zuzuwarten, bis sich diese Indizien zum eindeutigen Beweis verdichtet haben (vgl. StR 64/2009 S. 308 E. 2.2; ASA 72 S. 736 E. 2.2; als Beispiele ungenügender Belege für eine ursprüngliche Simulation: StR 64/2009 S. 308 E. 3.1; 57/2002 S. 558 E. 3.2.1). Für eine spätere Beurteilung kann wesentlich sein, dass die Darlehensschuld zumindest teilweise abgebaut wird (vgl. StR 64/2009 S. 308 E. 3.1; StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3d). Umgekehrt ist je nachdem massgeblich, dass das Darlehen trotz (sehr) schwieriger Finanzverhältnisse des Schuldners noch (mehrmals) beträchtlich erhöht wird (vgl. StR 64/2009 S. 810 E. 4.2; 64/2009 S. 308 E. 3.2; siehe auch ASA 72 S. 736 E. 3.4). 5.2.3 Eine erst in einem späteren Zeitpunkt als der Darlehensgewährung realisierte geldwerte Leistung liegt namentlich dann vor, wenn die Kreditgeberin im Nachhinein, um den Darlehensnehmer zu sanieren, eine vollständige Abschreibung ihrer Forderung hin- und vornimmt (vgl. StR 57/2002 S. 558 E. 3.2.1; StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3f; RDAT 2000 I S. 653 E. 2). In zahlreichen Fällen verdichten sich die Indizien erst dann zu einem eindeutigen Beweis, wenn der Anteilsinhaber den eindeutigen Willen äussert, die Mittel seiner Gesellschaft zu entziehen, und diese Absicht den Behörden insbesondere dadurch erkennbar wird, dass die Darlehensgeberin eben ihren bislang als gefährdete Forderung bezeichneten Kredit als wertlos geworden abschreibt. Dieser Zeitpunkt ist oft die einzige wirklich schlüssige, von aussen ersichtliche Anknüpfungsmöglichkeit, um die zu beurteilenden Rechtsgeschäfte zwischen Nahestehenden einzuschätzen (vgl. ASA 66 S. 554 E. 5d; 49 61 E. 4b; StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3b und 3f). 6. 6.1 Vorliegend scheint unbestreitbar, dass die Konditionen der 2002 der Schwestergesellschaft vergebenen Kredite einem Drittvergleich nicht standhielten. Die Fr. 560'000.- wurden der anderen Gesellschaft zinslos, ohne jegliche Leistung von Sicherheiten und teilweise ohne schriftlichen Vertrag zugestanden. Die Borgerin betrieb ein im Aufbau begriffenes Geschäft, dessen unternehmerische Zukunft noch unsicher war. Wohl verfügte die Darlehensschuldnerin ganz zu Beginn ihrer Tätigkeit noch über hinreichend Eigenkapital, zumal die Revisionsstelle an den Werten der Sachübernahmen nichts auszusetzen hatte. Aber unter solch ungewissen Vorzeichen hätte BGE 138 II 57 S. 66 ein unbeteiligter Dritter kaum ein ungesichertes und unverzinsliches Darlehen ausgerichtet. 6.2 Im Verzicht auf eine angemessene, dem hohen Risiko entsprechende Gegenleistung liegt eine geldwerte Leistung, die letztlich den Inhabern der Beteiligungsrechte, d.h. den Beschwerdeführern, zuzurechnen ist (vgl. oben E. 4). Diese anerkennen jedoch die Aufrechnung eines Zinses von 6,75 %, der als angemessene Gegenleistung betrachtet werden kann. 7. 7.1 Gemäss den kantonalen Instanzen sind aber nicht nur die unterbliebenen Zinsleistungen, sondern auch die gesamten Kreditbeträge beim steuerbaren Einkommen der Beschwerdeführer aufzurechnen. Die der Schwestergesellschaft gewährten Darlehen seien von Anfang an simuliert gewesen, da der Wille zur Rückerstattung des Betrages von Fr. 560'000.- gefehlt habe. Bei diesem Willen handelt es sich um ein subjektives Element, auf das naturgemäss nur aufgrund äusserer Umstände geschlossen werden kann. Es stellt eine steuerbegründende Tatsache dar, weshalb die Beweislast insofern bei der Steuerbehörde liegt (vgl. u.a. BGE 133 II 153 E. 4.3 S. 158). 7.2 Vorliegend hat sich das Verwaltungsgericht der Meinung der unteren kantonalen Instanzen angeschlossen, wonach eine Rückerstattungsabsicht von Anfang an nicht ernsthaft bestanden habe. Seine Feststellungen über das Vorliegen von Simulationsindizien gelten als tatsächliche Umstände (vgl. u.a. StR 64/2009 S. 308 E. 2.2; im Gegensatz zu den daraus zu ziehenden rechtlichen Schlussfolgerungen, vgl. StE 2001 B 24.4 Nr. 58 E. 3c; ASA 53 S. 54 E. 4), welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (vgl. nicht publ. E. 1.3), es sei denn, sie seien offensichtlich unzutreffend. Gerade ein solcher qualifizierter Mangel bei der Sachverhaltserhebung muss hier jedoch angenommen werden, u.a. deshalb, weil im Zeitpunkt der angefochtenen Urteile sämtliche Darlehen vollumfänglich zurückerstattet waren. 7.3 Gegen die Berücksichtigung der späteren Rückerstattung der verschiedenen Darlehen könnten namentlich zwei Einwendungen erhoben werden, die sich jedoch nicht als stichhaltig erweisen: 7.3.1 Namentlich kann sich das Verwaltungsgericht nicht auf das in ASA 64 S. 641 veröffentlichte Urteil berufen. Dort (vgl. insb. E. 5 einleitend und 5b) hielt das Bundesgericht fest, es müsse auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung abgestellt werden, um zu BGE 138 II 57 S. 67 beurteilen, ob eine geldwerte Leistung vorliege. Spätere Entwicklungen könnten nur insoweit in Betracht fallen, als sie zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannt oder zumindest absehbar gewesen seien (vgl. dazu auch schon oben E. 5.2.1 sowie das zit. Urteil 2A.584/2000 E. 3e). Von der Faktenlage im eben erwähnten Urteil unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt indessen in mehrfacher Hinsicht wesentlich (vgl. unten E. 7.4; siehe auch oben E. 5.2.1 und 5.2.2). 7.3.2 Ebenso wenig kann vorgebracht werden, dass die Rückerstattung der Darlehen ausnahmslos nach der erstinstanzlichen Veranlagungsverfügung erfolgt sei, so dass ihr jegliche Aussagekraft fehlen müsse. Ein derartiger Versuch, die Beweislage im Nachhinein missbräuchlich zu verbessern, musste zwar in anderen Fällen festgestellt werden (vgl. u.a. ASA 64 S. 641 E. 5b; siehe auch zit. Urteil 2A.399/1999 E. 3a). Ein solcher Missbrauch lässt sich hier indessen aufgrund mehrerer Indizien ausschliessen: Die Darlehen wurden zwar nicht vor den Veranlagungsverfügungen zurückerstattet, aber sie wurden fortwährend in den Büchern der beiden beteiligten Gesellschaften aufgeführt. Ebenfalls vorher (nämlich seit 2004) fand auch eine marktübliche Verzinsung statt, und dieser Zins wurde nicht zum Kapital geschlagen. Gesamthaft existierten die Darlehen damit sowohl formell als auch materiell vor dem besagten Tätigwerden der Behörde. 7.4 Die Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts erweisen sich indessen nicht nur wegen der nachmaligen Rückerstattung sämtlicher Darlehen als offensichtlich unzutreffend. Auch sonst vermögen die von der Vorinstanz angeführten Indizien weder einzeln noch zusammengenommen zu belegen, dass ein Rückerstattungswille schon im Zeitpunkt der Kreditvergabe gefehlt habe: 7.4.1 Das Verwaltungsgericht hat sich zuerst einmal auf mehrere Elemente berufen, die nicht mehr als das schon oben in E. 6 Ausgeführte belegen, dass nämlich ein unbeteiligter Dritter unter den konkreten Umständen kaum ein zinsloses und ungesichertes Darlehen gewährt hätte. Dabei geht es jedoch nur um die Kreditkonditionen, nicht aber um die Darlehensverhältnisse als solche (bzw. deren allfällige Simulation). 7.4.2 Wenig Beweiskraft kommt weiter dem Umstand zu, dass der zwischen den beiden Gesellschaften erstellte Darlehensvertrag nicht für alle Kredite bestand und mit formellen Mängeln behaftet war (vgl. oben E. 5.1.1). Ebenfalls nicht massgeblich kann hier die BGE 138 II 57 S. 68 Tatsache sein, dass es nicht zum Geschäftszweck der Darlehensgeberin gehörte, Kredite zu gewähren (vgl. oben E. 5.1.2). Bedeutender ist, dass die Darlehensgeberin nicht über genügend Vermögen verfügte, um die ausgerichteten Zuwendungen aus ihren eigenen Mitteln zu leisten (vgl. oben E. 5.1.3). Stattdessen war der Beschwerdeführer gezwungen, den Betrag von Fr. 475'000.- (Zins 6,25 %) bei einer Bank aufzunehmen, was in der Höhe von Fr. 150'000.- solidarisch verbürgt wurde; zudem schloss er einen allgemeinen Pfandvertrag mit der Bank ab und ging er eine Todesfallversicherung zur weiteren Absicherung des Kredites ein; schliesslich wurde sogar die Privatliegenschaft der Beschwerdeführer teilweise verpfändet. Daraus lässt sich indessen nichts Schlüssiges zugunsten einer Simulationsabsicht ableiten. Vielmehr ergeben sich daraus sogar zwei Indizien gegen eine solche Simulation: Einerseits beweist der Bankkredit, dass der Beschwerdeführer (bzw. seine Geschäftssituation) im damaligen Zeitpunkt als durchaus kreditwürdig eingestuft wurde, wenn auch nicht für ein zinsloses und ungesichertes Darlehen (vgl. oben E. 6); auf jeden Fall konnte mit diesem Argument eine zukünftige Rückerstattung nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Andererseits ist, wenn schon auf die wirtschaftlichen und nicht nur die zivilrechtlichen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. oben E. 2.1), beachtlich, dass der Beschwerdeführer privat für das Darlehen Sicherheit leistete. Das hätte er wohl kaum getan, wenn er von einem endgültigen Verlust der Forderung ausgegangen wäre und die Rückerstattung von allem Anfang an ausgeschlossen hätte. 7.4.3 Im Wesentlichen beruft sich das Verwaltungsgericht jedoch auf dasjenige Simulationsindiz, das im Allgemeinen am schwersten wiegt: eine fehlende Rückerstattungsfähigkeit der Darlehensschuldnerin (vgl. oben E. 5.1.3), die hier von Anfang an klar vorgelegen habe. Dieses Argument vermag aber deshalb nicht zu überzeugen, weil die finanziellen Schwierigkeiten nicht schon bei der Darlehensgewährung im Oktober 2002 bestanden, sondern erst in den Jahren danach (und selbst dann nur zeitweise): Die Darlehensschuldnerin wies Ende 2003 ein Minuskapital von Fr. 52'871.- aus; Ende 2004 betrug die Überschuldung Fr. 321'773.-. Im Gründungszeitpunkt (d.h. Ende 2002) war das Eigenkapital indessen noch intakt; die Revisionsstelle beanstandete die damals vorgenommenen Bewertungen jedenfalls nicht (vgl. auch schon oben E. 6.1); zudem erklärten die Gesellschaftsgläubiger den Rangrücktritt. Weiter war der BGE 138 II 57 S. 69 branchenkundige Beschwerdeführer durchaus imstande, die positiven Zukunftsaussichten des neuen Betriebs abzuschätzen, wie die nachmalige Entwicklung zeigt. Das Vorgehen der Beschwerdeführer in der Startphase und ihr seitheriges Engagement deuten gesamthaft auf das genaue Gegenteil als eine von Anfang an bestehende Simulation: Sie taten das Zumutbare, um der neuen Gesellschaft zum Erfolg zu verhelfen, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommen konnte. Die von den Beteiligungsinhabern vorgenommene Sanierung hielt zwar einem Drittvergleich nicht stand und hätte auch misslingen können (vgl. u.a. den Fall in StR 57/2002 S. 558 als Gegenbeispiel; siehe auch oben E. 5.2.3 zur nachträglichen Totalabschreibung als Konsequenz eines erfolglosen Sanierungsversuchs). Unabhängig vom Ausgang der unternommenen Sanierung kann jedoch in einem Fall wie dem hier zu beurteilenden nicht schon aufgrund beträchtlicher finanzieller Schwierigkeiten des Darlehensschuldners auf einen mangelnden Rückerstattungswillen geschlossen werden, und noch weniger auf eine schon von Anfang an bestehende Simulationsabsicht. 7.4.4 Wenn somit von dem durch die kantonalen Instanzen zugrunde gelegten Sachverhalt abzuweichen ist, so steht das nach dem eben Gesagten im Einklang mit den Regeln zur Beweislastverteilung bzw. zur grundsätzlichen Verbindlichkeit der vorinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen für das Bundesgericht (vgl. oben E. 7.1 und 7.2): Einerseits hat sich ergeben, dass die beweispflichtige Veranlagungsbehörde für 2002 eine Simulation annahm, ohne dass sie die Gesamtheit der konkreten Umstände berücksichtigt hätte (vgl. oben E. 5.2.1) oder dass eine fehlende Rückerstattungsabsicht im Zeitpunkt der Darlehensgewährung klar aus den Indizien hervorgegangen wäre (vgl. oben E. 5.2.2). Dennoch wartete sie nicht zu, bis sich die Indizien allenfalls zu einem eindeutigen Beweis verdichtet hätten. Andererseits ist dem Verwaltungsgericht entgegenzuhalten, dass es den von den unteren Instanzen auf ungenügender Beweisgrundlage erstellten Sachverhalt übernommen hat, obwohl diese ungenügende Grundlage im Zeitpunkt der hier angefochtenen Urteile schon offensichtlich geworden war. Deshalb vermögen die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen das Bundesgericht nicht zu binden. Die daraus gezogenen Rechtsfolgerungen halten einer Überprüfung ebenfalls nicht stand. BGE 138 II 57 S. 70 7.5 Die angefochtenen Urteile können auch nicht mit einer substituierten Begründung (vgl. nicht publ. E. 1.4) aufrechterhalten werden. Wohl ist die Annahme einer Simulation nicht die einzige mögliche Grundlage, um eine geldwerte Leistung in der Steuerperiode 2002 festzuhalten (vgl. oben E. 2-4). Bei der hier zu beurteilenden Sach- und Rechtslage ergibt der massgebliche Drittvergleich jedoch nur, dass unter den gegebenen Umständen von einem Unbeteiligten wohl kein gänzlich zinsloses und ungesichertes Darlehen gewährt worden wäre (vgl. oben E. 6). Eine darüber hinausgehende Aufrechnung rechtfertigt sich hier - auf welcher Grundlage auch immer - nicht. Wohl waren die Kreditkonditionen nicht marktgerecht, ohne dass aber die Darlehensverhältnisse als solche simuliert oder sonst wie in einer Weise gestaltet gewesen wären, dass sich bei den Beteiligungsinhabern eine weitergehende Korrektur der steuerbaren Einkünfte aufdrängen würde.
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Sachverhalt ab Seite 191 BGE 83 IV 191 S. 191 Michele Varone, der im Verlaufe einer Schlägerei zwei Gegner durch Messerstiche verletzt hatte, wurde vom BGE 83 IV 191 S. 192 Schwurgericht des Kantons Solothurn am 28. März 1957 wegen einfacher und schwerer Körperverletzung und wegen Beteiligung an einem Raufhandel zu einer bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Michele Varone macht geltend, das Schwurgericht habe Art. 133 StGB verletzt. Nachdem er als Urheber der Körperverletzungen festgestellt und dafür zur Rechenschaft gezogen worden sei, könne er nicht auch noch wegen Beteiligung an einem Raufhandel bestraft werden. Durch die Bestrafung wegen Körperverletzung wird die Beteiligung an einem Raufhandel nicht abgegolten. Zwar wurde Art. 133 StGB erlassen, weil es oft schwierig oder gar unmöglich ist, festzustellen, wer für den Tod oder die Körperverletzungen, welche im Raufhandel verursacht werden, verantwortlich ist. Das kann jedoch keineswegs zum Schluss führen, dass bei Feststellung des Verletzers die Anwendung von Art. 133 StGB entfalle. Soweit aus den Erwägungen in BGE 71 IV 180 ff. etwas anderes abzuleiten sein sollte, kann daran nicht festgehalten werden. Art. 133 StGB bedroht mit Rücksicht auf die in der Körperverletzung oder Tötung hervorgetretene Gefährlichkeit der Schlägerei für Leib und Leben aller am Raufhandel Beteiligter jeden von ihnen wegen seiner blossen Teilnahme daran, gleichgültig, ob die schwere Folge der Tat von ihm irgendwie verschuldet wurde oder nicht. Damit aber greift der Tatbestand des Raufhandels als eines Gefährdungsdeliktes über denjenigen des Verletzungsdeliktes insofern hinaus, als die Gefährlichkeit einer solchen Schlägerei für sämtliche daran Beteiligten durch das Gelingen des Nachweises, wer die daraus hervorgegangene Körperverletzung oder Tötung begangen hat, nicht beseitigt wird. Lässt aber nach dem Gesagten die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung für eine gleichzeitige BGE 83 IV 191 S. 193 Anwendung von Art. 133 StGB Raum, so hat die Vorinstanz richtigerweise Konkurrenz zwischen dieser Bestimmung und Art. 122 und 123 StGB angenommen.
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CH_BGE_006_BGE-83-IV-191_1957
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BGE_83_IV_191
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Sachverhalt ab Seite 427 BGE 95 II 426 S. 427 A.- Die Erbengemeinschaft des am 2. Mai 1954 verstorbenen Kaspar Odermatt schloss am 26. April 1957 einen "Abtretungsvertrag" ab, kraft dessen die Liegenschaft "Brustried", Grundbuch Nr. 157, Parz. Nr. 284, in Hergiswil, zum Preise von Fr. 16 385.53 in das Alleineigentum der Miterbin Frau Flury-Odermatt übergehen sollte. Der Erwerbspreis war durch Übernahme der auf der Liegenschaft haftenden Grundpfandschulden von Fr. 13 885.53 sowie durch Zahlung bei Vertragsabschluss von je Fr. 500.-- an die fünf Miterben zu begleichen. Der Eigentumsübergang wurde am 7. Mai 1957 im Grundbuch eingetragen. Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 28. April 1965 veräusserte die Eigentümerin dem Josef Achermann von der Liegenschaft "Brustried" die neu ausgemarchte Parzelle Nr. 918 von 7119 m2 als Bauland zum Preis von Fr. 28 000.--. In Ziff. 6 des Vertrages räumte sie Achermann auf die Dauer von zwei Jahren seit Abschluss des Vertrages ein Kaufsrecht ein für die auf der Parzelle Nr. 284 verbleibenden 11 224 m2 zum Preis von Fr. 5.- pro m2, der bei der Ausübung des Kaufrechtes der Verkäuferin in bar zu bezahlen war. Am 9. Juni 1965 wurde Frau Flury-Odermatt vom Gemeinderat Hergiswil/NW bevormundet. Dieser Entscheid wurde am 27. Dezember 1965 vom Bundesgericht letztinstanzlich bestätigt. Die Landwirtschafts- und Forstdirektion Nidwalden verweigerte am 21. Juli und 30. Dezember 1965 die Genehmigung des Kauf- und Kaufrechtsvertrages vom 28. April 1965, weil nach ihrer Ansicht die bei der Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken geltende Sperrfrist von zehn Jahren nach Art. 218 OR noch nicht abgelaufen war. Gleichzeitig lehnte sie auch das Gesuch um Aufhebung der Sperrfrist im Sinne von Art. 218 bis OR mangels wichtigen Gründen ab. Das Grundbuchamt Nidwalden lehnte am 10. Januar 1966 die Eintragung des Eigentumsüberganges und Kaufsrechtes ab. Gestützt auf Ziff. 6 des Vertrages vom 28. April 1965 erklärte Achermann je mit Zuschriften vom 24. April 1967 an den Vormund der Eigentümerin und an das Grundbuchamt Nidwalden die Ausübung des Kaufsrechtes an der Parzelle Nr. 284 und bezahlte gleichzeitig den Kaufpreis von Fr. 56 120.-- bei der Nidwaldner Kantonalbank zu Handen des Vormundes. Er stellte sich auf den Standpunkt, der Vertrag vom 28. April 1965 falle BGE 95 II 426 S. 428 nicht unter die Art. 218-218 quinquies, da die Liegenschaft "Brustried" nicht landwirtschaftlichen Charakter aufweise und ausserdem die zehnjährige Sperrfrist längst vor Abschluss des Vertrages abgelaufen sei. B.- Am 13. September 1967 reichte Achermann beim Kantonsgericht Nidwalden gegen Frau Flury-Odermatt Klage ein mit folgenden Rechtsbegehren: "I. Es sei festzustellen, dass 1. mit Vertrag vom 28. April 1965 die Beklagte dem Kläger a) ab ihrer Liegenschaft Brustried, GB Nr. 157, Parzelle Nr. 284, die neu ausgemarchte Baulandparzelle Nr. 918 mit 7119 qm Fläche verkauft und b) auf die Dauer von zwei Jahren das Kaufsrecht für die restliche Parzelle Nr. 284 (GB Nr. 157) im Ausmasse von 11 224 qm eingeräumt hat; 2. der Kläger die ihm aus dem genannten Vertrage erwachsenen Verpflichtungen, insbesondere die zur Bezahlung des Kaufpreises, erfüllt hat. II. 1. Der Grundbuchführer des Kantons Nidwalden sei anzuweisen, den Handwechsel an der Parzelle Nr. 284, GB Nr. 157, Liegenschaft Brustried, von der Beklagten auf den Kläger im Grundbuch einzutragen. 2. (Kosten)." Das Kantonsgericht Nidwalden wies am 10. Juli 1968 die Klage ab. Das Obergericht des Kantons Unterwalden nid dem Wald bestätigte am 16. Januar 1969 auf Berufung des Klägers den erstinstanzlichen Entscheid. C.- Der Kläger beantragt mit der Berufung, das oberinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen; eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Der Beklagten wurde für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Streit der Parteien darüber, ob die Beklagte zur Erfüllung des mit dem Kläger am 28. April 1965 abgeschlossenen Vertrages verpflichtet sei, ist eine Zivilrechtsstreitigkeit und daher ihrer Natur nach berufungsfähig. Art. 218 quater OR erklärt zwar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässig BGE 95 II 426 S. 429 "gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung der Art. 218, 218 bis und 218 ter", die für die Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke besondere Vorschriften aufstellen. Diese Bestimmung bezieht sich jedoch, wie in BGE 94 I 412 f. ausführlich dargelegt wurde, nur auf Entscheide kantonaler Verwaltungsbehörden, dagegen nicht auf gerichtliche Urteile in Zivilstreitigkeiten, in denen die Gültigkeit von Rechtsgeschäften über landwirtschaftliche Grundstücke unter dem Gesichtspunkt der hiefür im OR aufgestellten Sondervorschriften zu beurteilen war (vgl. auch BGE 94 II 107 /08). 2. Nach Art. 218 Abs. 1 OR dürfen landwirtschaftliche Grundstücke während zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Dieses Verbot ist jedoch nach Art. 218 Abs. 2 OR nicht anwendbar auf Bauland, auf Grundstücke in vormundschaftlicher Verwaltung und im Falle der Zwangsverwertung. Überdies kann nach Art. 218 bis OR aus wichtigen Gründen die Veräusserung vor Ablauf der Sperrfrist gestattet werden. Nach Art. 218 ter OR sind Geschäfte, die diesen Vorschriften zuwiderlaufen oder ihre Umgehung bezwecken, nichtig und geben kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch. Der Kläger behauptet, die Vorinstanz habe zu Unrecht den landwirtschaftlichen Charakter der streitigen Parzellen angenommen, da diese einer Familie keine ausreichende Existenz bieten. a) Die Vorinstanz stellt fest, dass die Parteien nach Abschluss des Vertrages vom 28. April 1965 die kantonale Landwirtschafts- und Forstkommission ersuchten, die Sperrfrist des Art. 218 OR auf die streitigen Parzellen nicht anzuwenden. Die Behörde lehnte jedoch das Gesuch am 21./26. Juli und 30. Dezember 1965 ab. Sie war der Auffassung - ohne es in den fraglichen Entscheiden ausdrücklich zu erwähnen -, dass die beiden Parzellen landwirtschaftliche Grundstücke seien; andernfalls hätte sie auf das Gesuch ja nicht eintreten dürfen. Diese Auffassung ist für den Zivilrichter nicht verbindlich (vgl. Erw. 1). b) Der Kläger verkennt, dass Art. 218 OR von "landwirtschaftlichen Grundstücken" schlechthin spricht und nicht ein "landwirtschaftliches Gewerbe" voraussetzt, das eine wirtschaftliche Einheit bildet und eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bietet, wie dies Art. 620 ZGB für die ungeteilte Zuweisung an einen Miterben verlangt. Daraus folgt, dass für BGE 95 II 426 S. 430 die Anwendung des Veräusserungsverbotes nach Art. 218 OR weder die Grösse, der Wert noch der Ertragswert, sondern einzig die Benutzungsart des Bodens den Ausschlag gibt (vgl. JENNY, Die Sperrfrist im Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken in ZBGR 18 [1937] S. 167/68). Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über die Verhütung der Überschuldung landwirtschaftlicher Liegenschaften umschreibt daher zutreffend als landwirtschaftliche Liegenschaft jede Bodenfläche, die durch Bewirtschaftung und Ausnützung der natürlichen Kräfte des Bodens den ihr eigenen Wert erhält oder zu einem Betrieb gehört, der in der Hauptsache der Gewinnung und Verwertung organischer Stoffe des Bodens dient. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift gelten als landwirtschaftliche Liegenschaften namentlich Grundstücke, die dem Acker-, Wiesen-, Wein-, Mais-, Tabak-, Obst-, Feldgemüse- und Saatgutbau oder der Alpwirtschaft dienen. aa) Das Obergericht stellt fest, die Liegenschaft "Brustried" sei eine 182 a grosse Bergliegenschaft, die relativ gut bewirtschaftet werden könne und einen guten Boden mit Graswuchs aufweise. Der Kläger behauptet nicht, diese Feststellung sei unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder beruhe offensichtlich auf Versehen. Sie bindet somit das Bundesgericht. Demnach ist davon auszugehen, dass die streitigen Parzellen landwirtschaftlichen Charakter aufweisen. Ob die darauf befindlichen Gebäulichkeiten baufällig sind und sich die Kosten der Instandstellung für das kleine Heimwesen nicht lohnen, wie der Kläger behauptet, ist nach dem Gesagten für die Anwendung der Schutzvorschriften der Art. 218 f. OR unerheblich. bb) Der landwirtschaftliche Charakter eines Grundstückes schliesst seine Eigenschaft als Bauland im Sinne von Art. 218 Abs. 2 OR nicht ohne weiteres aus. Für die Bestimmung des Baulandcharakters kommt es nicht auf die Absichten des Eigentümers oder Erwerbers an; denn sonst hätte es jeder Kaufinteressent in der Hand, mit der blossen Erklärung, er wolle auf dem Grundstück bauen oder es für die Überbauung erschliessen, die Sperrfrist zu umgehen. Massgebend ist einzig, ob das Grundstück nach den objektiven Verhältnissen sofort überbaut werden kann. Diese Voraussetzung ist auch für landwirtschaftliche Grundstücke erfüllt, wenn die für die Erteilung der Baubewilligung zuständige Behörde feststellt, dass der sofortigen Überbauung nichts im Wege stehe. BGE 95 II 426 S. 431 Daraus folgt, dass ein Grundstück sogar dann als Bauland von der Sperrfrist ausgenommen werden muss, wenn es nicht in einer Bauzone liegt, für die der Kanton gestützt auf Art. 3 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) die Anwendung dieses Gesetzes ausgeschlossen hat (vgl. BGE 92 I 338 /39 Erw. 4). Für den Baulandcharakter ist daher nicht entscheidend, ob das Grundstück an einer Kanalisation angeschlossen ist, sondern ob der Eigentümer Anspruch auf eine Baubewilligung hat. Allerdings kann das Fehlen einer Kanalisation ein Grund sein, dass die zuständige Behörde die Baubewilligung zunächst verweigert (vgl. BGE 93 I 604 ). Die Vorinstanz stellt nicht fest, dass die Voraussetzungen für eine sofortige Überbauung der streitigen Parzellen bestünden. Das behauptet denn auch der Kläger nicht, noch macht er geltend, die zuständige Behörde würde ihm die Bewilligung erteilen, wenn er sie verlangte. 3. Ob am 2. Mai 1954 beim Ableben des Kaspar Odermatt eine Sperrfrist im Sinne des Art. 218 OR im Gange war und, wenn ja, ob sie nach dem Tode des Erblassers weiterlief oder ob mit der Eröffnung des Erbganges eine neue zehnjährige Frist begann (vgl. dazu BGE 88 I 202 ) kann dahingestellt bleiben, denn auch diese wäre beim Abschluss des Kauf- und Kaufrechtsvertrages vom 28. April 1965 abgelaufen gewesen. Dagegen fragt es sich, ob der "Abtretungsvertrag" vom 26. April 1957 - entgegen der Auffassung des Klägers - zu einem Eigentumserwerb führte und damit eine neue zehnjährige Frist in Gang setzte. a) Dieser Vertrag hat die Natur eines Erbteilungsvertrages oder muss jedenfalls beim Entscheid der gestellten Frage einem solchen gleichgesetzt werden (JENNY, a.a.O., S. 170). Dass der Erbe, dem ein Grundstück in einer Erbteilung zugewiesen wird, im Sinne der erwähnten Bestimmung Eigentum erwerbe, nehmen KAUFMANN, Das ländliche neue Bodenrecht der Schweiz, S. 217, und GLOOR, Beschränkungen im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken, S. 74, an. Diese Auffassung scheint der Rechtsprechung zu widersprechen, wonach die Erbteilung nicht als "Eigentumsübertragung" im Sinne des Art. 657 ZGB gilt ( BGE 83 II 369 /70). Art. 218 OR erfasst jedoch nicht nur die "Eigentumsübertragung" im Sinne des Art. 657 ZGB , sondern bezieht sich grundsätzlich auf jeden Eigentumserwerb (vgl. die in den BGE 95 II 426 S. 432 Art. 656-662 ZGB erwähnten Arten des Eigentumserwerbes). Die Erbteilung bezweckt die Überführung des Gesamteigentums in das Alleineigentum der einzelnen Erben (TUOR/SCHNYDER, ZGB, 8. Aufl., S. 419; ESCHER, Einleitung zu Art. 602-640 ZGB N. 1). Sie verändert die Eigentumsverhältnisse und damit auch die Verfügungsmacht durch wechselseitige Aufgabe von Gesamtrechten mit nachfolgender Anwachsung (vgl. MEIER/HAYOZ, N. 51 c zu Art. 652 ZGB ; JOST, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, S. 4). Es besteht daher die Möglichkeit, dass sich der Erbe ein im Nachlass befindliches Grundstück gerade im Hinblick auf eine spekulative Weiterveräusserung zuweisen lässt, was dem Zweckgedanken der Sperrfrist widerspricht. Demnach rechtfertigt es sich, die Erbteilung als Eigentumserwerb im Sinne des Art. 218 OR zu betrachten. b) Zu prüfen ist, ob die durch die Erbteilung ausgelöste Sperrfrist schon vom Abschluss des Teilungsvertrages an läuft oder erst vom Tage an, an dem die neuen Eigentumsverhältnisse in das Grundbuch eingetragen werden. Für die zweite Lösung spricht zunächst die Überlegung, dass der Teilungsvertrag nur den Erwerbsgrund bildet, der Erbe aber erst mit der Eintragung im Grundbuch Eigentümer wird (vgl. Art. 18 GBVO; BGE 86 II 353 Erw. 3 b; TUOR/PICENONI, N. 20 zu Art. 654 ZGB ; ESCHER, N. 5 zu Art. 634 ZGB , MEIER/HAYOZ, N. 78 zu Art. 656 ZGB ; JOST, a.a.O., S. 7; HOMBERGER, N. 24 zu Art. 963 ZGB ). Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Tag des Grundbucheintrages immer feststellen lässt, während der Tag des Teilungsvertrages unter Umständen unsicher ist, da die Erbteilung nur der Schriftform bedarf ( Art. 634 Abs. 2 ZGB ) und diese Datierung nicht verlangt ( Art. 13 OR ; unveröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Januar 1965 i.S. Interporostom AG gegen Spannplattenwerk Fideris AG) oder das Datum auf einem solchen Vertrag von den Erben versehentlich oder zur Täuschung Dritter unrichtig angegeben sein kann. c) Ist nach dem Gesagten die Eintragung im Grundbuch für den "Eigentumserwerb" im Sinne von Art. 218 OR massgebend, so ist die Sperrfrist am 7. Mai 1967 abgelaufen. Der Kaufvertrag über die Parzelle Nr. 918 wurde am 28. April 1965, somit zwei Jahre vor Ablauf der Sperrfrist abgeschlossen; das Kaufsrecht über die Parzelle 284 wurde ebenfalls am 28. April 1965 vereinbart und seine Ausübung war auf den 28. April 1967 befristet; es wurde indessen am 24. April 1967, also auch vor Ablauf BGE 95 II 426 S. 433 der Sperrfrist ausgeübt. Demnach sind beide Rechtsgeschäfte nichtig (vgl. BGE 94 II 110 Erw. 2 b). Unter diesen Umständen ist die vom Obergericht geprüfte und bejahte Frage nicht zu entscheiden, ob im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR die Nichtigkeit des Kaufvertrages auch jene des Kaufsrechtes nach sich ziehe.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Unterwalden nid dem Wald vom 16. Januar 1969 bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 218 BGE 138 I 217 S. 218 A. Mit Brief vom 4. Januar 2011 gelangte das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) des Kantons Luzern an das Parteipräsidium der Schweizerischen Volkspartei (SVP) des Kantons Luzern. Es schrieb, gemäss § 7a des kantonalen Gesetzes vom 4. März 2002 über das Anwaltspatent und die Parteivertretung (Anwaltsgesetz; SRL 280) wähle der Regierungsrat aus den zugelassenen Anwältinnen und Anwälten die amtlichen Verteidigerinnen und Verteidiger auf vier Jahre. Alle bisherigen neun amtlichen Verteidiger hätten sich für eine Wiederwahl zur Verfügung gestellt und der Regierungsrat habe diese Wahl für die Amtsdauer vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 bereits vorgenommen. Der Regierungsrat habe das JSD in diesem Rahmen beauftragt, den Parteiproporz der amtlichen Verteidiger zu überprüfen. Es habe sich gezeigt, dass die SVP als einzige im Kantonsrat vertretene Partei noch keinen amtlichen Verteidiger stelle. Auf Grund des heute geltenden Proporzes im Kantonsrat stehe der SVP zu, zwei amtliche Verteidigerinnen oder Verteidiger zu stellen. Der Regierungsrat sei bereit, im Rahmen einer Ergänzungswahl zwei weitere amtliche Verteidiger zu wählen. Falls die SVP des Kantons Luzern einen oder zwei amtliche Verteidiger zur Wahl vorschlagen möchte, werde um einen entsprechenden Wahlvorschlag bis zum 31. Januar 2011 gebeten. Dem Anforderungsprofil entsprächen Anwälte und Anwältinnen, die im kantonalen Anwaltsregister eingetragen seien, schwergewichtig im Strafrecht tätig seien oder sich schwergewichtig mit Strafrecht beschäftigen wollten und bereit seien, regelmässig Pikettdienst zu leisten. Das Schreiben wurde in Kopie dem Präsidenten des Vereins Pikettdienst Strafverteidigung Luzern zugestellt. Dieser informierte die Vereinsmitglieder, zu welchen auch Rechtsanwalt X. gehört. X. beantragte daraufhin dem Regierungsrat mit Schreiben vom 24. Januar 2011 seine Wahl zum amtlichen Verteidiger und reichte seine Bewerbungsunterlagen ein. In seinem Schreiben wies er darauf hin, dass er sich als parteiloser Kandidat zur Verfügung stelle und eine Beschränkung auf Parteimitglieder im Rahmen der Ergänzungswahl unzulässig sei. Mit Schreiben vom 28. März 2011 teilte das JSD X. mit, dass der Regierungsrat aus vier Kandidaten Rechtsanwalt A. zum amtlichen Verteidiger gewählt habe. Den Ausschlag für dessen Wahl habe seine bisherige Tätigkeit im Strafrechtsbereich gegeben. Mit Schreiben vom 6. April 2011 ersuchte X. den Regierungsrat um Zustellung eines anfechtbaren Entscheids. Mit Schreiben vom 29. April 2011 erhob er - ohne dass der Regierungsrat ihm einen förmlichen BGE 138 I 217 S. 219 Entscheid zugestellt hatte - Beschwerde an das Verwaltungsgericht Luzern. Er beantragte, seine Nichtwahl sei aufzuheben und er sei zum amtlichen Verteidiger zu bestellen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neuentscheidung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Mit Urteil vom 17. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Februar 2012 beantragt X. im Wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht bzw. den Regierungsrat zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Auszug)
1,399
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 In Bezug auf seine eigene Nichtwahl macht der Beschwerdeführer in erster Linie geltend, das Rechtsgleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot und die Wirtschaftsfreiheit seien verletzt worden. Diese Kritik des Beschwerdeführers an seiner eigenen Nichtwahl lässt sich von der Kritik an der Wahl A.s insofern trennen, als der Beschwerdeführer verlangt, nicht an dessen Stelle, sondern zusätzlich zu diesem (und den weiteren auf der Liste figurierenden Personen) gewählt zu werden. Die betreffenden Rügen sind mithin sachbezogen ( Art. 42 Abs. 2 BGG ). Vor ihrem Hintergrund ist in der Folge in einem ersten Schritt die Bundesrechtskonformität der betreffenden luzernischen Wahlpraxis zu prüfen, welche zur Nichtwahl des Beschwerdeführers geführt hat (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 131 II 361 E. 1.2 S. 365 f. mit Hinweisen). Falls sich dabei herausstellen sollte, dass diese Wahlpraxis Bundesrecht verletzt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer einen eigentlichen Rechtsanspruch auf Wahl oder zumindest auf Durchführung einer weiteren Ergänzungswahl hat, oder ob es mit einer Feststellung der Bundesrechtswidrigkeit sein Bewenden haben muss. 3.2 Die Wahl der amtlichen Verteidiger im Kanton Luzern wird in § 7a Anwaltsgesetz geregelt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: § 7a Amtliche Verteidigung 1 Der Regierungsrat wählt aus den zugelassenen Anwältinnen und Anwälten mehrere amtliche Verteidigerinnen und Verteidiger. BGE 138 I 217 S. 220 2 Die amtlichen Verteidigerinnen und Verteidiger werden auf vier Jahre gewählt. Die Neuwahlen finden im gleichen Jahr wie die Neuwahlen der erstinstanzlichen Richterinnen und Richter statt. 3.3 3.3.1 Das Verwaltungsgericht führte aus, der Regierungsrat habe lediglich das Parteipräsidium der SVP des Kantons Luzern angeschrieben und damit bereits zu diesem Zeitpunkt den Kreis möglicher Kandidaten auf SVP-Mitglieder oder zumindest dieser Partei nahestehende Rechtsanwälte eingegrenzt. Da er aber eine Kopie des Schreibens dem Präsidenten des Vereins Pikettdienst Strafverteidigung Luzern zugestellt habe, habe schliesslich auch der Beschwerdeführer von der anstehenden Ergänzungswahl erfahren. Er habe sich in der Folge ohne jegliche Nachteile als Kandidat für die Aufgabe anbieten können. Dass er dabei nicht gewählt worden sei, sei nicht auf seine Parteilosigkeit zurückzuführen, den Ausschlag zugunsten A.s hätten dessen Qualifikationen gegeben. Das Verwaltungsgericht führte weiter aus, es wäre mit der Bundesverfassung ( Art. 8 BV ) kaum zu vereinbaren, wenn die politische Ausrichtung den Kreis der Kandidaten bereits von Beginn weg einschränken würde. Wenn aber der Regierungsrat unter zwei oder mehreren ähnlich qualifizierten Rechtsanwälten auszuwählen habe, so dürfe er die Parteizugehörigkeit mitberücksichtigen. Das Bundesrecht und das kantonale Recht stellten nur elementare Anforderungen an die Person des amtlichen Verteidigers und eine Ergänzung mit weiteren, objektiv nachvollziehbaren Wahlkriterien sei deshalb notwendig. 3.3.2 Aus dem angefochtenen Entscheid und den Verfahrensakten ergibt sich Folgendes: Eine Kopie des Briefs vom 4. Januar 2011 wurde dem Präsidenten des Vereins Pikettdienst Strafverteidigung Luzern zugestellt. Da dieser daraufhin die Vereinsmitglieder informierte, erhielt schliesslich auch der Beschwerdeführer Kenntnis von der anstehenden Ergänzungswahl. Indessen ergibt sich aus dem Schreiben gerade nicht, dass auch parteiungebundene Kandidaten Wahlchancen hatten. Vielmehr war es offensichtlich die Absicht des Regierungsrats, aus Proporzgründen einen Vertreter der SVP zu wählen, wie sich aus folgender Passage des Schreibens ergibt: "Im Rahmen der Wahl der amtlichen Verteidiger hat der Regierungsrat das Justiz- und Sicherheitsdepartement beauftragt, den Parteiproporz der amtlichen Verteidiger zu überprüfen. Es hat sich gezeigt, dass die SVP als einzige im Kantonsrat vertretene Partei noch keinen amtlichen Verteidiger stellt. Auf Grund des heute geltenden Proporzes im Kantonsrat steht BGE 138 I 217 S. 221 der SVP zu, zwei amtliche Verteidigerinnen oder Verteidiger zu stellen. Der Regierungsrat ist bereit, im Rahmen einer Ergänzungswahl zwei weitere amtliche Verteidiger zu wählen. Falls Sie einen oder zwei amtliche Verteidiger zur Wahl vorschlagen möchten, bitten wir um einen entsprechenden Wahlvorschlag bis 31. Januar 2011." Es stand somit von vornherein fest, dass der Regierungsrat bei der anstehenden Wahl eines amtlichen Verteidigers nach dem Parteiproporz vorgehen und einen Vertreter der SVP wählen würde, sofern ein solcher in Betracht käme. Aber selbst wenn mit der Vorinstanz davon auszugehen wäre, dass bei dieser Praxis parteiungebundene Kandidaten nicht a priori ohne Wahlchancen sind, so soll immerhin bei mehreren gleich geeigneten Kandidaten die Parteizugehörigkeit berücksichtigt werden. Im Folgenden ist zu überprüfen, ob diese Praxis vor dem Diskriminierungsverbot standhält. 3.3.3 Gemäss dem in Art. 8 Abs. 2 BV verankerten Diskriminierungsverbot darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich behandelt wird allein auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch und in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird. Diese qualifizierte Form der Ungleichbehandlung führt zu einer Benachteiligung eines Menschen, welche als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie auf ein Unterscheidungsmerkmal abstellt, das einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden Person bildet. Insofern beschlägt die Diskriminierung auch Aspekte der Menschenwürde ( Art. 7 BV ). Das Diskriminierungsverbot des schweizerischen Verfassungsrechts schliesst aber die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal nicht absolut aus. Eine solche begründet den Verdacht einer unzulässigen Differenzierung, der durch eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden kann ( BGE 136 I 297 E. 7.1 S. 305 mit Hinweisen; YVO HANGARTNER, Staatliches Handeln im Bereich von Diskriminierungsverboten, in: Liber amicorum Luzius Wildhaber, 2007, S. 1301 f.). 3.3.4 Nach der Wahlpraxis des Regierungsrats kommen parteiungebundene Personen, auch wenn sie als zugelassene Anwälte die gesetzlichen Wahlvoraussetzungen erfüllen, von vornherein für eine Wahl nicht in Betracht oder werden zumindest benachteiligt. Die BGE 138 I 217 S. 222 Zugehörigkeit zu einer Partei beziehungsweise die Parteilosigkeit ist zwar ein Umstand, der veränderbar ist, doch kann dessen Änderung aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Wertvorstellungen dem Einzelnen nicht zugemutet werden: Art. 8 Abs. 2 BV nennt die politische Überzeugung ausdrücklich als ein verpöntes Unterscheidungskriterium. Die Anknüpfung an die Parteizugehörigkeit begründet somit den Verdacht einer unzulässigen Differenzierung. 3.3.5 Die auf dem Parteiproporz basierende Wahlpraxis des Regierungsrats hält nur dann vor Art. 8 Abs. 2 BV stand, wenn dafür eine qualifizierte Rechtfertigung besteht. Es ist zu prüfen, ob die Wahlpraxis ein gewichtiges und legitimes öffentliches Interesse verfolgt, zur Erreichung dieses Interesses geeignet und erforderlich ist und sich gesamthaft als verhältnismässig erweist ( BGE 135 I 49 E. 6.1 S. 59 mit Hinweisen). Die Hürde für die Rechtfertigung einer unter Art. 8 Abs. 2 BV fallenden Unterscheidung liegt je nach dem verwendeten verpönten Merkmal höher oder tiefer, jedenfalls aber höher als bei einer einfachen Ungleichbehandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV (KÄLIN/CARONI, Das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen der ethnisch-kulturellen Herkunft, in: Das Verbot ethnisch-kultureller Diskriminierung, 1999, S. 78 f.). Die parteipolitische Repräsentanz gehört zu den Dominanten der schweizerischen Politik. Zur Anwendung gelangt sie nicht nur bei Wahlen in politische Behörden, sondern auch etwa bei Richterwahlen, so namentlich bei Wahlen ins Bundesgericht. Sie gewährleistet bis zu einem gewissen Grad, dass sich die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Kräfte in der Zusammensetzung einer Behörde widerspiegeln und sich eine pluralistische Meinungsbildung ergibt. Für REGINA KIENER ermöglicht die der Schweiz eigene Fragmentierung in ein Vielparteiensystem eine differenzierte und breite Übertragung gesellschaftlicher Anliegen in die politischen Gremien (REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 271). § 44 Abs. 3 KV/LU (SR 131.213) sieht ausdrücklich vor, dass der Kantonsrat bei seinen Wahlen die Vertretung der politischen Parteien in angemessener Weise berücksichtigt (Abs. 3), was unter anderem für die Wahl seiner Kommissionen (Abs. 1 lit. b) und der Mitglieder der Gerichte (Abs. 1 lit. e) gilt. Für das Mandat der amtlichen Verteidigung ist bedeutsam, dass der Bewerber das Handwerkszeug eines Verteidigers beherrscht beziehungsweise über spezifische berufliche Erfahrung verfügt. Das scheint denn auch der Grund dafür zu sein, dass der Kanton Luzern an der BGE 138 I 217 S. 223 Wahl der amtlichen Verteidiger festhält, da diese eine gewisse Kontrolle erlaubt (vgl. dazu E. 3.4.3 hiernach). Hingegen ist das Kriterium der Parteizugehörigkeit hinsichtlich der Wahl amtlicher Verteidiger sachfremd. Es ist insbesondere nicht einzusehen, weshalb sich in der Gruppe der vom Regierungsrat gewählten amtlichen Verteidiger gewissermassen die gesellschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Kräfte widerspiegeln müssen, ganz abgesehen davon, dass die amtlichen Verteidiger ohnehin nicht als Gruppe agieren, sondern im jeweils konkreten Fall als Einzelpersonen tätig werden. Im Unterschied zu Richtern haben amtliche Verteidiger nicht die Aufgabe und die Kompetenz, staatliche Entscheide zu fällen. Entscheidend ist, ob ein Anwalt Gewähr dafür bietet, den an das Mandat der amtlichen Verteidigung gestellten Erwartungen gerecht zu werden. Dies hat mit seiner partei- beziehungsweise gesellschaftspolitischen Ausrichtung nichts zu tun. Infolgedessen stellt die Abbildung des Parteiproporzes kein öffentliches Interesse dar, das vorliegend eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Die Benachteiligung parteiungebundener Anwälte ist diskriminierend und verletzt Art. 8 Abs. 2 BV . 3.4 3.4.1 Steht somit fest, dass die Wahlpraxis des Regierungsrat gegen Bundesrecht verstösst, ist nach dem Gesagten weiter zu prüfen, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch darauf hat, gewählt zu werden, beziehungsweise darauf, dass eine zusätzliche Ergänzungswahl durchgeführt wird, an welcher er teilnehmen könnte. Der Beschwerdeführer macht in dieser Hinsicht geltend, es gebe keinen Grund, nur gewisse Anwälte auf die Liste der amtlichen Verteidiger aufzunehmen, zumal es in allen anderen Kantonen keine derartige Beschränkung gebe. Er rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots, des Diskriminierungsverbots, der Wirtschaftsfreiheit und der "Beschuldigtenrechte". Weiter kritisiert er, dass der Regierungsrat entgegen seiner Ankündigung nur eine Person statt deren zwei gewählt habe. 3.4.2 § 7a Abs. 1 Anwaltsgesetz sieht vor, dass der Regierungsrat mehrere amtliche Verteidiger wählt. Der Wortlaut der Bestimmung zeigt mit der Verwendung des Wortes "mehrere", dass die Anzahl der zu wählenden Verteidiger nicht unbeschränkt sein soll. Die vorinstanzliche Auslegung, wonach es dem Regierungsrat als Wahlorgan obliegen soll, die genaue Anzahl festzulegen, ist nachvollziehbar. Auch der Beschwerdeführer erblickt offenbar keine Willkür im BGE 138 I 217 S. 224 Umstand, dass der Regierungsrat gestützt auf § 7 Anwaltsgesetz die Anzahl gewählter amtlicher Verteidiger beschränkt. 3.4.3 Die Beschränkung der Zahl (der numerus clausus) an sich verletzt weder das Rechtsgleichheitsgebot noch das Diskriminierungsverbot. Eine Verletzung dieser Verfassungsgarantien kann sich höchstens aus einer konkreten Wahl ergeben. Zwar schafft bereits die Einführung eines numerus clausus zwei Kategorien von Anwälten, nämlich solchen, welche gewählt sind und solchen, welche dies nicht sind. Um mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar zu sein, reicht es indessen aus, dass für diese Unterscheidung ein sachlicher Grund besteht. Der Regierungsrat führte diesbezüglich in der Botschaft aus, die amtliche Verteidigung betreffe die grösseren Kriminalfälle und es sei im Interesse des Staats und des Verfahrens, die Verteidigung Anwälten mit einschlägiger Erfahrung anzuvertrauen. Die Wahl der amtlichen Verteidiger erlaube in diesem Zusammenhang eine gewisse Kontrolle (Botschaft vom 15. Dezember 2009 des Regierungsrats an den Kantonsrat des Kantons Luzern, B 137 S. 72). Dies stellt einen sachlichen Grund für die Einführung eines numerus clausus dar. Die damit einhergehende Unterscheidung erscheint auch nicht als unverhältnismässig, denn ihre Tragweite ist beschränkt. Die auf der Liste aufgeführten amtlichen Verteidiger haben kein Monopol; die beschuldigte Person kann auch einen anderen Anwalt als Verteidiger wünschen und die Verfahrensleitung ist von Bundesrechts wegen verpflichtet, nach Möglichkeit diesen Wunsch zu berücksichtigen ( Art. 133 Abs. 2 StPO [SR 312.0]). 3.4.4 Hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, seine Nichtwahl verletze die Wirtschaftsfreiheit, weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass die amtliche Verteidigung nicht eine privatwirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Die amtliche Verteidigung ist vielmehr eine öffentliche Aufgabe. Der Zugang dazu fällt deshalb nicht unter den Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Urteil 1B_81/2010 vom 4. Mai 2010 E. 3 mit Hinweisen). Wohl begründet die Wahl zum amtlichen Verteidiger im Kanton Luzern noch kein entsprechendes Mandatsverhältnis, doch ist sie einzig und allein darauf ausgerichtet. Tangiert die Bestellung zum amtlichen Verteidiger in einem konkreten Strafverfahren die Wirtschaftsfreiheit nicht, dann ebenso wenig die Wahl für eine Liste von Anwälten, die verpflichtet sind, derartige Mandate zu übernehmen. Die Rüge des Beschwerdeführers ist somit unbegründet. BGE 138 I 217 S. 225 3.4.5 Der Beschwerdeführer beruft sich weiter darauf, dass die Rechte des Beschuldigten verletzt würden, wenn dieser nur eine kleine Auswahl an Verteidigern habe. Bereits die Vorinstanz hat indessen dargelegt, dass sich die Auswahl des Beschuldigten nicht auf die gewählten amtlichen Verteidiger beschränkt. Inwiefern vor diesem Hintergrund eine Verletzung der Rechte des Beschuldigten drohen soll, ist nicht ersichtlich (vgl. wiederum Art. 133 Abs. 2 StPO ). Die Rüge ist unbegründet. 3.4.6 Schliesslich kritisiert der Beschwerdeführer, der Regierungsrat habe entgegen seiner Ankündigung im Schreiben vom 4. Januar 2011 an die Parteileitung der SVP des Kantons Luzern nur eine statt zwei Personen gewählt. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, der Umstand, dass der Regierungsrat am Ende nur einen amtlichen Verteidiger aus den vier zur Verfügung stehenden Kandidaten gewählt habe, stehe zwar in einem gewissen Widerspruch zu seiner Ankündigung im besagten Schreiben. Doch könne der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, da kein Anspruch auf eine Wahl bestehe. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Insbesondere legt er nicht dar, weshalb ihm entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus dem Wahl- bzw. Vorwahlverhalten des Regierungsrats ein Anspruch auf Wahl erwachsen sollte. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schutz berechtigten Vertrauens ( Art. 9 BV ) sind jedenfalls offensichtlich nicht erfüllt (vgl. BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.). Auf die Rüge ist mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ( Art. 42 Abs. 2 BGG ).
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Erwägungen ab Seite 172 BGE 127 III 171 S. 172 Aus den Erwägungen: 2. a) Im Gegensatz zur unteren Aufsichtsbehörde ist das Obergericht zum Schluss gelangt, die bei jener eingereichte Beschwerde sei weder als weitschweifig noch als schwer lesbar im Sinne von § 131 Abs. 1 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom (GVG/ZH), geschweige denn als in einer andern als der (deutschen) Amtssprache abgefasst ( § 130 GVG /ZH) zu betrachten; das Bezirksgericht sei mithin auf die Eingabe zu Unrecht nicht eingetreten. Sodann weist die Vorinstanz darauf hin, dass von Bundesrechts wegen für die Beschwerde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ein zweistufiges kantonales Verfahren nicht vorgeschrieben sei. Sie hat deshalb dafür gehalten, dass von einer Rückweisung der Sache zur materiellen Beurteilung durch die untere Aufsichtsbehörde abzusehen sei, und über die Beschwerde gleich selbst entschieden. Die Beschwerdeführerin rügt (unter Hinweis auf Art. 280 Abs. 2 der kantonalen Zivilprozessordnung und Art. 13 SchKG ) den Verzicht auf Rückweisung der Sache an das Bezirksgericht. b) Das Bundesgericht hat in BGE 113 III 113 ff. festgehalten, dass in Kantonen, wo zwei Aufsichtsbehörden vorgesehen sind, diese von Bundesrechts wegen den Instanzenzug zu beachten hätten und die obere Aufsichtsbehörde deshalb nicht befugt sei, eine Beschwerde als einzige kantonale Instanz zu beurteilen (E. 2 S. 115 f.). Zur Beurteilung stand damals ein Fall, in dem der Beschwerdeführer - wie zuvor angekündigt - eine Ergänzung zu seiner Beschwerde einreichte und die untere kantonale Aufsichtsbehörde, die die Beschwerde, soweit sie darauf eintrat, in der Zwischenzeit abgewiesen hatte, die neue Eingabe direkt an die obere Aufsichtsbehörde weiterleitete, worauf sie als Beschwerde gegen den Entscheid der unteren Instanz behandelt wurde. Anders als dort hat die untere Aufsichtsbehörde hier die Beschwerde entgegengenommen und (formell) beurteilt, auch wenn sie beschlossen hat, es werde auf sie nicht eingetreten. Wie in BGE 50 III 189 ff. entschieden, ist die Regelung BGE 127 III 171 S. 173 der Frage, ob die obere kantonale Aufsichtsbehörde, die einen Nichteintretensentscheid der unteren Instanz aufhebt, gleich selbst die Beschwerde materiell behandeln darf oder ob sie diese an die untere Instanz zurückzuweisen hat, dem kantonalen Recht vorbehalten (S. 190). Aus dieser Sicht ist der angefochtene Entscheid somit nicht bundesrechtswidrig.
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Der amtliche Verteidiger und der unentgeltliche Rechtsbeistand der Privatklägerschaft können in eigenem Namen innert zehn Tagen nach Zustellung des Dispositivs eine Urteilsbegründung betreffend die Kosten für die amtliche Verteidigung respektive unentgeltliche Verbeiständung verlangen (E. 3.6). Sachverhalt ab Seite 41 BGE 143 IV 40 S. 41 A. Im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gegen A. war Rechtsanwalt X. unentgeltlicher Rechtsbeistand der Privatklägerin B.. Ebenso hatte er B. im gegen sie geführten Strafverfahren als amtlicher Verteidiger vertreten. Anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Winterthur im Strafverfahren gegen A. stellte Rechtsanwalt X. den Antrag, es sei ihm für die unentgeltliche Rechtsvertretung von B. eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 16'820.- (inklusive Mehrwertsteuer) zuzusprechen. Er könne nicht angeben, welcher Anteil seines Aufwands auf die amtliche Verteidigung und welcher für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung angefallen sei. Das Bezirksgericht Winterthur sprach Rechtsanwalt X. mit dem am 9. Juli 2015 mündlich eröffneten Urteil in Sachen A. für die unentgeltliche Geschädigtenvertretung von B. eine Entschädigung von Fr. 5'610.- (inklusive Mehrwertsteuer) zu. Da Rechtsanwalt X. an der mündlichen Urteilseröffnung nicht anwesend war, wurde ihm das Urteil schriftlich im Dispositiv eröffnet und am 14. Juli 2015 zugestellt. A. meldete innert Frist Berufung an und zog diese später zurück. Das begründete Urteil nahm Rechtsanwalt X. am 9. November 2015 in Empfang. BGE 143 IV 40 S. 42 B. Gegen die Höhe der zugesprochenen Entschädigung erhob Rechtsanwalt X. mit Eingabe vom 19. November 2015 Beschwerde ans Obergericht des Kantons Zürich mit dem Hauptantrag, Dispositiv-Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils sei aufzuheben und die Entschädigung für die amtliche Geschädigtenvertretung auf Fr. 16'820.- (inklusive Mehrwertsteuer) festzusetzen. Das Obergericht trat mit Beschluss vom 3. Mai 2016 auf die Beschwerde nicht ein, da diese nicht innert der ab Zustellung des Urteilsdispositivs laufenden 10-tägigen Beschwerdefrist erhoben worden sei. C. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt Rechtsanwalt X. in der Hauptsache, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Entschädigung für die unentgeltliche Rechtsvertretung gemäss Dispositiv-Ziffer 9 des erstinstanzlichen Urteils sei auf insgesamt Fr. 16'820.- (inklusive Mehrwertsteuer) festzulegen. D. Das Obergericht und (stillschweigend) die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Beschwerdeführer argumentiert, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, die Zustellung des schriftlichen Urteilsdispositivs allein genüge, um als Eröffnung im Sinne von Art. 396 Abs. 1 StPO für den Fristenlauf der Beschwerde zu gelten. Der Beginn der Frist nach Art. 396 Abs. 1 StPO könne aber nur dann ausgelöst werden, wenn ihm nachweislich die Gründe zur Festlegung der Entschädigungsfolgen in derart genügender Form unterbreitet worden seien, dass ihm die Einreichung einer Beschwerde mit ebenso genügender Begründung möglich sei, ohne dabei dem Risiko der materiellen Abweisung der Beschwerde ausgesetzt zu sein. Denn ohne Kenntnis der richterlichen Begründung könne auch keine genügend begründete Beschwerde eingereicht werden und ungenügend verfasste Beschwerden würden abgewiesen. Die Annahme der Vorinstanz, es seien ihm wohl im Rahmen der mündlichen Kurzbegründung des Urteils zumindest die wesentlichen Gründe für die Beurteilung seines Entschädigungsanspruchs zur Kenntnis gebracht worden, finde in den Akten keine Stütze, da Entsprechendes im Protokoll nicht vermerkt sei. BGE 143 IV 40 S. 43 3.2 3.2.1 Der vom Bezirksgericht Winterthur nach der öffentlich durchgeführten Hauptverhandlung am 9. Juli 2015 mündlich eröffnete Entscheid stellt ein Urteil dar, da darin materiell über Straf- und Zivilfragen entschieden worden ist ( Art. 80 Abs. 1 StPO ; BGE 141 IV 396 E. 3.5 S. 400). Gestützt auf Art. 81 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 lit. b StPO ist im Urteil auch über die Kosten- und Entschädigungsfolgen zu befinden. Die Auslagen für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung gehören zu den Verfahrenskosten ( Art. 422 Abs. 1 und 2 lit. a StPO ). Art. 135 Abs. 2 StPO sieht vor, dass das urteilende Gericht die Entschädigung des amtlichen Verteidigers am Ende des Verfahrens festsetzt. Gleiches gilt für das Honorar des unentgeltlichen Rechtsbeistands der Privatklägerschaft (Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 StPO ). Da die Auslagen für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung Bestandteil der Verfahrenskosten bilden, hat das Gericht darüber im Sachurteil zu befinden ( BGE 139 IV 199 E. 5.1 S. 201 f.). In diesem Entscheid hat das Bundesgericht die in der Lehre vertretene Auffassung, wonach das Honorar des amtlichen Verteidigers respektive des unentgeltlichen Rechtsbeistands der Privatklägerschaft nachträglich in einem separaten Entscheid festzusetzen sei, verworfen ( BGE 139 IV 199 E. 5.3 ff. S. 202 ff.). 3.2.2 Gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wurde, können die Staatsanwaltschaft und die übrigen Parteien gemäss Art. 398 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 381 f. StPO Berufung erklären. Dies gilt auch, wenn ausschliesslich Nebenfolgen des Urteils oder die Kosten-, Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen streitig sind ( Art. 399 Abs. 4 lit. e und f StPO ; vgl. auch Art. 406 Abs. 1 lit. d StPO ; BGE 139 IV 199 E. 5.2 S. 202). Die amtliche Verteidigung und der unentgeltliche Rechtsbeistand der Privatklägerschaft zählen nicht zu den Verfahrensparteien (vgl. Art. 104 Abs. 1 StPO ). Ihre Rechtsmittellegitimation hinsichtlich der Festsetzung des Honorars ergibt sich nicht aus Art. 382 StPO , sondern aus der besonderen Regelung in Art. 135 Abs. 3 StPO respektive Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 3 StPO . Ihnen steht einzig die Beschwerde offen ( BGE 140 IV 213 E. 1.4 S. 214 f. mit Hinweis). 3.2.3 Je nachdem, ob ein Entscheid in Urteilsform oder in Beschluss- bzw. Verfügungsform ergeht, bildet die Berufung ( Art. 398 Abs. 1 StPO ) BGE 143 IV 40 S. 44 oder die Beschwerde ( Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO ) das zulässige Rechtsmittel ( BGE 141 IV 396 E. 3.3 S. 399). Aus der Qualifikation des anzufechtenden Entscheids folgt damit nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen grundsätzlich das zu erhebende Rechtsmittel. 3.2.4 Hat das Gericht über das Honorar des amtlichen Verteidigers respektive des unentgeltlichen Rechtsbeistands unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Sachurteil zu befinden (E. 3.2.1) und steht den genannten Leistungsempfängern gestützt auf die Strafprozessordnung lediglich die Beschwerde zur Verfügung (E. 3.2.2), führt dies zu einem Widerspruch mit der gesetzlichen Konzeption, wonach Urteile mit Berufung und Beschlüsse/Verfügungen mit Beschwerde anzufechten sind (E. 3.2.3). 3.3 Dieser Widerspruch äussert sich auch beim Beginn der Rechtsmittelfrist, den Art. 384 StPO je nach der Art des anzufechtenden Entscheids unterschiedlich regelt. Bei Urteilen fängt die Rechtsmittelfrist mit der Aushändigung oder Zustellung des schriftlichen Dispositivs zu laufen an (lit. a), bei andern Entscheiden mit der Zustellung des Entscheids (lit. b). Nach den Gesetzesmaterialien bezieht sich Art. 384 lit. a StPO auf die Berufung (vgl. Bundesamt für Justiz, Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, 2001, S. 258), welche das primäre Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile darstellt (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1313 f. Ziff. 2.9.3.1). Die Lehre, soweit sie darauf überhaupt explizit eingeht, äussert sich in gleicher Weise. Nach LIEBER handelt es sich bei Art. 384 lit. a StPO um die Anfechtung von Urteilen mittels Berufung, das heisst um die Anmeldung der Berufung nach Art. 399 Abs. 1 StPO (VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 384 StPO ). Art. 384 StPO regelt mithin im Falle eines Urteils nicht ausdrücklich, wann die Frist zur Beschwerde beginnt. 3.4 Die Begründung eines Rechtsmittels knüpft an die Motivation eines Entscheids (respektive bei mehreren selbständigen Begründungen an jede einzelne von ihnen, vgl. BGE 133 IV 119 E. 6 S. 120 f. mit Hinweisen) an. Auf dieser Selbstverständlichkeit fusst das Rechtsmittelverfahren im Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren sowie vor Bundesgericht. 3.4.1 Die StPO sieht für die Einlegung der Berufung ein zweistufiges Verfahren vor. Nach Art. 399 Abs. 1 StPO ist die Berufung BGE 143 IV 40 S. 45 dem erstinstanzlichen Gericht innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Die Partei, die Berufung angemeldet hat, reicht dem Berufungsgericht gemäss Art. 399 Abs. 3 StPO innert 20 Tagen seit der Zustellung des begründeten Urteils eine schriftliche Berufungserklärung ein. Die am Prozess beteiligten Parteien, welche mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden sind, müssen mithin in der Regel zweimal ihren Willen kundtun, das Urteil nicht zu akzeptieren, nämlich einmal im Rahmen der Anmeldung der Berufung bei der ersten Instanz nach Eröffnung des Dispositivs (siehe Art. 84 StPO zur Eröffnung sowie Art. 81 Abs. 4 StPO zum Inhalt des Dispositivs) und ein zweites Mal nach Eingang des begründeten Urteils durch eine Berufungserklärung beim Berufungsgericht ( BGE 138 IV 157 E. 2.1 S. 158). Die Anmeldung der Berufung im Anschluss an die Entscheideröffnung im Dispositiv ist nicht zu begründen. Nach der Berufungserklärung (vgl. Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO ) findet die Berufungsbegründung im mündlichen oder schriftlichen Verfahren statt (vgl. Art. 405 und Art. 406 Abs. 3 StPO ). Dabei hat der Berufungskläger gemäss Art. 385 Abs. 1 StPO genau anzugeben, welche Punkte des Entscheids er anficht (lit. a), welche Gründe einen anderen Entscheid nahelegen (lit. b) und welche Beweismittel er anruft (lit. c). Dies impliziert eine Auseinandersetzung mit dem Entscheid und dessen Motivation. Die Beschwerde als subsidiäres Rechtsmittel ( Art. 394 lit. a und Art. 20 Abs. 1 StPO ) gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen ( Art. 396 Abs. 1 StPO ). Massgebend für den Beginn der Rechtsmittelfrist nach Art. 384 lit. b StPO ist die Zustellung des begründeten Entscheids (Urteil 6B_1021/2014 vom 3. September 2015 E. 5.4.1, nicht publ. in BGE 141 IV 396 ). Ein Versand des Dispositivs ist nicht ausschlaggebend (PATRICK GUIDON, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 396 StPO ; ANDREAS KELLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 396 StPO ). 3.4.2 Die Erklärung und Begründung der Berufung sowie die motivierte Beschwerde knüpfen damit an einen begründeten Entscheid an. Nicht anders verhält es sich im Verfahren vor dem Bundesgericht. Nach Art. 100 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung einzureichen BGE 143 IV 40 S. 46 (vgl. auch Art. 112 Abs. 2 BGG ) und die Frist für ein Revisionsgesuch beträgt (abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen) 30 Tage nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids respektive beginnt frühestens nach dieser Eröffnung ( Art. 124 Abs. 1 lit. b und d BGG ). Im Zivilprozess sind die Berufung und die Beschwerde bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich und begründet einzureichen. Wird der Entscheid nur im Dispositiv ohne schriftliche Begründung eröffnet, läuft die Rechtsmittelfrist ab der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung ( Art. 311 Abs. 1, Art. 321 Abs. 1 und Art. 239 ZPO ). Auch im Verwaltungsverfahren beginnt die Beschwerdefrist ab Eröffnung der schriftlich begründeten Verfügung (vgl. Art. 50, Art. 34 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VwVG [SR 172.021]). Bei mündlich eröffneten Zwischenverfügungen beginnt die Rechtsmittelfrist mit der schriftlichen Bestätigung ( Art. 34 Abs. 2 VwVG ). Aus der mangelhaften Eröffnung darf den Parteien kein Nachteil erwachsen ( Art. 38 VwVG ). Die Rechtsmittelfrist beginnt erst zu laufen, wenn die Beschwerdeberechtigten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Besitze aller für die erfolgreiche Wahrung ihrer Rechte wesentlichen Elemente sind ( BGE 102 Ib 91 E. 3 S. 93 f.). 3.4.3 Ein Entscheid muss, um dem verfassungsmässigen Gehörsanspruch ( Art. 29 Abs. 2 BV ) Genüge zu tun, dergestalt abgefasst sein, dass sich der Betroffene über seine Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Tatsache an die höhere Instanz weiterziehen kann (s. zum Ganzen BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237; je mit Hinweisen). Dies ist nur der Fall, wenn die Frist für die Einreichung eines begründeten Rechtsmittels erst mit der Mitteilung der Entscheidgründe zu laufen beginnt. In der Lehre wird deshalb zutreffend verlangt, dass Rechtsmittelfristen erst ab Erhalt des vollständigen und begründeten Entscheids beginnen sollen (MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 9 zu Art. 384 StPO ; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2005, N. 981). Gegenteiliges, das heisst ein Rechtsmittelverfahren ohne Kenntnis der Entscheidgründe, ist den Parteien und der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht zuzumuten (vgl. zur Berufung im Zivilprozess REETZ/THEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 16 zu Art. 311 ZPO ). BGE 143 IV 40 S. 47 3.4.4 Im Falle eines Urteils ist Art. 384 lit. a StPO deshalb dahingehend auszulegen, dass die Frist für die Beschwerde mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids beginnt. 3.5 Das schriftlich begründete erstinstanzliche Urteil wurde dem Beschwerdeführer am 9. November 2015 eröffnet. Die 10-tägige Frist zur Beschwerde ( Art. 396 Abs. 1 StPO ) begann am 10. November 2015 ( Art. 90 Abs. 1 StPO ) und endete am 19. November 2015. Der Beschwerdeführer reichte seine Beschwerdeschrift am 19. November 2015 innert Frist ein. Indem die Vorinstanz für den Fristbeginn auf die Empfangnahme des unbegründeten Urteilsdispositivs abstellt (14. Juli 2015) und auf die Beschwerde nicht eintritt, verletzt sie Bundesrecht ( Art. 384 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO ). 3.6 Der Vollständigkeit wegen bleibt Folgendes anzumerken. Das erstinstanzliche Urteil wurde nachträglich schriftlich begründet, nachdem der Verurteilte unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 45 Monaten verurteilt worden und keine Einschränkung der Begründungspflicht nach Art. 82 Abs. 1 StPO möglich war. Die Mitte Juli 2015 angemeldete Berufung zog der Verurteilte drei Monate später zurück. Ungeachtet dessen konnte der Beschwerdeführer wie dargelegt den schriftlich begründeten Entscheid abwarten. Wäre das Urteil nicht ohnehin schriftlich zu begründen gewesen, hätte es dem Beschwerdeführer unabhängig von den Erklärungen des Verurteilten und der übrigen Parteien offengestanden, ein begründetes Urteil zu verlangen. Nach Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO stehen den in ihren Rechten unmittelbar betroffenen anderen Verfahrensbeteiligten die zur Interessenwahrung erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei zu. Eine faktische oder indirekte Betroffenheit genügt nicht ( BGE 137 IV 280 E. 2.2.1 S. 283). Unmittelbare Betroffenheit liegt nach der Doktrin etwa vor, wenn in die Grundrechte oder Grundfreiheiten eingegriffen wird, eine Schweigepflicht auferlegt oder Zwangsmassnahmen angeordnet werden (LIEBER, a.a.O., N. 13 ff. zu Art. 105 StPO ; HENRIETTE KÜFFER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2014, N. 31 zu Art. 105 StPO ). Bei der Auferlegung von Verfahrenskosten kann von einer unmittelbaren Betroffenheit ausgegangen werden (Urteil 1B_432/2011 vom 20. September 2012 E. 5, nicht publ. in: BGE 138 IV 258 ; LIEBER, a.a.O., N. 14 zu Art. 105 StPO ). Als Dritter im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO kommt auch der amtlich bestellte Rechtsbeistand in Betracht, wenn es etwa um seine Honorierung geht (LIEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 105 StPO ). BGE 143 IV 40 S. 48 Dem Beschwerdeführer hätte es mithin unter der oben genannten Prämisse der eingeschränkten Begründungspflicht im Sinne von Art. 82 Abs. 1 StPO und unabhängig von allfälligen Erklärungen der Parteien nach Art. 82 Abs. 2 StPO offengestanden, in eigenem Namen gestützt auf Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 lit. a StPO innert zehn Tagen nach Zustellung des Dispositivs eine Urteilsbegründung zu verlangen. Stellt einzig der amtliche Verteidiger respektive der unentgeltliche Rechtsbeistand der Privatklägerschaft ein entsprechendes Gesuch, ist das Urteil einzig betreffend die Kosten des Gesuchstellers zu begründen ( Art. 82 Abs. 3 StPO ). (...)
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Sachverhalt ab Seite 637 BGE 137 III 637 S. 637 A. A.a Par décision du 2 août 2007, la Justice de paix du district de Vevey a ordonné l'ouverture d'une enquête tendant à l'interdiction BGE 137 III 637 S. 638 civile de C., prononcé l'interdiction provisoire, au sens de l' art. 368 al. 2 CC , de celui-ci et désigné A. en qualité de tuteur provisoire, avec mission de produire en main de l'assesseur surveillant un inventaire d'entrée des biens du pupille dans un délai de soixante jours dès réception de la décision. (...) A.b B., fils de C., a demandé la destitution de A. Par ordonnance de mesures préprovisionnelles du 10 juillet 2008, le Juge de paix du district de Vevey a mis fin au mandat du prénommé et désigné Me D., notaire à X., en qualité de tutrice provisoire. Le 24 juillet 2008, la Justice de paix du district de Vevey a confirmé la destitution de A., dit que celui-ci devra produire en main de l'assesseur surveillant un rapport et des comptes concernant la période durant laquelle il a exercé son mandat de tuteur provisoire (du 6 août 2007 au 10 juillet 2008) et confirmé la désignation de Me D. (...) A.c Le 3 décembre 2008, la Justice de paix a clos l'enquête tendant à l'interdiction de C., prononcé la mainlevée de la mesure de tutelle provisoire et relevé Me D. de son mandat de tutrice provisoire, institué une mesure de tutelle volontaire, au sens de l' art. 372 CC , en faveur de C. et désigné la notaire précitée en qualité de tutrice; le même jour, la Justice de paix a désigné E. aux fins d'établir les comptes de la gestion des avoirs de C. pour la période du 6 août 2007 au 10 juillet 2008 et invité A. à lui remettre toute pièce utile relative à la gestion des avoirs du pupille durant cette période. A. ayant recouru au Tribunal cantonal du canton de Vaud, le Président de la Chambre des tutelles a invité la Justice de paix le 12 février 2009 à envoyer au recourant la formule officielle de compte de tutelle avec un délai de quinze jours pour produire les comptes, à défaut de quoi l'instruction du recours serait reprise. A. ayant produit le 5 mars 2009 un état du compte du pupille relatif à la période du 1 er janvier au 28 août 2008, la Chambre des tutelles a, par arrêt du 27 avril 2009, déclaré le recours sans objet; elle a toutefois précisé qu'il appartenait à la Justice de paix d'examiner la conformité des comptes, de les approuver ou de les refuser et de les faire établir par un tiers, en rendant une nouvelle décision susceptible de recours. A.d Statuant le 16 juin 2009, la Justice de paix a refusé d'approuver les comptes produits le 5 mars 2009 par A., désigné la Fiduciaire E. afin qu'elle établisse les comptes pour la période du 6 août 2007 au 10 juillet 2008, aux frais du tuteur destitué, et invité ce dernier à remettre à la fiduciaire toutes les pièces comptables en sa possession. BGE 137 III 637 S. 639 Le 31 mars 2010, sur recours de A., la Chambre des tutelles a annulé cette décision et renvoyé la cause à la Justice de paix pour qu'elle complète l'instruction et statue à nouveau dans le sens des considérants. B. A la suite de cet arrêt, la juridiction inférieure a imparti à A. un délai au 30 juin 2010 pour produire des pièces. Par décision du 19 octobre 2010, la Justice de paix a constaté que les documents requis n'avaient pas été produits en temps utile, refusé en conséquence d'approuver les comptes de A., désigné la Fiduciaire E. aux fins d'établir les comptes pour la durée du mandat du tuteur provisoire (...), aux frais de celui-ci, et invité A. à remettre à la fiduciaire toutes les pièces comptables en sa possession. Par arrêt du 9 mars 2011 - notifié le 5 juillet suivant -, la Chambre des tutelles a confirmé cette décision. (...) Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours en matière civile formé par A. contre cet arrêt. (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.2 Contrairement à la décision qui approuve le compte final du tuteur (arrêt 5A_578/2008 du 1 er octobre 2008 consid. 1; implicitement: arrêt 5A_30/2008 précité consid. 1), celle qui refuse de l'approuver et confie à un tiers le soin de l'établir n'est pas finale au sens de l' art. 90 LTF , mais incidente au sens de l' art. 93 al. 1 LTF ; en effet, celle-ci constitue une étape vers la décision (finale) approuvant les rapport et compte final ( art. 451 CC ) et relevant de ses fonctions (art. 453 al. 1 in fine CC; sur la portée de cette décision: AFFOLTER, in Basler Kommentar, 4 e éd. 2010, n os 73 ss ad art. 451-453 CC ; GOOD, Das Ende des Amtes des Vormundes, 1992, § 7 n os 1 ss) le tuteur dont la mission a pris fin (cf. art. 445 al. 1 CC , pour la présente espèce). Le recourant affirme que l'arrêt attaqué est susceptible de lui causer un préjudice irréparable au sens de l' art. 93 al. 1 let. a LTF ; celui-ci "tient au fait que la fiduciaire tierce qui serait chargée de l'établissement des comptes de tutelle devrait être rémunérée et que la décision finale d'approbation des comptes ne pourrait pas exonérer le recourant de la prise en charge de cette rémunération". Pareille argumentation ne peut être suivie. La décision entreprise a pour effet BGE 137 III 637 S. 640 de mettre à la charge du recourant les frais d'établissement du compte final par un tiers nommé à cette fin (cf. sur cette possibilité: AFFOLTER, ibid., n° 47; GOOD, op. cit., § 8 n° 51); or, de jurisprudence constante, le fait d'être exposé au paiement d'une somme d'argent n'entraîne, en principe, aucun préjudice de cette nature (arrêt 5D_52/2010 du 10 mai 2010 consid. 1.1.1 et les citations, in SJ 2011 I p. 134). Conformément à l' art. 93 al. 3 LTF , il appartiendra au recourant de contester la mesure critiquée à l'appui d'un recours contre la décision (finale) approuvant le compte final ( art. 453 al. 1 CC ). Pour être complet, il faut ajouter que le recours ne serait pas non plus ouvert au regard de l' art. 93 al. 1 let. b LTF , dont le recourant n'établit, au demeurant, pas les conditions (cf. sur cette obligation: ATF 134 III 426 consid. 1.3.2). En effet, selon la jurisprudence, l'examen du compte final ne se limite pas à une vérification purement comptable des divers articles qui en font l'objet, "mais doit également porter sur la légitimité des mesures prises par le tuteur" ( ATF 76 II 181 p. 186). Or, la décision querellée ne comporte - et pour cause - aucune constatation sur cet aspect ( art. 105 al. 1 LTF ), de sorte que le Tribunal fédéral ne serait pas en état d'approuver lui-même le compte final.
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Sachverhalt ab Seite 499 BGE 142 III 498 S. 499 A. A.a A. (Mutter) und B. (Vater) sind die nicht verheirateten Eltern einer gemeinsamen Tochter namens C. (geb. 2009). Die Eltern leben seit 2010 getrennt; sie sind beide sorgeberechtigt und betreuen ihre Tochter seit deren Kindergarteneintritt im August 2014 je zur Hälfte. A.b Mit Schreiben vom 23. März 2015 teilte die Mutter der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern mit, sie beabsichtige den Lebensmittelpunkt nach Spanien zu verlegen. Der Vater erklärte sich mit einer Ausreise zusammen mit dem Kind nicht einverstanden. B. Mit Entscheid vom 10. Juni 2015 wies die KESB das Gesuch der Mutter um Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsortes ihrer Tochter ab. Mit Entscheid vom 21. Oktober 2015 gab das Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht (nachfolgend: Obergericht) der von der Mutter gegen den Kammerentscheid eingelegten Beschwerde nicht statt. C. Die Mutter (Beschwerdeführerin) hat am 26. November 2015 gegen den obergerichtlichen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt (...), ihr die Ausreise mit ihrer Tochter nach Spanien zu bewilligen. Eventualiter sei die Ausreise mit Auflagen zu verbinden. Subeventualiter sei der Entscheid aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...) Nach öffentlicher Beratung weist das Bundesgericht die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. (...) 4.4 Die Kriterien, die das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Obhutszuteilung im Trennungs- oder Scheidungsfall entwickelt hat, können auf die Anwendung von Art. 301a ZGB übertragen werden. Für die Neuregelung der Eltern-Kind-Verhältnisse haben die Interessen der Eltern in den Hintergrund zu treten; abzustellen ist auf die persönlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, auf ihre BGE 142 III 498 S. 500 erzieherischen Fähigkeiten und die Bereitschaft, die Kinder in eigener Obhut zu haben und sie weitgehend persönlich zu betreuen und zu pflegen, sowie auf das Bedürfnis der Kinder nach der für eine harmonische Entfaltung in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht notwendigen Stabilität der Verhältnisse, welches bei gleicher Erziehungs- und Betreuungsfähigkeit besonderes Gewicht erhält (Urteil 5A_375/2008 vom 11. August 2008 E. 2). 4.5 Im konkreten Fall haben die Parteien das Modell der hälftigen Betreuung ihrer Tochter gewählt. Beide Eltern haben bislang ihr Kind persönlich betreut und gedenken, in Zukunft zu arbeiten. Während die Beschwerdeführerin in Spanien zu 60 % einer ausserhäuslichen Arbeit nachgehen will, beabsichtigt der Beschwerdegegner zu 70-80 % als (...) tätig zu sein. Damit aber sind beide Parteien auf Fremdbetreuung angewiesen und erweist sich das Element der Eigenbetreuung als wertneutral. Die Tochter der Parteien wurde im Juni dieses Jahres sieben Jahre alt. Sie ist damit tendenziell noch personenorientiert; jedenfalls lässt sich nicht von einer gefestigten Umgebungsverbundenheit und einem Freundeskreis usw. sprechen. Auch die Einschulung dürfte erst bevorstehen und wäre grundsätzlich auch in Spanien möglich. Es ist jedoch zu beachten, dass die Beschwerdeführerin die Sprache nicht spricht, in Spanien keine Wurzeln und abgesehen von der Beziehung zur Partnerin keine Bezugspunkte zu diesem Land hat. Der vorliegende Fall, in dem die Beschwerdeführerin in ein auch für sie fremdes Land auswandert, ist nicht mit jenem vergleichbar, in dem ein Elternteil in sein Heimatland und seinen eigenen Familienkreis zurückkehren will. Im letzteren Fall sind die Kinder in aller Regel schon bisher zweisprachig aufgewachsen, mit der anderen Kultur vertraut und mit der dortigen Familie (Grosseltern, Onkeln und Tanten usw.) bekannt. Der Aspekt der Kontinuität der Verhältnisse spricht vorliegend für einen Verbleib der Tochter in der Schweiz. Die Beschwerdeführerin hält dem Beschwerdegegner vor, er könne der Tochter einen weniger stabilen Rahmen bieten; das Obergericht ist der Auffassung, dass die (bisher als Fernbeziehung geführte) Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer Partnerin in Spanien wenig gefestigt sei. Die Fachbehörden halten beide Elternteile für fähig, das Kind zu erziehen. Dieser Aspekt dürfte - soweit Prognosen überhaupt möglich sind - mit Bezug auf die Frage der Bewilligung des Wegzuges zusammen mit der Tochter in etwa wertneutral sein. Dass BGE 142 III 498 S. 501 der Vater momentan arbeitslos ist, darf keine ausschlaggebende Rolle spielen; dem Kind droht dadurch keine Gefahr. Auf der anderen Seite kann der Beschwerdeführerin weder vorgehalten werden, dass die Partnerschaft erst zwei Jahre dauert, noch dass sie noch eine Arbeitsstelle wird finden müssen: Es geht nicht um einen Wegzug ins Nichts; die Beschwerdeführerin zieht vielmehr zu ihrer Partnerin nach Spanien in deren familiäres Umfeld. In Bezug auf die Stabilität der Verhältnisse darf und muss aber im Zusammenhang mit dem Kindeswohl berücksichtigt werden, dass es sich nicht um eine registrierte Partnerschaft handelt, sodass die Beschwerdeführerin bei deren Auflösung (bzw. bei einem Scheitern des tatsächlichen Zusammenlebens, welches bislang noch nicht stattgefunden hat) ungeschützt wäre. Weil Spanien ihr selbst (auch sprachlich) ein fremdes Land ist, würde sie diesfalls wohl in die Schweiz zurückkehren, was mit einem grundsätzlich nicht wünschbaren Hin und Her für das Kind verbunden wäre. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Obergericht auch diese Aspekte als für einen Verbleib des Kindes in der Schweiz sprechend ansah. Die Tochter spricht sich für einen Verbleib in der Schweiz aus, wobei sie an beiden Elternteilen hängt und weiterhin engen Kontakt mit beiden möchte. Bei der Anhörung dürfte sie rund 6-jährig gewesen sein. Das Obergericht hat zutreffend festgehalten, sie habe sich deshalb noch kein umfassendes Bild darüber machen können, was ein Wegzug bedeuten würde. Indes spiegeln die betreffenden Äusserungen bei einem 6-jährigen Kind seine verständliche Angst, aus seiner gewohnten Umgebung herausgelöst, in ein fremdes Land geschickt zu werden und dort in einer ihm unbekannten Sprache zur Schule gehen zu müssen. Ein abrupter Wechsel an einen nicht vertrauten Ort und die Einschulung in einer unvertrauten Sprache sind nicht im Interesse des Kindes. Den bisherigen Ausführungen zufolge sind beide Elternteile nach Einschätzung der Fachstellen erziehungsgeeignet und haben dies auch langjährig durch Tat bewiesen. Weder bei einem Verbleib in der Schweiz und damit beim Beschwerdegegner noch bei einem Wegzug mit der Beschwerdeführerin droht eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls. Vor dem Hintergrund, dass die Eltern ihre Tochter bislang je hälftig betreut haben, sind nach den zutreffenden Überlegungen des Obergerichtes weitere Kriterien beizuziehen. Die vorstehend angestellten Überlegungen zum Kindeswohl sprechen überwiegend zugunsten eines Verbleibes des Kindes am bisherigen Ort. BGE 142 III 498 S. 502 4.6 Auch die übrigen, noch nicht behandelten Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen den angefochtenen Entscheid nicht als bundesrechtswidrig erscheinen: Entgegen ihrer Behauptung hat die Vorinstanz die Stossrichtung von Art. 301a ZGB richtig erkannt und hat im Ergebnis der bundesgerichtlichen Auslegung von Art. 301a ZGB entsprechend den Überlegungen des Kindeswohls den massgebenden Stellenwert eingeräumt. Aufgrund des Gesetzgebungsprozesses lässt sich auch das von der Beschwerdeführerin zum Grundsatz erklärte voraussetzungslose Zustimmungsgebot nicht vertreten. Bezüglich des von der Beschwerdeführerin angesprochenen Dreikreise-Modells, das im Ausländerrecht Anwendung findet und zwischen Ländern verschiedener Kreise unterscheidet, genügt ein Hinweis auf Art. 301 Abs. 2 lit. a ZGB . Diese Bestimmung spricht ganz allgemein vom Aufenthaltsort im Ausland und unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Ländern. Der Gesetzgeber liess sich dabei von der Überlegung leiten, dass ein Wegzug ins Ausland regelmässig zur Begründung einer ausländischen Jurisdiktion führt und sich daher die spätere Durchsetzung einer in der Schweiz getroffenen Regelung der elterlichen Sorge entsprechend schwieriger gestaltet (Botschaft des Bundesrates vom 16. November 2011 zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Elterliche Sorge], BBl 2011 9107 f. zu Art. 301a). Schliesslich lässt sich auch eine Zustimmung unter Auflagen weder mit den Materialien noch dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. 4.7 Zusammenfassend hält der angefochtene Entscheid den gesetzlichen Anforderungen von Art. 301a ZGB stand. Der Vorwurf der Verletzung von Bundesrecht erweist sich als unbegründet. (...)
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Sachverhalt ab Seite 14 BGE 144 IV 13 S. 14 A. Die A. LLC erstattete am 8. Januar 2016 Strafanzeige gegen X. Sie wirft ihm vor, er habe am 3. Juli 2013 in Basel in einem Affidavit unwahre Tatsachen notariell beurkunden lassen. Diese Urkunde sei dann in einem von C. gegen die A. LLC eingeleiteten Zivilprozess in den USA verwendet worden. Dadurch soll sich X. insbesondere des versuchten Prozessbetrugs, der Urkundenfälschung, der Erschleichung einer Falschbeurkundung, des falschen Zeugnisses und der Gehilfenschaft zu falscher Beweisaussage schuldig gemacht haben. (...) B. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt verfügte am 2. März 2016 die Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens. Die von der A. LLC dagegen erhobene Beschwerde wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 30. Juni 2017 ab. C. Die A. LLC führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Entscheid des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, eine Strafuntersuchung gegen X. zu eröffnen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) 2.2.2 Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. Nach Art. 253 StGB wird bestraft, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Die Bestimmung regelt einen Spezialfall der mittelbaren Falschbeurkundung. Die Falschbeurkundung betrifft die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der der wirkliche und der in der Urkunde BGE 144 IV 13 S. 15 enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Sie erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche nimmt die Rechtsprechung an, wenn dem Schriftstück eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihm daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen ( BGE 142 IV 119 E. 2.1; BGE 138 IV 130 E. 2.1; BGE 132 IV 12 E. 8.1). 2.2.3 Eine objektive Garantie für die Wahrheit kann sich unter anderem aus einer garantenähnlichen Stellung des Ausstellers ergeben bzw. wenn dieser in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Empfänger steht ( BGE 138 IV 130 E. 2.2.1). Keine erhöhte Glaubwürdigkeit kommt in der Regel einseitigen Erklärungen zu, welche der Aussteller in eigenem Interesse macht, etwa Selbstauskünften gegenüber Kreditinstituten (MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 104 zu Art. 251 StGB ; siehe auch DANIEL KINZER, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. II, 2017, N. 82 zu Art. 251 StGB ). Der Beschwerdegegner gab im Affidavit vom 3. Juli 2013 an, der Anlageberater von C. zu sein. Seine Erklärungen erfolgten ausschliesslich im Interesse seiner Klientin. Der Beschwerdegegner kann daher nicht als neutrale Person bezeichnet werden. Das Affidavit enthält, wie bereits die Vorinstanz zutreffend erwägt, blosse Parteibehauptungen, welchen keine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Die Ausbildung der Beschwerdegegners und der von ihm ausgeübte Beruf ändern daran nichts. Entsprechend der Darstellung der Beschwerdeführerin bewirkte die Abgabe eines Eides, dass der Zivilprozess in den USA in der Form eines "verified complaint" gegen sie habe eingeleitet werden können. Somit sei es möglich gewesen, die Phase des "pre-trial" zu überspringen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr daraus ein erheblicher Schaden entstanden sei und der Erklärung des Beschwerdegegners auch unter diesem Blickwinkel eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukomme. Dem ist nicht zu folgen. Allfällige zivilprozessuale Erleichterungen implizieren nicht, dass die im Affidavit enthaltenen Darstellungen ohne Weiteres als wahr angesehen werden. Bereits die Vorinstanz erwägt zutreffend, dass in dem Zivilprozess in den USA ein Beweisverfahren stattgefunden habe, um gerade den im Affidavit beschriebenen Sachverhalt zu überprüfen. Die Beschwerdeführerin stellt BGE 144 IV 13 S. 16 dies nicht in Abrede. Auch eine allfällige Strafbarkeit wegen Meineids im Ausland verleiht der Erklärung keine erhöhte Glaubwürdigkeit. 2.2.4 Erhöhte Glaubwürdigkeit kommt namentlich öffentlichen Urkunden zu ( BGE 110 II 1 E. 3a; BOOG, a.a.O., N. 85 zu Art. 251 StGB ). Gemäss Art. 9 Abs. 1 ZGB erbringen diese für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen wird. Die verstärkte Beweiskraft von Art. 9 Abs. 1 ZGB beschränkt sich auf diejenigen Tatsachen, die in der öffentlichen Urkunde als richtig bescheinigt werden, mithin auf das, was der Notar kraft eigener Wahrnehmung festgestellt hat oder auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen verpflichtet ist, unabhängig davon, ob er im Einzelfall die Prüfung vorgenommen hat oder nicht (STEPHAN WOLF, in: Berner Kommentar, 2012, N. 48 zu Art. 9 ZGB ). Was die Urkundsperson persönlich festzustellen hat, bestimmt im Wesentlichen das kantonale Recht (MICHEL MOOSER, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 23 zu Art. 9 ZGB ). Nicht von Art. 9 Abs. 1 ZGB erfasst ist der nicht verifizierte Inhalt eidesstattlicher Erklärungen oder von öffentlich beurkundeten Inventaren, wenn diese bloss nicht überprüfte oder nicht überprüfbare Angaben der Beteiligten wiedergeben (MOOSER, a.a.O., N. 25 zu Art. 9 ZGB ; WOLF, a.a.O., N. 50 zu Art. 9 ZGB ; anders noch Urteil 6S.258/2006 vom 3. November 2006 E. 4). Art. 253 StGB bezieht sich auf die in der Schweiz erstellten öffentlichen Urkunden. Massgebend ist somit einzig, ob diesen gemäss schweizerischem Recht erhöhte Beweiskraft zukommt. Gemäss § 46 des Notariatsgesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 18. Januar 2006 (SG 292.100) sollen Wissenserklärungen (eidesstattliche Erklärungen, Affidavits) nur beurkundet werden, wenn sie von der erklärenden Person mit Wahrheitsbekräftigung (Eid, Handgelübde) zuhanden ausländischer Empfängerinnen oder ausländischer Empfänger abgegeben werden (Abs. 1). Die erklärende Person hat vor der Notarin oder dem Notar persönlich zu erscheinen. Ihre Personalien sind zu überprüfen und in der Urkunde anzugeben. Sie ist zur Wahrheit anzuhalten. Sie hat die Wahrheitsbekräftigung in der Weise zu leisten, wie sie in der Urkunde bezeugt wird (Abs. 2). Die Notarin oder der Notar bezeugt die erfolgte Erklärungsabgabe, nicht deren Inhalt (Abs. 3). Die Erklärung ist durch die erklärende Person und die Notarin oder den Notar zu unterzeichnen (Abs. 4). Bereits aus dem kantonalen Recht ergibt sich, dass der Inhalt der Erklärung nicht Gegenstand der öffentlichen Beurkundung ist, sondern ausschliesslich BGE 144 IV 13 S. 17 der Umstand, dass ein Eid oder eine eidesstattliche Erklärung abgegeben worden ist. Der Notar überprüfte die Angaben des Beschwerdegegners auch nicht. Den Erklärungen des Beschwerdegegners kommt keine erhöhte Beweiskraft im Sinne von Art. 9 Abs. 1 ZGB zu. Der Tatbestand der Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB und Art. 253 StGB ist nicht erfüllt. Die Apostille auf einer öffentlichen Urkunde bestätigt einzig die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist (Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung [SR 0.172.030.4]). In Bezug auf den Inhalt der Urkunde und deren Beweiskraft hat die Apostille keine Bedeutung.
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Sachverhalt ab Seite 369 BGE 133 III 368 S. 369 A. Le 23 juin 2005, lors de leur assemblée générale ordinaire, les actionnaires de la Société Anonyme C. (ci-après: C.), qui a son siège à Genève, ont décidé, à la majorité de 985'543 voix contre 2'034, de réduire le capital de la société de 13'950'000 fr. à 4'068'750 fr., en application de l' art. 732 CO . La valeur nominale de chacune des 1'162'500 actions de la société a été ramenée de 12 fr. à 3 fr. 50. Le remboursement de 8 fr. 50 par titre devait s'effectuer par compensation de la créance globale des actionnaires à hauteur de 6'187'312 fr. 50, le solde de 3'693'937 fr. 50 étant versé en espèces. B. Le 5 juillet 2005, le conseil de vingt-trois actionnaires minoritaires de la société, dont A. et l'Association B. (ci-après: l'Association), qui avaient refusé la réduction du capital, a fait savoir au Préposé du registre du commerce du canton de Genève (ci-après: le Préposé) que ses clients s'opposaient, en vertu de l'art. 32 de l'ordonnance du 7 juin 1937 sur le registre du commerce (ORC; RS 221.411), à l'inscription de cette modification et qu'ils déposeraient prochainement une action en annulation de la décision prise par l'assemblée générale. Le Préposé a répondu, par courrier du même jour, qu'il prenait acte de l'opposition qu'il tenait pour valable jusqu'au 5 juillet 2006, sous réserve d'une éventuelle prolongation au-delà de cette date; il était précisé que, dans l'hypothèse où une réquisition serait déposée, les opposants se verraient impartir un délai de 20 jours pour obtenir une ordonnance provisionnelle suspendant la procédure d'inscription. Le 23 août 2005, les actionnaires minoritaires ont saisi le Tribunal de première instance du canton de Genève d'une action en annulation des décisions prises par l'assemblée générale du 23 juin 2005, dont celle portant sur la réduction du capital social. Les administrateurs de C. ont, pour leur part, fait publier dans la Feuille officielle suisse du commerce (ci-après: la FOSC) les 2, 5 et BGE 133 III 368 S. 370 6 septembre 2005 la décision de réduction du capital social; les créanciers ont été invités à produire leurs prétentions jusqu'au 7 novembre 2005. Aucun créancier ne s'est annoncé. C. Le 29 novembre 2005, les administrateurs ont requis l'inscription de la réduction du capital social au registre du commerce. Le 6 décembre 2005, le Préposé, sans inviter les opposants à agir par la voie des mesures provisionnelles, a procédé à l'inscription, qui a été publiée le 12 décembre 2005 dans la FOSC. Le 23 janvier 2006, l'avocat des opposants a demandé au Préposé d'ordonner la suspension immédiate des opérations et de procéder à la communication officielle prévue par l' art. 32 al. 2 ORC , afin qu'il puisse entreprendre valablement les démarches nécessaires. Le 27 janvier 2006, le Préposé, se fondant sur l' art. 32 ORC , a imparti aux opposants un délai de 20 jours pour obtenir du juge compétent qu'il rende une mesure provisionnelle ordonnant la rectification à titre provisoire des inscriptions au registre du commerce dans le sens d'un rétablissement de la situation dans l'état d'avant le 6 décembre 2005. Le 2 février 2006, l'avocat a protesté, en rappelant l'assurance qui lui avait été donnée, au mois de juillet 2005, de se voir impartir un délai pour s'opposer à l'inscription par la voie provisionnelle. Le 3 février 2006, le Préposé a répondu qu'il maintenait sa décision. D. Le 10 février 2006, les opposants, dont A. et l'Association, ont recouru auprès de l'Autorité cantonale de surveillance du registre du commerce (ci-après: l'Autorité de surveillance) contre les prononcés du Préposé des 27 janvier et 3 février 2006, en concluant à la radiation de l'inscription portée au registre du commerce le 6 décembre 2005 et à l'octroi d'un délai pour obtenir une ordonnance provisionnelle conformément à l' art. 32 al. 2 ORC . Le 23 mars 2006, l'Autorité de surveillance a rendu une décision d'irrecevabilité, que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours de droit administratif interjeté par A. et l'Association, a annulée par arrêt du 1 er septembre 2006. Statuant à nouveau le 23 janvier 2007, l'Autorité de surveillance a rejeté le recours interjeté contre les décisions du Préposé des 27 janvier et 3 février 2006. E. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile interjeté par A. et l'Association contre la décision de l'Autorité de surveillance. BGE 133 III 368 S. 371
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859
Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 Comme la décision attaquée a été rendue après l'entrée en vigueur, le 1 er janvier 2007 (RO 2006 p. 1242), de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110), le recours est régi par le nouveau droit ( art. 132 al. 1 LTF ). 1.2 Le recours a été interjeté, dans le délai ( art. 100 al. 1 LTF ) et la forme ( art. 42 LTF ) prévus par la loi, par les parties qui ont succombé dans leurs conclusions prises devant l'autorité précédente et qui ont un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision attaquée ( art. 76 al. 1 LTF ). Il est par ailleurs dirigé contre un jugement final ( art. 90 LTF ) qui est sujet au recours en matière civile (art. 72 al. 2 let. b ch. 2 LTF) et qui a été rendu par une autorité cantonale de dernière instance ( art. 75 LTF ). 1.3 Dans les affaires pécuniaires concernant d'autres matières que le droit du travail et le droit du bail à loyer, pour lesquelles le seuil est fixé à 15'000 fr. ( art. 74 al. 1 let. a LTF ), le recours en matière civile n'est recevable que si la valeur litigieuse s'élève au moins à 30'000 fr. 1.3.1 Sous réserve des exceptions prévues à l' art. 74 al. 2 LTF , cette exigence s'applique à toutes les affaires pécuniaires sujettes au recours en matière civile, y compris en ce qui concerne les décisions prises en application de normes de droit public dans des matières connexes au droit civil ( art. 72 al. 2 let. b LTF ). Cela vaut donc aussi pour les décisions qui, sous l'ancien droit, étaient sujettes au recours de droit administratif indépendamment de la valeur litigieuse, telles que celles rendues par les autorités cantonales de surveillance du registre du commerce ( art. 97 et 98 let . g OJ [RO 3 p. 521], art. 5 ORC ; ATF 121 III 368 consid. 1), qui ne peuvent désormais être attaquées par la voie du recours en matière civile que si la valeur litigieuse exigée par l' art. 74 al. 1 let. b LTF est atteinte, dans la mesure où il s'agit d'affaires pécuniaires (HANS PETER WALTER, Neue Zivilrechtspflege, in Neue Bundesrechtspflege, Berne 2007, p. 116). 1.3.2 Selon la jurisprudence relative à l' art. 46 OJ , l'action en annulation des décisions de l'assemblée générale ( art. 706 et 706a CO ), par laquelle il est notamment possible d'attaquer une décision de réduction du capital-actions ( art. 732 CO ), est pécuniaire (arrêt du BGE 133 III 368 S. 372 Tribunal fédéral 4C.266/1992 du 25 novembre 1992, consid. 2 non publié à l' ATF 118 II 496 ; ATF 107 II 179 consid. 1). La valeur déterminante est celle de l'intérêt de la société au maintien des décisions contestées, intérêt dont la valeur est en principe plus élevée que celle de l'intérêt personnel de l'actionnaire demandeur ( ATF 75 II 149 consid. 1; ATF 92 II 243 consid. 1b). 1.3.3 Comme l'inscription au registre du commerce de la réduction du capital-actions a un effet constitutif ( art. 647 al. 3 CO ; MANFRED Küng, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 2 e éd. 2002, n. 1 et 6 ad art. 734 CO ; WOLFHART BÜRGI, Zürcher Kommentar, vol. V/5b/2, 1969, n. 7 ad art. 734 CO ; GUILLAUME VIANIN, L'inscription au registre du commerce et ses effets, thèse Fribourg 2000, p. 268 s. et les références citées), il y a lieu de considérer que, lorsque le litige porte sur la radiation de cette inscription, la valeur litigieuse - que le Tribunal fédéral fixe selon son appréciation lorsque les conclusions ne tendent pas au paiement d'une somme d'argent déterminée ( art. 51 al. 2 LTF ) - est celle de l'intérêt de la société à l'inscription contestée. En l'espèce, comme l'a constaté l'autorité cantonale en application de l' art. 112 al. 1 let . d LTF, la valeur litigieuse est manifestement supérieure à 30'000 fr., compte tenu de la réduction du capital-actions à concurrence de 9'881'250 fr. (13'950'000 fr. - 4'068'750 fr.) objet de l'inscription contestée, si bien que le recours apparaît recevable de ce chef. 2. 2.1 Les recourants se plaignent de l'application erronée de l' art. 32 ORC et de la violation du principe de la bonne foi. Ils exposent que l' art. 32 ORC règle l'opposition de droit privé à une inscription au registre du commerce de manière différenciée selon que l'opposition est soulevée à l'encontre d'une inscription déjà opérée (al. 1) ou avant qu'une inscription ne soit opérée (al. 2), la voie des mesures provisionnelles n'étant envisageable que dans cette deuxième hypothèse. En l'espèce, la réduction du capital-actions de C. a été inscrite au registre du commerce alors même que la validité de cette décision faisait l'objet d'une action en annulation pendante, qu'une opposition anticipée à cette inscription avait été valablement formée le 5 juillet 2005 et que le Préposé avait pris acte de cette opposition anticipée en annonçant qu'il procéderait selon l' art. 32 al. 2 ORC si une réquisition d'inscription devait lui être adressée. Les recourants font valoir que dans ces circonstances, le Préposé aurait violé l' art. 32 al. 2 ORC et les règles de la bonne foi en procédant à BGE 133 III 368 S. 373 l'inscription litigieuse; il ne pouvait prétendre réparer après coup cette violation par l'invitation aux recourants d'agir par le biais de mesures provisionnelles non prévues par le droit fédéral. Selon les recourants, dès lors que l'inscription publiée le 12 décembre 2005 consacrait une violation de l' art. 32 al. 2 ORC , elle devait être annulée par la voie administrative et les recourants invités à agir selon la voie prévue par l' art. 32 al. 2 ORC . 2.2 2.2.1 Sous le titre marginal "Opposition de droit privé à une inscription", l' art. 32 ORC dispose que si des tiers forment opposition à une inscription déjà opérée, en alléguant une violation de leurs droits, le préposé les renvoie au juge, à moins qu'ils n'invoquent des dispositions que les autorités du registre du commerce doivent appliquer d'office (al. 1); si une opposition de droit privé est formée contre une inscription non encore opérée, le préposé impartit à l'opposant un délai suffisant d'après la procédure cantonale pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle, et, si le juge n'interdit pas l'inscription dans ce délai, le préposé y procède pourvu que les autres conditions requises soient remplies (al. 2). 2.2.2 L' art. 32 ORC distingue selon que l'opposition est dirigée contre une inscription déjà opérée ou seulement à venir: lorsque l'inscription n'est pas encore opérée, le préposé doit, conformément à l' art. 32 al. 2 ORC , impartir à l'opposant un délai suffisant d'après la procédure cantonale pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle; lorsque l'inscription a déjà été opérée, le préposé doit, conformément à l' art. 32 al. 1 ORC , renvoyer l'opposant au juge, pour autant que les griefs qu'il soulève doivent être invoqués par la voie judiciaire civile (VIANIN, op. cit., p. 162 s.; THOMAS SCHNEIDER, Der Rechtsschutz in Handelsregistersachen und die Entscheidungskompetenz der Handelsregisterbehörden, thèse Zurich 1960, p. 131-135; KARL REBSAMEN, Das Handelsregister, ein Handbuch für die Praxis, 2 e éd., Zurich 1999, n. 71 s. p. 17 s.). 2.2.3 La décision du préposé de passer une inscription peut faire l'objet d'un recours administratif à l'autorité de surveillance ( art. 3 al. 3 ORC ; cf. MANFRED KÜNG et al., Handbuch für das Handelsregister, Bd. 7: Kommentar zur Handelsregister-Verordnung, 2 e éd., Zurich 2002, n. 10 ad art. 3 ORC ), dans le cadre duquel il ne peut être invoqué que la violation de dispositions que le préposé doit appliquer d'office (cf. art. 32 al. 1 in fine ORC), à savoir la violation BGE 133 III 368 S. 374 de normes sur la tenue du registre - telles que les prescriptions de l' art. 32 ORC sur la procédure à suivre en cas d'opposition de droit privé (cf. ATF 81 I 394 consid. 3) - ou la violation indiscutable de normes impératives protégeant les tiers ou l'intérêt public ( ATF 114 II 68 consid. 2; VIANIN, op. cit., p. 160 s.; SCHNEIDER, op. cit., p. 124, 130 et 134). 2.2.4 L' art. 32 al. 2 ORC n'indique pas comment le préposé doit procéder lorsqu'il est saisi, comme en l'espèce, d'une opposition préventive contre une inscription qui n'a pas encore été requise. Selon REBSAMEN (op. cit., n. 71 p. 18), dans de nombreux offices du registre du commerce, en particulier dans les plus grands, le préposé impartit à l'opposant un délai pour obtenir du juge des mesures provisionnelles immédiatement après le dépôt de l'opposition, même lorsqu'il n'a encore été saisi d'aucune réquisition d'inscription. L'Office fédéral du registre du commerce expose dans ses déterminations sur le recours que plusieurs offices cantonaux du registre du commerce attendent en revanche que l'inscription litigieuse soit requise pour sommer alors l'opposant d'agir devant le juge civil. Dans la doctrine, REBSAMEN (loc. cit.) se contente, comme on l'a vu, d'évoquer la pratique des grands offices, sans se prononcer expressément. Quant à SCHNEIDER (op. cit., p. 134), il se borne à affirmer que le préposé doit fixer à l'opposant un délai en vue d'obtenir du juge une ordonnance provisionnelle immédiatement après avoir été saisi de l'opposition, mais il n'évoque pas l'hypothèse où aucune inscription n'a encore été requise. A l'instar de l'autorité cantonale dans sa décision présentement entreprise, l'Office fédéral du registre du commerce considère qu'il est plus judicieux et plus conforme à l' art. 32 al. 2 ORC pour le préposé, saisi d'une opposition contre une inscription non encore requise, de se "décharger" immédiatement du dossier en fixant d'emblée à l'opposant un délai pour saisir le juge civil, seul compétent pour prononcer la mesure provisoire de suspension de la procédure d'inscription (cf. ATF 81 I 394 consid. 3; ATF 97 II 185 consid. II.2 p. 190 s.). La question n'a toutefois pas à être tranchée ici, comme on le verra. 2.3 2.3.1 Dans le cas d'espèce, A. et l'Association ont recouru auprès de l'Autorité de surveillance contre le refus du Préposé de rapporter l'inscription opérée, en soutenant que celle-était affectée d'un vice juridique puisque, malgré leur opposition et contrairement BGE 133 III 368 S. 375 aux assurances du Préposé, celui-ci ne leur avait jamais imparti de délai pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle ( art. 32 al. 2 ORC ). Ce faisant, les recourants exercent un moyen de droit administratif dirigé contre l'inscription opérée le 6 décembre 2005, en invoquant la violation de règles que les autorités du registre du commerce doivent appliquer d'office, ce qu'il leur est loisible de faire dans ce cadre (cf. consid. 2.2.3 supra). 2.3.2 Il n'est pas nécessaire de trancher la question de savoir si le Préposé, lorsque les recourants l'ont saisi le 5 juillet 2005 d'une opposition préventive contre l'inscription de la réduction du capital-actions décidée le 23 juin 2005 par l'assemblée générale de C., aurait dû impartir aussitôt aux recourants un délai pour obtenir du juge des mesures provisionnelles, ou plutôt attendre que l'inscription en question fût requise pour procéder alors selon l' art. 32 al. 2 ORC (cf. consid. 2.2.4 supra). En effet, il est incontestable qu'en prenant d'abord acte de l'opposition préventive tout en précisant qu'il procéderait selon l' art. 32 al. 2 ORC dans l'hypothèse où une réquisition viendrait à être déposée, puis en procédant à l'inscription, une fois que celle-ci eût été requise, sans avoir invité les recourants à agir par la voie des mesures provisionnelles, le Préposé a agi contrairement aux règles de la bonne foi ( art. 9 Cst. ; cf. ATF 129 I 161 consid. 4.1), comme l'autorité cantonale l'a reconnu à juste titre. 2.4 Toutefois, contrairement à ce que soutiennent les recourants, ce vice affectant la procédure d'inscription de la réduction du capital social ne justifie pas la radiation de cette inscription. 2.4.1 En effet, une telle radiation, opérée pour des motifs procéduraux et avant droit connu sur le motif matériel de l'opposition des recourants à l'inscription litigieuse - à savoir l'action en annulation des décisions prises par l'assemblée générale de C. du 23 juin 2005 -, se heurterait à l'intérêt tant des tiers que des actionnaires au maintien de l'inscription. Comme le relève l'Office fédéral du registre du commerce dans ses déterminations sur le recours, la réinscription de l'ancien capital-actions aurait pour conséquence d'indiquer au registre du commerce un capital qui n'est en réalité pas libéré, trompant ainsi les tiers sur les fonds dont dispose réellement la société. Or l'intérêt des créanciers à pouvoir se fier à l'inscription est d'autant plus marqué que, en cas de réduction du capital-actions avec remboursement aux actionnaires, le patrimoine sur lequel la société répond de ses dettes se trouve diminué (cf. PETER FORSTMOSER/ARTHUR BGE 133 III 368 S. 376 MEIER-HAYOZ/PETER NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 53 n. 225 note 68 p. 804). Quant aux actionnaires, une fois la réduction du capital social inscrite - et donc efficace nonobstant un vice qui affecterait la procédure de réduction de capital (cf. FORSTMOSER/ MEIER-HAYOZ/NOBEL, op. cit., § 53 n. 238 et 251 p. 806 s.) -, ils doivent pouvoir être certains qu'ils peuvent disposer des fonds restitués ensuite de la réduction du capital-actions, comme le relève également à juste titre l'Office fédéral du registre du commerce dans ses déterminations. 2.4.2 L'intérêt des recourants à obtenir à ce stade, pour des motifs formels, la radiation de l'inscription de la réduction du capital social doit ainsi céder le pas devant l'intérêt prépondérant des créanciers et des actionnaires au maintien de cette inscription. Il ne faut d'ailleurs pas perdre de vue, dans la pesée des intérêts en présence, que la Cour de justice devrait prochainement statuer sur l'action en annulation des décisions prises par l'assemblée générale de C. du 23 juin 2005, qui constitue le motif matériel de l'opposition des recourants à l'inscription de la réduction du capital-actions, et que si les recourants devaient obtenir gain de cause sur le fond, cette inscription devra être rapportée (cf. ATF 116 II 713 consid. 4b; ATF 97 II 185 consid. I.2 p. 189; VIANIN, op. cit., p. 417; SCHNEIDER, op. cit., p. 309). En revanche, un rejet définitif de l'action en annulation en ce qui concerne la réduction du capital social décidée par l'assemblée générale du 23 juin 2005 viderait du même coup de sa substance l'opposition des recourants à l'inscription de cette réduction de capital.
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Sachverhalt ab Seite 305 BGE 139 III 305 S. 305 A. B. ist Kunstsammler und besitzt eine bedeutende Sammlung moderner Kunstwerke. Im Juli 1989 kaufte er (über die als Käuferin auftretende C. Limited) das Gemälde "Diener mit Samowar" (...). Das Gemälde ist ein Werk des russischen Künstlers Kasimir Malewitsch. Er hatte es in der Schaffensphase des sogenannten "Kubo-Futurismus" 1914 gemalt und es wird der russischen Avantgarde zugerechnet. Der Verkauf des Bildes erfolgte in Kommission, wobei als Verkäuferin D. von der Galerie E. in Genf auftrat. Der hinter dem BGE 139 III 305 S. 306 Verkauf stehende Veräusserer blieb B. unbekannt. Der Kaufpreis betrug 1,05 Mio. USD. Das Gemälde befindet sich bis heute im Besitz von B. B. Am 23. März 2004 klagte A. am Bezirksgericht Meilen gegen B. auf Herausgabe des erwähnten Gemäldes zu unbeschwertem Eigentum. Er machte geltend, sein Vater habe das Gemälde 1970 erworben und es sei 1978 aus der elterlichen Wohnung im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) gestohlen worden. Als Alleinerbe seiner 1985 und 1999 verstorbenen Eltern stehe ihm der Herausgabeanspruch am Gemälde zu. Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2010 ab. C. Am 30. Dezember 2010 erklärte A. Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Er verlangte die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Urteils und die Gutheissung der Klage, allenfalls die Rückweisung an das Bezirksgericht zur Neubeurteilung. Mit Urteil vom 5. April 2012 wies das Obergericht die Klage ab. D. Am 15. Mai 2012 hat A. (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und B. (Beschwerdegegner) zu verurteilen, ihm das Gemälde "Diener mit Samowar" von Kasimir Malewitsch zu unbeschwertem Eigentum herauszugeben. Eventualiter sei die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen. (...) Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Eventualiter und für den Fall der Rückweisung sei der Sachverhalt zu berichtigen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Angelegenheit an das Obergericht zu neuem Entscheid zurück. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die vorliegende Herausgabeklage untersteht Schweizer Recht (sogleich E. 3.1). Zu beurteilen ist sie - wie vor der Vorinstanz - unter dem Aspekt von Art. 934 und 936 ZGB (Besitzesrechts- oder Fahrnisklage; unten E. 3.2). Der Beschwerdeführer beruft sich nicht mehr auf Art. 641 Abs. 2 ZGB (Vindikation, Eigentumsklage), so dass diese Anspruchsgrundlage ausser Betracht bleibt. BGE 139 III 305 S. 307 3.1 Die Anwendbarkeit von Schweizer Recht stützt sich auf Art. 100 Abs. 2 IPRG (SR 291), wovon auch das Obergericht ausgegangen ist. Der Beschwerdegegner hat das Gemälde unbestrittenermassen in der Schweiz erworben (vgl. Art. 100 Abs. 1 IRPG) und es befindet sich immer noch hier. Nach Art. 100 Abs. 2 IPRG unterstehen Inhalt und Ausübung dinglicher Rechte (wozu auch die an den Besitz geknüpften Befugnisse zählen) an beweglichen Sachen dem Recht am Ort der gelegenen Sache (sog. lex rei sitae). Die Herausgabeklage richtet sich somit nach den Normen des Staates, in dem sich die herausverlangte Fahrnissache befindet, d.h. vorliegend nach Schweizer Recht (Urteil 5A_88/2011 vom 23. September 2011 E. 4; PIUS FISCH, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 55 zu Art. 100 IPRG ). 3.2 3.2.1 Gemäss Art. 934 Abs. 1 ZGB kann der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verlorengeht oder sonst wider seinen Willen abhandenkommt, sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Auf den guten Glauben des Empfängers kommt es dabei grundsätzlich nicht an (vgl. allerdings Art. 934 Abs. 2 ZGB und Art. 935 ZGB ). Für Kulturgüter im Sinne des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG; SR 444.1), das am 1. Juni 2005 in Kraft getreten ist, gilt eine einjährige relative und eine dreissigjährige absolute Verjährungsfrist ( Art. 934 Abs. 1 bis ZGB ). Vorliegend ist dieses Gesetz bzw. die dadurch bewirkte Änderung des ZGB nicht anwendbar, da der fragliche Erwerbsvorgang vor dem 1. Juni 2005 stattgefunden hat ( Art. 33 KGTG ; WOLFGANG ERNST, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 17l zu Art. 934 ZGB ; vgl. auch BGE 131 III 418 E. 3.2.2 S. 427 f.). Es bleibt somit bei der Massgeblichkeit der Fünfjahresfrist gemäss Abs. 1 von Art. 934 ZGB . Wer den Besitz einer beweglichen Sache nicht in gutem Glauben erworben hat, kann vom früheren Besitzer jederzeit auf Herausgabe belangt werden ( Art. 936 Abs. 1 ZGB ). Da die Fünfjahresfrist gemäss Art. 934 Abs. 1 ZGB längst abgelaufen ist, bleibt einzig zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer das Bild gestützt auf Art. 936 Abs. 1 ZGB herausfordern kann. Im Vordergrund steht die Frage nach dem guten Glauben des Beschwerdegegners in die Verfügungsberechtigung des Veräusserers (unten E. 5). Daneben stellen sich BGE 139 III 305 S. 308 Fragen der Aktiv- und Passivlegitimation, die vorliegend nicht abschliessend beantwortet werden können (unten E. 4 und 5.5). 3.2.2 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person knüpft, ist dessen Dasein zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ). Der Erwerber einer Sache gilt grundsätzlich als gutgläubig. Demgemäss trägt bei der Klage nach Art. 936 ZGB der frühere Besitzer die Beweislast für den bösen Glauben des Erwerbers (EMIL W. STARK, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2001, N. 6 zu Art. 936 ZGB ). Der Gutglaubensschutz versagt indessen nicht nur bei Bösgläubigkeit, sondern auch dann, wenn der gutgläubige Erwerber den Rechtsmangel nicht kennt, weil er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte ( Art. 3 Abs. 2 ZGB ). Wird nicht die nach den Umständen gebotene Aufmerksamkeit aufgewendet, zieht dies die gleichen Rechtsfolgen nach sich wie die Bösgläubigkeit. Die Nichtbeachtung der gebotenen Aufmerksamkeit ist allerdings nur von Bedeutung, wenn sie für die fehlende Kenntnis vom Rechtsmangel kausal ist; andernfalls ist sie unbeachtlich ( BGE 122 III 1 E. 2a S. 3). Auch hier obliegt die Beweislast, entsprechend der Vorschrift von Art. 8 ZGB , demjenigen, der die Sache herausverlangt. Dieser hat die Umstände nachzuweisen, aus denen er die mangelnde Aufmerksamkeit ableitet ( BGE 113 II 397 E. 2 S. 399). Rechtsfrage ist hingegen das Mass der gebotenen Aufmerksamkeit und die Frage, inwieweit der Beklagte ihr nachgekommen ist ( BGE 131 III 418 E. 2.3.1 S. 421 mit Hinweisen). Der Grad der Aufmerksamkeit, der vom Erwerber verlangt werden darf, richtet sich nach den Umständen. Was dies im Einzelfall bedeutet, ist weitgehend eine Ermessensfrage ( Art. 4 ZGB ; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 421 f.). In die Abwägung einzubeziehen ist insbesondere eine in der betreffenden Branche herrschende Verkehrsübung, wobei allenfalls übliche Nachlässigkeiten nicht zu einer Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen führen können ( BGE 113 II 397 E. 2b S. 399). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht keine allgemeine Erkundigungspflicht des Erwerbers nach dem Vorliegen der Verfügungsmacht des Veräusserers; nur wenn konkrete Verdachtsgründe vorliegen, müssen die näheren Umstände abgeklärt werden ( BGE 122 III 1 E. 2a/aa S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422; je mit Hinweisen). Höhere Anforderungen sind an jene Geschäftszweige zu stellen, die dem Angebot von Waren BGE 139 III 305 S. 309 zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind, wie es beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall ist ( BGE 113 II 397 E. 2b S. 399 f.). Auch wenn damit keine generelle Erkundigungspflicht statuiert wird, ergibt sich in diesen Fällen eine Abklärungs- bzw. Erkundigungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräusserers nicht erst bei konkretem Verdacht des Rechtsmangels, sondern bereits, wenn aufgrund der Umstände Anlass zu Misstrauen besteht ( BGE 122 III 1 E. 2a/aa S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422). Diese erhöhten Sorgfaltsanforderungen beschränken sich nicht auf den Händler im kaufmännischen Verkehr; entscheidend ist vielmehr die Branchenvertrautheit des Erwerbers ( BGE 131 III 418 E. 2.3.2 S. 422; BGE 122 III 1 E. 2a/bb S. 4 und E. 2b/aa S. 5; vgl. auch BGE 119 II 23 E. 3c/aa S. 27). 4. 4.1 Das Obergericht hat in einem ersten Schritt die Aktivlegitimation des Beschwerdeführers bejaht. Dazu genüge der frühere selbständige oder unselbständige Besitz des Beschwerdeführers und das unfreiwillige Abhandenkommen desselben. Auf eine weitergehende Berechtigung des Beschwerdeführers an der Sache komme es jedoch nicht an. Ob solcher Besitz vorhanden gewesen sei, entscheide sich nach schweizerischem Recht. Der Beschwerdegegner wendet sich gegen diese Erwägungen. Dabei weist er zu Recht darauf hin, dass sich der Besitzerwerb des Vaters des Beschwerdeführers in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach dem damaligen Lageort des Bildes, d.h. nach russischem bzw. sowjetischem Recht richten würde. Nach der Rechtsprechung zum vor 1989 geltenden internationalen Privatrecht der Schweiz (vgl. Art. 196 IPRG ), die in Art. 100 Abs. 1 IPRG kodifiziert wurde, unterstehen Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Staates, in dem die Sache im Zeitpunkt des Vorgangs liegt, aus dem Erwerb oder Verlust hergeleitet werden. Dieses Prinzip gilt nicht nur für den Erwerb dinglicher Rechte, sondern auch des Besitzes (Urteile 5A_88/2011 vom 23. September 2011 E. 4; 5C.16/1998 vom 28. Mai 1998 E. 3c/bb; STARK, a.a.O., N. 74 vor Art. 930-937 ZGB ). Der Beschwerdegegner bestreitet zwar die tatsächlichen Grundlagen des Besitzes des Beschwerdeführers bzw. dessen Vaters (dazu sogleich). Für den Fall, dass diese Einwände unbegründet sein sollten, behauptet er aber nicht, dass das BGE 139 III 305 S. 310 russische bzw. das damalige sowjetische Recht keinen Tatbestand des Besitzes kenne oder gekannt habe, den der Vater des Beschwerdeführers erfüllt hätte (vgl. Art. 96 lit. b BGG und Art. 16 IPRG ). Nach der Verbringung des Gemäldes in die Schweiz bestimmen sich der Inhalt und die Ausübung des früheren Besitzes nach Schweizer Recht (vgl. Art. 100 Abs. 2 IPRG ; STARK, a.a.O., N. 81 f. vor Art. 930-937 ZGB ), womit dem ehemaligen Besitzer die Klage nach Art. 934 und 936 ZGB zur Verfügung steht. Auf die allfällige Berechtigung des Beschwerdeführers (oder seines Vaters) am Bild, die sich nach russischem bzw. sowjetischem Recht richten würde, kommt es entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners für die Frage der Aktivlegitimation zur Klage nach Art. 936 Abs. 1 ZGB zunächst nicht an. Die Behauptung, dass das angeblich bereits im Jahre 1917 erstmals abhandengekommene Gemälde seither in Russland bzw. der Sowjetunion nie habe gutgläubig erworben werden können, beschlägt die Frage des Eigentums bzw. der Einrede gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB . Dazu hat sich die Vorinstanz noch nicht geäussert. In tatsächlicher Hinsicht hat das Obergericht festgehalten, der Vater des Beschwerdeführers habe das fragliche Bild um 1973/74 besessen. Dies ergebe sich einerseits aus der Aussage des Zeugen F., denn dieser habe das Bild damals in der Wohnung des Vaters gesehen. Dass F. sich - wie in einem Schreiben von 1975 belegt - nicht mehr an die genaue Beschaffenheit des Gemäldes erinnern konnte, ändere nichts an seiner Glaubwürdigkeit, zumal er in einem Werkkatalog dokumentiert habe, dass sich das Bild im Besitz der Familie des Beschwerdeführers befunden habe. Andererseits diene die für den Erwerb vorgelegte Urkunde vom 19. September 1970 als Indiz für den Besitz, auch wenn sie bestenfalls eine Quittung darstelle (Bestätigung des Verkaufs des Gemäldes durch G. an den Vater des Beschwerdeführers). Der Beschwerdegegner bestreitet diese Erwägungen, setzt ihnen aber einzig seine eigene Interpretation des fraglichen Schreibens von F. entgegen und geht auf die Quittung inhaltlich nicht näher ein. Damit vermag er keine Willkür bei der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Gestützt auf zwei Strafurteile des Wyborg-Bezirksgerichts von Leningrad aus den Jahren 1979 und 1983 hat das Obergericht sodann den Diebstahl des Gemäldes aus der Wohnung der Eltern des Beschwerdeführers im Jahre 1978 als nachgewiesen erachtet. Der Beschwerdegegner zieht in erster Linie die Echtheit der Urteile in Zweifel, doch BGE 139 III 305 S. 311 nennt er keinen Anhaltspunkt, weshalb die vorliegenden Dokumente gefälscht sein sollen. Nicht willkürlich ist es, wenn das Obergericht aus der Tatsache, dass das Wyborg-Bezirksgericht auf ein Auskunftsbegehren des Bezirksgerichts Meilen nicht reagiert hat, nichts Nachteiliges abgeleitet hat. Die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer Alleinerbe seiner Eltern ist, wird vor Bundesgericht nicht angefochten. 4.2 Unklar ist die Haltung der Vorinstanz zur Frage, ob der Beschwerdegegner überhaupt von einem Nichtberechtigten erworben hat. Der gute oder böse Glaube, auf den es vorliegend ankommt, bezieht sich auf die Berechtigung des Veräusserers, über die Sache zu verfügen. Wenn diese Berechtigung gegeben ist, so hat der Käufer von einem Berechtigten erworben und das Wissen oder Wissenmüssen um das frühere Abhandenkommen ist - unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs - bedeutungslos (vgl. STARK, a.a.O., N. 17 zu Art. 936 ZGB ). Auf Sachverhaltsebene konnte insoweit einzig erstellt werden, dass der Veräusserer dem Beschwerdegegner gegenüber anonym blieb und das Gemälde im Zeitpunkt des Kaufs (1989) bereits mehrere Jahre im Safe einer Genfer Bank lag. Wie es dorthin gelangte, wurde nicht geklärt. Das Bezirksgericht ist davon ausgegangen, der Beschwerdegegner habe diesbezüglich die Verfügungsberechtigung des Verkäufers nicht rechtsgenüglich behauptet. Das Obergericht hat Erwägungen dazu angestellt, was gälte, wenn einige Äusserungen des Beschwerdegegners allenfalls doch als sinngemässe Behauptung aufgefasst würden. Es hat dazu jedoch nicht klar Stellung genommen. Dies war auch nicht erforderlich, da es die Klage aus anderem Grunde abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer bezeichnet die obergerichtlichen Erwägungen als versteckte Alternativbegründung und greift sie inhaltlich an. Da die Auffassung des Obergerichts unklar ist, kann das Bundesgericht zu ihr und zu den diesbezüglichen Beschwerdegründen derzeit keine Stellung nehmen. Soweit die damit verbundenen Fragen entscheidwesentlich werden, wird das Obergericht darüber in eindeutiger Weise zu befinden haben ( Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG ; vgl. unten E. 5.5). 5. Für den Fall, dass ein Erwerb von einem Nichtberechtigten vorliege, ist das Obergericht zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdegegner den Rechtsmangel weder kannte noch kennen musste. Die getroffenen Vorsichtsmassnahmen hat es als genügend erachtet. BGE 139 III 305 S. 312 5.1 Zunächst steht für das Obergericht fest, dass der Beschwerdegegner nicht tatsächlich vom Diebstahl oder dem Mangel der Verfügungsbefugnis des Veräusserers wusste. Insbesondere hätten ihm weder die Familie des Beschwerdeführers, die der Beschwerdegegner im Jahre 1988 in Leningrad besucht und deren Kunstsammlung er besichtigt habe, Entsprechendes mitgeteilt, noch habe sich die vom Beschwerdegegner beigezogene Expertin H. in diesem Sinne geäussert. Die Umstände des Kaufes hätten sodann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit zu Misstrauen Anlass gegeben. Das umstrittene Gemälde "Diener mit Samowar" von Kasimir Malewitsch sei zum Zeitpunkt des Kaufs durch den Beschwerdegegner zwar in einem schlechten Zustand gewesen und ungerahmt verkauft worden, doch habe nicht nachgewiesen werden können, dass es aus dem Rahmen geschnitten worden sei. Zur Marktsituation hat das Obergericht festgestellt, es sei im Jahre 1989 selten gewesen, dass ein Originalgemälde von Malewitsch auf dem Markt auftauche. Vor dem Erwerb habe der Beschwerdegegner das Bild durch H., die eine Kennerin der russischen Avantgarde sei, auf seine Echtheit hin prüfen lassen. H. habe die Prüfung bei der Bank, wo das Bild lagerte, vorgenommen und sie habe es als echt beurteilt. Zudem habe sie dem Beschwerdegegner ein ihr zugetragenes Gerücht mitgeteilt, wonach sich auf dem Markt ein gestohlenes Bild von Malewitsch befinde. Das Obergericht hat jedoch als nicht erstellt erachtet, dass H. das Gerücht klar auf das Bild "Diener mit Samowar" bezogen oder dem Beschwerdegegner diesbezüglich einen Rat erteilt habe. Auch hinsichtlich der Verkäuferseite hat das Obergericht keine Vorbehalte angebracht: Erworben habe der Beschwerdegegner das Bild über die Galerie E. in Genf und unter Einbezug der Galerie I., wobei die Rolle der letztgenannten Galerie vom Obergericht nicht genauer erläutert wird. Die Galerien hätten keinen unseriösen oder schlechten Ruf gehabt. Allerdings hätte die Galerie E. damals finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Auf russische Kunst sei die Galerie E. zwar nicht spezialisiert gewesen, sie habe aber einen gewissen Bezug dazu gehabt, auch wenn nicht klar sei, ob dieser Bezug zur Kunst der russischen Avantgarde bestanden habe. Sporadisch habe die Galerie E. zudem auch Kunst im Hochpreissegment angeboten. Ein Bezug zur russischen Kunst habe sodann über J. von der Galerie I. bestanden. Gemäss Kaufvertrag sei D. von der Galerie E. als Verkäuferin aufgetreten, wobei sie als Kommissionärin gehandelt habe. Dass sie BGE 139 III 305 S. 313 nicht Eigentümerin des Bildes gewesen sei, sei dem Beschwerdegegner bekannt gewesen. Der Beschwerdegegner habe nämlich vor Kaufvertragsabschluss über J. von der Galerie I. eine Bestätigung von D. über das Verfügungsrecht des Veräusserers einholen lassen. Darin habe D. bestätigt, dass ihr der aktuelle Eigentümer des Bildes zugesichert habe, dass er der einzige und alleinige Besitzer des Bildes sei, sich das Bild seit mehreren Jahren in einem Banktresor befinde und der Eigentümer des Bildes der Bank folglich seit mehreren Jahren bekannt sei. Im Kaufvertrag habe D. sodann die Echtheit des Bildes garantiert und dass sie als Verkäuferin berechtigt und in der Lage sei, das Eigentum am Bild rechtmässig im Sinne von Art. 641 ff. ZGB zu übertragen. Zu den Gepflogenheiten auf dem Kunstmarkt hat das Obergericht festgestellt, es sei zum damaligen Zeitpunkt nicht unüblich gewesen, dass der wahre Veräusserer dem Erwerber unbekannt geblieben sei. Der Kaufpreis von 1,05 Mio. USD sei nicht ungewöhnlich niedrig. Ausserdem habe das Auktionshaus K. in Genf im Mai 1989 das fragliche Gemälde zunächst für 1 Mio. USD kaufen wollen, den zugesicherten Erwerb dann aber abgelehnt (an anderer Stelle spricht das Obergericht von der geplanten Aufnahme des Gemäldes in eine Auktion). Die Ablehnung des Kaufs sei dem Beschwerdegegner bekannt gewesen. Er habe daraufhin mit L., dem damaligen Leiter von K. Schweiz, Kontakt aufgenommen. Aufgrund der im Recht liegenden Korrespondenz sei davon auszugehen, dass K. vom Geschäft absah, weil die sowjetischen Behörden den Kauf nicht bewilligen würden, da das Bild die Sowjetunion illegal verlassen habe, und K. die Kontakte zur Sowjetunion nicht gefährden wollte. Damit sei für den Beschwerdegegner eine nachvollziehbare Erklärung für den Rücktritt von K. vom Kauf vorgelegen. Tatsächlich sei es - so das Obergericht - im fraglichen Zeitraum verboten gewesen, russische Bilder, die vor 1945 entstanden seien, aus der Sowjetunion zu exportieren. Der Beschwerdegegner habe um die Illegalität der Ausfuhr gewusst. Unbestritten geblieben sei, dass der Beschwerdegegner sich bei Interpol nach dem Bild erkundigt habe. Da die Sowjetunion 1989 nicht Mitglied von Interpol gewesen sei, sei die Erkundigung ergebnislos geblieben. Nicht nachgewiesen erschien dem Obergericht die Behauptung des Beschwerdegegners, dass sich D. vor dem Verkauf bei der sowjetischen Botschaft telefonisch nach dem Bild erkundigt habe, wobei sich keine Hinweise auf Rechtsmängel ergeben hätten. Nach Einschätzung des Obergerichts seien weitere BGE 139 III 305 S. 314 Vorsichtsmassnahmen unnötig gewesen bzw. hätten nicht zur Aufdeckung des Rechtsmangels geführt. 5.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Beschwerdegegner nicht effektiv um den Rechtsmangel wusste. Zu prüfen ist hingegen, ob der Beschwerdegegner genügend Sorgfalt hat walten lassen, so dass er sich auf seinen guten Glauben berufen darf. 5.2.1 Dabei ist die Vorinstanz grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Sorgfaltsanforderungen im Jahre 1989 nicht danach bestimmt werden können, was heute über den Umfang des unrechtmässigen Entzugs von Kunst und Kulturgütern in den Staaten des ehemaligen Ostblocks bekannt ist. In diesem Sinne ist das Ergebnis des Beweisverfahrens zu berücksichtigen, wonach 1989 in der Kunstbranche bzw. allgemein nicht bekannt gewesen sei, dass aus der Sowjetunion geschmuggelte Kunst in der Regel geraubt oder sonst wie dem Eigentümer abhandengekommen sei, während nach heutigem Wissensstand eine solche Vermutung naheliege. Ebenso ist in diesem Rahmen der auf ein Gutachten gestützte Schluss des Obergerichts zu würdigen, wonach Provenienzabklärungen 1989 zwar üblich gewesen seien, sie sich aber auf die Echtheit und allfällige renommierte Vorbesitzer des Kaufobjekts konzentriert hätten und sich ihr Inhalt erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Aufkommen der Raubkunstdiskussion auf die Klärung der Verfügungsberechtigung verschoben habe. Der Beschwerdeführer greift die Feststellungen über das Erfahrungswissen im Jahre 1989 nicht inhaltlich an (zur Kritik an der Person des Gutachters unten E. 5.2.5), macht jedoch geltend, der Kunsthandel sei ganz allgemein ein Geschäftszweig im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sei. Das Obergericht hat jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz angenommen, dass der spezifische, in Frage stehende Markt (Verkauf von Werken der klassischen Moderne aus der Sowjetunion im Westen vor der Wende) in besonderem Masse dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft ausgesetzt sei, sondern die Vorinstanzen haben sich für die Abklärung dieser Frage auf ein Gutachten stützen müssen, welches zum Schluss gekommen ist, dass dies - nach damaligem Kenntnisstand - nicht der Fall gewesen sei. Insoweit geht es nicht um einen Schluss aus der allgemeinen Lebenserfahrung, der für das Bundesgericht frei BGE 139 III 305 S. 315 überprüfbar wäre ( BGE 130 III 182 E. 5.5.2 S. 192 mit Hinweisen), sondern um Beweiswürdigung (vgl. zur Abgrenzung HANS PETER WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 99 ff. zu Art. 8 ZGB ). Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Ob nach heutigem Kenntnisstand ein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz für Teile des Kunsthandels aufgestellt werden müsste, braucht nicht beurteilt zu werden (vgl. dazu REGULA BERGER-RÖTHLISBERGER, Sorgfalt bei der Übertragung und beim Erwerb von Kulturgütern, 2009, S. 148 f.; CHARLOTTE WIESER, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage, 2004, S. 96 f.). 5.2.2 Zur Person des Beschwerdegegners hat das Obergericht festgehalten, er sei zwar kein Kunsthändler, aber ein angesehener Kunstsammler und Inhaber einer bedeutenden Sammlung moderner Kunst. Daraus hat das Obergericht zu Recht abgeleitet, er sei als mit der Kunstbranche vertraut zu betrachten. Entgegen dem, was der Beschwerdegegner vorbringt, ist seine Branchenvertrautheit für die an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen von Bedeutung, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob er Kunsthändler ist oder nicht (vgl. oben E. 3.2 am Ende). 5.2.3 Aus dem Gesagten folgt, dass zwar - nach damaligem Kenntnisstand - kein Markt vorlag, auf dem in erhöhtem Masse mit zweifelhaften Gegenständen gerechnet werden musste. Für die Frage, ob dem Beschwerdegegner Verdachtsgründe erkennbar waren, ist jedoch seine Branchenvertrautheit zu berücksichtigen. Es ist demnach zu untersuchen, ob ihm die nachgewiesenen Umstände Anlass zu entsprechendem Verdacht hätten sein müssen. 5.2.4 Für diese Beurteilung von entscheidender Bedeutung ist die Warnung von H., dass sich ein gestohlenes Bild von Malewitsch auf dem Markt befinde. Darin könnte ein Umstand liegen, der den Beschwerdegegner zu weiteren Vorsichtsmassnahmen hätte veranlassen müssen. Dabei ist eine vom Bundesgericht nur unter Willkürgesichtspunkten zu prüfende Tatfrage ( Art. 97 Abs. 1 BGG ), was H. dem Beschwerdegegner gesagt und was der Beschwerdegegner effektiv verstanden hat; hingegen ist eine frei zu prüfende Rechtsfrage, wie er ihre Aussagen verstehen durfte und musste und welche Bedeutung die festgestellten Aussagen für die nach Art. 3 Abs. 2 ZGB massgeblichen Umstände und seinen guten Glauben aufweisen. BGE 139 III 305 S. 316 Zunächst ist auf die Verwertbarkeit der Aussagen von H., ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen einzugehen. Das Obergericht und das Bezirksgericht, auf dessen Ausführungen das Obergericht verweist, haben sich zu diesen Themen einlässlich geäussert. Beide Instanzen gingen davon aus, es bestehe kein Grund zur Annahme, dass H. aufgrund ihrer vorprozessualen Befragung im Jahre 2002 (pre-trial discovery des US-amerikanischen Rechts) anlässlich der nachfolgenden, rechtshilfeweisen Einvernahme im Jahre 2009, auf die es entscheidend ankomme, nicht mehr frei und unbefangen geantwortet hätte. Das Obergericht berücksichtigte zudem, dass auch weitere vorprozessuale Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und H. aktenkundig seien. Ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage sah das Obergericht jedoch nicht beeinträchtigt. Insbesondere wies es darauf hin, dass H. auch auf eindringliches Befragen hin gegenüber ihrer spontanen Aussage keine relevanten Zugeständnisse gemacht habe und dass ihre Aussagen hinsichtlich der Mitteilung eines Gerüchts einheitlich seien, auch wenn sich in ihren Aussagen im Übrigen Widersprüche fänden. Der Beschwerdegegner hält ihre Aussagen wegen der Kontakte des Beschwerdeführers zu ihr nach wie vor für unverwertbar und sie seien auch widersprüchlich. Auch unter Beachtung der Vorbringen in der Beschwerdeantwort besteht jedoch kein Anlass, auf die Frage der Verwertbarkeit und der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit zurückzukommen. Es ist insbesondere weder ersichtlich, dass die Vorinstanz § 148 der Zürcher Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 (ehemals LS 271) betreffend freie Beweiswürdigung willkürlich angewandt hätte noch dass sich das Obergericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von unhaltbaren Kriterien leiten liess. Aufgrund der vorinstanzlichen Beweiswürdigung steht fest, dass H. den Beschwerdegegner im Zusammenhang mit der Mitteilung ihres Prüfberichts (über die Echtheit des Gemäldes) über ein Gerücht informierte, dass sich auf dem Markt ein gestohlenes Malewitsch-Bild befinde. Die Behauptung des Beschwerdegegners mag zwar zutreffen, dass er (der Beschwerdegegner) vor Gericht zu Protokoll gegeben habe, von H. kein solches Gerücht vernommen zu haben, doch lässt dies die gegenteilige obergerichtliche Beweiswürdigung nicht als willkürlich erscheinen. Das Obergericht hat weiter erwogen, es sei allerdings nicht erstellt, dass H. das Gerücht klar auf das Bild "Diener mit Samowar" bezogen habe oder dass sie den Beschwerdegegner darauf hingewiesen oder ihm einen Rat gegeben BGE 139 III 305 S. 317 habe. Der Beschwerdeführer rügt dies als willkürlich und verweist auf zahlreiche Belegstellen aus der Einvernahme vom 11. August 2009. Eine Sachverhaltsergänzung und Behandlung der verschiedenen zitierten Belegstellen erweist sich als unnötig. Bereits auf Grundlage des vom Obergericht festgestellten Sachverhalts lässt sich die Rechtsfrage behandeln, wie der Beschwerdegegner die Äusserung von H. verstehen durfte und musste. Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer nicht bestreitet, dass H. dem Beschwerdegegner keinen ausdrücklichen Rat gab, z.B. Recherchen zu betreiben oder vom Kauf Abstand zu nehmen. Zu prüfen ist, ob die Mitteilung des Gerüchts, dass sich auf dem Markt ein gestohlenes Gemälde von Malewitsch befinde, ernsthaft und konkret genug war, um beim Beschwerdegegner einen hinreichenden Verdacht zu wecken und ihn zu verstärkter Vorsicht anzuhalten, d.h. ob er auch von sich aus, gestützt auf den allgemein gehaltenen Hinweis durch H., darauf hätte schliessen sollen, dass es sich beim Bild "Diener mit Samowar" um das gestohlene Gemälde handeln könnte. Dazu ist von Bedeutung, dass er das Gerücht nicht aus irgendeiner Quelle vernommen hat, sondern von einer Kunstexpertin, die er als seine Vertrauensperson zur Prüfung der Echtheit des Gemäldes "Diener mit Samowar" ausgesucht hatte. Sie erwähnte das Gerücht auch nicht irgendwann, sondern im Rahmen einer Beratung über ein konkretes Gemälde von Malewitsch. Insoweit durfte und musste der Beschwerdegegner davon ausgehen, dass sie ihm nicht irgendwelche unhaltbaren Gerüchte erzählen wird, die mit dem Gegenstand ihres Gesprächs nichts zu tun haben, sondern mit der Information einen Zweck verfolgte und sie selber der Meinung war, dass das fragliche Bild Gegenstand des Gerüchts sein könnte. Wäre sie nicht dieser Auffassung gewesen, so hätte sie keinen Anlass gehabt, ihm das Gerücht überhaupt mitzuteilen, oder dann nur in dem Sinne, dass zwar ein Gerücht zirkuliere, er sich davon aber keinesfalls verunsichern lassen solle, da es aus diesem oder jenem Grunde ausgeschlossen sei, dass das Bild "Diener mit Samowar" gemeint sei. Ein Bezug zwischen der Mitteilung des Gerüchts und dem streitgegenständlichen Bild ergibt sich somit ohne weiteres aus den Umständen. Dies gilt umso mehr, als es nach den obergerichtlichen Feststellungen selten war, dass ein Originalgemälde von Malewitsch auf dem Markt angeboten wurde. Das Gerücht konnte sich demnach nicht ebenso gut auf unzählige andere Werke Malewitschs beziehen, BGE 139 III 305 S. 318 die gerade im Handel waren. Folglich lagen genügend konkrete Verdachtsmomente vor, die den Beschwerdegegner zu weiteren Abklärungen hätten veranlassen müssen. 5.2.5 Bei diesem Ergebnis ist nicht nötig, im Einzelnen auf die ausufernde Kritik des Beschwerdeführers am angefochtenen Urteil und seinen Versuch einzugehen, zahlreiche weitere Umstände ebenfalls als Verdachtselemente hinzustellen. Umgekehrt vermögen diese Nebenumstände allerdings auch nicht, den durch das Gerücht entstandenen Verdacht von vornherein zu entkräften. Auf diese Umstände und die entsprechenden Rügen ist nachfolgend insoweit einzugehen, wie zur Darstellung der Gesamtzusammenhänge geboten: Die Vorinstanz hat kein Verdachtsmoment darin gesehen, dass D. als Kommissionärin handelte und dem Beschwerdegegner die Identität des wahren Veräusserers unbekannt blieb. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden. Die Schlussfolgerung basiert auf der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellung, dass dies im Kunsthandel 1989 üblich war, und diese Feststellung stützt sich auf die Aussage von L. als Zeuge und auf ein Gutachten. Der Beschwerdeführer erachtet das Abstellen auf das Gutachten als willkürlich, da der Gutachter aufgrund seines Alters (Jahrgang 1970) kein eigenes Erfahrungswissen über den Kunsthandel im Jahre 1989 gehabt habe und sich deshalb auf Literaturrecherchen stützen musste. Mit diesem Einwand hat sich das Bezirksgericht bereits in seinem Zirkulationsbeschluss vom 31. August 2009 befasst. Es hat ausgeführt, dies schliesse nicht aus, dass er anderweitig die nötigen Kenntnisse habe. So ergebe sich aus den Publikationen des Gutachters eine vertiefte Beschäftigung mit dem Kunsthandel der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. Das Obergericht hat ergänzt, als Direktor eines Auktionshauses sei der Gutachter prädestiniert zur Beantwortung von Fragen, was im Kunsthandel üblich gewesen sei. Diese Überlegungen halten vor Bundesrecht stand, abgesehen davon, dass das Gutachterergebnis auch durch die Aussage von L. gestützt wird, die der Beschwerdeführer nicht angreift. Anlass zu Verdacht sieht der Beschwerdeführer auch im damaligen Zustand des Gemäldes. Da das Obergericht zwar ausgeführt hat, der Zustand des Bildes sei schlecht gewesen, aber nicht näher erläutert hat, inwiefern der Zustand des Bildes schlecht gewesen ist, und auch der Beschwerdeführer dies nicht tut, kann er daraus auch nicht ableiten, dass kein redlicher Verkäufer ein solches Werk in einem BGE 139 III 305 S. 319 derart schlechten Zustand anbieten würde. Entgegen seinen Behauptungen ergibt sich weder aus dem Ergänzungsgutachten, dass das Bild aus dem Rahmen geschnitten war, noch hat der Beschwerdegegner solches zugestanden, denn die vom Beschwerdeführer zitierte Aussage hat der Beschwerdegegner bereits wenig später relativiert, worauf bereits das Bezirksgericht hingewiesen hat. Auch aus der Lagerung in einem Safe kann nicht ohne weiteres gegen die Seriosität des Verkäufers geschlossen werden. Dass die Bedingungen dort nicht ideal waren, mag zutreffen oder nicht, stellt aber jedenfalls eine unbelegte Tatsachenbehauptung dar. Auch die Einwände gegen D. und ihre Galerie überzeugen nicht. Inwieweit die finanziellen Probleme von D. dem Beschwerdegegner zum damaligen Zeitpunkt bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, legt der Beschwerdeführer nicht dar, so dass er auch daraus nichts ableiten kann. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sich der gute Glaube auf den Kaufzeitpunkt bezieht und nicht darauf, welche zusätzlichen Umstände im Nachhinein allenfalls bekannt oder erkennbar werden. Wenn der Beschwerdeführer zudem geltend macht, die Galerie sei nicht auf russische Avantgarde spezialisiert gewesen und der Verkaufspreis des Bildes "Diener mit Samowar" sei weit höher als derjenige bisher verkaufter Werke, so unterstellt er damit - selbst wenn die Behauptungen zutreffen sollten - jede Erweiterung des Geschäftsfelds einem unzulässigen Pauschalverdacht. Auch die Kenntnis um die illegale Ausfuhr aus der Sowjetunion ist kein Verdachtsmoment, dies wenigstens dann nicht, wenn eine legale Ausfuhr - wie vorliegend - auch für den Berechtigten nicht möglich wäre (vgl. BGE 131 III 418 E. 2.4.4 S. 423 ff.; BGE 123 II 134 E. 6 S. 141 f.; Urteil 5C.16/1998 vom 28. Mai 1998 E. 4.d/cc, in: SJ 1999 I S. 1). Nach wie vor macht der Beschwerdeführer geltend, das Gemälde sei zu einem auffällig tiefen Preis verkauft worden. Er will auf ein Privatgutachten abstellen, das den damaligen Wert auf 4 bis 5 Mio. USD veranschlagt, übergeht aber die zutreffende vorinstanzliche Auffassung, dass es sich dabei nicht um ein Beweismittel handle (vgl. BGE 132 III 83 E. 3.5 S. 88). Soweit er nach wie vor das Gerichtsgutachten zu dieser Frage in Zweifel zieht und dessen Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit bestreitet, so ist daran zu erinnern, dass sich bereits das Bezirksgericht (auf dessen BGE 139 III 305 S. 320 Erwägungen das Obergericht verweist) mit entsprechenden Einwänden befasst und begründet hat, weshalb nach Einholung des Ergänzungsgutachtens dennoch der Schätzung des Gerichtsgutachters gefolgt werden könne. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die gerichtliche Begründung den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV (Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs) nicht genügt. Dies ist nicht der Fall, denn das Bezirksgericht hat dargelegt, wieso es das Ergänzungsgutachten für genügend begründet hält, nämlich deshalb, weil dem Gericht plausibel gemacht worden sei, woraus der Gutachter seine Schlüsse gezogen habe. Es ist nicht nötig, dass es die Begründung des Gutachters im Urteil noch einmal wiedergibt (vgl. zu den Begründungsanforderungen BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). Das Obergericht ist auch deshalb davon ausgegangen, dass der Kaufpreis des Bildes nicht auffällig tief gewesen sei, weil zuvor vorgesehen war, dass K. es zu einem Preis von 1 Mio. USD kaufe. Der Beschwerdeführer bestreitet dies mit einem Hinweis auf eine protokollierte Aussage von D., wonach nicht K. diesen Preis offeriert habe, sondern der anonyme Veräusserer ihn verlangt habe, womit daraus für den wahren Wert nichts abgeleitet werden könne. Das Bezirksgericht hat allerdings festgestellt, dass K. diesen Preis offeriert habe. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er habe diese Tatsachenfeststellung bereits vor Obergericht angefochten. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen würde, ändert dies allerdings nichts daran, dass für die Schätzung - ohne in Willkür zu verfallen - auf das Gutachten abgestellt werden durfte. Auf die Frage, wie die Absage von K. zu werten ist, wird im Zusammenhang mit den vom Beschwerdegegner getroffenen Vorsichtsmassnahmen einzugehen sein (unten E. 5.3.2). 5.2.6 Der vorinstanzlichen Auffassung, in den festgestellten Umständen des Kaufs weder einzeln noch gesamthaft einen Anlass zu Misstrauen in die Verfügungsberechtigung des Veräusserers zu sehen, kann demnach nicht gefolgt werden. Die Mitteilung des Gerüchts durch H. musste dem Beschwerdegegner bereits genügend Anstoss zu entsprechenden Vorsichtsmassnahmen sein, auch wenn die übrigen festgestellten Umstände keine weiteren Verdachtsmomente darstellen (vgl. zur Absage von K. allerdings noch unten E. 5.3.2). 5.3 Demnach ist nachfolgend auf die vom Beschwerdegegner getroffenen Vorsichtsmassnahmen einzugehen und zu untersuchen, ob sie BGE 139 III 305 S. 321 angesichts des im Raum stehenden Verdachts als genügend erachtet werden können. Der Beschwerdeführer hält die ergriffenen Massnahmen für ungenügend und sieht in ihren Ergebnissen teilweise sogar Anlass zu weiterem Misstrauen. 5.3.1 Das Obergericht hat dem Beschwerdegegner als Vorsichtsmassnahme angerechnet, dass er zwei Bestätigungen von D. erhalten hat: Zunächst hat sie J. von der Galerie I., die für den Beschwerdegegner angefragt hatte, bestätigt, dass ihr der aktuelle Eigentümer des Bildes zugesichert habe, der einzige und alleinige Besitzer des Bildes zu sein und dass dieser Besitzer das Bild seit Jahren in den Safes derselben Bank aufbewahre, und dass der Besitzer der Bank folglich seit Jahren bekannt sei. Im Kaufvertrag garantierte D. zudem, dass sie als Verkäuferin berechtigt und in der Lage sei, das Eigentum am Bild rechtmässig gemäss Art. 641 ff. ZGB zu übertragen. Der Beschwerdeführer sieht in der zweifachen Bestätigung eine Überbetonung der Verfügungsberechtigung und damit ein weiteres Verdachtselement. Die Glaubwürdigkeit der Bestätigungen sei zudem gering, da D. aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten und der anfallenden Verkaufsprovision ein Interesse an der Durchführung des Verkaufs gehabt habe. Es ist zwar denkbar, dass im Einzelfall eine Überbetonung der Verfügungsberechtigung verdächtig sein kann (STARK, a.a.O., N. 52a zu Art. 933 ZGB ). Eine solche liegt jedoch nicht vor, zumal D. die separate Bestätigung nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz gerade auf indirekte Anfrage des Beschwerdegegners (über J. von der Galerie I.) verfasst hatte. Zugleich sind die Bestätigungen aber nicht geeignet, die Zweifel zu zerstreuen, die der Beschwerdegegner nach Kenntnisnahme des Gerüchts haben musste. Dazu sind sie zu rudimentär und unbestimmt und sie erschöpfen sich in unbelegten und in für den Beschwerdegegner nicht nachprüfbaren Behauptungen von D. oder des hinter ihr stehenden, anonym bleibenden Verkäufers, dessen Angaben von D. übernommen wurden. Auch wenn D. von der Richtigkeit ihrer Bestätigungen ausgegangen sein sollte, ändert dies nichts daran, dass sich der Beschwerdegegner mit ihnen nicht zufrieden geben durfte. 5.3.2 Als weitere Vorsichtsmassnahme hat das Obergericht dem Beschwerdegegner angerechnet, dass er mit L., dem damaligen Leiter von K. Schweiz, Kontakt aufgenommen habe, nachdem er erfahren hatte, dass K. die Aufnahme des Bildes in eine Auktion abgelehnt BGE 139 III 305 S. 322 hatte. Das Auktionshaus habe vom Kauf abgesehen, weil die sowjetischen Behörden aufgrund der illegalen Ausfuhr des Bildes diesen nicht bewilligen könnten und K. die guten Kontakte zur Sowjetunion nicht habe gefährden wollen. Damit habe für den Beschwerdegegner eine nachvollziehbare Erklärung für den Rücktritt von K. von der Kaufzusicherung vorgelegen. Der Beschwerdeführer kritisiert zu Recht die vorinstanzliche Schlussfolgerung, der Beschwerdegegner habe eine nachvollziehbare Erklärung (nämlich die Opposition der sowjetischen Botschaft wegen der illegalen Ausfuhr) für den Rücktritt von K. vom Kauf des Gemäldes erhalten. Die Vorinstanz hat nämlich selber festgestellt, dass der damalige Leiter von K. Schweiz, L., zwar bestätigen könne, dass er einmal ein Gespräch mit dem Beschwerdegegner über ein Malewitsch-Bild geführt habe. An den Zeitpunkt und an den genauen Inhalt konnte er sich aber nicht erinnern. Zwar durfte die Vorinstanz angesichts der im Recht liegenden Akten ohne Willkür zum Schluss kommen, dass K. den Kauf aus den genannten Gründen abgelehnt hatte, nämlich weil sich die sowjetischen Behörden aufgrund der illegalen Ausfuhr dem Geschäft widersetzten und K. die guten Kontakte zur Sowjetunion erhalten wollte. Da über den Zeitpunkt und den Inhalt des Gesprächs zwischen L. und dem Beschwerdegegner nichts Genaueres bekannt ist, kann es jedoch nicht als Vorsichtsmassnahme gewertet werden. Selbst wenn der Beschwerdegegner die genannte Auskunft über die Gründe für den Rückzug von K. noch vor dem Erwerb erhalten haben sollte, so wäre damit hinsichtlich des Gerüchts, dass sich ein gestohlenes Bild von Malewitsch auf dem Markt befinde, weder in die eine noch in die andere Richtung etwas gewonnen. Die angebliche Auskunft hätte einzig das zusätzliche Verdachtsmoment entkräftet, das durch den Rückzug eines renommierten Auktionshauses vom Kauf bzw. der Aufnahme des Gemäldes in eine Auktion entstehen musste. Zwar erwähnt das Obergericht die Aussage von L., dass er nicht gewusst habe, dass das Bild gestohlen gewesen sei. Dass auch dies Gegenstand des Gesprächs mit dem Beschwerdegegner gewesen sei bzw. dass Letzterer L. auf das Gerücht angesprochen hätte, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. 5.3.3 Zu einer Anfrage des Beschwerdegegners bei Interpol hat das Obergericht Folgendes erwogen: Im Beweisverfahren sei nicht geklärt worden, ob sich der Beschwerdegegner vor dem Kauf BGE 139 III 305 S. 323 bestätigen liess, dass bei Interpol keine Informationen über das Bild vorliegen. Auf die Abklärung im Beweisverfahren sei verzichtet worden, da der Beschwerdeführer davon ausgehe, eine solche Anfrage wäre wertlos gewesen, da Russland (recte wohl: die Sowjetunion) 1989 noch nicht Mitglied von Interpol gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe allerdings nicht bestritten, dass der Beschwerdegegner bei Interpol angefragt habe. Im Übrigen hätten schriftliche Anfragen des Bezirksgerichts beim Bundesamt für Polizei ergeben, dass das fragliche Gemälde 1989 weder bei Interpol noch im Art Loss Register verzeichnet gewesen sei. Es erübrigt sich, auf diese nicht restlos klaren und vor Bundesgericht von beiden Parteien bestrittenen Ausführungen einzugehen. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass es sich bei einer Anfrage an Interpol um ein grundsätzlich taugliches Abklärungsmittel gehandelt hätte, so wäre diese Massnahme nach Erhalt eines negativen Ergebnisses für sich allein ungenügend gewesen, um das Gerücht als widerlegt erachten zu dürfen, denn es kann verschiedenste Gründe geben, wieso das Gemälde bei Interpol nicht verzeichnet war. 5.3.4 Der Beschwerdegegner hatte ausserdem vorgebracht, D. habe vor dem Verkauf bei der sowjetischen Botschaft telefonisch Erkundigungen über das Bild eingeholt und dabei keine Hinweise auf einen Rechtsmangel erhalten. Das Obergericht ist zum Schluss gekommen, der Nachweis für diese Anfrage und die entsprechende Antwort habe nicht erbracht werden können. Der Beschwerdegegner wirft dem Obergericht diesbezüglich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung vor. Er beschränkt sich aber darauf, die vom Obergericht herangezogenen Beweismittel und Umstände aus eigener Sicht zu würdigen. Unter Willkürgesichtspunkten ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht nicht auf die Aussage von D. abgestellt hat, weil sie nicht mehr sagen konnte, mit wem sie gesprochen haben will, und weil sie am Ausgang des Verfahrens ein Eigeninteresse haben könnte. Ebenso wenig ist zu beanstanden, wenn es die schriftliche Bestätigung des Gesprächs als wenig verlässlich bezeichnet hat, woran auch nichts ändert, wenn auf dem Schriftstück ein Datum - entgegen der obergerichtlichen Feststellung - teilweise leserlich sein sollte. Soweit der Beschwerdegegner zudem geltend macht, der Sachverhalt sei gar nicht rechtzeitig bestritten worden, beschlägt diese Frage kantonales Recht, dessen Verletzung allerdings nicht substantiiert gerügt wird. BGE 139 III 305 S. 324 Das Obergericht hat des Weiteren ausgeführt, es lasse sich nicht erstellen, dass eine Erkundigung bei der sowjetischen Botschaft in Bern die deliktische Herkunft des Bildes ans Tageslicht gebracht hätte. Dass sowjetische Behörden aufgrund der ergangenen Strafurteile um den Diebstahl wussten, bedeute nicht, dass die Botschaft dieses Wissen auch gehabt habe. Dies wird vom Beschwerdeführer als willkürlich gerügt. Wenn er davon ausgeht, der Kulturattaché der Botschaft, M., habe über das Bild "Bescheid gewusst" und er (der Beschwerdeführer) sich dazu erneut auf die Korrespondenz von K. stützt (vgl. oben E. 5.3.2), so interpretiert er diese bloss in seinem Sinne, was keine Willkür belegt. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, selbst wenn die Botschaft keine Kenntnis vom Diebstahl gehabt haben sollte, so wären ihr die erforderlichen Kanäle offengestanden, um Nachforschungen anzustellen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, rechtzeitig Entsprechendes vor den Vorinstanzen behauptet zu haben, zumal es nicht als notorisch gelten kann, dass jede Botschaft in ihrem Heimatland jede beliebige Information erhältlich machen kann. Zudem ist wenig einsichtig, weshalb sie dazu überhaupt hätte Hand bieten sollen, nachdem sie sich ja bereits wegen der illegalen Ausfuhr einem Verkauf im Ausland widersetzt hatte (oben E. 5.3.2). 5.3.5 Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdegegner angesichts des im Raume stehenden Gerüchts, das er ernst nehmen musste, zu wenige Vorsichtsmassnahmen ergriffen hat, die zur Abklärung des Wahrheitsgehalts des Gerüchts tauglich erschienen. Bevor daraus Konsequenzen für den guten Glauben gezogen werden können, muss jedoch untersucht werden, ob es überhaupt taugliche und zumutbare Nachforschungsmöglichkeiten gegeben hätte. Darauf ist nachfolgend einzugehen. 5.4 5.4.1 Das Obergericht hat verneint, dass es entsprechende Massnahmen gegeben hätte, die der Beschwerdegegner hätte ergreifen müssen. Zunächst sei es nicht der Fall, dass der Beschwerdegegner bei H. nicht nur die Echtheit, sondern auch die Provenienz des Bildes hätte abklären müssen. H. habe in ihrer Zeugenaussage zwar einige mögliche Malewitsch-Sachverständige genannt. Ihrer Aussage lasse sich aber nicht entnehmen, was sie bei einem Auftrag zur Provenienzabklärung konkret unternommen und welche Personen sie befragt hätte. Sie habe auch nicht sagen können, welchen Kenntnisstand die BGE 139 III 305 S. 325 von ihr genannten Personen gehabt hätten. Es bleibe somit unklar, ob sie zu weiteren Erkenntnissen gelangt wäre. Das Obergericht ist sodann auf die Aussage einer weiteren Zeugin eingegangen, nämlich von N., einer Kennerin von Malewitsch und der russischen Avantgarde. Sie habe erklärt, dass sie vom Diebstahl gewusst habe und dass der Diebstahl in russischen Zeitungen ca. 1978 erwähnt worden und in Expertenkreisen bekannt gewesen sei. Gemäss ihrer Einschätzung hätte der Beschwerdegegner vom Diebstahl erfahren, wenn er sich an sie gewandt hätte. Das Obergericht hat jedoch erwogen, angesichts der vom Beschwerdegegner bereits getroffenen Massnahmen und angesichts der im Jahre 1989 eingeschränkten Möglichkeiten im Rahmen von Interpol und Registersuche sei davon auszugehen, dass vom Beschwerdegegner eine Kontaktaufnahme mit der ihm unbekannten N. nicht erwartet werden konnte und ausserhalb seiner Sorgfaltspflichten lag. Auch nicht ersichtlich sei, wie sich der Beschwerdegegner über die russischen Zeitungsberichte von 1978 oder bei Experten im Osten hätte erkundigen können. Umstritten war schliesslich auch, ob der Zürcher Galerist O. vom Diebstahl wusste. Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, dass H. das Gerücht über den Diebstahl von ihm gehört habe und dass sein Name dem Beschwerdegegner gegenüber erwähnt worden sei, so dass eine Nachfrage bei ihm den Diebstahl ans Licht gebracht hätte. Das Obergericht hat dazu erwogen, Entsprechendes sei vom Beschwerdeführer zu spät behauptet worden. Ergänzend hat es festgehalten, dass die Aussagen von H. insoweit widersprüchlich seien, da sie in der ersten Befragung (2002) erklärt habe, nicht zu wissen, woher sie vom Gerücht erfahren habe, und erst in der zweiten Befragung (2009) den Namen O. erwähnt habe. 5.4.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf aus der Unterlassung von Nachforschungen nur dann das Fehlen des guten Glaubens abgeleitet werden, wenn die betreffenden Vorkehren voraussichtlich zur Entdeckung des mangelnden Verfügungsrechts des Veräusserers geführt hätten (vgl. BGE 100 II 8 E. 4b S. 16; BGE 122 III 1 E. 2a S. 3; BGE 131 III 418 E. 2.3.4 S. 423; STARK, a.a.O., N. 51 zu Art. 933 ZGB ). Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass die in Betracht fallende Nachforschungsmassnahme objektiv geeignet sein muss, den Mangel in der Verfügungsbefugnis zu entdecken (SIBYLLE HOFER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 122 f. zu Art. 3 ZGB ). BGE 139 III 305 S. 326 5.4.3 Vorliegend steht die Frage im Vordergrund, ob der Beschwerdegegner H. oder andere Experten mit weitergehenden Abklärungen hätte betrauen müssen. Dies ist entgegen der Beurteilung des Obergerichts der Fall. Nachdem der Beschwerdegegner von H., die er selber als Kunstexpertin beigezogen hatte, von einem Gerücht über ein sich angeblich auf dem Markt befindliches, gestohlenes Bild von Malewitsch vernommen hatte, wäre kaum eine Massnahme näher gelegen, als H. oder eine andere sachverständige Person um nähere Auskunft über dieses Gerücht bzw. um entsprechende Recherchen zu bitten. Dabei ist nicht von Belang, welche konkreten Massnahmen H. getroffen hätte; über diese kann im Nachhinein ohnehin nur spekuliert werden. Es spielt auch keine Rolle, dass er N. (eine Expertin, welcher der Diebstahl nachgewiesenermassen bekannt war) nicht kannte. Es genügt, dass zum damaligen Zeitpunkt aus objektiver Sicht der Beizug eines oder mehrerer Experten eine geeignete (wenn nicht sogar die am besten geeignete) und zumutbare Massnahme gewesen wäre, um Näheres über dieses Gerücht und allfällige Mängel der Verfügungsbefugnis des Veräusserers zu erfahren. Dabei war dem Beschwerdegegner zumindest H. als Expertin bekannt, die ihn - falls sie einen entsprechenden Auftrag nicht hätte selber erledigen oder der Beschwerdegegner jemand anderes damit hätte betrauen wollen - ohne weiteres an weitere Experten hätte verweisen können, soweit er solche als Kunstsammler nicht ohnehin kannte. Auf das hypothetische Ergebnis solcher Nachforschungen kommt es hingegen insofern nicht an, als es durchaus sein kann, dass die Nachforschungen das Gerücht und dessen Bezug auf das Bild "Diener mit Samowar" nicht erhärtet hätten. Der Beschwerdegegner hätte sich dann auf diese Auskünfte verlassen dürfen, selbst wenn sie objektiv falsch gewesen wären. Hätten sich seine Bedenken deswegen zerstreut und auch zerstreuen dürfen, so wäre sein guter Glaube zu schützen gewesen, da er alle gebotene Sorgfalt zur Abklärung des Gerüchts aufgewendet hätte. Hätte sich hingegen herausgestellt, dass sich das Gerücht tatsächlich auf das Bild "Diener mit Samowar" bezieht, so hätte der Beschwerdegegner - wenn er unter diesen Umständen nicht vom Kauf Abstand nehmen wollte - einen konkreten Nachweis dafür verlangen müssen, dass der Veräusserer trotz des früheren Diebstahls des Werks verfügungsberechtigt ist (z.B. durch gutgläubigen Erwerb im Ausland). BGE 139 III 305 S. 327 Dass der Beschwerdegegner diese als geeignet erscheinende und zumutbare Massnahme nicht ergriffen hat, muss dazu führen, dass er sich nicht auf seinen guten Glauben berufen kann. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen. 5.5 Allerdings kann das Bundesgericht derzeit nicht in der Sache selbst entscheiden. Vielmehr ist die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen ( Art. 107 Abs. 2 BGG ). Das Obergericht wird sich zur Frage der Nichtberechtigung des Veräusserers (oben E. 4.2) zu äussern haben und zu allfälligen Einreden gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB (oben E. 4.1), sofern diese ordnungsgemäss in den kantonalen Prozess eingeführt worden sein sollten.
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Erwägungen ab Seite 747 BGE 132 III 747 S. 747 Dai considerandi: 1. Il 24 novembre 2005 X. SA ha notificato ad A. la disdetta - per mora nel pagamento delle pigioni, ex art. 257d CO - del contratto di locazione relativo all'appartamento da lui occupato con effetto al 31 dicembre 2005 ( art. 64 cpv. 2 OG ). La disdetta non è stata contestata. Non avendo A. provveduto a lasciare i locali entro il termine assegnato, il 9 gennaio 2006 X. SA si è rivolta alla Pretura del Distretto di Lugano, sezione 4, onde ottenerne lo sfratto. Invano. Con decreto del 19 gennaio seguente la giudice adita ha infatti respinto l'istanza in ordine, siccome non preceduta da un tentativo di conciliazione dinanzi all'autorità competente, in contrasto con quanto stabilito dalla giurisprudenza relativa all'art. 274 segg. CO. 2. L'impugnativa interposta dalla soccombente è stata respinta dalla II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino il 6 febbraio 2006. Come la giudice di primo grado, anche la massima istanza ticinese ha stabilito che - eccezion fatta per il caso, in concreto non BGE 132 III 747 S. 748 realizzato, in cui sollevare il difetto di conciliazione preliminare costituisca un abuso di diritto o un formalismo eccessivo - la procedura di sfratto successiva a una disdetta per mora del conduttore ex art. 257d CO sottostà all' art. 274a cpv. 1 lett. b CO e dunque all'obbligo della conciliazione preliminare innanzi all'Ufficio di conciliazione competente. Donde la reiezione dell'appello e la conferma della pronunzia pretorile. 3. Con ricorso per riforma del 9 marzo 2006 X. SA postula la modifica della sentenza cantonale nel senso di accogliere l'appello e, di conseguenza, l'istanza di sfratto. Seppur invitato a determinarsi, A. non ha introdotto un allegato di risposta. 4. Il Tribunale federale si pronuncia d'ufficio e con pieno potere d'esame sull'ammissibilità del rimedio esperito ( DTF 131 III 667 consid. 1). 4.1 In primo luogo si pone il quesito di sapere se la decisione criticata sia impugnabile mediante ricorso per riforma. 4.1.1 In virtù del principio sancito dall' art. 274 CO - per il quale spetta ai Cantoni il compito di designare le autorità competenti e stabilire la procedura applicabile in materia di locazione, entro i limiti posti dagli art. 274a-274g CO - i Cantoni sono liberi di sottoporre lo sfratto a una procedura ordinaria, accelerata o sommaria, così come sono liberi di accordare alla pronunzia di sfratto carattere definitivo o provvisorio ( DTF 122 III 92 consid. 2b pag. 94). Ora, nel Cantone Ticino la procedura di sfratto è disciplinata nel Libro IV, Capitolo IV ( art. 506-509 CPC /TI), intitolato "procedura sommaria per lo sfratto dei conduttori". Tale denominazione non è tuttavia determinante per la qualificazione della decisione emanata in esito a tale procedura; in una sentenza inedita del 13 novembre 1978 (nella causa C.240/78) successivamente riconfermata, il Tribunale federale ha infatti chiaramente stabilito che la sentenza emanata dall'ultima istanza cantonale nell'ambito della "procedura sommaria per lo sfratto dei conduttori" secondo il diritto ticinese non configura un provvedimento cautelare bensì ha carattere definitivo. Ne discende che le decisioni emanate in esito a tale procedura sono di principio impugnabili mediante ricorso per riforma al Tribunale federale. 4.1.2 Giusta l' art. 48 cpv. 1 OG il ricorso per riforma è di regola ammissibile solamente contro le decisioni finali emanate BGE 132 III 747 S. 749 dall'ultima autorità cantonale. A differenza di quanto vale nel quadro del ricorso di diritto pubblico, dove è considerata finale ogni decisione che pone fine al processo, sia mediante un giudizio di merito sia per ragioni di ordine procedurale ( DTF 128 I 215 consid. 2), nel quadro del ricorso per riforma sono reputate finali le decisioni che mettono fine alla lite siccome statuiscono sul merito della pretesa oppure rifiutano di giudicarla per motivi che escludono definitivamente che essa possa venir nuovamente fatta valere fra le medesime parti ( DTF 128 III 250 consid. 1b con rinvii; cfr. anche BERNARD CORBOZ, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in: SJ 2000 I pag. 1-75, in particolare 6-7). La sentenza impugnata, con la quale la domanda di sfratto è stata respinta "in ordine", non rientra in questa categoria. In essa la Corte cantonale non si è infatti nemmeno chinata sui requisiti dello sfratto, cosicché non può trattarsi di una decisione di merito. Inoltre, il suo rifiuto di esaminare la domanda di sfratto non impedisce all'attrice di avviare una nuova (identica) procedura di sfratto nei confronti del convenuto; le impone però di farlo dinanzi ad un'altra autorità, quella di conciliazione, la cui competenza deriva - secondo la Corte cantonale - dalla normativa federale e segnatamente dagli art. 274 segg. CO. Tenuto conto di quanto appena esposto, la pronunzia in oggetto non può essere considerata finale ai sensi dell' art. 48 cpv. 1 OG . 4.2 Ciò non comporta tuttavia l'inammissibilità del ricorso per riforma. 4.2.1 Il Tribunale federale ha infatti già avuto modo di precisare che una decisione di irricevibilità fondata su norme federali di competenza - come è in sostanza quella in esame - può, in determinati casi, essere oggetto di un ricorso per riforma anche quando non ha per conseguenza la perdita del diritto materiale. Ciò è segnatamente il caso quando è litigiosa la facoltà, regolata dal diritto federale, di procedere in un determinato modo. In queste circostanze la parte attrice ha il diritto di sapere se la legislazione federale permette ai Cantoni di respingere una domanda presentata in una determinata forma (sentenza 4C.255/1995 del 4 gennaio 1996, consid. 1, pubblicata in Rep 1996 pag. 27). Inoltre, la dottrina deduce dal principio secondo cui una decisione finale sussiste unicamente quando la parte non può più presentare la medesima azione perché essa è stata respinta nel merito o per BGE 132 III 747 S. 750 ragioni procedurali, che una decisione di irricevibilità - sempre fondata su norme federali di competenza - senza perdita definitiva del diritto materiale può in ogni caso essere impugnata giusta l' art. 49 OG (JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, n. 1.1.4.2 ad art. 48 OG e n. 1.2 ad art. 49 OG ). 4.2.2 Ne discende che la decisione impugnata può essere trattata alla stregua di una decisione pregiudiziale sulla competenza materiale, direttamente impugnabile con ricorso per riforma al Tribunale federale giusta l' art. 49 cpv. 1 OG siccome fondata su norme del diritto federale. 4.3 Interposto in tempo utile ( art. 54 cpv. 1 OG ) dalla parte soccombente contro una decisione di ultima istanza emanata in una causa civile di carattere pecuniario, il cui valore litigioso davanti all'ultima istanza cantonale era superiore a fr. 8'000.- ( art. 46 OG ; per la determinazione del valore litigioso cfr. DTF 111 II 284 consid. 1), il ricorso per riforma soddisfa anche gli ulteriori requisiti di ricevibilità. 5. Si può pertanto passare all'esame del merito della vertenza. 5.1 Come già esposto al primo considerando, preso atto del fatto che il convenuto - al quale era stata notificata una disdetta per mora nel pagamento delle pigioni ex art. 257d CO , rimasta incontestata - non aveva provveduto a liberare i locali entro il termine assegnato, l'attrice ne ha domandato lo sfratto. L' art. 267 cpv. 1 CO stabilisce infatti che alla fine della locazione il conduttore è tenuto a restituire la cosa locata nello stato risultante da un uso conforme al contratto. Se non lo fa, il locatore può chiedere lo sfratto, ovvero il suo allontanamento forzato. In altre parole, la procedura di sfratto mira ad ottenere dal conduttore la riconsegna dei locali che continua ad occupare nonostante la locazione sia giunta al termine. L'attuale controversia verte sulla questione di sapere se tale procedura, di per sé soggiacente al diritto cantonale, debba - in virtù del diritto federale - venir avviata mediante una domanda di conciliazione. 5.2 Richiamato il principio secondo cui ogni contestazione riguardante contratti di locazione di locali di abitazione deve obbligatoriamente essere oggetto di una procedura di conciliazione preliminare, in una sentenza inedita del 2 giugno 2004 (4C.17/2004, consid. 3.3.1 BGE 132 III 747 S. 751 con rinvii), citata dai giudici ticinesi, il Tribunale federale ha stabilito che tale obbligo vige anche nel caso di una procedura di sfratto successiva a una disdetta ordinaria. La questione di sapere se lo stesso valga in caso di disdetta straordinaria per mora del conduttore nel pagamento delle pigioni ( art. 257d CO ) è invece stata lasciata aperta. 5.3 Nella pronunzia impugnata la II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino ha risolto affermativamente tale questione. Alla luce della giurisprudenza del Tribunale federale appena evocata, le autorità giudiziarie cantonali sono infatti giunte, in pratica, alla conclusione che la procedura sommaria per lo sfratto dei conduttori istituita dal diritto processuale ticinese, in virtù della quale il locatore può domandare direttamente lo sfratto al pretore, è in contrasto con il diritto federale, ragione per cui esse impongono in ogni caso l'esperimento di conciliazione prima di adire il giudice, anche qualora - come nella fattispecie in rassegna - la domanda di sfratto segua una disdetta straordinaria per mora del conduttore ex art. 257d CO (cfr. anche BRUNO COCCHI/FRANCESCO TREZZINI, Codice di procedura civile ticinese massimato e commentato, Appendice 2000/2004, Lugano 2005, n. 36 ad art. 506 CPC /TI e nota a pié di pagine n. 615). 5.4 L'attrice contesta questa decisione. A suo modo di vedere la giurisprudenza del Tribunale federale, riferita a una procedura di sfratto successiva a una disdetta ordinaria, non potrebbe infatti venir automaticamente estesa al caso - differente - di una procedura di sfratto successiva a una disdetta straordinaria ex art. 257d CO . La tesi ricorsuale è pertinente. 6. È questa l'occasione per precisare la giurisprudenza posta a fondamento della pronunzia criticata. 6.1 È vero che dall' art. 274a cpv. 1 CO , che impone ai Cantoni di istituire autorità di conciliazione incaricate di cercare d'indurre le parti all'intesa in caso di litigio ( art. 274a cpv. 1 lett. b CO ), si può dedurre che, qualora vi sia un litigio in materia di locazione, vige l'obbligo di adire preventivamente l'Ufficio di conciliazione (cfr. DTF 118 II 307 ). È altrettanto vero che la procedura di sfratto successiva a una disdetta straordinaria per mancato pagamento delle pigioni BGE 132 III 747 S. 752 configura un litigio relativo all'esecuzione di un'obbligazione derivante dal contratto di locazione, segnatamente l'obbligo di restituire la cosa locata alla fine della locazione ( art. 267 cpv. 1 CO ). A prima vista si potrebbe dunque ritenere che - come nel caso di una procedura di sfratto successiva a una disdetta ordinaria - si tratti di una controversia per la quale il tentativo di conciliazione è obbligatorio in virtù del diritto federale ( art. 274a cpv. 1 lett. b CO ). 6.2 Sennonché lo stesso legislatore ha posto un limite al principio del tentativo di conciliazione obbligatorio in caso di sfratto all'art. 274a cpv. 1 lett. d CO, laddove si legge che le autorità di conciliazione "trasmettono le richieste del conduttore all'autorità competente qualora sia pendente un procedimento di sfratto". Il termine "trasmettere" sta infatti a indicare che l'autorità di conciliazione non deve occuparsi della vertenza, ovvero non deve tentare una conciliazione, bensì limitarsi a inviare i documenti "all'autorità competente". Dai termini adottati nel testo di legge si può desumere che l'intenzione del legislatore fosse quella di operare una distinzione fra la procedura relativa ai litigi in materia di locazione - che prevede prima il tentativo di conciliazione e solo dopo l'intervento del giudice - e la procedura di sfratto, ragione per cui quest'ultima può, in determinati casi, sfuggire alla regola generale del tentativo di conciliazione preliminare. 6.3 Questa conclusione trova conforto e concretizzazione nell' art. 274g CO . L' art. 274g cpv. 1 CO stabilisce che se il conduttore contesta una disdetta straordinaria notificatagli per uno dei motivi elencati alle lettere a-d del medesimo capoverso - fra cui vi è appunto la disdetta straordinaria per mora del conduttore (art. 257d) - quando è pendente contro di lui un procedimento di sfratto, l'autorità competente in materia di sfratto esamina pure le obiezioni di diritto materiale, vale a dire le questioni concernenti il litigio in materia di locazione. In altre parole, nei casi di disdetta elencati dall'art. 274g cpv. 1 lett. a-d CO la competenza dell'autorità dello sfratto prevale su quella dell'autorità di conciliazione. La scelta del legislatore di utilizzare l'espressione "autorità competente in materia di sfratto" indica inoltre che tale autorità non è il "giudice" di cui all' art. 274d cpv. 3 e 274f CO ; si tratta quindi, BGE 132 III 747 S. 753 chiaramente, di una procedura diversa da quella prevista dagli art. 274a segg. CO (prima autorità di conciliazione e poi giudice). L' art. 274g cpv. 3 CO , giusta il quale "se il conduttore si rivolge all'autorità di conciliazione, questa trasmette la richiesta all'autorità competente in materia di sfratto", fornisce un'ulteriore conferma; in questo caso infatti non vi è esperimento di conciliazione bensì solo trasmissione e la competenza dell'autorità in materia di sfratto esclude quella dell'autorità di conciliazione. 6.4 Da tutto quanto appena esposto si deve concludere che, allorquando ha introdotto gli art. 274a segg. CO, e in particolare l' art. 274g CO , la volontà del legislatore era quella di prevedere una procedura speciale per lo sfratto successivo a una disdetta straordinaria per uno dei motivi elencati all' art. 274g cpv. 1 lett. a-b CO , una procedura diversa da quella generalmente applicabile ai litigi in materia di locazione - fra cui vi è lo sfratto successivo a una disdetta ordinaria - e che sfugge alla regola generale dell'esperimento di conciliazione preliminare. In contrasto con quanto ritenuto dai giudici cantonali, dunque, nessuna disposizione di diritto federale impone di adire preventivamente l'autorità di conciliazione nella procedura di sfratto susseguente alla disdetta straordinaria per mora del conduttore ex art. 257d CO . La questione di sapere se i Cantoni possano, ciononostante, prevedere un simile obbligo nella loro regolamentazione non necessita di essere esaminata in questa sede, poiché la decisione impugnata si fonda esclusivamente sulla normativa federale. 6.5 In accoglimento del ricorso per riforma, la sentenza impugnata deve pertanto venir annullata.
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Sachverhalt ab Seite 460 BGE 94 I 459 S. 460 Résumé des faits La loi valaisanne du 2 février 1961 "sur les améliorations foncières et les autres mesures en faveur de l'économie agricole" (LAF) dispose en son article 58, relatif à la Commission cantonale de recours (CCR): "La Commission tranche sans appel, les parties entendues ou dûment convoquées, les cas qui lui sont soumis. Les recours contre le nouvel état en matière de remaniement parcellaire sont, sauf erreur matérielle constatée, résolus par une indemnité en argent, à l'exclusion d'une compensation en terram. ..." La Bourgeoisie de Dorénaz, propriétaire de vingt parcelles dans le périmètre du remaniement parcellaire de la commune, s'est vu attribuer trois parcelles dans le projet de nouvel état, mis à l'enquête publique du 22 août au 10 septembre 1966. Parmi les surfaces attribuées dans la région des "Ilettes" se trouvaient notamment deux anciennes parcelles dont les propriétaires demandèrent, par la voie de la réclamation, qu'elles leur restent attribuées dans le nouvel état. La Commission d'exécution fit droit à leur demande. La Bourgeoisie recourut à la CCR afin d'obtenir que sa parcelle des Ilettes soit replacée dans l'état prévu par le premier projet mis à l'enquête le 22 août 1966; à l'appui de sa demande, elle soutenait entre autres qu'il y avait erreur manifeste dans la confection du nouveau plan et se plaignait de ce que la nouvelle répartition l'empêchait de réaliser ses projets d'aménagement de places d'utilité publique. Son recours fut écarté le 11 août 1967. Agissant par la voie du recours de droit public, la Bourgeoisie de Dorénaz requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision de la CCR du 11 août 1967.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. La recourante conclut à l'annulation de la décision prise par la CCR le 11 août 1967, laquelle aurait, selon ses dires, commis un acte d'arbitraire et une inégalité de traitement en appliquant les dispositions cantonales, et violé également la garantie constitutionnelle de la propriété. Son recours, déposé dans le délai et motivé conformément aux exigences de l'art. 90 OJ, est recevable et la cour de céans doit examiner ces griefs. Il ressort cependant de la motivation du recours que la BGE 94 I 459 S. 461 Bourgeoisie de Dorénaz vise à obtenir subséquemment, grâce à l'annulation de la décision de la CCR, une modification de la répartition des parcelles. Or, selon l'art. 58 al. 2 LAF, la CCR ne peut pas toucher à cette répartition, sauf le cas d'erreur matérielle constatée; elle doit examiner si la Commission d'exécution a fait une saine application des dispositions légales; si elle arrive à la conclusion que ladite commission a violé la loi, elle ne peut pas modifier la répartition - sous la réserve cidessus -, mais seulement attribuer une indemnité en argent. La recourante avait allégué, dans son recours à la CCR, l'existence d'une erreur manifeste, mais elle nel'a pas démontrée, ni même indiqué en quoi elle aurait consisté; elle n'a pas davantage démontré, dans son recours de droit public, que la CCR jouissait d'une pleine cognition et pouvait, en raison d'une erreur matérielle constatée, modifier la répartition des parcelles. Ainsi la Commission d'exécution apparaît comme étant l'autorité de dernière instance cantonale en matière de répartition des parcelles. Si donc la recourante voulait obtenir l'attribution des deux parcelles litigieuses, elle devait s'en prendre aussi à la décision de la Commission d'exécution. Pouvait-elle encore le faire dans son recours de droit public déposé le 14 septembre 1967, soit plus de trente jours après la communication de cette décision? 2. Sous réserve des exceptions énumérées à l'art. 86 al. 2, 2e phrase, OJ et de celles qu'a formulées la jurisprudence (RO 93 I 21 et les arrêts cités), les recours pour violation des droits constitutionnels des citoyens ne sont recevables qu'après que les moyens de droit cantonal ont été épuisés (art. 86 al. 2, 1re phrase, OJ); c'est également ce qui ressort de l'art. 87 OJ, relatif aux recours pour violation de l'art. 4 Cst. D'autre part, l'art. 89 OJ prévoit que l'acte de recours doit être déposé dans les trente jours dès la communication de la décision attaquée. La notion de moyens de droit cantonal est large; elle comprend non seulement les voies de recours ordinaires et extraordinaires, mais, d'une façon générale, toutes les voies de droit qui sont ouvertes au recourant lui-même afin de faire disparaître le préjudice juridique allégué et qui sont de nature à obliger l'autorité saisie à statuer (RO 92 I 30 consid. 2; 90 I 204 et 230; 88 I 153 ). Si le moyen de droit cantonal oblige l'autorité saisie à s'occuper de l'affaire et permet d'éliminer le préjudice juridique BGE 94 I 459 S. 462 allégué dans le recours de droit public, ce moyen - même s'il est extraordinaire - doit être utilisé avant que le Tribunal fédéral ne soit abordé, sinon le recours de droit public est déclaré irrecevable pour défaut d'épuisement des instances cantonales (RO 89 I 127 consid. 1). a) Lorsque l'autorité cantonale de recours jouit d'un plein pouvoir d'examen, sa décision remplace celle de l'autorité inférieure et peut seule être attaquée par la voie du recours de droit public (RO 93 I 326; 91 I 27 , 166 et 281). b) En revanche, la situation se présente différemment lorsqu'il s'agit de voies de droit extraordinaires où le pouvoir d'examen de l'autorité de recours est limité. aa) Si le grief de violation d'un droit constitutionnel peut être porté devant l'autorité cantonale de recours, le justiciable utilisera d'abord cette voie et, s'il n'obtient pas satisfaction, il pourra attaquer devant la Chambre de droit public et la décision de l'autorité de recours et celle de l'autorité qui a statué dans l'instance inférieure (RO 92 I 274 consid. 1; 87 I 64 ; 84 I 235 ; 81 I 148 ), alors même que le délai de trente jours dès la communication de la décision de l'autorité inférieure est déjà écoulé. bb) En revanche, si le moyen qu'il entend faire valoir dans le recours de droit public ne peut pas être invoqué dans le pourvoi cantonal extraordinaire, le lésé doit, selon la jurisprudence adoptée jusqu'ici (RO 81 I 148; 90 I 21 ; 91 I 34 ), recourir immédiatement au Tribunal fédéral contre le jugement au fond, alors même que sur d'autres points la voie cantonale extraordinaire lui est ouverte. Ainsi le recourant doit, dans de tels cas, déposer à la fois un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral et un recours extraordinaire auprès de l'autorité cantonale de recours. Une telle solution, si elle est théoriquement satisfaisante, n'en présente pas moins une sérieuse complication pour le justiciable, peu rompu aux subtilités de la jurisprudence relative au recours de droit public. En effet, il n'est pas toujours facile de distinguer, in concreto, entre les griefs que l'on peut faire valoir dans un recours extraordinaire cantonal et les autres que l'on doit porter directement devant le Tribunal fédéral. Ainsi en l'espèce, un propriétaire peut invoquer devant la Commission cantonale de recours une violation des prescriptions sur la répartition des parcelles, et la commission peut examiner un tel BGE 94 I 459 S. 463 grief; mais, si elle estime qu'il est fondé, elle ne peut pas modifier la répartition, elle ne peut qu'accorder une indemnité en argent. Faudrait-il dès lors obliger le propriétaire, s'il tient à obtenir une répartition différente des parcelles, à recourir directement contre la décision de la Commission d'exécution auprès du Tribunal fédéral, et soumettre à ce dernier le même grief de violation des prescriptions sur la répartition que doit également examiner la Commission cantonale de recours? Pour des raisons de simplification et d'économie de la procédure, il se justifie de permettre à un recourant d'attaquer, par la voie d'un recours de droit public déposé contre la décision sur recours extraordinaire et dans le délai de trente jours dès la communication de cette dernière, également la décision de l'autorité inférieure, même sur des points où une telle décision ne pouvait pas être soumise à l'autorité cantonale de recours. Il faut cependant, pour que la décision de l'autorité inférieure puisse être revue par le Tribunal fédéral, que le recourant en demande l'annulation totale ou partielle, en même temps qu'il attaque la décision sur recours. D'autre part, le Tribunal fédéral ne pourra pas entrer en matière - sous réserve des règles de jurisprudence relatives aux moyens nouveaux - sur des moyens que le recourant n'aurait pas fait valoir devant l'autorité cantonale de recours alors qu'il en avait la possibilité (RO 84 I 235). (Le recours a néanmoins été rejeté sur le fonds).
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Sachverhalt ab Seite 306 BGE 115 II 306 S. 306 A.- J., domicilié à Carouge, né en 1962, est décédé à Genève le 15 mars 1988 à la suite d'un accident de la circulation. J. vivait en concubinage avec dame E. De cette union est né l'enfant François E. que son père a reconnu par acte du 18 février 1987. B.- Le 25 octobre 1988, dame E. a adressé au Conseil d'Etat du canton de Genève une requête tendant à obtenir l'autorisation, pour elle et pour son fils François, de porter le nom de famille de J. à la place du nom E. A l'appui de sa requête, dame E. faisait valoir, pour l'essentiel, qu'elle avait vécu en concubinage pendant plus de cinq ans avec J. et que de cette union était né l'enfant François, reconnu par son BGE 115 II 306 S. 307 père; elle relevait qu'avant l'accident de circulation à la suite duquel J. avait perdu la vie, les deux concubins envisageaient sérieusement le mariage et que J. allait entreprendre incessamment les démarches nécessaires; elle faisait valoir qu'elle éprouvait le profond besoin de porter le nom de son futur époux décédé et que le changement de nom était indispensable aussi pour l'équilibre de l'enfant et était de nature à créer une attache psychologique avec son père. Dame E. précisait enfin que tel était également le voeu du grand-père paternel. Le 23 janvier 1989, le Service cantonal de l'Etat civil a communiqué à la requérante sa décision négative. Par arrêté du 22 mars 1989, le Conseil d'Etat du canton de Genève a rejeté aussi la requête en changement de nom. C.- Dame E., en son nom et au nom de son fils François, recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle reprend ses conclusions tendant à obtenir l'autorisation de porter le nom de famille de J. Le Département cantonal de justice et police conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. (Le Tribunal fédéral laisse sans réponse la question de savoir si une promesse de mariage - qui n'est pas établie en l'espèce -, rendue irréalisable par le décès d'un des futurs époux, pourrait justifier, le cas échéant, le changement de nom requis par le fiancé survivant.) 3. En l'espèce, l'appréciation de l'intérêt de l'enfant s'avère plus difficile. Les recourants font valoir des arguments d'ordre psychologique (la possibilité pour l'enfant de se rattacher, par le changement de nom, à l'image du père et de se dire qu'il est le fruit d'une volonté commune de créer une famille et que son père ne l'a pas délaissé; la prise de conscience du lien profond qui existait entre ses parents). Ces arguments sont cependant peu convaincants et, en partie, à double tranchant, car l'enfant pourrait aussi, le moment venu, se demander pour quelles raisons ses parents, tous les deux célibataires et nullement empêchés de se marier, ont choisi délibérément l'union libre et pour quel motif son père n'a entrepris aucune démarche, en dépit d'un concubinage qui durait depuis plus de cinq ans, pour obtenir le changement de nom de son fils, BGE 115 II 306 S. 308 la requête étant due à l'initiative exclusive de sa mère après le décès du père. Si dame E. affirme (sans toutefois le prouver ou le rendre vraisemblable) que J. avait entrepris des démarches en vue du mariage, elle ne prétend pas que, indépendamment des projets de mariage, le père avait exprimé le désir de voir son fils porter son nom de famille. Restent les arguments d'ordre social. La jurisprudence ne les a pas ignorés. Aussi a-t-elle admis que l'enfant élevé dans le ménage de ses parents vivant en union libre est fondé à demander de porter le nom de son père lorsque les liens du concubinage ont un caractère stable et durable ( ATF 105 II 241 et 247; 107 II 289 ; ATF 108 II 249 consid. 4b; ATF 109 II 177 ; sur le critère de la durée aussi 110 II 433). Cette jurisprudence tient compte des inconvénients d'ordre social qui s'attachent à la condition d'enfant de parents non mariés, en dépit du fait que le législateur a supprimé, à partir du 1er janvier 1978, la distinction entre enfants légitimes et enfants naturels. Elle part de l'idée, déjà exprimée dans les arrêts ATF 96 I 429 et ATF 70 I 220 consid. 3, que l'enfant naturel doit être autorisé à prendre le nom de son père qui vit en concubinage stable avec la mère et contribue de façon durable, dans la mesure de ses moyens, à l'entretien du ménage où se trouve son fils. Sous l'angle de l'intérêt de l'enfant au changement de nom, elle considère comme non pertinente toute objection tirée du comportement des parents, et notamment de leur refus de se marier, ce qui leur permettrait d'attribuer à l'enfant le statut d'enfant de parents mariés et par conséquent aussi le nom du père. Si l' art. 270 al. 2 CC dispose que l'enfant né de parents non mariés acquiert le nom de famille de sa mère, c'est parce que l'enfant en question vit généralement auprès de sa mère avec laquelle il a des liens plus étroits qu'avec le père. Si tel n'est pas le cas, la procédure en changement de nom lui est précisément ouverte pour tenir compte des circonstances ( ATF 105 II 246 consid. 2 in fine et les références et ATF 105 II 252 ). Du reste, lors de la modification de l' art. 30 CC , le projet du Conseil fédéral énumérait des cas de justes motifs pour le changement de nom et parmi ces motifs figurait celui où "le requérant mineur porte un autre nom de famille que le père ou la mère sous l'autorité parentale ou sous la garde duquel il est élevé" ( ATF 108 II 249 consid. 4a; ATF 109 II 178 consid. 2). En l'espèce, la situation est différente et le choix du législateur, tel qu'il résulte de l' art. 270 al. 2 CC , conserve toute sa portée. BGE 115 II 306 S. 309 L'enfant vit uniquement avec sa mère, qui subvient à son entretien et s'occupe de son éducation et à côté de laquelle il va grandir. Il n'y a plus, à défaut d'union conjugale, de cohabitation ou de ménage commun entre les deux parents. Si, dans ces conditions, l'autorité cantonale a estimé que l'enfant avait, en tout cas dans la situation actuelle, intérêt à porter le nom de famille de sa mère, elle n'a pas fait de la notion de justes motifs une application incompatible avec l'esprit et le but de la norme légale, et n'en a pas méconnu un élément essentiel ( ATF 108 II 2 consid. 2). La solution préconisée par les recourants aurait pratiquement pour effet de vider de son contenu la règle de l' art. 270 al. 2 CC . Indépendamment de la question de savoir si l'intérêt de l'enfant au changement de nom l'emporte, en l'espèce, sur l'intérêt public à l'immutabilité du nom ( ATF 105 II 243 consid. I 3, 249 consid. 3; ATF 108 II 249 consid. 4b; ATF 109 II 178 consid. 1), les motifs d'ordre psychologique et affectif invoqués par les recourants n'exigent pas, même en adoptant les critères très larges qui s'imposent dans le cas d'un enfant ( ATF 105 II 243 I 3, 249 consid. 3; ATF 109 II 178 consid. 1), que celui-ci soit autorisé à porter le nom de son père décédé qui n'a pas été marié avec sa mère, à la place du nom de la mère avec laquelle il vit. L' art. 270 al. 2 CC tend précisément à éviter qu'en cas de rupture de concubinage l'enfant vivant avec sa mère ne porte un autre nom qu'elle, alors qu'il n'aura plus de relations avec son père ( ATF 107 II 290 consid. 3b bb; ATF 105 II 246 consid. II 3, 252 consid. 6).
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Sachverhalt ab Seite 544 BGE 140 V 543 S. 544 A. Der 1983 geborene A. erlitt 1991 bei einem Unfall ein schweres Schädel-Hirntrauma, das bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hatte. Seit 1. März 2004 bezieht er bei einem Invaliditätsgrad von 92 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 26. November 2004 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) eine Entschädigung für mittlere Hilflosigkeit zu. Am 18. und 19. Juli 2006 bestätigte die IV-Stelle einen unveränderten Anspruch auf Invalidenrente und Hilflosenentschädigung. Nach rund zwei Jahren Aufenthalt in einem Wohnheim bezog der Versicherte Ende September 2012 eine eigene Wohnung. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihm die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. Januar 2013 einen Assistenzbeitrag von monatlich Fr. 302.60 resp. jährlich Fr. 3'630.90 ab 28. September 2012 zu. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Juni 2013 ab. C. C.a A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 19. Juni 2013 sei aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm "einen höheren jährlichen Assistenzbeitrag von 12x120hx32.50, mithin Fr. 3'630.90" (recte wohl: Fr. 46'800.-) auszubezahlen. Ferner sei die IV-Stelle dazu anzuhalten, einerseits das Verfahren bezüglich der Festsetzung der Hilflosenentschädigung separat, losgelöst von der Evaluation des BGE 140 V 543 S. 545 Assistenzbedarfs durchzuführen, und anderseits den Sachverhalt bezüglich des behinderungsbedingten Assistenzbedarfs in finanzieller, zeitlicher und qualitativer Hinsicht unter Beizug eines externen Gutachters abzuklären. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Zur nachträglichen Eingabe des A. vom 23. Oktober 2013 nimmt das BSV am 27. November 2013 Stellung. C.b Die I. und die II. sozialrechtliche Abteilung haben zu Rechtsfragen betreffend die Eignung des Abklärungsinstrumentes FAKT2, die Höhe des Pauschalansatzes gemäss Art. 39f Abs. 1 IVV (SR 831.201), die Abklärung von Aspekten der Hilflosigkeit, den Begriff der Institution im Sinne von Art. 42 sexies Abs. 2 IVG und Art. 39e Abs. 4 IVV , die Gesetzmässigkeit von Art. 39e Abs. 4 IVV und die Höchstansätze von Art. 39e IVV ein Verfahren nach Art. 23 Abs. 2 BGG durchgeführt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben Versicherte, denen eine Hilflosenentschädigung der IV nach Artikel 42 Absätze 1-4 ausgerichtet wird, die zu Hause leben und volljährig sind ( Art. 42 quater Abs. 1 IVG ). Ein Assistenzbeitrag wird gewährt für Hilfeleistungen, die von der versicherten Person benötigt und regelmässig von einer natürlichen Person (Assistenzperson) unter bestimmten Voraussetzungen erbracht werden ( Art. 42 quinquies IVG ). Grundlage für die Berechnung des Assistenzbeitrags ist die für die Hilfeleistungen benötigte Zeit. Davon abgezogen wird die Zeit, die folgenden Leistungen entspricht: (a) der Hilflosenentschädigung nach den Artikeln 42-42 ter ; (b) den Beiträgen für Dienstleistungen Dritter anstelle eines Hilfsmittels nach Artikel 21 ter Absatz 2; (c) dem für die Grundpflege ausgerichteten Beitrag der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG ( Art. 42 sexies Abs. 1 IVG ). Bei einem Aufenthalt in stationären und teilstationären Institutionen wird der für Hilfeleistungen im Rahmen des Assistenzbeitrags anrechenbare Zeitbedarf entsprechend reduziert ( Art. 42 sexies Abs. 2 IVG ). Der Bundesrat legt u.a. die Bereiche BGE 140 V 543 S. 546 und die minimale und maximale Anzahl Stunden, für die ein Assistenzbeitrag ausgerichtet wird, sowie die Pauschalen für Hilfeleistungen pro Zeiteinheit im Rahmen des Assistenzbeitrags fest ( Art. 42 sexies Abs. 4 lit. a und b IVG ). 1.2 Nach Art. 39c IVV kann u.a. in den folgenden Bereichen Hilfebedarf anerkannt werden: (a) alltägliche Lebensverrichtungen; (b) Haushaltsführung; (c) gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung; (h) Überwachung während des Tages; (i) Nachtdienst. Dabei gelten für Hilfeleistungen in den Bereichen nach Artikel 39c Buchstaben a-c pro alltägliche Lebensverrichtung, die bei der Festsetzung der Hilflosenentschädigung festgehalten wurde, folgende monatlichen Höchstansätze: 1. bei leichter Hilflosigkeit: 20 Stunden, 2. bei mittlerer Hilflosigkeit: 30 Stunden, 3. bei schwerer Hilflosigkeit: 40 Stunden ( Art. 39e Abs. 2 lit. a IVV ). Die Überwachung nach Artikel 39c Buchstabe h ist auf 120 Stunden limitiert ( Art. 39e Abs. 2 lit. c IVV ). Die Höchstansätze werden für jeden Tag und jede Nacht, die die versicherte Person pro Woche in einer Institution verbringt, um 10 Prozent gekürzt ( Art. 39e Abs. 4 IVV ). Der Assistenzbeitrag beträgt in der Regel Fr. 32.50 resp. Fr. 32.80 pro Stunde ( Art. 39f Abs. 1 IVV in der bis 31. Dezember 2012 resp. seit 1. Januar 2013 geltenden Fassung). 2. Die Verwaltung traf am 1. und 2. Oktober 2012 Abklärungen vor Ort und erstattete dazu einerseits den Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung vom 5. Oktober 2012 und anderseits den mit dem standardisierten Abklärungsinstrument "FAKT2" (nachfolgend: FAKT2) erstellten Abklärungsbericht Assistenzbeitrag. Die Vorinstanz hat diesen Berichten Beweiskraft beigemessen und namentlich einen Bedarf an persönlicher Überwachung im Rahmen der Hilflosigkeit für nicht ausgewiesen erachtet. Folglich hat sie gestützt auf die genannten Berichte den Anspruch auf einen Assistenzbeitrag von jährlich Fr. 3'630.90 bejaht und die Verfügung vom 15. Januar 2013 bestätigt. 3. (...) 3.2 3.2.1 Nach dem Wortlaut von Art. 42 sexies Abs. 1 IVG ist der Ausgangspunkt für die Berechnung des Assistenzbeitrages die gesamthaft für Hilfeleistungen benötigte Zeit. Dazu ist in der Regel eine Abklärung an Ort und Stelle ( Art. 57 Abs. 1 lit. f IVG in Verbindung mit Art. 69 IVV ) erforderlich. BGE 140 V 543 S. 547 Ein Abklärungsbericht unter dem Aspekt der Hilflosigkeit ( Art. 9 ATSG [SR 830.1]) oder des Pflegebedarfs hat folgenden Anforderungen zu genügen: Als Berichterstatterin wirkt eine qualifizierte Person, welche Kenntnis der örtlichen und räumlichen Verhältnisse sowie der aus den seitens der Mediziner gestellten Diagnosen sich ergebenden Beeinträchtigungen und Hilfsbedürftigkeiten hat. Bei Unklarheiten über physische oder psychische Störungen und/oder deren Auswirkungen auf alltägliche Lebensverrichtungen sind Rückfragen an die medizinischen Fachpersonen nicht nur zulässig, sondern notwendig. Weiter sind die Angaben der Hilfe leistenden Personen zu berücksichtigen, wobei divergierende Meinungen der Beteiligten im Bericht aufzuzeigen sind. Der Berichtstext schliesslich muss plausibel, begründet und detailliert bezüglich der einzelnen alltäglichen Lebensverrichtungen sowie den tatbestandsmässigen Erfordernissen der dauernden Pflege und der persönlichen Überwachung ( Art. 37 IVV ) und der lebenspraktischen Begleitung ( Art. 38 IVV ) gemäss sein. Schliesslich hat er in Übereinstimmung mit den an Ort und Stelle erhobenen Angaben zu stehen. Das Gericht greift, sofern der Bericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage im eben umschriebenen Sinne darstellt, in das Ermessen der die Abklärung tätigenden Person nur ein, wenn klar feststellbare Fehleinschätzungen vorliegen. Das gebietet insbesondere der Umstand, dass die fachlich kompetente Abklärungsperson näher am konkreten Sachverhalt ist als das im Beschwerdefall zuständige Gericht ( BGE 133 V 450 E. 11.1.1 S. 468; BGE 130 V 61 E. 6.2 S. 63; BGE 128 V 93 ; SVR 2012 IV Nr. 54 S. 195, 8C_756/2011 E. 3.2). Diese Rechtsprechung ist auch massgeblich beim Eruieren des gesamten Hilfebedarfs mit Blick auf den Assistenzbeitrag. 3.2.2 3.2.2.1 Die IV-Stellen benutzen zur Berechnung des Assistenzbeitrags das vom BSV entwickelte standardisierte Abklärungsinstrument FAKT2. Dessen Funktionsweise in Bezug auf den gesamten Hilfebedarf wird für die hier interessierenden Bereiche in den Rz. 4001-4032 und 4061-4077 des Kreisschreibens des BSV über den Assistenzbeitrag (KSAB; www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:34/lang:deu ) erläutert. Verwaltungsweisungen richten sich grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Indes berücksichtigt das Gericht die Kreisschreiben insbesondere dann und weicht nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn BGE 140 V 543 S. 548 sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthalten. Dadurch trägt es dem Bestreben der Verwaltung Rechnung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten ( BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315). Auf dem Wege von Verwaltungsweisungen dürfen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden ( BGE 132 V 121 E. 4.4 S. 125). 3.2.2.2 Der Beschwerdeführer rügt die standardisierte Ermittlung des Hilfebedarfs. Dieser sei individualisiert festzulegen; ein entsprechendes Instrument sei indessen derzeit nicht auf dem "Markt". Die in diesem Zusammenhang neu eingereichten Unterlagen (Stellungnahmen der Mutter des Versicherten vom 5. September 2013 und des lic. phil. I B. vom 21. Oktober 2013) sind als (echte) Noven unzulässig ( Art. 99 Abs. 1 BGG ; MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 43 zu Art. 99 BGG ); zudem ist nicht ersichtlich, weshalb solche Stellungnahmen nicht vor Erlass des angefochtenen Entscheids (vgl. etwa die Eingaben im Vorbescheidverfahren) hätten eingeholt und in das vorinstanzliche Verfahren eingebracht werden können. 3.2.2.3 Der Umstand, dass der mittels FAKT2 eruierte Hilfebedarf geringer ausfällt als der Umfang der tatsächlich geleisteten Hilfe, lässt nicht von vornherein Zweifel an der Tauglichkeit des Abklärungsinstruments aufkommen. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers werden "Planung/Organisation des Helfernetzes/der Assistenz" in Ziff. 2.1.1 und "persönliche Überwachung" in Ziff. 8 von FAKT2 berücksichtigt. Dass ein Überwachungsbedarf indessen grundsätzlich nur anerkannt wird, soweit dieser auch für die Hilflosenentschädigung zu berücksichtigen ist (vgl. E. 3.4.4; Rz. 4061-4068 KSAB; vgl. auch Rz. 8035-8039 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH], www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3950/lang:deu/category:34 ), ist nicht zu beanstanden, entspricht dies denn auch der gesetzlichen Vorgabe ( Art. 42 quater Abs. 1 lit. a IVG ). Die persönliche Überwachung als Leistungskategorie ist namentlich von indirekter Hilfe in den verschiedenen Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen und von lebenspraktischer Begleitung abzugrenzen. In welchen Punkten das BGE 140 V 543 S. 549 Abklärungsinstrument an sich unvollständig sein soll, wird nicht weiter dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Der Versicherte macht geltend, es resultiere vor allem für Wartezeiten beim Arzt oder für indirekte Hilfe eine zu niedrige Einstufung resp. ein zu geringer Minutenwert. Damit stellt er nicht in Abrede, dass die einzelnen - abgestuften - zeitlichen Vorgaben in FAKT2 auf einem wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch (vgl. Botschaft vom 24. Februar 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket]; BBl2010 1817, 1836 Ziff. 1.1.3, 1865 Ziff. 1.3.4; BALTHASAR/MÜLLER, Evaluation des Pilotversuchs "Assistenzbudget", Soziale Sicherheit 2008 S. 50 ff.) beruhen und den durchschnittlichen Aufwand für die entsprechenden Hilfeleistungen wiedergeben (MARYKA LAÂMIR-BOZZINI, Der Assistenzbeitrag, Pflegerecht - Pflegewissenschaft 2012 S. 212). Die Vorgabe bestimmter Zeiteinheiten dient der Objektivierung des Bedarfs, den nach subjektiven Gesichtspunkten festzulegen das Gleichbehandlungsgebot ( Art. 8 BV ) gerade verbietet (vgl. LAÂMIR-BOZZINI, a.a.O., S. 221). Den individuellen Gegebenheiten ist dennoch Rechnung zu tragen, was einerseits durch die Wahl der zutreffenden Stufe und anderseits durch die allfällige Berücksichtigung von Zusatz- und Minderaufwand (Reduktionen) geschieht. Dieses Vorgehen mittels standardisierter Abklärung der individuellen Situation entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BBl 2010 1902 zu Art. 42 quinquies IVG ). Inwiefern es rechtswidrig sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass etwa Ferienbegleitung und Notfalleinsätze nicht abgedeckt seien, zielt er ins Leere: Zum einen berücksichtigt Ziff. 3.4 von FAKT2 auch "Reisen/Ferien"; zum anderen ist nach dem klaren Wortlaut von Art. 42 quinquies IVG für den Assistenzbeitrag lediglich der regelmässig und nicht der nur punktuell anfallende Hilfebedarf zu berücksichtigen (ebenso BBl 2010 1902 und 1903). 3.2.2.4 Der Versicherte legt nicht näher dar (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG ) und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern in diesem Zusammenhang das Recht auf ein faires Verfahren ( Art. 29 Abs. 2 BV ; Art. 6 EMRK ) oder das Diskriminierungsverbot ( Art. 8 Abs. 2 BV ; Art. 5 Ziff. 1 und Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK ) verletzt sein sollen. Nach dem Gesagten ist FAKT2 grundsätzlich ein geeignetes Instrument zur Abklärung des Hilfebedarfs. BGE 140 V 543 S. 550 3.2.3 Was der Versicherte gegen die konkrete Abklärung des Hilfebedarfs resp. die Beweiskraft des Abklärungsberichts Assistenzbeitrag vorbringt, hält nicht Stand: Bei der Abklärung an Ort und Stelle (E. 3.2.1) handelt es sich nicht um ein Gutachten im Sinne von Art. 44 ATSG , weshalb der Verweis auf BGE 137 V 201 (recte wohl: 210) unbehelflich ist. Zwar ist aus dem Abklärungsbericht nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer resp. seine Mutter über Einstufung und Minutenwerte eine abweichende Auffassung vertrat. Indessen wurden im Vorbescheidverfahren Einwände dagegen vorgebracht, wozu die Abklärungsperson in der Verfügung vom 15. Januar 2013 ausführlich und nachvollziehbar Stellung nahm. Sodann fehlt es an Anhaltspunkten für eine mangelnde fachliche Kompetenz der Abklärungsperson; zudem wird die entsprechende Behauptung erstmals vor Bundesgericht vorgebracht, weshalb sie ohnehin unzulässig ist ( Art. 99 Abs. 1 BGG ). In materieller Hinsicht ist nicht ersichtlich und legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar, inwieweit er über den anerkannten Gesamtbedarf an indirekter Dritthilfe hinaus persönliche Überwachung (vgl. MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, S. 499 Rz. 28) benötigen sollte. Zudem wurde bereits anlässlich der 2004 erfolgten Abklärung der Hilflosigkeit angegeben, der Versicherte könne ein paar Stunden alleine bleiben und bedürfe keiner regelmässigen Überwachung. Weiter wurde im Abklärungsbericht Assistenzbeitrag festgehalten, dass der Versicherte nachts allein in seiner Wohnung sei. Dass dies nicht zutreffen oder nur unter unzumutbaren Umständen geschehen soll, wird nicht geltend gemacht, und eine ärztliche Verordnung nächtlicher Hilfestellungen fehlt ebenfalls (vgl. Rz. 4072 KSAB). Demzufolge hat die Abklärungsperson einen Hilfebedarf in der Nacht zu Recht verneint. Sodann wird die Beweiskraft des Abklärungsberichts Assistenzbeitrag auch durch die Wegleitung zum Einstufungssystem für den Individuellen Betreuungsbedarf (IBB) nicht erschüttert, bezieht sich diese doch auf den Aufenthalt in einer Institution (vgl. E. 3.5.2) und nicht auf das Leben in der eigenen Wohnung. Gleiches gilt für die Stellungnahme der Werkstätte X. vom 27. Mai 2013; daraus geht ebenfalls nicht hervor, inwiefern der durch die Abklärungsperson erhobene Hilfebedarf ungenügend sein sollte. Schliesslich lässt sich auch aus dem Bericht der Klinik D. vom 4. April 2012 nichts für den Versicherten ableiten: Er steht nicht im Widerspruch zum Abklärungsbericht Assistenzbeitrag oder zu den früheren BGE 140 V 543 S. 551 medizinischen Unterlagen und enthält keine Hinweise auf eine Veränderung der medizinischen Situation oder der Fähigkeiten des Versicherten. 3.2.4 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz nicht Bundesrecht verletzt, indem sie dem Abklärungsbericht Assistenzbeitrag Beweiskraft beigemessen und den darin ermittelten Hilfebedarf von 130 Minuten pro Tag resp. 65,9 Stunden pro Monat bestätigt hat. Damit erübrigt sich die beantragte Abklärung durch einen externen Gutachter. 3.3 Soweit der Beschwerdeführer die Höhe des - für die gesamte Schweiz geltenden - Pauschalansatzes von Fr. 32.50 resp. 32.80 als zu gering rügt, richtet sich seine Kritik nicht gegen FAKT2 oder den Abklärungsbericht Assistenzbeitrag, sondern gegen die Bestimmung von Art. 39f Abs. 1 IVV . Ein Zwang zur Verletzung von Arbeitgeberpflichten gemäss OR lässt sich daraus nicht ableiten. Dass sie sonst wie gesetzeswidrig sein soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich: Einerseits hat der Gesetzgeber in Art. 42 sexies Abs. 4 lit. b IVG explizit den Bundesrat mit der Festlegung von Pauschalen beauftragt (vgl. auch BBl 2010 1905 f.). Anderseits entspricht die Höhe der Pauschale - die eine Ferienentschädigung von 8,33 % beinhaltet (Erläuterungen betreffend Änderungen der IVV vom 1. März 2012 S. 18, abrufbar unter www.bsv.admin.ch/themen/iv/00025/index.html?lang=de ; nachfolgend: Erläuterungen) - in etwa dem Durchschnittslohn für persönliche Dienstleistungen gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (BBl 2010 1869) resp. den im Rahmen des Pilotversuchs gemachten Erfahrungen (BBl 2010 1869; Erläuterungen S. 18). Weiter liegt es in der Natur der Sache, dass Pauschalen von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls abweichen können, was namentlich aus Gründen der Praktikabilität in Kauf zu nehmen ist (Urteil 2C_192/2012 vom 7. Juni 2012 E. 3.3) und im Gegenzug die Rechtssicherheit erhöht. Schliesslich deckt der Assistenzbeitrag nach dem klaren Wortlaut von Art. 42 quinquies f. IVG lediglich Hilfeleistungen, nicht aber Spesen und Auslagen für die Assistenzperson ab; davon unberührt bleibt indessen ein allfälliger Anspruch auf Vergütung solcher Kosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG [SR 831.30]). 3.4 3.4.1 Ausgehend vom Gesamtbedarf an Hilfeleistungen ist der für den Assistenzbeitrag anrechenbare Zeitaufwand zu bestimmen. Ist dieser geringer als der ermittelte Gesamtbedarf (E. 3.2), bildet er die obere Grenze für den Leistungsanspruch ( Art. 42 sexies Abs. 4 lit. a IVG ; BGE 140 V 543 S. 552 LAÂMIR-BOZZINI, a.a.O., S. 221). In concreto macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, über die Hilflosigkeit resp. den Anspruch auf Hilflosenentschädigung sei vorgängig in einem separaten Verfahren zu befinden. Zudem sei er in mindestens vier und nicht nur in drei Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen eingeschränkt, was einen monatlichen Höchstansatz von 120 statt 90 Stunden ergebe. 3.4.2 Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung bildete nicht Gegenstand der Verfügung vom 15. Januar 2013 und des vorinstanzlichen Verfahrens. Auf das entsprechende Rechtsbegehren ist daher von vornherein nicht einzutreten ( Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ; vgl. BGE 125 V 413 E. 1 S. 414 f.). Allerdings ist die Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung eng verknüpft mit dem Anspruch auf Assistenzbeitrag (E. 2; BBl 2010 1865 Ziff. 1.3.4, BGE 125 V 1900 zu Art. 42 quater IVG ; Erläuterungen S. 15, 17); unter diesem Aspekt sind die Vorbringen betreffend die Hilflosigkeit zulässig und zu prüfen. Somit hatte und hat der Beschwerdeführer im Rahmen der Beurteilung des Anspruchs auf Assistenzbeitrag Gelegenheit, sich zu den Einschränkungen in den einzelnen Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen zu äussern, wovon er denn auch Gebrauch gemacht hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ) ist daher gewahrt. 3.4.3 Für die Verfügung betreffend Hilflosenentschädigung vom 26. November 2004 ging die IV-Stelle von einer Hilflosigkeit in den Bereichen An-/Auskleiden, Essen, Körperpflege und "Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte", mithin in vier Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen, aus. Für die Verfügung betreffend Assistenzbeitrag hat sie sich u.a. auf den Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung vom 5. Oktober 2012 gestützt. Darin wurde lediglich in den Bereichen An-/Auskleiden, Essen und Körperpflege weiterhin eine Hilflosigkeit anerkannt. In Bezug auf "Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte" wurde festgehalten, der Versicherte sei funktionell selbstständig bei der Fortbewegung. Eingeübte Wege, z.B. zur Arbeit, zur Therapie, zum Einkaufsladen, könne er selbstständig gehen. Er benötige aber in allen Belangen der Terminplanung und der weiteren Pflege gesellschaftlicher Kontakte massive Unterstützung, was bei der lebenspraktischen Begleitung berücksichtigt werde. Folglich hat sie den Höchstansatz gemäss Art. 39e Abs. 2 lit. a Ziff. 2 IVV auf 90 Stunden festgelegt, welches Vorgehen die Vorinstanz stillschweigend bestätigt hat. BGE 140 V 543 S. 553 3.4.4 Fraglich ist, ob der Bericht vom 5. Oktober 2012 eine grundsätzlich zulässige Grundlage für die Festlegung der monatlichen Höchstansätze darstellt. Nach dem Wortlaut von Art. 39e Abs. 2 lit. a IVV ist die Anzahl der "bei der Festsetzung der Hilflosenentschädigung" ("lors de la fixation de l'allocation pour impotent", "per la fissazione dell'assegno per grandi invalidi") festgehaltenen Bereiche alltäglicher Lebensverrichtungen massgeblich. Dass damit an die Hilflosigkeit gemäss Art. 37 IVV angeknüpft wird, liegt auf der Hand; daran ändert auch nichts, dass in FAKT2 der Bereich "Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte" nicht separat ausgewiesen wird (Rz. 4020 KSAB). Das bedeutet indessen nicht, dass damit zwingend auf die Grundlagen der Verfügung betreffend die Hilflosenentschädigung abzustellen und eine neue Abklärung im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Assistenzbeitrag, wie sie in concreto am 5. Oktober 2012 erfolgte, ausgeschlossen ist (vgl. BGE 137 V 373 E. 5 S. 376; BGE 135 IV 113 E. 2.4.2 S. 116; BGE 135 V 382 E. 11.4.1 S. 404). Im Gegenteil kann eine solche - namentlich mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. E. 3.4.2) - etwa dann angezeigt sein, wenn ein Aspekt der Hilflosigkeit wie z.B. die Anzahl der eingeschränkten alltäglichen Lebensverrichtungen zwar nicht für den Schweregrad der Hilflosigkeit und den entsprechenden Entschädigungsanspruch (vgl. namentlich die alternativen Voraussetzungen von Art. 37 Abs. 2 IVV ), jedoch für den Anspruch auf Assistenzbeitrag bedeutsam ist. Das Resultat einer allfälligen solchen Abklärung ist in der Verfügung betreffend den Anspruch auf Assistenzbeitrag zu berücksichtigen. 3.4.5 Im konkreten Fall steht der Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung vom 5. Oktober 2012 resp. die darin fehlende Anerkennung einer Hilflosigkeit im Bereich "Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte" in klarem Widerspruch (E. 3.2.1) zu den Erkenntnissen, die sich aus FAKT2 resp. dem Abklärungsbericht Assistenzbeitrag (E. 3.2) ergeben. Darin wurde unter Ziff. 3.2 zum Punkt "gesellschaftliche Kontakte" u.a. vermerkt, dass solche für den Versicherten immer hergestellt werden müssen; der Ziff. 3.3 zu "Mobilität (draussen)" lässt sich entnehmen, dass er nur ganz wenige kurze, gut vertraute Wegstrecken selbstständig bewältigen kann und sonst immer Anleitung und Begleitung braucht; unter Ziff. 3.4 zu "Reisen/Ferien" wird u.a. festgehalten, dass er sich in fremder Umgebung nicht orientieren kann. Demgemäss wurde jeweils ein Hilfebedarf der Stufe 3 anerkannt, was bedeutet, dass die versicherte Person nur geringe Eigenleistungen vollbringen kann und in grossem Umfang direkte BGE 140 V 543 S. 554 Hilfe oder häufig Überwachung benötigt (vgl. Rz. 4013 KSAB). Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, im Bereich "Fortbewegung/Pflege gesellschaftlicher Kontakte" von der 2004 erfolgten Beurteilung der Hilflosigkeit abzuweichen: Einerseits liegen keine konkreten Anhaltspunkte für deren Fehlerhaftigkeit, etwa aufgrund einer Veränderung der Fähigkeiten des Versicherten, vor. Anderseits beinhaltet die lebenspraktische Begleitung ( Art. 38 IVV ; BGE 133 V 450 E. 8.2.3 S. 465 f.), wofür im Abklärungsbericht vom 5. Oktober 2012 ein Bedarf anerkannt wurde, nicht die Dritthilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen, sondern stellt ein eigenständiges Institut der Hilfe dar ( BGE 133 V 450 E. 9 S. 466; SVR 2009 IV Nr. 23 S. 65, 9C_18/2008 E. 2.3). 3.4.6 Nach dem Gesagten ist eine Hilflosigkeit des Versicherten in vier Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen ausgewiesen. Der Höchstansatz für den Hilfebedarf beträgt demnach gemäss Art. 39e Abs. 2 lit. a Ziff. 2 IVV 120 Stunden. In diesem Punkt ist die Beschwerde begründet. 3.5 3.5.1 Sodann ist die weitere Kürzung des Höchstansatzes wegen Aufenthalts in einer teilstationären Institution ( Art. 42 sexies Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 39e Abs. 4 IVV ; E. 1) umstritten. Der Versicherte ist an fünf Tagen pro Woche in der Werkstätte X. beschäftigt. Er bringt vor, der Gesetzgeber habe bei "stationären und teilstationären Institutionen" eher an Tageskliniken und nicht an Institutionen mit geschützten Arbeitsplätzen gedacht; zudem gehe es bei seiner Tätigkeit in der Werkstätte X. lediglich um die Ausschöpfung seiner Restarbeitsfähigkeit und nicht um Hilfeleistungen gemäss den Ziff. 1 bis 3 von FAKT2. 3.5.2 Der Assistenzbeitrag bezweckt die Unterstützung der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung in einer Privatwohnung (BBl 2010 1865; HARDY LANDOLT, Der Assistenzbeitrag [Art.42 quater ff. E-IVG], HAVE 2011 S. 308). Demgegenüber falleninstitutionelle Hilfen in den Aufgabenbereich der Kantone (Art. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen [IFEG;SR 831.26]). Daher schliesstder Aufenthalt in einer stationären oder teilstationären Institution den Anspruch auf Assistenzbeitrag (teilweise) aus (BBl 2010 1903). Was unter einer Institution im Sinne von Art. 42 sexies Abs. 2 IVG und Art. 39e Abs. 4 IVV zu verstehen ist, BGE 140 V 543 S. 555 ergibt sich folglich in erster Linie aus Art. 3 IFEG ; dafür sprechen sowohl Sinn und Zweck von Art. 42 sexies Abs. 2 IVG als auch die Gesetzessystematik (vgl. auch Erläuterungen S. 18). Dass im französischen resp. italienischen Wortlaut die unterschiedlichen Begriffe "établissement hospitalier ou semi-hospitalier" resp. "stabilimento ospedaliero o semiospedaliero" ( Art. 42 sexies Abs. 2 IVG ), "institution" resp. "istituto" ( Art. 39e Abs. 4 IVV ) und "institutions" resp. "istituzioni" ( Art. 3 IFEG ) verwendet werden, steht dem nicht entgegen. Wie es sich mit Tageskliniken, Pflegeheimen o.ä. verhält, braucht an dieser Stelle nicht beantwortet zu werden. Als Institutionen gelten demnach insbesondere Werkstätten, die dauernd intern oder an dezentral ausgelagerten Arbeitsplätzen invalide Personen beschäftigen, die unter üblichen Bedingungen keine Erwerbstätigkeit ausüben können ( Art. 3 Abs. 1 lit. a IFEG ). Voraussetzung für eine Anerkennung als Institution in diesem Sinn ist u.a., dass sie über ein den Bedürfnissen der betroffenen Personen entsprechendes Infrastruktur- und Leistungsangebot sowie über das nötige Fachpersonal verfügt ( Art. 5 Abs. 1 lit. a IFEG ). Die Werkstätte X. ist eine kantonal anerkannte Institution gemäss Art. 3 und 5 IFEG , die auf die Beschäftigung und Betreuung geistig und mehrfach Behinderter ausgerichtet ist ( www.sozialamt.zh.ch/internet/sicherheitsdirektion/sozialamt/de/soziale_einrichtungen/Einrichtungen_behindertenhilfe.html ). Der anrechenbare Zeitbedarf wurde daher zu Recht reduziert. 3.5.3 Der Aufenthalt in der Werkstätte X. vermindert zwar sowohl den gesamten Hilfebedarf (E. 3.2) als auch den anrechenbaren Zeitaufwand (E. 3.4.1). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wird dadurch aber nicht ein doppelter Abzug vorgenommen, handelt es sich doch um Vergleichsgrössen, bei denen er jeweils nur einmal berücksichtigt wird. 3.5.4 Weiter kritisiert der Versicherte, dass nicht die tatsächliche Zahl der jährlichen Aufenthaltstage ermittelt wurde. Er machte und macht indessen nicht geltend, in der Regel weniger als fünf Tage pro Woche in der Werkstätte X. zu verbringen oder mehr als fünf Wochen Ferien pro Jahr zu beziehen. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 42 sexies Abs. 2 IVG ist der Aufenthalt in einer Institution beim Zeitbedarf für den Assistenzbeitrag in Abzug zu bringen. Weiter liegt es nach Art. 42 sexies Abs. 4 IVG in der Kompetenz des Bundesrates, zeitliche Höchstgrenzen für die BGE 140 V 543 S. 556 Abgeltung der Assistenz festzulegen. In diese Bestimmung schloss der Gesetzgeber auch die Regelungskompetenz in Bezug auf den hier fraglichen Abzug ein (BBl 2010 1905). Eine solche wäre indessen von vornherein hinfällig gewesen, wenn jeweils die individuelle Situation unter Berücksichtigung jeglicher Ferienabwesenheiten (vgl. immerhin Rz. 4017 KSAB in der ab 1. Januar 2014 geltenden Fassung) und Feiertage sowie der durchschnittlichen Krankheitstage massgeblich wäre, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Über die Art und Weise der Umsetzung durch den Bundesrat gibt es keine gesetzliche Vorgabe. Hinzu kommt, dass der Assistenzbeitrag lediglich für regelmässig, nicht aber für punktuell anfallenden Hilfebedarf ausgerichtet wird (E. 3.2.2.3 in fine). Sodann sprechen Praktikabilität und Rechtssicherheit (vgl. E. 3.3) für eine pauschale Kürzung des anrechenbaren Zeitbedarfs in dem Sinn, als ein prozentualer Abzug auf der Grundlage des regelmässigen Aufenthalts in einer Institution vorzunehmen ist ( Art. 39e Abs. 4 IVV ). Somit ist diese Regelung nicht gesetzeswidrig, geschweige denn willkürlich ( Art. 9 BV ), welche Rüge den qualifizierten Begründungsanforderungen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG ) ohnehin nicht genügt. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor gegen die Höhe des Abzugs von zehn Prozent für jeden Tag und jede Nacht, der resp. die wöchentlich (vgl. den Wortlaut von Art. 39e Abs. 4 IVV ; Erläuterungen S. 17 in fine) regelmässig in einer Institution verbracht wird. Diesbezüglich erübrigen sich weitere Ausführungen. 3.5.5 Nach dem Gesagten beträgt im konkreten Fall der anerkannte Hilfebedarf des Versicherten (vgl. E. 3.4.1), d.h. der Höchstansatz gemäss Art. 39e Abs. 2 lit. a (vgl. E. 3.4.6) und Art. 39e Abs. 4 IVV , 60 Stunden pro Monat. 3.6 3.6.1 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, dass die auf die Hilflosenentschädigung entfallende Zeit von monatlich 35,69 Stunden in FAKT2 - wie in Rz. 4105-4109 KSAB vorgesehen und von der Vorinstanz implizite bestätigt - vom Höchstansatz gemäss Art. 39e IVV (vgl. E. 3.5.5) statt vom Gesamtbedarf (vgl. E. 3.2.4) abgezogen wurde. 3.6.2 Ein Problem in diesem Zusammenhang ergibt sich nur, wenn - wie hier - der anerkannte Hilfebedarf ( Art. 39e IVV in Verbindung mit Art. 42 sexies Abs. 4 lit. a IVG ) kleiner als der ermittelte Gesamtbedarf ( Art. 42 sexies Abs. 1 Satz 1 IVG ) ist. Ansonsten ist von BGE 140 V 543 S. 557 vornherein klar, dass die auf Hilflosenentschädigung, Hilfsmittelersatz und Grundpflege entfallende Zeit ( Art. 42 sexies Abs. 1 Satz 2 IVG ) vom Gesamtbedarf abzuziehen ist. Der Wortlaut von Art. 42 sexies Abs. 1 IVG , wonach die der Hilflosenentschädigung entsprechende Zeit von der "für die Hilfeleistungen benötigten Zeit" ("temps nécessaire aux prestations d'aide"; "tempo necessario per fornire le prestazioni d'aiuto") abgezogen wird, spricht zwar nicht gegen die Auffassung des Beschwerdeführers. Die Bestimmung enthält indessen auch keine zwingende Vorgabe über die Vorgehensweise bei der Bemessung des Assistenzbeitrages; zudem liegt es gemäss Art. 42 sexies Abs. 4 IVG beim Bundesrat, die Stunden, für die ein Assistenzbeitrag ausgerichtet wird, zu limitieren. Fraglich ist, ob sich der anerkannte Hilfebedarf gemäss Art. 39e IVV auf Leistungen bezieht, die lediglich durch den Assistenzbeitrag abzudecken sind, oder auf die gesamten Leistungen, mithin auch solche, die durch Hilflosenentschädigung oder Beiträge für Dienstleistungen Dritter oder an Grundpflege nach Art. 25a KVG gedeckt werden (so LAÂMIR-BOZZINI, a.a.O., S. 221 f.). Mit Blick auf die genannte Delegationsnorm ist beides zulässig; je nach Auffassung wird der Bundesrat die Höchstansätze höher oder niedriger festgesetzt haben. 3.6.3 Aus dem Wortlaut von Art. 39e IVV ergibt sich für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage nichts. Hingegen geht aus dem Katalog von Art. 39c IVV hervor, dass der anerkannte Hilfebedarf alle Leistungsbereiche umfasst. Sodann beruhen die Vorgaben der Rz. 4105-4109 KSAB ebenso wie die vom Bundesrat festgesetzten Höchstansätze auf den Erfahrungen aus dem Pilotversuch (BBl 2010 1869 Ziff. 1.3.4, 1906). Weiter trifft zwar zu, dass schwerer Behinderte mit tendenziell höherem Hilfebedarf gegenüber solchen mit leichteren Einschränkungen und geringerem Bedarf in Bezug auf die Höchstgrenzen - wie grundsätzlich bei allen limitierten Leistungen - benachteiligt sein können. Das stellt aber keine unzulässige Diskriminierung ( Art. 8 Abs. 2 BV ) dar: Einerseits ist dies Folge des klaren Willens des Gesetzgebers, die Kostenfolgen des Assistenzbeitrages als auf den 1. Januar 2012 neu eingeführte Leistung für die Invalidenversicherung unter Kontrolle zu halten (vgl. BBl 2010 1872 Ziff. 1.3.4) und über den Bundesrat dafür u.a. zeitliche Höchstgrenzen festlegen zu lassen. Anderseits wird Unterschieden im Behinderungsgrad mit abgestuften Höchstansätzen Rechnung getragen (vgl. Art. 39e Abs. 2 lit. a IVV ). Sodann trägt das Vorgehen gemäss Rz. 4105-4109 BGE 140 V 543 S. 558 KSAB dem Gleichbehandlungsgebot insofern besser Rechnung, als nebst der Hilflosenentschädigung auch Dienstleistungen Dritter und Grundpflege nach KVG zu berücksichtigen sind. Würden solche Hilfeleistungen vom Gesamtbedarf abgezogen, liesse sich die Höhe des Assistenzbeitrages durch entsprechende (externe) Organisation der Hilfe steigern. Werden sie hingegen beim anerkannten Hilfebedarf berücksichtigt, ist der gesamte Hilfebedarf, unbesehen wodurch er gedeckt wird, gleichmässig limitiert. Nach dem Gesagten beinhalten die Höchstansätze von Art. 39e IVV die durch die Hilflosenentschädigung und allfällige Beiträge für Dienstleistungen Dritter oder an Grundpflege nach Art. 25a KVG zu deckende Zeit; diesbezüglich sind auch die Rz. 4105-4109 KSAB verordnungs- und gesetzeskonform. 3.7 Damit steht fest, dass der durch den Assistenzbeitrag abzudeckende monatliche Hilfebedarf des Versicherten 24,31 Stunden beträgt. Das entspricht bei einem Assistenzbeitrag von Fr. 32.50 pro Stunde einem Betrag von monatlich Fr. 790.10 und jährlich Fr. 9'481.20; bei einem Beitrag von Fr. 32.80 pro Stunde ergeben sich monatlich Fr. 797.35 und jährlich Fr. 9'568.40.
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Sachverhalt ab Seite 298 BGE 130 III 297 S. 298 Le divorce des époux A. a été prononcé le 30 mai 2002 par le Tribunal de première instance du canton de Genève. A cette date, A., qui travaillait toujours, aurait pu prétendre à une retraite anticipée. Le Tribunal de première instance a procédé à la liquidation du régime matrimonial et a ordonné le partage par moitié de la prestation de sortie de l'épouse. Il a également condamné le défendeur à verser à la demanderesse un montant de 1'217 fr. 60 par mois jusqu'à concurrence de 438'327 fr. à titre d'indemnité équitable au sens de l' art. 124 CC , ainsi qu'une contribution d'entretien selon l' art. 125 CC de 1'000 fr. par mois - indexée pour autant que le revenu du débiteur le soit - jusqu'à l'âge de la retraite de celle-ci. Statuant sur appel et appel incident le 14 mars 2003, la Cour de justice du canton de Genève a réformé le premier jugement et fixé l'indemnité équitable à 1'860 fr. par mois jusqu'à concurrence de 647'164 fr. 80 et la contribution d'entretien à 1'910 fr. par mois jusqu'en février 2008, puis à 600 fr. par mois jusqu'au décès de l'ex-épouse. Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours en réforme exercé par A.
304
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Le défendeur reproche tout d'abord à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 124 CC en le condamnant à payer immédiatement une indemnité équitable mensuelle de 1'860 fr., alors qu'il n'a pas pris de retraite anticipée et ne touche donc pas de prestations de sa caisse de prévoyance. Il conclut au versement d'une indemnité équitable viagère de 600 fr. par mois dès le jour où il touchera de telles prestations. 3.1 Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral applique le droit d'office. Il ne peut pas aller au-delà des conclusions des parties, mais il n'est lié ni par les motifs invoqués par celles-ci ( art. 63 BGE 130 III 297 S. 299 al. 2 OJ ), ni par l'argumentation juridique retenue par la cour cantonale ( art. 63 al. 3 OJ ; ATF 128 III 22 consid. 2e/cc p. 29; ATF 127 III 248 consid. 2c p. 252 s.; ATF 126 III 59 consid. 2a p. 65). Il peut donc admettre un recours pour d'autres motifs que ceux invoqués par le recourant ( ATF 127 III 248 consid. 2c p. 252 s.). 3.2 En vertu de l' art. 122 al. 1 CC , tant qu'aucun cas de prévoyance n'est survenu, le juge du divorce doit partager par moitié les prestations de sortie. Par convention, les époux peuvent toutefois renoncer en tout ou en partie à leur droit à la moitié de la prestation de sortie, à condition qu'ils bénéficient d'une autre manière d'une prévoyance vieillesse et invalidité équivalente ( art. 123 al. 1 CC ), ce que le juge doit vérifier d'office ( art. 141 al. 3 CC ). Lorsqu'un cas de prévoyance est déjà survenu pour l'un des époux ou pour les deux, le juge doit fixer une indemnité équitable ( art. 124 al. 1 CC ). Devant le tribunal de première instance, les parties avaient conclu toutes deux au partage par moitié des prestations de sortie, mais, sur invitation du juge, qui estimait l' art. 122 al. 1 CC inapplicable dès lors que l'époux avait la possibilité de prendre une retraite anticipée, elles ont pris des conclusions tendant à l'attribution d'une indemnité équitable de l' art. 124 CC , sur le montant de laquelle elles sont demeurées divisées. On n'est donc pas en présence d'une convention des parties au sens de l' art. 123 al. 1 CC . Il s'impose dès lors d'examiner si les prestations de sortie doivent être partagées conformément à l' art. 122 al. 1 CC ou s'il y a lieu de fixer une indemnité équitable au sens de l' art. 124 al. 1 CC . 3.3 L'art. 22 al. 1 de la loi fédérale du 17 décembre 1993 sur le libre passage dans la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (LFLP; RS 831.42) prévoit qu'en cas de divorce, les prestations de sortie acquises durant le mariage sont partagées conformément aux art. 122, 123, 141 et 142 CC. L'application de l' art. 122 al. 1 CC présuppose donc que l'époux dispose d'un droit à une prestation de sortie à l'encontre de son institution de prévoyance (cf. ATF 128 V 41 consid. 3b p. 48; ATF 127 III 433 consid. 2b p. 437 et les références). Savoir si un tel droit existe est une difficulté relative au rapport de prévoyance, qui relève de la compétence matérielle du juge des assurances sociales ( ATF 128 V 41 consid. 1b et 2c in fine); toutefois, le juge du divorce, qui doit régler le sort de la prévoyance professionnelle des époux, doit BGE 130 III 297 S. 300 examiner cette question à titre préjudiciel ( ATF 128 V 41 consid. 3b p. 49 et la référence). 3.3.1 Aux termes de l' art. 2 al. 1 LFLP , si l'assuré quitte l'institution de prévoyance avant la survenance d'un cas de prévoyance, il a droit à une prestation de sortie. La survenance du cas de prévoyance est donc le critère décisif pour juger de l'existence du droit à une prestation de sortie de l'assuré à l'égard de sa caisse. Les art. 122 al. 1 et 124 al. 1 CC reprennent ce critère. Ainsi, tant qu'aucun cas de prévoyance n'est survenu, le droit à la prestation de sortie existe; dès qu'il s'est produit, il n'y a plus de droit à une prestation de sortie. En règle générale, le cas de prévoyance "vieillesse" se produit, pour les hommes, dès qu'ils ont atteint l'âge de 65 ans et, pour les femmes, dès qu'elles ont atteint l'âge de 62 ans (art. 13 al. 1 let. a et b de la loi fédérale du 25 juin 1982 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité [LPP; RS 831.40]). Les dispositions réglementaires de l'institution de prévoyance peuvent toutefois prévoir que le droit aux prestations de vieillesse prend naissance dès le jour où l'activité lucrative prend fin ( art. 13 al. 2 1 re phrase LPP). Interprétant l'art. 2 al. 1 en relation avec l' art. 1 al. 2 LFLP , le Tribunal fédéral des assurances a jugé que l'assuré n'a droit à la prestation de sortie que s'il quitte la caisse avant d'avoir atteint l'âge réglementaire pour prendre une retraite anticipée. Il a ainsi nié l'existence du droit à la prestation de sortie lorsque la résiliation du rapport de travail intervient à un âge auquel l'assuré peut, en vertu des dispositions du règlement de l'institution de prévoyance, prétendre à des prestations de vieillesse au titre de la retraite anticipée ( ATF 129 V 381 consid. 4 p. 382; ATF 126 V 89 consid. 5a p. 92 [question laissée ouverte]; ATF 120 V 306 consid. 4a p. 309 [ancien droit]). Cette jurisprudence ne peut pas être appliquée lorsque les prestations de sortie doivent être partagées entre les époux en cas de divorce, contrairement à ce que proposent SCHNEIDER/BRUCHEZ (La prévoyance professionnelle et le divorce, in Le nouveau droit du divorce, Lausanne 2000, p. 221 et n. 121). Le conjoint ne saurait être privé de la moitié des avoirs de prévoyance à laquelle il a droit en cas de divorce en vertu de l' art. 122 al. 1 CC ; selon la volonté du législateur, chaque époux a un droit inconditionnel à la moitié des expectatives de prévoyance constituées pendant le mariage ( ATF 129 III 577 consid. 4 p. 578; cf. Message concernant la révision du code civil suisse du 15 novembre 1995, FF 1996 I 1 ss, p. 101). BGE 130 III 297 S. 301 En cas de divorce, la survenance du cas de prévoyance "vieillesse" se produit donc au moment où l'assuré perçoit réellement des prestations de vieillesse de son institution de prévoyance professionnelle, et non pas déjà dès l'instant où il pourrait prendre une retraite anticipée selon le règlement de son institution de prévoyance. Tant que l'assuré ne reçoit pas de telles prestations, il dispose d'une prestation de sortie à l'égard de sa caisse; le partage de celle-ci est donc possible et le conjoint y a droit en vertu de l' art. 122 al. 1 CC . Inversement, dès que l'assuré touche des prestations, son droit à la prestation de sortie s'éteint; un partage n'est techniquement plus possible et seule une indemnité équitable peut être fixée conformément à l' art. 124 al. 1 CC ( ATF 129 V 444 consid. 5.1 p. 446 et les références). Cette solution est retenue par la doctrine quasi unanime (GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 p. 86 et Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, n. 2.97; BAUMANN/ LAUTERBURG, Praxiskommentar, Scheidungsrecht 2000, n. 18 et 20 ad art. 122 CC ; WALSER, Commentaire bâlois, n. 4 ad art. 124 CC ; TRIGO TRINDADE, Prévoyance professionnelle, divorce et succession, SJ 2000 II p. 493; KIESER, Ehescheidung und Eintritt des Vorsorgefalles der beruflichen Vorsorge - Hinweise für die Praxis, PJA 2001 p. 155, 156; GRÜTTER/SUMMERMATTER, Erstinstanzliche Erfahrungen mit dem Vorsorgeausgleich bei Scheidung, insbesondere nach Art. 124 ZGB, FamPra.ch 2002 p. 641, 647; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, n. 3 ad art. 124 CC ; contra: SCHNEIDER/BRUCHEZ, op. cit., p. 221 et n. 121). 3.3.2 A la date déterminante de l'entrée en force du prononcé du divorce, soit au jour du dépôt de la réponse et de l'appel incident du défendeur le 12 septembre 2002, le défendeur n'avait pas pris de retraite anticipée; il travaillait encore. Il était donc titulaire d'une prétention à une prestation de sortie à l'égard de son institution de prévoyance. La demanderesse travaillait encore elle aussi. Aucun cas de prévoyance "vieillesse" n'était donc survenu ni pour l'un, ni pour l'autre des époux ( art. 124 al. 1 CC a contrario). Les prestations de sortie des parties, calculées pour la durée du mariage, doivent par conséquent être partagées par moitié conformément à l' art. 122 al. 1 et 2 CC . Le partage par moitié de la prestation de sortie de la demanderesse a déjà été ordonné par le Tribunal de première instance, un BGE 130 III 297 S. 302 montant de 1'670 fr. ayant été transféré à la caisse de prévoyance du défendeur; il n'a pas été remis en cause dans la présente procédure. Il reste donc à partager la prestation de sortie du défendeur. Le juge du divorce ne devant fixer que la proportion dans laquelle le partage doit être effectué ( art. 142 al. 1 CC ), la Cour de céans ordonnera, conformément à l' art. 122 al. 1 CC , le partage par moitié de la prestation de sortie constituée par le défendeur pendant la durée du mariage.
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Sachverhalt ab Seite 113 BGE 89 IV 113 S. 113 A.- Lischer fuhr am 5. Juni 1962, gegen 7.30 Uhr, am Steuer seines Personenwagens VW von Malters gegen BGE 89 IV 113 S. 114 Werthenstein. Als er auf der geraden Strecke, die ausgangs des Dorfes Schachen beginnt, aus einer Entfernung von ungefähr 80 m eine für ihn am linken Strassenrand gelegene Tankstelle erblickte, entschloss er sich, anzuhalten und Benzin zu tanken. Gleichzeitig sah er durch den Rückspiegel, dass ihm ein Personenwagen, der von Mühlemann gesteuert war, mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Lischer verlangsamte seine Fahrt, stellte den Richtungsanzeiger und hielt gegen die Strassenmitte. Als er auf der Höhe der Tankstelle nach links abzuschwenken begann, prallte der Wagen Mühlemanns, der noch zu stoppen versucht hatte, gegen das Heck seines Fahrzeuges. Es entstand beträchtlicher Sachschaden. B.- Am 15. Januar 1963 büsste das Amtsgericht Entlebuch Lischer wegen Verletzung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 20.-, Mühlemann wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs ( Art. 237 Ziff. 2 StGB ) mit Fr. 40.-. Es warf Lischer vor, vor dem Abschwenken nach links nicht angehalten zu haben, um den vortrittsberechtigten Mühlemann vorbeizulassen. Mühlemann legte es Missachtung von Art. 25 und 26 Abs. 4 MFG zur Last. Er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten können, als Lischer nach links abschwenkte. Ausserdem habe er sein Fahrzeug nicht beherrscht. Durch seine mangelnde Rücksichtnahme auf den andern Strassenbenützer habe er sich der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig gemacht. C.- Lischer und Mühlemann führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen, das Urteil des Amtsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde Lischers sei abzuweisen; mit Bezug auf Mühlemann sei die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 89 IV 113 S. 115
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360
Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: I. Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des MFG bzw. nach Art. 237 Ziff. 2 StGB verurteilt, ohne zu prüfen, ob Art. 2 Abs. 2 StGB für Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften ebenfalls gelte und, wenn ja, ob das neue Recht für sie milder sei. I.1. Art. 2 Abs. 2 StGB bestimmt: "Hat jemand ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für den Täter das mildere ist." Nach Art. 102 Ziff. 1 Abs. 1 SVG finden die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, zu denen auch Art. 2 gehört, auf die im Strassenverkehrsgesetz mit Strafe bedrohten Handlungen insoweit Anwendung, als dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält. Dasselbe folgt nicht nur für dieses, sondern für alle Nebenstrafgesetze des Bundes aus Art. 102 und 333 Abs. 1 StGB . Das Strassenverkehrsgesetz kennt keine von Art. 2 Abs. 2 StGB abweichende Norm, so dass nach den Verweisungen angenommen werden müsste, der Grundsatz des mildern Rechts gelte auch für Widerhandlungen gegen das seit 1. Januar 1963 vollständig aufgehobene Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr sowie seine Vollziehungsverordnung, soweit die Widerhandlungen erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur gerichtlichen Beurteilung gelangen. Fragen kann sich nur, ob dies dem Wortlaut, vor allem aber dem Sinn der Norm und den ihr zugrunde liegenden Wertungen wirklich entspricht. Der Kassationshof hat im nicht veröffentlichten Urteil vom 9. Mai 1951 i.S. Demierre die Auffassung vertreten, ein nur für die Dauer bestimmter tatsächlicher Verhältnisse erlassenes Gesetz (sog. Zeitgesetz) sei auf die unter seiner Herrschaft begangenen Taten auch nachher noch anzuwenden. In einem solchen Falle entfielen nur die BGE 89 IV 113 S. 116 Voraussetzungen für die Anwendung der Strafnorm, an der Rechtsanschauung über die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens ändere sich nichts. In andern Entscheiden, so namentlich im nicht veröffentlichten Urteil vom 3. Juni 1955 i.S. Bourquin, hat sich der Kassationshof dagegen auf den Standpunkt gestellt, mit der blossen Überlegung, das Zeitgesetz falle nicht wegen einer Änderung der Anschauungen über die Strafwürdigkeit dahin, sondern lediglich wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, für die es erlassen wurde, könne das Anwendungsgebiet des Art. 2 Abs. 2 StGB nicht beschränkt werden. Es bedürfe hiezu ausdrücklicher Ausnahmen, wie sie denn auch öfters zu finden seien, wenn ein für bestimmte Zeitverhältnisse aufgestellter gesetzlicher Erlass aufgehoben oder abgeändert werde (s. z.B. Art. 3 Abs. 3 BRB über die Abänderung der Preiszuschläge aufFuttermittel, vom 30. Dezember 1952, AS 1952 1125; Art. 48 Abs. 1 Vo über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts, vom 30. Dezember 1953, AS 1953 1286). Mangels einer abweichenden Bestimmung der Nebenstrafgesetzgebung komme Art. 2 Abs. 2 StGB dem Beschuldigten unabhängig davon zugute, aus welchem Grunde die übertretene Norm im Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung der Tat nicht mehr in Kraft ist. Von dieser Auffassung ist der Kassationshof stillschweigend auch in einigen Urteilen ausgegangen, die keine Zeitgesetze betrafen (vgl. BGE 76 IV 52 Erw. 5), in jüngster Zeit insbesondere bei der Anwendung von Erlassen auf dem Gebiete des Strassenverkehrs ( BGE 89 IV 35 Erw. I). Diese Rechtsprechung vermag indes nicht zu befriedigen. a) Dem Art. 2 Abs. 2 StGB liegt der Gedanke zugrunde, dass nicht mehr oder milder bestraft werden soll, weil die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint. Das trifft auf Zeitgesetze oft schon der Natur der Sache nach nicht zu. Zeitgesetze zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum vornherein nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden oder BGE 89 IV 113 S. 117 dass sie nach Inhalt und Zweck nur für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen gelten wollen. Ihre Aufhebung beruht daher, wie schon im Falle Demierre hervorgehoben wurde, in der Regel nicht aufgeänderter Rechtsanschauung, sondern auf geänderten tatsächlichen Verhältnissen. Das kann ohne ausdrückliche Vorschrift nicht zur Folge haben, dass die strafrechtliche Ahndung der während der Geltungsdauer des Gesetzes begangenen, aber erst nach dessen Aufhebung abzuurteilenden Widerhandlungen unterbleibe, Art. 2 Abs. 2 StGB also Anwendung finde. Dies müsste namentlich von all denen, die sich einer Ausnahmeregelung willig unterzogen haben, als stossend empfunden werden. Abgesehen hievon könnte der Täter vor allem bei kurzfristigen Regelungen, wie sie z.B. der Bundesratsbeschluss vom 16. November 1956 betreffend Sonntagsfahrverbot und andere Sparmassnahmen im Verbrauch flüssiger Treibstoffe (AS 1956 1273) darstellte, welcher schon am 15. Dezember 1956 aufgehoben wurde (AS 1956 1481), seine Bestrafung leicht durch Verzögerung des Verfahrens vereiteln. Zeitgesetze wären dann oft illusorisch oder liefen jedenfalls gegen Ende ihrer Geltungsdauer Gefahr, immer weniger beachtet zu werden. Dass das nicht der Sinn und Zweck eines Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand. Soweit man der Frage überhaupt Beachtung geschenkt hat, ist übrigens auch vom schweizerischen Schrifttum anerkannt worden, dass Zeitgesetze bei sinngemässer Auslegung des Art. 2 Abs. 2 StGB von der Norm auszunehmen sind (s. insbes. Komm. THORMANN/VON OVERBECK, Art. 2 N. 17; HALTER, Das zeitliche Geltungsgebiet des StGB, S. 61; GLETTIG, Das schweiz. Clearingstrafrecht, S. 43; vgl. ferner ZÜRCHER, ZStR 27 268; HAFTER, ebenda 253; VON OVERBECK ZStR 56 363; ZBJV 56 285). Bis zur Einfügung einer Sondervorschrift für Zeitgesetze (§ 2a Abs. 3) in das deutsche Strafgesetzbuch im Jahre 1935 ist in der vorherrschenden Lehre und Rechtsprechung Deutschlands ebenfalls die Meinung vertreten worden, dass bei Änderung oder Aufhebung solcher Gesetze der Satz vom BGE 89 IV 113 S. 118 mildern Recht grundsätzlich keine Anwendung finden könne (vgl. z.B. RGSt 57 384, 416, 59 197, 61 223; FRANK, Das StGB für das Deutsche Reich, 18. Auflage, § 2 V 2; V. HIPPEL, Lehrbuch des Strafrechts, Berlin 1932, S. 78; MEZGER, Strafrecht, München 1931, S. 71; ALLFELD, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 8. Auflage, S. 78). b) Eine Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 StGB auf Gesetzesänderungen, denen ein Wandel strafrechtlicher Anschauungen zugrunde liegt, drängt sich auch auf bei Verwaltungsgesetzen, die nicht bloss für eine bestimmte Zeit oder für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen erlassen werden, sondern grundsätzliche Regelungen treffen und daher auf die Dauer angelegt sind. Hier wie dort kann sich der Grundsatz des mildern Rechts von vorneherein nur auf die Strafbestimmungen beziehen, denn bloss diese können "milder" sein. Verhaltensnormen, wie z.B. die Verkehrsregeln, können zweckmässig oder unzweckmässig, so oder anders, aber nicht strenger oder milder sein. Dasselbe gilt von einem Inbegriff von Verhaltensnormen, die auf einander abgestimmt sind und zusammen eine bestimmte Ordnung ausmachen. Das Strassenverkehrsgesetz als Kernstück der Verkehrsgesetzgebung hält die Verkehrsregeln und die Strafbestimmungen denn auch deutlich auseinander, womit allerdings nicht gesagt werden will, die Systematik des Gesetzes sei für die Trennung der beiden Arten von Bestimmungen schlechthin massgebend. Dass sich der Satz vom mildern Recht nur auf die Strafbestimmungen beziehen kann, erhellt auch aus Art. 101 SVG . Im sog. stellvertretenden Strafrecht sind schweizerische Strafbestimmungen anzuwenden, aber auf die Verletzung der am Orte der Widerhandlung und zur Zeit der Begehung für den Täter geltenden Verkehrsregeln des Auslands. Ein Führer, der in England rechts fährt und dadurch einen Unfall verursacht, müsste in der Schweiz freigesprochen werden, wenn die Anwendung "schweizerischer Strafbestimmungen" auch die schweizerischen Verkehrsregeln mitumfassen würde. Werden sowohl ausserstrafrechtliche Verhaltensnormen BGE 89 IV 113 S. 119 wie Strafbestimmungen geändert, so heisst das nicht notwendig, dass eine weniger strenge Anschauung über Verstösse gegen die Ordnung Platz gegriffen hätte. Davon kann jedenfalls bei der Ablösung des MFG durch das Strassenverkehrsgesetz nicht die Rede sein. Diese Ablösung erfolgte, weil sich die alte Ordnung namentlich zufolge der stürmischen Entwicklung des Motorfahrzeugverkehrs mehr und mehr als unzulänglich erwiesen hatte. Die Verkehrsregeln sollten indes nicht umgestürzt, sondern nur auf den Stand der neuen Bedürfnisse weiterentwickelt und ausgebaut werden. Entsprechend sollten die Strafbestimmungen nur ergänzt werden. An der Anschauung über die Strafwürdigkeit von Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften hat sich dagegen nichts geändert, zumindest nicht in dem Sinne, dass solche Widerhandlungen nunmehr weniger strafwürdig erschienen. Das Gegenteil dürfte eher zutreffen; jedenfalls sind sie nach wie vor mit der gleichen Strenge zu ahnden (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 1, insbes. 5 ff.). Eine Ausnahme bildet die Bestimmung des Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG , die für Fälle, wo die Störung des Verkehrs auf einer Verletzung von Verkehrsregeln beruht, an die Stelle von Art. 237 StGB getreten ist (ob auch für vorsätzliche Verkehrsstörungen oder nur für fahrlässige, wie DUBS in der Festgabe für Max Gerwig, Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 55, S. 10, annimmt, steht dabei noch offen). Hier betrifft die Gesetzesänderung eine Strafbestimmung des StGB, die von den kantonalen Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und deshalb einer Neuregelung rief. Es verhält sich dabei unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 2 StGB nicht anders, als wenn z.B. die Bestimmung über die fahrlässige Tötung, Art. 117, oder diejenige über die fahrlässige Körperverletzung, Art. 125, geändert worden wäre. Demgemäss ist Art. 2 Abs. 2 StGB auch anwendbar auf das Verhältnis von Art. 237 StGB zu Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG . Die Anwendung des Art. 2 Abs. 2 StGB auf blosse BGE 89 IV 113 S. 120 Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften entbehrt dagegen aus den angeführten Gründen der Rechtfertigung. Der Satz vom mildern Recht will den viel wichtigeren Grundsatz, wonach ein Strafgesetz auf alle während seiner Herrschaft verübten strafbaren Handlungen anzuwenden ist, nicht schlechthin ausschalten. Er will nur Härten beseitigen, die sich aus der uneingeschränkten Anwendung dieses Grundsatzes ergeben könnten. Eine sinnvolle und zweckentsprechende Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 StGB bedeutet deshalb keine Abschwächung, sondern eine Aufwertung der Norm. Diese dem Täter einzig nach dem Wortlaut der generellen Verweisungen und unbekümmert um eine geänderte Rechtsanschauung zugute kommen zu lassen, wäre in den Auswirkungen unhaltbar, vor allem aber aus kriminalpolitischen Überlegungen nicht zu rechtfertigen, dies umsomehr als der Satz vom mildern Recht überhaupt umstritten und voller Problematik ist (vgl. z.B. HAFTER, Festgabe zum schweiz. Juristentag 1928, S. 109 ff., insbes. V). Freilich hat es der Gesetzgeber bei Zeitgesetzen wie bei andern Verwaltungsgesetzen in der Hand, durch Übergangsbestimmungen nicht nur die Rückwirkung eines Gesetzes und damit Art. 2 Abs. 2 StGB auszuschliessen, sondern in das neue Recht Vorbehalte zugunsten des alten aufzunehmen. Er hat von dieser Möglichkeit auch in neuerer Zeit noch Gebrauch gemacht (vgl. z.B. Art 41 Abs. 5 BG über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge, vom 30. September 1955, AS 1956 85; Art. 11 Abs. 4 BB über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, vom 28 September 1956, AS 1956 1553; Art. 68 Abs. 4 des Getreidegesetzes, vom 20. März 1959, AS 1959 995). Unterlässt er es, so entbindet dies den Richter nicht der Pflicht, anhand der dem Art. 2 Abs. 2 StGB innewohnenden Wertungen und dessen Zweckgedankens zu prüfen, ob die Anwendung der Norm auf Verstösse gegen ein Verwaltungsgesetz, wie hier, eine sachlich richtige Lösung darstelle. I.2. Bleibt es somit in bezug auf Widerhandlungen BGE 89 IV 113 S. 121 gegen Verkehrsvorschriften bei der Regel, dass das zur Zeit der Tat geltende Gesetz anzuwenden ist, so stellt sich die Frage, ob das neue Gesetz für den Täter allenfalls milder sei, nicht mehr. II.1. Nach dem angefochtenen Urteil hat es Lischer an der gebotenen Vorsicht fehlen lassen, die einem Führer obliegt, wenn er ausserhalb einer Strassenverzweigung nach links abbiegen will ( BGE 83 IV 165 ). Das Amtsgericht wirft ihm nicht vor, dass er die beabsichtigte Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt oder dass er den Lauf zu spät gemässigt hätte, sondern nur, dass er hätte anhalten sollen, um Mühlemann links überholen zu lassen. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er hiezu keinen Anlass hatte, weil er noch nicht nach links abgeschwenkt habe. Der Einwand scheitert indes an den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, wonach Lischer nach links abzubiegen im Begriffe war und Mühlemann nicht mehr anzuhalten vermochte, als er das Abbiegemanöver feststellte. Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden daher den Kassationshof. Dieser hat als Tatsache hinzunehmen, dass Lischer nach links abzubiegen begonnen hatte. Bevor er dies tat, hätte der Beschwerdeführer sich aber vergewissern sollen, dass er ein nachfolgendes Fahrzeug, das ihn überholen könnte, nicht gefährde. Zu dieser Vorsicht hatte er umsomehr Anlass, als er wusste, dass ihm ein Personenwagen mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Indem Lischer diese Vorsichtsmassnahme unterliess, verstiess er gegen Art. 25 Abs. 1 MFG. II.2. Nach der Rechtsprechung darf der Führer auch ausserhalb von Strassenverzweigungen vor dem Linksabbiegen gegen die Strassenmitte einspuren, vorausgesetzt, dass die Strasse breit genug ist, um den hinter ihm folgenden Fahrzeugen das Überholen rechts zu ermöglichen; denn nur unter dieser Voraussetzung kann das Einspuren seinen BGE 89 IV 113 S. 122 Zweck, die Sicherheit und die Flüssigkeit des modernen Verkehrs zu fördern, erfüllen ( BGE 83 IV 169 , nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1959 i.S. Dumont). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Kantonsstrasse Luzern-Bern ist an der Unfallstelle bloss 6.50 m, jede Fahrbahn also nur 3.25 m breit. Mühlemann verblieb daher nicht genügend Raum, um Lischer rechts zu überholen, als dieser gegen die Leitlinie hielt. Lischer hätte daher nicht einspuren dürfen, sondern sich gemäss Art. 26 Abs. 1 MFG an den rechten Strassenrand halten und das Linksabschwenken bis nach der Durchfahrt Mühlemanns aufschieben müssen. III. Die Vorinstanz verkennt nicht, dass Mühlemann das Vortrittsrecht zustand. Sie sagt auch nicht, dass dieser nicht hätte überholen dürfen, weil Gegenverkehr geherrscht hätte. Sie wirft ihm nur vor, er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb nicht rechtzeitig anhalten können. Ein Fahrzeug kann indes ein anderes nicht überholen, ohne zunächst zu diesem aufzuschliessen. Da das Amtsgericht nicht behauptet, Mühlemann habe Art. 46 Abs. 1 MFV verletzt, ist der Vorwurf, zu nahe aufgeschlossen zu haben, nicht verständlich. Gewiss stiess der Wagen Mühlemanns gegen das Heck des Volkswagens, aber nicht weil Mühlemann Art. 46 Abs. 1 MFV missachtet hätte, sondern weil er auf das Überholmanöver verzichtete und nach rechts auszuweichen versuchte, als Lischer nach links abzuschwenken begann und ihm dadurch die Fahrbahn abschnitt. Das will jedoch nicht heissen, Mühlemann treffe keine Schuld. Das Amtsgericht scheint einleitend anzunehmen, Lischer habe, wie behauptet, den Richtungsanzeiger schon 80 m vor der Tankstelle gestellt. Es wirft Mühlemann aber nicht vor, dies wegen mangelnder Aufmerksamkeit zu spät bemerkt zu haben, offenbar weil es die Behauptung BGE 89 IV 113 S. 123 Lischers nicht für genügend bewiesen hielt. Dagegen steht fest, dass Lischer die Fahrt ständig verlangsamte und, statt gegen den rechten Strassenrand, gegen die Leitlinie hielt. Dies ist Mühlemann denn auch nicht entgangen; er will sich über die Absicht Lischers zunächst nur nicht klar geworden sein. Diese Ungewissheit hätte ihn veranlassen müssen, die Geschwindigkeit zu mässigen oder doch zumindest die Lage durch ein Warnsignal zu klären. Die Sicherheit des Verkehrs gebot es (Art. 20 MFG). Durch sein pflichtwidriges Verhalten hatMühlemann die Insassen des Volkswagens konkret gefährdet. Dass er nach Art. 90 Ziff. 2 SVG milder zu bestrafen wäre, macht er nicht geltend und ist bei einer Busse von Fr. 40.- auch nicht anzunehmen. Er ist deshalb zu Recht nach Art. 237 Ziff. 2 StGB bestraft worden.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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de
Sachverhalt ab Seite 64 BGE 82 III 63 S. 64 A.- Am 22. Februar 1939 errichtete Henry de Reding im Auftrag des Finanzministers der im Bürgerkrieg unterlegenen Regierung der Spanischen Republik in London nach englischem Recht den Spanish Refugee Trust. Verschiedene Werte des Trustvermögens wurden bei der Bank Hans Seligmann-Schürch & Co. in Basel hinterlegt. Trustee war neben Reding während mehrerer Jahre Manuel Portela Valladares. Nach dessen Tod im Jahre 1951 wurde Mariano Anso zum Cotrustee Redings ernannt. B.- Am 29. Januar 1955 richtete Angela Rionda, die als Erbin des Manuel Portela Valladares eine Honorarforderung von Fr. 135'000.-- gegen den Trust geltend macht, BGE 82 III 63 S. 65 an die Arrestbehörde von Basel-Stadt das Gesuch, es sei ihr für diese Forderung ein bei der Bank Seligmann zu vollziehender Arrest gegen Reding und Anso zu bewilligen. Zur Begründung dieses Gesuchs berief sie sich gegenüber dem in Frankreich wohnenden Anso auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG (Mangel eines Wohnsitzes in der Schweiz), gegenüber dem in Saxon (Kt. Wallis) wohnhaften Reding auf Art. 271 Ziff. 2 SchKG , weil er in der Absicht, sich seinen Verbindlichkeiten zu entziehen, die Trustwerte auf den Spanischen Staat zu übertragen suche. (Reding hatte am 13. Februar 1954 im Einverständnis Ansos mit dem Spanischen Staat eine Vereinbarung geschlossen, wonach er diesem alle in der Schweiz liegenden Werte des Spanish Refugee Trust herauszugeben hat). Als Arrestgegenstände nannte das Arrestgesuch: "Sämtliche Wertschriften, Aktiven, Guthaben, Gelder oder sonstigen Werte, die im Eigentum der Herren de Reding oder Anso stehen, oder die als gegenwartiges oder früheres Eigentum des Spanish Refugee Trust bezeichnet sind. 1. Insbesondere die Konten Henry de Reding 1939, 1954 eventuell 1955, die Wertschriften gemäss Anlage II des Berichtes der Schweiz. Treuhandgesellschaft vom 27. Oktober 1949, auch wenn diese Titel bei anderen Banken auf Rechnung der Hans Seligmann-Schürch & Co. deponiert worden sind. 2. Die bei Hans Seligmann-Schürch & Co. liegenden oder von ihr verwalteten 100 Aktien zu je Fr. 1000.-- nominal der Valfruits SA 3. Das Guthaben des "Spanish Refugee" Trust gegenüber der Valfruits SA von Fr. 228'925.-- (Konto H. de Reding 1954). 4. Die Guthaben der einzelnen Konten der Bank Hans Seligmann-Schürch & Co. zu Gunsten des Spanish Refugee Trust (Konto 1939 und Henry de Reding 1939) gemäss Bericht der Schweiz. Treuhandgesellschaft vom 27. Oktober 1946 S. 56 ff., insbesondere Guthaben von Schweizer Franken 75'331.70, USA-Dollars 12'517.15, francs français 146'869.86, Liren 2'412.-- und £ 1835. 15.00. 5. Sämtliche Wertschriften, Aktiven, Konten etc., die auf Herrn Henry de Reding persönlich und privat lauten. 6. Sämtliche Konten, Wertschriften, Aktiven etc., die auf Herrn Mariano Anso persönlich und privat lauten." Am 31. Januar 1955 erliess die Arrestbehörde gegen "Henry de Reding ... (in solidum mit Mariano Anso ..., beide als Trustees des Spanish Refugee Trust)" und gegen BGE 82 III 63 S. 66 "Mariano Anso ... (in solidum mit H. de Reding ..., beide als Trustees des Spanish Refugee Trust)" je einen Arrestbefehl, worin die Arrestgegenstände gleich bezeichnet waren wie im Arrestgesuch. Das Betreibungsamt Basel-Stadt vollzog diese Befehle am 1. Februar 1955 (Arreste 8 und 9). Die Bezeichnung der bei der Bank Seligmann arrestierten Gegenstände in der Arresturkunde deckt sich genau mit den Angaben in den Arrestbefehlen. Die Bank weigerte sich unter Berufung auf das Bankengeheimnis, über diese Gegenstände nähere Auskunft zu erteilen. C.- Am 14. Februar 1955 machte der Spanische Staat sein Eigentum an den in den Verfahren gegen Reding und Anso arrestierten Vermögenswerten geltend. Er verwies dabei auf eine Klage auf Herausgabe, die er am 30. März 1954 gegen die Bank Seligmann eingeleitet habe. Am 4. März 1955 verfügte das Betreibungsamt auf Ersuchen der Arrestgläubigerin und des Drittansprechers, die Fristansetzung für das Widerspruchsverfahren werde bis auf weiteres sistiert. D.- Zur Prosequierung der Arreste leitete die Gläubigerin gegen Reding und Anso Betreibungen ein (Nrn. 41604 und 41275). Dem von Reding erklärten Rechtsvorschlag liess sie die Klage auf Anerkennung der Arrestforderung folgen. Der Zahlungsbefehl für Anso wurde diesem durch die Post übermittelt. Laut Rückschein erfolgte die Zustellung in Biarritz am 25. Februar 1955. Am 22. März 1955 sandte das Betreibungsamt der Gläubigerin die für sie bestimmte Ausfertigung des Zahlungsbefehls gegen Anso mit dem Vermerke, dass kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei. E.- Nachdem die Gläubigerin in der Betreibung gegen Anso das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, ersuchte dieser das Dreiergericht Basel-Stadt um Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlags. Das Dreiergericht entsprach diesem Gesuch am 29. April 1955 unter Hinweis darauf, dass der Zahlungsbefehl staatsvertragswidrig durch die Post statt auf diplomatischem Wege zugestellt worden BGE 82 III 63 S. 67 und daher nichtig sei. Mit Entscheid vom 30. August 1955 (schriftlich motiviert am 21. September 1955) hob das Appellationsgericht dieses Erkenntnis auf und wies die Sache an das Dreiergericht zurück. Dabei führte es aus, unter Vorbehalt des hier nicht gegebenen Falles, dass eine Betreibungshandlung offensichtlich nichtig sei, müsse die Feststellung der Nichtigkeit der Aufsichtsbehörde vorbehalten bleiben. F.- Hierauf stellte Anso bei der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt mit Eingabe vom 3. Oktober 1955 den Antrag, die durch die Post erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls in der Betreibung Nr. 41'275 sei von Amtes wegen als nichtig aufzuheben. Die Aufsichtsbehörde holte eine Vernehmlassung des Betreibungsamtes ein und zog das Arrestbegehren und die Akten der Arreste Nr. 8 und 9 sowie der Betreibung Nr. 41'275 bei. Sie fand, die postalische Zustellung des Zahlungsbefehls an den in Frankreich wohnenden Schuldner Anso erweise sich nach Massgabe der am 17. Juli 1905 im Haag abgeschlossenen Internationalen Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht und der schweizerisch-französischen Erklärung betreffend die Übermittlung von gerichtlichen und aussergerichtlichen Aktenstücken sowie von Requisitorien in Zivil- und Handelssachen vom 1. Februar 1913 als unzulässig, zumal da die Schweiz sich ihrerseits die Postzustellung in Zivil- und Handelssachen gegenüber sämtlichen Mitgliedstaaten der Haager Übereinkunft ausdrücklich verbeten habe. Die Zustellung des Zahlungsbefehls an Anso, die übrigens der eben erwähnten Erklärung auch deshalb nicht entsprochen habe, weil der Zahlungsbefehl weder französisch abgefasst noch von einer französischen Übersetzung begleitet gewesen sei, erweise sich daher als nichtig. Nichtig sei aber auch schon der Vollzug der beiden Arreste. Es sei nämlich versäumt worden, in den Arrestbefehlen die zu arrestierenden Gegenstände eindeutig als Eigentum des vom einzelnen Befehl betroffenen Schuldners zu bezeichnen, wie es nach BGE 82 III 63 S. 68 Art. 274 Ziff. 4 in Verbindung mit Art. 271 Abs. 1 SchKG
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unerlässlich gewesen wäre. Die Bezeichnung der Arrestgegenstände erwecke den Eindruck, dass der Arrest gegen Anso auch Eigentum Redings, derjenige gegen Reding auch Eigentum Ansos erfassen und dass beide Arreste sich auf Vermögenswerte des Spanish Refugee Trust erstrecken sollten. Das Trustvermögen stelle nach der Begründung des Arrestbegehrens Gesamteigentum der beiden Trustees dar, so dass sich der Arrest gegen diese nach Art. 1 der Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen vom 17. Januar 1923 (VVAG) nicht auf einzelne zu diesem Vermögen gehörende Gegenstände, sondern nur auf den dem einzelnen Schuldner zufallenden Liquidationsanteil beziehen könne. Der Arrestvollzug verstosse also gegen zwingendes Recht und hätte daher vom Betreibungsamt abgelehnt werden sollen. Die auf Rechnung der Bank Seligmann bei andern Banken hinterlegten Gegenstände (Ziff. 1) hätten im übrigen, soweit ausserhalb des Arrestkreises Basel-Stadt gelegen, vom Betreibungsamt Basel-Stadt auch wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht arrestiert werden dürfen. Das gleiche gelte auch für das unter Ziff. 3 der Arresturkunde genannte Guthaben des Spanish Refugee Trust gegen die Valfruits SA, weil Reding in Saxon, Anso in Frankreich und die Drittschuldnerin Valfruits SA in Fully (Kt. Wallis) domiziliert sei. Die Aufhebung der Arrestvollzüge entziehe einem allfälligen Widerspruchsverfahren den Boden. Nach einem allfälligen neuen Arrestvollzuge sei von einer Sistierung dieses Verfahrens, da unzweckmässig, abzusehen. Auf Grund dieser Erwägungen hat die kantonale Aufsichtsbehörde am 27. Februar 1956 erkannt: 1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Zustellung des Zahlungsbefehls vom 18. Februar 1955 in Betreibung Nr. 41'275 an den Rekurrenten als nichtig aufgehoben. 2. Ausserdem wird der Vollzug der von der Arrestbehörde Basel-Stadt am 31. Januar 1955 erlassenen und am 1. Februar 1955 durch das Betreibungsamt Basel-Stadt vollzogenen Arrestbefehle gegen Henry de Reding (Arrest Nr. 8) und Mariano Anso (Arrest Nr. 9) von Amtes wegen aufgehoben. BGE 82 III 63 S. 69 3. Das Betreibungsamt wird angewiesen, bei allenfalls erneutem Arrestvollzug gegen Henry de Reding oder Mariano Anso ein möglicherweise dannzumal in Bezug auf Eigentumsansprüche des Spanischen Staates einzuleitendes Widerspruchsverfahren ohne Sistierung durchzuführen. G.- Gegen diesen Entscheid hat die Gläubigerin an das Bundesgericht rekurriert mit den Anträgen: 1. Es sei in Aufhebung des Entscheides der Aufsichtsbehörde ... vom 27. Februar 1956 das Betreibungsamt anzuweisen, die von der Arrestbehörde Basel-Stadt am 31. Januar 1955 erlassenen Arrestbefehle ... gegen Henry de Reding und Mariano Anso zu vollziehen. 2. Es sei die Beschwerde des Mariano Anso vom 4. Oktober 1955 ... abzuweisen und festzustellen, dass in der Arrestprosekutionsbetreibung Nr. 41275 der Zahlungsbefehl richtig an Herrn Mariano Anso zugestellt worden ist. 3. Es sei festzustellen, dass das Betreibungsamt ... berechtigt gewesen ist, das Widerspruchsverfahren ... mit Einwilligung beider Parteien zu sistieren und es sei die das Gegenteil verfügende Anweisung der Aufsichtsbehörde ... aufzuheben. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Das Betreibungsamt hat den Vollzug eines Arrestbefehls abzulehnen, wenn hiezu Massnahmen getroffen werden müssten, die sich als Verletzung der beim Vollzug zu beachtenden Vorschriften darstellen ( BGE 64 III 129 , BGE 75 III 26 ). Vollzieht das Betreibungsamt einen Arrestbefehl, dem es keine Folge hätte geben sollen, so sind die von ihm getroffenen Massnahmen auf Beschwerde hin aufzuheben. Falls die verletzten Vorschriften zwingender Natur sind, haben die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen einzuschreiten, auch wenn die Beschwerdefrist unbenützt abgelaufen ist, sobald ihnen der Sachverhalt auf irgendeinem Wege, z.B. durch eine nach Fristablauf eingereichte Beschwerde, bekannt wird (vgl. z.B. BGE 73 III 103 Erw. 3) Dies ergibt sich aus Art. 13 SchKG (vgl. BGE 79 III 9 ). Die Aufhebung des Arrestvollzugs wegen Verletzung der hiefür massgebenden Vorschriften hat entgegen der Auffassung der Rekurrentin mit der Arrestaufhebung im Sinne von Art. 279 Abs. 2 SchKG , die dem Richter vorbehalten ist, nichts zu tun. BGE 82 III 63 S. 70 2. Nach Art. 271 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger "Vermögensstücke des Schuldners" mit Arrest belegen lassen. Diese Vermögensstücke hat er zu nennen, damit sie im Arrestbefehl angegeben werden können ( Art. 274 Ziff. 4 SchKG ). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass ein Arrest nur solche Gegenstände erfassen kann, die nach der Meinung des Gläubigers dem Schuldner gehören. Daraus, dass der Gläubiger die Arrestierung eines bestimmten Gegenstandes verlangt, ist in der Regel zu schliessen, dass er geltend machen will, dieser Gegenstand stehe dem Schuldner zu. An diese Rechtsbehauptung hat sich das Betreibungsamt zu halten und den Arrest zu vollziehen, sofern die übrigen Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Gläubiger einen Arrest auf Vermögensstücke erwirkt hat, die dem Namen nach einem Dritten gehören. Der Gläubiger, der z.B. die Arrestierung von auf den Namen eines Dritten hinterlegten Wertschriften oder von auf einen Dritten lautenden Guthaben verlangt, will damit gewöhnlich behaupten, dass diese Wertschriften oder Guthaben in Wirklichkeit dem Schuldner zustehen. Wenn dann der Schuldner die zu arrestierenden Gegenstände als Eigentum eines Dritten bezeichnet oder ein Dritter das Eigentum daran beansprucht, so kann dies nicht zur Ablehnung oder Aufhebung des Arrestvollzugs führen, sondern gibt nur Anlass zur Einleitung eines Widerspruchsverfahrens. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Gläubiger die Gegenstände, deren Arrestierung er verlangt, selber als Eigentum eines Dritten bezeichnet. Gehören die Arrestgegenstände nach der eigenen Behauptung des Gläubigers nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten, so verstösst der Arrestvollzug offenkundig gegen die Natur des Arrestes, der nur der Sicherung des Gläubigers durch Vermögensstücke des Schuldners dienen soll, und stellt einen unzulässigen Eingriff in die Rechte einer am Verfahren nicht beteiligten Person dar. Er ist daher abzulehnen und, wenn erfolgt, als nichtig von Amtes wegen aufzuheben. BGE 82 III 63 S. 71 Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Die Rekurrentin liess bei jedem der beiden Arrestschuldner nicht nur die nach ihrer Auffassung dem Schuldner gehörenden Gegenstände arrestieren, sondern auch diejenigen, die im Eigentum des Dritten stehen, den sie neben dem Schuldner solidarisch für ihre Forderung haftbar macht ("Sämtliche Wertschriften ..., die im Eigentum des Arrestschuldners oder Mariano Anso stehen" und umgekehrt). Ausserdem liess sie in beiden Arrestbefehlen die als gegenwärtiges oder früheres "Eigentum" des Spanish Refugee Trust bezeichneten Werte als Arrestgegenstände aufführen, sodass man sich fragen kann, ob die beiden Arreste auch noch Vermögensstücke einer weitern Drittperson erfassen sollen. Welche Vermögenswerte sie im einen und andern Verfahren als Eigentum des Arrestschuldners und welche sie als Dritteigentum ansieht, lässt sich, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, der Aufzählung unter Ziff. 1-6 des Arrestgesuchs und Arrestbefehls nicht mit Sicherheit entnehmen. Wen sie als Eigentümer betrachtet, ist nicht einmal bei den Vermögenswerten klar, als deren Titular entweder Reding oder Anso ohne weitern Zusatz angegeben ist (Ziff. 1, 5, 6), weil die Tatsache, dass die Ziffern 3 und 4 als Guthaben des Trusts zum Teil bereits unter Ziffer 1 erwähnte Konten Redings erwähnen, darauf schliessen lässt, dass die Rekurrentin den Titular nicht ohne weiteres als den in Wirklichkeit Berechtigten betrachtete, und weil die übereinstimmende Bezeichnung der Arrestgegenstände in beiden Arresten und die den Ziffern 1-6 vorausgehende allgemeine Umschreibung zeigen, dass die Rekurrentin fand, es komme gar nicht darauf an, was dem einen oder andern Schuldner oder allenfalls dem Trust gehöre, so dass sie hierüber keine Angaben zu machen brauche. Schon wegen dieser Unklarheit hätte das Betreibungsamt den Arrestbefehlen keine Folge geben sollen und muss der erfolgte Vollzug aufgehoben werden. 3. Zum gleichen Ergebnis führt eine weitere Überlegung. BGE 82 III 63 S. 72 Nach dem Arrestgesuch und den Ausführungen in der Rekursschrift ist anzunehmen, dass die Rekurrentin sich deswegen für berechtigt hielt, in beiden Arrestverfahren neben den als Eigentum des Trusts bezeichneten Werten alle Depots und Guthaben Redings und Ansos bei der Bank Seligmann beschlagnahmen zu lassen, weil sie davon ausging, mindestens bei einem Teil dieser Vermögensstücke handle es sich wie bei den ausdrücklich auf den Namen des Trusts angelegten Werten um Trustvermögen, das für die gegen den Trust gerichtete Arrestforderung hafte. Die zum Trustvermögen gehörenden Werte stehen aber nach ihrer eigenen Behauptung in den erwähnten Eingaben im Gesamteigentum der beiden Cotrustees Reding und Anso. Gegenstände, die sich nicht im Alleineigentum des Schuldners, sondern im Gesamteigentum des Schuldners und weiterer Personen befinden, können für die Verbindlichkeiten des Schuldners nicht selber gepfändet oder arrestiert werden. Vielmehr gilt bei derartigen Verhältnissen der in Art. 1 VVAG ausgesprochene, aus dem materiellen Recht zwingend hervorgehende Grundsatz, dass die Pfändung (oder der Arrestvollzug) sich nur auf den Liquidationsanteil erstrecken kann, der dem Schuldner im Falle der Auflösung der das Gesamteigentum begründenden Gemeinschaft zufällt. Auch beim Vorliegen von blossem Miteigentum kann sich im übrigen die Pfändung oder der Arrest nicht auf den Gegenstand des Miteigentums, sondern nur auf das Anteilsrecht des Schuldners beziehen. Nur dieses ist Vermögen des Schuldners. Aus den eigenen Ausführungen der Rekurrentin ergibt sich also, dass die streitigen Arreste mindestens hinsichtlich eines Teils der arrestierten Gegenstände gegen Art. 1 VVAG verstossen. Welche Gegenstände sie als Alleineigentum des einen oder andern Cotrustees und welche sie als Trustgut und damit als Gesamteigentum beider betrachtet, hat die Rekurrentin im Arrestgesuch nicht präzisiert. Auch unter dem Gesichtspunkte von Art. 1 VVAG war es deshalb richtig, dass die Vorinstanz den Arrestvollzug hinsichtlich aller beschlagnahmten BGE 82 III 63 S. 73 Gegenstände aufhob. In der Rekursschrift nimmt die Rekurrentin nun übrigens den Standpunkt ein, dass es sich bei allen auf den Namen Redings oder Ansos oder des Trustes lautenden Vermögenswerten um Trustvermögen und mithin um Gesamteigentum handeln könne und auch handle (S. 21/22). Angesichts dieser Stellungnahme ist vollends klar, dass die Arreste vor der erwähnten Vorschrift nicht Bestand haben können. Ob nach dem einschlägigen materiellen Recht eine Liquidation des Gesamthandverhältnisses stattfinden darf oder nicht, ist entgegen der Meinung der Rekurrentin gleichgültig. Wenn eine solche Liquidation nach dem von der Rekurrentin als massgebend erachteten englischen Recht ausgeschlossen wäre, so hätte dies höchstens zur Folge, dass die Vollstreckung der Arrestforderung auf dem Wege der Schuldbetreibung in der Schweiz nicht zum Ziel führen könnte. Es kann keine Rede davon sein, dass die Betreibungsbehörden den Besonderheiten einer fremden Rechtsordnung durch ein gesetzwidriges Verfahren Rechnung tragen dürften. Im übrigen ist zu bemerken, dass die von der Rekurrentin angestrebte Verwertung von Gegenständen des Gemeinschaftsvermögens ja nichts anderes bedeutet als eine mindestens partielle Liquidation der Gemeinschaft. Der Hinweis aufBGE 73 III 113f. kann der Rekurrentin auch nicht helfen. Es kann sich von vornherein fragen, ob die dort angestellte Erwägung, dass im Falle der Betreibung sämtlicher Teilhaber eines Gemeinschaftsvermögens für eine Solidarschuld keiner von ihnen an der Einhaltung des Grundsatzes von Art. 1 VVAG interessiert sei, wirklich den Schluss erlaube, dass in einem solchen Falle auf Verlangen des Gläubigers anstelle der Anteilsrechte der Betriebenen, die allein zu ihren Vermögen gehören, die das Gemeinschaftsgut bildenden Gegenstände selbst gepfändet werden dürfen. Diese Frage braucht hier jedoch nicht näher untersucht zu werden. Auf jeden Fall kann nämlich das in Frage stehende Verfahren höchstens dann zugelassen werden, BGE 82 III 63 S. 74 wenn ausser Zweifel steht, dass niemand an der Befolgung des juristisch allein korrekten Verfahrens ein Interesse hat. Diese Annahme mochte sich im FalleBGE 73 III 111ff. rechtfertigen, wo man es mit übersichtlichen Verhältnissen zu tun hatte. (Die Betriebenen bildeten dort zusammen mit dem Gläubiger eine Erbengemeinschaft im Sinne des schweizerischen Rechts; mit der Betreibung wurde eine Erbschaftsschuld geltend gemacht; Gegenstand des Gesamteigentums waren genau bekannte Vermögensstücke, nämlich die Bestandteile des Nachlasses, insbesondere Liegenschaften in Nyon.) Im vorliegenden Falle sind dagegen die Verhältnisse keineswegs derart bekannt, dass die Betreibungsbehörden annehmen dürften, es sei niemand daran interessiert, dass gemäss Art. 1 VVAG vorgegangen werde. Es bleibt also dabei, dass sich die Arrestierung der in den Arrestbefehlen gegen Reding und Anso genannten Gegenstände auf Grund der eigenen Vorbringen der Rekurrentin als absolut unzulässig erweist. 4. Die Aufhebung des Arrestvollzugs gegen Reding und Anso entzieht dem Betreibungsamt Basel-Stadt die örtliche Zuständigkeit für die Durchführung der Betreibungen gegen diese beiden Schuldner, die sich allein aus Art. 62 SchKG (Betreibungsort des Arrestes) ergeben könnte. Ein Zahlungsbefehl, der von einem örtlich nicht zuständigen Amte erlassen wurde, ist jedoch wegen dieses Mangels nicht von Amtes wegen, sondern nur auf rechtzeitige Beschwerde hin aufzuheben, weil die Einleitung einer Betreibung am unrichtigen Ort anders als die durch ein unzuständiges Amt vollzogene Pfändung oder Arrestierung weder öffentliche Interessen noch Interessen dritter, nicht am Verfahren beteiligter Personen verletzt ( BGE 56 III 232 , BGE 68 III 35 ; abweichend, jedoch ohne nähere Begründung, BGE 73 III 103 Erw. 3 a.E.). Der Streit darüber, ob die Zustellung des Zahlungsbefehls an Anso wegen Verletzung staatsvertraglicher Vorschriften nichtig sei, wird also durch die Aufhebung des Arrestvollzugs nicht gegenstandslos, wie die Rekurrentin anzunehmen scheint. BGE 82 III 63 S. 75 5. Wohnt der Schuldner im Auslande, so erfolgt die Zustellung der Betreibungsurkunden nach Art. 66 Abs. 3 SchKG durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder durch die Post. Die zweite Zustellungsart kann sich jedoch aus völkerrechtlichen Gründen als unzulässig erweisen. Die Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht, der die Schweiz und Frankreich beigetreten sind, beschränkt die Möglichkeit, gerichtliche oder aussergerichtliche Urkunden in Zivil- und Handelssachen den im Ausland befindlichen Beteiligten durch die Post zuzustellen, auf die Fälle, wo Abkommen zwischen den beteiligten Staaten sie zulassen oder wo in Ermangelung von Abkommen der Staat, auf dessen Gebiet die Zustellung erfolgen soll, nicht widerspricht (Art. 6). Zu den hier genannten Urkunden zählen gemäss ständiger Praxis auch die Betreibungsurkunden. Ein Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich, das die Zustellung amtlicher Urkunden durch die Post als zulässig erklären würde, besteht nicht. Insbesondere enthält die Erklärung zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Übermittlung von gerichtlichen und aussergerichtlichen Aktenstücken sowie von Requisitorien in Zivil- und Handelssachen vom 1. Februar 1913 (BS 12, deutsch S. 298, französisch S. 286) keine solche Vorschrift. Sie bestimmt gegenteils in Art. 2, dass die gerichtlichen und aussergerichtlichen Aktenstücke, welche für Personen in Frankreich bestimmt sind, durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement oder die zuständige kantonale Behörde unmittelbar dem französischen Staatsanwalt übersandt werden, in dessen Bezirk der Adressat sich befindet (eine Zustellungsart, die gegenüber der in Art. 1 der Haager Übereinkunft vorgesehenen eine Vereinfachung bedeutet). Anderseits ist freilich ein Widerspruch gegen die Zustellung durch die Post von Seiten Frankreichs bis heute nicht erfolgt. Das Ausbleiben eines Widerspruchs lässt jedoch diese Zustellungsart nach Art. 6 der Haager Übereinkunft nur "in Ermangelung von Abkommen" ("à défaut de conventions") zwischen den beteiligten Staaten, d.h. dann als zulässig erscheinen, wenn BGE 82 III 63 S. 76 zwischen diesen Staaten ein Sonderabkommen über die Zustellung von Urkunden der in Frage stehenden Art überhaupt nicht besteht. Ist dagegen ein solches Abkommen vorhanden, so soll es nach der erwähnten Bestimmung allein Regel machen (vgl. BGE 76 III 78 /79; dass das Bundesgericht sich hier in Abweichung vonBGE 41 III 209auf die eben dargestellte Auslegung von Art. 6 der Haager Übereinkunft gestützt hat, lässt sich im Hinblick auf den ersten Satz von Erw. 3 auf S. 79 nicht bezweifeln). Da die Schweiz und Frankreich am 1. Februar 1913 ein Abkommen geschlossen haben, das die Zustellung durch die Post nicht vorsieht, muss diese demnach als durch die Haager Übereinkunft ausgeschlossen gelten, obschon Frankreich keinen Widerspruch im Sinne von Art. 6 dieser Übereinkunft erhoben hat (so im Ergebnis auch schon der Entscheid der Staatsrechtlichen Abteilung vom 13. Juli 1923 i.S. Bigorre). Mit Recht hat die Vorinstanz aber auch hervorgehoben, dass die Vornahme postalischer Zustellung nach Konventionsstaaten durch die schweizerischen Behörden schon deswegen Bedenken weckt, weil die Schweiz sich ihrerseits gegen die postalische Zustellung aus diesen Ländern verwahrt hat (vgl. BGE 76 III 79 Erw. 3). Im Verhältnis zu Frankreich wird die Unzulässigkeit der Zustellung durch die Post übrigens durch Art. 7 der Erklärung vom 1. Februar 1913 bestätigt. Wenn es den diplomatischen und konsularischen Vertretern versagt ist, im andern Staate Zustellungen vorzunehmen, dann muss dies doch erst recht für die im eigenen Gebiete tätigen Behörden gelten, die eine Zustellung mit Hilfe der Post bewirken möchten. Denn es dürfte klar sein, dass Art. 7 den erwähnten Auslandvertretungen nicht bloss die eigenhändige Zustellung an den Adressaten verbietet, sondern dass sie sich für Aktenzustellungen auch nicht der Post des andern Staates bedienen dürfen. Andernfalls wäre nicht recht einzusehen, welchen Sinn Art. 7 haben soll. Wenn der zweite Satz dieser Bestimmung als Ausnahme von dem im ersten Satz aufgestellten Verbote zulässt, dass Aktenzustellungen BGE 82 III 63 S. 77 an die eigenen Staatsangehörigen "unmittelbar" (und ohne Zwang) bewirkt werden, so kann damit vernünftigerweise nicht gemeint sein: "ohne Vermittlung der Post", woraus vielleicht geschlossen werden könnte, dass das Verbot von Satz 1 die postalische Zustellung nicht erfasse, sondern der fragliche Ausdruck kann hier offensichtlich nur bedeuten: "unter Umgehung der nach Art. 1 und 2 zuständigen Behörde des andern Staates". Eine in Verletzung staatsvertraglicher Bestimmungen vorgenommene postalische Zustellung einer Betreibungsurkunde nach dem Ausland ist nichtig ( BGE 57 III 30 Erw. 4). 6. Die Weisung, welche die Vorinstanz dem Betreibungsamt in Disp. 3 ihres Entscheides für den Fall eines eventuellen spätern Arrestes erteilt hat, kann nicht Gegenstand eines Rekurses sein, da erst deren spätere Befolgung eine Beschwernis für die Rekurrentin bilden könnte. In diesem Punkte ist also auf den Rekurs nicht einzutreten.
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3,218
Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 218 BGE 134 II 217 S. 218 Il 29 novembre 2004 il Consiglio comunale di Monteggio ha adottato una variante del piano regolatore che prevede un ampio comparto destinato alla realizzazione di un campo da golf d'interesse cantonale in località "La Pampa", su una superficie estesa e pianeggiante finora di carattere agricolo. La variante è costituita da una zona denominata "zona agricola SAC (golf)" di circa 315'000 m 2 , destinata ad ospitare il terreno da gioco di 9 buche, e da una zona denominata "zona privata d'interesse pubblico (golf)" di circa 11'000 m 2 , destinata alla realizzazione di clubhouse, magazzini, infrastrutture legate alla pratica del golf e posteggi. Il comparto oggetto della variante figura nel piano direttore cantonale quale superficie idonea all'avvicendamento delle colture (SAC) e quale ubicazione prevista per un campo da golf di interesse cantonale. Con risoluzione del 4 aprile 2006 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino ha approvato la variante del piano regolatore, respingendo nel contempo il ricorso presentato da B., agricoltore e proprietario di fondi vicini o interessati dalla variante pianificatoria e gestiti dalla sua azienda agricola. Adito da B., con sentenza dell'11 giugno 2007 il Tribunale cantonale amministrativo ne ha accolto il ricorso e ha annullato la risoluzione governativa di approvazione della variante pianificatoria. La Corte cantonale ha ritenuto la zona riservata alla pratica del golf di per sé ancora compatibile con l'area SAC, in considerazione segnatamente dell'obbligo di ripristinare entro due anni l'utilizzazione agricola in BGE 134 II 217 S. 219 caso di abbandono dell'attività golfistica. Ha tuttavia ravvisato una mancata preliminare ponderazione degli interessi toccati. A. AG, proprietaria della maggior parte dei fondi inclusi nel comparto interessato dalla variante e promotrice del progetto di campo da golf, impugna questa sentenza con un ricorso in materia di diritto pubblico al Tribunale federale. Il ricorso è stato respinto in quanto ammissibile.
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Erwägungen Dai considerandi: 3. 3.1 Confederazione, Cantoni e Comuni provvedono affinché il suolo sia utilizzato con misura ( art. 1 cpv. 1 LPT ; RS 700). Essi sostengono con misure pianificatorie in particolare gli sforzi intesi a proteggere le basi naturali della vita, come il suolo, l'aria, l'acqua, il bosco e il paesaggio ( art. 1 cpv. 2 lett. a LPT ) ed a garantire una sufficiente base di approvvigionamento del Paese (art. 1 cpv. 2 lett. d LPT). Le autorità incaricate di compiti pianificatori sono tenute a rispettare il paesaggio ed in particolare a mantenere per l'agricoltura sufficienti superfici coltive idonee ( art. 3 cpv. 2 lett. a LPT ). Le superfici per l'avvicendamento delle colture (SAC) sono parte dei territori idonei all'agricoltura ( art. 6 cpv. 2 lett. a LPT ); esse sono costituite dalle superfici coltive idonee, comprendenti soprattutto i campi, i prati artificiali in rotazione, come pure i prati naturali confacenti alla campicoltura, e sono assicurate con provvedimenti della pianificazione del territorio ( art. 26 cpv. 1 OPT ; RS 700.1). Un'estensione totale minima delle SAC è necessaria onde assicurare, in periodi perturbati, una base sufficiente per l'approvvigionamento del Paese ai sensi del piano di alimentazione ( art. 26 cpv. 3 OPT ). Sulla base dell' art. 29 OPT , la Confederazione ha fissato nel piano settoriale per l'avvicendamento delle colture, dell'8 aprile 1992, l'estensione totale minima delle SAC e la relativa ripartizione tra i Cantoni, stabilendo per il Cantone Ticino una quota minima di 3'500 ettari (FF 1992 II 1396). L' art. 30 OPT impone ai Cantoni di provvedere affinché le SAC siano attribuite alle zone agricole (cpv. 1) e di garantire che la loro quota di estensione minima sia assicurata costantemente (cpv. 2). 3.2 Secondo la scheda di coordinamento 3.1 del piano direttore cantonale, l'area SAC reperita dal Cantone Ticino ammonta a 4'331 ettari. Questa superficie è stata tuttavia determinata prima del decreto del Consiglio federale dell'8 aprile 1992 e comprende anche 835 BGE 134 II 217 S. 220 et tari all'interno del catasto viticolo, non computate dal piano settoriale della Confederazione (cfr. sentenza del Tribunale cantonale amministrativo del 28 settembre 2006, consid. 4.2.1, pubblicata in: Rivista ticinese di diritto [RtiD] 2007 I n. 30 pag. 133 segg.). Secondo il rapporto dell'Ufficio federale dello sviluppo territoriale (ARE) del 2003 (Dix ans de plan sectoriel des surfaces d'assolement [...], pag. 39 seg. e 42), il Cantone Ticino figura tra i Cantoni che non possono più garantire la propria quota SAC, la quale è oltretutto anche interessata dalla realizzazione di infrastrutture viarie importanti, quali la nuova trasversale ferroviaria alpina (cfr. sentenze 1E.22/2005 del 21 aprile 2006 e 1E.18/2005 del 26 giugno 2006, pubblicate in: RtiD 2006 II n. 34 e 35). La limitata disponibilità di riserve di area SAC riduce la possibilità di eventuali compensazioni e deve quindi essere considerata nella pianificazione di nuove zone in tali comparti. 3.3 Secondo la giurisprudenza del Tribunale federale, deve essere attribuita un'importanza rilevante alla tutela dei terreni coltivi e alla garanzia delle superfici per l'avvicendamento delle colture ( DTF 115 Ia 350 consid. 3f/bb; DTF 114 Ia 371 consid. 5d). Tuttavia, non è di principio escluso che le superfici per l'avvicendamento delle colture possano anche essere prese in considerazione per un'utilizzazione diversa da quella agricola, se risulti giustificata da interessi preponderanti (cfr. sentenza 1A.318/1996 del 15 novembre 1999, consid. 10b non pubblicato in DTF 125 II 643 ; sentenza 1A.45/2001 del 20 settembre 2001, consid. 7a, pubblicata in: RDAT 2002 I n. 56 pag. 362 segg.). Occorre al riguardo una ponderazione completa di tutti gli interessi privati e pubblici in causa ( art. 3 OPT ), tenendo altresì conto che deve essere costantemente assicurata la quota minima di SAC attribuita al Cantone ( art. 30 cpv. 2 OPT ). Deve quindi essere delucidato quale sia l'incidenza del nuovo azzonamento sulla superficie per l'avvicendamento colturale e in quale misura l'area interessata può essere ricoltivata in caso di necessità di approvvigionamento (cfr. sentenza 1P.563/1991 del 27 maggio 1992, consid. 4a). È pure d'uopo esaminare la possibilità di una compensazione della SAC persa a causa di un'utilizzazione estranea all'agricoltura, in particolare quando la quota di superficie minima prevista dal diritto federale è garantita soltanto di misura o addirittura non è nemmeno raggiunta ( DTF 114 Ia 371 consid. 5d pag. 376; sentenza 1A.19/2007 del 2 aprile 2008, consid. 5.2). 4. 4.1 In concreto, la variante di piano regolatore prevede l'esclusione dalla zona agricola di una superficie di oltre 31 ettari per destinarla BGE 134 II 217 S. 221 a un campo da golf di 9 buche e relativi impianti accessori. Si tratta di un comprensorio ampio e pianeggiante, molto idoneo alla campicoltura secondo il catasto delle idoneità agricole. La sottrazione dal comparto agricolo di un settore così vasto e pregiato, che si presta particolarmente bene allo sfruttamento agricolo, deve essere giustificata da motivi preponderanti. La modifica pianificatoria litigiosa presuppone quindi una ponderazione accurata e globale degli interessi toccati, in cui rientra pure l'accertamento della portata dell'incidenza sull'area SAC e le conseguenze sotto il profilo dell'estensione minima attribuita al Cantone (cfr. sentenza 1P.563/1991, citata, consid. 4a e b). 4.2 Al riguardo, la Corte cantonale ha ritenuto indistintamente l'intera superficie riservata al terreno da gioco compatibile con l'area SAC, essendo assicurata, in caso di cessazione dell'attività golfistica, la possibilità di una riconversione agricola in tempi brevi. Tuttavia, la costruzione e l'esercizio di un campo da golf comportano interventi incisivi su talune parti del suolo, che possono impedire o rendere difficoltosa una ricoltivazione delle superfici colpite (cfr. DTF 111 Ib 116 consid. 3c/cc pag. 123; sentenza 1P.563/1991, citata, consid. 4a; SERGIO BIANCHI, Campi da golf e loro realizzazione nel territorio ticinese, in: Giurisdizione costituzionale e giurisdizione amministrativa, Zurigo 1992, pag. 135 seg.; THOMAS WIDMER DREIFUSS, Planung und Realisierung von Sportanlagen, tesi Zurigo 2002, pag. 30). Secondo il "Piano settoriale 'superfici per l'avvicendamento delle colture' (SAC), Guida 2006" (in seguito: Guida) dell'ARE (pag. 10), di regola le superfici utilizzate per i campi da golf non possono essere conteggiate nelle SAC. Nella quota di superficie cantonale possono essere computate soltanto le parti dei campi da golf in cui può essere comprovato il rispetto permanente dei criteri qualitativi. Le superfici fortemente alterate o danneggiate dalla costruzione del campo da golf o quelle create ex novo vanno trattate come superfici di ricoltivazione. Quest'ultime possono essere computate nelle SAC solamente dopo la conclusione dei provvedimenti di ricoltivazione, di regola non prima di quattro anni, a condizione che siano conformi ai criteri qualitativi. L'ARE rileva nondimeno che il reperimento di un quantitativo di humus sufficiente per ripristinare la fertilità del suolo di una superficie così estesa appare molto difficile e non sarebbe finora mai avvenuto (cfr. sentenza 1A.19/2007, citata, consid. 6.4). 4.3 Nella fattispecie, la parte di superficie per l'avvicendamento delle colture che verrebbe persa a seguito degli interventi e delle BGE 134 II 217 S. 222 trasformazioni del terreno nel comparto destinato al campo da gioco non è stata accertata. Né è stato delucidato e considerato nelle decisioni delle autorità preposte alla pianificazione in quale misura le superfici alterate possono essere ricoltivate. Come esposto, in seguito alla costruzione dell'impianto da golf, una parte non trascurabile del terreno non adempirebbe infatti più le esigenze dell'area SAC, sia per l'alterazione della struttura del suolo sia per le eventuali dimensioni ridotte e le forme inadeguate delle superfici rimanenti (cfr. Guida, pag. 15). Affinché la ponderazione degli interessi possa essere eseguita in modo completo e con cognizione di causa, occorre infatti chiarire e considerare già in sede pianificatoria questi aspetti, valutandoli nel contesto della quota di estensione minima attribuita al Cantone. Ciò in particolare, ove si consideri l'esaurimento o quantomeno la scarsa disponibilità di riserve di queste aree, oltre alla generale diminuzione della superficie agricola utile nel Cantone Ticino durante l'ultimo decennio (cfr. "Revisione del Piano direttore cantonale, Rapporto esplicativo 2007", pag. 42 e 53). 4.4 La ricorrente sostiene che, contrariamente a quanto ravvisato dalla Corte cantonale, gli interessi dell'agricoltura sarebbero stati presi in considerazione sia dal Comune di Monteggio sia dal Consiglio di Stato. Richiama al riguardo un rapporto dell'agosto 1997 e una verifica di fattibilità del luglio 1998 del Gruppo promotore Valle della Tresa, oltre a un rapporto preliminare sull'impatto ambientale fatto allestire nel maggio 2004. La ponderazione degli interessi deve tuttavia essere eseguita dalle autorità incaricate dei compiti pianificatori e deve essere addotta nella motivazione delle loro decisioni (cfr. art. 3 OPT ). In concreto, il Comune si è limitato nel rapporto di pianificazione a ritenere la variante litigiosa come generalmente compatibile con la superficie per l'avvicendamento delle colture e ad accennare a un cambiamento auspicabile nell'orientamento economico della regione. Nella risoluzione di approvazione, il Consiglio di Stato ha parimenti ammesso tale compatibilità, stabilendo l'ammontare del contributo pecuniario sostitutivo per la diminuzione dell'area agricola corrispondente alla superficie di 5'500 m 2 destinata ai posteggi. Premesso che, come visto, un computo indifferenziato di tutta la superficie del campo da golf nella SAC non è conforme ai criteri esposti, non risulta in tali circostanze che gli interessi legati al mantenimento di sufficienti superfici coltive idonee per l'agricoltura (cfr. art. 3 cpv. 2 lett. a LPT ) siano stati soppesati in modo appropriato dal Governo e dal Comune, che non hanno addotto nelle loro decisioni i BGE 134 II 217 S. 223 motivi per cui dovrebbero essere inferiori rispetto a quelli che giustificherebbero la realizzazione di un campo da golf. D'altra parte, secondo i documenti del Gruppo promotore Valle della Tresa citati dalla ricorrente, il comparto oggetto della variante è costituito dai migliori terreni agricoli del Malcantone. Essi sono stati ricavati da un intervento di bonifica, presentano una buona fertilità e si prestano molto bene alla campicoltura. Il settore primario impiegherebbe 42 persone domiciliate nella regione, distribuite su una quindicina di aziende agricole, mentre il progettato campo da golf comporterebbe la sottrazione del 18 % delle attuali aree agricole e la soppressione di un'azienda che occupa dalle tre alle quattro persone. Nella misura in cui fossero accertate, queste constatazioni si contrappongono all'interesse a realizzare il campo da golf e dovranno quindi, dandosene il caso, essere valutate nel contesto della ponderazione globale degli interessi. In tale ambito dovrà pure essere chiarita la portata dell'incidenza del progetto sull'estensione dell'area SAC (cfr. consid. 4.1-4.3). A ragione la Corte cantonale ha pertanto annullato la risoluzione governativa di approvazione della variante ravvisando una palese violazione dell' art. 3 OPT .
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Sachverhalt ab Seite 82 BGE 140 IV 82 S. 82 A. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach sprach X. mit Strafbefehl vom 20. Dezember 2012 der groben Verkehrsregelverletzung schuldig und verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 140.- und einer Busse von Fr. 600.-. X. erhob Einsprache. In der Folge lud die Staatsanwaltschaft sie am 28. Januar 2013 zu einer Einvernahme auf den 19. März 2013 vor. Die eingeschriebene Postsendung mit der Vorladung wurde am 29. Januar 2013 zur Abholung gemeldet und am 6. Februar 2013 mit dem Vermerk "nicht abgeholt" retourniert. Nachdem X. nicht zur Einvernahme erschienen war, stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 20. März 2013 fest, dass die Einsprache als BGE 140 IV 82 S. 83 zurückgezogen gilt und der Strafbefehl vom 20. Dezember 2012 in Rechtskraft erwachsen ist. B. Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 5. August 2013 eine von X. gegen die Verfügung vom 20. März 2013 gerichtete Beschwerde ab. C. X. erhebt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das obergerichtliche Urteil und die Verfügung der Staatsanwaltschaft aufzuheben und diese anzuweisen, das Strafverfahren weiterzuführen. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das von der Vorinstanz angenommene Desinteresse am Fortgang des Einspracheverfahrens beruhe auf einer doppelten Fiktion. Zuerst werde die Kenntnis der Vorladung fingiert, um anschliessend aus dem durch Unkenntnis der Vorladung bedingten Fernbleiben auf den Rückzug der Einsprache zu schliessen. Die Annahme eines Einspracherückzugs lasse sich nur rechtfertigen, wenn die beschuldigte Person bewusst der Einvernahme fernblieb, und dies setze voraus, dass sie tatsächlich Kenntnis von der Vorladung hatte. 2.2 Wie die Vorinstanz feststellt, wurde die Vorladung ordnungsgemäss mit eingeschriebener Postsendung zugestellt, am 29. Januar 2013 zur Abholung gemeldet und am 6. Februar 2013 mit dem Vermerk "nicht abgeholt" an die Staatsanwaltschaft retourniert. Die Beschwerdeführerin weilte vom 28. Januar bis 8. Februar 2013 in Norddeutschland in den Ferien. Die Vorinstanz begründet, die Beschwerdeführerin habe nach der Einsprache gegen den Strafbefehl mit behördlichen Zustellungen rechnen müssen. Gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO gelte die Vorladung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch, somit am 5. Februar 2013, als zugestellt. Indem die Beschwerdeführerin trotz Einsprache nichts vorgekehrt habe, um behördliche Zustellungen auch während ihrer Ferienabwesenheit in Empfang nehmen zu können, habe sie ihr Desinteresse am weiteren Gang des Verfahrens bekundet. Sie sei der Einvernahme unentschuldigt ferngeblieben, sodass ihre Einsprache nach Art. 355 Abs. 2 StPO als zurückgezogen gelte. BGE 140 IV 82 S. 84 2.3 Das Bundesgericht legte im Urteil 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 4.5 mit einlässlicher Begründung dar, dass der Strafbefehl mit der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie ( Art. 29a BV ) bzw. dem konventionsrechtlichen Anspruch auf Zugang zu einem Gericht mit voller Überprüfungskompetenz ( Art. 6 Ziff. 1 EMRK ) nur vereinbar ist, weil es letztlich vom Willen des Betroffenen abhängt, ob er diesen akzeptieren oder mit Einsprache vom Recht auf gerichtliche Überprüfung Gebrauch machen will. Angesichts dieser fundamentalen Bedeutung des Einspracherechts dürfe ein konkludenter Rückzug der Einsprache gegen den Strafbefehl nur angenommen werden, wenn sich aus dem gesamten Verhalten des Betroffenen der Schluss aufdrängt, er verzichte mit seinem Desinteresse am weiteren Gang des Strafverfahrens bewusst auf den ihm zustehenden Rechtsschutz. Der vom Gesetz an das unentschuldigte Fernbleiben geknüpfte (fingierte) Rückzug der Einsprache setze voraus, dass sich der Beschuldigte der Konsequenzen seiner Unterlassung bewusst ist und er in Kenntnis der massgebenden Rechtslage auf die ihm zustehenden Rechte verzichtet. 2.4 Gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO ist die Zustellung bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch erfolgt, "sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste". Es handelt sich um eine gesetzliche Zustellungsfiktion. Dabei erfolgt keine wirkliche Übergabe, sondern es wird aus einem bestimmten Vorgang abgeleitet, die Sendung sei zur Kenntnis des Adressaten gelangt (HAUSER/SCHWERI, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, N. 2 zu § 177 GVG ). Art. 85 StPO betrifft nach Gesetzessystematik und Wortlaut die "Eröffnung der Entscheide und Zustellung". Der Begriff der "Zustellung" bezieht sich auf Entscheide. Andere Mitteilungen können mit persönlicher Post zugestellt werden (FRANZ RICKLIN, StPO Kommentar, 2010, N. 2 zu Art. 85 StPO ). Die Strafprozessordnung regelt die "Vorladung" ausführlich in den Art. 201 bis 206 StPO. Wer von einer Strafbehörde vorgeladen wird, hat der Vorladung Folge zu leisten ( Art. 205 Abs. 1 StPO ). Wer einer Vorladung unentschuldigt nicht oder zu spät Folge leistet, kann mit Ordnungsbusse bestraft und überdies polizeilich vorgeführt werden, wobei das Abwesenheitsverfahren vorbehalten bleibt ( Art. 205 Abs. 4 und 5 StPO ). Bleibt dagegen gemäss Art. 355 Abs. 2 StPO eine Einsprache erhebende Person trotz Vorladung einer Einvernahme unentschuldigt fern, "so gilt ihre Einsprache als zurückgezogen". Anders als im BGE 140 IV 82 S. 85 Rahmen von Art. 205 StPO kann eine Säumnis nach Art. 355 Abs. 2 StPO zum Totalverlust des Rechtsschutzes führen, und dies, obwohl der Betroffene ausdrücklich Einsprache erhoben und damit genau diesen Rechtsschutz bei der zuständigen Behörde beantragt hat. 2.5 Die einzelnen Bestimmungen der Strafprozessordnung sind im Gesamtzusammenhang des Gesetzes auszulegen. Die verfahrensmässige Durchsetzung des Strafrechts ist das einschneidendste Zwangsmittel der staatlichen Gewalt (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085, 1128 Ziff. 2.1.2). Das Gesetz stellt deshalb mit den "Grundsätzen des Strafverfahrensrechts" in Art. 3 StPO die Achtung der Menschenwürde und das Fairnessgebot an den Anfang der Kodifikation. Als Konkretisierungen dieser Grundsätze nennt Art. 3 Abs. 2 StPO namentlich den Grundsatz von Treu und Glauben (lit. a), das Verbot des Rechtsmissbrauchs (lit. b), das Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen das rechtliche Gehör zu gewähren (lit. c), sowie das Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen (lit. d). Die ratio legis verbietet damit eine formalistische Betrachtungsweise einzelner Bestimmungen. Diese Grundsätze sind ebenso bei der Anwendung von Art. 355 Abs. 2 StPO zu beachten. Die Bestimmung enthält ausdrücklich zwei Bedingungen, die für den Eintritt der Rechtsfolge massgebend sind, nämlich dass der Betroffene erstens "trotz Vorladung" und zweitens "unentschuldigt" fernbleibt. Das kann dieser nach allgemein anerkannten Grundsätzen der Verfahrensfairness und Justizförmigkeit nur, wenn er von der Vorladung und den Rechtsfolgen einer Säumnis überhaupt Kenntnis erhält. Dies setzt die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs voraus. Im Strafbefehl ist lediglich der Hinweis auf die Folgen einer unterbliebenen Einsprache vorgeschrieben ( Art. 353 Abs. 1 lit. i StPO ). Im Übrigen erscheint fraglich, ob mit einer formularmässigen, für Laien unverständlichen Belehrung über alle möglichen Rechte und Pflichten der Parteien im Strafverfahren der rechtsstaatlichen Aufklärungs- und Fürsorgepflicht nachgekommen werden kann (Urteil 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 4.5.2). Die gesetzliche Rückzugsfiktion kann in verfassungskonformer Auslegung nur zum Tragen kommen, wenn aus dem unentschuldigten Fernbleiben nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ( Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO ) auf ein Desinteresse am weiteren Gang des Strafverfahrens geschlossen werden kann (Urteil 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 4.5.4). BGE 140 IV 82 S. 86 2.6 Der Strafbefehl ist ein Vorschlag zur aussergerichtlichen Erledigung der Strafsache. Einziger Rechtsbehelf ist die Einsprache. Sie ist kein Rechtsmittel, sondern löst das gerichtliche Verfahren aus, in dem über die Berechtigung der im Strafbefehl enthaltenen Deliktsvorwürfe entschieden wird (Botschaft, a.a.O., S. 1291 zu Art. 358 E-StPO bzw. Art. 355 StPO ). Wird Einsprache erhoben, liegt die Sache zunächst wieder bei der Staatsanwaltschaft. Sie trägt damit die Verantwortung für die Einhaltung der "Grundsätze des Strafverfahrensrechts" bei der Fortsetzung des Verfahrens. Die Einsprache erhebende Person darf und muss auf ein rechtsstaatliches Verfahren vertrauen können. Auf den gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 29a in Verbindung mit Art. 30 BV ) kann nur der informierte Beschuldigte wirksam verzichten (vgl. MARC THOMMEN, Kurzer Prozess - fairer Prozess?, Strafbefehls- und abgekürztes Verfahren zwischen Effizienz und Gerechtigkeit, 2013, S. 303 ff. zur "Fairness als Teilhabe"). 2.7 Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) hatte die Beschwerdeführerin keine Kenntnis von der Vorladung und war damit auch nicht über die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens belehrt. Aus ihrer Säumnis darf mangels effektiver Kenntnisnahme der Vorladung nicht geschlossen werden, sie habe ihre Einsprache zurückgezogen und damit auf die gerichtliche Überprüfung verzichtet. Mit dieser Rechtsfolge muss nach dem allgemeinen Vorladungsrecht ( Art. 201 ff. StPO ) nicht gerechnet werden. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beschwerdeführerin wird von der Vorinstanz nicht festgestellt. Die Staatsanwaltschaft wusste aufgrund der Retournierung der Vorladung, dass die Beschwerdeführerin nicht informiert war. In dieser Situation wäre sie gehalten gewesen, den Vorladungsversuch zu wiederholen und damit das rechtliche Gehör zu gewährleisten ( Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO ).
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Sachverhalt ab Seite 387 BGE 140 V 385 S. 387 A. A. reiste 1998 mit seinen Eltern in die Schweiz ein. Sein Vater B. arbeitet seit der Einreise bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel. A. leidet an ausgeprägtem frühkindlichem Autismus. Nachdem drei Leistungsgesuche (u.a. für Beiträge an die Sonderschulung und für medizinische Massnahmen) wegen Fehlens der versicherungsmässigen Voraussetzungen abgelehnt worden waren, meldeten ihn seine Eltern im Juni 2012 ein weiteres Mal bei der Invalidenversicherung an. Nach Abklärungen und nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle Basel-Landschaft (nachfolgend: IV-Stelle) mit zwei separaten Verfügungen vom 16. August 2013 den Anspruch auf eine ausserordentliche Invalidenrente und auf Hilflosenentschädigung, wiederum wegen Fehlens der versicherungsmässigen Voraussetzungen. B. Die Beschwerde von A. wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 30. Januar 2014 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., der Entscheid vom 30. Januar 2014 und die Verfügungen vom 16. August 2013 seien aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm eine ausserordentliche Rente und eine Hilflosenentschädigung auszurichten. Die IV-Stelle verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen BGE 140 V 385 S. 388 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 1a (bis 31. Dezember 2002: Art. 1) Abs. 1 AHVG sind (obligatorisch) nach diesem Gesetz versichert u.a. die natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (lit. a) und die natürlichen Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (lit. b). Nicht versichert sind nach Abs. 2 u.a. ausländische Staatsangehörige, die Privilegien und Immunitäten gemäss den Regeln des Völkerrechts geniessen (lit. a). Als Ausländer, die Privilegien und Immunitäten im Sinne von Artikel 1a Absatz 2 Buchstabe a AHVG geniessen, gelten u.a. die begünstigten Personen nach Artikel 2 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge (Gaststaatgesetz, GSG; SR 192.12) sowie deren nicht erwerbstätige Familienangehörige, wenn diese begünstigten Personen in offizieller Eigenschaft für eine zwischenstaatliche Organisation, eine internationale Institution, ein Sekretariat oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe, eine unabhängige Kommission, einen internationalen Gerichtshof, ein Schiedsgericht oder ein anderes internationales Organ im Sinne des Gaststaatgesetzes tätig sind ( Art. 1b lit. c AHVV [SR 831.101]). Im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a GSG begünstigte Personen, denen der Bund Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gewähren kann, sind namentlich Personen, die ständig oder vorübergehend, in offizieller Eigenschaft für institutionelle Begünstigte nach Absatz 1, wie zwischenstaatliche Organisationen oder internationale Institutionen (lit. a und b) tätig sind. Inhalt und Geltungsbereich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen werden in Art. 3 und 4 GSG geregelt und in der vom Bundesrat gestützt auf Art. 33 GSG erlassenen Gaststaatverordnung vom 7. Dezember 2007 (V-GSG; SR 192.121) näher ausgeführt. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. h GSG umfassen die Vorrechte und Immunitäten u.a. die Befreiung vom schweizerischen System der sozialen Sicherheit, insbesondere somit die Ausnahme ausländischer Staatsangehöriger, die Privilegien und Immunitäten gemäss den Regeln des Völkerrechts geniessen, von der Unterstellung unter die obligatorische AHV/IV ( Art. 1a Abs. 2 lit. a AHVG und Art. 1b IVG ). 2.2 Eine institutionelle Begünstigte im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GSG ist die BIZ mit Sitz in Basel, bei welcher der Vater des BGE 140 V 385 S. 389 Beschwerdeführers seit der Einreise in die Schweiz arbeitet. Die Rechtsstellung der Bank sowie deren Vorrechte und Immunitäten und diejenigen ihrer Beamten werden im Abkommen vom 10. Februar 1987 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in der Schweiz (SR 0.192.122.971.3; nachfolgend: Sitzabkommen [vgl. Botschaft vom 13. September 2006 zum Bundesgesetz über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge [Gaststaatgesetz], BBl 2006 8017 ff., 8018 und 8023]) geregelt. Diese Vereinbarung wird ergänzt durch den Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich über den Status der internationalen Beamten schweizerischer Nationalität hinsichtlich der schweizerischen Sozialversicherungen (AHV/IV/EO und ALV [SR 0.192.122.971.4]), genehmigt von der Bundesversammlung am 4. März 1996. Art. 11 des Sitzabkommens vom 10. Februar 1987 bestimmt betreffend die Sozialfürsorge, dass die Bank in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber nicht der schweizerischen Gesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, den Erwerbsersatz sowie über die obligatorische berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge untersteht (Ziffer 1). Beamte der Bank, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, unterstehen nicht der im voranstehenden Absatz erwähnten Gesetzgebung (Ziffer 2). Gestützt auf den Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 sind mit Wirkung ab 1. Januar 1994 auch die Beamten der Bank, welche die schweizerische Nationalität besitzen, sowie ihre in der Schweiz wohnhaften nicht erwerbstätigen Ehegatten schweizerischer oder ausländischer Nationalität von der obligatorischen AHV/IV/EO und der ALV ausgenommen, wobei sie die Möglichkeit haben, auf freiwilliger Basis diesen Versicherungen beizutreten. Diese Regelung ist ebenfalls anwendbar auf Ehegatten ohne entsprechende Vorrechte und Immunitäten von ausländischen internationalen Beamten der Bank, welche aufgrund von Art. 1a (früher: Art. 1) Abs. 2 lit. a AHVG von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen sind (Wiedergabe des Textes im französischen Originaltext [ BGE 119 V 98 E. 6b S. 108] in: GREBER/DUC/SCARTAZZINI, Commentaire des articles 1 à 16 de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants, 1996, S. 48). BGE 140 V 385 S. 390 3. 3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, Art. 11 Ziffer 2 des Sitzabkommens erwähne zwar nur die Beamten, was indessen nicht heisse, dass sich die Ausnahme von der Unterstellung unter die obligatorische AHV/IV auf diese beschränke. Vielmehr seien von dieser Regelung entsprechend den Grundsätzen der schweizerischen Gaststaatpolitik, wie sie etwa in Art. 20 Abs. 1 lit. a und d V-GSG (in Verbindung mit Art. 4 V-GSG ) zum Ausdruck komme, auch die in gemeinsamem Haushalt lebenden Familienangehörigen erfasst. Weiter lasse sich aus dem Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 zum Sitzabkommen mit der BIZ keine Unterstellung unter die IV der in der Schweiz wohnenden ausländischen Kinder von ausländischen Beamten der Bank herleiten. Schliesslich ergebe sich aus Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 8 EMRK nichts zugunsten des Beschwerdeführers. 3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, im Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 werde mit Bezug auf diejenigen Personen, deren sozialversicherungsrechtlicher Status (neu) geregelt werde, gesagt, dass sie nicht mehr obligatorisch versichert seien. Aus dieser Formulierung sei zu folgern, dass sie vorher nicht unter die Ausnahmeklausel nach aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG gefallen, sondern kraft Wohnsitzes in der Schweiz der obligatorischen AHV/IV/EO/ALV unterstellt gewesen seien (aArt. 1 Abs. 1 lit. a AHVG; vgl. Rz. 2031 des Kreisschreibens des BSV über die Versicherungspflicht in der AHV/IV [KSV], in der ab 1. Januar 1990 gültigen Fassung, mit Hinweis auf BGE 105 V 241 ). In diesem (Rechts-)Sinne sei Art. 11 Ziffer 2 des Abkommens vor Inkrafttreten des Briefwechsels am 1. Januar 1994 zu verstehen. Dasselbe müsse auch für die in der Schweiz wohnenden Kinder ausländischer Beamter der BIZ gelten, welche in dieser Bestimmung ebenfalls nicht erwähnt würden. Aus dem Umstand, dass sich der Briefwechsel auf Beamte und Ehegatten von Beamten der Bank beziehe, nicht aber auf die Kinder von Beamten, folge, dass deren sozialversicherungsrechtlicher Status im Rahmen des Briefwechsels vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 nicht geändert werden sollte. Somit seien die in der Schweiz wohnenden Kinder von Beamten der BIZ unabhängig von deren Staatsangehörigkeit nach Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG und Art. 1b IVG der AHV/IV unterstellt. Die gegenteilige Auffassung verletze über Art. 8 EMRK das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK . BGE 140 V 385 S. 391 4. 4.1 Nach aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG (in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung) waren Ausländer nicht versichert, die im Genusse von diplomatischen Vorrechten und Befreiungen oder besonderer steuerlicher Vergünstigungen standen. Art. 1 AHVV (in Kraft getreten am 1. Januar 1979, in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung) lautete wie folgt: Als Ausländer, die im Genusse von diplomatischen Vorrechten und Befreiungen oder besonderer steuerlicher Vergünstigungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a AHVG stehen, gelten: a. (...); b. die Mitglieder des offiziellen Personals der bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft akkreditierten diplomatischen Vertretungen und ihre Familien; c. die Mitglieder der ausländischen Delegationen bei internationalen Organisationen, die ihren Sitz in der Schweiz haben, und ihre Familien; d. (...); e. das ausländische Personal der Vereinten Nationen, des Internationalen Arbeitsamtes, der internationalen Büros und der anderen vom Eidgenössischen Departement des Innern (...) im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten zu bezeichnenden internationalen Organisationen; f. (...). Die BIZ war eine internationale Organisation im Sinne von aArt. 1 lit. e AHVV. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung (auch in der französischen und italienischen Textfassung; vgl. RO 1978 und RU 1978, je S. 421) fiel lediglich das - nicht unbedingt gesamte ( BGE 98 V 182 ) - ausländische Personal unter die Ausnahmeklausel des aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG, dagegen nicht die Familienangehörigen der betreffenden Personen. Für diese Interpretation spricht, dass in den in lit. b und c von aArt. 1 AHVV geregelten Fällen die Ausnahme von der Unterstellung unter die obligatorische AHV ausdrücklich auf die Familien der hier erwähnten Personen ausgedehnt wurde (vgl. auch BGE 115 V 11 E. 3a S. 13). Dagegen kann nur, aber immerhin Folgendes angeführt werden: aArt. 1 AHVV wurde auf den 1. Januar 1997 geändert, wobei lit. e anders gefasst und zu lit. c wurde. Neu galten als Ausländer, die Privilegien und Immunitäten im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a AHVG geniessen, die internationalen Beamten von internationalen BGE 140 V 385 S. 392 Organisationen, mit welchen der Bundesrat ein Sitzabkommen abgeschlossen hat, sowie deren Familienangehörige (vgl. AHI 1996 S. 3 und 17 f.). Im Unterschied zur alten Fassung wurden somit ausdrücklich auch die Familienangehörigen von der obligatorischen Versicherung ausgenommen. In den Fassungen ab 1. Januar 1999 (nunmehr Art. 1b lit. c AHVV ) ist die Rede von nicht erwerbstätigen Familienangehörigen. In seinen Erläuterungen führte das BSV aus, nach der Praxis der Schweizer Behörden gestützt auf Art. 42 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen, in Kraft getreten für die Schweiz am 24. April 1964 (SR 0.191.01), genössen Familienangehörige unter der Bedingung, dass sie keine Erwerbstätigkeit ausübten, dieselben Privilegien und Immunitäten gemäss den Regeln des Völkerrechts wie die betroffene Person selber. In diesem Sinne sei der Verordnungstext zu präzisieren (AHI 1998 S. 264). Diese Rechtstatsachen stellen ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass bereits unter der Geltung von aArt. 1 lit. e AHVV auch die (nicht erwerbstätigen) Familienangehörigen der in dieser Bestimmung genannten Personen von der Unterstellung unter die obligatorische AHV nach aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG ausgenommen sein sollten. 4.2 Das Sitzabkommen mit der BIZ vom 10. Februar 1987 und der Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 gehen aArt. 1 lit. e AHVV vor ( BGE 131 V 390 E. 5.2 S. 398; BGE 123 V 1 E. 4 S. 4; BGE 122 II 140 ; vgl. auch Botschaft vom 28. April 1999 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, BBl 1999 4983 ff., 5008 Ziffer 221 zu Art. 1 AHVG ; vgl. zu ihrem Verhältnis untereinander BGE 133 V 233 E. 4.1 S. 237 mit Hinweisen). Sie sind nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Ziffer 1 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge, in Kraft getreten für die Schweiz am 6. Juni 1990 [VRK; SR 0.111]; BGE 122 II 234 E. 4c S. 238). 4.2.1 Nach dem Wortlaut von Art. 11 Ziffer 2 des Sitzabkommens mit der BIZ sind lediglich die Beamten der Bank, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, von der Unterstellung u.a. unter die AHV und IV ausgenommen, nicht hingegen deren (nicht erwerbstätige) Ehegatten und die im selben Haushalt lebenden Kinder. Diese Bestimmung steht zwar im I. Teil des BGE 140 V 385 S. 393 Abkommens, der die Rechtsstellung sowie die Vorrechte und Immunitäten der Bank regelt, wie das BSV festhält, was umgekehrt indessen nicht hinderte, allenfalls auch die Familienangehörigen zu erwähnen, wenn diese ebenfalls unter die Ausnahmeklausel von aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG fallen sollten. 4.2.2 Die Vorrechte und Immunitäten für Personen, die in amtlicher Eigenschaft zur Bank berufen werden, werden im II. Teil des Abkommens umschrieben. Dabei wird zwischen verschiedenen Personenkategorien unterschieden. Nach Art. 13 Ziffer 1 geniessen der Präsident, der Generaldirektor der Bank sowie die von Letzterem im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten bezeichneten hohen Beamten die Vorrechte und Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die den diplomatischen Vertretern nach Völkerrecht und internationaler Übung zuerkannt werden. Damit wird u.a. auf Art. 37 Ziffer 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen Bezug genommen. Danach geniessen die zum Haushalt eines diplomatischen Vertreters gehörenden Familienmitglieder, wenn sie nicht Angehörige des Empfangsstaats sind, die in den Art. 29 bis 36 bezeichneten Vorrechte und Immunitäten; sie sind namentlich von den im Empfangsstaat geltenden Vorschriften über soziale Sicherheit befreit, wenn sie nicht Angehörige dieses Staates sind (Art. 33 Ziffer 1; BGE 136 V 161 E. 5.2 S. 166). Allerdings gilt diese vom BSV als internationale Übung bezeichnete Regelung (vgl. auch Botschaft vom 13. September 2006 zum Bundesgesetz über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge [Gaststaatgesetz], BBl 2006 8017 ff., 8044 Ziffer 2.3.1.13 zu Art. 2 Abs. 2 Bst. c GSG) lediglich für die in Art. 13 Ziffer 1 des Sitzabkommens vom 10. Februar 1987 genannten Personen, insbesondere die hohen Beamten, wozu der Vater des Beschwerdeführers nicht gehört. Die den übrigen (nicht hohen) Beamten der Bank zustehenden Vorrechte und Immunitäten werden in Art. 14 f. geregelt. Dabei werden die Familienangehörigen ausser in Art. 15 lit. b und d nicht erwähnt. Nach diesen Bestimmungen sind die Beamten, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, wie auch ihre Ehegatten und die von ihnen unterhaltenen Familienmitglieder, den die Einwanderung einschränkenden Bestimmungen und den Formalitäten der Registrierung von Ausländern nicht unterstellt, und sie geniessen, wie auch die von ihnen unterhaltenen Mitglieder ihrer BGE 140 V 385 S. 394 Familie und ihre Hausangestellten, dieselben Erleichterungen in Bezug auf die Rückkehr in ihre Heimat wie die Beamten der andern internationalen Organisationen. Dieser (Vor-)Rechte bedürfen Personen nicht, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen. Im Kontext von Bedeutung ist, dass den Ehegatten von ausländischen Beamten der Bank und ihren (unterhaltenen) Kindern die gleichen Vorrechte gewährt werden. Es kann offenbleiben, ob Familienangehörige im Genuss noch weiterer Privilegien stehen, auch wo das Sitzabkommen dies nicht ausdrücklich sagt. Die Frage der Unterstellung unter die obligatorische Versicherung oder ebenso wie der ausländische Beamte der Bank davon ausgenommen zu sein, ist aufgrund dieses Abkommens für den nicht erwerbstätigen Ehegatten mit Wohnsitz in der Schweiz und die von ihnen unterhaltenen, ebenfalls hier lebenden Kinder grundsätzlich im gleichen Sinne zu beantworten. 4.2.3 Vom Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 erfasst werden (nicht notwendigerweise alle) Personen, die nicht unter Art. 11 Ziffer 2 des Sitzabkommens vom 10. Februar 1987 oder aArt. 1 bzw. Art. 1a Abs. 2 lit. a AHVG fallen. Ausdrücklich werden neben den schweizerischen internationalen Beamten der BIZ und deren nicht erwerbstätigen Ehegatten mit Wohnsitz in der Schweiz, gleich welcher Nationalität, die nicht erwerbstätigen Ehegatten mit Wohnsitz in der Schweiz ohne entsprechende Privilegien und Immunitäten ("ne bénéficiant pas de privilèges et d'immunités" im französischen Originaltext; vorne E. 2.2) der ausländischen Beamten der Bank von der Unterstellung unter die obligatorische AHV/IV/EO und ALV ausgenommen. Das spricht - im Umkehrschluss - dafür, dass die betreffenden Personen nicht bereits aufgrund von Art. 11 Ziffer 2 des Sitzabkommens vom 10. Februar 1987 unter aArt. 1 Abs. 2 lit. a AHVG fielen, andernfalls es dieser Ergänzung des Abkommens nicht bedurft hätte, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Allerdings lässt sich die Ausnahme der nicht erwerbstätigen Ehegatten schweizerischer Nationalität mit Wohnsitz in der Schweiz - unabhängig von den gewährten Vorrechten, d.h. mit oder ohne entsprechende Privilegien und Immunitäten - der schweizerischen internationalen Beamten der Bank von der Unterstellung unter die AHV/IV/EO und ALV durchaus aus dem Umstand erklären, dass dasselbe bereits für alle nicht erwerbstätigen Ehegatten von ausländischen internationalen Beamten der Bank Geltung hatte ("argumentum a maiore ad minus"). Insofern können aus der betreffenden BGE 140 V 385 S. 395 Regelung im Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 nicht unmittelbar zwingende Rückschlüsse auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der betreffenden Personen für die Zeit vorher gezogen werden. Die Kinder mit Wohnsitz in der Schweiz der ausländischen oder schweizerischen internationalen Beamten der BIZ werden im Briefwechsel zwar nicht erwähnt. Daraus kann indessen nicht gefolgert werden, die Beteiligten hätten sie der obligatorischen AHV/IV unterstellen bzw. diesen durch das Sitzabkommen vom 10. Februar 1987 nicht geänderten Status beibehalten wollen. Wie in E. 4.2.2 hievor dargelegt, teilt das Abkommen den Kindern der internationalen Beamten der Bank dieselben Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu wie deren (nichterwerbstätigen) Ehegatten. Namentlich aus internationaler und völkerrechtlicher Sicht sind keine vernünftigen sachlichen Gründe ersichtlich, mit Bezug auf die Frage der Unterstellung unter die schweizerischen Sozialversicherungen eine unterschiedliche Regelung zu treffen. Gemäss BSV sollen - allgemein international anerkannt - die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen den betreffenden Personen gleich welcher Nationalität ermöglichen, ihre internationale öffentliche Aufgabe möglichst ungestört und unabhängig gegenüber dem Empfangsstaat und auch dem Entsendestaat wahrzunehmen (vgl. BBl 2006 8025; GREBER/DUC/SCARTAZZINI, a.a.O., S. 45 unten Rz. 68), weshalb sich ihr Status auch auf die Familienangehörigen erstrecke (in diesem Sinne auch HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, S. 31 Rz. 1.59, wonach unabhängig vom Ausmass der gewährten Privilegien und Immunitäten grundsätzlich alle Personen ausländischer Staatsangehörigkeit von der Versicherung ausgeschlossen sind). Im Übrigen zeigen auch die Neufassungen von aArt. 1 lit. e AHVV, dass seit jeher die Meinung bestand, auch die nicht erwerbstätigen Familienangehörigen von Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, welche für eine internationale Organisation mit Sitz in der Schweiz tätig sind und deren rechtliche Stellung in einem Sitzabkommen geregelt ist, sollten von der Unterstellung unter die obligatorische Versicherung ausgenommen sein (vorne E. 4.1). 4.3 Zusammenfassend sind das Sitzabkommen mit der BIZ vom 10. Februar 1987 und der Briefwechsel vom 26. Oktober/12. Dezember 1994 so zu verstehen, dass nicht nur die ausländischen und die schweizerischen internationalen Beamten der Bank von der BGE 140 V 385 S. 396 Unterstellung unter die obligatorische AHV/IV/EO/ALV ausgenommen sein sollen, sondern auch ihre nicht erwerbstätigen Familienangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, insbesondere die Ehegatten und die von ihnen unterhaltenen Kinder. Von Gesetzeswidrigkeit der (aktuellen) Verordnungsbestimmung kann demnach nicht die Rede sein. Ob und inwieweit sowie nach Massgabe welcher Modalitäten auch die unterhaltenen Kinder auf freiwilliger Basis der AHV/IV beitreten können (vgl. E. 2.2 vorne), braucht hier nicht weiter untersucht zu werden. 5. Schliesslich ist der geltende Art. 1b lit. c AHVV nicht völkerrechtswidrig. 5.1 Der Beschwerdeführer bringt wie schon in der vorinstanzlichen Replik vor, er leide an einem ausgeprägten frühkindlichen Autismus. Er sei auf die Unterbringung in einer geeigneten Institution angewiesen, was sich ohne Leistungen der Invalidenversicherung kaum bewerkstelligen lasse. Andernfalls würden zum einen mangels Betreuung durch Fachpersonen, die ihn beschäftigten und in seiner persönlichen Entwicklung unterstützen könnten, Rückschritte im Verhalten und der Verlust erworbener Fähigkeiten drohen. Zum anderen wären seine Eltern, wenn sie selber vollumfänglich für seine Betreuung sorgen müssten, einer riesigen Belastung und einem enormen Stress ausgesetzt. Denn über die Hilfsbedürftigkeit in den Bereichen An-/Auskleiden, Essen, Körperpflege, Verrichten der Notdurft, Fortbewegung und Aufstehen/Absitzen/Abliegen und die Notwendigkeit der dauernden medizinisch-pflegerischen Hilfe hinaus bedürfe er der persönlichen Überwachung; er könne nicht längere Zeit unbeaufsichtigt und aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht allein im Haus gelassen werden. Der erstgenannte Aspekt der Folgen einer fehlenden Unterbringung weise einen Bezug zum Recht auf Achtung des Privatlebens auf (Entwicklung und Erfüllung der Persönlichkeit und Aufnahme von Beziehungen zu anderen Menschen), der zweite zum Recht auf Achtung des Familienlebens (massive Beeinflussung von Qualität und Organisation des Familienlebens durch Notwendigkeit ständiger Betreuung und Überwachung durch einen Elternteil). Damit sei entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichts gemäss BGE 139 I 155 , gegen welches Urteil im Übrigen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängig sei, der für die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots von Art. 14 EMRK erforderliche Bezug zu einer spezifischen Konventionsgarantie, hier Art. 8 EMRK , gegeben. BGE 140 V 385 S. 397 Somit sei er als ausländisches Kind eines ausländischen internationalen Beamten der BIZ im Rahmen der postulierten konventionskonformen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen gleich zu behandeln wie ein schweizerisches Kind eines schweizerischen internationalen Beamten der Bank und daher als in der AHV/IV versichert zu betrachten. Gemäss Vorinstanz kann der Beschwerdeführer mit der Berufung auf Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 8 EMRK nichts zu seinen Gunsten ableiten. Art. 8 EMRK begründe weder einen Anspruch auf einen bestimmten Lebensstandard noch eine positive Verpflichtung, eine Sozialversicherungsleistung auszurichten, wie das Bundesgericht in Bezug auf die hier zur Diskussion stehenden ausserordentliche (Kinder-)Invalidenrente und Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung in BGE 139 I 155 entschieden habe. Die Nichtgewährung dieser Leistungen falle nicht in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK . 5.2 Nach Art. 8 EMRK hat jede Person u.a. das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Aus dieser Norm kann kein direkter Anspruch auf positive staatliche Leistungen, insbesondere Sozialversicherungsleistungen, abgeleitet werden, welche die Ausübung des Familienlebens ermöglichen oder einen bestimmten Lebensstandard garantieren ( BGE 139 I 155 E. 4.2 S. 158 und 257 E. 5.2.2 S. 261; je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR; BGE 138 I 225 E. 3.8.1 S. 231; BGE 134 I 105 E. 6 S. 110). In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Schweiz das Protokoll Nr. 1 vom 20. März 1952 zur EMRK nicht unterzeichnet hat. Die Rechtsprechung des EGMR, der gestützt darauf nicht diskriminierende Sozialversicherungsleistungen zugesprochen hat, etwa in dem in der Beschwerde erwähnten Urteil Moskal gegen Polen, Nr. 10373/05 vom 15. September 2009 § 93, ist daher nicht einschlägig ( BGE 139 I 155 E. 4.2 in fine S. 159). Das akzessorische Diskriminierungsverbot von Art. 14 EMRK verbietet Unterscheidungen aufgrund bestimmter Merkmale bei der Umsetzung von in der EMRK garantierten Rechten und Freiheiten. Es kann immer schon dann angerufen werden, wenn der umstrittene Sachverhalt in den Schutzbereich einer konventionsrechtlichen Garantie fällt; deren Verletzung ist nicht erforderlich ( BGE 139 I 155 E. 4.3 S. 159). Dabei bedeutet nicht jede unterschiedliche Behandlung bereits eine Diskriminierung; eine solche liegt nur vor, wenn aufgrund eines verpönten Kriteriums (Rasse, Hautfarbe, BGE 140 V 385 S. 398 Geschlecht, nationale oder soziale Herkunft usw.) vergleichbare Situationen unterschiedlich behandelt werden, ohne dass sich dies objektiv und sachlich rechtfertigen lässt. Die umstrittene Massnahme muss mit Blick auf den verfolgten Zweck zulässig erscheinen und die zu dessen Realisierung eingesetzten Mittel müssen verhältnismässig sein. Eine privilegierte Behandlung der eigenen Staatsangehörigen ist grundsätzlich zulässig, ist jedoch im Einzelfall jeweils hinsichtlich der konkreten Massnahme und des jeweiligen Unterscheidungskriteriums auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 EMRK zu untersuchen ( BGE 136 II 120 E. 3.3.3 S. 128; Urteil 2C_354/2011 vom 13. Juli 2012 E. 2.7.1 und 2.7.2). 5.3 Die streitigen Leistungen der Invalidenversicherung stellen zum einen Ersatz des gesundheitlich bedingten Erwerbsausfalles dar (ausserordentliche Invalidenrente; Art. 39 Abs. 3 IVG ), zum andern sind sie verbunden mit dem dauernden Angewiesensein auf Hilfe Dritter und persönlicher Überwachung bei den alltäglichen Lebensverrichtungen (Hilflosenentschädigung; Art. 42 bis Abs. 2 IVG ; BGE 139 I 155 E. 4.3 S. 159 f.). Ob solche Leistungen ausgerichtet werden, hat nach den Vorbringen in der Beschwerde Einfluss auf den von Art. 8 EMRK erfassten Bereich; es gehe um die Qualität und Organisation des Familienlebens sowie um die Entwicklung und Erfüllung der Persönlichkeit und die Aufnahme von Beziehungen zu anderen Menschen. Fällt in diesem Sinne die umstrittene Leistungszusprechung bzw. -verweigerung in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK , stellt sich mit Blick auf Art. 14 EMRK die Frage nach einer diskriminierenden Ungleichbehandlung, wobei der Beschwerdeführer als (einziges) verpöntes Unterscheidungskriterium seine ausländische Staatsangehörigkeit ins Feld führt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber schweizerischen Kindern von internationalen Beamten der BIZ liegt, wie dargelegt, indessen nicht vor (vorne E. 4.3). Damit erweist sich auch die Rüge der Verletzung von Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 9 UNO-Pakt I (SR 0.103.1) als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 29 BGE 124 II 29 S. 29 Dr. iur. X. deklarierte in der Steuererklärung für die direkte Bundessteuer 1991/92 ein Einkommen von Fr. ... (1989) bzw. Fr. ... (1990) aus seinen Mandaten als Landrat, Gemeindepräsident sowie Verwaltungsrat der Kantonalbank und der Gebäudeversicherung. Dabei hatte er einen Betrag von Fr. ... (für 1989) bzw. Fr. ... (1990) abgezogen für Mandatssteuern, die er der Partei Y. des Kantons Basel-Landschaft bezahlte. Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft anerkannte diese Abzüge nicht. Eine dagegen erhobene Einsprache wies die Steuerverwaltung mit Entscheid vom BGE 124 II 29 S. 30 16. Dezember 1992 ab. Mit Beschwerde an die Kantonale Steuerrekurskommission beantragte X., die an die Partei bezahlten Mandatssteuern als Gewinnungskosten zum Abzug zuzulassen. Die Steuerrekurskommission hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 24. Juni 1994 im hier interessierenden Punkt gut und liess die bezahlten Mandatssteuern im Umfang von Fr. ... (pro 1989) bzw. Fr. ... (pro 1990) zum Abzug zu. Die Eidgenössische Steuerverwaltung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Steuerrekurskommission aufzuheben und den Einspracheentscheid der kantonalen Steuerverwaltung vom 16. Dezember 1992 zu bestätigen. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hebt den Entscheid der Steuerrekurskommission auf und bestätigt den Einspracheentscheid der Steuerverwaltung.
588
247
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist, ob die vom Inhaber eines politischen bzw. politisch besetzten Amtes an eine politische Partei bezahlten Mandatssteuern als Gewinnungskosten abgezogen werden können. a) Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. a des hier noch anwendbaren Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die direkte Bundessteuer (BdBSt) werden vom rohen Einkommen "die zur Erzielung des steuerbaren Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten" abgezogen; nach Art. 22bis Abs. 1 lit. c BdBSt sind als Gewinnungskosten unter anderem "weitere Berufsauslagen" abzuziehen. Die streitige Frage ist somit nicht ausdrücklich geregelt. b) Die Eidgenössische Steuerverwaltung lässt nach bestehender Praxis die Mandatssteuer nicht zum Abzug zu, da diese lediglich eine indirekte Folge des öffentlichen Amtes sei (Gutachten der Abteilung Rechtswesen der Hauptabteilung Direkte Bundessteuer vom 27. Oktober 1992, zit. in Henggeler/Pestalozzi/Studer/Noher/Agner, Die Praxis der Bundessteuern, Die direkte Bundessteuer, Nachtrag 48, Art. 22 Al. 1 lit. a, 29zzz; Bericht des Bundesrates vom 23. November 1988 über die Unterstützung der politischen Parteien, BBl 1989 I 125 ff., 179). Das Bundesgericht hatte die Frage im Rahmen der direkten Bundessteuer bisher nie zu beantworten. c) Die kantonale Praxis zu den kantonalen Steuern ist nicht einheitlich (vgl. Übersicht in Bericht des Bundesrates, a.a.O., S. 226, und bei DANIELLE YERSIN, Le statut fiscal des partis politiques, de BGE 124 II 29 S. 31 leurs membres et sympathisants, ASA 58 S. 97-129, 112 f., 125 ff.). Der Kanton Basel-Stadt verneint die Abzugsfähigkeit mit der Begründung, der Steuerpflichtige habe das Einkommen erzielt, weil er Inhaber einer Stellung sei, und nicht primär deshalb, weil er die Parteisteuer auf sich genommen habe (Felix Escher, Die Gewinnungskosten bei unselbständiger Erwerbstätigkeit nach baselstädtischem Steuerrecht, BJM 1977 S. 1-18, 5 f., mit Hinweis auf einen Entscheid der Steuerkommission vom 25. November 1974). Ebenso lehnte das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die Abzugsfähigkeit ab mit der Begründung, der Zusammenhang zwischen dem Einkommen und der Parteisteuer sei nicht unmittelbar und eng (ZBl 81/1980 S. 443). Eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Gesetzesanwendung wurde vom Bundesgericht abgewiesen (Urteil i.S. L. vom 14. Mai 1981, publiziert in ASA 53 200). Die Steuerrekurskommission des Kantons Zürich anerkannte den Abzug aus den gleichen Gründen nicht; zudem erwog sie, weil im kantonalen Recht für Beiträge an politische Parteien ein betragsmässig limitierter Abzug ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sei, könnten nicht unter anderen Titeln höhere Abzüge vorgenommen werden (StE 1985 B 22.3 Nr. 8). Demgegenüber liess das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Mandatssteuer als Gewinnungskosten zum Abzug zu, da das Amt ohne Verpflichtung zur Entrichtung der Mandatssteuer bzw. ohne deren effektive Bezahlung nicht erreicht und erhalten werden könne (ZBl 80/1979 S. 489). d) Die Lehre gibt teilweise die Praxis kommentarlos wieder (Ernst Höhn, Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung, Gesetzesergänzung im Steuerrecht, ASA 51, S. 385-406, 387; Ernst Känzig, Die eidgenössische Wehrsteuer [Direkte Bundessteuer], 2. Aufl. Basel 1982, S. 512). Mehrere Autoren kritisieren die Praxis, welche den Abzug nicht zulässt (PHILIP FUNK, Der Begriff der Gewinnungskosten nach Schweizerischem Einkommenssteuerrecht, Diss. St. Gallen 1989, S. 116 f., 253, anders freilich S. 229; RAOUL STAMPFLI, Die Leistung geheimer Kommissionen und ihre steuerrechtliche Behandlung, Diss. Bern 1986, S. 78; Studer, in HENGGELER/PESTALOZZI/STUDER/NOHER/AGNER, a.a.O., Art. 22 Al. 1 lit. a, 29kk, Bemerkung des Herausgebers; für Abzugsfähigkeit auch PETER HUG, Die verfassungsrechtliche Problematik der Parteienfinanzierung, Diss. Zürich 1970, S. 169 f.). Yersin kritisiert umgekehrt die genannte Entscheidung des basel-landschaftlichen Verwaltungsgerichts (YERSIN, a.a.O., S. 115 f.). BGE 124 II 29 S. 32 3. a) Gewinnungskosten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. a BdBSt sind Aufwendungen, die unmittelbar zur Gewinnung des Einkommens gemacht werden und in einem direkten ursächlichen Zusammenhang dazu stehen ( BGE 113 Ib 114 E. 2a S. 117; BGE 100 Ib 480 E. 3a S. 481; ASA 64 232 E. 2; ASA 62 403 E. 2; ASA 60 356 E. 2a; ASA 53 200 E. 1c; FUNK, a.a.O., S. 67; ERNST HÖHN, Steuerrecht, 7. Aufl. Bern 1993, S. 205 f.; HEINZ MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. Zürich 1985, S. 182). Dabei ist der Begriff der Erforderlichkeit in einem weiten Sinne auszulegen ( BGE 113 Ib 114 E. 2c S. 119; StR 44/1989 350 E. 2a; JEAN-MARC BARILIER, Les frais d'acquisition du revenu des simples particuliers, thèse Lausanne 1970, S. 18 ff.; FUNK, a.a.O., S. 69 ff.; PHILIP FUNK, Gewinnungskosten als Ursache von Einkommen - Einkommen als Ursache von Gewinnungskosten, ASA 58 [1990] S. 305-341, 309 ff.; KÄNZIG, a.a.O., S. 494 f.). Das Bundesgericht verlangt nicht, dass der Pflichtige das Erwerbseinkommen ohne die streitige Auslage überhaupt nicht hätte erzielen können ( BGE 113 Ib 114 E. 2d S. 119). Es ist nach der Praxis auch nicht notwendig, dass eine rechtliche Pflicht zur Bezahlung der entsprechenden Aufwendungen besteht, sondern es genügt, dass die Aufwendungen nach wirtschaftlichem Ermessen als der Gewinnung des Einkommens förderlich erachtet werden können und dass die Vermeidung dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar war ( BGE 100 Ib 480 E. 3a S. 481; StR 48/1993 181 E. 3a; StR 44/1989 S. 350 E. 2a; ASA 21 82 E. 3 S. 85; FUNK, a.a.O. [1989], S. 71; KÄNZIG, a.a.O, S. 494). Als Gewinnungskosten gelten somit jene Aufwendungen, die für die Erzielung des Einkommens nützlich sind und nach der Verkehrsauffassung im Rahmen des Üblichen liegen (FUNK, a.a.O. [1990], S. 310; KÄNZIG, a.a.O., S. 495). b) Bei Selbständigerwerbenden gelten Aufwendungen als abzugsfähig, wenn sie geschäftsmässig begründet sind, wobei es keine Rolle spielt, ob der Aufwand zweckmässig war; es ist nicht Sache der Steuerbehörden, die Angemessenheit einer geschäftlichen Aufwendung zu überprüfen ( BGE 113 Ib 114 E. 2c S. 118 f.; BARILIER, a.a.O., S. 19; BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. Zürich 1995, S. 225; FUNK, a.a.O. [1990], S. 319 f.). Bei Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit werden jene Kosten zugelassen, die objektiv notwendig sind, um die betreffenden Einkünfte zu erzielen (HÖHN, a.a.O., S. 190; ERNST HÖHN/ROBERT WALDBURGER, Steuerrecht, Bd. 1, Grundlagen, Grundbegriffe, Steuerarten, 8. Aufl., Bern 1997, S. 343). Im Lichte der Rechtsgleichheit sind zwar unselbständig BGE 124 II 29 S. 33 und selbständig Erwerbende nicht grundsätzlich unterschiedlich zu behandeln, zumal der Gesetzgeber bewusst die Abzugsmöglichkeiten der unselbständig Erwerbenden denjenigen der selbständig Erwerbenden angleichen wollte ( BGE 113 Ib 114 E. 1b S. 116; FUNK, a.a.O. [1989], S. 145 ff., [1990], S. 316 ff., 320; vgl. auch BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 224; KÄNZIG, a.a.O., S. 512 f.). Trotzdem ist zu berücksichtigen, dass für unselbständig Erwerbende Gewinnungskosten nur im Rahmen der gesetzlichen Umschreibung von Art. 22bis BdBSt abgezogen werden können. Auch nach Art. 26 Abs. 1 lit. a-c des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) sind bei unselbständiger Erwerbstätigkeit - abgesehen von den Weiterbildungs- und Umschulungskosten - nur die "notwendigen" bzw. "erforderlichen" Kosten abziehbar.
3,338
1,502
c) Aufgrund dieser Kriterien werden in Lehre und Praxis zum Beispiel als Gewinnungskosten anerkannt: -Weiterbildungskosten, die objektiv mit dem gegenwärtigen Beruf des Steuerpflichtigen im Zusammenhang stehen und die der Steuerpflichtige zur Erhaltung seiner beruflichen Chancen für angezeigt hält, auch wenn die Auslage nicht absolut unerlässlich ist, um die gegenwärtige berufliche Stellung nicht einzubüssen ( BGE 113 Ib 114 E. 2e S. 119; ASA 62 403 E. 2; FUNK, a.a.O. [1989], S. 95 ff.; KÄNZIG, a.a.O., S. 501); - unter bestimmten Umständen die Kosten für ein Arbeitszimmer in der privaten Wohnung, welches der Steuerpflichtige für seine berufliche Tätigkeit benützt (ASA 60 341 E. 2; nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts i.S. H. vom 9. Juni 1995, E. 3), sowie die Kosten für die Anschaffung von privaten Arbeitsgeräten wie Computern (ASA 62 403 E. 2); - Schadenersatzleistungen, sofern ein enger Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit besteht und die Schadenersatzpflicht nicht grobfahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde (ASA 64 232 E. 3a/b; BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 224); - Aufwendungen, die einem Angestellten daraus erwachsen, dass er Kunden des Arbeitgebers aus geschäftlichen Gründen in sein Haus einlädt (ASA 21 82 E. 3 S. 85 f.). Ebenso betrachtet die Eidgenössische Steuerverwaltung Beiträge an Berufsverbände und Gewerkschaften als Berufskosten im Sinne von Art. 26 DBG (Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 22. September 1995: Abzug von Berufskosten der unselbständigen Erwerbstätigkeit, BGE 124 II 29 S. 34 ASA 64 692 ff., 695; anders freilich früher zu Art. 22 Abs. 1 lit. a BdBSt , ASA 61 143). Nach ständiger Praxis werden auch effektiv bezahlte Schmiergelder bzw. verdeckte Kommissionen als Gewinnungskosten zum Abzug zugelassen (ASA 15 219; Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 8. November 1946, ASA 15 141 f.; BARILIER, a.a.O., S. 109; BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 225; KÄNZIG, a.a.O., S. 544; MASSHARDT, a.a.O., S. 184; PETER MEYER, Die steuerfreien Abzüge vom Erwerbseinkommen unselbständig Erwerbender, Diss. Zürich 1949, S. 195 ff.; STAMPFLI, a.a.O., S. 77 ff.). Zwar verlangte eine parlamentarische Initiative, welche zurzeit hängig ist, dass Schmier- und Bestechungsgelder künftig nicht mehr als Gewinnungskosten abgezogen werden können, doch ist vorgesehen, dass darunter nur Bestechungsgelder an Personen fallen, die mit öffentlichen Aufgaben betraut sind (vgl. AB 1995 N 550 ff.; BBl 1997 II 1037 ff., 1050, IV 1336 ff.). d) Keine Gewinnungskosten stellen die Aufwendungen für den Unterhalt des Steuerpflichtigen dar. Dazu gehören unter anderem auch die sogenannten Standesauslagen, das heisst der infolge einer gehobenen beruflichen Stellung des Steuerpflichtigen getätigte Privataufwand ( BGE 100 Ib 480 E. 3a S. 482 ; 78 I 145 E. 1 S. 149 f.; ASA 41 26 E. 3; BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 222; KÄNZIG, a.a.O., S. 500). Nach der herrschenden Lehre und Praxis im Bund und in der Mehrzahl der Kantone können insbesondere auch Beiträge an politische Parteien nicht abgezogen werden (Bericht des Bundesrates, a.a.O., S. 225 f.; YERSIN, a.a.O., S. 110 ff., 125 ff.). Ebensowenig können Aufwendungen abgezogen werden, die nicht zur Erzielung eines ganz bestimmten Einkommens, sondern zur Erreichung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit schlechthin getätigt werden (Felix Richner, Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten, Zürcher Steuerpraxis 4/1995 S. 255-276, 262 ff.). Dazu gehören die Kosten für die allgemeine Erhaltung oder Verbesserung der Arbeitskraft bzw. der Gesundheit (ASA 34 55 E. 2a; KÄNZIG, a.a.O., S. 499 f.; MASSHARDT, a.a.O., S. 183) oder die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit (StR 48/1993 181 E. 3b-e; StE 1987 B 22.3 16, E. 2/3; HÖHN, a.a.O., S. 214; KÄNZIG, a.a.O., S. 497 f.; MASSHARDT, a.a.O., S. 183; RICHNER, a.a.O., S. 263 ff.; a.A. ein Entscheid der Steuerrekurskommission III des Kantons Zürich vom 9. Juni 1993, zitiert bei ENRICA PESCIALLO-BIANCHI, Deducibilità dei costi per personale domestico e per la cura dei figli: indispensabile BGE 124 II 29 S. 35 un intervento a livello legislativo, RDAT 1995 II S. 529-556, 540 ff.). Schliesslich stellen Anlagekosten keine Gewinnungskosten dar, das heisst Aufwendungen zur Schaffung, Erweiterung oder Verbesserung einer Einkommensquelle; dazu gehören namentlich Ausgaben, welche getätigt werden, um in Zukunft eine höhere berufliche Stellung zu erreichen oder einen anderen Beruf ausüben zu können ( BGE 113 Ib 114 E. 3a S. 120 f.; ASA 60 356 E. 2b/c; BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 222; KÄNZIG, a.a.O., S. 501 ff.). Abzugsfähig sind demgegenüber Auslagen, die getätigt werden, um eine bestehende Einkommensquelle zu erhalten oder den weiteren Einkommensbezug zu sichern (ASA 44 48 E. 2a; KÄNZIG, a.a.O., S. 495; MASSHARDT, a.a.O., 182; MASSHARDT/TATTI, Imposta federale diretta, Commentario, 1985, S. 167; JEAN-MARC RIVIER, Droit fiscal suisse. L'imposition du revenu et de la fortune, Neuchâtel 1980, S. 116). 4. a) Vorliegend ist nicht bestritten, dass sich der Beschwerdegegner bei der Nomination für seine politischen Ämter aufgrund der Statuten seiner Partei verpflichten musste, auf den entsprechenden Bezügen eine sogenannte Mandatssteuer zu entrichten. Die Beschwerdeführerin wendet hingegen ein, diese Entrichtung sei nicht unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des entsprechenden Amtes. Es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang, da der Beschwerdegegner nicht durch seine Partei gewählt werde. Die Auslage sei deshalb lediglich eine untergeordnete indirekte Folge des öffentlichen Amtes und stehe nicht in einem direkten ursächlichen Zusammenhang mit der Einkommenserzielung. b) Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz bringen demgegenüber vor, die Bezahlung der Mandatssteuer stehe in einem direkten ursächlichen Zusammenhang zu den aus der Ausübung des Amtes resultierenden Einnahmen, da kein Kandidat gewählt oder wiedergewählt werde, der keine Mandatssteuer bezahle. Ferner seien der aufgrund der öffentlichen Ämter erlittene Einnahmenausfall aus der beruflichen Tätigkeit und die fehlende berufliche Vorsorge zu berücksichtigen. c) Was das zuletzt genannte Vorbringen betrifft, so kann dies nicht berücksichtigt werden. Ein steuerlicher Abzug kann nicht schon deshalb zugelassen werden, weil der Steuerpflichtige durch die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit daran gehindert wird, eine andere, einträglichere Tätigkeit auszuüben. d) Die Ausübung eines politischen Amtes ist steuerrechtlich als unselbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Massgebend sind BGE 124 II 29 S. 36 somit die dafür geltenden Voraussetzungen (vorne E. 3b). Es ist zu prüfen, ob die Zahlung einer Mandatssteuer im Sinne der dargestellten Rechtsprechung eher den Gewinnungskosten oder eher den Lebenshaltungs- oder Anlagekosten gleichzustellen ist. 5. a) Es mag zutreffen, dass die Wahlchancen eines Kandidaten erheblich vergrössert werden, wenn er durch eine politische Partei vorgeschlagen und unterstützt wird. Rechtlich wurde der Beschwerdegegner indessen nicht durch seine Partei, sondern durch das Volk bzw. durch politische Behörden in seine Ämter gewählt. Die Zahlung von Mandatssteuern an eine Partei ist jedenfalls rechtlich nicht Voraussetzung, um ein entsprechendes Amt erringen zu können. Es ist denn auch notorisch, dass die Praxis in den verschiedenen politischen Parteien sowohl hinsichtlich der Höhe derartiger Mandatsbeiträge als auch hinsichtlich des Freiwilligkeitsgrades sehr unterschiedlich ist (Bericht des Bundesrates, a.a.O., S. 227 ff.; FELIX MATTER, Der Richter und seine Auswahl, Diss. Zürich 1978, S. 132 ff.; KURT WEIGELT, Staatliche Parteienfinanzierung: zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung in der Schweiz unter vergleichender Berücksichtigung der Gesetzgebung in Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, Diss. Bern 1987, S. 32). Es kommt auch vor, dass Mandatsinhaber entweder überhaupt ohne Unterstützung durch eine Partei gewählt werden oder aber sich weigern, ihrer Partei eine Abgabe zu entrichten. Die Ausübung des Amtes ist auch nicht an die Entrichtung der Mandatssteuer gebunden; verweigert der Amtsinhaber die Bezahlung, so verletzt er allenfalls eine (rechtliche oder auch nur moralische) Verpflichtung gegenüber seiner Partei, verliert aber deswegen jedenfalls nicht sein Amt. Es wäre mit der verfassungsrechtlich verankerten Unabhängigkeit der Mandatsinhaber (vgl. im Bund Art. 91 BV ; im Kanton Basel-Landschaft § 62 KV-BL) nicht vereinbar, die Mandatsausübung eines vom Volk oder einer politischen Behörde gewählten Amtsinhabers vom Willen einer politischen Partei abhängen zu lassen. Auch die Wiederwahl des Amtsinhabers nach Ablauf der Amtsdauer ist nicht an die Bezahlung einer Mandatssteuer gebunden; wird der Amtsinhaber infolge der Nichtbezahlung von seiner Partei nicht mehr vorgeschlagen, so bleibt es ihm unbenommen, als parteiunabhängiger Bewerber zu kandidieren. Erfahrungsgemäss werden bisherige Amtsinhaber, die sich im Urteil der Stimmbürger in ihrem Amt bewährt haben, manchmal auch dann wiedergewählt, wenn ihnen ihre bisherige Partei die Unterstützung entzieht. BGE 124 II 29 S. 37 b) Gesamthaft weist die Mandatssteuer einen gemischten Charakter auf: Es ist nicht zu verkennen, dass sie in einer gewissen Beziehung zum öffentlichen Amt bzw. indirekt zum dadurch erzielten Erwerbseinkommen steht. Sie lässt sich aber nicht leicht von freiwilligen Beiträgen an eine politische Partei abgrenzen, welche nicht abziehbar sind, ausser das Gesetz sehe die Abzugsmöglichkeit vor (vorne E. 3d). Sie weist sodann auch Elemente von Standesausgaben auf, indem sie dazu dient, die guten Beziehungen zwischen dem Mandatsinhaber und seiner Partei zu pflegen. Schliesslich kann sie in einem gewissen Sinne auch den Anlagekosten gleichgestellt werden, soweit die Verpflichtung, eine Abgabe zu bezahlen, dazu dient, ein bezahltes Amt zu erringen. Insoweit wäre die Mandatssteuer von vornherein nicht zu den Gewinnungskosten zu zählen. c) Die Zulassung der Abzugsfähigkeit als Gewinnungskosten würde zudem verschiedene Fragen aufwerfen, welche Ausdruck davon sind, dass es sich dabei in Wirklichkeit nicht um einen organischen Abzug handeln würde: aa) Zunächst würde sich fragen, ob die Mandatssteuer in beliebiger Höhe abzugsfähig wäre. Die Abzugsfähigkeit stellt eine Form der indirekten Subventionierung dar. Angesichts der in den verschiedenen Parteien notorisch sehr unterschiedlichen Beitragshöhen hätte eine unbeschränkte Abzugsfähigkeit den Charakter einer je nach Partei unterschiedlich hohen Subventionierung, was zum Gebot der parteipolitischen Neutralität des Staates im Gegensatz stehen könnte. Es darf nicht Sache des Staates sein, mit der Ausgestaltung des Steuerrechts bestimmte politische Parteien zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Aus diesem Grund wird aus verfassungsrechtlicher Sicht eine unbegrenzte Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an politische Parteien kritisch beurteilt (Bericht des Bundesrates, a.a.O., S. 180; HUG, a.a.O., S. 171 ff.; GERHARD SCHMID, POLITISCHE PARTEIEN, VERFASSUNG UND GESETZ, BASEL 1981, S. 127 F.; WEIGELT, a.a.O., S. 182 f.; YERSIN, a.a.O., S. 117 f.). Würden Mandatssteuern zum Abzug zugelassen, ergäbe sich eine Ungleichbehandlung zwischen Parteien, die sich hauptsächlich durch solche Abgaben finanzieren, und solchen, die vornehmlich durch rein freiwillige und daher nicht abzugsfähige Zuwendungen gespiesen werden. bb) Sodann sind die politischen Parteien nicht die einzigen Vereinigungen, welche zur Wahl von Amtsträgern beitragen; auch Verbände und andere Organisationen können gewisse Kandidaten mit Wahlpropaganda oder -empfehlungen unterstützen. Es würde sich die Frage stellen, ob auch Beiträge, welche ein Kandidat an derartige BGE 124 II 29 S. 38 Organisationen leistet, als Gewinnungskosten zu betrachten wären. cc) Die Beantwortung dieser Fragen hängt von politischen Bewertungen ab, die zu treffen in erster Linie dem Gesetzgeber zusteht. Nachdem dieser darauf verzichtet hat, einen entsprechenden Abzug ausdrücklich vorzusehen und die sich stellenden Fragen zu beantworten, kann es nicht Sache des Bundesgerichts sein, in Auslegung des Gesetzes eine solche Regelung aufzustellen. d) Die Abgaben, welche ein Mandatsinhaber an seine politische Partei deshalb bezahlt, weil diese ihn für ein bestimmtes, mit einem Einkommen verbundenen Amt nominiert hat, stehen nach dem Gesagten nicht in einem notwendigen, direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem aus dem Amt erzielten Einkommen und stellen daher nicht abzugsfähige Gewinnungskosten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. a BdBSt dar.
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Sachverhalt ab Seite 367 BGE 139 V 367 S. 367 A. T. wurden im Rahmen seiner 2010 erfolgten Ehescheidung Fr. 4'109.90 als Vorsorgeausgleich auf ein Freizügigkeitskonto bei der Zürcher Kantonalbank überwiesen. Seine Gesuche vom 9. Januar BGE 139 V 367 S. 368 und 9. Februar 2011, ihm die Freizügigkeitsleistung wegen seiner selbstständigen Tätigkeit bar auszuzahlen, blieben ohne Erfolg. Am 25. März 2011 reichte T. Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ein und beantragte, die Freizügigkeitsstiftung der Zürcher Kantonalbank (nachfolgend: Freizügigkeitsstiftung) sei zu verpflichten, das auf ihn lautende Freizügigkeitskonto aufzuheben und ihm den Saldo von ca. Fr. 4'109.90 auszuzahlen. B. Mit Entscheid vom 30. August 2012 hiess das Sozialversicherungsgericht die Klage in dem Sinne gut, als es feststellte, dass T. Anspruch auf Barauszahlung seiner Freizügigkeitsleistung habe, soweit hinreichend belegt sei, dass er selbstständig erwerbend sei und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht unterstehe; unerheblich bleibe, ob die Barauszahlung zur Finanzierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit genutzt werde oder nicht. In der Folge überwies es die Sache an die Freizügigkeitsstiftung zur Nennung und Prüfung der entsprechenden Legitimationsmittel. C. Dagegen erhebt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des Entscheids vom 30. August 2012 und Rückweisung des Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht zu neuem Entscheid. T. schliesst auf die Bestätigung des Entscheids vom 30. August 2012 und weist neu darauf hin, dass er im Mai 2012 in die Unselbstständigkeit gewechselt habe. Die Freizügigkeitsstiftung beantragt, in Gutheissung der Beschwerde des BSV sei der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts vollumfänglich aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Sozialversicherungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
420
303
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 FZG (SR 831.42) können Versicherte die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn sie die Schweiz endgültig verlassen (lit. a) oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen (lit. b) oder aber wenn die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt (lit. c). BGE 139 V 367 S. 369 2.2 Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG , der hier im Vordergrund steht, ist unmissverständlich. Die Barauszahlung setzt (kumulativ) die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und das Fehlen eines Versicherungsobligatoriums voraus (SVR 2011 BVG Nr. 24 S. 91, 9C_610/2010 E. 4.2.2). Es sind keine Gründe ersichtlich, von diesem Wortlaut abzuweichen. Ratio legis von Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG ist die finanzielle Unterstützung beim Aufbau einer Unternehmung; dies als Ausnahme vom Grundsatz, dass das Vorsorgeguthaben als Altersvorsorge erhalten bleiben soll (SVR 2011 BVG Nr. 24 S. 91, 9C_610/2010 E. 4.2.3). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der Aufbau einer selbstständigen Existenz als Grundlage für eine ausreichende Altersvorsorge durch Selbstvorsorge dient, weshalb der Versicherte keiner beruflichen Vorsorge mehr bedarf (GEISER/SENTI, in: BVG und FZG, 2010, N. 41 zu Art. 5 FZG ; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, S. 139 Rz. 119; Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 11 vom 28. Dezember 1988 Rz. 59 mit Hinweis auf die Botschaft zum BVG vom 19. Dezember 1975, BBl 1976 I 149, 240 oben zu Art. 30 E-BVG). 2.3 Der Beschwerdegegner machte resp. macht nicht geltend, im Zeitpunkt der Scheidung eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen zu haben. Vielmehr begründete er seinen Anspruch auf Barauszahlung damit, dass er damals bereits selbstständig erwerbend war. 3. 3.1 Art. 122 ZGB räumt jedem Ehegatten Anspruch auf die Hälfte der für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten ein, wenn mindestens ein Ehegatte einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehört und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist (Abs. 1). Stehen den Ehegatten gegenseitige Ansprüche zu, so ist nur der Differenzbetrag zu teilen (Abs. 2). Ein Ehegatte kann in der Vereinbarung auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten, wenn eine entsprechende Alters- und Invalidenvorsorge auf andere Weise gewährleistet ist. Das Gericht kann die Teilung ganz oder teilweise verweigern, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre ( Art. 123 Abs. 1 und 2 ZGB ). 3.2 Bei Ehescheidung werden die für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistungen nach den Artikeln 122 und 123 des BGE 139 V 367 S. 370 Zivilgesetzbuches (ZGB) sowie den Artikeln 280 und 281 der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO) geteilt; die Artikel 3-5 FZG sind auf den zu übertragenden Betrag sinngemäss anwendbar ( Art. 22 Abs. 1 FZG ). 3.3 Die Vorinstanz vertritt die Meinung, der Anwendungsbereich von Art. 5 FZG gehe im Scheidungsfalle insofern über die eigentlichen Tatbestände von Abs. 1 hinaus, als verschiedene Gesetzesbestimmungen eine analoge oder sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 5 FZG vorsehen. Dass die wortgetreue Anwendung des Art. 5 Abs. 1 FZG nicht zur Anwendung komme, rechtfertige sich auch, weil es sich beim Vorsorgekapital, das im Rahmen eines Scheidungsverfahrens an den Ehepartner übertragen werde, nicht um von diesem selber angespartes Kapital handle. Ausserdem führe die wortwörtliche Anwendung des Art. 5 Abs. 1 FZG zu stossenden und rechtsungleichen Ergebnissen. So wäre eine Barauszahlung für denjenigen zulässig, der die Schweiz nach der Ehescheidung endgültig verlasse, während sie für den Ehepartner, der bereits vor der Scheidung die Schweiz für immer verlassen habe, unmöglich bliebe. Ferner vermöge ein Ehepartner, der im Zeitpunkt der Scheidung noch in einem unselbstständigen Arbeitsverhältnis steht, die Voraussetzung der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zu erfüllen, was für den bereits vor der rechtskräftigen Scheidung Selbstständigerwerbenden unerreichbar bleibe. Dies könne nicht Sinn und Zweck der genannten Bestimmung sein, weshalb sich eine wortwörtliche Anwendung von Art. 5 Abs. 1 FZG zu Gunsten einer vom Gesetz vorgesehenen sinngemässen Anwendung verbiete. Das BSV macht im Wesentlichen geltend, die Auslegung durch das kantonale Gericht entspreche weder dem Willen des Gesetzgebers noch der Lehrmeinung oder der Rechtsprechung. 3.4 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen BGE 139 V 367 S. 371 Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben ( BGE 137 V 434 E. 3.2 S. 437 mit Hinweisen). 3.5 3.5.1 Der Wortlaut des zweiten Teilsatzes von Art. 22 Abs. 1 FZG besagt lediglich, dass die Art. 3, 4 und 5 FZG im Scheidungsfall nicht direkt, sondern sinngemäss, d.h. "nur" vergleichbar, anzuwenden sind. Er lässt Raum sowohl für eine versicherungstechnische als auch inhaltliche Analogie. 3.5.2 Art. 3, 4 und 5 FZG beziehen sich auf den Fall, dass eine versicherte Person aus ihrer Vorsorgeeinrichtung austritt, und regeln die Erfüllung ihres Austrittsleistungsanspruchs resp. den Erhalt ihres Vorsorgeschutzes (vgl. auch den Titel des 2. Abschnittes: Rechte und Pflichten der Vorsorgeeinrichtung bei Austritt von Versicherten). Der zweite Teilsatz von Art. 22 Abs. 1 FZG hat wohl ebenfalls die Austrittsleistung zum Inhalt, jedoch nicht die eigene und nicht in Verbindung mit einem Austritt (vgl. E. 3.1). Er beinhaltet primär eine Schuldenregelung zwischen den Ehegatten, die von vorsorgerechtlichem Charakter ist, wobei der zu übertragende Betrag dem beruflichen Vorsorgeschutz erhalten bleiben soll (vgl. den Titel des 5. Abschnittes: Erhaltung des Vorsorgeschutzes in besonderen Fällen; vgl. auch E. 3.5.3 nachfolgend). Insoweit stellt der zweite Teilsatz von Art. 22 Abs. 1 FZG vor allem eine Zahlungsmodalität dar (vgl. HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 514 Rz. 1390). Das Wort "sinngemäss" weist demnach - in systematischer Hinsicht - einen versicherungstechnischen Gehalt auf, indem für den scheidungsrechtlichen Vorsorgeausgleich die gleichen Erfüllungsregeln resp. der gleiche Vorsorgeschutz zur Anwendung gelangen resp. gelangt, wie wenn es um die eigene Austrittsleistung geht. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem Umstand, dass "verschiedene Gesetzesbestimmungen eine analoge oder sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 5 FZG vorsehen", wie die Vorinstanz erwogen hat. Gemäss Art. 14 FZV (SR 831.425) gilt Art. 5 FZG für Freizügigkeitseinrichtungen sinngemäss. Das BSV hielt dazu in seinen Erläuterungen, die es mit Schreiben vom 6. Oktober 1994 verschiedenen Institutionen wie u.a. dem Bundesgericht zustellte, fest: "Für die vorzeitige Barauszahlung des Vorsorgekapitals wird auf die Bestimmungen in Artikel 5 FZG verwiesen. Das bedeutet, dass eine BGE 139 V 367 S. 372 Barauszahlung des Vorsorgekapitals geltend gemacht werden kann, wenn die Tatbestände und Voraussetzungen dieser Bestimmung gegeben sind. Allerdings kann diese gesetzliche Regelung angesichts der unterschiedlichen Einrichtungen und Situationen nicht unbesehen übernommen werden, worauf das Wort sinngemäss hinweist. So kann nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b FZG bei einer Freizügigkeitseinrichtung nicht verlangt werden, dass die versicherte Person nicht mehr dem Obligatorium der beruflichen Vorsorge untersteht. Auch die Voraussetzung, dass der sog. geringe Betrag nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c FZG nicht mehr als einen Jahresbeitrag ausmachen darf, hat in diesem Zusammenhang nicht dieselbe Bedeutung wie bei einer Vorsorgeeinrichtung. Es soll hier jedoch dem Sinn der Bestimmung nach Bezug genommen werden können auf den Jahresbeitrag bei der letzten Vorsorgeeinrichtung vor der Übertragung der Freizügigkeitsleistung auf eine Freizügigkeitseinrichtung" (Schreiben des BSV abgedruckt in: CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 268 f.). Dem Wort "sinngemäss" - im systematischen Kontext mit Art. 5 FZG - kommt demnach auch andernorts versicherungstechnische Relevanz zu. 3.5.3 Mit dem Verweis in Art. 22 Abs. 1 FZG auf Art. 3-5 FZG folgte der Gesetzgeber wortwörtlich dem Entwurf des Bundesrates. Hintergrund ist, dass die Mittel der beruflichen Vorsorge bei einer Scheidung grundsätzlich weiter dieser dienen sollen (Botschaft vom 26. Februar 1992 zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, BBl 1992 III 533, 599 Abs. 3 Ziff. 635.3 zu Art. 22 E-FZG; vgl. auch Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Scheidung], BBl 1996 I 1, 104 Abs. 2 Ziff. 233.432 zu Art. 122 E-ZGB). Die gewählte Formulierung ("sinngemäss") gab im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zu keiner Diskussion Anlass - weder in Bezug auf das FZG noch hinsichtlich des revidierten Scheidungsrechts. Zwar hielt der Bundesrat, wie das BSV meint, in den Erörterungen zum dem Parlament vorgelegten Entwurf von Art. 22 FZG fest, "eine Barauszahlung kommt allenfalls unter den Voraussetzungen von Artikel 5 in Frage" (BBl 1992 III 599 Ziff. 635.3), resp. "unter den Voraussetzungen von Artikel 5 FZG ist im übrigen eine Barauszahlung denkbar" (BBl 1996 I 107 Abs. 1 Ziff. 233.441 zu Art. 22 E-FZG). Entgegen der Auffassung des BSV lässt sich indessen daraus nicht zwingend ableiten, der Gesetzgeber habe im Scheidungsfall keine Lockerung der Barauszahlungsgründe BGE 139 V 367 S. 373 gewollt. Die fraglichen Aussagen dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind im Gesamtzusammenhang zu sehen: Früher konnte eine Frau, die wegen Verheiratung ihre Erwerbstätigkeit aufgab, sich ihre Freizügigkeitsleistung auszahlen lassen und für die Bedürfnisse des (in Gründung befindenden) gemeinsamen Haushaltes verwenden ( Art. 30 Abs. 2 lit. c BVG in der bis Ende 1994 geltenden Fassung; AS 1983 804). In der Folge stand die Ehefrau im Falle einer Scheidung nicht selten ohne genügende Vorsorge da. Dem sollte anlässlich der Konzeptionierung des Freizügigkeitsgesetzes u.a. aus Gründen der Gleichbehandlung von Mann und Frau Einhalt geboten werden (BBl 1992 III 576 oben Ziff. 632.4 zu Art. 5 E-FZG). Der dabei - unter dem Titel Ehescheidung - gemachte Hinweis des Bundesrates auf die Barauszahlungsmöglichkeit gemäss Art. 5 Abs. 1 FZG lässt sich deshalb auch in dem Sinne verstehen, dass er lediglich signalisieren wollte, dass eine Barauszahlung auch zukünftig nicht per se ausgeschlossen sei. Ein klarer Wille des Gesetzgebers, die Barauszahlungsgründe von Art. 5 Abs. 1 FZG im Fall einer Ehescheidung 1:1 anzuwenden, ist demnach nicht auszumachen. 3.5.4 Wer von der unselbstständigen Erwerbstätigkeit in eine selbstständige wechselt, verfügt in diesem Moment - soweit nicht mehr der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterstehend - über die Möglichkeit, sich das angesparte Alterskapital gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG bar auszahlen zu lassen. Wer im Scheidungszeitpunkt bereits selbstständig erwerbstätig ist, kommt nicht (mehr) in den Genuss eines solchen Wahlrechts, auch wenn er gar keiner beruflichen Vorsorge (mehr) bedarf (vgl. E. 2.2). Dessen ungeachtet kann nicht von Rechtsungleichheit gesprochen werden, da sich die beiden Konstellationen sachlich erheblich unterscheiden. Zum einen handelt es sich bei dem nach Art. 22 Abs. 1 FZG zu übertragenden Vorsorgekapital nicht um eine selber angesparte Austrittsleistung (vgl. E. 3.5.2 Abs. 1). Zum andern basiert die Übertragung nicht auf einer beruflichen, sondern persönlichen resp. familiären Änderung der Verhältnisse. Dem steht jedoch - mit Blick auf den hier zu beurteilenden Fall - folgende Gegebenheit gegenüber: Wer selbstständig erwerbend ist und nicht der obligatorischen Versicherung unterstellt ist, sich aber der freiwilligen Vorsorge angeschlossen hat, kann sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die entsprechenden geäufneten Mittel in klar bestimmten Schranken, namentlich zum Zwecke betrieblicher Investitionen, auszahlen lassen, wenn er den Vorsorgevertrag kündigt und seine vertragliche Beziehung mit seiner Vorsorgeeinrichtung beendet ( BGE 135 V 418 und BGE 134 V 170 ). BGE 139 V 367 S. 374 Nachdem Selbstständigerwerbende sich jederzeit - zumindest solange kein Vorsorgefall eingetreten ist - freiwillig versichern lassen können (sei es bei einer Vorsorgeeinrichtung oder bei der Auffangeinrichtung [vgl. Art. 44 BVG und Art. 28 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1)]), kann dies auch erst im Scheidungsfall erfolgen und der gemäss Art. 22 Abs. 1 FZG zustehende Betrag auf die freiwillige Vorsorge übertragen werden, um ihn sodann bar erhältlich zu machen. Werden dabei die rechtlichen und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzten Grenzen eingehalten, liegt kein Umgehungsgeschäft vor. Der Umweg verursacht jedoch - vor allem auf Seiten der Vorsorge- oder Auffangeinrichtung - nicht unbedeutende Kosten (Kontoeröffnung und -saldierung innert kurzer Zeit). Es ist daher zweckmässig und in Ausrichtung auf die herrschende Rechtslage objektiv angemessen, einem (nachgewiesenermassen) Selbstständigerwerbenden und nicht der obligatorischen beruflichen Vorsorge Unterstehenden die Möglichkeit einzuräumen, sich den im Scheidungsfall zu übertragenden Betrag unter den gleich restriktiven Bedingungen, wie sie für eine Barauszahlung des in der freiwilligen beruflichen Vorsorge angesparten Alterskapitals gelten (vgl. BGE 135 V 418 und BGE 134 V 170 ), bar auszahlen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als der gesetzlich statuierte Vorsorgegedanke bei Selbstständigerwerbenden keine vordergründige Rolle (mehr) spielt (vgl. E. 2.2). Mit anderen Worten kann ein Selbstständigerwerbender die Barauszahlung des ihm scheidungsrechtlich zustehenden Vorsorgekapitals verlangen, wenn er sich wirtschaftlich in der gleichen Situation wie ein freiwillig Versicherter befindet. Soweit sich das BSV auf das vorne (vgl. E. 2.2) zitierte Urteil SVR 2011 BVG Nr. 24 S. 91, 9C_610/2010 beruft, lässt es ausser Acht, dass dort eine andere als die hier zu beurteilende Sachverhaltskonstellation vorlag; streitig war die Barauszahlung der Austrittsleistung an den berechtigten Ehegatten, der eine Invalidenrente aus vorehelicher Zeit bezog. 3.6 Im Lichte der Auslegung von Art. 22 Abs. 1 FZG ergibt sich somit für die vorliegende Situation grundsätzlich das folgende Ergebnis: Wer im Scheidungszeitpunkt nachweislich bereits selbstständig erwerbstätig ist und nicht der obligatorischen beruflichen Vorsorge untersteht, kann sich die zu übertragende Summe unter denselben Voraussetzungen, wie sie für eine Barauszahlung des in der freiwilligen beruflichen Vorsorge angesparten Alterskapitals gelten, bar auszahlen lassen.
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Sachverhalt ab Seite 135 BGE 130 I 134 S. 135 Am 25. Juni 2002 stellte der Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden fest, die in Form einer allgemeinen Anregung eingereichte Volksinitiative "12 autofreie Sonntage" habe mit 482 gültigen Unterschriften mehr als die 300 erforderlichen auf sich vereinigt und sei daher zustande gekommen. Sie hat folgenden Wortlaut: "Im Kanton Appenzell A.Rh. werden zwölf autofreie Sonntage eingeführt. Während dieser ist jeglicher motorisierter Privatverkehr verboten. Die Detailbestimmungen können sich an den autofreien Sonntagen der Siebzigerjahre oder an der aktuellen nationalen Initiative orientieren." Gestützt auf ein vom Regierungsrat in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Dr. René Schaffhauser, welches zum Schluss kam, die Initiative sei bundesrechtswidrig, erklärte sie der Kantonsrat am 24. März 2003 auf Antrag des Regierungsrates mit 58 gegen 2 Stimmen für ungültig. Mit Stimmrechtsbeschwerde vom 12. Mai 2003 beantragt Tim Walker "als Stimmbürger und Mitglied des Initiativkomitees" im Wesentlichen, diesen Beschluss des Kantonsrates aufzuheben und ihn anzuweisen, sie ganz oder eventuell teilweise den Stimmberechtigten zur Abstimmung vorzulegen. BGE 130 I 134 S. 136
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 55 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 30. April 1995 (KV/AR) entscheidet der Kantonsrat über die Gültigkeit einer Initiative. Nach dessen Abs. 2 ist eine solche u.a. dann ganz oder teilweise ungültig, wenn sie übergeordnetem Recht widerspricht. Der Kantonsrat ist, gestützt auf das Gutachten Schaffhauser, auf das er ausdrücklich vorbehaltlos abstellt, zur Auffassung gelangt, der Kanton verfüge nicht über die Kompetenz, zeitlich beschränkte generelle Fahrverbote für das ganze Kantonsgebiet zu erlassen. Eine Auslegung der Initiative, mit welcher sie ganz oder wenigstens teilweise mit dem übergeordneten Recht in Einklang gebracht werden könnte, sei nicht ersichtlich, weshalb sie auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro populo" vollständig ungültig erklärt werden müsse. Der Beschwerdeführer bestreitet dies und macht geltend, der Kanton sei durchaus befugt, wenigstens auf einem erheblichen Teil des kantonalen Strassennetzes Sonntagsfahrverbote zu erlassen. Es ist daher - und zwar frei - zu prüfen, ob das Bundesrecht den Kantonen die Freiheit belässt, auf ihrem Gebiet Sonntagsfahrverbote, wie sie die zu beurteilende Initiative anstrebt, einzuführen. 3. 3.1 Nach Art. 82 BV erlässt der Bund Vorschriften über den Strassenverkehr (Abs. 1) und übt die Oberaufsicht über Strassen von gesamtschweizerischer Bedeutung aus, wobei er bestimmt, welche Durchgangsstrassen für den Verkehr offen bleiben müssen. Im vorab gestützt auf den inhaltlich unverändert in Art. 82 BV überführten Art. 37 bis aBV (Botschaft des Bundesrates über eine neue Verfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 258 ff.) erlassenen Strassenverkehrsgesetz bestimmt Art. 2 Abs. 1 lit. b unter dem Titel "Befugnisse des Bundes": " 1 Der Bundesrat ist ermächtigt, nach Anhören der Kantone: a. (...) b. für alle oder einzelne Arten von Motorfahrzeugen zeitliche, für die ganze Schweiz geltende Fahrverbote zu erlassen; c. (..)." Die kantonalen Befugnisse sind wie folgt geregelt: "Art. 3 Befugnisse der Kantone und Gemeinden BGE 130 I 134 S. 137 1 Die kantonale Strassenhoheit bleibt im Rahmen des Bundesrechts gewahrt. 2 Die Kantone sind befugt, für bestimmte Strassen Fahrverbote, Verkehrsbeschränkungen und Anordnungen zur Regelung des Verkehrs zu erlassen. Sie können diese Befugnis den Gemeinden übertragen unter Vorbehalt der Beschwerde an eine kantonale Behörde. 3 Der Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr kann auf Strassen, die nicht dem allgemeinen Durchgangsverkehr geöffnet sind, vollständig untersagt oder zeitlich beschränkt werden; Fahrten im Dienste des Bundes bleiben jedoch gestattet. Vorbehalten ist die Beschwerde an das Bundesgericht wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger. 4 Andere Beschränkungen oder Anordnungen können erlassen werden, soweit der Schutz der Bewohner oder gleichermassen Betroffener vor Lärm und Luftverschmutzung, die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen, die Sicherheit, die Erleichterung oder die Regelung des Verkehrs, der Schutz der Strasse oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern. Aus solchen Gründen können insbesondere in Wohnquartieren der Verkehr beschränkt und das Parkieren besonders geregelt werden. Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über solche Massnahmen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig. Gemeinden sind zur Beschwerde berechtigt, wenn Verkehrsmassnahmen auf ihrem Gebiet angeordnet werden. 5 Massnahmen für die übrigen Fahrzeugarten und Strassenbenützer richten sich, soweit sie nicht zur Regelung des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs erforderlich sind, nach kantonalem Recht. 6 In besondern Fällen kann die Polizei die erforderlichen Massnahmen treffen, namentlich den Verkehr vorübergehend beschränken oder umleiten." Art. 5 bestimmt über die "Signale und Markierungen" Folgendes: " 1 Beschränkungen und Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr müssen durch Signale oder Markierungen angezeigt werden, sofern sie nicht für das ganze Gebiet der Schweiz gelten. 2 (...) 3 Im Bereich der für Motorfahrzeuge oder Fahrräder offenen Strassen dürfen nur die vom Bundesrat vorgesehenen Signale und Markierungen verwendet und nur von den zuständigen Behörden oder mit deren Ermächtigung angebracht werden." 3.2 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b SVG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SVG ist klarerweise einzig der Bund bzw. der Bundesrat befugt, per Rechtssatz für das ganze Hoheitsgebiet geltende Beschränkungen des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs anzuordnen, ohne diese auf dem Strassennetz auszuschildern. Den Kantonen ist es BGE 130 I 134 S. 138 demgegenüber untersagt, den motorisierten Verkehr auf ihrem Gebiet per Rechtssatz generell zu beschränken. Sie können dies nach Art. 3 Abs. 2 SVG nur für "bestimmte Strassen" tun und müssen Verkehrsbeschränkungen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen für polizeiliche Massnahmen nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 SVG abgesehen, als Totalfahrverbote im Sinne von Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 SVG oder als funktionelle Verkehrsbeschränkungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SVG verfügen, publizieren (vgl. BGE 104 IV 24 E. 3 S. 26) und mit den vom Bundesrat dafür vorgesehenen Signalen und Markierungen an Ort und Stelle kund tun ( BGE 101 Ia 73 , BGE 101 Ia 565 E. 3 S. 571; Urteil des Bundesgerichts 1P.203/1992 vom 6. April 1994, publ. in: URP 1994 S. 494; zur Abgrenzung von Totalfahrverboten nach Art. 3 Abs. 3 SVG und funktionellen Verkehrsbeschränkungen nach Art. 3 Abs. 4 SVG : VPB 60/1996 S. 732; zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen an Massnahmen nach Art. 3 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 6 SVG : BGE 121 I 334 E. 6b S. 345 mit Hinweisen auf die Literatur). 3.3 Die umstrittene Initiative verlangt, was sich aus ihrem klaren Wortlaut und den Verweisen auf die autofreien Sonntage der Siebzigerjahre sowie die am 18. Mai 2003 von den Schweizer Stimmbürgern verworfene Initiative "für einen autofreien Sonntag pro Jahreszeit - ein Versuch für vier Jahre (Sonntags-Initiative)" (vgl. die bundesrätliche Botschaft vom 1. Dezember 1999 dazu in BBl 2000 S. 503 ff.) ergibt, dass der Kanton an 12 Sonntagen pro Jahr den motorisierten Privatverkehr in möglichst weit gehender Weise auf einem möglichst grossen Teil des kantonalen Strassennetzes unterbindet und die Strassen der Bevölkerung zum "freien Gemeingebrauch" (BBl 2000 S. 504) für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung stellt. In seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer dazu aus, dass Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot für Ärzte, Feuerwehr, Polizei und eventuell für den unbedingt notwendigen Berufsverkehr vom Initiativ-Komitee ausdrücklich als zulässig betrachtet würden; der öffentliche Verkehr unterliege keinen Einschränkungen, und es sei zudem denkbar, dass die Transportunternehmungen zusätzliche, ausserfahrplanmässige Verbindungen anbieten dürften. Für ein solches Sonntagsfahrverbot muss u.a. festgelegt werden, an welchen Sonntagen es gilt, wer vom Verbot ausgenommen ist und was für eine Verkehrsordnung an diesen Tagen gelten soll, an denen die Strassen zwar einerseits dem (nicht motorisierten) BGE 130 I 134 S. 139 Publikum zur freien Benutzung zur Verfügung stehen sollen, an denen anderseits aber trotzdem ein eingeschränkter motorisierter Strassenverkehr möglich sein soll. Es ist offenkundig, dass eine solche grundsätzlich für das ganze Kantonsgebiet geltende Regelung nur per Rechtssatz erlassen werden kann. Es ist schlechterdings ausgeschlossen, sie zu verfügen, zu publizieren und anschliessend sämtliche Strassen (ausgenommen allenfalls die Durchgangsstrassen nach Art. 3 Abs. 3 SVG ) mit den entsprechenden Verkehrssignalen und Markierungen zu kennzeichnen; auf diese Weise lässt sich die Initiative von vornherein weder ganz noch teilweise umsetzen. Diese verlangt vielmehr, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden das von ihr angestrebte Sonntagsfahrverbot auf gesetzgeberischem Weg einführt und setzt damit - zu Unrecht (oben E. 3.2) - voraus, dass er über die entsprechende Rechtssetzungskompetenz verfügt. 3.4 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Bundesrecht einerseits den rechtssatzmässigen Erlass von ohne entsprechende Signalisationen allgemein geltenden Verkehrsbeschränkungen dem Bund vorbehält, den Kantonen anderseits die Kompetenz einräumt, für bestimmte Strassen auf ihrem Gebiet Verkehrsbeschränkungen mittels Verfügung und Signalisation anzuordnen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Kanton Appenzell Ausserrhoden nicht befugt ist, die für die Einführung eines kantonalen Sonntagsfahrverbotes erforderlichen Rechtssätze zu erlassen. Unter diesen Umständen spielt die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, inwieweit die Kompetenz des Kantons für den Erlass von Totalfahrverboten im Sinn von Art. 3 Abs. 3 SVG auf Durchgangsstrassen, die dem allgemeinen Durchgangsverkehr geöffnet sind, eingeschränkt ist und ob der Bundesrat bei der Bezeichnung dieser Durchgangsstrassen im Kanton Appenzell Ausserrhoden zu weit gegangen ist, für den Ausgang des Verfahrens keine Rolle und kann offen bleiben. Der Kantonsrat hat das Stimmrecht des Beschwerdeführers nicht verletzt, indem er die Initiative als bundesrechtswidrig einstufte und ungültig erklärte.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 129 I 1 S. 2 Am 29. Juni 2000 wurde die Ehe zwischen Y. und Z. geschieden. Der gemeinsame Sohn X. wurde unter die elterliche Sorge der Mutter (Y.) gestellt. Zugleich wurden Z. Unterhaltszahlungen von Fr. 730.- für das Kind und von Fr. 500.- für Y. persönlich auferlegt. Seit November 2000 lebt Y. mit ihrem Sohn bei ihrem Freund A. Da keine Unterhaltszahlungen geleistet wurden, reichte sie beim Sozialamt der Gemeinde Kirchberg (SG) ein Gesuch um Bevorschussung der Alimente für ihren Sohn ein. Dieses wurde am 12. Februar 2001 abgelehnt mit der Begründung, das anrechenbare Einkommen beider Konkubinatspartner übersteige die Bevorschussungsgrenze. Sämtliche gegen diese Verfügung erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. März 2002 erhebt X. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde. Materiell stellt er sich in der Hauptsache auf den Standpunkt, der einschlägigen kantonalen Norm sei die Anwendung wegen Verfassungswidrigkeit zu versagen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. a des kantonalen Gesetzes über Inkassohilfe und Vorschüsse für Unterhaltsbeiträge vom 28. Juni 1979 (GIVU; sGS 911.51) wird der Kindesunterhaltsbeitrag bevorschusst, wenn das anrechenbare Einkommen das Mindesteinkommen nicht BGE 129 I 1 S. 3 übersteigt. Er wird teilweise bevorschusst, wenn das anrechenbare Einkommen die Bevorschussungsgrenze nicht übersteigt (Art. 4 Abs. 1 lit. b GIVU). Es besteht allerdings kein Anspruch auf Vorschüsse, wenn der Unterhalt des Kindes anderweitig gesichert ist (Art. 3 lit. b GIVU). Art. 4bis GIVU hat die Ermittlung des anrechenbaren Einkommens zum Gegenstand. Diese Bestimmung ist mit dem zweiten Nachtragsgesetz zum GIVU vom 11. November 1999 geändert worden. Seither lautet deren erster Absatz wie folgt: "Anrechenbar ist das Einkommen des obhutsberechtigten Elternteils, des Konkubinatspartners und des Stiefelternteils." Die Neuordnung hat zum Ziel, die Bevorzugung von Konkubinatspaaren gegenüber Ehepaaren zu verhindern (Protokoll des Grossen Rates des Kantons St. Gallen vom 4. Mai 1999, S. 3235). Es sei nicht einzusehen, weshalb das Einkommen des Stiefvaters, der ebenfalls kein leiblicher Vater des zur Bevorschussung in Frage kommenden Kindes sei, im Gegensatz zum Konkubinatspartner angerechnet werden solle (a.a.O., S. 3242). (...) 3. Nach der Auffassung des Beschwerdeführers ist Art. 4bis Abs. 1 GIVU willkürlich und verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 8 Abs. 1 BV . Ein Erlass ist willkürlich, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist; er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich die ungerechtfertigte Gleich- bzw. Ungleichbehandlung auf eine wesentliche Tatsache bezieht ( BGE 124 I 297 E. 3b S. 299; BGE 123 II 16 E. 6a S. 26). Dem Gesetzgeber verbleibt bei der Verfolgung gesetzgebungspolitischer Ziele und der dazu eingesetzten Mittel ein weiter Gestaltungsspielraum ( BGE 124 I 297 E. 3b S. 299; BGE 121 I 102 E. 4a S. 104; BGE 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f.). 3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Regelung, wonach die staatliche Bevorschussung der Kinderalimente auch gegenüber zu erwartenden Unterhaltsleistungen durch den Konkubinatspartner subsidiär sei, sei willkürlich. Ausserdem sei die Norm leicht zu umgehen; ihre Durchsetzbarkeit sei höchst zweifelhaft. Er bestreitet demgegenüber nicht, dass der Unterhalt des Kindes anderweitig BGE 129 I 1 S. 4 gesichert ist im Sinne von Art. 3 lit. b GIVU, wenn sich ein Konkubinatspartner von sich aus bereit erklärt, das Kind des anderen Partners zu unterstützen (vgl. dazu FELIX WOLFFERS, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Aufl., Bern 1999, S. 161; vgl. zur Berücksichtigung der faktischen Unterstützung unter Konkubinatspartnern das Urteil 2P.386/1997 vom 24. August 1998, publ. in: Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung [FZR] 1998 S. 396 ff., insb. E. 3c). Von Willkür in der Rechtsetzung kann indessen keine Rede sein. Denn die Tatsache, dass Konkubinatspartner sich zur Gründung eines Haushaltes mit einem nicht gemeinsamen Kind entschliessen, stellt durchaus einen rationalen Anknüpfungspunkt dar für die in Frage stehende Regelung. Dies selbst in der Auslegung, wie sie von der Gemeinde Kirchberg zugrunde gelegt wird und wonach jedes Eingehen eines Konkubinats zur Folge hat, dass die Einkommen beider Partner angerechnet werden. Es ist zwar zutreffend, dass durch eine derartige Bestimmung nicht das Kindeswohl, sondern die Frage der Be- bzw. Entlastung des neuen Partners ins Zentrum gestellt wird. Dem Bundesgericht steht es jedoch im Rahmen der Willkürprüfung nicht zu, den Gestaltungsspielraum des kantonalen Gesetzgebers durch eine eigene Gestaltungsvorstellung zu schmälern (vgl. dazu BGE 114 Ia 321 E. 3b S. 324; BGE 110 Ia 7 E. 2b S. 14, je mit Hinweisen). Willkürlich ist die Norm auch nicht deshalb, weil sich möglicherweise Schwierigkeiten bei der Feststellung des Sachverhalts des Konkubinats ergeben. Das Bundesgericht hat im Übrigen festgestellt, dass auch der durch die Rechtsprechung zur Rechtsmissbrauchsschranke des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt festgelegten zeitlichen Limite für die Annahme eines stabilen Konkubinats etwas Willkürliches anhaftet ( BGE 109 II 188 E. 2 S. 191). Zudem führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die persönlichen und finanziellen Verhältnisse im Rahmen der Prüfung der Anspruchsberechtigung zu deklarieren sind (vgl. dazu auch den Nachtrag vom 22. Mai 2001 zur Vollzugsverordnung zum GIVU vom 15. Oktober 1979 [sGS 911.511], insb. Art. 6). Wie ausgeführt ergibt sich somit, dass der kantonale Gesetzgeber mit Erlass des Art. 4bis Abs. 1 GIVU nicht in Willkür verfallen ist. 3.2 Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die Regelung des Art. 4bis Abs. 1 GIVU führe zu einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner. Dabei anerkennt er ausdrücklich, dass tatsächliche, durch das Zusammenleben erlangte Vorteile wie die im Austausch gegen Hausarbeit erbrachten Leistungen als anrechenbares Einkommen BGE 129 I 1 S. 5 des sorgeberechtigten Elternteils zu berücksichtigen sind (vgl. zur Anrechnung der Haushaltführung WOLFFERS, a.a.O., S. 160). Es sei hingegen nicht gerechtfertigt, diesem das gesamte Einkommen des Konkubinatspartners zuzurechnen. 3.2.1 Würde die Regelung des Art. 4bis Abs. 1 GIVU so verstanden, dass sie die Subsidiarität der staatlichen Leistung bereits gegenüber der zu erwartenden Unterstützung durch den Konkubinatspartner unabhängig von der Stabilität der Konkubinatsbeziehung statuiert, sobald das Paar eine gemeinsame Wohnung bezieht, würde dies dazu führen, dass diejenigen Konkubinatspartner, die mit einem obhutsberechtigten Partner einen gemeinsamen Haushalt gründen, generell gleich behandelt werden wie ein Stiefelternteil. 3.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 112 Ia 251 E. 4 S. 258 f. festgehalten, es verstosse nicht gegen die Rechtsgleichheit, wenn das Einkommen bzw. das Vermögen eines Stiefelternteils im Rahmen der Prüfung, ob die Bevorschussungsgrenze erreicht sei, mitberücksichtigt werde, während unter gleichen Voraussetzungen bei Konkubinatsbeziehungen nach wie vor bloss die wirtschaftlichen Verhältnisse des nicht verpflichteten Elternteils in Betracht gezogen werden. Der Konkubinatspartner habe insbesondere keinen Anspruch auf Beistand durch den anderen Partner nach Art. 278 Abs. 2 ZGB . Gerade hier liege denn auch der entscheidende Unterschied zwischen dem verheirateten und dem im Konkubinat lebenden nicht verpflichteten Elternteil. Weil der verheiratete Elternteil einen privatrechtlichen Anspruch auf Beistand gegenüber dem Stiefelternteil habe, lasse sich eine Mitberücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Stiefelternteils und damit eine Ungleichbehandlung mit dem im Konkubinat lebenden, nicht verpflichteten Elternteil rechtfertigen. Es stellt sich nun die Frage, ob sich aus dieser Argumentation im Umkehrschluss die generelle Unzulässigkeit der Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner ergibt. 3.2.3 In der Doktrin wird einerseits die Position vertreten, da keine gesetzliche Beistandspflicht des Konkubinatspartners bestehe, sei es auch nicht zulässig, demselben den hypothetischen Willen zu unterschieben, mit der Begründung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch für die eingebrachten Kinder des Konkubinatspartners zu sorgen. Soweit der Nachweis nicht offen stehe, dass die Unterhaltsleistung nicht erbracht wird, müsse eine derartige Praxis abgelehnt werden (ANDREAS HAFFTER, Der Unterhalt des Kindes als Aufgabe von Privatrecht und öffentlichem Recht, Diss. Zürich 1984, BGE 129 I 1 S. 6 S. 251). Nach WOLFFERS ist es vertretbar, im Sinne einer Tatsachenvermutung auch im Sozialhilferecht davon auszugehen, dass sich die Partner im stabilen Konkubinat, wie es durch die bundesgerichtliche Praxis zum nachehelichen Unterhalt definiert worden ist, gegenseitig materiell unterstützen. Zulässig müsse auch hier der Gegenbeweis bleiben (a.a.O., S. 162; vgl. dazu auch PETER STADLER, Unterstützung von Konkubinatspartnern, in: Zeitschrift für Sozialhilfe [ZeSo] 1999 S. 29 ff., insb. S. 31). Diese Vermutung soll namentlich für ein Paar in gefestigtem Konkubinat mit gemeinsamem Kind gelten (ZeSo 1998 S. 107 f.). Mehrere kantonale Gerichtsentscheide setzen auch ein stabiles Konkubinat voraus, wenn das Einkommen des Konkubinatspartners im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Alimentenbevorschussung angerechnet werden soll (vgl. nur den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 29. April 1987, publ. in: BLVGE 1987 S. 131 ff., sowie denjenigen des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 17. Mai 1991, publ. in: ABSH 1991 S. 123 ff.). Dabei geht das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden davon aus, dass es sich rechtfertige, die Frage, ob der obhutsberechtigte Elternteil tatsächlich in einem eheähnlichen Verhältnis lebe, aufgrund restriktiverer Kriterien - d.h. geringeren Anforderungen - zu beantworten, als dies im Falle des Rentenanspruches geschiedener Ehegatten, die im Konkubinat leben, nach bundesgerichtlicher Praxis gefordert ist. Demnach könne eine eheähnliche Beziehung zweier Konkubinatspartner bereits nach kurzer Zeit angenommen werden (Entscheid vom 3. März 1995, publ. in: PVG 1995 Nr. 13, insb. E. 2b). 3.2.4 Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert die Gleichbehandlung aller Rechtsunterworfenen durch die staatlichen Organe. Das Differenzierungsgebot verlangt, dass Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Das Konkubinat ist kein Institut des Familienrechts; dem Konkubinatspartner stehen keine Unterhalts- und Beistandsansprüche gegen den anderen Partner zu. Vielmehr steht es den Partnern frei, die Beziehungen unter sich durch vertragliche Vereinbarungen zu regeln. Insbesondere hat der Konkubinatspartner keinen Anspruch auf Beistand nach Art. 278 Abs. 2 ZGB ( BGE 112 Ia 251 E. 4b S. 258 f. mit Hinweis). Indessen ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Konkubinat gegenüber der Ehe begünstigt wird, wenn die finanziellen Verhältnisse des Stiefelternteils bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens berücksichtigt werden, diejenigen namentlich des langjährigen Konkubinatspartners jedoch nicht (vgl. CYRIL HEGNAUER, Der Unterhalt BGE 129 I 1 S. 7 des Stiefkindes nach schweizerischem Recht, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, Baden-Baden 1986, S. 271 ff., S. 286; vgl. auch das erwähnte Urteil vom 24. August 1998, E. 3d). Diese Umstände lassen die Anrechnung des Einkommens des in einem stabilen Konkubinat lebenden Partners angesichts des dem kantonalen Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums als vertretbar erscheinen. Verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre demgegenüber die Auffassung, jedes Zusammenleben eines Paares rechtfertige es, das Einkommen des Partners anzurechnen. Durch eine derartige Regelung würde den Unterschieden zwischen der Stellung des Stiefelternteils und derjenigen des Konkubinatspartners nicht hinreichend Rechnung getragen. Deshalb würde auch die Statuierung einer nicht widerlegbaren Vermutung, wonach mit dem Bezug einer gemeinsamen Wohnung ein stabiles Konkubinat vorliegt, zu einer unzulässigen Gleichbehandlung von Ungleichem führen. Indessen lässt sich die Vorschrift des Art. 4bis Abs. 1 GIVU, wonach das Einkommen des Partners angerechnet wird, ohne weiteres so verstehen, dass die Anrechnung ein stabiles Konkubinat voraussetzt. Dies hat das Amt für Soziales des Kantons St. Gallen denn auch in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt vorgeschlagen; eines der Regelkriterien sei eine "bereits längerfristige, bzw. mehrjährige tragfähige Beziehung, auf Dauer angelegt" (Rundschreiben vom 27. März 2000 an die Sozialämter und Sozialberatungen im Kanton St. Gallen, S. 3). Auch das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat unter Hinweis auf die Materialien festgestellt, nach Ansicht des Gesetzgebers sei es Sache der Rechtsprechung, die Kriterien für das Vorliegen eines Konkubinats festzulegen. Das Konkubinat müsse sich, wenn damit die Folge der Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Partners verbunden werden solle, nach aussen hin als bereits gefestigt und auf eine dauerhafte Beziehung ausgerichtet manifestiert haben; es rechtfertige sich aber nicht, erst bei einer Dauer von mindestens fünf Jahren von einer solchen Lebensgemeinschaft auszugehen (Entscheid vom 26. Oktober 2001 in Sachen des Beschwerdeführers, E. 3b). Folgerichtig berücksichtigt das Versicherungsgericht im vorliegenden Fall den Umstand, dass der Konkubinatspartner das Kind der obhutsberechtigten Partnerin - wenn auch, wie er geltend macht, nur überbrückungsweise, d.h. in Erwartung von Leistungen der öffentlichen Hand - tatsächlich unterstützt. Darin sieht es ein über die blosse Begründung eines gemeinsamen Haushaltes hinausgehendes Indiz für ein (stabiles) Konkubinat im Sinne des GIVU. BGE 129 I 1 S. 8 Insgesamt erweist sich die der akzessorischen Normenkontrolle zu unterwerfende Bestimmung, soweit die Zulässigkeit der Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner in Frage steht, als verfassungskonformer Auslegung zugänglich. Damit steht der Anwendung der beanstandeten Norm auf den vorliegenden Fall insoweit nichts entgegen.
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Sachverhalt ab Seite 273 BGE 128 IV 272 S. 273 A.- Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte X. am 30. August 2002 wegen Begleitung eines Fahrschülers auf einer Lernfahrt in angetrunkenem Zustand ( Art. 91 Ziff. 1 SVG [SR 741.01]) und wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse (Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 100 Ziff. 3 SVG ) zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 3 Tagen und zu einer Busse von Fr. 800.-. Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Am 9. Dezember 1999 um etwa 06.40 Uhr begleitete X. den Fahrzeuglenker A., Inhaber eines Lernfahrausweises, auf einer Lernfahrt im Raum Luzern. A. verlor die Herrschaft über den Personenwagen und verursachte eine Kollision. Beide Fahrzeuginsassen wurden einer Blutprobe unterzogen; der Lenker wies einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,64 und sein Begleiter von mindestens 1,42 Gewichtspromillen auf. B.- Der Kassationshof des Bundesgerichtes weist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde des X. ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Legalitätsprinzips geltend ( Art. 1 StGB : nullum crimen sine lege). Auch wenn sein Verhalten strafwürdig sei, sei es von Art. 91 Abs. 1 SVG nicht erfasst. Die kantonalen Behörden haben sich an die Rechtsprechung des Bundesgerichtes gehalten. Danach gilt bei einer Lernfahrt der Begleiter des Fahrschülers als Motorfahrzeugführer. Begründet wird dies damit, dass der Begleiter nicht nur die Fahrweise des Fahrschülers ständig überwachen und die nötigen Anweisungen geben, sondern notfalls die Handbremse ziehen oder das Steuer herumreissen, somit das Fahrzeug selber führen muss. Deshalb sei es notwendig, dass er fahrtüchtig sei wie ein Lenker. Die Gründe, die für die Strafbarkeit des angetrunkenen Führers sprächen, würden folglich im gleichem Ausmass für den Begleiter gelten ( BGE 91 IV 147 ). Diese Rechtsprechung wird in der Literatur teilweise kritisiert. So wird ohne weitere Begründung gesagt, die extensive Auslegung des Begriffs des "Führens" kollidiere mit dem Legalitätsprinzip (ANDRÉ BUSSY/BAPTISTE RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, 3. Aufl., Lausanne 1996, N. 4.4 zu Art. 91 SVG ). Teilweise wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung vorbehaltlos referiert (HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht, BGE 128 IV 272 S. 274 Bern 1968, S. 235; HANS GIGER/ROBERT SIMMEN, Strassenverkehrsgesetz, 5. Aufl., Zürich 1996, N. 4 zu Art. 100 SVG , S. 263). 2. Strafbar ist nur, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht ( Art. 1 StGB ). Der Gesetzestext ist Ausgangspunkt der Gesetzesanwendung. Selbst ein klarer Wortlaut bedarf aber der Auslegung, wenn er vernünftigerweise nicht der wirkliche Sinn des Gesetzes sein kann. Massgebend ist nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern dessen Sinn, der sich namentlich aus den dem Gesetz zu Grunde liegenden Wertungen ergibt, im Wortlaut jedoch unvollkommen ausgedrückt sein kann. Sinngemässe Auslegung kann auch zu Lasten des Beschuldigten vom Wortlaut abweichen. Im Rahmen solcher Gesetzesauslegung ist auch der Analogieschluss erlaubt. Dieser dient dann lediglich als Mittel sinngemässer Auslegung. Der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" ( Art. 1 StGB ) verbietet bloss, über den dem Gesetz bei richtiger Auslegung zukommenden Sinn hinauszugehen, also neue Straftatbestände zu schaffen oder bestehende derart zu erweitern, dass die Auslegung durch den Sinn des Gesetzes nicht mehr gedeckt wird. Die Abgrenzung zwischen zulässiger Auslegung einer Strafbestimmung zu Ungunsten des Beschuldigten und unzulässiger Schaffung neuer Straftatbestände durch Analogieschlüsse ist allerdings schwierig. Das Bestreben, ein strafwürdiges Verhalten tatsächlich auch zu bestrafen, darf nicht mit dem Sinn und Zweck einer Strafnorm vermengt bzw. gleichgesetzt werden. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass sich die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten unter einen Straftatbestand fällt, eben gerade dann stellt, wenn es als strafwürdig erscheint ( BGE 127 IV 198 E. 3b S. 200). 3. Strafbar im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG macht sich, wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug "führt" ("conduit un véhicule automobile", "conduce un veicolo a motore"). Wer angetrunken ist, darf kein Fahrzeug "führen" ( Art. 31 Abs. 2 SVG ). 3.1 Das Führen eines Fahrzeugs besteht darin, es zu bedienen, insbesondere in Bewegung zu setzen und zu lenken ( BGE 80 IV 125 E. 1 S. 127). Grundsätzlich führt der Lenker das Fahrzeug. Das folgt nicht nur aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern auch aus Art. 31 Abs. 1 SVG , wonach der Führer das Fahrzeug ständig beherrschen muss, oder aus Art. 3 der Vekehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11), der dem Fahrzeugführer BGE 128 IV 272 S. 275 vorschreibt, beim Fahren keine Verrichtung vorzunehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert, kein Handmikrophon zu verwenden und die Lenkvorrichtung nicht loszulassen. Fahrzeugführer kann allerdings auch sein, wer nicht hinter dem Lenkrad sitzt. Das Fahrzeug führt auch der Beifahrer, der in den Führungsvorgang des Lenkers eingreift, beispielsweise indem er auf das Gaspedal drückt, die Handbremse zieht oder das Lenkrad herumreisst ( BGE 118 Ib 524 E. 2 S. 525; BGE 91 IV 147 E. 1 S. 148). Wer nur einen Lernfahrausweis besitzt, darf nicht allein einen Motorwagen führen. Lernfahrten auf Motorwagen dürfen nur mit einem Begleiter unternommen werden, welcher dafür sorgt, dass die Lernfahrt gefahrlos durchgeführt wird und der Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt ( Art. 15 SVG ). Der Begleiter muss neben dem Fahrschüler Platz nehmen und wenigstens die Handbremse leicht erreichen können ( Art. 27 Abs. 2 VRV ). Nötigenfalls muss er in den Führungsvorgang eingreifen und die Handbremse ziehen oder das Steuer herumreissen ( BGE 91 IV 147 E. 1 S. 148). Der Fahrschüler darf also den Motorwagen nur zusammen mit dem Begleiter führen, und es ist der Begleiter, der für die Einhaltung der Verkehrsregeln und die Vermeidung von Unfällen zu sorgen hat. Der Begleiter ist damit nicht ein gewöhnlicher Beifahrer; er ist im Gegenteil von Gesetzes wegen an der Führung des Fahrzeuges durch den Fahrschüler beteiligt. In diesem Sinn führen beide, Fahrschüler und Begleiter, das Fahrzeug gemeinsam. Die gesetzlich umschriebene Tätigkeit des Begleiters kann deshalb unter den Begriff des Führens subsumiert werden, ohne diesen zu überdehnen. Diese Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Im alten Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. März 1932 über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr (MFG; BS 7 S. 595 ff.) stand, dass der Begleiter "die Verantwortlichkeit als Führer trägt". In der Botschaft vom 24. Juni 1955 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr steht in Zusammenhang mit Art. 93 Ziff. 3 (heute Art. 100 Ziff. 3 SVG ), dass die Rechtsprechung zu Art. 14 MFG übernommen wird und das Gesetz den Begleiter "zum Führer des Fahrzeugs" erklärt (BBl 1955 II 65; vgl. BGE 80 IV 125 E. 1 S. 127). 3.2 Es ist offensichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten, dass der Begleiter zumindest die gleich gute Reaktionsfähigkeit besitzen muss wie ein Lenker, um seinen gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben nachkommen zu können. Die Gründe, aus welchen der Gesetzgeber die Angetrunkenheit am Steuer unter BGE 128 IV 272 S. 276 Strafe gestellt hat, gelten gleichermassen gegenüber dem Lenker und dem Begleiter. Denn die Verkehrssicherheit erheischt nicht nur, dass der Lenker nicht angetrunken ist, sondern auch, dass der Begleiter eines Fahrschülers es nicht ist. So hat denn der Gesetzgeber gegenüber berufsmässigen Fahrlehrern gar ein Alkoholverbot verhängt; während der Arbeitszeit und innert sechs Stunden vor Arbeitsbeginn ist ihnen der Genuss alkoholischer Getränke gänzlich untersagt ( Art. 58 Abs. 5 VZV ). 3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, der Begleiter könne nicht als Führer des Fahrzeugs betrachtet werden, weil ansonsten Art. 100 Ziff. 3 SVG keinen Sinn hätte. Diese Bestimmung sieht vor, dass für strafbare Handlungen auf Lernfahrten der Begleiter verantwortlich ist, wenn er die Pflichten verletzt hat, die ihm als Folge der Übernahme der Begleitung oblagen (Abs. 1), und dass der Fahrschüler verantwortlich ist, soweit er die Widerhandlung nach dem Stand seiner Ausbildung hätte vermeiden können (Abs. 2). Art. 100 Ziff. 3 SVG übernimmt die zur Geltungszeit von Art. 14 MFG ergangene Rechtsprechung zur Frage, inwieweit der Fahrschüler für Verletzungen von Verkehrsregeln selber strafrechtlich verantwortlich ist ( BGE 80 IV 125 E. 1 S. 127; vgl. BBl 1955 II 65). Im entsprechenden Entscheid, wo festgehalten wird, dass "auch der Fahrschüler im Rahmen der ihm ... belassenen Verantwortung Führer ... ist", ging es darum, festzuhalten, dass entgegen früherer Praxis der Fahrschüler unter Umständen strafbar sein kann, sei es neben dem Begleiter, sei es allein, beispielsweise wenn er sich bewusst und gewollt den Weisungen des Begleiters widersetzt (vgl. hierzu: HANS SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958, Bern 1964, S. 64 und 68). Aus Art. 100 Ziff. 3 SVG kann also nicht abgeleitet werden, der Begleiter sei nicht Führer und könne folglich nicht wegen Führens eines Fahrzeugs in angetrunkenem Zustand verurteilt werden. In der Botschaft wird im Gegenteil zu dieser Bestimmung ausdrücklich festgehalten, dass der Begleiter als Führer des vom Fahrschüler gelenkten Fahrzeugs zu betrachten ist (BBl 1955 II 65). Dass Abs. 1 von Art. 100 Ziff. 3 SVG mit der Formulierung, der Begleiter sei für die Verletzung der ihm obliegenden Pflichten verantwortlich, etwas aussagt, was ohnehin gilt, und dass die Bestimmung somit, streng genommen, überflüssig ist, vermag daran nichts zu ändern. 3.4 Damit kann offen bleiben, ob subsidiär eine Verurteilung wegen Störung des öffentlichen Verkehrs ( Art. 237 StGB ) in Frage käme (vgl. BGE 73 IV 180 E. 1 S. 182).
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Sachverhalt ab Seite 142 BGE 104 Ib 141 S. 142 Le 15 novembre 1976, la société X. S.A. a signé deux contrats lui conférant l'usage et l'exploitation d'un grand complexe immobilier situé dans la station touristique de N. Le premier contrat porte sur l'ensemble des logements et studios, y compris tous les équipements matériels, meubles et objets mobiliers qui les garnissent; il a été passé avec la société A. S.A., qui groupe les copropriétaires - étrangers - des appartements et des studios. Le second contrat, qui porte sur les locaux généraux et le complexe parahôtelier, a été passé avec la société B. S.A., qui en est propriétaire et qui a son siège en Suisse, mais qui est considérée comme dominée par des personnes domiciliées à l'étranger; les autorisations d'acquérir accordées à cette dernière société en 1970 et 1972 avaient été grevées d'une interdiction d'aliéner pendant dix ans et d'un contrôle des loyers. Les deux contrats conféraient à X. S.A. le droit exclusif à l'usage et l'exploitation, d'une part, des appartements et studios (sauf quatre semaines par année si les propriétaires privés le demandaient), d'autre part des locaux généraux et du complexe parahôtelier. Ils étaient conclus pour une durée minimum de 15 ans, avec tacite reconduction de 5 ans en 5 ans; ils prévoyaient un loyer annuel minimum de 300'000 francs pour les appartements et studios, de 100'000 francs pour les locaux généraux et le complexe parahôtelier, montants qui augmenteraient dès la 4e année. Considérant l'acquisition des droits découlant des deux contrats comme assujettie au régime de l'autorisation en vertu de l' art. 2 let . e de l'arrêté fédéral sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger (AFAIE), le Service juridique du registre foncier du canton du Valais a refusé l'autorisation en vertu de l' art. 6 al. 1 AFAIE . BGE 104 Ib 141 S. 143 Le Conseil d'Etat du canton du Valais ayant accordé l'autorisation à la suite de recours des trois Sociétés intéressées, la Division fédérale de la justice a formé contre la décision du Conseil d'Etat un recours de droit administratif. Le Tribunal fédéral a admis ce recours et refusé définitivement l'autorisation.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Dans son recours au Conseil d'Etat, X. S.A. avait conclu principalement à ce que les deux contrats ne soient pas assujettis au régime de l'autorisation et subsidiairement à ce que l'autorisation soit accordée. Ayant obtenu gain de cause sur sa conclusion subsidiaire, elle n'avait pas de raison de recourir contre la décision du Conseil d'Etat. Mais comme la Division fédérale de justice conteste la légalité de l'autorisation accordée par le Conseil d'Etat, X. S.A. peut soulever, en sa qualité d'intimée, la question préalable du principe de l'assujettissement; le fait qu'elle n'ait pas elle-même recouru ne saurait être interprété comme une renonciation à contester ledit principe. Quoi qu'il en soit, le Tribunal fédéral doit examiner d'office si les actes en cause sont assujettis au régime de l'autorisation; en effet, il n'est pas lié par les motifs invoqués par les parties ( art. 114 al. 1 OJ ). a) L' art. 2 let . e AFAIE assimile à l'acquisition de la propriété sur des immeubles - soumise à autorisation - l'acquisition de droits résultant notamment d'actes fiduciaires, de baux à loyer ou à ferme, d'opérations de crédit qui, par leur contenu ou leur étendue, permettent d'atteindre un but économique analogue à celui d'une acquisition d'immeubles ou de droits sur des immeubles au sens des lettres a à d. Dans son message du 25 octobre 1972, le Conseil fédéral a dit que cette lettre e - laquelle prévoyait, selon le projet soumis aux chambres, de tenir compte des baux d'une durée supérieure à cinq ans - "est une disposition générale qui s'inspire de l'article 226 m alinéas 1 et 2 CO en matière de vente par acomptes; elle s'en écarte en tablant moins sur la volonté des parties que sur les faits eux-mêmes... Un bail à loyer ou à ferme peut ainsi vider de sa substance le droit de propriété lorsqu'il porte sur une durée de plus de cinq ans - avec ou sans annotation au BGE 104 Ib 141 S. 144 registre foncier au sens des articles 260 et 282 CO et de l'article 959 CC - ou qu'il prévoit le paiement anticipé du loyer pour la durée du contrat" (FF 1972 II p. 1251 et 1252). Les Chambres fédérales ont admis le bien-fondé de ces considérations. Devant le Conseil des Etats, le rapporteur de la Commission a précisé à ce sujet que l'énumération des divers genres de contrats n'est pas exhaustive: ce qui compte, ce n'est pas le genre de contrat, mais l'étendue et le contenu des droits que le contrat confère. En outre, la durée du bail n'est pas en soi décisive. Dans ce sens, le professeur Jeanprêtre avait dit devant la Commission: "Pour que ce soit un "Umgehungsgeschäft", il faut que le droit obtenu permette d'atteindre un but économique analogue à une acquisition d'immeubles. Autrement dit, un bail de vingt ans n'est pas nécessairement une opération destinée à éluder la loi." C'est pourquoi, sur proposition de sa Commission, le Conseil des Etats a décidé de supprimer, dans le texte de l' art. 2 let . e AFAIE, la mention d'une durée du contrat de bail. Cependant, contrairement à l'opinion exprimée par M. Bolla, le rapporteur de la Commission a donné la précision suivante: "Um diesbezüglich keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, beantragt die Kommission, die Vertragsdauer von mehr als fünf Jahren zu streichen. Die Bewilligungspflicht soll damit nicht etwa abgeschwächt werden. Es wird vielmehr der Charakter von Buchstabe e als Generalklausel gegen Umgehungsgeschäfte betont" (BO CE 1973 p. 16). Par ailleurs, il convient encore de relever que le Conseil National a rejeté, de manière très nette, une proposition qui tendait à introduire dans cette clause générale l'élément subjectif de l'intention (d'éluder la loi). Le législateur a ainsi clairement et expressément confirmé l'avis du Conseil fédéral selon lequel il ne faut pas tabler sur la volonté des parties, mais sur les faits eux-mêmes. Il s'agit donc de savoir si, par le contenu et l'étendue des droits qu'il confère au preneur, le bail est de nature à permettre d'atteindre un but économique analogue à celui d'une acquisition d'immeubles (voir BO CN 1972 p. 2218 ss, notamment 2221). b) En l'espèce, le fait que les contrats de bail ont été conclus le 15 novembre 1976 pour une durée minimum de 15 ans (renouvelable de 5 ans en 5 ans dès le 1er décembre 1991) n'est pas en soi suffisant pour justifier l'application de l' art. 2 let . e AFAIE. Il n'en reste pas moins que cette longue durée joue un certain rôle dans l'appréciation de la situation. BGE 104 Ib 141 S. 145 Dès le 1er décembre 1976 et pour au moins 15 ans, X. S.A. s'est vu conférer "le droit exclusif à l'usage et à l'exploitation, en son nom et sous sa responsabilité", de tout le complexe touristique de N., sans aucune restriction ni réserve. "Elle pourra notamment faire occuper les unités d'hébergement par ses clients et/ou par les clients de sa ou de ses filiales, recruter et diriger le personnel et, d'une manière générale, assurer toutes les activités directes ou connexes nécessaires à l'exploitation, sous la seule réserve de se conformer aux lois et règlements de police en vigueur ainsi qu'au règlement de copropriété de l'immeuble" (art. 2 al. 2 des deux contrats). De plus, X. S.A. a obtenu "le droit d'effectuer à sa charge et en prenant toutes mesures pour qu'il ne puisse être fait aucune réclamation au bailleur, tous travaux d'agrandissement et d'amélioration qu'elle jugerait nécessaires au bon usage de l'installation et/ou à l'exploitation de son activité". Il est vrai que le preneur "sera tenu d'en avertir le bailleur", mais en cas de refus de ce dernier, "il pourra passer outre; il devra alors en fin de bail remettre les lieux en état" (art. 13 al. 2, 3 et 4 des deux contrats). Enfin, selon l'art. 15, X. S.A. "aura la faculté de sous-louer tout ou partie de l'installation" (al. 1) et "dans les mêmes conditions, elle aura le droit de sous-louer, sous réserve de la législation existante, sans l'autorisation du bailleur, des emplacements de terrain ou des constructions à titre précaire, à des commerçants pouvant faciliter l'exploitation de l'installation; le produit de ces sous-locations sera acquis à X. S.A. c) Si l'on tient compte de la puissance économique de X. S.A. - qui est évidente face aux sociétés A. S.A. et B. S.A. -, il faut bien admettre que les deux contrats de bail conclus le 15 novembre 1976 confèrent à cette organisation de séjours de vacances des droits qui, par leur contenu et leur étendue, lui permettent de se comporter pratiquement comme le propriétaire (économique) de l'ensemble du complexe hôtelier et parahôtelier de N. A cet égard, la brochure publicitaire éditée au nom de la société Y. - une filiale de X. S.A. - est particulièrement significative. C'est en vain que, dans ses observations, X. S.A. prétend vouloir se comporter en locataire et non comme le propriétaire économique; d'ailleurs, sur le plan juridique, l'intention ne compte pas dans l'application de l' art. 2 let . e AFAIE. Ce qui compte, c'est qu'en fait les droits de copropriété sur les "hébergements" et sur les locaux généraux sont BGE 104 Ib 141 S. 146 pratiquement vidés de leur substance. Non seulement les copropriétaires d'appartements ou de studios n'ont plus la possibilité de faire usage de leur résidence secondaire (sauf pendant 4 semaines par année, étant alors traités comme les autres clients), mais encore ils se trouvent privés de leur droit de disposition, car on ne voit pas comment ils pourraient faire usage de leur droit de dénoncer le bail - contrat auquel ils ne sont pas partie - selon l' art. 259 al. 2 CO . d) C'est donc à bon droit que les autorités cantonales ont déclaré applicable la disposition de l' art. 2 let . e AFAIE. En soumettant les droits découlant des deux contrats conclus le 15 novembre 1976 au régime de l'autorisation, elles n'ont violé aucune disposition de droit fédéral; elle n'ont pas non plus commis un abus ou un excès de leur pouvoir d'appréciation. La conclusion principale des intimées doit donc être rejetée. 2. La recourante soutient que le Conseil d'Etat a violé des dispositions du droit fédéral en accordant à X. S.A. l'autorisation d'acquérir les droits découlant des deux contrats de bail conclus le 15 novembre 1976 avec les sociétés A. S.A. et B. S.A. C'est là une question juridique que le Tribunal fédéral examine librement, sans être lié par les motifs invoqués par les parties (art. 114 al. 1 in fine OJ). Selon l' art. 6 al. 1 AFAIE , l'autorisation doit être accordée si l'acquéreur prouve un intérêt légitime à l'acquisition. Tel est notamment le cas, aux termes de l' art. 6 al. 2 let. b AFAIE , "lorsque l'immeuble en cause servira à l'acquéreur entièrement ou pour une part importante à abriter l'établissement stable d'une entreprise faisant le commerce, exploitant une fabrique ou exerçant quelque autre industrie en la forme commerciale, sans que des locaux d'habitation soient détournés de leur affectation". En l'espèce, ces conditions générales doivent être considérées comme réalisées. Il est clair que X. S.A. et sa filiale, la société de gestion immobilière Y., sont des entreprises qui exercent une activité commerciale, au sens des art. 52 ss ORC . On doit aussi constater qu'elles ont la faculté d'obtenir l'autorisation d'exercer cette activité dans le complexe hôtelier et parahôtelier de N.: selon une communication verbale émanant du Service des concessions et patentes de l'Etat du Valais, la concession accordée pour cette exploitation pourrait être transférée à X. S.A. (voir décision du 24 décembre 1976, p. 6). Il est vrai qu'on BGE 104 Ib 141 S. 147 ignore si cette dernière ou sa filiale fait l'objet d'une inscription au registre du commerce en Suisse; mais cela n'est pas décisif, car il serait facile de satisfaire à cette condition - que semble poser l' art. 13 al. 1 de l'ordonnance du Conseil fédéral du 21 décembre 1973 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger (OAIE) - en faisant inscrire une succursale. Par ailleurs, il convient de relever que, si le fait pour une personne physique de mettre le logement qu'elle a acquis à la disposition d'une organisation exploitant une entreprise d'hébergement ne constitue pas un établissement stable ( art. 13 al. 4 let . c OAIE), l'acquisition de droits sur des immeubles par une organisation qui exploite une entreprise d'hébergement - ce qui est manifestement le cas en l'espèce - doit être considérée comme servant à l'exploitation d'un établissement stable ( art. 13 al. 5 OAIE ). Enfin, on ne peut pas dire qu'en mettant les appartements et les studios à la disposition de ses clients pour leurs séjours de vacances, X. S.A. détourne des locaux d'habitation de leur affectation: faisant partie d'un complexe touristique situé loin de toute agglomération, ces appartements et studios ne peuvent, de toute façon, être utilisés que comme résidences secondaires, pour des séjours de vacances. Il en résulte logiquement qu'en vertu de l' art. 6 al. 2 let. b AFAIE , X. S.A. peut se prévaloir - en ce qui la concerne, tout au moins - d'un intérêt légitime à l'acquisition de droits sur le complexe touristique de N. qu'elle entend exploiter. Dans sa décision du 24 décembre 1976, le Chef du Service juridique du registre foncier l'avait déjà admis. Cela ne signifie cependant pas que l'autorisation de conclure les contrats de bail doive être accordée. Il s'agit en effet d'examiner encore si les propriétaires actuels - personnes domiciliées à l'étranger - peuvent valablement conférer à X. S.A., tout en respectant l'intérêt légitime pour lequel l'autorisation d'acquérir leur avait été accordée, le droit exclusif d'exploiter leurs locaux. 3. Il n'est pas contesté que la société B. S.A. - société anonyme ayant son siège en Suisse - a le statut d'une personne domiciliée à l'étranger au sens de l' art. 1er AFAIE , étant financièrement dominée par des personnes qui ont leur domicile ou leur siège à l'étranger ( art. 3 let . c AFAIE). C'est d'ailleurs à ce titre qu'elle a sollicité et obtenu, en 1970 et 1972, l'autorisation d'acquérir les parts de copropriété sur les locaux généraux -ou BGE 104 Ib 141 S. 148 commerciaux - qui forment le complexe hôtelier ou parahôtelier de N. L'autorisation lui a donc été accordée, en vertu de l' art. 6 al. 2 let. b AFAIE , en vue d'exploiter ce complexe hôtelier et parahôtelier; elle a été grevée non seulement d'une interdiction d'aliéner pendant 10 ans, mais encore d'une charge relative au contrôle des locations. a) Par le contrat de bail signé le 15 novembre 1976, B. S.A. n'a pas transféré ses droits de copropriété, mais a conféré à X. S.A. le droit exclusif à l'usage et à l'exploitation de tous les locaux commerciaux; X. S.A. entend exploiter ces locaux commerciaux en son nom et sous sa responsabilité. B. S.A. n'a donc pas transgressé l'interdiction d'aliéner; il ne semble pas non plus qu'elle ait violé la charge du contrôle des locations, car l'autorité compétente ne lui a pas interdit toute location, mais seulement soumis à un certain contrôle les locations de magasins (dont la société B. ne peut évidemment pas assurer elle-même la gestion). b) Mais la question essentielle qui se pose en l'espèce est de savoir si une personne domiciliée à l'étranger - ou considérée comme telle, ce qui est le cas de B. S.A. - peut valablement céder à autrui le droit d'exercer dans ses locaux l'activité commerciale pour laquelle elle avait obtenu l'autorisation de les acquérir, en vertu de l' art. 6 al. 2 let. b AFAIE . Dans le système de l'arrêté fédéral, l'autorisation d'acquérir n'est accordée que si elle est justifiée par un intérêt légitime. Mais cet intérêt doit être durable, et non seulement exister au moment de la demande et de l'octroi. C'est ce que le Tribunal fédéral a déjà relevé dans l'arrêt Sofindex du 11 octobre 1974 ( ATF 100 Ib 462 ) et c'est pour assurer le caractère sérieux et durable de cet intérêt que l'arrêté fédéral prévoit des charges, à mentionner au registre foncier (cf. art. 6 al. 4 AF 1961, art. 6ter AF 1970 et art. 8 AF 1973, ainsi qu' art. 17 OAIE ), avec les conséquences pénales qu'entraîne l'inobservation de ces charges (art. 25 AF 1973). c) Il est vrai qu'à l'époque aucune charge n'a été inscrite pour assurer l'affectation des locaux acquis par B. au but indiqué par l'acquéreur. Mais cela ne veut pas dire qu'en l'absence de charges mentionnées au registre foncier, l'acquéreur soit libre d'affecter son immeuble à d'autres fins que celle qui a justifié l'octroi de l'autorisation. Dans ce sens, la Commission fédérale de recours avait déjà dit, sous l'empire de BGE 104 Ib 141 S. 149 l'ancien texte, que l'art. 6 al. 3 let. b AF 1961 (devenu dès 1970 l'art. 6 al. 2 let. b) suppose que l'acquéreur exploitera lui-même l'entreprise à quoi doit servir l'immeuble à acquérir (décision du 11 novembre 1964, RNRF 1965 p. 233 consid. 2; cf. aussi ATF 102 Ib 136 consid. 2b); cette jurisprudence a été consacrée par le législateur dès la révision de 1970, qui précise que l'immeuble doit servir "à l'acquéreur" (cf. FF 1969 II p. 1400). Il s'agit là d'une condition essentielle, qui non seulement doit être remplie au moment de l'octroi de l'autorisation, mais que l'acquéreur doit respecter de manière durable. Il est significatif à cet égard que l'ordonnance du 21 décembre 1973 précise qu'en règle générale, les charges visant à assurer l'affectation de l'immeuble au but indiqué par l'acquéreur sont pour le moins, dans le cas visé à l' art. 6 al. 2 let. b AFAIE , non seulement l'interdiction d'aliéner l'immeuble pendant 10 ans, mais en outre l'obligation - non limitée dans le temps - d'utiliser l'immeuble essentiellement pour abriter l'établissement stable d'une entreprise exploitée par l'acquéreur (art. 17 al. 2 let. b ch. 1 et 2 OAIE). Certes, cette disposition n'est pas directement applicable au cas présent puisque c'est en 1970 et 1972 que les autorisations ont été accordées à la société B. S.A., mais on peut tout de même voir dans ce texte réglementaire édicté en 1973 la confirmation d'une règle fondamentale de l'AFAIE, selon laquelle l'acquéreur étranger doit exploiter lui-même l'entreprise à l'exploitation de laquelle sert l'immeuble en cause. Par ailleurs, le fait pour l'acquéreur de ne plus exploiter lui-même son entreprise revient pratiquement à faire de l'acquisition - autorisée à l'époque - un placement de capitaux, qui ne peut pas être considéré comme un intérêt légitime apte à justifier une telle acquisition ( art. 6 al. 3 AFAIE ). d) Il est vrai que les charges mentionnées au registre foncier peuvent être révoquées si l'exécution en paraît impossible en raison d'une modification des circonstances ou se trouve être d'une rigueur excessive (art. 17 al. 4 OFAIE); il doit en aller de même d'une obligation d'exploiter qui n'a pas fait l'objet d'une charge expresse et mentionnée au registre foncier. Mais, en l'espèce, B. S.A. n'a pas demandé formellement d'être libérée d'une telle obligation ni surtout tenté de démontrer que l'exécution de cette obligation serait devenue impossible ou d'une rigueur extrême pour elle. Les quelques allusions faites aux difficultés économiques rencontrées dans l'exploitation de ses BGE 104 Ib 141 S. 150 locaux commerciaux sont trop vagues pour justifier une dérogation. e) En conclusion, il n'est donc pas possible d'accorder à B. S.A. l'autorisation - qu'elle sollicite elle-même - de céder à X. S.A. le droit d'exploiter à sa place les locaux qu'elle a pu acquérir dans le complexe touristique de N. 4. En ce qui concerne les hébergements (appartements et studios) qui font l'objet du contrat de bail signé par A. S.A., le dossier ne contient pas d'indication relative aux dates où les autorisations ont été accordées. Mais la décision du 24 décembre 1976 précise - et cette précision n'a été contredite par personne - que "les propriétaires étrangers d'appartements et de studios ont été autorisés sur la base de l'art. 6 al. 2 let. a ch. 3 de l'AF du 23 mars 1961". Or la forme de cette disposition est celle que lui a donnée la novelle du 24 juin 1970. Il faut en conclure que les autorisations ont été accordées postérieurement à l'entrée en vigueur de cette novelle au 1er janvier 1971 (l'arrêt pénal publié aux ATF 102 IV 53 parle d'ailleurs de ventes qui ont eu lieu "notamment en 1971 et 1972"). Il en résulte que ces appartements et studios n'ont pu être acquis par des étrangers comme résidence secondaire que pour servir, en premier lieu, au séjour personnel de l'acquéreur ou à celui des membres de sa famille. Pour l'autorité compétente, il ne pouvait donc être question d'accorder l'autorisation à des étrangers qui entendaient se réserver la possibilité de céder à une organisation d'hébergement, contre paiement d'un loyer, le droit d'utiliser en permanence leurs résidences secondaires. Une telle location pour une longue durée correspond à un placement de capitaux, lequel ne peut constituer un intérêt légitime, même s'il n'y a pas spéculation ni recherche d'une source sûre de revenus ( ATF 102 Ib 28 consid. 2). Or le Tribunal fédéral a jugé que, sous réserve d'exceptions non admises dans les cas visés à l' art. 6 al. 2 let. a et b AFAIE , l'autorisation doit être refusée, en vertu de l'art. 6 al. 3, aux acquisitions qui servent à placer des capitaux ( ATF 102 IV 55 consid. Ib). Certes, il n'est pas possible d'interdire toute location (cf. arrêt non publié du 2 mars 1977, Bignami c. Commission vaudoise de recours en matière foncière). D'ailleurs, le législateur ne l'exige pas puisque, aux termes de l' art. 6 al. 2 let. a AFAIE , l'immeuble doit servir "en premier lieu" - et non pas exclusivement - au séjour de l'acquéreur ou de sa famille. Mais la BGE 104 Ib 141 S. 151 location, par un étranger, de sa résidence secondaire doit tout de même demeurer dans des limites raisonnables; on peut notamment l'admettre, par exemple, dans la mesure où le loyer encaissé ne fait que couvrir les charges financières et les frais d'entretien de l'immeuble. Ces limites raisonnables sont largement dépassées en l'espèce, où les propriétaires étrangers renoncent pratiquement pendant 15 ans au moins à utiliser leur appartement comme résidence secondaire personnelle (sous réserve de la possibilité de l'occuper quatre semaines par année), et tirent de cette location un profit non négligeable. A cela ne change rien le fait que la pratique admette que la condition générale de l'art. 6 al. 2 let. a (utilisation, au premier chef, pour le séjour de l'acquéreur ou de sa famille) est réalisée dans la mesure où les intéressés occupent leur résidence secondaire au moins trois semaines par an, comme le relève la décision du 24 décembre 1976; en effet, même si une telle pratique est admise, elle n'implique pas l'autorisation de louer une telle résidence en permanence pendant tout le reste de l'année. Il est vrai que les propriétaires étrangers pourraient revendre leurs appartements, puisque aucune interdiction d'aliéner ne leur a été imposée, semble-t-il. On pourrait en déduire qu'ils peuvent aussi les louer, en vertu du principe "qui peut le plus peut le moins". Mais la location aux conditions prévues par le contrat passé par A. S.A. le 15 novembre 1976 revient à faire, des acquisitions autorisées à l'époque, des placements de capitaux, ce qui ne saurait être admis en vertu de l' art. 6 al. 3 AFAIE . Ainsi le contrat de bail du 15 novembre 1976 signé par A. S.A. et X. S.A. ne peut pas non plus être autorisé. 5. Comme ni A. S.A. ni B. S.A. ne peuvent être autorisées à céder les droits prévus par les deux contrats du 15 novembre 1976, c'est à tort que le Conseil d'Etat a accordé l'autorisation requise, de sorte que sa décision du 20 juillet 1977 doit être annulée et que la demande d'autorisation doit être rejetée.
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Sachverhalt ab Seite 139 BGE 135 II 138 S. 139 X. ist Lastwagenchauffeur. Er besitzt den Führerausweis der Kategorie C seit 1967. Bisher wurde keine strassenverkehrsrechtliche Administrativmassnahme gegen ihn verfügt. Am 26. April 2006, um ca. 13.00 Uhr, fuhr der Lenker eines Personenwagens von Netstal kommend in Richtung Oberurnen. Auf der Hauptstrasse in Näfels bremste er vor dem Fussgängerstreifen auf der Höhe einer Garage ab, da eine Fussgängerin die Strasse von links nach rechts überqueren wollte. In der Folge prallte der ihm nachfolgende X. mit seinem Lastwagen in das Heck des noch leicht rollenden Personenwagens. An den Fahrzeugen entstand ein Sachschaden von insgesamt ca. Fr. 2'000.-. Personen wurden keine verletzt. Mit Strafverfügung vom 7. Juli 2006 büsste der Einzelrichter in Strafsachen des Kantons Glarus X. in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG mit Fr. 200.-. Die Verfügung ist rechtskräftig. Am 6. November 2007 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Glarus (im Folgenden: Strassenverkehrsamt) X. den Führerausweis gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG für die Dauer eines Monats. BGE 135 II 138 S. 140 Die von X. dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus am 21. Mai 2008 gut. Es hob den Führerausweisentzug auf und verwarnte X. in Anwendung von Art. 16a Abs. 3 SVG . Das Strassenverkehrsamt führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und X. der Führerausweis für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Das Strassenverkehrsamt bringt vor, weder die vom Beschwerdegegner hervorgerufene Gefährdung der Sicherheit anderer noch sein Verschulden seien gering. Damit könne kein leichter Fall nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG mehr angenommen werden. Vielmehr liege ein mittelschwerer Fall nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG vor. Der Führerausweis sei daher dem Beschwerdegegner gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG für mindestens einen Monat zu entziehen. 2.2 2.2.1 Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung ( Art. 16a-c SVG ). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a). Gemäss Art. 16c SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer schweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen (Abs. 2 lit. a). BGE 135 II 138 S. 141 2.2.2 Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Eine mittelschwere Widerhandlung liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Urteil des Bundesgerichts 6A.16/2006 vom 6. April 2006 E. 2.1.1, in: JdT 2006 I S. 442; Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4487). 2.2.3 Gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG setzt die Annahme einer leichten Widerhandlung voraus, dass der Lenker durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach der Rechtsprechung müssen eine geringe Gefahr und ein leichtes Verschulden kumulativ gegeben sein (Urteile 1C_3/2008 vom 18. Juli 2008 E. 5.1; 1C_75/2007 vom 13. September 2007 E. 3.1; 6A.89/2006 vom 19. Juli 2007 E. 2.3; vgl. ebenso BGE 133 II 58 E. 5.5 S. 63). Diese Ansicht wird im Schrifttum geteilt (CÉDRIC MIZEL, Les nouvelles dispositions légales sur le retrait du permis de conduire, RDAF 2004 S. 388 N. 45). Die Vorinstanz vertritt unter Hinweis auf einen Entscheid des Kassationshofes aus dem Jahr 1999 ( BGE 125 II 561 ) eine andere Auffassung. Danach ist selbst bei einer grossen Verkehrsgefährdung die Annahme eines leichten Falles und damit eine Verwarnung möglich, wenn den Lenker ein leichtes Verschulden trifft und er über einen langjährigen ungetrübten automobilistischen Leumund verfügt (a.a.O. E. 2 S. 565 ff.). Dieser Entscheid ist überholt. Die darin gegebene Auslegung stützt sich auf aArt. 31 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51). Diese Bestimmung erwähnte lediglich das Verschulden und den automobilistischen Leumund als wesentliche Elemente zur Beurteilung des leichten Falles und enthielt keine Anhaltspunkte, wonach die Schwere der Gefährdung als selbständiges Beurteilungsmerkmal herangezogen werden sollte (a.a.O. E. 2a S. 566). Art. 31 VZV wurde mit der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Revision des Strassenverkehrsrechts geändert und betrifft heute die Informationspflicht, ist also im vorliegenden Zusammenhang nicht mehr von Bedeutung. Die Voraussetzungen einer leichten Widerhandlung, bei der eine blosse Verwarnung BGE 135 II 138 S. 142 möglich ist, umschreibt nunmehr im Einzelnen Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG . Danach stellt die Gefährdung der Sicherheit anderer einen wesentlichen und eigenständigen Gesichtspunkt dar. Die Auffassung der Vorinstanz widerspricht dem klaren Wortlaut von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG . Nach der Rechtsprechung darf die Auslegung vom klaren Wortlaut eines Rechtssatzes nur abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt ( BGE 131 II 217 E. 2.3 S. 221 mit Hinweisen). Solche Gründe nennt die Vorinstanz nicht und sind nicht ersichtlich. Bei Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG handelt es sich um kein gesetzgeberisches Versehen. Wie in der Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (a.a.O. 4489) ausgeführt wird, ist eine mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG gegeben, wenn das Verschulden gross, die Gefährdung aber gering oder umgekehrt das Verschulden gering und die Gefährdung gross ist . Der Gesetzgeber hat somit bewusst dem Gesichtspunkt der Verkehrsgefährdung ein höheres Gewicht beigemessen (vgl. dazu CÉDRIC MIZEL, De la nature renforcée par le nouveau droit de mesure préventive et éducative du retrait admonitoire du permis de conduire, AJP 2007 S. 1361 Ziff. VI und S. 1362 f. Ziff. 2 f.). Er hat bei der Revision das Recht des Warnungsentzugs von strafrechtlichen Erwägungen stärker verselbständigt und im Hinblick auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit und damit die weitere Senkung der Zahl der Toten und Verletzten im Strassenverkehr - teilweise massiv - verschärft ( BGE 128 II 173 E. 3c S. 177 mit Hinweis); dies nicht nur gegenüber Rückfälligen, sondern auch gegenüber Ersttätern ( BGE 133 II 331 E. 4.3 S. 336 f.). Daran ist das Bundesgericht gebunden ( Art. 190 BV ; BGE 132 II 234 E. 3.2 S. 238/239). 2.3 Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann ( Art. 31 Abs. 1 SVG ). Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Er hat gegenüber allen Strassenbenützern einen ausreichenden Abstand zu wahren, namentlich beim Hintereinanderfahren ( Art. 34 Abs. 4 SVG ). Auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs muss er rechtzeitig halten können ( Art. 12 Abs. 1 VRV ). Der Beschwerdegegner hat diese Verkehrsregeln unstreitig verletzt. Bei der polizeilichen Befragung gab er an, vor ihm sei ein BGE 135 II 138 S. 143 Personenwagen gefahren, der kurz vor der Garage nach rechts in eine Seitenstrasse abgebogen sei. Er habe diesem Personenwagen nachgeschaut. Deshalb habe er nicht sofort bemerkt, dass ein anderer Personenwagen vor dem Fussgängerstreifen abgebremst habe. Als er wieder geradeaus auf die Strasse geschaut habe, habe er sofort eine Vollbremsung eingeleitet. Er habe eine leichte Kollision jedoch nicht mehr verhindern können. Seiner Schuld sei er sich bewusst. Wie das Strassenverkehrsamt zutreffend darlegt, stellt der vom Beschwerdegegner gelenkte Lastwagen wegen des grossen Betriebsgewichts und der senkrechten Fahrzeugfront eine erhöhte Gefährdung dar. Die Kollision mit einem schwächeren Verkehrsteilnehmer geht aufgrund der physikalischen Gesetze zu dessen Ungunsten aus. Zwar wurde bei der hier zu beurteilenden Auffahrkollision niemand verletzt. Der Beschwerdegegner ist jedoch in den vor ihm abbremsenden Personenwagen geprallt. Damit hat er dessen Lenker konkret gefährdet. Überdies hat er die Fussgängerin, die den Fussgängerstreifen überqueren wollte, zumindest abstrakt gefährdet. Auffahrunfälle können insbesondere bei den Insassen des voranfahrenden Fahrzeugs zu schweren Verletzungen führen. Das gilt namentlich dann, wenn es sich beim hinteren Fahrzeug um einen Lastwagen handelt. Eine typische Verletzung bei Auffahrunfällen stellt ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule dar (vgl. etwa BGE 134 III 489 ; BGE 130 V 35 ; BGE 127 V 165 ). Dieses kann gravierende gesundheitliche Folgen haben. Angesichts dessen kann die vom Beschwerdegegner geschaffene Gefahr für die Sicherheit anderer nicht mehr als leicht eingestuft werden. Die Annahme einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG ist deshalb ausgeschlossen. Ob, wie das Strassenverkehrsamt geltend macht, auch das Verschulden des Beschwerdegegners nicht mehr als leicht zu beurteilen gewesen wäre, kann offenbleiben. 2.4 Nach dem Gesagten ist hier eine mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG anzunehmen. Auf eine solche Widerhandlung erkannte das Bundesgericht auch im Urteil 1C_75/2007 vom 13. September 2007, das einen weitgehend vergleichbaren Auffahrunfall betraf (E. 3.2). Die Bejahung einer mittelschweren Widerhandlung steht nicht in Widerspruch zur Strafverfügung. Der Strafrichter hat den Beschwerdegegner in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG gebüsst. Diese BGE 135 II 138 S. 144 Bestimmung umfasst die leichte und die mittelschwere Widerhandlung ( BGE 128 II 139 E. 2c S. 143; Urteil 6A.30/2002 vom 30. Juli 2002 E. 1.2). Der Führerausweis ist dem Beschwerdegegner danach gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG für mindestens einen Monat zu entziehen. Diese Mindestentzugsdauer darf gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG auch bei einem Berufschauffeur nicht unterschritten werden ( BGE 132 II 234 E. 2 S. 235 ff.). Das Strassenverkehrsamt beantragt, den Führerausweis für die Mindestdauer zu entziehen. Darüber darf das Bundesgericht nicht hinausgehen ( Art. 107 Abs. 1 BGG ). Die Sache ist somit spruchreif und das Bundesgericht kann selber entscheiden ( Art. 107 Abs. 2 BGG ). Dem Beschwerdegegner wird der Führerausweis für die Dauer eines Monats entzogen.
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Die Zustellung des Dispositivs, und nicht erst diejenige des begründeten Entscheids, gilt als Eröffnung im Sinne dieser Bestimmung (E. 2). Sachverhalt ab Seite 128 BGE 137 III 127 S. 128 Par jugement du 13 janvier 2010, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a partiellement accueilli une action en dommages-intérêts consécutive à un accident de la circulation routière. Ce jugement n'a pas été prononcé en audience. Le 19 février 2010 et le 6 janvier 2011, respectivement, le Tribunal cantonal a adressé à toutes les parties un dispositif écrit puis une expédition motivée. Contre ce jugement, le Tribunal fédéral est saisi de deux recours en matière civile, l'un formé par la demanderesse, l'autre par les défendeurs. En l'état de la cause, les parties n'ont pas été invitées à déposer leurs réponses. La I re Cour de droit civil du Tribunal fédéral a délibéré en public le 22 mars 2011. Appelée à trancher une question juridique concernant plusieurs cours, elle a suspendu la cause en vue d'une décision commune des cours concernées. Une décision commune des deux cours de droit civil est intervenue le 31 mars 2011. La I re Cour de droit civil a prononcé que les recours sont recevables au regard de l' art. 75 al. 1 LTF ; pour le surplus, la cause est renvoyée au juge rapporteur. (résumé) Erwägungen Considérants: 1. A teneur de l' art. 75 al. 1 LTF , le recours en matière civile est recevable contre les décisions des autorités cantonales de dernière instance. Selon le droit cantonal vaudois en vigueur jusqu'au 31 décembre 2010, un jugement de la Cour civile du Tribunal cantonal n'était susceptible d'aucun recours à une autorité cantonale qui pût porter sur tous les griefs visés aux art. 95 à 97 LTF, de sorte qu'un pareil jugement pouvait être déféré au Tribunal fédéral conformément à l' art. 75 al. 1 LTF . Le code de procédure civile unifié (CPC; RS 272) est entré en vigueur le 1 er janvier 2011 (RO 2010 1835), et ce code prévoit l'appel contre les jugements finals de première instance ( art. 308 al. 1 let. a CPC ), y compris ceux terminant une instance régie par le droit cantonal ancien (HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2009, p. 236 in medio; DENIS TAPPY, Le droit transitoire applicable lors de l'introduction de la nouvelle procédure civile unifiée, JdT 2010 III 11 p. 44), si la valeur litigieuse excède 10'000 francs ( art. 308 al. 2 BGE 137 III 127 S. 129 CPC ). Egalement depuis l'entrée en vigueur du code de procédure unifié, les art. 75 al. 2 et 130 al. 2 LTF excluent, en règle générale, l'instance cantonale unique en matière civile. Le jugement présentement attaqué est final et la valeur litigieuse, déterminée d'après les conclusions des parties conformément à l' art. 91 al. 1 CPC , excédait le minimum ci-indiqué. L' art. 75 al. 1 LTF exclut qu'un jugement susceptible d'appel soit attaqué directement devant le Tribunal fédéral. L' art. 405 al. 1 CPC prévoit que les recours sont régis par le droit en vigueur au moment de la communication de la décision aux parties. Il faut donc élucider si ledit jugement a été communiqué en 2010 déjà ou en 2011 seulement. Dans cette première hypothèse, l'appel n'est pas recevable parce que l' art. 308 CPC n'était pas en vigueur lors de la communication (MARC PASCAL FISCHER, in Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [éd.], 2010, n° 2 ad art. 405 CPC ; FREI/WILLISEGGER, in Commentaire bâlois, CPC, 2010, n° 4 ad art. 405 CPC ); le recours au Tribunal fédéral est alors recevable et le délai de recours se calcul selon l' art. 100 al. 1 LTF , ou, le cas échéant, selon l' art. 100 al. 6 LTF (TAPPY, op. cit., p. 46), même si le point de départ ne survient qu'en 2011, parce que ces dispositions étaient, elles, en vigueur lors de la communication. Dans la seconde hypothèse, où le jugement est communiqué en 2011 seulement, cette décision est susceptible d'appel et le recours adressé au Tribunal fédéral est irrecevable. Il convient de souligner que de l' art. 404 al. 1 CPC , il ne résulte pas qu'un jugement rendu en instance cantonale unique, selon une organisation judiciaire cantonale désormais incompatible avec l' art. 75 al. 2 LTF , soit un jugement de dernière instance cantonale au regard de l' art. 75 al. 1 LTF . 2. La communication visée par l' art. 405 al. 1 CPC est une notion autonome de droit fédéral; il n'y a pas de renvoi ni de référence au droit cantonal. Pour appréhender cette notion dans le système du code de procédure unifié, il faut se référer d'abord à l' art. 239 CPC (FISCHER, ibidem; opinion contraire: TAPPY, op. cit., p. 31/32, auteur pour qui le droit cantonal est déterminant). D'après cette disposition, la communication peut intervenir par remise d'un dispositif à l'audience ( art. 239 al. 1 let. a CPC ), par notification d'un dispositif écrit ( art. 239 al. 1 let. b CPC ) ou par notification d'une expédition motivée, incluant le dispositif. Chacune de ces modalités, y compris la notification d'un dispositif écrit, doit être considérée comme pertinente BGE 137 III 127 S. 130 aussi au regard de l' art. 405 al. 1 CPC , même si elles n'ont pas toutes pour effet de provoquer l'écoulement du délai de recours. En conséquence, les deux cours de droit civil du Tribunal fédéral ont décidé en commun, le 31 mars 2011 et en application de l' art. 23 al. 2 LTF , que la remise aux parties d'un dispositif écrit, le cas échéant, vaut "communication de la décision" aux termes de l' art. 405 al. 1 CPC , et que cette communication n'est pas reportée à la remise d'une expédition motivée. Les mêmes cours ont par ailleurs décidé que la date déterminante est celle de l'envoi de l'acte par le tribunal, à l'exclusion de la date de réception par l'une ou l'autre des parties. Dans la présente affaire, un dispositif écrit a été adressé aux parties le 19 février 2010 déjà. La communication déterminante selon l' art. 405 al. 1 CPC est donc intervenue en 2010, bien que l'expédition motivée n'ait été envoyée qu'en 2011. Il s'ensuit que le jugement n'est pas susceptible de l'appel prévu par l' art. 308 CPC et que les deux recours en matière civile sont recevables au regard de l' art. 75 al. 1 LTF .
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Sachverhalt ab Seite 7 BGE 104 IV 6 S. 7 A.- H. war am 19. Mai 1976 vom Korrektionsgericht Vevey wegen wiederholten Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten abzüglich 14 Tage Untersuchungshaft verurteilt worden. Im Jahre 1977 wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eröffnet, in dessen Verlauf er sich vom 5. bis 13. Mai und vom 1. Juni bis 15. August in Sicherheitshaft befand. Am 11. Oktober 1977 bestrafte ihn das Strafgericht Basel-Stadt wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das BetmG zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von acht Monaten. Gleichzeitig widerrief es den H. vom Korrektionsgericht Vevey gewährten bedingten Vollzug der Strafe, erklärte diese aber als getilgt durch die vom Korrektionsgericht angerechneten 14 Tage Untersuchungshaft und die im neuen Strafverfahren vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Sicherheitshaft. Die vom 5. bis 13. Mai 1977 erstandene Haft wurde auf die neue Strafe angerechnet. B.- Auf Rekurs der Staatsanwaltschaft bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Februar 1978 den erstinstanzlichen Entscheid bezüglich der Anrechnung der im neuen Strafverfahren erstandenen Sicherheitshaft. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die von H. vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Untersuchungshaft ebenfalls an die neu ausgefällte Strafe von acht Monaten Gefängnis anrechne und nicht an die Vorstrafe des Korrektionsgerichtes Vevey. H. hat sich innert der ihm gesetzten Frist nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Unbestritten ist, dass dem Beschwerdegegner die gesamte Dauer der im neuen Strafverfahren erstandenen Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Zur Entscheidung steht einzig, ob die Haft teils auf die frühere, teils auf die neue Strafe angerechnet werden kann. Die Staatsanwaltschaft stellt sich auf den Standpunkt, die Haft hätte ausschliesslich BGE 104 IV 6 S. 8 auf die neue Strafe angerechnet werden dürfen mit der Folge, dass ein Rest der früheren Strafe zu verbüssen sei. Die Vorinstanz anerkennt, dass die Freiheitsstrafe, von welcher das Gesetz spricht, in der Regel die Strafe ist, zu der der Angeklagte im hängigen Verfahren verurteilt wird. Ständen in diesem Verfahren aber zwei Freiheitsstrafen zur Diskussion, so lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht ohne weiteres entnehmen, auf welche von ihnen die Haft anzurechnen sei. Auch in diesem Fall werde es regelmässig die neue Strafe sein, sofern sie vollzogen werde. Treffe das nicht zu, müsse die Haft vernünftigerweise auf die Strafe angerechnet werden, die der Angeklagte nach dem Urteil tatsächlich zu verbüssen habe, hier also - da die neue Strafe bedingt aufgeschoben worden sei - auf die nunmehr vollziehbare frühere Strafe. Zwar hänge die Haft hier ausschliesslich mit der neuen Straftat zusammen. Wo jedoch die Voraussetzungen für die Anrechnung erfüllt seien, gehe es nicht mehr um Sinn und Zweck der Sicherheitshaft, die sich von denen der Strafverbüssung in verschiedener Hinsicht unterschieden ( BGE 102 IV 157 ), sondern um jene der Anrechnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sei diese eine Billigkeitsmassnahme, durch welche vermieden werden solle, dass sich der Angeklagte vor dem Urteil der Haft und nachher überdies der Strafe, also einem doppelten Freiheitsentzug unterziehen müsse. Dem entspreche, dass nach der Praxis der Anrechnung die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung zukomme ( BGE 102 IV 157 , BGE 101 IV 387 ). Unter diesen Umständen aber könne es nicht mehr entscheidend auf den ursprünglichen Zusammenhang zwischen Tat und Haft ankommen, sondern vielmehr darauf, ob in ein und demselben Verfahren der anrechenbaren Haft eine zu verbüssende Freiheitsstrafe gegenüberstehe. Es erschiene als unbillig, wenn dem Angeklagten, der sich während längerer Zeit in Haft befunden habe, einerseits der bedingte Strafvollzug gewährt würde, er aber anderseits ungeachtet der erstandenen Haft einen gleichzeitig beurteilten Vorstrafenrest verbüssen müsste. Ähnliche Überlegungen lägen BGE 87 IV 1 zugrunde. 2. Der Vorinstanz ist zuzugestehen, dass Art. 69 StGB nicht ausdrücklich sagt, dass die Anrechnung auf die Freiheitsstrafe erfolgen muss, die in dem Verfahren ausgefällt wurde, in welchem der Angeschuldigte auch die Untersuchungshaft erstanden hat. Sinngemäss ist jedoch dem Gesetz nichts anderes BGE 104 IV 6 S. 9 zu entnehmen. Wenn Art. 69 StGB vorschreibt, dass die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen sei, soweit der Täter die Haft nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt hat, so wird damit unmittelbar auf die Beziehung hingewiesen, die nicht nur zwischen Tat und Sanktion einerseits, sondern auch zwischen Tat und Untersuchungshaft anderseits bestehen muss. Haft und Sanktion müssen aus Anlass des sich auf dieselbe Tat beziehenden Verfahrens angeordnet bzw. ausgefällt worden sein. Dass dies allein der ratio legis entspricht, folgt auch aus dem zweiten Satz des Art. 69 StGB , wo ausdrücklich auf die Sanktion Bezug genommen und gesagt wird, wenn das Urteil auf Busse laute, könne die Dauer der Untersuchungshaft in angemessener Weise berücksichtigt werden. Hier wird der Zusammenhang zwischen Tat, Untersuchungshaft und Sanktion zweifelsfrei herausgestellt. Lehre und Rechtsprechung haben denn auch bis anhin Art. 69 StGB stets dahin verstanden, dass der Richter, der die Strafe abschliessend ausmisst, die Anrechnung der Haft auf diese vorzunehmen hat, mit anderen Worten, dass für die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe der Grundsatz der Identität der Tat besteht (SCHWANDER, Das schweiz. StGB, S. 238; HAFTER, Allg. Teil, S. 355; H. R. ENDERLI, Die Anrechnung der Untersuchungshaft, Diss. Zürich 1942, S. 74; F. NÜSSLI, Die Anrechnung der Untersuchungshaft im schweiz. Strafrecht, Diss. Freiburg i.Ü. 1954, S. 45; und insbesondere BGE 85 IV 12 ). Entsprechend verhält es sich auch im deutschen Recht (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 18. Aufl. N. 8 ff. zu § 51) und im französischen (ENCYCLOPEDIE DALLOZ, Pénal II, unter "Détention provisoire et contrôle judiciaire" N. 197). Nach dem Gesagten kann aber nicht eine in einem zweiten Strafverfahren erstandene Untersuchungshaft auf eine frühere Strafe, deren bedingter Strafvollzug vom zweiten Strafrichter widerrufen wird, angerechnet werden. Darüber hilft auch der Umstand nicht hinweg, dass seit der am 1. Juli 1971 in Kraft getretenen Fassung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB bei Verbrechen oder Vergehen während der Probezeit der dafür zuständige Richter auch über den Vollzug der bedingt aufgeschobenen früheren Strafe befinden und dabei das neue Strafurteil und den Widerruf gegebenenfalls redaktionell in einem Entscheid zusammenfassen kann. Es handelt sich dabei gleichwohl um BGE 104 IV 6 S. 10 zwei Verfahrensgänge mit unterschiedlichem Verfahrensgegenstand (s. BGE 99 IV 194 oben). Zudem übersieht die Vorinstanz, dass die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht eine blosse Vollzugsmassnahme ist, sondern Inhalt eines sachrichterlichen Entscheides bildet, der nach Erschöpfung der Rechtsmittel in Rechtskraft erwächst (s. BGE 102 IV 160 E. 3). Wenn deshalb das Korrektionsgericht Vevey in seinem Urteil vom 19. Mai 1976 entschied, dass H. 14 Tage der im damaligen Verfahren erstandenen Untersuchungshaft auf die bedingt aufgeschobene Strafe anzurechnen seien, so ist damit auch die Frage der Anrechnung von Untersuchungshaft auf diese Strafe mangels Anfechtung auf dem Rechtsmittelweg rechtskräftig und endgültig entschieden worden, und es kann insoweit nicht vom zweiten Richter, der den Widerruf des bedingten Strafvollzuges ausspricht, die Rechtskraft durchbrochen werden, indem er auf die frühere Strafe zusätzlich eine im zweiten Strafverfahren erstandene Untersuchungshaft anrechnet. Ein solches Vorgehen wäre vor dem 1. Juli 1971, als in aller Regel der Richter den bedingten Strafvollzug widerrief, der ihn gewährt hatte, schon an sich unmöglich gewesen. Dafür aber, dass der Gesetzgeber mit der Änderung der Zuständigkeit in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB materiell in die Ordnung des Art. 69 StGB hätte eingreifen und den Grundsatz der Identität der Tat aufgeben wollen, ist den Materialien nichts zu entnehmen. Schliesslich ist auch nicht einzusehen, weswegen es unbillig sein sollte, einem Angeklagten einerseits für die neue Strafe den bedingten Strafvollzug zu gewähren und ihn anderseits ungeachtet der im neuen Strafverfahren erstandenen Untersuchungshaft die Vorstrafe verbüssen zu lassen. Die zuletzt erstandene Untersuchungshaft wird ihm auf die neue Strafe angerechnet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Sie kommt ihm zugute, falls er während der neuen Probezeit wieder straffällig werden oder das richterliche Vertrauen sonstwie täuschen sollte. Unbillig wäre es vielmehr, beispielsweise einem Angeklagten, dem eine im früheren Verfahren erstandene Untersuchungshaft nicht angerechnet werden konnte, weil er sie schuldhaft veranlasst hatte, bei Anlass des Widerrufs des ihm damals gewährten bedingten Strafvollzugs auf die Strafe eine im zweiten Verfahren erlittenen Haft anzurechnen. Das aber wäre die Konsequenz der von der Vorinstanz vertretenen BGE 104 IV 6 S. 11 Auffassung. Aus BGE 87 IV 1 kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, zumal dort auch der Zusammenhang von Tat, Sicherheitshaft und Sanktion klar gegeben war. 3. Verletzt demnach der angefochtene Entscheid Art. 69 StGB , so ist er aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die im neuen Strafverfahren von H. erstandene Sicherheitshaft ausschliesslich auf die neue Strafe anrechne. Ob der von H. vom 16. August bis 12. Oktober 1977 erstandene "vorläufige Strafvollzug" als Vollzug der widerrufenen Strafe zu gelten habe, ist eine Vollzugsfrage, die dem Entscheid der kantonalen Vollzugsbehörden anheimgestellt ist.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts-Ausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 8. Februar 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 266 BGE 136 I 265 S. 266 A. Am 24. November 2009 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine Teilrevision des kantonalen Richtplans zu den Bereichen Gewässer, Gefahren sowie Ver- und Entsorgung. Im Kapitel 5.3, Materialgewinnung, setzte er unter anderem neu eine Kiesgrube bei Tagelswangen in der Gemeinde Lindau fest. Die Richtplanänderungen wurden im kantonalen Amtsblatt vom 4. Dezember 2009 publiziert. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiärer Verfassungsbeschwerde, vom 11. Januar 2010 beantragt die politische Gemeinde Lindau, der Beschluss des Kantonsrats vom 24. November 2009 sei bezüglich der Festsetzung der Kiesgrube Tagelswangen aufzuheben. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug)
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Erwägungen BGE 136 I 265 S. 267 Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Angefochten ist der Entscheid des Kantonsparlaments über die Änderung des kantonalen Richtplans ( Art. 6 ff. RPG ; SR 700). Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Festsetzung des Richtplans erfolgt durch den Kantonsrat (§ 32 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 7. September 1975 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht [Planungs- und Baugesetz, PBG/ZH; LS 700.1]). Dabei kommen im Wesentlichen die Grundsätze des kantonalen Rechtssetzungsverfahrens zur Anwendung. Der Richtplan unterliegt deshalb der Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass im Sinne von Art. 82 lit. b BGG (REGINA KIENER, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis 2006, S. 240; AEMISEGGER/SCHERRER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 39 zu Art. 82 BGG ; HEINZ AEMISEGGER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, 2010, N. 29 zu Art. 34 RPG ). Nach Art. 87 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde unmittelbar gegen den kantonalen Erlass zulässig, sofern kein anderes Rechtsmittel ergriffen werden kann. Das Zürcher Recht sieht kein Rechtsmittel gegen die Richtplanfestsetzung vor. Akte des Kantonsrats sind vom Rekurs an eine kantonale Rechtsmittelinstanz ausdrücklich ausgenommen (§ 19 Abs. 2 lit. b des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]). Ausserdem kommt dem Richtplan insgesamt vorwiegend politischer Charakter zu (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4327). Auch aus diesem Grund kann der Beschluss des Kantonsrats über die Richtplanfestsetzung beim Bundesgericht direkt angefochten werden ( Art. 86 Abs. 3 BGG ; Urteil des Bundesgerichts 1C_101/2007 vom 26. Februar 2008 E. 1.4). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit grundsätzlich zulässig. Die eventualiter erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kommt somit nicht zum Zug. 1.2 Richtpläne unterliegen der Genehmigung durch den Bundesrat ( Art. 11 RPG ). Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit dieser Genehmigung verbindlich ( Art. 11 Abs. 2 RPG ). Daraus ergibt sich e contrario, dass die bundesrätliche Genehmigung im Bereich innerkantonaler Fragen deklaratorisch wirkt. Insofern unterscheiden sich die Rechtswirkungen der Genehmigung des Richtplans von jenen der Genehmigung eines Nutzungsplans (vgl. Art. 26 BGE 136 I 265 S. 268 Abs. 3 RPG ; BGE 135 II 22 E. 1.2.1 S. 24 mit Hinweisen). Die Kantone können den innerkantonalen Teil des Richtplans schon vor der Genehmigung in Kraft treten lassen (PIERRE TSCHANNEN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Aemisegger und andere [Hrsg.], 2009, N. 36 zu Art. 11 und N. 19 zu Art. 10 RPG ). Der Festsetzungsbeschluss des Kantonsrats ist für die Gemeinde ungeachtet der Genehmigung des Richtplans durch den Bundesrat rechtlich verbindlich ( Art. 9 Abs. 1 RPG und § 32 Abs. 1 PBG /ZH). Es liegt insoweit ein anfechtbarer Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG vor (vgl. AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N. 38 zu Art. 82 BGG ). 1.3 Richtpläne sind nach Art. 9 Abs. 1 RPG für Behörden verbindlich. Gemeinden, die sich durch einen kantonalen Richtplan in ihrer Autonomie verletzt fühlen, können ihn gestützt auf Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung direkt und unter Umständen auch akzessorisch anfechten ( BGE 119 Ia 285 E. 3b S. 290 und E. 4a S. 293 f.; BGE 111 Ia 129 E. 3c und d S. 130 f.; KIENER, a.a.O., S. 240; AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N. 38 zu Art. 82 BGG ; AEMISEGGER, a.a.O., N. 28 zu Art. 34 RPG ). Die Gemeinde wird durch die umstrittene Richtplanfestsetzung insbesondere als Trägerin der kommunalen Richt- und Nutzungsplanung (§§ 31 f. und 45 PBG/ZH) sowie als Baubewilligungsbehörde ( § 318 PBG /ZH) in ihren hoheitlichen Befugnissen betroffen. Damit ist sie nach Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG berechtigt, unter Berufung auf Art. 50 Abs. 1 BV und Art. 85 KV/ZH (SR 131.211) Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie zu erheben ( BGE 135 I 302 E. 1.1 S. 304 mit Hinweisen). Ob ihr die beanspruchte Autonomie tatsächlich zukommt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung ( BGE 135 I 43 E. 1.2 S. 45 mit Hinweisen). 1.4 Zudem kann sich die Beschwerdeführerin auf die allgemeinen Legitimationsbestimmungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG berufen. Dieses allgemeine Beschwerderecht ist grundsätzlich auf Privatpersonen zugeschnitten. Gemeinwesen können es für sich in Anspruch nehmen, wenn sie durch die angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen sind ( BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47; BGE 135 II 156 E. 3.1 S. 157; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann jedoch ein Gemeinwesen auch zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch den angefochtenen Entscheid in seinen hoheitlichen Befugnissen und Aufgaben berührt wird. Die Gemeinden sind mithin zur Beschwerdeführung befugt, wenn sie als Gebietskorporationen öffentliche Anliegen wie den Schutz der Einwohner zu BGE 136 I 265 S. 269 vertreten haben und insofern durch Einwirkungen, welche von Bauten und Anlagen ausgehen, in hoheitlichen Befugnissen betroffen werden (vgl. BGE 131 II 753 E. 4.3.3 S. 759 f.; BGE 124 II 293 E. 3b S. 304; BGE 123 II 371 E. 2c S. 374 f.; mit zahlreichen Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in Bezug auf die Gemeinde Lindau erfüllt. Sie wehrt sich mit ihrer Beschwerde als Trägerin der kommunalen Planungshoheit gegen die unerwünschten Auswirkungen, die sich ihrer Meinung nach aus der angefochtenen Richtplanrevision ergeben. Sie ist direkt durch den angefochtenen Beschluss berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (siehe auch Urteil 1A.25/2007 i.S. Kanton Thurgau gegen BAZL vom 11. Mai 2007 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 133 II 120 ). 1.5 Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann eingetreten werden. 2. 2.1 Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht ( BGE 135 I 233 E. 2.2 S. 241 f.; BGE 129 I 290 E. 2.1 S. 294; je mit Hinweisen). 2.2 Nach Art. 85 KV/ZH regeln die Gemeinden ihre Angelegenheiten selbstständig. Das kantonale Recht gewährt ihnen möglichst weiten Handlungsspielraum. Der Kanton berücksichtigt die möglichen Auswirkungen seines Handelns auf die Gemeinden, die Städte und auf die Agglomerationen ( Art. 85 Abs. 2 KV/ZH ). Er hört die Gemeinden rechtzeitig an ( Art. 85 Abs. 3 KV/ZH ). Verfassungsmässige Schranken bei der Umschreibung der Gemeindeautonomie durch die kantonale Gesetzgebung sind für den hier betroffenen Bereich nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht. Die Autonomie der BGE 136 I 265 S. 270 Beschwerdeführerin reicht deshalb so weit, als dies die kantonale Gesetzgebung zum Planungs- und Baurecht zulässt. Wie das Bundesgericht mehrfach entschieden hat, steht den Zürcher Gemeinden aufgrund von § § 2 lit. c und 45 ff. PBG /ZH insbesondere beim Erlass der Ortsplanung ein weiter Gestaltungsspielraum zu; sie sind insoweit grundsätzlich autonom ( BGE 119 Ia 285 E. 4b S. 295 mit Hinweisen). Die Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 hat daran nichts geändert (TOBIAS JAAG, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 11 zu Art. 85 KV/ZH ). 2.3 Eine in ihrer Autonomie betroffene Gemeinde kann unter anderem geltend machen, die kantonale Behörde habe die Tragweite von verfassungsmässigen Rechten missachtet. Sie kann sich auf das Willkürverbot und auf Verfahrensgrundrechte berufen, soweit diese Vorbringen mit der behaupteten Rüge der Autonomieverletzung in engem Zusammenhang stehen. Die Anwendung von eidgenössischem und kantonalem Verfassungsrecht prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, die Handhabung von Gesetzes- und Verordnungsrecht unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots. Das Bundesgericht auferlegt sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung der Streitsache von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser überblicken ( BGE 135 I 302 E. 1.2 S. 305 mit Hinweisen). 2.4 Im vorliegenden Fall wird die Autonomie der Beschwerdeführerin nicht dadurch tangiert, dass ein kommunaler Erlass im Genehmigungsverfahren oder eine Verfügung der Gemeinde in Anwendung von kommunalem, kantonalem oder eidgenössischem Recht in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden wäre. Die Beschränkung beruht vielmehr auf einer im Verfahren der Richtplanung ergangenen Anordnung des Kantonsrats (vgl. BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Praxis kann der kantonale Gesetzgeber durch Gesetzesänderung die von ihm einmal gezogenen Schranken der Autonomie nachträglich enger ziehen, solange nicht irgendwelche unmittelbar durch die Verfassung gewährleisteten Befugnisse oder Anforderungen berührt werden. Gleiches gilt für Autonomiebeschränkungen, die sich durch Erlass oder Änderung der kantonalen Richtplanung ergeben ( BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 mit Hinweisen). Wird eine Gemeinde in dieser Weise durch eine kantonale Anordnung in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie insbesondere verlangen, dass die kantonale Behörde in BGE 136 I 265 S. 271 formeller Hinsicht ihre Befugnisse nicht überschreitet und korrekt vorgeht und dass sie in materieller Hinsicht die kantonal- und bundesrechtlichen Vorschriften im autonomen Bereich nicht verletzt. Sie kann insbesondere vorbringen, der Eingriff in ihre Autonomie sei materiell rechtswidrig, etwa weil die neue richtplanerische Anordnung den gesetzlichen Zweck des Planungsinstrumentes verfehle ( BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 f. mit Hinweisen). 3. In der vorliegenden Angelegenheit ist die Festlegung eines neuen Kiesabbaugebiets auf dem Gebiet der Gemeinde Lindau umstritten. Die Gemeinde wird durch diese Festsetzung in ihrer Planungsfreiheit eingeschränkt. Nach § 44a Abs. 1 PBG /ZH werden für jene Flächen, die nach der Richtplanung für Materialgewinnung oder -ablagerung vorgesehen sind, kantonale oder regionale Gestaltungspläne festgesetzt. Die von der Richtplanfestsetzung betroffene Fläche wird somit der Planungshoheit der Gemeinde entzogen. Diese geht auf die kantonalen Behörden über, während den betroffenen Gemeinden ein Anhörungsrecht verbleibt ( § 44a Abs. 4 PBG /ZH). Diese Einschränkung planungsrechtlicher Entscheidungsbefugnisse stellt eine Beschränkung der Gemeindeautonomie, insbesondere der kommunalen Planungshoheit, dar. 3.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert in formeller Hinsicht, dass kein genügendes Mitwirkungsverfahren stattgefunden habe. Sie macht geltend, der Kantonsrat gehe aufgrund mangelhafter Sachverhaltsabklärungen fälschlicherweise von einer Abbaudauer von 20 Jahren aus, während richtigerweise mit einer Abbaudauer von 50 Jahren gerechnet werden müsse, wobei darin der Zeitaufwand für die Endgestaltung nach erfolgtem Materialabbau nicht mitberücksichtigt sei. Die Gemeinde habe mehrfach versucht, diesen Sachverhalt darzulegen, sei mit diesem Anliegen vom Kantonsrat jedoch nicht angemessen zur Kenntnis genommen worden. Darin liege eine Verletzung ihres Mitwirkungsanspruchs sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ). Zudem habe der Kantonsrat nicht berücksichtigt, dass der in der umstrittenen Richtplanfestsetzung verlangte Gleisanschluss nur bis 2016 rechtlich verbindlich gesichert sei. Diesbezüglich fehle die erforderliche Abstimmung der umstrittenen Festlegung im Teilplan Ver- und Entsorgung mit dem Teilplan Verkehr. Aufgrund dieser Umstände sei bei Wegfall der Erschliessung der Kiesgrube mit der Bahn eine Zunahme des Lastwagenverkehrs im kommunalen Siedlungsgebiet zu befürchten. BGE 136 I 265 S. 272 3.2 Die rechtzeitige Anhörung der Gemeinden in Bereichen, die zu einer Beschränkung der Gemeindeautonomie führen können, wird in Art. 85 Abs. 3 KV/ZH ausdrücklich vorgeschrieben. Der Mitwirkungsanspruch der Gemeinden im Richtplanverfahren ist auch in Art. 10 Abs. 2 RPG erwähnt. Dieser Anspruch geht weiter als die Mitwirkung der Bevölkerung nach Art. 4 Abs. 2 RPG (s. hierzu BGE 135 II 286 E. 4 S. 290 ff. mit Hinweisen). Verlangt wird eine bevorzugte Beteiligung der betroffenen Gemeinden. Soweit Gemeinden wie im Kanton Zürich mit raumwirksamen Aufgaben betraut sind, muss der Kanton mindestens sicherstellen, dass sie ihre Interessen selber formulieren, in den Planungsprozess frühzeitig eingeben und vor den zuständigen kantonalen Behörden selber vertreten können (TSCHANNEN, a.a.O., N. 7 zu Art. 10 RPG ; WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, Rz. 5 zu Art. 10 RPG ). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich zudem insbesondere das Recht der Betroffenen, sich vor Erlass eines Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann ( BGE 135 II 286 E. 5.1 S. 293; BGE 132 II 485 E. 3.2 S. 494; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; BGE 117 Ia 262 E. 4b S. 268; je mit Hinweisen). Solche Mitwirkungsrechte sind den Gemeinden in Bezug auf Richtplanfestsetzungen, die auf eine Beschränkung ihrer Autonomie in der Raumplanung ausgerichtet sind, umfassend zu gewähren. Die Stellungnahmen sind in einem Zeitpunkt einzuholen, in welchem sie noch in die Entscheidungen einfliessen können. Zwar besteht kein Anspruch der Gemeinden, dass ihre Vorschläge tatsächlich berücksichtigt werden. Die kantonale Behörde hat sich jedoch mit den Vorschlägen der Gemeinden - wie der übrigen Vernehmlassungsteilnehmer - auseinanderzusetzen und zu begründen, weshalb sie nicht berücksichtigt werden (JAAG, a.a.O., N. 22 f. zu Art. 85 KV/ZH ). 3.3 Die umstrittene Richtplanfestsetzung betrifft die Gemeinde konkret in ihrer planerischen Entscheidungsfreiheit und Entwicklungsmöglichkeit. Die Realisierung des Kiesabbaus setzt nach dem Wortlaut der umstrittenen Festsetzung einen Anschluss an die Bahngeleise voraus, welcher nach den Akten mittels Vereinbarung mit den SBB nur bis ins Jahr 2016 gesichert ist. Für den weiteren Kiesabbau, dessen Dauer im Richtplan nicht näher festgelegt wird, steht nicht fest, ob der Gleisanschluss weiterbenutzt werden kann. Insbesondere wurde der Teilplan Verkehr des Richtplans nicht an die hier umstrittene Änderung des Teilplans Ver- und Entsorgung angepasst. Die Gemeinde Lindau macht zu Recht geltend, sie sei zu einer entscheidenden Besprechung des Kantons mit den SBB und dem Kiesabbau-Unternehmen nicht beigezogen worden und sie sei mit ihrem Argument, der Abtransport mit der Bahn sei nach 2016 nicht gesichert, nicht gehört worden. Selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung der kantonalen Behörden zutreffen sollte, nach welcher der Kiesabbau 20 und nicht 50 Jahre, d.h. lediglich von 2012 bis ca. 2032 dauern werde, so ergibt sich für die Jahre 2017 bis ca. 2032 in Bezug auf den Gleisanschluss für die Kiesgrube offensichtlich ein Koordinationsbedarf in Bezug auf die Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur, welchem der Kantonsrat mit dem angefochtenen Beschluss keine Rechnung trägt. Er hat sich mit dem möglichen Fehlen des Bahnanschlusses während eines erheblichen Teils der Kiesabbaudauer nicht auseinandergesetzt und die diesbezüglichen Einwände der Gemeinde gegen die Festsetzung des Kiesabbaugebiets nicht entkräftet. Darin liegt eine Missachtung der Mitwirkungsrechte der Gemeinde im Richtplanungsverfahren. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Richtplanfestsetzung in Bezug auf die umstrittene Kiesgrube aufzuheben.
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Der Beschluss, mit welchem ein Gericht das Verfahren infolge eines vor ihm geschlossenen Vergleichs abschreibt, muss zumindest eine summarische Begründung enthalten, welche darlegt, dass und inwiefern der Vergleich mit Sachverhalt und Gesetz übereinstimmt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2.1-2.6). Sachverhalt ab Seite 66 BGE 135 V 65 S. 66 A. Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn verpflichtete mit Einspracheentscheid vom 7. Juni 2006 K., ehemals Präsident der Verwaltung der am 30. August 2004 in Konkurs gefallenen Genossenschaft S., zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 67'462.35. K. erhob dagegen beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde. Dieses hiess das Rechtsmittel mit Entscheid vom 24. September 2007 gut und hob den Einspracheentscheid auf, da K. im Einspracheverfahren gegen andere potenziell Mithaftende nicht beigeladen worden war. Auf Beschwerde des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) hin hob das Bundesgericht mit Urteil 9C_767/2007 vom 24. Juni 2008 ( BGE 134 V 306 ) den Entscheid des Versicherungsgerichts auf und wies die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. B. Anlässlich einer vor dem kantonalen Versicherungsgericht durchgeführten Instruktionsverhandlung schlossen K. und die Ausgleichskasse in der Folge einen Vergleich; darin verpflichtete sich K., der Ausgleichskasse per Saldo aller Ansprüche Fr. 39'000.- Schadenersatz zu bezahlen. Mit Beschluss vom 29. September 2008 schrieb das Versicherungsgericht das Verfahren als gegenstandslos geworden ab. BGE 135 V 65 S. 67 C. Das BSV erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der Abschreibungsbeschluss aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über die Schadenersatzpflicht von K. in einem begründeten Urteil entscheide. Die Ausgleichskasse äussert sich, ohne einen Antrag zu stellen. K. schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das BSV macht in erster Linie geltend, ein Vergleich sei in Beschwerdeverfahren um Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG nicht zulässig. 1.1 Nach der bis Ende 2002 geltenden Rechtslage war es gemäss Rechtsprechung zulässig, in Streitigkeiten um Schadenersatz nach Art. 52 AHVG einen gerichtlichen Vergleich abzuschliessen. Kam ein solcher Vergleich zustande, hatte das Gericht die Einigung der Parteien im Rahmen der jeweiligen Kognition auf ihre Übereinstimmung mit Tatbestand und Gesetz zu prüfen und im Falle der Genehmigung einen Abschreibungsbeschluss zu erlassen, der nicht begründet, jedoch mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen sein musste; er konnte von den Parteien, die an der Einigung beteiligt waren, nur wegen Verfahrens- oder Willensmängeln, von an der Einigung nicht beteiligten Dritten (z.B. den zur Beschwerde legitimierten Bundesbehörden) auch materiell angefochten werden (SVR 1996 AHV Nr. 74 S. 223, H 57/95 E. 2b und 3a; AJP 2003 S. 65, H 64/01 E. 3b; ULRICH MEYER, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, BJM 1989 S. 1 ff., 28). 1.2 Nach Art. 50 des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1; gemäss Art. 1 Abs. 1 AHVG in der AHV anwendbar) können Streitigkeiten über sozialversicherungsrechtliche Leistungen durch Vergleich erledigt werden (Abs. 1). Laut Abs. 2 hat der Versicherungsträger den Vergleich in Form einer anfechtbaren Verfügung zu eröffnen. Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäss im Einsprache- und in den Beschwerdeverfahren (Abs. 3 der genannten Gesetzesnorm). Das BSV bringt vor, gemäss dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung seien nurmehr Streitigkeiten über Leistungen einem gerichtlichen Vergleich BGE 135 V 65 S. 68 zugänglich, nicht aber Streitigkeiten über andere Forderungen, namentlich Schadenersatzansprüche nach Art. 52 AHVG . 1.3 Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich in BGE 131 V 417 eingehend mit der Zulässigkeit von Vergleichen nach Art. 50 ATSG auseinandergesetzt. In diesem Fall waren vor dem kantonalen Gericht sowohl Leistungsansprüche eines Versicherten gegen die Krankenversicherung als auch Prämienforderungen der Krankenversicherung gegen den Versicherten streitig gewesen; die Parteien schlossen einen Vergleich, der alle offenen Punkte ausräumte. Auf Beschwerde des Bundesamtes für Gesundheit hin erwog das Eidg. Versicherungsgericht, der Wortlaut von Art. 50 Abs. 1 ATSG sei klar, soweit er die Vergleichszulässigkeit auf sozialversicherungsrechtliche Leistungen beschränke, worunter die Gesamtheit der Geld- und Sachleistungen (Art. 14 f. ATSG) zu verstehen sei (E. 4.1 S. 421). Die Bedeutung der Einschränkung in Art. 50 Abs. 1 ATSG auf Leistungen liege darin, die Durchführungsorgane, insbesondere die Ausgleichskassen, von Druckversuchen freizuhalten, welche sich im Beitragsbereich aus der Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der angeschlossenen Arbeitgeber ergeben könnten; damit stehe nach Art. 50 Abs. 1 ATSG der Ausschluss von Vergleichen für Sozialversicherungsbeiträge fest (E. 4.2 S. 421 f.). Der Wortlaut des Abs. 3 von Art. 50 ATSG sei unklar, indem sich nicht eindeutig beantworten lasse, worauf sich die Wendung "gelten sinngemäss" beziehe. Die gesetzgeberische Regelungsabsicht, die Durchführungsstellen vor Druckversuchen zu schützen, stosse beim Beschwerdeverfahren ins Leere, weil die Gerichte keinen solchen Interventionsrisiken ausgesetzt seien; aufgrund einer historischen und teleologischen Auslegung sei daher der Anwendungsbereich des Vergleichs vor dem Sozialversicherungsgericht insofern über reine Leistungsstreitigkeiten hinaus zu erweitern, als vergleichsweise Einigungen zwischen Versicherern und Versicherten über gegenseitige Ansprüche im Beschwerdeverfahren als zulässig zu erachten seien. Ausgeschlossen sei eine vergleichsweise Einigung im kantonalen Beschwerdeverfahren, wenn sich der Streit ausschliesslich um Sozialversicherungsbeiträge handle (E. 4.3.2 S. 422 ff.). In der Folge erkannte das Bundesgericht in zwei Urteilen vom 31. Januar 2008 (H 141/06 und H 195/06), ein Vergleich über AHV-Beiträge vor dem kantonalen Gericht sei unzulässig. 1.4 Über die Zulässigkeit von Vergleichen über Schadenersatzforderungen gemäss Art. 52 AHVG hat sich das Bundesgericht unter BGE 135 V 65 S. 69 der Herrschaft des ATSG bisher nicht geäussert. In BGE 131 V 417 E. 4.2 S. 421 f. wurde die Frage ausdrücklich offengelassen. In der Lehre wird die Zulässigkeit mehrheitlich verneint, wobei dies allerdings meistens nicht ausdrücklich und klar auch auf das Beschwerdeverfahren bezogen wird (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 10 zu Art. 50 ATSG ; derselbe , in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 257 Fn. 142 und S. 1307 Rz. 321; derselbe , Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, 2008, S. 140 Rz. 57 und S. 230 Fn. 104; KIESER/RIEMER-KAFKA, Tafeln zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, 4. Aufl. 2008, S. 127; MARCO REICHMUTH, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG , 2008, S. 227 Rz. 950; ausdrücklich auch für das Beschwerdeverfahren THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl. 2003, S. 485 Rz. 41). Teilweise erachtet die Lehre freilich Vergleiche über Schadenersatzforderungen gemäss Art. 52 AHVG nach wie vor generell (TURTÈ BAER, Die Streiterledigung durch Vergleich im Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG , SZS 2002 S. 430 ff., 449; wohl auch ANDREAS FREIVOGEL, Zu den Verfahrensbestimmungen des ATSG, in: Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2003, S. 89 ff., 107 f.) oder zumindest im Beschwerdeverfahren für zulässig (PETER FORSTER, AHV-Beitragsrecht, 2007, S. 204; vgl. auch MAURER/SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 581: auch für Beiträge im Beschwerdeverfahren). 1.5 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 50 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ATSG ist ein Vergleich über Schadenersatzansprüche im Verfügungsverfahren nicht zulässig. Ob dasselbe auch gilt für das Einsprache- und das hier interessierende Beschwerdeverfahren, ist damit aber nicht präjudiziert, da für diese gemäss Abs. 3 die Absätze 1 und 2 nur "sinngemäss" gelten, was Raum für sachlich begründete weitere Konkretisierungen des Vergleichsrechts lässt (vgl. Bericht "Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht" der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999, BBl 1999 4523 ff., 4608 f. ad Art. 56 bis E-ATSG; AUGUST MÄCHLER, Vertrag und Verwaltungsrechtspflege, 2005, S. 467). 1.6 Im ATSG-Entwurf der Nationalrats-Kommission war generell die Zulässigkeit von Vergleichen für sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten vorgesehen gewesen (BBl 1999 4608 f.). Die sinngemässe Geltung für das Beschwerdeverfahren bezog sich demnach BGE 135 V 65 S. 70 ebenfalls auf sämtliche Streitigkeiten. Im Nationalrat wurde auf Antrag der Kommissionsminderheit Abs. 1 dahin geändert, dass der Vergleich nur noch für Leistungen möglich war (AB 1999 N 1244 ff.; AB 2000 S 182 f.). Über Abs. 3 wurde in der parlamentarischen Beratung nicht gesprochen. Es gibt somit keine ausdrückliche Stellungnahme des historischen Gesetzgebers zu der hier interessierenden Frage. 1.7 In den parlamentarischen Beratungen wurden Bedenken gegen eine Vergleichslösung hauptsächlich im Zusammenhang mit den Beiträgen geäussert (AB 1999 N 1244 ff.; AB 2000 S 182 f.), während im Bereich der Leistungen (mit Einschluss der Rückforderungen von Leistungen, vgl. AB 1999 N 1245, Votum Gross) ein Bedürfnis nach vergleichsweiser Regelung anerkannt wurde, namentlich weil hier Sachverhaltsungewissheiten und Ermessensbereiche bestehen, die einer vergleichsweisen Regelung zugänglich sind (BBl 1999 4609; AB 1999 N 1245, Berichterstatter Rechsteiner; vgl. auch BGE 133 V 593 E. 4.3 S. 596). Über andere Streitigkeiten wurde kaum gesprochen. Nationalrat Suter wies immerhin darauf hin, dass nach der bisherigen Rechtsprechung Vergleiche in Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG zulässig seien, was sinnvoll sein könne (AB 2000 N 1246). Die Bedenken gegen eine Vergleichslösung im Beitragsbereich waren hauptsächlich damit begründet, die Ausgleichskassen sollten nicht einem Druck ausgesetzt werden, bei finanziellen Schwierigkeiten von Arbeitgebern auf die Erhebung der gesetzlichen Beiträge teilweise zu verzichten (AB 1999 N 1245, schriftliches Votum Bundesrat, Votum Gross; S. 1246, Votum Bundespräsidentin Dreifuss), was aber bei gerichtlichen Beschwerdeverfahren im Sinne von Art. 50 Abs. 3 ATSG kaum von Bedeutung ist ( BGE 131 V 417 E. 4.3.2 S. 423; vgl. auch BGE 133 V 593 E. 4.3 S. 595 f. und E. 6 S. 596 f.). Des Weitern wurde in der Bundesversammlung mit dem Legalitätsprinzip und der Gleichbehandlung argumentiert, welche durch Vergleiche nicht verletzt werden dürfen (AB 1999 N 1245, Berichterstatter Rechsteiner). Dieses Argument ist im Beitragsrecht begründet, weil hier strikte gesetzliche Voraussetzungen gelten und kaum Ermessensspielräume bestehen (vgl. AB 1999 N 1246, Bundespräsidentin Dreifuss). Bei den Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG verhält es sich diesbezüglich anders: Zwar stehen auch bei ihnen am Ausgangspunkt Beitragsforderungen, doch müssen weitere Anspruchsvoraussetzungen gegeben sein (namentlich Rechtswidrigkeit und Verschulden BGE 135 V 65 S. 71 der Arbeitgeber bzw. ihrer Organe), bezüglich welcher häufig ein Sachverhaltsermessen besteht, so dass eine vergleichsweise Regelung Sinn macht (BAER, a.a.O., S. 447 ff.; FREIVOGEL, a.a.O., S. 107 f.). Hinzu kommt, dass bei Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG das Gleichbehandlungsgebot ohnehin eingeschränkt gilt, indem mehrere haftpflichtige Organe solidarisch haften und die Ausgleichskasse sich darauf beschränken kann, gegen einen oder einige von mehreren potenziell Haftenden vorzugehen ( BGE 119 V 86 E. 5a S. 87). Insoweit besteht bei Schadenersatzverfahren - anders als in Beitragsstreitigkeiten - von vornherein ein Dispositionsbereich der Ausgleichskasse. Wenn es der Ausgleichskasse freisteht, gegen bestimmte Personen gar nicht vorzugehen, wäre es widersprüchlich, ihr zu verbieten, einen Vergleich einzugehen (BAER, a.a.O., S. 439). 1.8 Insgesamt ergibt sich aus diesen Gründen, dass für Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG im gerichtlichen Beschwerdeverfahren auch unter der Herrschaft des ATSG ein Vergleich zulässig ist. 2. In zweiter Linie macht das BSV geltend, aus dem Beschluss der Vorinstanz sei nicht ersichtlich, weshalb das Gericht die Reduktion der Schadenersatzforderung um rund 42 % genehmigt habe. 2.1 Soweit ein Vergleich unter der Herrschaft von Art. 50 ATSG weiterhin zulässig ist, gelten dafür die Regeln gemäss der früheren Rechtsprechung ( BGE 133 V 593 E. 4.3 S. 596). Danach musste der infolge eines gerichtlichen Vergleichs ergehende Abschreibungsbeschluss zwar angeben, dass der Genehmigung nichts entgegensteht, aber nicht begründet werden (vorne E. 1.1; Urteil C 143/06 vom 3. Oktober 2007 E. 8.2, nicht publ. in: BGE 133 V 593 , aber in: SVR 2008 AlV Nr. 15 S. 43). 2.2 Das BSV argumentiert demgegenüber, dass gemäss Art. 50 Abs. 2 ATSG der Vergleich in Form einer anfechtbaren Verfügung eröffnet werden müsse, was aufgrund von Abs. 3 auch für das Beschwerdeverfahren gelte. Verfügungen seien zu begründen ( Art. 49 Abs. 3 ATSG ). Als an den Vergleichsverhandlungen nicht beteiligtes Bundesamt könne es andernfalls sein gesetzlich verankertes Beschwerderecht ( Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 201 AHVV [SR 831.101]) nicht vernünftig ausüben. 2.3 Dass die Genehmigung eines Vergleichs und der daraufhin ergehende Abschreibungsbeschluss nicht begründet werden müssen, geht auf eine alte Rechtsprechung zurück, für welche in BGE 135 V 65 S. 72 BGE 104 V 162 E. 2 S. 165 f. angeführt wurde, dass die Beweggründe für einen Vergleich sich kaum in einer Verfügung wiedergeben liessen; der Hinweis auf den Vergleich genüge, da die Gründe, die zu seinem Abschluss geführt hätten, den Parteien bekannt seien; zudem schreibe Art. 35 Abs. 1 VwVG (SR 172.021; dessen Gehalt etwa Art. 49 Abs. 3 ATSG entspricht) nicht vor, was die Begründung zu enthalten habe, und sei eingehalten, wenn als Grundlage der Verfügung der abgeschlossene Vergleich angegeben werde. Im Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 19/79 vom 10. März 1982 E. 3 wurde diese Rechtsprechung bestätigt und weiter ausgeführt, der Abschreibungsbeschluss müsse nicht begründet werden, da die den Vergleich schliessenden Parteien - unter Vorbehalt von Verfahrens- und Willensmängeln - den Abschreibungsbeschluss nicht anfechten könnten. 2.4 Diese Argumente, welche einen Verzicht auf eine Begründung des Abschreibungsbeschlusses rechtfertigen, treffen nun allerdings nicht zu im Verhältnis zu Dritten, die am Vergleich nicht beteiligt waren, namentlich die beschwerdelegitimierte Aufsichtsbehörde. Die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende Begründungspflicht bezweckt, wenigstens kurz die Gründe zu nennen, die dem Entscheid zugrunde liegen, damit Beschwerdelegitimierte diesen sachgerecht anfechten können ( BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). Dies wird der am Vergleich nicht beteiligten Aufsichtsbehörde verunmöglicht, wenn sie nur einen unbegründeten Abschreibungsbeschluss erhält. Zwar können die sich vergleichenden Parteien verschiedenste Beweggründe haben, einen Vergleich einzugehen. Im Verhältnis zwischen Privaten ist es denn auch ohne weiteres zulässig, dass die Beweggründe für den Abschluss eines Vergleichs nicht offengelegt werden. Dies kann jedoch nicht in gleicher Weise gelten für die an verfassungsmässige Grundsätze (namentlich Gesetzmässigkeit und Gleichbehandlung) gebundene Verwaltung. Diese darf keine rechtswidrigen Vergleiche eingehen, was nur sinnvoll überprüft werden kann, wenn sie zumindest kurz angibt, weshalb sie dem Vergleich zustimmt (MÄCHLER, a.a.O., S. 451 f.). Sodann muss auch das Gericht, welches den Vergleich genehmigt, diesen auf seine Übereinstimmung mit Sachverhalt und Gesetz hin überprüfen (vorne E. 1.1). Korrelat der Überprüfungspflicht ist die Begründungspflicht; ob das Gericht seiner Prüfungspflicht nachgekommen ist, ergibt sich in erster Linie aus der Begründung des Entscheids und kann nicht sachgerecht überprüft werden, wenn überhaupt keine Begründung vorliegt ( BGE 117 Ib 481 E. 6b/bb S. 492). BGE 135 V 65 S. 73 2.5 Bereits unter der vor dem Inkrafttreten des ATSG geltenden Rechtslage hat denn auch die neuere Rechtsprechung den Grundsatz, wonach der Abschreibungsbeschluss nicht begründet werden müsse, relativiert: Das Eidg. Versicherungsgericht hat ausgeführt, die Angabe, wonach der Genehmigung des Vertrags nichts entgegenstehe, habe mehr Gewicht, wenn das Ergebnis der Sachverhalts- und Gesetzmässigkeitskontrolle im Entscheid festgehalten sei (SVR 2000 AHV Nr. 23 S. 73, H 105/99 E. 2a; Urteil H 325/00 vom 11. Mai 2001 E. 3a; H 162/98 vom 16. Juni 1999 E. 3). 2.6 Aus den genannten Gründen (E. 2.4) sowie in Präzisierung und Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung (E. 2.5) ist festzuhalten, dass der Beschluss, mit welchem ein Gericht das Verfahren infolge eines vor ihm geschlossenen Vergleichs abschreibt, zumindest eine summarische Begründung enthalten muss, welche darlegt, dass und inwiefern der Vergleich mit Sachverhalt und Gesetz übereinstimmt. 2.7
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Der Vollständigkeit halber sei weiter angemerkt, dass der Inhalt des Vergleichs wörtlich oder zumindest durch Verweis auf die Erwägungen in das Dispositiv des Abschreibungsbeschlusses aufgenommen werden müsste, damit dieser zu einem Vollstreckungstitel werden könnte (Urteil C 143/06 vom 3. Oktober 2007 E. 12, nicht publ. in: BGE 133 V 593 , aber in: SVR 2008 AlV Nr. 15 S. 43). Nachdem hier aber die direkt involvierten Parteien gegen die Formulierung des Abschreibungsbeschlusses nicht Beschwerde erhoben haben und auch das BSV keinen entsprechenden Antrag stellt, erübrigen sich diesbezügliche Weiterungen ( Art. 107 Abs. 1 BGG ).
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Erwägungen ab Seite 93 BGE 120 II 93 S. 93 Extrait des considérants: 1. La présente espèce soulève la question de la recevabilité du recours en réforme interjeté par la partie défaillante contre un jugement par défaut. a) Le Tribunal fédéral a examiné cette question dans deux arrêts de principe publiés ( ATF 79 II 106 ss, ATF 60 II 51 ss). Dans le premier en date, qui a été rendu sous l'empire de l'ancienne loi fédérale d'organisation judiciaire, il a admis que la partie défaillante pouvait recourir en réforme contre un jugement par défaut, ce jugement fût-il susceptible de relief. Certes, y souligne-t-il, "ce n'est pas sans apparence de raison que l'intimé considère le relief comme un moyen ordinaire d'obtenir un nouvel examen de la BGE 120 II 93 S. 94 cause" ( ATF 60 II 55 ). Toutefois, "le droit de relief n'appartient pas aux deux parties, mais au défaillant seul. Par conséquent, si la faculté de recourir au Tribunal fédéral avait pour condition l'exercice préalable du droit de relief, le défaillant seul serait maître de la condition et pourrait, en ne demandant pas le relief, priver du même coup son adversaire de la possibilité de recourir. Cela est inadmissible" (ibid.). Dans le second arrêt, postérieur à l'entrée en vigueur de la loi fédérale d'organisation judiciaire du 16 décembre 1943 (OJ), le Tribunal fédéral a, en revanche, déclaré irrecevable le recours en réforme interjeté par la partie défaillante contre un arrêt par lequel le Tribunal cantonal vaudois avait rejeté le recours en nullité visant un jugement par défaut rendu par un tribunal de district. Se référant à son précédent arrêt, il a, en effet, considéré que l'arrêt cantonal n'était pas une décision finale, au sens de l' art. 48 al. 1 OJ , du moment que la partie défaillante aurait pu demander le relief du jugement par défaut et que la partie présente aurait pu recourir contre ce jugement, tout comme s'il s'était agi d'un jugement rendu en contradictoire, ce qui n'était pas le cas dans la première affaire ( ATF 79 II 106 consid. 1 p. 110/111). b) La solution, sinon les motifs, retenue dans l'arrêt publié aux ATF 79 II 106 ss est approuvée par la doctrine quasi unanime. Certains auteurs se bornent à l'énoncer, en se référant à ce précédent (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3e éd., p. 543 in fine; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2e éd., p. 478, n. 779 et note de pied 8; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, p. 89, note de pied 4). Deux auteurs ont examiné le problème de manière plus approfondie. WURZBURGER (Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, thèse Lausanne 1964, p. 189/190 n. 254) estime difficile de considérer la demande de relief comme un recours ordinaire, vu son absence d'effet dévolutif. Il est cependant d'avis que, pour le défaillant tout au moins, le jugement ne signifie pas la perte définitive de ses droits et ne constitue donc pas une décision finale. POUDRET (COJ, p. 310/311, n. 1.3.5 ad art. 48) conteste, quant à lui, que l'on puisse dénier la qualification de final à un jugement par défaut du seul fait qu'il est susceptible, en vertu de la procédure cantonale, d'une demande de relief permettant au défaillant d'obtenir la reprise de la cause en contradictoire dans un certain délai. En revanche, il lui paraît justifié d'assimiler le relief à un recours BGE 120 II 93 S. 95 ordinaire de droit cantonal, en tout cas dans la mesure où ce moyen a un effet suspensif et dévolutif, en ce sens qu'il reporte la cause dans son entier devant les mêmes juges. Il en résulte, selon lui, que le défaillant est tenu d'exercer ce moyen, s'il entend pouvoir ensuite recourir en réforme, conformément à l'exigence de l'épuisement des recours ordinaires cantonaux. Cet auteur ne fait qu'une exception - elle n'entre pas en ligne de compte en l'espèce - pour le cas où le défaillant utiliserait une autre voie de recours ordinaire mise concurremment à sa disposition par le droit de procédure cantonal pour remédier à la violation du droit fédéral. Enfin, à l'instar de WURZBURGER (op.cit., p. 190, n. 254 et note de pied 84), il précise que le droit de recours des parties présentes ne dépend pas de l'exercice ou non du relief par le défaillant; ces parties devront donc recourir sans égard au relief, quitte à suspendre le recours en réforme, en application de l' art. 57 al. 1 OJ , si le défaillant fait usage de ce moyen. MERCIER (Le jugement par défaut en procédure civile vaudoise, thèse Lausanne 1974, p. 199 in limine et note de pied 35) est apparemment le seul auteur à exprimer une opinion dissidente, qu'il ne motive du reste pas puisqu'il se contente d'affirmer - en se référant notamment à l'arrêt publié aux ATF 60 II 51 ss et en se réclamant de BIRCHMEIER - que le défaillant peut recourir en réforme au Tribunal fédéral contre un jugement par défaut de la Cour civile, alors même que ce jugement est susceptible de relief. Il est douteux que l'avis de BIRCHMEIER soit invoqué ici à bon escient, dès lors que cet auteur, tout en reconnaissant que le jugement par défaut est un jugement final ("Endentscheid"; Bundesrechtspflege, p. 162), assimile le relief à un recours ordinaire de droit cantonal (op.cit., p. 170). Au demeurant, MERCIER ne cite même pas l'arrêt ATF 79 II 106 ss qui contredit sa thèse et qui a été rendu postérieurement à la publication de l'ouvrage de BIRCHMEIER. c) Aux termes de l' art. 48 al. 1 OJ , le recours en réforme n'est recevable en règle générale que contre les décisions finales prises par les tribunaux ou autres autorités suprêmes des cantons et qui ne peuvent pas être l'objet d'un recours ordinaire de droit cantonal. La jurisprudence qualifie une décision de finale lorsque la juridiction cantonale statue sur une prétention matérielle ou refuse d'en juger pour un motif interdisant définitivement que la même prétention soit une nouvelle fois émise entre les mêmes parties ( ATF 118 II 447 consid. 1b et les références, ATF 116 II 381 consid. 2a). Tel est le cas du jugement par défaut, dans la mesure où il statue sur le fond ou, de toute autre manière, entraîne la perte de l'action, comme le souligne BGE 120 II 93 S. 96 à juste titre POUDRET (op.cit., p. 310). L'opinion de cet auteur mérite également d'être suivie en ce qui concerne l'assimilation du relief à un recours ordinaire de droit cantonal. Il doit en aller ainsi en tout cas lorsque la partie défaillante peut demander - sans autres conditions que le paiement des frais frustratoires et le respect du délai ainsi que des prescriptions de forme prévus par le droit de procédure cantonal - le relief du jugement par défaut et que ce moyen a un effet suspensif et dévolutif, c'est-à-dire empêche de plein droit le jugement par défaut d'entrer en force de chose jugée et reporte la cause dans son entier devant les mêmes juges. Cette solution, conforme dans son résultat à celle de l'arrêt publié aux ATF 79 II 106 ss, correspond d'ailleurs à celle que la Cour de cassation pénale a adoptée de longue date en matière de recevabilité du pourvoi en nullité contre un jugement cantonal rendu par défaut ( ATF 102 IV 59 , ATF 80 IV 137 ). Cela étant, la possibilité de demander le relief n'a pas d'incidence sur le droit de recours de la partie non défaillante. Si celle-ci interjette un recours en réforme et que la partie défaillante dépose parallèlement une demande de relief, il convient simplement de surseoir à l'arrêt du Tribunal fédéral jusqu'à droit connu sur cette demande ( art. 57 al. 1 OJ appliqué par analogie). En l'occurrence, la défenderesse attaque directement devant le Tribunal fédéral le jugement par défaut rendu à son encontre, alors qu'elle aurait pu en demander le relief, en payant les frais frustratoires, et obtenir ainsi d'être replacée dans la situation où elle se trouvait avant l'audience à laquelle elle avait fait défaut ( art. 311 al. 3 CPC /VD; MERCIER, op.cit., p. 219 ss). Son recours en réforme est, en conséquence, irrecevable faute d'épuisement préalable des recours ordinaires de droit cantonal.
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Sachverhalt ab Seite 584 BGE 101 Ia 583 S. 584 A.- Le 27 novembre 1974, le Grand Conseil du canton de Fribourg a adopté un décret ratifiant la convention passée entre l'Etat de Fribourg et la Fondation pour les bâtiments de l'Université de Fribourg (en abrégé: la Fondation), par laquelle le Conseil d'Etat chargeait cette dernière de la construction et du financement des bâtiments universitaires de Miséricorde, selon le projet comportant le prolongement de l'aile des cours jusqu'à la route du Jura et la fermeture du quadrilatère par une galerie libérant entièrement le sol. Selon la convention, le financement de cette construction, dont le coût total est devisé à 13'086'000 fr., est assuré par les subventions fédérales pour un montant de 11'777'400 fr., ainsi que par un apport de la Fondation de 1'308'600 fr. L'octroi des subventions fédérales au taux de 90% était subordonné à la condition que l'adjudication des travaux se fasse avant le 31 décembre 1974. Promulgué par le Conseil d'Etat le 2 décembre 1974, le décret du 27 novembre 1974 a été publié dans la "Feuille officielle" du 6 décembre 1974. B.- La solution adoptée par la convention faisait suite au rejet par le peuple fribourgeois, en votation du 26 mai 1974, d'un crédit de 1'416'500 fr. voté par le Grand Conseil le 14 novembre 1973 et contre lequel le référendum avait été demandé. Le montant de ce crédit représentait la part à supporter par le canton de Fribourg pour l'agrandissement de l'Université, dont les travaux étaient devisés à 14'165'000 fr., le solde étant couvert par des subventions fédérales. C.- Agissant par la voie du recours de droit public, Paul Bussard à Epagny, Jules Bossel à Saint-Martin et Oscar Papaux aux Ecasseys requièrent le Tribunal fédéral d'annuler le décret du Grand Conseil du 27 novembre 1974 et l'arrêté de promulgation du Conseil d'Etat du 2 décembre 1974. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. BGE 101 Ia 583 S. 585
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Erwägungen Extrait des motifs: 2. L'art. 28bis Cst. frib. a la teneur suivante: "Toute loi ou décret de portée générale voté par le Grand Conseil et n'ayant pas le caractère d'urgence doit être soumis au peuple si la demande en est faite par 6000 citoyens. Toute loi ou décret entraînant une dépense extrabudgétaire de plus de 500'000 francs doit être soumis à la votation populaire, à la demande d'un quart des députés ou de 6000 citoyens. Toute loi ou décret entraînant une dépense extrabudgétaire de 3'000'000 de francs (trois millions) et plus doit être soumis à la votation populaire." Les recourants soutiennent que, par le décret du 27 novembre 1974, les autorités fribourgeoises auraient soustrait volontairement à la procédure de référendum financier la dépense qui, d'après eux, devrait résulter de l'agrandissement de l'Université. Ils allèguent que cet agrandissement entraînera pour l'Etat diverses dépenses, notamment celles qui concernent la couverture des voies CFF, qui avait été réservée par l'art. 8 du décret du 14 novembre 1973 et qui, d'après le Message du Conseil d'Etat du 8 octobre 1973 relatif audit décret, devrait coûter au total 3 millions de francs. Ils ajoutent qu'il n'a pas été tenu compte non plus de la dépense qu'entraînera la création de places de parc, mais ils n'évaluent pas le montant nécessaire à cet effet. Ils ne disent pas s'ils considèrent que le décret aurait dû être soumis au référendum financier facultatif (art. 28bis al. 2) ou au référendum financier obligatoire (art. 28bis al. 3). a) Le décret du 27 novembre 1974, comportant ratification de la convention passée entre l'Etat et la Fondation, n'est certainement pas un décret de portée générale; il n'est donc pas soumis au référendum législatif facultatif (art. 28bis al. 1). Le Grand Conseil l'a constaté à juste titre dans l'art. 2 du décret en y insérant la mention Selon laquelle il n'a pas de portée générale. Les recourants ne contestent pas cette décision. b) Pour qu'un décret Soit sujet au référendum financier (facultatif ou obligatoire), il faut d'une part qu'il "entraîne une dépense" et d'autre part que cette dépense soit "extrabudgétaire"; il faut aussi, bien que le texte constitutionnel ne le dise pas expressément, que la dépense soit nouvelle et non BGE 101 Ia 583 S. 586 liée, car rien ne permet d'admettre que le constituant ait voulu obliger les autorités politiques du canton à soumettre au peuple un décret comportant une dépense que le canton a l'obligation d'effectuer (RO 100 Ia 371). c) Dans le texte même du décret du 27 novembre 1974, on ne trouve aucune trace d'un engagement entraînant une dépense à la charge du canton. Ce décret ratifie une convention aux termes de laquelle le financement de l'agrandissement des bâtiments universitaires est assuré d'une part par la Confédération, d'autre part par la Fondation, qui est autorisée à émettre des emprunts pour assurer les liquidités nécessaires. L'art. 2 de la convention laisse entendre que l'exécution de celle-ci est de nature à entraîner des économies pour l'Etat (suppression des diverses locations qui chargent actuellement le budget universitaire). d) Au sujet de la couverture des voies CFF, le Conseil d'Etat avait indiqué, dans son Message de 1973 présenté à l'appui du premier décret, que cette couverture avait été jugée indispensable afin d'éviter les nuisances et surtout le bruit et de permettre aux nouveaux bâtiments d'être utilisés normalement. Dans son Message du 21 novembre 1974, le Conseil d'Etat a déclaré que "la couverture de la voie ferrée devant les bâtiments de Miséricorde reste un complément nécessaire des constructions projetées", que des pourparlers avec les CFF et les PTT sont envisagés, le consentement de principe de la part des CFF étant pratiquement assuré, mais qu'en tout état de cause cette couverture ne constituera pas, pour l'Etat, de problème financier. Dans son intervention devant le Grand Conseil, le Conseiller d'Etat directeur de l'instruction publique a précisé que, "d'après les calculs, l'Etat ne sera pas appelé à participer à cette réalisation". Les intimés confirment cette dernière information dans leur réponse au recours. Ils se contredisent cependant sur un point. Dans leur mémoire du 7 février 1975, produit en réponse à la demande de mesures provisionnelles, ils affirment que la couverture de la voie ferrée "a été clairement liée à la construction proprement dite", en ajoutant que la Fondation prendrait en charge la part de l'Etat au financement de la couverture de la voie ferrée après que les pourparlers en cours avec les CFF et les PTT auront abouti. Cependant, d'après leur réponse au fond du 28 février 1975, la couverture de la BGE 101 Ia 583 S. 587 voie du chemin de fer constituerait un problème qui serait "totalement indépendant de la construction des bâtiments eux-mêmes"; ils ajoutent même qu'en déclarant ces aménagements absolument nécessaires à l'agrandissement de l'Université, les recourants font une affirmation toute gratuite. Mais cette contradiction est peut-être plus apparente que réelle. Ainsi qu'il ressort du dossier, la couverture des voies CFF est souhaitable - dans l'intérêt de l'enseignement - même si l'agrandissement des bâtiments n'était pas entrepris. On peut donc admettre qu'il s'agit d'un aménagement qui ne fait pas partie du train des travaux prévus par la convention. Mais les architectes en ont affirmé la nécessité, et c'est dans ce sens que le problème est lié aux nouveaux aménagements. Il s'agit probablement d'une dépense qui devra être effectuée, mais on ne sait pas encore qui sera appelé à la supporter; la question doit encore être discutée par les autorités fédérales et cantonales, éventuellement aussi avec la Fondation, avant qu'une décision ne soit prise. Et si, finalement, une partie de la charge devait incomber à l'Etat, elle devrait faire l'objet d'un crédit à accorder par le Grand Conseil dans un nouveau décret. e) Au sujet de l'aménagement de places de parc, les recourants déclarent qu'il est rendu nécessaire en raison de la fermeture envisagée du quadrilatère des bâtiments de Miséricorde; ils prétendent qu'en application du règlement communal "sur les emplacements pour véhicules et les places de jeux exigibles sur fonds privé", il faudrait aménager plus de 280 places de parc pour les étudiants et les professeurs. Le problème des places de stationnement pour véhicules automobiles a été soulevé devant le Grand Conseil par le rapporteur de la minorité de la commission opposée au décret. Le Directeur de l'instruction publique a reconnu que "le problème du "parking" est réel" et qu'il doit être étudié entre le Conseil d'Etat et la commune de Fribourg. Mais, dans leur réponse au présent recours, les intimés ne s'expriment pas sur le point de savoir si, en vertu du règlement communal, l'Etat est obligé d'aménager des places de parc; ils se réfèrent cependant à un avis de droit du professeur Macheret, qui relève d'une part que la commune est seulement "en droit" d'exiger l'aménagement d'emplacements pour véhicules et qu'elle n'est donc pas tenue de le faire, et que d'autre part ce règlement ne s'applique qu'aux fonds privés. BGE 101 Ia 583 S. 588 La jurisprudence admet qu'en principe l'Etat est soumis, pour ses constructions, aux prescriptions communales en la matière; tout au plus faut-il réserver le cas où cette soumission entraverait le canton dans l'exécution de ses tâches découlant de la constitution ou de la loi (RO 91 I 423 ss; cf. aussi RO 92 I 210 s.). En l'espèce, il n'est pas sûr que le règlement communal "sur les emplacements pour véhicules et les places de jeux exigibles sur fonds privé" du 25 juin/19 juillet 1968, approuvé par le Conseil d'Etat le 3 septembre 1968, soit applicable, puisqu'il semble viser uniquement les propriétaires privés et bien que son barème annexe - calqué vraisemblablement sur les normes établies par l'Union suisse des professionnels de la route, auxquelles se réfère l'art. 24 du règlement cantonal d'exécution de la loi sur les constructions - contienne une rubrique "écoles" et une sous-rubrique "université". D'autre part, il est vrai que l'art. 1er dit seulement que la commune "est en droit d'exiger" l'aménagement de telles places: en raison des circonstances spéciales du cas, notamment du fait que les bâtiments universitaires servent également à de nombreuses manifestations publiques à caractère socio-culturel dont bénéficie principalement la collectivité urbaine, il est possible que la commune ne demande pas à l'Etat d'aménager lui-même de nouvelles places de stationnement; d'ailleurs, les nouvelles normes élaborées par l'Union suisse des professionnels de la route (SNV 641050 de mars 1972 remplaçant les précédentes - SNV 40617 - de septembre 1961) ne donnent plus d'indications chiffrées pour les universités, mais précisent que les besoins en places de parc ne peuvent être déterminés que dans le cadre d'une étude d'ensemble des transports. Aussi bien les autres universités de Suisse sont-elles loin de prévoir toutes des places de parc pour les étudiants autour des bâtiments sis en ville. Les dimensions de la ville de Fribourg, de même que la proximité des moyens de transport publics, pourraient éventuellement ne pas imposer de tels aménagements. Ainsi, l'on ne sait encore de façon sûre ni s'il faudra aménager d'autres places de stationnement pour les bâtiments de Miséricorde, ni quel en sera éventuellement le coût, ni à qui en incombera la charge. Si finalement l'Etat lui-même devait supporter une dépense à ce titre, il faudrait vraisemblablement qu'il se fasse ouvrir un crédit par décret du Grand Conseil, BGE 101 Ia 583 S. 589 décret qui pourrait, le cas échéant, tomber sous le coup des dispositions de l'art. 28bis al. 2 ou 3 Cst. frib. 3. a) La constitution et la législation fribourgeoises n'indiquent pas dans quels cas l'on doit considérer qu'une loi ou un décret "entraîne une dépense". Mais on peut appliquer par analogie les règles qui ont été admises récemment sur le plan fédéral, dans l'arrêté fédéral du 20 juin 1975 Sur les décisions en matière de dépenses. D'après l'art. 1er al. 1 lettre c de l'arrêté fédéral, on doit considérer qu'un acte législatif de portée générale entraîne des dépenses à la charge de la Confédération lorsqu'il institue un droit à des prestations financières de celle-ci ou qu'il la contraint à fournir des prestations financières déterminées ou à assumer des obligations de paiement conditionnelles (cautionnements, garanties). Le décret attaqué n'institue certes pas un droit à des prestations financières à la charge du canton de Fribourg et ne contraint pas ce canton à assumer des obligations de paiement conditionnelles. On ne saurait dire non plus qu'il contraigne le canton à fournir des "prestations financières déterminées". Certes, ces constructions peuvent être la cause indirecte - ou l'une des causes indirectes - de certaines dépenses: elles pourraient, par exemple, rendre possibles l'engagement de nouveaux professeurs, l'admission de nouveaux étudiants, l'exécution de nouveaux aménagements urbains ou d'autres dépenses de même nature. Mais elles n'obligent pas le canton à effectuer de nouvelles dépenses, et les autorités ne seront tenues d'en effectuer qu'en vertu de nouvelles décisions. Le décret attaqué n'entraîne donc pas des dépenses à la charge de l'Etat au sens de l'art. 28bis Cst. frib. Les intimés relèvent même, en accord avec l'art. 2 de la convention, que la construction envisagée entraînera plutôt des économies pour le canton, du fait que l'Etat pourra se dispenser de prendre en location des locaux, pour un loyer annuel de plus de 200'000 fr.; au total, une économie de 100'000 fr. pourrait être ainsi réalisée par le regroupement des instituts et séminaires à Miséricorde. Les recourants ne contestent pas l'exactitude de ce montant. b) Pour être soumises au référendum financier, il faut encore que les dépenses que peut entraîner une loi ou un décret soient des dépenses extrabudgétaires. On considère comme telles les dépenses qui ne peuvent pas être supportées BGE 101 Ia 583 S. 590 par le budget d'un seul exercice et doivent être amorties par des annuités budgétaires (art. 21 de la loi financière du 15 novembre 1960; RO 100 Ia 369). Il s'agit notamment des crédits d'engagement votés par le Grand Conseil et réactivés au budget en vue de leur amortissement par tranches. Contrairement à ce que prévoient les constitutions de certains cantons (Zurich, art. 30 al. 2 Cst. cant.; Berne, art. 6 ch. 4 Cst. cant.; Schwyz, art. 30 al. 2 Cst. cant.), il ne suffit donc pas, dans le canton de Fribourg, que la dépense soit nouvelle ou même extraordinaire pour qu'elle doive être soumise au référendum financier; comme dans le canton de Vaud (art. 27 al. 1 ch. 2 Cst. cant.), il faut encore qu'il y ait une certaine relation entre la dépense et le budget de l'Etat: le peuple ne sera appelé à se prononcer que si la dépense ne peut pas être couverte par le budget de l'année au cours de laquelle elle doit être effectuée, son financement devant être reporté sur des exercices ultérieurs, en partie tout au moins. Or la réponse à cette question ne pourrait être donnée qu'au moment où de nouveaux crédits éventuels devraient être votés Par le Grand Conseil. Mais alors les dépenses à couvrir par de tels crédits ne pourraient pas être considérées comme des dépenses liées et donc soustraites pour cette raison au référendum, puisqu'il est admis qu'elles ne sont pas entraînées nécessairement par le décret attaqué. D'ailleurs, en principe, une dépense ne peut être considérée comme liée que si elle découle déjà d'une loi ou d'une décision antérieures qui étaient sujettes au référendum, ce qui n'est pas le cas du décret en cause. 4. Les recourants soutiennent encore qu'en adoptant le décret attaqué, le Grand Conseil aurait violé une décision prise régulièrement par le souverain dans l'exercice de ses droits politiques. En rejetant le 26 mai 1974 le décret du 14 novembre 1973, qui approuvait le projet de l'agrandissement et de l'aménagement des bâtiments universitaires et ouvrait un crédit d'engagement de 1'416'500 fr. en vue d'assurer la part du canton au coût de construction, le peuple se serait prononcé contre l'agrandissement de l'Université, et non seulement contre le crédit alloué par ledit décret. Selon les recourants, les opposants au décret de 1973 ont mis l'accent sur l'absence de planification à long terme, sur l'insuffisance de l'étude du projet, sur la médiocre qualité architecturale des BGE 101 Ia 583 S. 591 futurs bâtiments, sur la trop modeste participation de la commune de Fribourg, sur la mission intellectuelle et morale de l'Université; faisant fi de tous ces éléments, le Grand Conseil aurait bafoué la volonté populaire en adoptant un projet destiné à réaliser un agrandissement dont le peuple ne voudrait pas. Les intimés rétorquent qu'en rejetant le décret du 14 novembre 1973, le peuple fribourgeois a refusé une dépense extrabudgétaire et rien d'autre. a) En vertu du principe dit du "parallélisme des formes", une autorité ne peut reviser valablement ses actes que selon la forme dans laquelle ils ont été adoptés. Le législateur ne peut notamment pas s'écarter d'une loi sujette au référendum par un décret qui y est soustrait; il ne peut en outre déléguer ses compétences à l'autorité exécutive, en l'habilitant à s'écarter de la législation en vigueur, que par un acte soumis au référendum (RO 94 I 36, 89 I 275 s.). En l'espèce, le décret du 14 novembre 1973, rejeté par le peuple à la suite d'une demande de référendum, ne peut sortir aucun effet juridique et la situation est la même que si aucun projet n'avait été soumis au peuple. Il n'est évidemment pas possible de savoir quelles sont les raisons qui ont amené la majorité du corps électoral à rejeter le projet, ou plus exactement quelles sont les raisons qui ont pesé du plus grand poids dans la décision du corps électoral: l'agrandissement de l'Université comme tel, ou les raisons d'ordre purement financier. Mais cela ne joue pas de rôle sur le plan juridique. Le décret du 14 novembre 1973 n'ayant pas été accepté par le peuple, le Grand Conseil n'était pas lié par le principe du parallélisme des formes en votant le nouveau décret qui lui était présenté. Tout autre eût été la situation si le décret du 14 novembre 1973 avait été accepté par le corps électoral et que le Grand Conseil eût voulu le modifier par un nouveau décret qu'il aurait soustrait au référendum. b) D'ailleurs, le décret du 14 novembre 1973 a été soumis au peuple en vertu du droit de référendum financier facultatif prévu à l'art. 28bis al. 2 Cst. frib. N'ayant pas de portée générale, ce décret n'était pas soumis au référendum législatif et a été publié en vue de l'exercice du référendum facultatif, parce qu'il entraînait une dépense extrabudgétaire de plus de BGE 101 Ia 583 S. 592 500'000 fr. et de moins de 3 millions de francs. En revanche, il a été constaté que le décret du 27 novembre 1974 n'entraînait pas de dépenses à la charge de l'Etat. Le Grand Conseil n'a donc pas voté un acte du même genre que celui qui a été refusé précédemment par le peuple. Les autorités fribourgeoises pouvaient légitimement considérer que, le crédit n'ayant pas trouvé grâce devant le peuple, elles avaient la faculté - sinon le devoir - de rechercher une autre solution évitant des dépenses pour l'Etat. Dès lors, le point de savoir dans quelle mesure il y avait lieu de tenir compte de tendances qui s'étaient exprimées dans certains milieux de la population et qui étaient hostiles à l'agrandissement de l'Université était une question purement politique - et non juridique - qu'il appartenait aux autorités politiques de résoudre dans la limite de leurs attributions constitutionnelles. En tant que les recourants reprochent aux autorités fribourgeoises d'avoir violé une décision prise régulièrement par le souverain dans l'exercice de ses droits politiques, leur argumentation est précisément politique, et non pas fondée sur un principe constitutionnel ou même sur un principe juridique quelconque. Le Tribunal fédéral n'a pas à s'immiscer dans ce débat politique.
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Sachverhalt ab Seite 201 BGE 85 I 201 S. 201 A.- X. a été condamné le 11 mai 1954 par le Tribunal de l'arrondissement de Sion à dix mois d'emprisonnement, avec sursis pendant cinq ans, pour attentat à la pudeur des enfants, et, le 2 juillet 1959, par le Tribunal de l'arrondissement BGE 85 I 201 S. 202 de Martigny à 30 jours d'arrêts pour la même infraction, ainsi que pour outrage public à la pudeur. Comme les actes ayant abouti à cette seconde condamnation avaient été commis en février 1959, c'est-à-dire pendant le délai d'épreuve fixé en 1954, le Département de justice du canton du Valais invita le Tribunal de l'arrondissement de Sion, le 28 août 1959, à statuer sur le sort du sursis accordé le 11 mai 1954. Le 14 septembre 1959, ce tribunal, sans entendre X. ni examiner le dossier de la deuxième affaire, révoqua le sursis et ordonna que la peine de dix mois d'emprisonnement fût mise à exécution. B.- Agissant par la voie du recours de droit public, X. requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision révoquant le sursis. Il se plaint d'un acte arbitraire et d'un déni de justice. Ses moyens seront repris ci-après dans la mesure utile. Le président du Tribunal de l'arrondissement de Sion a présenté des observations où, sans prendre de conclusions, il soutient que le recourant ne saurait se plaindre d'une violation de l'art. 4 Cst.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. La décision attaquée n'est susceptible d'aucun recours cantonal. Elle est dès lors une décision de dernière instance au sens de l'art. 87 OJ et, comme telle, peut faire l'objet d'un recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. 2. D'après la jurisprudence du Tribunal fédéral, le citoyen a un droit à ce que la situation juridique dans laquelle il a été placé par un jugement pénal ou civil ne soit pas changée à son détriment sans qu'il ait eu l'occasion de s'exprimer sur les motifs qui pourraient justifier cette modification. Ce droit d'être entendu découle directement de l'art. 4 Cst. Il est de nature formelle, de sorte qu'il ne dépend pas d'un intérêt matériel à le faire valoir (RO 64 I 148; 75 I 227 ; 76 I 182 ; 82 I 71 consid. 2; 83 I 240 ). BGE 85 I 201 S. 203 En accordant le sursis au recourant, le jugement pénal du 11 mai 1954 a mis ce dernier dans une situation juridique déterminée. La décision du 14 septembre 1959, qui a révoqué cette mesure et ordonné l'exécution de la peine, a modifié au détriment du condamné la situation ainsi créée. X. avait donc en principe le droit d'être entendu, et, ayant statué sans tenir compte de ce droit, la juridiction cantonale a violé l'art. 4 Cst. Il est vrai que dans le système du code pénal la révocation du sursis est parfois automatique, c'est-à-dire doit nécessairement être ordonnée lorsque certaines conditions sont réunies, et cela quels que soient les moyens que le condamné soulève. Ainsi en va-t-il lorsque l'acte qui entraîne la révocation du sursis est une infraction grave commise intentionnellement durant le délai d'épreuve (art. 41 ch. 3 al. 1 CP). On pourrait dès lors se demander si la nature formelle du droit d'être entendu va jusqu'à exiger que l'autorité permette à l'intéressé de s'expliquer même lorsqu'avant de statuer, elle se rend compte sans hésitation possible qu'elle se trouve devant un cas de révocation automatique. Il est inutile toutefois de trancher aujourd'hui cette question. En effet, avant de rendre son prononcé, le Tribunal de Sion ne se trouvait certainement pas dans une telle situation. Au contraire, les actes sur la base desquels la révocation du sursis était demandée ayant été sanctionnés par trente jours d'arrêts, il pouvait et devait, conformément à la jurisprudence (RO 78 IV 11) et lors même que la peine n'était pas minime, se demander s'il était ou non en présence d'un cas de très peu de gravité au sens de l'art. 41 ch. 3 al. 2 CP. Or, pour trancher cette question, il lui fallait tenir compte notamment des conditions personnelles dans lesquelles le recourant se trouvait quand il a commis la nouvelle infraction. De plus, supposé qu'il ait considéré cette infraction comme un cas de très peu de gravité, il aurait dû choisir entre l'exécution de la peine et le simple avertissement, ce qu'il ne pouvait faire sans prendre en considération le caractère et la BGE 85 I 201 S. 204 situation du recourant au moment où la question de la révocation du sursis se posait. Dès lors, même si, de façon générale, on ne veut pas admettre toutes les conséquences de la nature formelle du droit d'être entendu et que l'on considère que, dans les cas de révocation automatique, le condamné ne peut revendiquer le droit de s'expliquer, il est certain qu'au regard des questions d'ordre subjectif qui se posaient en l'espèce, l'autorité cantonale ne pouvait statuer sans entendre le recourant. Du reste, même si elle ne méritait pas de reproche à cet égard, sa décision n en serait pas moins contraire à l'art. 4 Cst., car elle l'a prise non seulement sans entendre le recourant, mais encore sans examiner le dossier du jugement sur la base duquel la révocation était demandée. Cette manière de procéder est visiblement contraire à l'art. 4 Cst., car il est hors de doute que le Tribunal de Sion n'était pas en mesure de résoudre les problèmes qui se posaient, sans prendre connaissance au moins des motifs du jugement du 2 juillet 1959.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours dans le sens des considérants et annule la décision attaquée.
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Sachverhalt ab Seite 191 BGE 128 I 190 S. 191 Le 26 avril 1996, le Grand Conseil genevois a ouvert un crédit de 20 millions de francs pour subventionner notamment la reconstruction du stade de football des Charmilles. Celle-ci s'étant révélée impossible, la loi de 1996 a été modifiée le 19 juin 1997 et le crédit a été affecté à l'étude et à la construction d'un nouveau stade de football sur le site de la Praille, soit un périmètre d'une superficie de 98'000 m2 sur le territoire de la Ville de Lancy, propriété de la Ville de Genève et, pour partie, des CFF. Conformément à la loi de 1996, la Fondation du Stade de Genève a été créée le 29 février 1998, chargée de la maîtrise de l'ouvrage et de la recherche du financement. Le 27 mai 1999, le Grand Conseil a adopté une loi portant sur la création d'une zone de développement 3 affectée à des activités commerciales et administratives. Selon l'exposé des motifs, le projet de stade avait été mis au concours. Sa capacité était étendue à 30'000 places pour répondre aux exigences de l'Union des associations européennes de football (UEFA). Un centre commercial serait construit au nord du site, avec un parking d'environ 1'000 places et un hôtel. Un bâtiment de liaison (billetterie, boutique, guichet de banque) était prévu au centre du site. Les terrains occupés par le stade des Charmilles seraient cédés à la Ville de Genève, pour y créer un parc public. Le degré de sensibilité III était attribué au site de la Praille. La loi n'a pas fait l'objet d'un référendum ou d'un recours au Tribunal administratif. Le plan localisé de quartier (PLQ) a été mis à l'enquête au mois de mars 1999, après le dépôt d'un premier rapport d'impact. Les oppositions ont été écartées par le Conseil d'Etat, puis par le Tribunal administratif genevois. Un second rapport d'impact a été déposé le 6 décembre 1999. Les autorisations de démolir ont été accordées les 19 janvier et 29 juin 2000. Elles sont devenues définitives et le chantier de démolition a été ouvert le 22 mars 2000. Le 7 mars 2000, une initiative populaire IN 118, intitulée "Pour un projet de stade raisonnable" a été lancée. Elle prévoit la modification de la loi du 26 avril 1996, dans sa version du 19 juin 1997, par la réduction de la subvention à 15 millions de francs, pour un stade de 15'000 places, avec comme conditions la renonciation au BGE 128 I 190 S. 192 centre commercial (art. 1), le transfert gratuit du stade des Charmilles à une collectivité publique et la mise en conformité de la gare de la Praille aux exigences de l'ordonnance fédérale sur la protection contre les accidents majeurs (art. 2). Le plan financier, soumis à l'approbation du Grand Conseil, prévoit que l'exploitant prend en charge, en fonds propres, 10% du prix de revient, ainsi que les frais d'exploitation, les frais financiers et les frais d'entretien (art. 3). L'initiative prévoit aussi l'abrogation de la loi du 27 mai 1999 et le reclassement en zone ferroviaire du terrain ayant appartenu aux CFF et affecté au centre commercial (art. 9). Le 5 octobre 2000, le Département genevois de l'aménagement, de l'équipement et du logement (DAEL) a autorisé la construction du stade, avec bâtiment de liaison, hôtel et halte ferroviaire, ainsi que du centre commercial et des aménagements routiers. Divers recours ont été déclarés irrecevables, successivement par la commission cantonale et le Tribunal administratif, pour défaut de qualité. Les travaux ont débuté le 20 novembre 2000. Le 6 avril 2001, le Conseil d'Etat a déposé son rapport, concluant à la validité de l'IN 118, mais invitant le Grand Conseil à la rejeter. L'initiative présentait notamment des problèmes de compétences et d'exécutabilité; la réduction de la subvention et la fixation de nouvelles conditions se heurtaient aux droits acquis. La renonciation au centre commercial impliquait la révocation d'une autorisation déjà partiellement utilisée. La réduction du stade à 15'000 places nécessitait de reprendre entièrement le projet, et l'initiative exposerait l'Etat à payer des dédommagements importants. En proposant une modification de la loi alors qu'ils auraient pu s'y opposer à plusieurs reprises, les initiants poussaient l'Etat à adopter un comportement contradictoire, à la limite de la bonne foi. Le 15 juin 2001, le Grand Conseil a déclaré valide l'initiative IN 118. Publiée le 20 juin 2001, sans motivation, cette décision fait l'objet d'un recours de droit public formé par Michel Rossetti, citoyen genevois. Celui-ci conclut à l'annulation de la décision du Grand Conseil et à l'invalidation de l'initiative. Le Grand Conseil conclut au rejet du recours dans la mesure où il est recevable. Le recourant a répliqué, et le comité d'initiative s'est déterminé le 1er mars 2002. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. En vertu de l' art. 85 let. a OJ , le Tribunal fédéral connaît des recours de droit public concernant le droit de vote des citoyens et de BGE 128 I 190 S. 193 ceux qui ont trait aux élections et aux votations cantonales, quelles que soient les dispositions de la constitution cantonale et du droit fédéral régissant la matière. 1.1 Le recours institué par l' art. 85 let. a OJ permet au citoyen de se plaindre de ce qu'une initiative a été indûment soustraite au scrutin populaire, notamment parce qu'elle a été déclarée totalement ou partiellement invalide par l'autorité cantonale chargée de cet examen, et quelle que soit la motivation de cette décision d'invalidation. La qualité pour recourir dans ce domaine appartient alors à toute personne à laquelle la législation cantonale accorde l'exercice des droits politiques pour participer à la votation en cause, même si elle n'a aucun intérêt juridique personnel à l'annulation de l'acte attaqué ( ATF 121 I 138 consid. 1 p. 139, 357 consid. 2a p. 360). 1.2 En revanche, il n'y a pas a priori violation du droit de vote du fait que l'autorité déclare entièrement valide une initiative cantonale, et décide par conséquent de la soumettre au peuple. La violation des droits politiques peut certes résulter de l'inobservation des règles de l'unité de la matière, de l'exigence d'exécutabilité et d'un éventuel abus du droit d'initiative, tels qu'ils sont invoqués par le recourant, car ces différents principes tendent directement à protéger l'électorat en tant qu'organe de suffrage, en assurant notamment une formation correcte de la volonté des électeurs. Cela est moins évident s'agissant de la violation alléguée de la garantie de la propriété, de la liberté économique, ainsi que du droit cantonal sur les constructions ou sur l'aménagement du territoire. De tels griefs ne relèvent pas du droit de vote proprement dit, mais du respect du droit matériel, notamment constitutionnel. Or, ce dernier est assuré par le recours de droit public pour violation des droits constitutionnels ( art. 84 al. 1 let. a OJ ), qui permet au particulier d'attaquer les mesures qui le lèsent personnellement dans ses intérêts juridiquement protégés ( art. 88 OJ ). L' art. 85 let. a OJ constitue pour sa part une voie de droit spécifique d'un tout autre genre, permettant d'intervenir, en qualité de citoyen, pour sauvegarder un intérêt public. Etendre l'intervention du Tribunal fédéral, dans le cadre de l' art. 85 let. a OJ , au contrôle de conformité au droit supérieur, forcerait cette juridiction à intervenir avant l'adoption de la norme, puis à l'occasion d'un contrôle abstrait, et enfin lors de décisions d'application; il en résulterait une protection juridique manifestement excessive ( ATF 114 Ia 267 consid. 3 p. 271-273, confirmant la pratique antérieure en dépit des critiques de la doctrine). BGE 128 I 190 S. 194 1.3 La jurisprudence admet toutefois que la voie de l' art. 85 let. a OJ est ouverte lorsque l'autorité décide de présenter une initiative au vote populaire, pour autant que le droit cantonal charge l'autorité compétente de vérifier d'office la conformité des initiatives aux règles supérieures. Dans ce cas, le citoyen dispose d'une prétention à ce que ce contrôle obligatoire soit effectué correctement et à ce que le corps électoral soit dispensé de se prononcer, le cas échéant, sur des dispositions qui paraissent d'emblée contraires au droit matériel supérieur ( ATF 114 Ia 267 précité; cf. ETIENNE GRISEL, Initiative et référendum populaires, Traité de la démocratie semi-directe en droit suisse, Berne 1997, p. 145, pour qui une telle dispense découle directement des exigences de la démocratie, indépendamment du droit cantonal). 1.4 Selon l'art. 66 al. 3 de la Constitution genevoise du 24 mai 1847 (Cst./GE; RS 131.234), le Grand Conseil déclare partiellement nulle l'initiative dont une partie est manifestement non conforme au droit si la ou les parties qui subsistent sont en elles-mêmes valides; à défaut, il déclare l'initiative nulle. Même s'il ne sanctionne que les violations évidentes du droit (par quoi il faut entendre non seulement le droit formel relatif à la recevabilité des initiatives, mais également le droit supérieur), le Grand Conseil est tenu d'effectuer un examen d'office. 1.5 Il en résulte que le présent recours est recevable tant en ce qui concerne les griefs relatifs à son contenu possible, à l'unité de la matière et à l'abus du droit d'initiative que pour ce qui a trait au respect du droit supérieur, soit des droits fondamentaux, du droit fédéral (art. 21 de la loi fédérale du 22 juin 1979 sur l'aménagement du territoire [LAT; RS 700]) et de la législation genevoise; même si, sur ces derniers points, le recours pour violation des droits politiques tient le rôle de recours de droit public, la qualité pour agir ne dépend pas d'une atteinte personnelle à un intérêt juridiquement protégé. Citoyen actif dans le canton de Genève, Michel Rossetti a donc qualité pour contester la validité de l'initiative IN 118. 2. Le recourant soulève cinq griefs. Il fait valoir en premier lieu que les dispositions prévues par l'initiative ne seraient pas de la compétence du Grand Conseil puisqu'elles auraient pour effet la révocation des deux autorisations de construire, actes de la compétence du DAEL; l'abrogation de la zone de développement 3 et le reclassement des terrains voués au centre commercial, voulus par l'initiative, supposeraient le dépôt d'un avant-projet par le DAEL, BGE 128 I 190 S. 195 puis d'un projet par le Conseil d'Etat, le Grand Conseil, qui adopte finalement le projet de loi, ne disposant que d'un droit de motion dans ce domaine. Dans un deuxième grief, le recourant invoque la règle d'unité de la matière, violée selon lui par le fait que l'initiative prévoit des mesures n'ayant aucun rapport intrinsèque, soit la réduction de la capacité du stade, le transfert de l'ancien stade des Charmilles à une collectivité publique, l'assainissement de la gare de la Praille et la suppression du centre commercial. Le recourant conteste ensuite, dans un troisième grief, la conformité de l'initiative au droit supérieur, soit en particulier la liberté économique (la révocation de l'autorisation de construire le centre commercial constituerait une mesure de politique économique, serait dépourvue d'intérêt public prépondérant et disproportionnée), la garantie de la propriété (la diminution de la subvention accordée à la Fondation du Stade de Genève et la formulation de conditions supplémentaires à son versement ne reposeraient pas non plus sur un intérêt public et seraient disproportionnées; compte tenu des délais de la procédure parlementaire, les travaux seront achevés lorsque pourront être révoquées les autorisations de construire), l' art. 21 LAT (l'initiative n'a été déposée qu'une année après l'adoption du plan de zones, et celui-ci a été concrétisé par un PLQ, puis par le début des travaux), l' art. 101 Cst./GE (qui attribue des compétences générales en faveur du Conseil d'Etat en matière financière et d'autorisation de construire), ainsi que la réglementation genevoise sur le droit des constructions (les compétences du DAEL en cette matière seraient violées). Le recourant soutient enfin, dans un dernier moyen, qu'il y aurait abus du droit d'initiative: il était possible aux initiants de demander le référendum, en tout cas à l'encontre des lois du 19 juin 1997 et du 27 mai 1999. 3. Les griefs relatifs à la compétence du Grand Conseil et à l'unité de la matière peuvent être écartés d'emblée. 3.1 Le recourant invoque l' art. 65 B Cst./GE . Il admet qu'une initiative populaire peut, en droit genevois, contenir des normes matériellement de rang administratif, pour autant toutefois que la législation cantonale soit respectée et que l'acte en question soit de la compétence du pouvoir législatif, et non du gouvernement ou de l'administration. En l'espèce, l'initiative aurait pour effet la révocation des autorisations de construire le stade et le centre commercial. Un tel acte contraire serait de la compétence exclusive de l'autorité qui a délivré les autorisations, soit le DAEL. Il en BGE 128 I 190 S. 196 résulterait que l'art. 1, deuxième partie, de l'initiative serait nul, faute de compétence du Grand Conseil en matière d'autorisation de construire. Le recourant perd de vue que si, selon lui, la révocation des autorisations de construire est une conséquence de l'initiative, elle ne figure nullement dans le texte de celle-ci. L'acte contraire que pourrait impliquer l'acceptation de l'initiative n'est par conséquent pas automatique; il ne serait d'ailleurs pas effectué directement par le Grand Conseil, mais éventuellement exécuté par les autorités administratives compétentes. Le recourant argumente de manière similaire à propos de l'abrogation de la zone de développement prévue à l'art. 9 de l'initiative. Il y aurait là aussi un acte de nature administrative que le Grand Conseil ne pourrait pas non plus adopter par la simple voie du projet de loi: selon les art. 15 A et 16 de la loi cantonale d'application de la LAT (LALAT), le Grand Conseil devrait préalablement s'exprimer par voie de motion (non soumise au référendum), l'avant-projet de loi étant établi par le DAEL, puis soumis à l'enquête publique. C'est manifestement cette procédure qu'ont voulu réserver les initiants en indiquant que l'abrogation de la zone de développement 3 aurait lieu "conformément à la procédure de modification de zone requise à cet effet". L'acceptation de l'initiative n'aurait donc pas pour effet une violation de la répartition des compétences dans ce domaine. 3.2 L'exigence d'unité de la matière figure à l' art. 66 al. 2 Cst./GE , selon lequel il doit exister un "rapport intrinsèque" entre les diverses parties d'une initiative. Selon le recourant, l'initiative IN 118 préconiserait, outre la réduction du stade de football, le transfert à titre gratuit à une collectivité publique du stade des Charmilles, situé en ville de Genève dans un tout autre secteur que le site de la Praille. L'assainissement de la gare de la Praille constituerait un objet totalement distinct, susceptible de faciliter la récolte de signatures auprès de ceux que le sort du stade indiffère. En votation populaire, les partisans d'un assainissement n'auraient d'autre choix que de condamner simultanément le projet de stade. Quant à la suppression du centre commercial, elle tiendrait à des motifs de politique économique (protéger le petit commerce) et de protection de l'environnement (limiter les nuisances du trafic automobile). L'unité de la matière est une notion relative, dont les exigences doivent être appréciées en fonction des circonstances concrètes ( ATF 123 I 63 consid. 4 p. 70 ss). Une initiative se présentant comme BGE 128 I 190 S. 197 un ensemble de propositions diverses, certes toutes orientées vers un même but (dans l'arrêt précité, la protection de l'emploi), mais recouvrant des domaines aussi divers qu'une politique économique, une réforme fiscale, le développement de la formation, la réduction du temps de travail, la réinsertion des sans-emploi, etc., viole la règle de l'unité de la matière (consid. 5, p. 73/74). En revanche, une initiative populaire peut mettre en oeuvre des moyens variés, pour autant que ceux-ci peuvent être rattachés sans artifice à l'idée centrale défendue par les initiants ( ATF 125 I 227 consid. 3c p. 231). Il en va ainsi dans le cas particulier. S'il y a une diversité de moyens dans les propositions de l'initiative, tous tendent à une modification du projet de construction sur le site de la Praille, lequel comprend déjà à l'heure actuelle plusieurs éléments différents comme le stade lui-même et le centre commercial. L'assainissement de la gare de la Praille et le transfert du stade des Charmilles constituent des conditions, posées à l'art. 2 de l'initiative, à l'octroi de la subvention réduite prévue à l'art. 1. L'initiative forme donc un tout suffisamment cohérent pour que l'exigence d'unité de la matière soit respectée. On ne se trouve donc nullement dans l'un des principaux cas où, selon la jurisprudence actuelle, l'unité de matière fait défaut, soit parce que l'initiative présente en réalité un programme politique général ( ATF 123 I 63 consid. 5 p. 73/74), soit parce qu'il n'y a pas de rapport suffisamment étroit entre les différentes propositions que l'initiative contient, soit encore parce que les différentes clauses de l'initiative sont réunies de manière artificielle ou subjective ( ATF 123 I 63 consid. 4d p. 73 et consid. 5 p. 73/74 ainsi que la doctrine citée). Au demeurant, l'électeur n'est nullement placé devant un choix entre la réalisation du stade initialement prévu et l'assainissement de la gare de la Praille, dès lors que ce dernier est de toute façon imposé par le droit fédéral. Le grief de défaut d'unité de la matière doit donc être rejeté. 4. De manière générale, une initiative populaire cantonale ne doit rien contenir qui viole le droit supérieur, qu'il soit cantonal, intercantonal, fédéral ou international (cf. ATF 124 I 107 consid. 5b p. 118/119). L'autorité appelée à statuer sur la validité matérielle d'une initiative doit en interpréter les termes dans le sens le plus favorable aux initiants. Lorsque, à l'aide des méthodes reconnues, le texte d'une initiative se prête à une interprétation la faisant apparaître comme conforme au droit supérieur, elle doit être déclarée valable et être soumise au peuple. L'interprétation conforme doit BGE 128 I 190 S. 198 permettre d'éviter autant que possible les déclarations d'invalidité ( ATF 125 I 227 consid. 4a p. 231/232 et les arrêts cités). 4.1 Outre la réduction de la subvention et les nouvelles conditions posées à son octroi, l'initiative prévoit, en son art. 9, que la partie de la zone de développement 3 créée par la loi du 27 mai 1999 dans le but de permettre des activités commerciales et administratives ainsi que la construction du stade est abrogée conformément à la procédure applicable, et reclassée en zone ferroviaire pour répondre aux besoins futurs des CFF. Le recourant y voit une violation de l' art. 21 LAT , qui pose le principe de la stabilité des plans. Il relève que la loi du 27 mai 1999 est entrée en force et a été concrétisée par l'adoption du PLQ le 8 septembre 1999, puis par l'octroi des autorisations de construire. Les motifs de révision, liés à la réduction des immissions, ne sauraient l'emporter sur l'exigence de stabilité. 4.2 Selon l' art. 21 LAT , les plans d'affectation ont force obligatoire pour chacun (al. 1). Ils font l'objet des adaptations nécessaires lorsque les circonstances se sont sensiblement modifiées (al. 2). Cette disposition tend à assurer à la planification une certaine stabilité, sans laquelle les plans d'aménagement ne peuvent remplir leurs fonctions ( ATF 127 I 103 consid. 6b p. 105; ATF 124 II 391 consid. 4b p. 396; ATF 123 I 175 consid. 3a p. 182 et les arrêts cités). La stabilité des plans est un aspect du principe, plus général, de la sécurité du droit, qui doit permettre aux propriétaires fonciers, comme aux autorités chargées de mettre en oeuvre la planification, de compter sur la pérennité des plans d'affectation ( ATF 120 Ia 227 consid. 2b p. 232). Ceux-ci doivent être révisés lorsque les circonstances déterminantes se sont modifiées depuis leur adoption. Toutefois, plus le plan est d'adoption récente et les modifications à apporter importantes, plus les motifs qui justifient cette modification doivent être impérieux (même arrêt, p. 233). Les circonstances à prendre en considération peuvent être de fait ou de droit ( ATF 127 I 103 consid. 6b p. 105); elles sont notamment les suivantes: - la durée de validité du plan: pour autant que celui-ci satisfasse aux exigences de la LAT, sa stabilité doit en principe être assurée pour quinze ans au moins ( art. 15 let. b LAT ; ATF 119 Ib 138 consid. 4e p. 145). Plus le plan est récent, plus on peut compter sur sa stabilité. Lorsque le plan litigieux est en vigueur depuis quelques années seulement, il y a lieu de démontrer que les besoins pour les quinze années suivant son adoption ont été mal ou sous-estimés et que, sur les autres points déterminants, les circonstances se sont BGE 128 I 190 S. 199 sensiblement modifiées ( ATF 120 Ia 227 consid. 2c p. 233). C'est seulement dans des circonstances exceptionnelles qu'un plan récent d'une année et demie pourrait être amené à subir, par la voie de l'initiative populaire, une modification sous la forme d'un déclassement (arrêt 1P.489/2001 du 4 décembre 2001); - le degré de précision et de réalisation du plan: l'adoption d'un plan d'équipement, d'un remaniement parcellaire ou l'investissement de sommes importantes dans l'équipement des terrains permettent aux propriétaires de tabler sur le maintien de l'affectation prévue; par ailleurs, lorsque le plan d'affectation a été mis en oeuvre par l'octroi d'autorisations de construire, sa stabilité doit également être garantie; - l'étendue de la modification requise: des modifications mineures peuvent être autorisées lorsqu'elles n'impliquent pas un réexamen d'ensemble de la planification ( ATF 124 II 391 consid. 4b p. 396); - les motifs de modification: conformément à l' art. 21 al. 2 LAT , la nécessité de rendre la planification conforme aux exigences de l'aménagement du territoire revêt une importance prépondérante. Ainsi, la modification du plan directeur, ou la réduction des zones à bâtir surdimensionnées constituent des motifs de poids, de même que la réduction des immissions excessives, notamment par l'adoption d'un plan de mesures ( art. 44a LPE [RS 814.01], art. 31 ss OPair [RS 814.318.142.1]; pour un rappel de ces critères, cf. ZEN-RUFFINEN/GUY-ECABERT, Aménagement du territoire, construction, expropriation, Berne 2001, p.184-186; HALLER/KARLEN, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3e éd., Zurich 1999, p. 119 s.). En revanche, un simple changement d'avis de la population ou une modification du rapport de force politique ne constituent pas une modification sensible des circonstances au sens de l' art. 21 al. 2 LAT ( ATF 109 Ia 113 consid. 3 p. 115 et la jurisprudence citée). 4.3 Le plan de zone no 28950 dont les initiants proposent l'abrogation a été adopté le 27 mai 1999 par le Grand Conseil, sans faire l'objet d'une demande de référendum, ni d'un recours auprès du Tribunal administratif cantonal. Entré en force le 24 juillet suivant, il prévoit le passage en zone de développement 3, affectée à des activités commerciales et administratives ainsi qu'à un stade de football, de l'ensemble du périmètre concerné par le projet. Dans son exposé des motifs, le Conseil d'Etat relève que la reconstruction du stade des Charmilles s'est révélée impossible et que le site de la Praille était le plus adapté à ce projet. Un concours avait été lancé, BGE 128 I 190 S. 200 portant sur les aspects architecturaux et financiers. Le projet retenu prévoit la création d'un stade de forme ovoïde et asymétrique, semi-enterré, dont la capacité avait été portée de 25'000 à 30'000 places pour répondre aux exigences de l'UEFA. Le projet prévoit expressément la création d'un centre commercial au nord du site, ainsi qu'une zone administrative au centre. Le financement prévu serait assuré par l'Etat de Genève, à hauteur de 17 millions de francs, par la Ville de Genève pour un million de francs, par le Crédit Suisse pour 20 millions et, pour 30 millions par l'exploitant du centre commercial. Le degré de sensibilité III a en outre été attribué au périmètre concerné. Par la suite, le PLQ no 28962-67 a été mis à l'enquête jusqu'au 13 juillet 1999. Il a suscité quatre oppositions, dont celles du WWF et de l'Association transports et environnement, qui n'étaient pas opposés au projet de stade et de centre commercial, mais réclamaient une desserte suffisante par les transports publics et un complément dans ce sens au rapport d'impact. Les oppositions ont été rejetées le 8 septembre 1999. Une association de quartier a également recouru. Ces procédures ont abouti à des transactions et à un arrêt d'irrecevabilité. La seconde partie de l'étude d'impact a été déposée le 6 décembre 1999. Les autorisations de démolir ont été délivrées par le DAEL et sont entrées en force le 18 février 2000. Une demande tendant à reconsidérer l'arrêté d'approbation du plan de quartier et une demande de prolongation du délai d'opposition ont été rejetées par le Conseil d'Etat le 12 avril 2000. Après que le Conseil d'Etat ait autorisé l'application des normes de la zone de développement, le DAEL a délivré les autorisations de construire le 5 octobre 2000; les recours formés contre ces décisions, dépourvus d'effet suspensif, ont été déclarés irrecevables faute de légitimation active des recourants. Ceux-ci ont formé un recours de droit administratif, encore pendant au moment où le présent recours de droit public a été déposé. 4.4 Il apparaît par conséquent que l'initiative a été déposée, et la décision du Grand Conseil sur sa validité rendue, respectivement, moins d'une année et deux ans après l'adoption du plan de zone. Outre qu'il s'agit là d'un très bref délai, le plan a été immédiatement suivi de mesures concrètes d'exécution que sont le PLQ et les autorisations de construire. Les investissements opérés sont par ailleurs considérables, de sorte que seules des circonstances exceptionnelles auraient pu permettre une telle révision. Force est de constater que de telles circonstances font défaut. Les problèmes liés à la protection de l'air et à la nécessité d'assainir la gare de la Praille ne sont BGE 128 I 190 S. 201 guère nouveaux; ils ont été examinés, en particulier dans le cadre des études d'impact à l'appui du PLQ, puis des autorisations de construire, et pouvaient déjà être invoqués à l'encontre du plan de modification de zones. Le Grand Conseil genevois prétend que la volonté manifestée par les électeurs de réduire la capacité du stade et de supprimer le centre commercial constituerait une modification importante des circonstances justifiant un changement de planification. Il perd ainsi de vue que, lorsque le droit cantonal permet à des tiers, par le biais de l'initiative législative, de requérir une modification de la planification, cela ne saurait toutefois affaiblir la présomption de validité et de stabilité du plan d'affectation, car ces principes découlent du droit fédéral ( ATF 120 Ia 227 consid. 2c in fine p. 233 et consid. 2e p. 234). L'abrogation du plan de zone ne serait en définitive motivée que par un changement de volonté politique - respectivement populaire -, ce qui ne constitue pas une modification sensible des circonstances au sens de l' art. 21 al. 2 LAT ( ATF 111 II 326 consid. 1a/cc p. 327; ATF 109 Ia 113 consid. 3 p. 114; cf. TANQUEREL, Commentaire de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, Zurich 1999, n. 30, 32, 37-40 ad art. 21 LAT et les références citées; HOHL, Probleme des Initiativrechts auf dem Gebiet des Baurechts und der Raumplanung, thèse Zurich 1989, p. 29 et 89). 4.5 Il en résulte que l'art. 9 de l'initiative doit être annulé, la modification du plan de zone apparaissant contraire aux exigences de stabilité découlant du droit fédéral. Par voie de conséquence, le plan localisé de quartier doit également subsister, et les autorisations de construire ne peuvent être mises en cause pour des motifs tenant à l'aménagement du territoire. Il convient dès lors de se demander si, en dépit du maintien de la planification actuelle, le complexe de la Praille pourrait être redimensionné comme l'exige l'art. 1, deuxième partie, de l'initiative. Le gabarit du stade et sa capacité (30'000 personnes) sont clairement définis dans le PLQ, de même que l'implantation du centre commercial, de sorte que la réduction du premier et la renonciation au second pourraient s'avérer inconciliables avec les mesures d'aménagement adoptées jusque-là. La question peut demeurer indécise, car supposées compatibles avec les plans en vigueur, la réduction de la capacité d'accueil du stade et la renonciation au centre commercial n'apparaissent de toute façon plus réalisables. 5. Selon la jurisprudence, une initiative populaire doit être invalidée si son objet est impossible ( ATF 101 Ia 354 consid. 9 p. 365 BGE 128 I 190 S. 202 et les arrêts cités). Il ne se justifie pas de demander au peuple de se prononcer sur un sujet qui n'est pas susceptible d'être exécuté. L'invalidation ne se justifie toutefois que dans les cas les plus évidents. L'obstacle à la réalisation doit être insurmontable: une difficulté relative est insuffisante, car c'est avant tout aux électeurs qu'il appartient d'évaluer les avantages et les inconvénients qui pourraient résulter de l'acceptation de l'initiative ( ATF 99 Ia 406 consid. 4c p. 407; ATF 94 I 120 consid. 4b p. 126 concernant des initiatives visant à interrompre des travaux de construction). Par ailleurs, l'impossibilité doit ressortir clairement du texte de l'initiative; si celle-ci peut être interprétée de telle manière que les voeux des initiants sont réalisables, elle doit être considérée comme valable (GRISEL, op. cit., p. 254). L'impossibilité peut être matérielle ou juridique. S'agissant des initiatives tendant à la remise en cause de travaux, la jurisprudence considère qu'il n'y a pas inexécutabilité du simple fait que l'ouvrage est déjà commencé ( ATF 94 I 125 ), mais qu'il y a impossibilité matérielle d'exécution lorsque l'ouvrage est en état d'achèvement ( ATF 101 Ia 354 consid. 10 p. 367 ss). 5.1 Pour juger de cette question, il y a lieu, compte tenu de l'objet et du caractère de l'initiative, de se placer non pas au moment du dépôt de l'initiative, mais, au plus tôt, au moment où l'autorité compétente statue sur sa recevabilité, voire au moment le plus proche possible de celui où l'initiative devrait être soumise au vote populaire ( ATF 101 Ia 354 consid. 10 p. 369). Le droit d'initiative n'implique aucun effet suspensif, de sorte qu'il est possible qu'une initiative exécutable au moment de son dépôt devienne impossible à réaliser au moment du scrutin, pour autant toutefois que ce dernier n'ait pas été retardé à dessein (GRISEL, loc. cit.). 5.2 En l'espèce, les opposants au projet de stade et de centre commercial avaient la possibilité de recourir ou de lancer un référendum contre la loi du 27 mai 1999, ce qui eût permis d'éviter que l'avancement des travaux ne rende leur démarche irréalisable. Il ne pouvait en effet leur échapper d'emblée que, compte tenu des délais de traitement des initiatives populaires et de l'absence d'effet suspensif, l'avancement des travaux pourrait rendre illusoire toute tentative de redimensionnement du projet. Or, sur le vu du calendrier établi par le Secrétariat du Grand Conseil, tel qu'il figure notamment en tête du rapport de la commission législative, la décision du Grand Conseil sur la prise en considération de l'initiative et l'opposition éventuelle d'un contre-projet devait intervenir avant le mois de juin 2002, l'adoption d'un éventuel contre-projet devant avoir lieu avant BGE 128 I 190 S. 203 le mois de juin 2003. Compte tenu de ces délais, qui résultent des art. 67 A et 49 al. 3 let. b et c Cst./GE, une votation populaire ne pouvait donc pas être envisagée avant 2003, soit approximativement au moment de l'inauguration, prévue au mois de juin 2003, voire plus tôt encore pour le centre commercial. Les ouvrages se trouveraient en voie d'achèvement, si ce n'est déjà complètement réalisés, au moment de la votation populaire, ce qui constitue un cas d'impossibilité matérielle selon la jurisprudence précitée. 5.3 Il ressort de ce qui précède que l'initiative est partiellement contraire au droit fédéral en tant qu'elle tend à restaurer l'ancienne planification (art. 9), et qu'elle est par ailleurs irréalisable en tant qu'elle vise à réduire la capacité du stade et à supprimer le centre commercial (art. 1 seconde partie). Il y a lieu dès lors de déterminer si les autres dispositions de l'initiative pourraient être soumises, pour elles-mêmes, au peuple. 6. Lorsque seule une partie de l'initiative apparaît inadmissible, la partie restante peut subsister comme telle, pour autant qu'elle forme un tout cohérent et qu'elle puisse encore correspondre à la volonté des initiants ( ATF 125 I 227 consid. 4 p. 231; ATF 124 I 107 consid. 5b p. 117; ATF 121 I 334 consid. 2a p. 338 et la jurisprudence citée). En vertu du principe de la proportionnalité, l'invalidité d'une partie de l'initiative ne doit entraîner celle du tout que si le texte ne peut être amputé sans être dénaturé. 6.1 La loi que l'initiative tend à modifier est une loi de subvention. Celle-ci est ramenée de 20 millions à 15 millions de francs (art. 1 et 8), et assortie de conditions nouvelles: l'abandon de la construction du centre commercial, le transfert du stade des Charmilles à une collectivité publique et l'adaptation de la gare de la Praille aux exigences de l'ordonnance du 27 février 1991 sur la protection contre les accidents majeurs (OPAM; RS 814.012). De l'aveu même des initiants, ces deux dernières conditions n'ont pas de portée: le transfert gratuit du stade des Charmilles était déjà considéré comme acquis bien avant le lancement de l'initiative, et cette exigence ne serait qu'un "maintien des conditions initiales". Quant à la mise en conformité de la gare de la Praille avec l'OPAM, l'art. 2 let. b de l'initiative n'a qu'une portée déclaratoire dès lors que le respect des prescriptions fédérales s'impose de toute manière. Les initiants admettent d'ailleurs, sur ce point également, que cette question était déjà résolue au moment du lancement de l'initiative, sur le vu des promesses faites par le Conseil d'Etat genevois de n'autoriser BGE 128 I 190 S. 204 l'ouverture du complexe que si toutes les conditions de sécurité sont satisfaites. 6.2 Si elle est certes envisageable nonobstant l'achèvement des ouvrages, la réduction de la subvention va de paire avec celle de la capacité du stade, et ne paraît pas pouvoir constituer un objet autonome aux yeux des signataires de l'initiative. Selon l'exposé figurant sur la formule de récolte des signatures, les initiants considéraient un stade de 30'000 places comme surdimensionné, dénonçaient le fait que l'exploitant ne participe pas au financement et n'assume pas les risques, critiquaient la création d'un centre commercial sur le terrain des CFF et demandaient la mise en conformité du site avec l'OPAM. La réduction de la subvention ne fait pas l'objet d'une motivation particulière et n'apparaît dès lors que comme une conséquence de la réduction de la capacité du stade. La réduction de l'engagement de l'Etat paraît certes correspondre à la volonté des initiants, mais cette seule mesure n'a plus guère de sens si les projets de stade et de centre commercial doivent être achevés tels qu'initialement prévus. L'initiative se trouve ainsi privée de son objet essentiel et il est douteux que les citoyens qui ont soutenu l'initiative l'eussent également signée s'il s'était uniquement agi de réduire la subvention de l'Etat. Au contraire, limitée à cette question, l'initiative se trouverait totalement dénaturée, de sorte qu'elle ne peut qu'être invalidée dans son ensemble (cf. ATF 119 Ia 154 consid. 9a p. 165/166 et les références citées). 7. Les considérations qui précèdent inspirent également de sérieuses réserves sous l'angle de l'interdiction de l'abus de droit, applicable en matière de droits politiques ( art. 2 CC , art. 5 al. 3 Cst. ; TANQUEREL, L'abus de droit en droit public suisse, in L'abus de droit, comparaisons franco-suisses, Actes du séminaire de Genève, mai 1998, Saint-Etienne 2001, p. 173-191, 174/175). 7.1 On ne saurait certes refuser de soumettre une initiative au peuple qu'en cas d'abus manifeste ou d'utilisation insensée des institutions démocratiques ( ATF 113 Ia 156 consid. 1c p. 159; cf. ATF 123 I 63 consid. 6c p. 76, s'agissant d'une initiative comportant une multitude de propositions en matière économique et sociale, sous un titre avantageux, dissuadant les citoyens d'étudier attentivement le texte proposé au moment de le signer). L'abus de droit pourrait aussi être admis, même lorsque le droit cantonal n'institue pas de délai d'attente, dans le cas d'une initiative tentant de remettre en cause un objet sur lequel les citoyens se sont BGE 128 I 190 S. 205 déjà clairement prononcés, et ce à plusieurs reprises ( ATF 99 Ia 402 consid. 4b p. 406). 7.2 En l'espèce, le projet de stade, largement rendu public, a été débattu par trois fois au Grand Conseil lors de l'adoption des lois de 1996, 1997 et 1999, soumises au référendum facultatif. Celui-ci n'a pas été demandé, en particulier contre la loi du 27 mai 1999, alors que les conditions juridiques et financières à la construction du stade et du centre commercial étaient déjà clairement fixées. En outre, l'initiative n'est pas sans ambiguïtés, quant aux moyens qu'elle met en oeuvre et quant à sa réelle efficacité: préconisant un redimensionnement du projet, elle modifie les conditions d'octroi de la subvention en instituant des conditions nouvelles qui, pour l'essentiel, ne dépendent pas du bénéficiaire de la subvention. Par ailleurs, elle comprend diverses dispositions (transfert gratuit du stade des Charmilles et respect de l'OPAM) qui, de l'aveu même des initiants, étaient déjà prévues auparavant. Compte tenu de la lourdeur de la procédure ayant précédé l'octroi des autorisations de construire (adoption successive de trois lois, puis du PLQ mis à l'enquête, avec une double étude d'impact), de l'absence de toute circonstance nouvelle justifiant un réexamen de l'ensemble du projet (cf. consid. 4.4 ci-dessus), du peu de temps écoulé depuis son adoption et des problèmes d'exécutabilité qui se posaient d'emblée, on peut élever certains doutes sur la légitimité de la démarche des initiants. L'annulation de l'ensemble de l'initiative, pour les motifs qui précèdent, dispense toutefois d'examiner plus avant la question de l'abus de droit. Peut également demeurer indécise la question de savoir si, en l'absence d'un intérêt public prépondérant dûment établi, une réduction de la subvention était admissible.
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